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Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 10. Juli 2008 - Straßburg Ausgabe im ABl.

8. Vorstellung des Programms des französischen Vorsitzes (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. - Als nächster Punkt folgt die Erklärung des Rates zur Vorstellung des Programms des französischen Vorsitzes.

Herr Präsident Sarkozy, ich heiße Sie als Präsident des Europäischen Rates im Europäischen Parlament willkommen.

(Beifall)

Ich freue mich sehr, dass Sie nach dieser langen Reise unter uns weilen, denn Sie kehren gerade aus Japan zurück. Herzlich willkommen im Europäischen Parlament, Herr Präsident.

(Beifall)

 
  
  

Ich darf ebenso herzlich den Präsidenten der Kommission, José Manuel Durão Barroso, begrüßen, der ebenso wie der Präsident des Europäischen Rates, jetzt gerade aus Japan gekommen ist. Das war eine anstrengende Reise, und ich möchte meinerseits keine weiteren Vorbemerkungen machen.

 
  
  

(FR) Herr Ratspräsident, ich möchte Sie ohne weitere Verzögerung bitten, das Wort vor dem Europäischen Parlament zu ergreifen.

 
  
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  Nicolas Sarkozy, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist für mich eine große Ehre, zu einem kritischen Zeitpunkt für Europa vor Ihrem Hohen Hause das Wort ergreifen zu können. Meines Erachtens tragen wir alle eine schwere Verantwortung. Als amtierender Ratspräsident ist meine Verantwortung natürlich groß, aber die gleiche Verantwortung tragen alle überzeugten Europäer.

Wie wollen wir Europa aus der derzeitigen Krise herausführen? Wie wollen wir der Erstarrung entgegenwirken? Wie wollen wir unsere Meinungsverschiedenheiten überwinden, um sie in den Dienst eines gemeinsamen europäischen Ideals zu stellen? Hier befinden wir uns im Herzen der europäischen Demokratie. Jeder von Ihnen bedurfte, um der Ehre eines Sitzes in diesem Hohen Hauses zuteil zu werden, der Unterstützung seiner Landsleute. Es gibt Frauen und Männer der Linken, der Mitte, der Rechten, es gibt Abgeordnete aus 27 Ländern, aber heute müssen wir unsere Unterschiede zu einer Kraft im Dienste einer leidenden Europäischen Union bündeln.

Wir müssen diese Unterschiede in eine Chance verwandeln, um die Europäer, die sich Sorgen machen, zu beruhigen. Wir müssen die Demokratie mit Leben erfüllen, also unsere Debatten führen und gleichzeitig das Bild eines Europas vermitteln, das sich gegen die Erstarrung wehrt. Wir müssen alle mitnehmen in die europäische Familie mit ihren 27 Staaten und dürfen niemanden zurücklassen. Nur noch wenige Monate trennen uns von einem wichtigen Datum für das Europäische Parlament, dessen sollten sich alle bewusst sein, und gleichzeitig müssen wir heute Vormittag das Gefühl eines Europas vermitteln, das für alle arbeitet.

Ich habe schon leichtere Situationen erlebt als die, in der sich Europa derzeit befindet. Gestatten Sie mir, frei zu sprechen, wobei ich mir im Übrigen bewusst bin, dass ich als amtierender Ratspräsident im Namen aller sprechen, den Sensibilitäten aller Rechnung tragen und gleichzeitig richtige Antworten finden muss.

Meine erste Bemerkung: Wir haben ein institutionelles Problem. Die Staats- und Regierungschefs haben versucht, mit dem Vertrag von Lissabon einen Kompromiss zu finden. Niemand hat behauptet, dass der Vertrag von Lissabon alle Probleme lösen werde. Aber er war und ist der Ausdruck eines für jedermann akzeptablen Kompromisses. Ich selbst musste mich als Präsident der Französischen Republik meiner Verantwortung stellen. Frankreich hat im Jahr 2005 mit „Nein“ gestimmt, und dieses „Nein“ war für Frankreich ein Problem. Meine Damen und Herren, die Themen, die wir angehen müssen, sind so schwierig und komplex, versuchen wir doch, jedem das Gefühl zu geben, dass wir daran ohne Vorbehalte und ohne Hintergedanken arbeiten. Das ist es, was man von uns erwartet.

(Beifall)

Ich habe dem französischen Volk vor den Wahlen die parlamentarische Ratifizierung des Vertrags von Lissabon vorgeschlagen. Ich habe vor den Wahlen gesagt, dass ich kein Referendum in Frankreich durchführen werde. Ich habe dies den Franzosen auf demokratische Weise gesagt; das war drei Tage vor meiner Wahl eine Entscheidung, die hätte schwere Konsequenzen haben können. Ich bedauere diese Entscheidung nicht. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die institutionellen Fragen, die Funktionsregeln in Europa eher eine Sache der Parlamentarier als eine Sache des Referendums sind. Das ist eine politische Entscheidung, zu der ich stehe (Beifall), und das ist eine politische Entscheidung, zu der ich in meinem Land vor den Wahlen stand. Das ist also eine durch und durch demokratische Entscheidung.

Nunmehr haben wir das Problem des „Nein“ der Iren, und es steht sicher einem Franzosen nicht an, ein Urteil über das „Nein“ der Iren abzugeben, nachdem es zuvor eine „Nein“ der Niederländer und der Franzosen gab. Ich werde also am 21. Juli zu meiner ersten Reise als Ratspräsident nach Irland aufbrechen, um zuzuhören, um einen Dialog zu führen, um nach Lösungen zu suchen, und die französische Ratspräsidentschaft wird im Einvernehmen mit der irischen Regierung im Oktober oder im Dezember ein Verfahren und, wie ich hoffe, eine Lösung vorschlagen.

Das Problem ist folgendes: Wir dürfen unsere irischen Freunde nicht brüskieren und müssen gleichzeitig wissen, unter welchen Bedingungen und mit welchem Vertrag wir in die Europawahlen im Jahr 2009 gehen werden. Wir haben also noch etwas Zeit, aber nicht allzu viel. Wir sind es unseren Mitbürgern schuldig, zu wissen, auf welcher Grundlage die Europawahlen stattfinden werden. Die Grundlage wird entweder der Lissabon-Vertrag oder aber der Nizza-Vertrag sein. Es wird keine neue Regierungskonferenz geben. Es wird keinen neuen Vertrag geben. Es ist entweder Lissabon oder Nizza.

Ich möchte hinzufügen, damit das ganz klar ist – das ist meine Meinung, und deshalb muss es noch lange nicht die Wahrheit sein –, dass ich zu denen gehört habe, die die Erweiterung Europas stets unterstützt haben. Die Erweiterung von 2004 war ein Erfolg. Die Familie ist wiedervereint, das darf man nicht bedauern. Ich gehöre jedoch zu denen, die stets bedauert haben, dass Europa nicht die Weisheit besessen hat, sich mit Institutionen auszustatten, bevor es sich erweitert. Das war ein Fehler, für den wir heute zahlen. Es wäre mutiger gewesen, Institutionen zu schaffen, bevor die Erweiterung vorgenommen wurde.

Damit die Dinge klar sind. Die Erweiterung bedauere ich natürlich nicht. Die Familie muss vereint sein. Aber ich sage auch mit der gleichen Entschiedenheit, Herr Präsident Pöttering, dass wir die gleichen Fehler nicht noch einmal begehen dürfen. Wenn wir bei Nizza bleiben, so ist es das Europa der 27. Wenn wir die Erweiterung wollen – und ich will sie –, so brauchen wir neue Institutionen, bevor wir uns erweitern. Wer sollte verstehen, dass das Europa der 27 nicht in der Lage ist, sich mit Institutionen auszustatten, und dass es keine andere Priorität hat, als sich zu erweitern. Die Dinge müssen also klar sein. Wenn man die Erweiterung will – und wir wollen die Erweiterung –, dann brauchen wir neue Institutionen.

(Beifall)

Lassen Sie mich hinzufügen – und da wende ich mich an Herrn Schulz –, dass ich für die Aufnahme der Balkanländer bin, dass unsere kroatischen Freunde ebenso wie unsere serbischen Freunde unbestreitbar Europäer sind. Aber die Länder, die am meisten für die Erweiterung sind, können nicht gleichzeitig sagen: „Wir wollen Lissabon nicht“, aber „wir wollen die Erweiterung“. Es geht um Lissabon und die Erweiterung. Das ist keine Frage von Erpressung, denn in Europa gibt es keine Erpressung. Das ist eine Frage der Kohärenz, der Ehrlichkeit und der Logik. Was Kroatien betrifft, so müssen wir also die Verhandlungen fortsetzen, aber jeder muss sich seiner Verantwortung stellen. Wenn Europa sich erweitern soll, und es muss sich erweitern, so mit neuen Institutionen.

Ich möchte auch noch etwas anderes sagen. Hier und da hört man in den europäischen Debatten die Äußerung: „Das ist gar nicht schlimm, dann haben wir eben ein Europa mit mehreren Geschwindigkeiten“. Vielleicht könnten wir leider eines Tages gezwungen sein, uns für ein Europa mit mehreren Geschwindigkeiten zu entscheiden. Aber das kann nur die allerletzte Lösung sein. Europa hat die Teilung durch eine schändliche Mauer teuer bezahlt. Europa hat die Diktatur, unter der 80 Millionen Europäer zu leiden hatten, teuer bezahlt. Denken wir lieber nach, bevor wir Länder zurücklassen.

Zum Zeitpunkt der Verhandlungen über den Vertrag von Lissabon in Brüssel hat Frankreich dafür gekämpft, dass Polen seinen vollen Platz im Vertrag von Lissabon einnehmen kann. Wie könnten wir 38 Millionen Polen klarmachen, dass es entschieden einfacher war, sich von der Diktatur zu befreien, die sie ertragen mussten und die sie dank Männern wie Lech Walesa, wie Johannes Paul II. abgeschüttelt haben, als im Europa der Freiheit Platz zu finden? Zu dieser Familie gehören 27 Mitglieder. Wir dürfen niemanden zurücklassen. Wir müssen alle in die europäische Familie mitnehmen. Jedenfalls wird die französische Präsidentschaft in diesem Sinne tätig werden.

(Beifall)

Was die übrigen Dossiers betrifft, so wäre, und ich glaube, darüber können wir einen Konsens erzielen, nichts schlimmer als ein Europa, das den Eindruck erweckt, unbeweglich zu sein, weil Europa wieder einmal ein institutionelles Drama erlebt. Dann würden wir in eine schreckliche Falle tappen. Wir sind gegen Institutionen, die uns zur Unbeweglichkeit verurteilen, und gleichzeitig sind die Europäer ungeduldig, weil sie uns zu unbeweglich finden.

Abgesehen von dem institutionellen Problem oder vielleicht gerade wegen des institutionellen Problems, hat Europa die Pflicht zu handeln, und zwar sofort zu handeln. Das ist die Botschaft, von der die französische Präsidentschaft möchte, dass wir sie gemeinsam den Europäern übermitteln. Wir sind dabei, die institutionellen Probleme zu lösen, aber wir sind nicht zur Untätigkeit verurteilt. Welches sind nun unsere Prioritäten, meine Herren Präsidenten?

Die erste besteht darin, den Europäern zu zeigen, dass Europa sie schützen kann, und ich möchte hier etwas über das Wort „Schutz“ sagen. Seit der Hochantike gilt jedoch, dass die Menschen sich eine Regierung gegeben haben, weil diese Regierung sie schützen sollte. Herr Präsident, Europa muss Schutz bieten, ohne protektionistisch zu sein. Protektionismus führt zu nichts. Es bedeutet jedoch einen seltsamen Schritt zurück, wenn man heute sieht, dass die Bürger Europas der Auffassung sind, dass das Europa, das geschaffen wurde, um sie zu schützen, sie beunruhigt, anstatt sie zu verteidigen. Es ist also an uns, anhand konkreter Vorhaben zu zeigen, wie Europa sie schützen wird.

An erster Stelle steht das Energie-Klima-Paket. Wenngleich dies ein Bereich ist, in dem unsere Nationen allein nichts ausrichten können, geht es doch hier um die Bewahrung der ökologischen Gleichgewichte des Planeten. Die Umweltverschmutzung, das CO2, die Ozonschicht scheren sich nicht um die Grenzen zwischen unseren Ländern. Die Herausforderung ist gewaltig, denn seit die Sachverständigen des IPCC zusammengetreten sind, wissen wir heute, dass wir die letzte Generation sind, die die Katastrophe noch vermeiden kann. Die letzte! Wenn wir nicht sofort etwas tun, werden die nachfolgenden Generationen die Schäden begrenzen, nicht aber sie verhindern können.

Nun sagt aber jedes Land der Welt: „Ich bin bereit, etwas zu tun, vorausgesetzt die Anderen beginnen vor mir“. Mit derartigen Argumenten werden die Enkel unserer Enkel keine Entscheidungen zu erwarten haben. Wenn wir Europäer warten wollten, bis die Anderen etwas tun, bevor wir selber handeln, können wir lange warten. Wir haben Europa geschaffen, um ein Zivilisationsmodell zu vermitteln und um unsere Werte zu verteidigen.

Zu diesen Werten gehört die Gewissheit, dass die Welt verurteilt ist, wenn wir nicht sofort die Entscheidung treffen, dass Europa ein Beispiel geben muss. Europa muss beispielhaft sein. Wir haben ein Ziel, die Konferenz von 2009, die die Zeit nach Kyoto regeln und organisieren muss. Europa muss vereint auftreten und zuvor entschieden haben, das Energie-Klima-Paket anzunehmen. Wenn wir das nicht getan haben, werden wir nicht die Kraft haben, die Chinesen, die Inder, die Schwellenländer, die Amerikaner dazu zu bewegen, die Anstrengungen zu unternehmen, die wir als Erste beschlossen haben. Es kommt also darauf an, dass wir unter französischer Präsidentschaft das Energie-Klima-Paket verabschieden, das die Kommission vorgelegt hat.

(Beifall)

Dies ist ein anspruchsvolles Paket, ein schwieriges Paket, jedoch möchte ich an das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen appellieren. Wenn jedes Land anfängt, über den Punkt, der es stört, und die Schwierigkeiten, die es hat, neu verhandeln zu wollen, werden wir niemals ein Abkommen erzielen. Aus diesem Grunde fordert die französische Präsidentschaft das Europäische Parlament auf, sich zusammen mit ihr dafür einzusetzen, dass wir in den nächsten sechs Monaten erreichen, dass das Energie-Klima-Paket verabschiedet wird. Das ist eine Priorität, die weder links noch rechts steht. Sie entspringt einfach dem gesunden Menschenverstand. Und wenn wir mit jedem Staat einzeln in Verhandlungen eintreten, haben wir keine Chance, das zu bewältigen.

Natürlich gibt es zweifellos Elemente, die noch präzisiert oder angepasst werden müssen. Ich denke da hauptsächlich an eine sehr schwierige Frage, die unsere Unternehmen betrifft, denen wir natürlich Regeln auferlegen werden, um die globalen Gleichgewichte zu wahren. Sollen wir in Europa unseren Unternehmen wesentliche Regeln auferlegen und dann weiterhin Produkte importieren, die aus Ländern kommen, die keine der Regeln, die für unsere Unternehmen gelten, einhalten? Das ist keine Frage des Protektionismus, es ist eine Frage der Fairness, der Gerechtigkeit und der Absage an die Naivität. Da ist das Problem der Festlegung eines Mechanismus an unseren Grenzen. Geht es um kostenlose Quoten oder um Anpassungsmechanismen? Das weiß ich nicht, aber jedenfalls müssen wir dies erörtern.

(Beifall)

Nun zur zweiten Frage. Ich verstehe, dass für einige Länder – da denke ich vor allem an jene, die im Jahr 2004 beigetreten sind, die ihre Energie im Wesentlichen aus fossilen Energieträgern gewinnen – die geforderten Anstrengungen gewaltig sind. Und diese Länder sagen uns: „Seit zehn Jahren erleben wir Wachstum, das wollen wir uns nun nicht von euch kaputtmachen lassen“. Zweifellos gibt es ein Mittel, um alle mitzunehmen, und zusammen mit dem Kommissionspräsidenten müssen wir daran arbeiten, sodass jeder die Gewissheit haben kann, dass er nicht zu Rezession, Elend, Armut und Arbeitslosigkeit verurteilt ist. Aber dieses Energie-Klima-Paket hat für uns absolute Priorität. Die Welt kann nicht warten; Europa muss den Weg zeigen.

Ein zweiter Punkt, von den 27 Ländern gehören heute 24 dem Schengen-Raum an, das heißt 24 Länder von den 27. Sie sagen 23? Nun gut, dann eben 23, aber das ist schon nicht schlecht, nicht gerechnet jene Länder, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, aber – und hierüber gibt es oftmals Debatten zwischen uns – dem Schengen-Raum angehören. Aber lassen wir das. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass wir beschlossen haben, die völlige Freizügigkeit zwischen den Ländern des Schengen-Raums zuzulassen.

Ich möchte den Fraktionsvorsitzenden und den Abgeordneten sagen, dass wir im Namen Frankreichs, im Namen Frankreichs zusammen mit Bernard Kouchner und Jean-Pierre Jouyet eine Entscheidung getroffen haben, die uns gar nicht leicht gefallen ist. Seit dem 1. Juli gibt es keine Barriere mehr für den Zugang zum französischen Arbeitsmarkt, denn ich habe angekündigt, dass ich alle Beschränkungen abschaffen würde, die durch meine Vorgänger ausgehandelt worden waren, sodass alle Arbeitnehmer aus allen EU-Ländern in Frankreich arbeiten können.

(Beifall)

Das war gar nicht so einfach. Das war nicht leicht. Im Übrigen – die französischen Abgeordneten mögen mich korrigieren, wenn ich mich irre –, hatte man mir ein Desaster angekündigt, wenn ich diese Entscheidung bekannt geben würde, und wie gewöhnlich haben wir die Entscheidung getroffen, und das Desaster ist nicht eingetreten. Mir missfiel die Polemik über den berühmten „polnischen Klempner“, die kein gutes Bild über mein Land und über Europa vermittelte. Deshalb haben wir doch alle zusammen die Europäische Union aufgebaut.

(Beifall)

Ist es nun aber von dem Zeitpunkt an, da wir keine Grenzen mehr zwischen uns haben, noch legitim und vernünftig, weiterhin jeder für sich eine Zuwanderungspolitik zu definieren, die die Zwänge der Anderen außer Acht lässt? Der Europäische Pakt zu Einwanderung und Asyl ist für die französische Präsidentschaft aus zweierlei Gründen ein wesentliches Dokument.

Erstens – und da wende ich mich in erster Linie an die Linke in diesem Saal –, wenn wir alle, die europäischen Länder uns mit einer europäischen Einwanderungspolitik ausstatten, führen wir die Einwanderung aus den nationalen Debatten heraus, wo die Extremisten das Elend der Einen und die Angst der Anderen im Dienste von Werten nutzen, die nicht die unseren sind. Die einzige Art und Weise, wie man die Debatte über die Zuwanderung verantwortungsbewusst führen kann, ist, sie zu einer europäischen Politik zu machen, ohne Politikasterei, und die Länder, die unterschiedliche Sensibilitäten aufweisen, zur Zusammenarbeit zu verpflichten.

Was von Brice Hortefeux vorgeschlagen und von allen Ministern angenommen wurde und nun im Ausschuss der ständigen Vertreter und dann im Europäischen Rat diskutiert werden muss, ist aus meiner Sicht eine Priorität, die den Beweis erbringen wird, dass Europa keine Festung sein will, dass Europa sich nicht weigert, andere Menschen aufzunehmen, dass Europa eine Arbeitsmigration braucht, dass Europa jedoch nicht all jene aufnehmen kann, die nach Europa kommen möchten.

Lassen Sie mich hinzufügen, dass es, was das politische Asyl betrifft, nicht normal ist, dass eine Person 27 Anträge in 27 demokratischen Ländern stellen kann und dass die Antworten auf ein und dasselbe Problem nicht die gleichen sind. Hinzu kommt, dass wir, was die Entwicklung mit Afrika betrifft, stärker sein werden, wenn wir zusammenarbeiten; das ist die zweite Priorität der französischen Präsidentschaft.

Als dritte Priorität möchten wir ein Konzept voranbringen, von dem in Europa oft gesprochen wurde, das aber nur wenig vorankommt, das heißt das der europäischen Verteidigung. Ich weiß sehr gut, dass es zu dieser Frage viel Uneinigkeit gibt. Gestatten Sie mir jedoch, meine Überzeugungen darzulegen. Wie soll denn Europa eine politische Macht mit einer vernehmbaren Stimme sein, wenn es nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen und sich mit den Mitteln auszustatten, die seine Politik ermöglichen?

Nehmen wir das Beispiel des Kosovo, das meiner Meinung nach ein Erfolg der Europäischen Union ist. Das ist ein europäisches Problem, das durch die Europäer gelöst werden muss. Wie können nun die Europäer weiter an der Lösung arbeiten, wenn die Europäer sich nicht mit den militärischen Mitteln und Humanressourcen ausstatten, um die Entscheidungen, die wir gemeinsam treffen, auch umzusetzen? Wie wäre es denkbar, Europa zum blühendsten Wirtschaftsraum zu machen, wenn wir nicht in der Lage sind, unsere eigene Verteidigung zu gewährleisten?

Natürlich gibt es die NATO, und niemand käme auf die Idee, schon gar nicht ich, den Nutzen der NATO in Frage zu stellen. Es geht nicht darum, zwischen einer europäischen Verteidigungspolitik oder der NATO zu wählen, es geht um die NATO, die Allianz mit den Amerikanern, und um eine selbstständige europäische Sicherheitspolitik. Es geht um beides gleichzeitig, nicht um das Eine gegen das Andere. Hinzu kommt, dass man nicht an einem Europa festhalten kann, dessen Sicherheit nur durch den Beitrag von vier oder fünf Ländern gewährleistet wird, während sich die anderen auf den Anstrengungen der vier oder fünf Länder ausruhen. Man kann nicht damit weitermachen, dass jeder in seiner Ecke Flugzeuge baut, dass man eine Rüstungsindustrie betreibt, die in Konkurrenz zueinander steht, die sich ruiniert und schließlich geschwächt wird, nur weil man nicht die Kraft aufbringt, eine europäische Verteidigungspolitik zu entwickeln.

Die vierte Priorität ist die äußerst schwierige Frage der Gemeinsamen Agrarpolitik. Damit komme ich zu meiner Schlussfolgerung, die damit im Zusammenhang steht. Eben weil es schwierig ist, muss darüber gesprochen werden. Ich weiß sehr wohl, dass es unter uns Agrarstaaten gibt, die die Arbeit ihrer Landwirte glühend verteidigen, und dass es gleichzeitig Staaten gibt, die diese Politik für zu teuer halten.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, an Ihren gesunden Menschenverstand zu appellieren. Im Jahr 2050 wird es 9 Milliarden Einwohner auf der Welt geben. Bereits jetzt sterben 800 Millionen Menschen auf der Welt hungers. Alle 30 Sekunden verhungert ein Kind. Ist es vernünftig, Europa zu einer Drosselung seiner Agrarproduktion aufzufordern, während gleichzeitig der Nahrungsmittelbedarf in der Welt niemals so groß war? Ich halte das nicht für vernünftig. Das ist keine Frage der französischen Landwirtschaft, das ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes.

(Beifall)

Hinzu kommt ein zweiter Punkt. Ob es sich nun um ein Agrarland handelt oder nicht, die Nahrungsmittelsicherheit betrifft alle. Ist es nun vernünftig, unseren Viehhaltern und Landwirten zu Recht Rückverfolgbarkeits- und Sicherheitsregeln aufzuerlegen und gleichzeitig weiter Fleisch nach Europa zu importieren, das von anderswo kommt und bei dem keine der Regeln eingehalten wird, die wir unseren Bauern auferlegen?

(Beifall)

Der dritte Punkt ist, dass die Preise für Agrarprodukte noch niemals so hoch waren. Deshalb ist es genau der richtige Zeitpunkt, um von den Preisen, den Subventionen und von der Gemeinschaftspräferenz zu sprechen. Ich meine auch, dass man sich zwischen dem Gesundheitscheck der GAP und der Finanzarbitrage auf Konzepte wie die Nahrungsmittelselbstversorgung und die Nahrungsmittelsicherheit für Europa verständigen könnte.

Meine Damen und Herren, es gibt noch eine Reihe anderer Themen: Die soziale Dimension ist ein großartiges Thema. Gestatten Sie mir jedoch, eines zu sagen. Ich stoße zuweilen auf einen gewissen Widerspruch: Vielfach wird die einhellige Meinung vertreten, dass Europa sich nicht in alles einmischen soll, dass Europa nur bei den Dingen intervenieren soll, die es betreffen. Aber jene, die Europa vorwerfen, sich überall einzumischen, sind die Ersten, die die Stimme erheben, wenn man nicht von der sozialen Dimension spricht, während bisher die Mitgliedstaaten stets wollten, dass die Sozialpolitik in erster Linie in nationaler Zuständigkeit bleiben soll, weil die Renten und das Gesundheitswesen vor allem Fragen mit nationaler Dimension seien.

Meine Damen und Herren, es gibt eine Reihe von Sozialrichtlinien, die Kommissionspräsident Barroso dankenswerterweise auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ich denke an die Betriebsbräte, an die Zeitarbeit und an einige Mindestregeln, die für jeden in Europa gelten müssen; die französische Präsidentschaft wird dies zu einer Priorität machen.

Darüber hinaus sollten weitere Themen auf die Agenda der französischen Präsidentschaft gesetzt werden, selbst wenn sie nicht in die europäische Zuständigkeit fallen. Als Beispiel für etwas, was uns alle betrifft, möchte ich die Alzheimer-Krankheit nennen (Kommentar ohne Mikro von Herrn Cohn-Bendit: „Noch nicht“). Herr Cohn-Bendit, es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, dass ein so junger Mann wie Sie bereits jetzt von einem Drama betroffen sein könnte, untere dem, selbst wenn es uns nicht trifft, doch Millionen Europäer leiden. Diese Millionen Europäer zählen für mich ebenso wie Ihre Gesundheit.

(Beifall)

Natürlich fällt dies aufgrund der Subsidiarität nicht in die europäische Zuständigkeit. Ich würde mir jedoch wünschen, dass die französische Präsidentschaft ein Treffen aller Fachleute aus all unseren europäischen Ländern organisiert, um die besten Praktiken zusammenzutragen, damit unsere Wissenschaftler ihre Kompetenzen bündeln können und damit man mehr über diese Krankheit erfahren und eine Lösung finden kann. Stellen Sie sich vor, was die Europäer dann von Europa sagen werden: Das ist ein Mittel, um die schrecklichen Erkrankungen zurückzudrängen. Was ich über Alzheimer sage, gilt auch für den Krebs, der ganze Familien zerstört, und es gibt keinen Grund, dass jeder in seinem Eckchen daran arbeitet, Lösungen für den Krebs zu finden, während wir gemeinsam mehr Mittel hätten und stärker wären.

(Beifall)

Gestatten Sie mir schließlich, zum Thema Kultur und Sport anzumerken, dass es ein schwerer Fehler wäre, Themen, die den Alltag der Europäer betreffen, nicht anzusprechen. Es gibt eine europäische kulturelle Ausnahme. Wir müssen die Kultur zu einem Element der täglichen Debatte in Europa machen. Die Welt darf nicht nur einer einzigen Sprache und einer einzigen Kultur unterworfen werden. Die Frage der Mehrwertsteuer für Videos und CD’s muss ebenso klar gestellt werden, wie Sie die Frage der Besteuerung der Bücher entschieden haben.

Was den Sport betrifft, ein Element, das über alle politischen Unterschiede hinausreicht, möchte ich sagen, dass ich mir für Europa eine sportliche Ausnahme wünsche, ebenso wie es eine kulturelle Ausnahme gibt. Ich bin für die Freizügigkeit von Personen und Gütern. Aber ich akzeptiere nicht die Idee, dass man unsere Fußballclubs finanziert und damit die Bildungsanstrengungen zunichte macht, die einige Clubs unternehmen, indem sie Jungen aufnehmen, die in ihrem Club bleiben müssen, um der Bildungsanforderung zu genügen. Eine sportliche Ausnahme, die besagt, dass der Sport nicht einfach der Marktwirtschaft unterliegt, müsste alle europäischen Abgeordneten zusammenführen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, Herr Präsident, gestatten Sie mir abschließend noch eine Bemerkung, wobei ich mich entschuldigen möchte, dass ich so lange gesprochen habe. Und ich bin mir bewusst, wo ich diese Bemerkung mache: vor dem schlagenden Herzen der europäischen Demokratie. Europa hat unter so manchem gelitten. Zunächst hat Europa unter der Feigheit einiger von uns gelitten, die Europa den Preis für Verantwortlichkeiten zahlen ließen, die in die Zuständigkeit einiger Politiker fielen, die nicht den Mut aufbrachten, vor ihrer Öffentlichkeit Entscheidungen zu treffen, die sie sich geweigert hatten, in Brüssel zu verteidigen.

(Beifall)

Das nennt man Feigheit, und ich erkläre vor dem Parlamentspräsidenten wie vor dem Kommissionspräsidenten, dass die Präsidentschaft Hand in Hand mit Ihnen arbeiten wird. Wenn der eine oder andere Mitgliedstaat nicht einverstanden ist, soll er es sagen. Wie ich bereits Gelegenheit hatte, dem polnischen Präsidenten zu sagen, hat er selbst mit über den Vertrag von Lissabon verhandelt und sein Wort gegeben. Man muss zu seinem Wort stehen. Das ist keine Frage der Politik, sondern der Moral.

(Beifall)

Aber Europa hat auch noch unter etwas anderem gelitten. Es hat unter der mangelnden Debatte gelitten. Ich möchte damit schließen, weil mir das am Herzen liegt. Unsere Institutionen sind unabhängig, aber Unabhängigkeit bedeutet nicht Gleichgültigkeit. Wenn wir als die politischen Verantwortlichen nicht den Mut haben zu debattieren, wer soll es dann tun? Worüber sollen wir debattieren? Welches ist die richtige Wirtschaftsstrategie? Welches ist die richtige Währungsstrategie? Welches ist die richtige Wechselkursstrategie? Welches ist die richtige Zinsstrategie? Natürlich – und da wende ich mich besonders an unsere deutschen Freunde – kann jeder seine Überzeugung haben. Aber niemand hat das Recht, eine Debatte zu verhindern, die konstruktiv ist.

Natürlich wollen alle eine Einigung, ein Handelsabkommen, das gerade verhandelt wird, aber niemand darf Angst haben zu sagen, dass Europa nicht naiv sein darf. Wir müssen über die Vorteile des Freihandels diskutieren. Aber wir müssen auch den Schwellenländern sagen, dass es keinen Grund gibt, dass sie die gleichen Rechte fordern, ohne die gleichen Pflichten zu übernehmen. Die europäische Debatte muss unerschrocken geführt werden. Die europäische Debatte müssen wir führen, indem wir uns achten, ohne jedoch Angst davor zu haben, unsere Überzeugungen zu vertreten.

Man stellt die Unabhängigkeit der EZB nicht in Frage, wenn man sich fragt, ob es vernünftig ist, die Zinsen auf 4,25 % anzuheben, während die Zinsen der Amerikaner 2 % betragen. Wir beteiligen uns an einer Debatte, einer ruhigen Debatte, in der niemand die Wahrheit für sich gepachtet hat – ich ganz gewiss nicht –, auch nicht notwendigerweise die Spezialisten, die die Effizienz ihrer Entscheidungen beweisen müssen.

Das ist also der Geist, meine Damen und Herren, in dem ich zusammen mit den französischen Ministern diese Verantwortung wahrnehmen will. Ich weiß sehr wohl, dass dies schwierig ist. Ich weiß, dass man als Ratspräsident nicht die Interessen seines Landes vertritt, sondern die Interessen der Union. Ich weiß, Herr Präsident, meine Herren Präsidenten, dass man im Team arbeiten muss für das Interesse des Europas der 27. Ich hoffe also, dass in sechs Monaten jedermann sagen kann: „Europa ist dank Ihrer Mitwirkung, dank Ihrer Unterstützung vorangekommen“.

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Der Präsident. − Herr Präsident des Europäischen Rates! Wir danken Ihnen für Ihre Rede. Wir wünschen Ihnen für die Dauer Ihrer Präsidentschaft weiterhin Mut, Entschlossenheit, vor allen Dingen wünschen wir Ihnen Erfolg, denn wenn Sie erfolgreich sind, ist es der Erfolg der Europäischen Union und auch der Erfolg des Europäischen Parlaments. Und Sie können versichert sein, dass das Europäische Parlament an Ihrer Seite steht, wenn Sie Ihren entschlossenen Beitrag leisten, die Europäische Union in eine gute Zukunft zu führen. Das Europäische Parlament wird Sie dabei unterstützen.

Und ich darf in Ihrer Begleitung auch die Minister Bernard Kouchner, Brice Hortefeux, unseren früheren Kollegen, und insbesondere auch Ihren Europaminister, der fast ständig hier im Parlament ist, Jean-Pierre Jouyet, begrüßen. Herzlich Willkommen hier im Europäischen Parlament!

(Beifall)

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission.(FR) Her Präsident, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, liebe Freunde! Ich freue mich, mit Ihnen zusammen im Europäischen Parlament der Vorstellung des Programms des französischen Ratsvorsitzes der Union beiwohnen zu können. Ich glaube, dies wird eine Präsidentschaft voller Dynamik und Einsatzbereitschaft, die reich an konkreten Ergebnissen sein wird, für die wir uns alle einsetzen wollen. Die Rückkehr Frankreichs nach Europa, die Sie sich gewünscht haben, Herr Ratspräsident, ist unbestreitbar eine sehr gute Nachricht für uns alle.

Die französische Präsidentschaft weckt zahlreiche Erwartungen in Europa, bei den Bürgern und gewiss auch beim hier vereinten Europäischen Parlament. Wie ich bei unserem Treffen in Paris am 1. Juli bereits sagte, wird die Kommission Ihrer Präsidentschaft zur Seite stehen und ihr jede Unterstützung gewähren und den Erfolg der Europäischen Union in diesem Halbjahr gewährleisten. Denn an Herausforderungen mangelt es nicht!

Da ist die Globalisierung, und der internationale Wettbewerb wird immer heftiger. Neue Herausforderungen stellen sich auf globaler Ebene, wie die Verknappung der fossilen Energieträger und der Klimawandel, für die wir unverzüglich gemeinsame Lösungen finden müssen. All diese Parameter stellen Europa vor die Notwendigkeit, seine Wirtschaft zu reformieren, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, seine Sozialmodelle zu modernisieren und in Bildung, Forschung und Innovation zu investieren. Europa hat viele Trümpfe in der Hand, um erfolgreich zu sein, vor allem seinen Platz als erste Handelsmacht der Welt. Aber es muss auch den Mut aufbringen, sich anzupassen; wenn wir schützen wollen, müssen wir uns anpassen. Das ist die Herausforderung.

Europa durchläuft derzeit eine schwierige Phase, das kann man nicht leugnen: Das irische „Nein“ und die weltweite Wirtschaftskonjunktur, die Explosion der Erdöl- und Rohstoffpreise, der starke Anstieg der Nahrungsmittelpreise, der Inflationsdruck, der der Hauptfeind der Kaufkraft ist. Die Inflation ist der erste Feind der sozialen Gerechtigkeit, denn im Falle einer starken Inflation leiden diejenigen am meisten, die niedrige Löhne beziehen oder nur von ihrer Rente leben; all diese Elemente werfen gegenwärtig einen Schatten auf unsere Wirtschaft und stellen die politischen Verantwortlichen, sei es auf europäischer oder auf einzelstaatlicher Ebene, vor schwierige Entscheidungen. Man muss diesen Realitäten ins Auge sehen und mit Realismus und Entschlossenheit ans Werk gehen.

Wir kehren grade vom G8-Gipfel aus Japan zurück, und ich treffe eine ganz klare Feststellung: Der Einfluss, den die Europäische Union ausübt, aber auch die Erwartungen und der Respekt, die ihr die Welt entgegenbringt, stehen in klarem Gegensatz zu dem Gefühl des Pessimismus, das innerhalb der Union so häufig zum Ausdruck kommt. Ich kann Ihnen heute sagen, dass die Europäische Union außerhalb Europas mehr denn je als ein positiver und entscheidender Akteur wahrgenommen wird, ein Akteur, der auf der internationalen Bühne einen großen Einfluss ausübt.

Lassen Sie mich zwei konkrete Themen herausgreifen, die im Mittelpunkt der Debatten beim G8-Gipfel standen: die Klimaänderungen und die Fragen der Entwicklung, zwei Dossiers, bei denen Europa weltweit die Initiative ergriffen hat. Die Vereinigten Staaten haben sich nunmehr dem Kampf gegen den Klimawandel angeschlossen, indem sie unsere Positionen weitestgehend unterstützt haben. Im vergangenen Jahr in Heiligendamm hatten wir, wie ich mich sehr gut erinnere, noch viel Mühe – Präsident Sarkozy war auch dabei –, die Amerikaner und die Russen davon zu überzeugen, ein verbindliches Ziel für das Jahr 2050 festzuschreiben. Und nun ist das erledigt! Es ist getan, und ermöglicht wurde es dank unserer europäischen Führungsrolle; darauf bin ich als Präsident einer europäischen Institution stolz. Das ist ein Erfolg, den wir einmal mehr der europäischen Einheit verdanken.

Ein zweites Beispiel: die Entwicklung und ganz besonders die Explosion der Lebensmittelpreise, die die Realisierung sämtlicher Millenniums-Entwicklungsziele in Frage stellt. Auch bei diesem Dossier konnten wir eine Rolle als Katalysator spielen, dank der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im vergangenen Monat, der, ich zitiere, „begrüßt, dass die Kommission beabsichtigt, einen Vorschlag für einen neuen Fonds zur Unterstützung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern … vorzulegen“.

Die Europäische Kommission wird diesen Vorschlag in der nächsten Woche annehmen. Ich rechne mit der vollen Unterstützung beider Flügel der Haushaltsbehörde, damit Europa den Landwirten die angestrebte Hilfe rasch gewähren kann, vor allem den Landwirten in Afrika, in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen multilateralen Organisationen. Diese Unterstützung ist wesentlich, um die „grüne Revolution“ abzusichern, die Afrika für seine Stabilität und seinen Wohlstand benötigt, die, wie uns allen bewusst ist auch im unmittelbaren Interesse Europas liegt. Wie der Europäische Rat verlangt hat, wird unser Vorschlag sich in den Grenzen der geltenden Finanziellen Vorausschau bewegen. Die Logik unseres Vorgehens besteht darin, die Einsparungen, die Europa infolge des internationalen Preisanstiegs im Rahmen seiner internen Politik der Agrarförderung ermöglicht werden, denen zugute kommen zu lassen, die jetzt am meisten unter diesem Anstieg leiden. Es gibt in der Welt extrem tragische Situationen von höchster Dringlichkeit. Wenn Sie mit angehört hätten, was der Weltbankpräsident dazu gesagt hat, wenn Sie aus dem Munde einiger Führer dieser afrikanischen Länder und anderer Länder, die bei den erweiterten Sitzungen auch vertreten waren, gehört hätten, dass das derzeitige Hungerdrama eine echte Bedrohung für so viele Bürger unserer Welt ist, so würden Sie verstehen, wie notwendig und unerlässlich die Hilfe Europas ist.

(Beifall)

Deshalb können wir nach meinem Dafürhalten auch in dieser Frage ein gutes Beispiel der Solidarität zwischen europäischen und afrikanischen Landwirten geben, eine gute Illustration dafür, dass die GAP und die Entwicklungspolitik Hand in Hand gehen können und müssen, denn, wie Präsident Sarkozy gerade sagte, haben wir Probleme mit der Lebensmittelsicherheit in der Welt, und dem müssen wir auf solidarische Art und Weise begegnen, nicht im Alleingang, sondern gemeinsam.

Es gibt also einige Besorgnisse, das stimmt, aber ebenso stimmt auch, dass die Europäische Union mehr denn je eine zentrale Rolle dabei spielt, diese zu beheben. Anstatt in dem zu baden, was ich zuweilen die „Krisophilie“ nenne – man spricht sogar von einer Untergangsstimmung in Europa –, sollten wir lieber das konkrete und positive Handeln der Europäischen Union voranbringen! Das ist im Übrigen die beste Art und Weise, um die institutionellen Fragen zu lösen, die durch die Nichtratifizierung des Vertrags von Lissabon durch Irland aufgetreten sind. Wir müssen dies angehen, denn der Vertrag von Lissabon kann uns ein effizienteres und demokratischeres Handeln ermöglichen, aber wir dürfen dies auch nicht zum Vorwand nehmen, um nicht unmittelbar auf den Bedarf unserer Bürger zu reagieren.

Die europäischen Bürger wenden sich an uns, weil sie Antworten erwarten. Die beste Antwort, die wir ihnen geben können, bestünde darin, ihnen gegenüber einerseits eine offene Sprache zu sprechen und zugleich politischen Mut zu beweisen. Beides sind Qualitäten, an denen es der französischen Präsidentschaft nicht mangelt!

In einem Europa, das Prüfungen ausgesetzt ist, müssen wir dafür sorgen, dass Europa sich beweist. Wir müssen uns auf die Politiken konzentrieren, die Europa den Bürgern näher bringen und ihren Alltag positiv verändern. Mehr denn je setzen wir also auf das Europa der Ergebnisse.

Persönlich bin ich zuversichtlich. Denn die Prioritäten Ihrer Präsidentschaft werden es Europa ermöglichen, die großen Herausforderungen zu bestehen, vor denen es heute steht, und sich gleichzeitig auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten.

So begrüße ich es, dass die französische Präsidentschaft der Entwicklung einer integrierten Politik der Energie und der Bekämpfung des Klimawandels Priorität einräumt. Wie Sie sagten, Herr Ratspräsident, ist das die absolute Priorität Ihrer Präsidentschaft, und wir wissen, dass Sie entschlossen sind, dieses strategische Abkommen bis zum Jahresende abzuschließen, sodass die Union eine gute Ausgangsposition für die Verhandlungen von Kopenhagen in einem Jahr haben wird. Die Kommission wird jede Unterstützung gewähren, damit wir ein ehrgeiziges und ausgewogenes Abkommen mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten erreichen. Ich habe dies zu einer Priorität meiner Institution gemacht, und ich möchte Präsident Sarkozy nochmals für die uneingeschränkte Unterstützung danken, die er dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Klima-Energie-Paket gewährt hat.

Wir müssen auch auf dem Wege zu einer gesteuerten Einwanderungspolitik in Europa vorankommen. Zunächst müssen wir uns der Zuwanderung widmen, die ein alterndes Europa in einigen Schlüsselsektoren der Wirtschaft braucht und die mit menschenwürdigen Bedingungen für die Integration einhergehen muss, damit wir stolz auf unser humanistisches Europa der Integration sein können, das wir denen anbieten, die ehrlich hier arbeiten wollen. Die Verabschiedung der „Bluecard“ unter der französischen Präsidentschaft wird ein äußerst wichtiger Schritt in diese Richtung sein.

Aber wir müssen uns auch mit der illegalen Einwanderung und der häufig daraus resultierenden Ausbeutung beschäftigen, indem wir den Vorschlag voranbringen, die Arbeitgeber unter Strafe zu stellen, die illegale Zuwanderer beschäftigen. Da müssen die Hauptanstrengungen liegen; es geht nicht darum, die armen Arbeitnehmer zu bedrohen, die in Europa einfach nur arbeiten wollen, sondern jene unter Strafe zu stellen, die die illegale Arbeit ausnutzen wollen. Ihr Handeln ist unseres Europas unwürdig. Lassen Sie uns das also ganz klar sagen, da gibt es keinen Widerspruch. Wir müssen an diese Frage der Einwanderung sehr realistisch herangehen.

Ich bin fest davon überzeugt, meine Damen und Herren Abgeordnete, dass unsere Unfähigkeit, diese Frage ernsthaft und verantwortungsbewusst zu regeln, eine der größten Bedrohungen für Europa darstellt. Eine Politik der absoluten Duldung an allen Fronten wird es uns nicht ermöglichen, das Problem zu lösen. Das würde den extremistischen und ausländerfeindlichen Kräften den besten Vorwand liefern. Wir müssen entschlossen, mit absoluter Entschlossenheit gegen die illegale Einwanderung vorgehen und uns gleichzeitig großzügig und solidarisch bei der Integration der Migrantengemeinschaften zeigen, die ihrerseits einen Beitrag zur Entwicklung und zum Wachstum unseres Europas leisten wollen. Ich glaube, da muss man ganz klare Worte sprechen; wir müssen entschlossen gegen die Kriminalität auftreten, aber stets unter Achtung der Menschenrechte, die das Markenzeichen der europäischen Zivilisation und unserer Pläne für die europäische Integration sind.

Das sind selbstverständlich sensible Themen, die ein gefundenes Fressen für Polemik und Missverständnisse sind. Deshalb wollte die Kommission eine ausgewogene Basis vorschlagen und hat zehn Leitprinzipien für das gemeinsame Vorgehen vorgelegt. Ich freue mich über die wohlwollende Aufnahme, die dieser integrierte Ansatz seitens der französischen Präsidentschaft und der Justiz- und Innenminister bei ihrem informellen Treffen in Cannes diese Woche gefunden hat.

Ich möchte Ihnen sagen, meine Damen und Herren Abgeordneten, dass es in einem Europa, im Schengen-Raum, wo die Freizügigkeit eine Realität ist, absurd wäre, ja ich betone absurd, weiterhin 27 verschiedene Einwanderungspolitiken zu betreiben; wir brauchen eine europäische Einwanderungspolitik.

Eine weitere Zukunftsbaustelle ist unsere Sozialagenda. Es kann kein dynamisches und wettbewerbsfähiges Wirtschaftsmodell ohne eine echte Politik der sozialen Investition zur Vorbeugung gegen die Risiken der Armut, der Ausgrenzung und der Marginalisierung geben. Frankreich hat die von der Europäischen Kommission vor einigen Tagen vorgelegte Sozialagenda zu einer seiner Prioritäten erhoben. Darüber freue ich mich. Um die Zukunft der Europäer vorzubereiten, müssen wir ihnen Chancen bieten und den Zugang zu Dienstleistungen von hoher Qualität, zu Bildung, zu gesundheitlicher Betreuung und immer wieder Solidarität. Niemand in Europa darf am Wegesrand zurückgelassen werden. Europa ist ein Projekt der Chancengleichheit und der Solidarität.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, viele andere Projekte werden in diesem Halbjahr noch in Angriff genommen werden, die ich nicht alle aufzählen kann. Lassen Sie mich aber kurz auf zwei von ihnen verweisen. Ich möchte das Projekt der europäischen Verteidigung und das Projekt der Union für das Mittelmeer begrüßen, das am Sonntag in Paris gestartet werden soll. Da sehe ich zwei Gelegenheiten für Europa, seine Rolle in der Welt zu untermauern. Auch hier ist es an uns, diesen Willen in konkrete Taten umzusetzen.

Ich wünsche der französischen Ratspräsidentschaft vollen Erfolg und versichere Sie der vollen Unterstützung der Kommission während dieses ganzen Halbjahres, das sich so viel versprechend ankündigt.

Besteht nicht die erste Aufgabe der politisch Verantwortlichen darin, sich den Herausforderungen zu stellen, wann immer diese auftreten, und entschieden zu handeln, um sie erfolgreich zu bestehen?

Wir werden viel vollbringen können, wenn wir gemeinsam vorangehen. Lassen Sie mich hier die Anstrengungen würdigen, die die französischen Behörden auf höchster Ebene seit mehreren Monaten unternommen haben, um eng mit den europäischen Institutionen, dem Präsidium und den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten: Wir müssen Hand in Hand arbeiten. Das ist der Schlüssel für den gemeinsamen Erfolg, den wir den europäischen Bürgern schuldig sind, und ich möchte den Willen begrüßen, der heute noch einmal von Präsident Sarkozy zum Ausdruck gebracht wurde, dass Rat, Europäisches Parlament und Kommission gemeinsam konkrete Lösungen für die konkreten Probleme finden, denen sich unsere Bürger Tag für Tag gegenübersehen.

 
  
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  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Frankreich hat beschlossen, seine Präsidentschaft im Zeichen politischen Handelns auszuüben.

Politisches Handeln brauchen wir, um die Schwierigkeiten zu überwinden, denen das europäische Aufbauwerk ausgesetzt ist. Die größte Schwierigkeit ist gewiss die, von der bereits den ganzen Vormittag die Rede war, das Nein der Iren. Wir müssen unsere Mitbürger für das europäische Projekt gewinnen. Ihre Zweifel lassen sich mit vielerlei Gründen erklären: Ängsten im Zusammenhang mit der Globalisierung, Preissteigerungen, dem Wandel der traditionellen familiären und sozialen Bande.

Wenn es uns nicht gelingt, jeden Einzelnen davon zu überzeugen, dass die großen Herausforderungen Sicherheit, Klima, Energie oder Migration nur auf europäischer Ebene wirksam verhandelt werden können – und auch auf der Ebene der großen Regionen der Welt muss Europa stark genug sein, um die USA, Indien, China und Brasilien zu überzeugen –, können wir nicht einer friedlichen Zukunft entgegensehen.

Politischen Willen braucht auch die französische Präsidentschaft, um ihre Partner zu überzeugen, dass der Vertrag von Lissabon uns helfen wird, effizienter und demokratischer über all diese Themen von gemeinsamem Interesse zu entscheiden. Auch die PPE-Mitglieder meiner Fraktion wünschen sich, dass alle Mitglieder, die dies noch nicht getan haben, diesen Vertrag unter der französischen Präsidentschaft ratifizieren. Wir erwarten von Irland, wie wir es bei Frankreich und den Niederlanden getan haben, dass es nach einer Zeit des Nachdenkens und des Respekts seinen 26 Partnern ein Mittel vorschlägt, um aus der Sackgasse herauszukommen. Wir fordern alle Mitgliedstaaten auf, sich jeder Übertreibung zu enthalten und Verantwortungsbewusstsein an den Tag zu legen. Unsere Fraktion wünscht sich, dass wir endlich diese institutionelle Debatte beenden, und sie vertraut auf die französische Präsidentschaft, um auf dieses Ziel hinzuwirken.

Meine Herren Präsidenten, werte Kolleginnen und Kollegen, während wir versuchen, ein besseres Entscheidungsinstrument zu finden, nehmen unsere Probleme zu. Wir verwenden darauf viel Energie, die der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Verteidigung unserer Interessen, der Förderung unseres Sozialmodells und Europas im Allgemeinen verloren geht. Es bedarf des politischen Willens, wie ich bereits sagte. Diesen Willen brauchen wir auch, um die Prioritäten anzugehen, die der Präsident des Europäischen Rates gerade vorgestellt hat. Es ist Dringlichkeit geboten, sowohl an der Klimafront als auch im Energiebereich oder in Fragen der Migration, der Lebensmittelsicherheit oder der Verteidigung.

Was Klima und Energie betrifft, ist die Alternative klar. Entweder sind unsere Länder der Auffassung, dass sie voranschreiten und noch vor dem Gipfel von Kopenhagen ein Beispiel geben müssen, und dann müssen wir bis Dezember verbindliche Beschlüsse fassen und auch von unseren internationalen Partnern Gegenseitigkeit fordern, oder unsere Länder gelangen zu der Schlussfolgerung, dass trotz der Verschlechterung der klimatischen Bedingungen und trotz unserer Energieabhängigkeit abgewartet werden muss. Ich muss Ihnen nicht sagen, welcher der beiden Varianten meine Fraktion zuneigt!

Was die Migration betrifft, möchten wir ebenfalls mit der Scheinheiligkeit Schluss machen. Während zahlreiche Länder in der Welt sich bereits für eine bewusste Zuwanderungspolitik mit recht zufrieden stellenden Ergebnissen entschieden haben, haben die meisten unserer Länder diese Entscheidungen noch vor sich her geschoben. Es ist an der Zeit, über dieses Thema zu beraten und auf positive, menschliche und verantwortungsbewusste Weise zu entscheiden. Der Entwurf des Europäischen Pakts zu Einwanderung und Asyl, der im Oktober beraten werden soll, geht in die richtige Richtung, und ich freue mich, dass dieser Entwurf von Brice Hortefeux diese Woche durch die EU-Minister positiv aufgenommen wurde – wir werden Sie unterstützen, Herr Hortefeux.

Lassen Sie mich schließlich noch zwei Themen ansprechen, die mir am Herzen liegen und die lebenswichtig für die Zukunft und unsere Unabhängigkeit sind: die Lebensmittelsicherheit und die Verteidigung. Ich denke hier an die Ärmsten in der Welt, aber auch in unseren Ländern, für die die Preissteigerungen für Lebensmittel eine lebenswichtige Frage sind. Ich wünsche mir, dass Europa und die französische Präsidentschaft Anstrengungen unternehmen, um ihnen dabei behilflich zu sein, aus dieser schwierigen Lage herauszukommen.

Zur Verteidigung möchte ich nur eine Frage stellen: Wie kann Europa ohne eine Verteidigung, die diesen Namen verdient, glaubwürdig sein? Wir brauchen eine Verteidigung, um den Frieden in Europa zu sichern und um den Ärmsten in dieser Welt zu helfen. Unsere Fraktion unterstützt den Willen der französischen Präsidentschaft, voranzukommen und ihren Partnern mutige Vorschläge in diesen beiden strategischen Bereichen zu unterbreiten.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die europäische Integration ist eine höchst politische Angelegenheit. Ich habe keinen Zweifel, dass, wenn wir den Mut aufbringen, klare politische Entscheidungen zu treffen, unsere Mitbürger wieder Lust auf Europa bekommen werden. Ich vertraue auf die neue Präsidentschaft, dass sie uns dazu ermutigen wird, und wir setzen auf den Erfolg, um das Vertrauen unserer Mitbürger in den Europawahlen 2009 zu gewinnen.

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt Punkte in Ihren Vorstellungen, Herr Staatspräsident, die wir teilen, und ich will zunächst auf einige dieser Punkte eingehen. Ich freue mich, dass Sie wohlbehalten aus Japan zurück sind. Die nächste Runde von Versprechungen für den Klimaschutz haben wir jetzt wieder gehört. Es wird Zeit, dass wir liefern.

Ja, Sie haben Recht, das Klimapaket ist eine Priorität, die unsere Fraktion mit Ihnen teilt. Und Sie haben auch Recht: Nicht jeder einzelne Staat kann das für sich erledigen. Übrigens auch nicht die Deutschen und die Franzosen alleine in Straubing, indem sie da alleine schon einmal Vereinbarungen treffen! Da gehören 25 andere Staaten mit dazu, und vor allen Dingen entscheidet das Europäische Parlament am Ende darüber! Wir machen das mit Ihnen gemeinsam, aber machen Sie keine partikularen Gänge — auch nicht mit Angela Merkel, so schön es sein mag!

Ich habe heute morgen, weil Sie über den Sport gesprochen haben, die französischen Zeitungen aufgeschlagen. Ich habe mich gefragt, was schreiben denn heute Morgen die Zeitungen in Frankreich über den Besuch von Sarkozy im Europäischen Parlament. Nichts! Sie schreiben viel über die Tour de France, und da trägt zurzeit ein Deutscher das Gelbe Trikot.

(Zwischenrufe)

Ich habe Ihnen, Herr Präsident, aufmerksam bei den anderen Punkten zugehört, die Sie genannt haben, beim Klimawandel und vor allem beim Lissabonner Vertrag. Ja, wenn wir liefern wollen, dann brauchen wir Instrumente. Und wir sind in einem Dilemma. Die Bürgerinnen und Bürger fordern von uns mehr Effektivität, mehr Transparenz, mehr Demokratie, auch mehr Demokratie und Einfluss der nationalen Parlamente. All das ist richtig. Aber jedes Mal, wenn wir liefern wollen, wird uns das Instrument, das wir brauchen, nämlich ein revidierter Vertrag, aus der Hand geschlagen.

Deshalb — Sie haben Recht — brauchen wir einen neuen Anlauf. Wir brauchen den Versuch, diesen Vertrag in Kraft zu setzen. Dass Sie nach Irland gehen und mit den Iren konstruktiv zusammenarbeiten, das finde ich ganz toll. Wenn ich Ihnen einen persönlichen Rat geben darf, lassen Sie Bernard Kouchner für diese Reise in Paris. Ich hatte den Eindruck, die bisherigen Beiträge von ihm haben uns nicht sehr geholfen, die Iren zu überzeugen.

(Beifall, Zwischenrufe)

Ich bin aber bei einem Punkt, Herr Präsident, wo wir absolut anderer Meinung sind als Sie. Sie haben vier Prioritäten in Ihrer Präsidentschaft genannt, und ich habe gewartet, ob es eine fünfte Priorität gibt. Und dann haben Sie von einigen anderen Dingen gesprochen, die auch wichtig seien, keine Priorität, einige andere Dinge. Und unter diesen einigen anderen Dingen haben Sie das soziale Europa genannt und haben gesagt, das ist eine Angelegenheit der Nationalstaaten. Das halte ich für einen schweren Fehler.

(Beifall)

Ich will Ihnen sagen: Wir erwarten von der französischen Ratspräsidentschaft ein anderes Herangehen. Soziales Europa heißt nicht, dass wir ein Sozialamt in Europa schaffen wollen oder dass wir Familienbeihilfe in Europa schaffen wollen. Beim sozialen Europa geht es um etwas anderes: Die Menschen haben lange Zeit geglaubt — und zu Recht —, dass ökonomischer Fortschritt durch Europa möglich ist. Wir haben fünfzig Jahre daran gearbeitet, dass der ökonomische Fortschritt in Europa zu mehr Wachstum führt und zu mehr Arbeitsplätzen, aber immer auch zur Garantie von mehr sozialer Sicherheit.

Immer mehr Menschen haben heute das gegenteilige Gefühl, dass der ökonomische Fortschritt Europas einigen großen Konzernen nutzt, einigen Versicherungsgesellschaften, Hedgefonds oder Großunternehmern, aber nicht ihnen selbst. Ihnen das Gefühl zurückzugeben, dass das Wachstum in Europa, der ökonomische Fortschritt dieses Kontinents, nicht den Banken und den großen Konzernen nutzt, sondern jedem einzelnen Bürger und jeder einzelnen Bürgerin, das ist eine Aufgabe der Europäischen Union! Und wenn das die Nationalstaaten garantieren müssen, dann sind Sie als Präsident des Europäischen Rates verpflichtet, Ihren Kolleginnen und Kollegen zu sagen: Schaut, dass in euren Nationalstaaten die soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund gerückt wird und nicht die Marktradikalität!

(Beifall)

Dann will ich hinzufügen: Wir haben einen Europäischen Gerichtshof, der jeden Tag Urteile spricht, und seine Urteile verändern auch die Sozialstaatlichkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, ohne dass die die Instrumente haben, sich dagegen zu wehren. Deshalb brauchen wir das soziale Europa, Herr Präsident, und deshalb erwarte ich bis Dezember, dass Sie Ihre Meinung in dieser Frage ändern, sonst werden die Sozialisten Sie nicht unterstützen können.

Herr Präsident, soziale Abstiegsängste führen zu gefährlichen Entwicklungen, und eine gefährliche Entwicklung ist, dass Regierungen, die in der Defensive sind, glauben, sie könnten durch die Hatz auf Minderheiten von diesen sozialen Abstiegsängsten ablenken. Das erleben wir zurzeit in einem Mitgliedsland der Europäischen Union. Ich weiß nicht, wie viel Prozent die Roma-Kinder an der italienischen Bevölkerung ausmachen, aber ich weiß, dass wenn eine Regierung hingeht und sagt, die werden wie bei einem Erkennungsdienst erfasst, die müssen ihre Fingerabdrücke abgeben, angeblich um sie sozial zu schützen, dies ein schwerwiegender Verstoß gegen die Grundrechte in Europa ist.

Ihr Land — Frankreich — hat der europäischen Völkergemeinschaft die erste Grundrechtecharta gebracht. Die erste Erklärung der Menschenrechte kam aus Ihrem Land. Sie stehen als Präsident dieser Republik in der Tradition dieses Landes. In Ihrer Funktion als Präsident des Europäischen Rates bitte ich Sie: Wirken Sie auf die Regierung von Silvio Berlusconi ein, sagen Sie ihr, Europa ist eine Rechtsgemeinschaft und keine Union der Willkür.

(lebhafter Beifall)

Wir haben viele große Herausforderungen als Europäische Union, aber wenn wir den Sozialstaat in Europa nicht absichern, wenden sich die Menschen von diesem Europa ab, und wenn sie sich abwenden, nutzt uns kein Lissabonner Vertrag etwas, dann scheitert dieses Projekt. Deshalb brauchen wir Mut. Ich weiß, dass Sie ein mutiger Mann sind. Wir unterstützen Ihre Prioritäten, unterstützen Sie unsere Prioritäten: das soziale Europa und der Klimawandel, die institutionellen Reformen und die Menschenrechte. Dann haben Sie eine erfolgreiche Präsidentschaft!

(Beifall von links)

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich möchte den Herrn Ratspräsidenten darauf aufmerksam machen, dass die irische Ablehnung des Vertrags die Probleme für diesen in beeindruckender Weise vorbereiteten Ratsvorsitz verstärkt hat. Sie hat darüber hinaus der Forderung nach einem praktischen Europa, das zur Problemlösung imstande ist, mehr denn je Gewicht verliehen.

Die Umsetzung der Energie- und Klimapakete wird mit jedem Tag dringlicher. Die Begrenzung der Mehrwertsteuer tröstet nur vorübergehend: Europa sollte seine Abhängigkeit vom Erdöl und Erdgas verringern. Wir müssen viel stärker in erneuerbare Energien investieren: im kleinen und lokalen Rahmen, um die Kosten der privaten Haushalte zu senken, und im großen Maßstab, beispielsweise indem die Union für den Mittelmeerraum dazu genutzt wird, um in Nordafrika in die Erzeugung von Hochspannungsenergie auf der Grundlage von Sonnenwärme zu investieren.

Am Dienstag haben sich die G8, die fast zwei Drittel der CO2-Emissionen in der Welt verursachen, das Ziel gesetzt, die Emissionen um 50 % zu reduzieren. Doch die Schwellenländer haben Recht, wenn sie sagen, man sollte das Ziel höher ansetzen – vielleicht bei 80 % –, mit Zwischenzielen.

Um die Nahrungsmittelpreise zu stabilisieren, brauchen wir gute Ideen, wie die jüngsten GAP-Reformen von Kommissarin Fischer-Boel, keinen Protektionismus, auch wenn er verschleiert ist. In Wahrheit geht es den Menschen viel mehr um den Benzinpreis und die Rechnung für das tägliche Brot als um die hehren Ziele unserer Union. Niemand sollte heute sagen ‚Qu’ils mangent de la brioche’ (Sollen sie doch Kuchen essen).

Mit Recht legt der Herr Ratsvorsitzende den Schwerpunkt auf die Migration. Aber die Migration lässt sich nur in den Griff bekommen, wenn wir etwas gegen die Verzweiflung tun, die so viele veranlasst, das Risiko auf sich zu nehmen, hierher zu kommen. Es sollte Wege der legalen Einwanderung geben, scharf gegen Menschenhandel durchgegriffen werden, und es sollte unsere Landwirtschaftspolitik reformiert werden, um das Wachstum in den Herkunftsländern anzuregen. Es mag vielleicht optimistisch sein, von der französischen Präsidentschaft die Liberalisierung der Märkte zu fordern. Aber um die Sicherheit innerhalb unserer Grenzen zu gewährleisten, müssen wir den Menschen jenseits unserer Grenzen Hoffnung geben.

In einer weiteren Hinsicht kann die französische Präsidentschaft Neuland betreten. Frankreich gab uns die Menschenrechte. Heute muss Frankreich die Führung bei ihrer Verteidigung übernehmen. Im eigenen Haus, indem es auf die Antidiskriminierungsrichtlinie drängt, im Ausland, indem der Frieden auf dem Balkan in einer der Europäischen Union gehörenden Zukunft verankert wird, indem die Union für das Mittelmeer genutzt wird, um die Menschenrechtssituation in Nordafrika zu verbessern, indem wir in unseren Geschäften mit Russland geschlossen auftreten und indem wir Chinas scharfes Vorgehen gegen Dissidenten verurteilen.

(FR) Herr Ratspräsident, fahren Sie nicht nach Peking. Spielen Sie in der Mannschaft.

(Beifall)

Wie Voltaire sagte: „Die Sterblichen sind gleich! Nicht die Geburt, die Tugend nur macht allen Unterschied“.

Herr Ratspräsident! Um Erfolg zu haben, werden Sie einen Konsens schaffen müssen. Es wird für Sie notwendig sein, dass das Parlament, der Rat und die Kommission nach einer gemeinsamen Agenda arbeiten, die von 27 Mitgliedstaaten und diesem Haus aufgestellt wird. Wenn wir uns streiten, dann über diese Agenda, nicht über ihre Boten. Sie haben sich auf eine Polemik mit dem Präsidenten der EZB und zwei Kommissionsmitgliedern eingelassen, aber sie repräsentieren unsere Union und die Politik, auf die wir uns geeinigt haben. Teilen und herrschen ist nicht die europäische Art. Wir müssen zu unseren Prinzipien stehen, aber gemeinsam an der Erreichung unserer gemeinsamen Ziele arbeiten.

(FR) Herr Präsident, ich weiß, ich komme zum Schluss, aber angesichts des Ehemanns von Carla Bruni geben Sie mir „soixante petites secondes pour ma dernière minute“.

(Heiterkeit)

(Beifall)

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um Europa den Bürgern näher zu bringen, muss, wie ich im Europäischen Konvent für den neuen Vertrag sagte, Europa eine Seele eingehaucht werden, wobei die verschiedenen Sprachen und Identitäten respektiert und gemeinsame Wurzeln und Werte durchgesetzt werden müssen, und Sie, Herr Ratspräsident, haben versucht, dieser Seele in Ihrer heutigen Rede Ausdruck zu verleihen.

Wie Straßburg Symbol für einen wiederhergestellten Frieden ist, so sollte heute die neben den Nationalflaggen wehende europäische Flagge ein sichtbares Symbol aller Bürger sein, die durch ein gemeinsames Projekt für Verteidigung, Sicherheit, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung sowie Transparenz der Zentralbank geeint sind. Vielleicht fehlt das noch in dem neuen Vertrag.

Die Politik muss den jungen Leuten feste Ziele vorgeben. Es kann keine wirtschaftliche Zukunft ohne Rücksicht auf die Umwelt geben, und es kann keine Achtung der Rechte ohne Anerkennung damit verbundener Pflichten geben. Wir hoffen, dass der französische Vorsitz die Europäische Charta der Pflichten in seine Ziele aufnimmt. Demokratie und Freiheit basieren auf der Anwendung von Regeln. Das Internet darf kein Instrument des Terrorismus, von Kinderhändlern und Gewalthetze sein. Wir müssen unsere nationalen Rechtsvorschriften harmonisieren – von der Einwanderung bis zum Kinderschutz, von der Energie bis zum umweltverträglichen Fortschritt.

Ein neues Europa für ein neues Verhältnis zu Afrika. Nicht nur Green Cards oder Handelsaustausch, sondern beiderseitiges Wachstum, eine gemeinsame Teilhabe am Europa-Mittelmeer-Projekt; wir müssen an die Terrorismus-Zentren in Mogadischu und an die Gewalt in Simbabwe denken, die die Entwicklung der Demokratie verhindern. Innerhalb der EU wird zu viel gezaudert und gezögert: Wir fordern den Rat auf, das „Made in“ zu billigen, damit der internationale Handel nach klaren Regeln ablaufen kann.

Die Bekämpfung von Fälschungen und Illegalität ist ein wirtschaftliches Problem, das jedoch auch die Gesundheit der Bürger berührt, und die kleinen und mittleren Unternehmen sind ein kultureller Wert, der verteidigt werden muss. Wir bieten der französischen Präsidentschaft unsere aufrechte Unterstützung an, damit die Hoffnungen zur gemeinsamen Realität der Bürger werden und damit eventuell durch die Förderung des wissenschaftlichen Fortschritts zur Bekämpfung seltener Krankheiten auch die endemische Antipathie bekämpft werden kann, die unser kluger Freund Herr Schulz gegen Ministerpräsident Berlusconi hegt.

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Ihr europäisches Engagement, Ihre Ambition für Europa ist eine Herausforderung, die wir, die europäischen Grünen, teilen. Ich würde in Anlehnung an ein Chanson, das Sie kennen, sogar sagen: „Das ist eine Droge, die wir teilen“.

Lassen Sie mich jedoch noch etwas anderes anmerken. Wenn man die Ambition hat, zu sagen, dass wir das Klimapaket so annehmen müssen, wie es ist, und man dann im darauf folgenden Satz vor der Lobby der deutschen Automobilindustrie in die Knie geht, hat man verloren, denn alle anderen werden dann kommen und sagen: „Wir auch“. Das ist das Problem. Man kann nicht heute Ach und Weh schreien, weil das Benzin zu teuer ist, ohne die Automobilindustrie zu verpflichten, Autos herzustellen, die nur zwei bis drei Liter verbrauchen. Seit 15 Jahren ist das möglich, aber in Ermangelung von Regeln, die die Autobauer zwingen, das zu tun, bezahlen heute die Verbraucher das Benzin zu dem Preis, wie er eben ist. Das ist die Wahrheit, die man aussprechen muss, das sind die Dinge, so wie sie liegen.

(Beifall aus der Mitte und von links)

Sie sprechen vom Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl. Einverstanden mit dem Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl. Aber geben Sie auch Raum für den Dialog: Was die legale Zuwanderung betrifft, sollte das Europäische Parlament gemäß dem Mitentscheidungsverfahren einbezogen werden, damit wir eine echte politische, eine echte demokratische Debatte führen können. Denn ich habe genug davon, dass jedes Mal wenn von Einwanderung die Rede ist, Herr Daul, nach 15 Sekunden die illegale Zuwanderung, die drohende Zuwanderung ins Spiel gebracht wird. Zunächst einmal müssen wir sagen, dass, wenn Europa so geworden ist, wie es heute ist, wir das den Einwanderinnen und Einwanderern verdanken, die es zusammen mit uns aufgebaut haben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall aus der Mitte und von links)

Nun gut, ich bin bereit, aber ich bin kein Engel. Aber wir haben ein Haus ohne Türen gebaut. Die Leute steigen durch das Fenster ein. Ich sage Ihnen: „Lasst uns zusammen zunächst die Türen bauen, um in Europa einzutreten, und dann werden wir sehen, was wir mit denen machen, die illegal hereinkommen“. Sie sagen uns: „Wir brauchen qualifizierte Arbeitskräfte“, und gleichzeitig schickt Europa jedes Jahr Zehntausende Studenten nach Hause, die es ausgebildet hat und die einfach weggeschickt werden. Lassen wir sie doch hier leben; wenn sie hier studiert haben, sind es keine Illegalen.

Kommen wir nun zu den Punkten, von denen Sie gesagt haben: „Das fällt im sozialen Bereich nicht in die Zuständigkeit Europas“. Herr Präsident, Sie werden die Europäer nicht schützen, wenn wir nicht gemeinsam gegen das Sozial- und Steuerdumping vorgehen. Das Problem muss den Europäern vorgelegt werden. Damit muss Schluss sein, und da stehen wir an Ihrer Seite. Man muss mit der Zentralbank diskutieren? Na, dann diskutieren wir doch. Man muss mit den Iren diskutieren? Dann diskutieren wir eben. Aber wir sollten es nicht mehr hinnehmen, zu sagen, dass die soziale Dimension nicht in die europäische Zuständigkeit falle. So kann es nicht weitergehen.

(Beifall aus der Mitte und von links)

Nun noch ein Wort zu den Problemen, wo wir zutiefst uneins sind. Sie werden zusammen mit dem Staatspräsidenten Chinas mit Stäbchen essen, um die Olympischen Spiele zu eröffnen. Guten Appetit! Ich werde an alle Inhaftierten denken, die in den chinesischen Gefängnissen sitzen. Ich werde an all jene denken, die verhaftet wurden. Ich werde an all jene denken, die in Tibet misshandelt werden, und ich sage Ihnen, dass Sie eine goldene Chance hatten, die europäischen Werte der Demokratie und der Freiheit zu verteidigen, wenn sie gesagt hätten: „Ich nehme an der Eröffnung der Spiele, an der Maskerade der Chinesischen Kommunistischen Partei nicht teil“. Das ist es, was wir wollen.

(Beifall aus der Mitte und von links)

Ich sage Ihnen, dass Sie, wenn Sie einmal Ihre Memoiren schreiben, bedauern werden, was sie getan haben. Sie werden es bedauern, denn Sie werden sehen, dass jene, die in den Gefängnissen geschmachtet haben, weinen werden, weil diejenigen, die sie ins Gefängnis geworfen haben, sagen werden: „Seht doch, wir können machen, was wir wollen, die westliche Welt will nur unsere Märkte“. Herr Präsident, das ist eine Schande, das ist erbärmlich, zur Eröffnung der Olympischen Spiele zu fahren.

(Beifall aus der Mitte und von links)

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Ich möchte mich in meinem Beitrag auf ein doppeltes Merkmal dieser französischen Präsidentschaft konzentrieren, nämlich ihre unbestreitbare Stärke und ihre allzu offensichtliche Schwachstelle.

Ihre Stärke gegenüber dem üblichen Tenor in der Union besteht darin, dass sie nicht sagt, Europa ginge es gut, und es solle so weitermachen, während immer mehr Europäer der Meinung sind, dass es ihm schlecht geht und die Dinge sich ändern sollten. Gut so, aber was dann? Da liegen die Dinge im Argen. Welche Schlussfolgerung ziehen Sie, Herr Präsident, aus dieser anscheinenden Klarsicht hinsichtlich der Legitimitätskrise, die die Union, insbesondere ihr Wirtschaftsmodell und ihre Funktionsweise, heute durchmacht?

Sie erklären, dass Sie das Unbehagen der Europäer gegenüber der Union verstehen und respektieren wollen, aber Sie üben Druck auf das irische Volk aus, um es dazu zu bringen, sich zu verleugnen, während es doch nur nach Frankreich und den Niederlanden laut ausgesprochen hat, was Millionen andere Europäer denken. Sie kritisieren zu Recht die Art und Weise, in der die Europäische Zentralbank von ihrem Elfenbeinturm aus den Euro verwaltet. Aber Sie setzen sich nie dafür ein, die Satzung zu überarbeiten, die ihr diese Allmacht verleiht und ihr genau diese Mission zuweist.

Was die Einwanderung betrifft, behaupten Sie, Sie wollten, ich zitiere, „den Werten dienen, die die Unseren sind“, aber Sie haben die schändliche Richtlinie unterstützt, die vom Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, von allen Menschenrechtsorganisationen, von den europäischen Kirchen verurteilt wurde, eben weil sie wesentliche Menschenrechte verletzt. Sie klammern die soziale Frage aus, die Ihrer Meinung nach allein in der Zuständigkeit der Staaten bleiben muss. Aber Sie verlieren, wie bereits gesagt, kein Wort über den Europäischen Gerichtshof, der ein Urteil nach dem anderen spricht und die Sozialmodelle sogar innerhalb der Union miteinander in Konkurrenz bringen, indem er sich nebenbei bemerkt auf die Artikel 43 und 49 des Vertrags stützt.

Sie sagen, dass Ihnen das Bild des polnischen Klempners nicht gefallen hat, mir auch nicht. Das ist eine Formel, die von der populistischen Rechten in Umlauf gebracht und im Fernsehen von Herrn Bolkestein popularisiert wurde. Ich sage im Gegenteil, willkommen den Arbeitnehmern aus allen Ländern mit gleichen Rechten in allen Bereichen.

(Beifall von links)

Genau das lässt das geltende europäische Recht nicht zu. Herr Ratspräsident, ich erinnere daran, dass nach dem Spruch des Gerichtshofs beispielsweise in Niedersachsen für ein und dieselbe Arbeit auf ein und derselben Baustelle ein Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat nur die Hälfte des Mindestlohns erhält, der für die deutschen Arbeitnehmer gilt. Das ist es, was wir nicht wollen. Wissen Sie, was ein Mann wie der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, John Monks, der nicht des Populismus verdächtigt werden kann, von diesen Urteilen hält? Er bezeichnet diese Entscheidungen, ich zitiere, als „höchst problematisch“, denn, wie er zu Recht unterstreicht, sie bekräftigen das Primat der wirtschaftlichen Freiheiten über die Grundrechte und die Achtung des Rechts auf Arbeit. Wie lautet Ihre Antwort darauf?

Sie behaupten, ein Europa aufbauen zu wollen, das schützt, aber man hört von Ihrer Seite keine Kritik an all diesen Strukturmaßnahmen, die die Existenz der Europäer prekärer machen: die Verpflichtung, die Dienstleistungsunternehmen für den Wettbewerb zu öffnen, den Druck des Stabilitätspakts auf die Löhne und die Sozialausgaben sowie zahlreiche Leitlinien, die von der Kommission erarbeitet und vom Rat verabschiedet wurden, die Sie in Ihrem eigenen Land mit Eifer anwenden.

Ich zitiere die Leitlinie Nr. 2, „die Renten-, Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme reformieren“, ich zitiere die Leitlinie Nr. 5, „Flexibilität der Arbeitsmärkte“, ich zitiere die Leitlinie Nr. 13, „dem Wettbewerb entgegenstehende regulatorische und sonstige Hindernisse beseitigen“, und das sind nicht alle.

Die Umkehr der Position Frankreichs und Italiens gestattete es dem Rat sogar, über die Verpflichtungen hinauszugehen, die er sich gestellt hatte, indem er sich auf den Richtlinienvorschlag einigte, der die 65-Stunden-Woche zulässt, damit wird Dickens zum neuen Vater Europas.

Gestatten Sie noch ein letztes Wort, Herr Präsident. Sie haben am letzten Wochenende vor Ihren europäischen Gästen, dem Parlamentspräsidenten, dem Kommissionspräsidenten und in Anwesenheit von 2 000 Kadern der französischen Rechten Ihre Rede mit einem Satz abgeschlossen, der von der gesamten Gewerkschaftsbewegung als übrigens sehr unvorsichtige Provokation empfunden wurde, indem Sie erklärten, dass künftig ein Streik von den Franzosen nicht einmal mehr bemerkt würde. Am darauf folgenden Tag erklärte Ihr Volksbildungsminister, dass dies, ich zitiere „dazu dienen sollte, unsere europäischen Partner in Anwesenheit ihrer eminentesten Vertreter zu beruhigen“. Wenn es nun aber heute, um die europäischen Führer zu beruhigen, erforderlich sein sollte, die Gewerkschaften zu beleidigen, so ist es wirklich höchste Zeit, Europa zu verändern, aber in der richtigen Richtung.

(Beifall von links)

 
  
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  Philippe de Villiers, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (FR) Herr Staatspräsident! Die europäischen Völker müssen leider in ihrem täglichen Leben die verheerenden Folgen der Politiken ertragen, die die europäischen Behörden in Brüssel und in Frankfurt betreiben. Die europäischen Völker stellen von Tag zu Tag mehr fest, dass ihre Vollmachten ihnen entgleiten, dass ihre Freiheiten abgebaut werden: Kaufkraft, teurer Euro, GVO, Steuerpolitik, Fischereiwesen, fehlender kommerzieller Schutz, Zuwanderung und bis zum Fußball, den Sie eben selbst erwähnt haben. Alles entgleitet ihnen, und ich würde sagen, Herr Staatspräsident, Herr Präsident der Europäischen Union, alles entgleitet Ihnen. Sie sagen es ja selbst, sie unterstreichen es, um Ihr Bedauern zum Ausdruck zu bringen. Es ist also höchste Zeit, zu handeln und die Worte und die Taten miteinander in Einklang zu bringen.

Sie äußerten gerade Ihr Bedauern darüber, dass es keine Gemeinschaftspräferenz gibt, und Sie haben Recht. Aber ich muss hier nicht in Erinnerung rufen, dass sie durch den Vertrag von Marrakesch abgeschafft wurde, den Sie gebilligt haben, und dass sie im Vertrag von Lissabon, den Sie abgefasst haben, nicht vorkommt.

Sie bedauern die Verantwortungslosigkeit der Zentralbank, und Sie fordern die Einleitung einer Debatte. Wir unsererseits verlangen Entscheidungen. Vielleicht kann man hier daran erinnern, dass diese Unabhängigkeit der Zentralbank, diese Verantwortungslosigkeit, die wir Tag für Tag erleben, durch den Vertrag von Maastricht festgelegt und feierlich begründet wurde. Sie bedauern, dass Sie die Zustimmung aus Brüssel brauchen, um die Steuern auf Erdöl abzusenken. Aber das ist doch nur die Folge der Verträge von Nizza und von Amsterdam, die Sie auf parlamentarischem Wege ratifiziert haben.

Kurz, Sie beschweren sich heute und jeden Tag über die Folgen dessen, was Sie jeden Tag fördern, das heißt den Entzug der Befugnisse des Staates zugunsten postdemokratischer Gremien, die aus Beamten, Bankern und Richtern bestehen. Ihre Präsidentschaft der Europäischen Union ist eine historische Chance, Europa wieder auf den richtigen Weg zu bringen, ein Europa, das in der Freiheit der Nationen verwurzelt ist und die Demokratie achtet. Deshalb fordern wir Sie auf, das Votum des irischen Volkes zu respektieren und den Vertrag von Lissabon für tot zu erklären. Nicht die europäischen Völker müssen sich mit Brüssel aussöhnen, Brüssel muss sich mit den europäischen Völkern aussöhnen!

(Beifall seiner Fraktion)

 
  
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  Jean-Marie Le Pen (NI).(FR) Herr Präsident! Nun haben Sie für sechs Monate die rotierende und kurzlebige Funktion des Präsidenten der Europäischen Union inne. Im Gegensatz zur Mehrheit der französischen Wähler haben Sie sich als ein eifriger Pro-Europäer erwiesen, der sogar soweit geht, dass er es wagt, in der kaum abgeänderten Form des Vertrags von Lissabon die Verfassung zu präsentieren, die die Franzosen zusammen mit den Niederländern 2005 abgelehnt haben. Nun ist Ihr Projekt aber gerade am Willen des irischen Volkes gescheitert.

Der Vertrag von Lissabon ist also hinfällig geworden trotz der Manöver, mit denen er versuchen könnte, den europäischen Völkern den Willen der führenden euroglobalen Camarilla aufzuzwingen.

Als junger Abgeordneter hatte ich im Jahr 1957 gegen den Vertrag von Rom gestimmt, der ersten Etappe eines Prozesses, der nach der Vorstellung seiner Betreiber, unter anderen Monnet und Coudenhove-Kalergi, zu den Vereinigten Staaten von Europa führen sollte, jenem Turm von Babel, der nur auf den Trümmern der Nationen und an erster Stelle meines Vaterlandes, Frankreich, errichtet werden konnte. Seitdem bin ich ein entschiedener Gegner dieses Prozesses.

Man sagt uns, die Globalisierung bringe überall tiefgreifende Veränderungen mit sich, die wir hinnehmen müssten. Aber in Wahrheit gewinnen überall in der Welt die Nationen an Stärke, gestützt auf einen glühenden Patriotismus, mit Ausnahme eines einzigen Raumes, Europa, wo die Nationen und die Vaterländer zugunsten eines Projekts ohne Kraft, ohne Identität verschleudert, abgebaut, demoralisiert werden, während die Wellen ausländischer Migranten es allmählich erobern und die Öffnung unserer wirtschaftlichen Grenzen es der ungezügelten Konkurrenz durch den Rest der Welt ausliefert.

Keines der Versprechen, die den Europäern gemacht wurden, damit sie den Verlust ihrer Unabhängigkeit, ihrer Souveränität, ihrer Identität, ihrer Kultur akzeptieren, wurde eingehalten, weder Wachstum, noch Vollbeschäftigung, noch Wohlstand, noch Sicherheit, und angesichts der sich ankündigenden Systemkrise, der Energiekrise, der Nahrungsmittelkrise, der Finanzkrise herrscht Angst vor. Bis dahin wird allerdings der Medienzirkus weitergehen. Gestern die Fußball-Europameisterschaft, das Tennismatch in Roland Garros, morgen die Olympischen Spiele in Peking und heute die wunderbare Saga einer Ikone, Ingrid, die lacht, die weint, die betet, die kommt und geht, um in Ihre brüderlichen Arme zu sinken!

In Ihrem Bestreben, als Befreier aufzutreten, haben Sie sich auf Verhandlungen mit den Terroristen der FARC eingelassen, aber die kolumbianische Senatorin, Frau Betancourt, wurde weder durch Sie noch durch Herrn Chavez befreit, sondern durch Präsident Uribe, der im hartnäckigen Kampf gegen die allgemeine Mobilmachung des weltweiten Progressismus einen entscheidenden Sieg über den kriminellen Terrorismus errungen hat! Sie haben zahlreiche sterile Schritte unternommen und sind sogar so weit gegangen, den reuigen Terroristen der kommunistischen FARC Asyl in Frankreich anzubieten, aber um sie vor wem zu schützen? Vor dem Demokraten Uribe? Wenn Sie so weit gegangen sind, warum nicht auch die Taliban, die Hizbollah oder die Tamilen-Tiger? Sie ähneln dem Fabelwesen Amphisbaena, das Cäsar so teuer war. Es besteht kein Zweifel, Herr Präsident, all Ihr Talent als Medienregisseur wird nicht ausreichen, um die Gefahren zu bannen, die unmittelbar bevorstehen und denen Sie noch vor Jahresende ausgesetzt sein werden.

Unser Europa ist ein Schiff, das vom Kurs abgekommen ist und durch Wind und Wellen treibt. Es ist die einzige Region der Welt, die freiwillig ihre politischen und moralischen Strukturen abgebaut hat, ohne Grenzen und allmählich von einer Massenzuwanderung überschwemmt wurde, die erst an ihrem Anfang steht! Wirtschaftlich ruiniert durch den Ultraliberalismus, sozial verarmt, demografisch geschwächt, ohne Geist und ohne Verteidigungskraft, ist es bestenfalls dem amerikanischen Protektorat ausgeliefert und schlimmstenfalls der Demütigung. Es ist höchste Zeit, die tödliche Illusion des Föderalismus aufzugeben und ein Europa der Nationen zu errichten, das in konkreten Bündnissen vereint ist, die zwar bescheidener aber wirksamer sind. Die beiden Niederlagen der Verfassung und des Vertrags müssen als Warnung dienen. Die Völker Europas wollen diese Projekte nicht und werden sie sich nicht aufzwingen lassen, denn sie wollen nicht sterben.

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Nicolas Sarkozy, amtierender Ratspräsident. − (FR) Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Redebeiträge.

Zunächst möchte ich dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, Joseph Daul, für seine Unterstützung und die seiner Fraktion danken. Sie wird für die französische Präsidentschaft sehr wertvoll sein. Ich teile Ihre Analysen, und Sie werden verstehen, dass ich nicht auf jeden einzelnen Punkt noch einmal eingehen kann, selbst wenn Ihr Engagement für eine Verteidigungspolitik absolut notwendig ist.

Herr Schulz, gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, dass ich das Verantwortungsbewusstsein, das in Ihrem Beitrag zum Ausdruck kam, zu schätzen weiß. Ebenso wie mit Herrn Daul bin ich mit Ihnen bereits zusammengetroffen, und wir haben miteinander diskutiert. Da gibt es keine Geheimnisse. Die Demokratie darf kein Schattentheater sein. Sie muss es uns ermöglichen, unsere Ideen auszutauschen und uns um Kompromisse zu bemühen. Sie dürfen mir glauben, dass die französische Präsidentschaft die Unterstützung Ihrer Fraktion und Ihre persönliche Unterstützung ebenso wie die des Herrn Daul zu schätzen weiß. Ich wüsste auch nicht, warum ich diese Unterstützung weniger wertschätzen sollte, weil sie vom Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Fraktion kommt, oder warum Sie selbst Meinungsverschiedenheiten mit der Präsidentschaft suchen sollten, nur weil ich nicht die gleichen politischen Überzeugungen vertrete wie Sie.

Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass ich hinsichtlich des Energie-Klima-Pakets sehr gut weiß, und das sage ich auch Herrn Daul, dass das Parlament das letzte Wort haben wird, aber noch besser, dass es gar nicht eine Frage des letzten Wortes ist. Die Mobilisierung des Parlaments wird es uns ermöglichen, Druck auf die Staaten auszuüben, die nicht die gleiche Ambition verfolgen wie das Parlament, die Kommission und die Präsidentschaft. Ich würde nicht sagen, Herr Schulz, dass Sie das letzte Wort haben. Ich sage, dass Ihr Engagement absolut entscheidend ist.

Ich möchte auch Herrn Cohn-Bendit sagen, dass es nicht darum geht, vor irgendjemandem in die Knie zu gehen, und vor allem nicht vor der Automobilindustrie, sei es nun die französische, die italienische oder die deutsche. Warum sollte man gerade die deutsche Industrie ins Visier nehmen? Übrigens muss der Ratspräsident den legitimen Interessen jedes Mitgliedstaates Rechnung tragen. Es geht eben darum, der Industrielobby zu widerstehen, indem man ihr faire Bedingungen bietet und indem man erklärt, dass die Verteidigung des Energie-Klima-Pakets noch lange nicht heißt, dass man naiv ist.

Mit anderen Worten, Herr Cohn-Bendit, ich möchte nicht, dass wir, die wir uns ein weltweites Gleichgewicht wünschen, beschuldigt werden, Produktionsverlagerungen zu begünstigen. Es geht nicht darum, die Umwelt zu schützen und Verlagerungen zu akzeptieren, sondern die Umwelt zu schützen und Verlagerungen abzulehnen. Jede andere Argumentation wäre geradezu selbstmörderisch. Wenn Sie die Staaten auffordern, zwischen Umwelt und Wachstum zu wählen, bringen Sie uns alle in eine Sackgasse. Nachhaltiges Wachstum und die Respektierung der Umwelt sind Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung. Deshalb, Herr Cohn-Bendit, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, dass ich die Analyse von Herrn Schulz oder von Herrn Daul der Ihren vorziehe, einmal ist keinmal.

Nun möchte ich zu den Punkten kommen, Herr Schulz, von denen Sie gesagt haben, dass wir absolut anderer Meinung sind. Wenn Sie gestatten, ich glaube das nicht. Ich möchte Ihnen übrigens sagen, wenn es unseren deutschen Freunden nicht gelungen ist, sich auf einen Mindestlohn zu einigen, so ist nicht Europa dafür verantwortlich, es ist die deutsche politische Debatte, die Sie veranlasst hat, einen Mindestlohn abzulehnen. Lasten Sie nicht Europa ein soziales Versäumnis an, das der nationalen politischen Debatte geschuldet ist!

Natürlich steht mir als amtierender Ratspräsident kein Urteil zu. Ich sage einfach: „Verlangen Sie nicht von uns, Herr Schulz, Probleme zu lösen, die Sie als Deutsche nicht unter sich zu lösen vermochten“. Ich möchte hinzufügen, dass wir Franzosen auf sozialem Gebiet sehr viel Wert auf einen Mindestlohn legen. Was heißt denn soziale Harmonisierung? Als Deutsche haben Sie einen Mindestlohn abgelehnt, Wir Franzosen wollen unseren Mindestlohn beibehalten. Soziale Harmonisierung würde also heißen, dass wir unseren Mindestlohn ablehnen müssten, weil die Deutschen keinen haben. Diesen sozialen Rückschritt lehne ich ab, auch im Namen meines europäischen Ideals. Ich danke Ihnen, Herr Schulz, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, mein soziales Engagement deutlich zu machen.

Lassen Sie mich hingegen hinzufügen, Herr Schulz, dass Sie vollkommen Recht haben, was die Moralisierung des Finanzkapitalismus, die geltenden Regeln für die Rating-Agenturen, das wirklich kritikwürdige Verhalten einiger unserer Finanzunternehmen betrifft, und ich möchte noch etwas sagen: In all unseren Ländern wollten einige Manager der großen Banken den Politikerinnen und Politikern stets gern Lektionen darüber erteilen, wie streng sie die Staatsgeschäfte führen sollten.

Wenn ich sehe, was in einigen privaten Großbanken geschehen ist, so sage ich, dass diejenigen, die Lektionen erteilt haben, schlecht aufgestellt waren, um das zu tun, und dass sie sich heute darauf einstellen müssen, selbst Lektionen entgegenzunehmen. Ich möchte hinzufügen, Herr Schulz, und das tue ich vor den Ohren von Herrn Watson, dass ich gegen den Protektionismus bin. Ich bin für die Freiheit, aber man kann nicht weitermachen in einer Welt ohne Regeln, wo die Rating-Agenturen beliebig schalten und walten, wo einige Finanzetablissements in wenigen Sekunden Milliarden Euro durch Spekulationen an der Börse einstreichen.

Was das Europa betrifft, das wir uns wünschen, so wird die französische Präsidentschaft hierzu Vorschläge unterbreiten, Herr Schulz, Vorschläge für Rechtsvorschriften zur Moralisierung eines Finanzkapitalismus, denn heute sieht man ja, dass, wenn seit einem Jahr weltweit das Wachstum zum Stillstand gekommen ist, das auf die Subprime-Krise und die Vertrauenskrise gegenüber den Finanzinstitutionen zurückzuführen ist, die zu jedem Zeitpunkt beliebig schalten und walten konnten – man hat Geld an irgendwen zu irgendwelchen Bedingungen verliehen. Wenn Europa einen Sinn haben soll, muss es ein wenig Ordnung in das Gesetz der Beliebigkeit bringen. Ich möchte Herrn Schulz sagen, dass ich da völlig mit ihm einer Meinung bin.

Hinsichtlich des europäischen Einwanderungspakts sage ich Herrn Schulz ebenso wie Herrn Cohn-Bendit, dass die französische Präsidentschaft das Europäische Parlament einbeziehen wird. Das ist der beste Weg, um Exzesse zu vermeiden. Sie haben von Exzessen gesprochen, Herr Schulz, zu denen es in einem Lande kommt – es steht mir nicht zu, es zu nennen – aber wenn wir alle uns auf eine Mindestgröße an Kosten einigen können, so wird es zu diesen Exzessen, auf die Sie aufmerksam gemacht haben, nicht mehr kommen, und, Herr Cohn-Bendit, ich bin sicher, dass Herr Daul einverstanden wäre, warum sollte man nicht das Europäische Parlament einbeziehen? Ich weiß allerdings nicht, ob das aus institutioneller Sicht möglich ist.

(Zwischenruf ohne Mikro von Herrn Cohn-Bendit)

Herr Cohn-Bendit, mir ist Ihre Großzügigkeit bekannt. Im Allgemeinen geizen Sie niemals mit Ratschlägen, besonders an mich. Ihre Bescheidenheit schmerzt mich geradezu, aber diesen Rat hätte ich wirklich nicht gebraucht, ich wusste, dass sogar Einstimmigkeit gefordert ist, aber unabhängig davon bedarf es keiner Einstimmigkeit, um dem Europäischen Parlament zu sagen, dass die Frage der Einwanderung wichtig genug ist, um darüber politisch zu diskutieren, um Sie einzubeziehen, sogar noch vor dem Inkrafttreten von Lissabon oder irgendeiner Änderung des Vertrags. Das ist ein politisches Engagement, das ich übernehme, und ich werde zusammen mit Bernard Kouchner und Brice Hortefeux den Pakt vorstellen und mit Ihnen diskutieren. Wir werden zusammen mit dem Parlamentspräsidenten und vielleicht der Konferenz der Präsidenten prüfen, zu welchen Bedingungen Sie dies einzuführen wünschen.

Herr Watson, die Schwierigkeiten stellen eine Chance dar. Natürlich wäre es, wenn man sich entscheidet, Staatspräsident eines Landes zu werden und die Verantwortung der Ratspräsidentschaft der Union für sechs Monate übernimmt und man weder die Probleme noch die Schwierigkeiten liebt, besser, kein Europäer zu sein und nicht Politik zu machen. Ich meine, dass diese Schwierigkeiten eine Chance darstellen. Wissen Sie warum? Weil sie Gelegenheit bieten, dass wir unsere nationalen Egoismen und unsere parteipolitischen Vorurteile überwinden.

Gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, dass, wenn alles in Ordnung wäre, meine Anhörung vor dem Europäischen Parlament nicht unbedingt besser gelaufen wäre, denn ein Jahr vor den Wahlen, denkt, wenn man Rückenwind hat und alles gut geht, jeder an seine Parteiinteressen oder seine nationalen Interessen. Und da meiner Meinung nach hier die wesentliche, die übergroße Mehrheit der Abgeordneten Europäer sind, sind sie sich des Ernstes der Lage bewusst. Jeder ist verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen. Ich weiß nicht, ob Herr Schulz, Herr Cohn-Bendit und Sie selbst gegenüber der französischen Präsidentschaft die gleiche Offenheit an den Tag legen würden, wenn die Dinge leichter gewesen wären. Ich glaube, dass diese Schwierigkeiten eine Chance darstellen können.

Zu einem Punkt, Herr Watson, habe ich zweifellos einen Fehler gemacht. Ich hätte ausführlicher über die europäische Energiepolitik sprechen müssen. Hier tragen einige von Ihnen ein spezielles T-Shirt, weil sie gegen eine Energieart sind. Ich respektiere sie. Andere haben andere Entscheidungen getroffen. Aber es gibt einen Punkt, in dem wir uns alle einig sein können, dass wir nämlich eine europäische Energiepolitik brauchen, Transparenz bezüglich der Energievorräte, gemeinsame Forschungen in den Bereichen Solarenergie, Voltaik, Biomasse, Wasserkraft. Entschuldigen Sie bitte, dass ich das in meinem ersten Beitrag nicht angesprochen habe, aber die Definition einer Energiepolitik wird ungeachtet unserer unterschiedlichen Auffassungen zur Nuklearenergie, unabhängig von diesen Unterschieden eine Priorität der französischen Präsidentschaft sein. Ich glaube, ich kann das vor Kommissionspräsident Barroso ganz offen aussprechen, das ist auch seine Priorität. In diesem Punkt dürfen wir keine Zeit verlieren.

An die Adresse von Herrn Watson möchte ich noch sagen, dass ich nicht protektionistisch eingestellt bin. Ich war es niemals und werde es niemals sein. Aber Sie, die Liberalen, Sie sollten auch an eines denken: Wir öffnen unsere Grenzen, und wir haben davon profitiert. Aber gleichzeitig können die anderen nicht von uns verlangen, dass wir bei uns das tun, was sie uns nicht gestatten, bei ihnen zu tun. China, Indien, Brasilien, Mexiko, die großen Schwellenländer, können nicht sagen: „Öffnet eure Grenzen, baut eure Subventionen ab, aber bei uns tun wir, was wir wollen“. Das wäre kein Freihandel und, das ist kein Dienst, den wir ihnen leisten müssen. Ebenso wie Vaterlandsliebe kein Nationalismus ist. Ebenso wie das Bekenntnis zu Gegenseitigkeit und Schutz kein Protektionismus ist. Man kann für den Freihandel sein und das Gleichgewicht in diesem Freihandel anstreben.

Wir werden noch darauf zurückkommen, Herr Watson. Die Einen legen das Schwergewicht auf den Schutz, die Anderen auf die Freiheit, vielleicht können wir uns auf halbem Wege treffen.

Schließlich möchte ich Sie beglückwünschen, Herr Watson. Ich glaube, was die Chansons betrifft, haben wir den gleichen Geschmack.

(Heiterkeit)

Ich werde die Betroffene Ihrer Wertschätzung versichern, und ich bin sicher, dass sie Ihnen ihre neuste Platte widmen wird, Herr Watson. Nichts für ungut.

(Heiterkeit)

Herr Cohn-Bendit, auf viele Ihrer Fragen habe ich bereits geantwortet. Lassen Sie mich noch zwei Themen ansprechen. Das erste betrifft die Studenten. Das ist eine sehr wichtige Frage. Natürlich muss Europa sich öffnen für die Ausbildung der Eliten der ganzen Welt. Ich bin sogar schon seit langem der Auffassung, dass, um sich der Bildung der Eliten der ganzen Welt zu öffnen, wir sie an unsere Hochschulen aufnehmen und ihnen gleichzeitig die Chance bieten müssen, erste berufliche Erfahrungen zu sammeln. Ich denke da insbesondere an die Mediziner. Aber wir müssen aufpassen, Herr Cohn-Bendit, dass wir nicht die Eliten der Dritten Welt plündern. In Frankreich gibt es – und das sollte Ihnen zu denken geben – mehr praktizierende Ärzte aus Benin als in Benin selbst. Ich glaube, Benin braucht seine Eliten. Es bedeutet nicht, die Zuwanderung zu verweigern, wenn man es ablehnt, die Eliten der Dritten Welt zu plündern. Wir werden diese Debatte nicht innerhalb weniger Minuten zu Ende führen können. Ich bin Ihnen dankbar für die Art und Weise, wie Sie das Problem angesprochen haben, aber verstehen Sie bitte, dass es hierfür einer eingehenden Debatte bedarf und nicht einer Karikatur. Es gibt nicht auf der einen Seite die Großherzigen und auf der anderen die Herzlosen. Es gibt Politikerinnen und Politiker, die versuchen werden, die beste Lösung zu finden.

Gestatten Sie noch ein Wort zu der Frage Chinas, die eine äußerst ernste und schwierige Frage ist. Ich möchte sagen, Herr Cohn-Bendit, dass ich wie jeder hier Ihre Bewegung in Ihrer Stimme gespürt habe, das gereicht Ihnen zur Ehre, und ich kann sagen, dass ich diese Bewegung teile. Ich möchte auch Herrn Watson, der mich aufgefordert hat, in der Mannschaft zu spielen, sagen, dass ich genau das getan habe, denn als Ratspräsident habe ich alle Mitgliedsländer nach ihrer Meinung gefragt, und wenn eines von ihnen sich gegen meine Teilnahme ausgesprochen hätte – auf den inhaltlichen Aspekt werde ich gleich eingehen, zunächst spreche ich von der Form. Ich möchte sagen, dass ich von allen Mitgliedsländern Zustimmung erhalten habe, zur Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele zu reisen. Sie wissen, dass das ein schwieriges Thema ist, das wir meiner Meinung nach sehr ernsthaft angehen müssen, denn wir dürfen da keinen Fehler machen.

Aber Herr Watson hat mir gesagt: „Spielen Sie in der Mannschaft“. Sie sollen wissen, dass ich alle Mitgliedsländer befragt habe. Keines hat sich gegen meine Teilnahme ausgesprochen, und nach dem gegenwärtigen Stand werden 13 bei der Eröffnungszeremonie vertreten sein. Das ist kein Grund, Herr Watson. Das ist nur die Antwort auf die Frage nach der Mannschaft.

Kommen wir nun, wenn Sie gestatten, zum Kern des Problems. Ich höre Einige sagen, dass die Europäer bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Peking nicht anwesend sein sollten. Jeder hat das Recht, sich eine Meinung darüber zu bilden, wie man die Menschenrechte am besten verteidigt. Und ich muss diejenigen respektieren, die sagen: „Man muss das boykottieren“. Aber ich meine, und ich denke, diese Meinung verdient Respekt, weil sie respektabel ist, dass es keine Demütigung Chinas darstellt, wenn man die Frage der Menschenrechte voranbringt, sofern es sich um einen offenen und direkten Dialog handelt. Ich möchte sogar sagen, dass ich nicht glaube, dass man ein Viertel der Menschheit boykottieren kann. Ich würde es für keine intelligente und verantwortungsbewusste Entscheidung halten, wenn man als jemand, der die Verantwortung als Ratspräsident trägt, zu einem Viertel der Menschheit sagen würde: „Wir kommen nicht, wir fügen euch eine Demütigung in den Augen der ganzen Welt zu“. Ich will hinfahren, und ich will reden.

Nun zu der inhaltlichen Frage: In der Frage der Verteidigung der Menschenrechte sind wir uns einig. Was die Art und Weise der Verteidigung dieser Menschenrechte betrifft, so kann es zugegebenermaßen eine Debatte geben, und diese Debatte wird mit der Frage der Olympischen Spiele nicht abgeschlossen sein. Ich möchte also hinfahren, über die Menschenrechte reden und sie verteidigen. Ich werde sogar noch weiter gehen, Herr Cohn-Bendit. Es gibt Dinge, die ich China gegenüber nicht sagen werde, denn China muss respektiert werden, aber es gibt Dinge, die China den europäischen Ländern gegenüber nicht sagen darf, und vor allem nicht gegenüber Frankreich, denn Frankreich und die europäischen Länder müssen ebenso respektiert werden wie China. Mein Zeitplan und meine Begegnungen werden nicht von China festgelegt.

Ebenso wie ich nicht den Zeitplan und die Begegnungen des chinesischen Staatspräsidenten festlege. Ich werde also die Frage der Menschenrechte verteidigen, und gleichzeitig muss ich als Staatschef eines im Blick haben. Man spricht immer von Verträgen. Ich sehe das als fraglich an, zumal es für einen demokratisch gewählten Staatschef nicht illegitim ist, die wirtschaftlichen Interessen und die Arbeitsplätze seiner Mitbürger zu verteidigen. Ich möchte von etwas anderem sprechen. China ist ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Wir brauchen China, um dem Skandal in Darfur ein Ende zu setzen, denn China übt Einfluss im Sudan aus. Wir brauchen China, um den Iran zu isolieren, damit weder der Iran noch irgendjemand, der zu sagen wagt, man müsse Israel von der Landkarte auslöschen, Zugang zur Atombombe erhält. Wie kann man zu China sagen: „Helft uns, Frieden und Stabilität in der Welt herzustellen“ und gleichzeitig das Land zu einem Zeitpunkt boykottieren, da es Austragungsort eines Ereignisses ist, das für 1,3 Milliarden Einwohner von Bedeutung ist? Das wäre nicht vernünftig, das wäre nicht verantwortungsbewusst, das wäre eines Staatsmannes, der auf sich hält, nicht würdig.

(Beifall)

Nachdem ich meinen Respekt für die Meinung und die Bewegung von Herrn Cohn-Bendit und all jener, die in diesem Hohen Haus denken wie er, bekundet habe, möchte ich noch Folgendes hinzufügen: Respektieren Sie jene, die wie wir, wie ich denken. Im Vorfeld habe ich Herrn Watson und den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Fraktion, Herrn Schulz, gefragt, und ich glaube in seinem Namen sagen zu können, dass er vollkommen einverstanden hinsichtlich der Notwendigkeit ist, China nicht zu boykottieren. Er ist Sozialdemokrat, und ich bin das nicht. Ich habe Herrn Daul gefragt, und er ist vollkommen einverstanden damit.

Gestatten Sie noch ein letztes Wort. Sehen Sie doch, wie pragmatisch China in der Hongkong-Frage vorgegangen ist. Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, was für eine schwierige Sache das war. Vor 15 Jahren gab es Demonstrationen in Hongkong. China hat es verstanden, die Hongkong-Frage mit Pragmatismus zu lösen. Betrachten Sie Macao. China hat es verstanden, die Macao-Frage auf dem Wege des Dialogs zu lösen. Ich möchte sogar noch weiter gehen. Nehmen Sie die Taiwan-Frage heute, da Präsident Hu Jintao bemerkenswerte Zugeständnisse zum Thema Taiwan gemacht hat. Vor fünf Jahren glaubten alle, dass es zu einer unausweichlichen Konfrontation zwischen Taiwan und China kommen würde, das ist nicht eingetreten. Bringt man China mit Hilfe des offenen, mutigen, direkten Dialogs oder durch Demütigungen voran? Ich habe mich für Dialog, Offenheit und Mut entschieden.

(Beifall)

Herr Präsident, geben Sie mir noch eine Minute aus Höflichkeit gegenüber Herrn Wurtz. Zunächst möchte ich ihm sagen, dass er beruhigt sein kann, dass ich nicht die Gewerkschaften beleidige. Ich danke ihm dafür, dass er deutlich gemacht hat, dass man Frankreich ändern kann, wie es der Fall ist, ohne es zu lähmen. Es wäre eine Beleidigung für die Gewerkschaften, wenn man meinte, ihr einziger Zweck bestünde darin, Lähmungen zu bewirken. Die Gewerkschaften spielen in der sozialen Demokratie ihre Rolle, ebenso wie die Politiker. Nicht mehr und nicht weniger. Aber man hat nicht das Recht, Nutzer in Geiselhaft zu nehmen, das wollte ich sagen. Ich bin sicher, dass ein so höflicher Mann wie Sie, Herr Wurtz, der niemals irgendjemanden blockiert hat, meine Bemerkung verstehen kann.

In den übrigen Fragen sind wir nicht einer Meinung, Herr Wurtz, was mich nicht daran hindert, die Art und Weise, wie Sie ihre unterschiedlichen Meinungen zum Ausdruck bringen, sehr zu schätzen.

Herr de Villiers, ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihrer Rede umso aufmerksamer zugehört habe, als Sie unbestreitbar eine wichtige Sensibilität in meinem Land, in unserem Land, aber auch in Europa zum Ausdruck bringen. Ja ich kann sogar sagen, Herr de Villiers, dass ich Ihre Rede nicht als eine Rede gegen Europa verstanden habe, sondern als einen Aufruf, Europa anders zu errichten. Ich möchte nicht die Anhänger des „Ja“ in Gegensatz zu den Anhängern des „Nein“ bringen, Herr de Villiers. Ich möchte lediglich versuchen, alle in ein anderes Europa zu integrieren, dessen Bindeglied in Demokratie, Frieden und Wachstum besteht. Ich habe Ihre Vorbehalte vernommen, ich kenne sie und werde versuchen, sie zu beantworten, nicht durch Reden, sondern durch Fakten.

Was Sie betrifft, Herr Le Pen, so habe ich mir, als ich Ihnen zuhörte, gesagt, dass Frankreich jahrelang das große Unglück hatte, die mächtigste extreme Rechte Europas zu besitzen. Nun gut, wenn man Sie hört, Herr Le Pen, so bin ich froh, dass das vorüber ist.

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). - (EN) Herr Präsident! Ich begrüße den Herrn Präsidenten des Rates! Zunächst darf ich Ihnen, Monsieur, im Namen der Delegation britischer Konservativer für Ihre Gastfreundschaft in der vergangenen Woche danken und Ihnen sagen, dass wir der Arbeit mit Ihnen mit großen Erwartungen entgegensehen, so dass der Ratsvorsitz von Erfolg gekrönt ist.

Wir vertrauen in Ihre Energie und in Ihr Engagement, und nachdem ich kürzlich ein sehr gutes Buch gelesen habe, haben wir auch Vertrauen in Ihre Vision. Ich meine natürlich Ihr eigenes Buch Témoignage. Denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die noch keine Gelegenheit hatten, dieses bemerkenswerte Werk zu lesen, darf ich empfehlen, es zu tun, und insbesondere die Seite 146 aufzuschlagen. Dort beschreiben Sie die Torheiten der 35-Stunden-Woche, und Sie beschreiben auch die Vorzüge – um den UMP-Slogan zu verwenden: ‚travailler plus pour gagner plus’. Sie schreiben da weiter: „Anstelle der uniformen, starren Politik der 35 Stunden und der Guillotine der Pensionierung mit 60 erwarten unsere Mitbürger meiner Meinung nach eine Politik der freien Wahl, die es denen, die mehr verdienen wollen, gestattet, mehr zu arbeiten, und es allen ermöglicht, ihre eigene Arbeitszeit ihrem Lebensstil gemäß zu gestalten.“

Herr Ratspräsident! Sie haben es auf den Punkt gebracht! Das ist das wahre soziale Europa. Es steht den Regierungen nicht an, die Menschen zu zwingen, mehr zu arbeiten, oder sie zu nötigen, weniger zu arbeiten, sondern die Regierungen haben den Menschen die Möglichkeit zu geben, mehr zu arbeiten, wenn sie mehr arbeiten wollen.

Ihrer Partei geht es um Freiheit; Ihrer Partei geht es um die freie Wahl, und genau darum geht es auch der britischen Conservative Party. Wenn Sie sich also bei Ihrem Ratsvorsitz von diesen Prinzipien leiten lassen, stehen wir Ihnen auf diesem Weg zur Seite. Wenn die Arbeitszeitrichtlinie überprüft wird, werden wir auf der Seite der Freiheit und der freien Entscheidung stehen; wenn die Zeitarbeitsrichtlinie überprüft wird, werden wir ebenfalls auf der Seite der Freiheit und der freien Entscheidung stehen.

Lassen Sie mich, Herr Ratspräsident, abschließend sagen, dass es unseren Parteien nicht allein um die Ermöglichung der Entscheidungsfreiheit gehen sollte; es sollte ihnen auch darum gehen, die Entscheidung der Menschen zu respektieren, wenn sie frei gewählt haben. Daher fordere ich Sie nachdrücklich auf, die Wahl der Menschen in Irland in ihrem jüngsten Referendum zu respektieren. Ich fordere Sie nachdrücklich auf, ihre Entscheidung nicht als ein Problem, sondern als eine Chance zu betrachten – als eine Chance, Europa wieder mit seinen Menschen zu vereinen. Das wird Sie und Ihre Kollegen im Rat natürlich viel Arbeit kosten. Aber wie Sie selbst sagten: travailler plus pour gagner plus.

 
  
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  Bernard Poignant (PSE).(FR) Herr Präsident! Ich bin französischer und europäischer Sozialist. Das heißt, in Paris bin ich nicht Ihr Parteigänger, aber in Straßburg bin ich nicht ganz und gar Ihr Gegner. Vor allem, wenn ich Sie in Begleitung von zwei Sozialdemokraten sehe. Selbst wenn mein Präsident in meinem Lande Unrecht haben mag, ist er doch mein Präsident. Ich wünsche also der Präsidentschaft Frankreichs Erfolg, der zugleich der Erfolg der Präsidentschaft Europas sein wird.

Ich bin von Anfang an entspannt, wenn ich Sie beobachte, denn ich verstehe Ihre Freude, im französischen Parlament zu sein. Und ich entdecke Sie zwar als Staatschef, aber ein wenig auch als Premierminister, ganz offen ohne Wortspiel. Was das soziale Kapitel und die Prioritäten betrifft, so muss man meiner Meinung nach einen Unterschied machen. Es gibt in der Tat Themen, die in nationaler Zuständigkeit bleiben müssen. Dabei denke ich an die Renten. Für alles, was die Arbeit betrifft, muss man hingegen, da es einen Markt, eine Währung und Freizügigkeit gibt, eine Harmonisierung anstreben und sich am Besten unter uns orientieren.

Man muss also einen gewissen Unterschied machen. Lassen Sie mich hinzufügen, dass ich mir gewünscht hätte, dass Sie einige Energie entfalten, um eine Rahmenrichtlinie für die öffentlichen Dienstleistungen zu erreichen. Das ist Ihnen für das Gastgewerbe gelungen. Nun muss es auch für die öffentlichen Dienstleistungen getan werden!

Schließlich ist nach meinem Dafürhalten die europäische Krise nicht nur sozialer und demokratischer Art. Ich glaube, das ist auch eine Identitätskrise. Von dem Augenblick an, da der Frieden hergestellt, die Freiheit errungen, die Demokratie errichtet ist und die Welt ist, wie sie ist, verstehen viele unserer Mitbürger nicht mehr recht den Sinn der Geschichte der Union.

Deshalb sind Themen wie Kultur, Bildung, Mobilität der Künstler, der Jugend, der Studenten, Städtepartnerschaften, all das von grundlegender Bedeutung, denn das europäische Bewusstsein ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Es muss aufgebaut werden. Und ich meine, diese Themen sollten die französische Präsidentschaft prägen.

Schließlich wird man uns nach sechs Monaten beurteilen. Für einen Franzosen ist das gut, denn in Frankreich ist das ein langer Zeitraum, verstehen Sie. Im Dezember werden wir also Bilanz ziehen. Eine Gewissheit ist, dass der Vertrag bis dahin zweifellos nicht ratifiziert sein wird. Sie wollten einen vereinfachten Vertrag, und nun haben Sie eine komplizierte Situation. Nun gut, bereinigen Sie sie!

Lassen Sie mich mit einem Satz schließen, den ich bei einem polnischen Schriftsteller entlehne und der besagt, entschuldigen Sie, Herr Präsident: „Franzose zu sein bedeutet, etwas anderes im Sinn zu haben als Frankreich“. In diesem Ruf stehen wir, und Sie vielleicht auch ein wenig, Herr Präsident.

 
  
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  Nicolas Sarkozy, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident! Ich möchte mich bei Cristiana Muscardini entschuldigen, denn in meinem Eifer, den gerade Herr Poignant so schwungvoll hervorgehoben hat, habe ich vergessen, Ihnen zu antworten und Ihnen zu sagen, wie sehr wir Ihre Fraktion brauchen werden.

Ich weiß sehr wohl, wer ihr angehört, und ich weiß, dass Sie zu denen gehören, die Europa lieben, und dass es Abgeordnete gibt, die auch ihre Nation lieben. Glauben Sie mir, Frau Muscardini, dass ich Ihre Bemerkungen weitgehend berücksichtigen werde, dass ich versuchen werde, innerhalb von sechs Monaten zusammen mit den europäischen Institutionen ein Europa aufzubauen, das Ihren Anliegen entspricht.

Und schließlich zeigt sich daran, dass ich Sie vergessen habe – und das gibt Herrn Poignant Recht – dass mein Ruf überschätzt wird.

 
  
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  Marielle De Sarnez (ALDE).(FR) Herr Präsident! Vor einigen Wochen hat Irland „Nein“ gesagt, und das zeigt meiner Meinung nach, wie wir alle wissen, den Bruch, der sich immer tiefer zwischen den europäischen Bürgern auftut.

Dieses „Nein“ darf natürlich nicht unterschätzt werden, und ich glaube, dass es im Gegenteil alle politisch Verantwortlichen verpflichten muss, die Erwartungen und Sorgen der Völker zu berücksichtigen und zu versuchen, dafür Antworten zu finden, welcher Vertrag auch immer gilt. Wenn wir morgen den Vertrag von Lissabon haben, bedeutet das nicht, dass alles wie durch einen Zauberstab weggewischt ist.

Die französische Präsidentschaft hat sich entschieden, sich vier Dossiers zu widmen, das ist natürlich sehr nützlich, besonders in der Klimafrage. Aber in dieser Zeit einer tiefen Krise, der Finanzkrise, der Nahrungsmittelkrise, der Explosion der Rohstoffpreise, der Verknappung und Verteuerung des Erdöls meine ich, dass das, was die Völker erwarten, nicht nur eine Frage von Dossiers ist, sondern auch eine Frage der Vision; was die Völker erwarten, ist eine Frage der Perspektiven.

Ich möchte Ihnen heute drei Überlegungsrichtungen vorschlagen. Die erste betrifft eine grundlegende und wesentliche Frage unserer Identität. Nach meiner innersten Überzeugung gibt es ein europäisches Modell, ein europäisches Gesellschaftsprojekt. Dieses europäische Modell ist wirtschaftlich, es ist nachhaltig, und es ist auch sozial. Dieses europäische Modell versucht beispielsweise, die zunehmende Ungleichheit zu bekämpfen. Es gibt also durchaus ein europäisches Modell, darauf müssen wir stolz sein, wir müssen es einfordern, es tragen, es uns zu Eigen machen, es verteidigen und es schützen. Das ist die erste Richtung.

Dann gibt es eine zweite Richtung. Ich glaube, wir brauchen eine neue Vision für die Organisation der Welt. Dabei denke ich insbesondere an Afrika. Ich denke da an die Frage der Agrarprodukte und meine, dass wir die Subventionierung unserer Agrarexporte einstellen sollten, dass wir im Gegenteil für die Eigenversorgung Afrikas in den Bereichen Ernährung und Energie eintreten sollten. Das ist die neue Revolution, die wir durchführen müssen, um morgen eine gerechtere Welt zu haben.

(Beifall)

Schließlich gibt es meiner Meinung nach, und das müssen wir immer wieder in Erinnerung rufen, europäische Werte, die unverzichtbar sein müssen: Sie heißen Demokratie und Menschenrechte, und sie gelten für uns in Europa, sie gelten morgen für die Mittelmeerunion, wo man nicht den Handel an erste Stelle setzen und die Menschenrechte beiseite lassen darf. Die Frage der Menschenrechte ist wesentlich für die kommenden Jahrzehnte; sie ist die tiefe Identität Europas und verdient es, verteidigt zu werden.

Soweit, Herr Präsident, einige der Fragen, vor denen wir nach meinem Dafürhalten stehen. Sie betreffen im Wesentlichen die Vision und den tieferen Sinn, die wir Europa geben müssen und wollen. Diese Fragen sind nicht nur eine Sache der Politik, sie sind auch eine Sache des Gewissens.

 
  
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  Brian Crowley (UEN). - (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Präsident Sarkozy erneut in Straßburg willkommen heißen und ihm dazu gratulieren, dass er sich dem Parlament widmet, dass er realistische Vorstellungen hat, wenngleich er wusste, dass diese Vorstellungen in diesem Haus nicht auf allgemeine Zustimmung treffen würden.

Zulange sind wir gescheiterten Ideologien der Vergangenheit auf den Leim gegangen, haben wir es versäumt, den neuen Grenzen, die sich vor uns aufrichten, Augenmerk zu schenken und uns den Herausforderungen zu stellen. Wir haben auf Sicherheit gesetzt und uns in die Bequemlichkeit vergangener imperialistischer Ideale oder postfaschistischer Befehle oder gar, wage ich zu sagen, neuen, dem 20. Jahrhundert zugehörigen Denkweisen in Bezug auf menschliches Leben und Menschenrechte zurückfallen lassen.

Denn die Komplexität der Welt von heute ist eine andere und weitaus vielfältiger, als sie jede Einheitsideologie oder jeder Einheitsplan vorgeben können. Und mit Recht erwähnen Sie, dass man andere Regierungen überall in der Welt einbinden muss: die Regierung in China, um das Problem des Tschad und des Sudan zu lösen, so dass die aktive Bewältigung der Probleme im Zusammenhang mit Afrika und den Entwicklungsländern gewährleistet ist.

Wir gedenken heute bereits der sieben Friedensaktivisten im Sudan, die im Rahmen eines Mandats der Vereinten Nationen ihr Leben ließen, nur weil es die Regierungen versäumten, in geeigneter Weise zu intervenieren und die Behörden im Tschad und im Sudan zu drängen, das Leben von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu schützen.

Es ist schön und gut, hier im Parlament verschwommene Worte über die Bedeutung der Einwanderung und die Freizügigkeit von Personen zu verlieren. Besser ist es, den Menschen ein Verbleiben zu Hause zu ermöglichen. Ich komme aus Irland, einem Land, das über den Zeitraum von hundert Jahren zwölf Millionen seiner Menschen exportieren musste. Niemand von ihnen wollte Irland verlassen. Sie waren gezwungen zu gehen. Wenn wir den Menschen die Möglichkeit geben, in ihren Heimatländern zu bleiben, wenn wir sie mit den Mechanismen der von uns geschaffenen Maßnahmen, sei es im Handel oder auf anderen Gebieten, Hilfe zukommen lassen, dann kann uns das gelingen.

Lassen Sie mich, Herr Ratspräsident, abschließend sagen, dass Sie eingangs meinten, in Ihrer Position sei es legitim, die Frage der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon vor dem Parlament aufzuwerfen, das sei die einzige Möglichkeit. Ich stimme Ihnen zu. Für Frankreich geht das in Ordnung. Doch gleichermaßen legitim ist das Recht, ein Referendum abzuhalten, und dieses Recht sollte stets geschützt werden. Es ist kein Entweder-Oder. Es gibt Probleme und Schwierigkeiten mit dem Ergebnis in Irland, aber das ist nicht nur ein Problem der Beziehungen Irlands zu Europa. Es ist Ausdruck einer tiefer sitzenden Krankheit der Menschen und Europas

 
  
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  Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Während dieser einen Minute möchte ich Sie fragen, welche Haltung die französische Präsidentschaft zur Sprachenvielfalt einnimmt. Ein Grundprinzip der Europäischen Union besteht in der Vielfalt. Alle Sprachen der Welt gehören zum Erbe der Menschheit, und es ist die Aufgabe der öffentlichen Institutionen, zu handeln, um sie zu schützen.

Herr Präsident! In den Schlussfolgerungen des Rates vom 22. Mai über die Mehrsprachigkeit wurde die Kommission aufgefordert, einen detaillierten Rahmen für diese Problematik zu erstellen, der, wie sie angekündigt hat, im Herbst zu erwarten sei.

Welche Position und Maßnahmen wird die französische Präsidentschaft hinsichtlich der Politik im Bereich der Mehrsprachigkeit ergreifen? Welchen Standpunkt wird die Präsidentschaft vertreten und welche Rolle beabsichtigt sie, den Sprachen zuzuteilen, die keine EU-Amtssprachen sind und auch als Regional- oder Minderheitssprachen bezeichnet werden?

Denn, Herr Präsident, während wir in der kommenden Woche die Abstimmung im französischen Senat erwarten, ist Frankreich gegenwärtig ein unrühmliches Beispiel für all diejenigen unter uns, die der Meinung sind, dass die sprachliche Vielfalt ein gemeinsames Erbe aller Europäer sei.

(Der Redner setzt seinen Beitrag in Baskisch fort.)

 
  
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  Nigel Farage (IND/DEM). - (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Sarkozy antworten. Sie sind ein sehr guter Redner, Herr Sarkozy, aber ich bin nicht sicher, ob Sie ein ebenso guter Zuhörer sind. Dieses Programm für die Präsidentschaft, das Sie uns heute Vormittag vorgestellt haben, zeigt, dass Sie eine Europäische Union wollen, die buchstäblich jeden einzelnen Aspekt unseres Lebens kontrolliert – alles, von der Einwanderungspolitik bis dahin, wie wir unsere Krankenhäuser und unsere Fußballklubs leiten.

Ihren Bemerkungen habe ich auch entnommen, dass wir nach Ihrem Wunsch von der übrigen Welt sehr isoliert sein sollten, dass wir nämlich mit Leuten, die nicht dieselben Normen wie wir haben, keinen Handel treiben werden. Am schlimmsten jedoch ist, dass schiere Arroganz daraus spricht, wenn Sie sagen, Sie würden am besten Bescheid wissen, wenn es um das europäische Projekt geht. Sie zeigen damit Geringschätzung, nicht nur gegenüber dem irischen Volk, sondern gegenüber dem eigentlichen Begriff der Demokratie, von der Sie sagen, sie würden für sie eintreten.

Sie sagten, der polnische Präsident müsse Wort halten, er müsse den Vertrag ratifizieren, denn das hatte er zugesagt. Nun, das irische Volk hat gesprochen. Werden Sie die irische Abstimmung respektieren? Werden Sie dabei bleiben, dass der Vertrag tot sei? Ich glaube, das verstehen Sie nicht, oder? Deshalb sagte man in Frankreich ‚Nein’, und in Holland sagte man ‚Nein’, und in Irland sagte man ‚Nein’, und hätten wir eine Abstimmung in Großbritannien gehabt, hätte die überwältigende Mehrheit von uns ‚Nein’ gesagt.

Welchen Preis hat die Demokratie, Herr Sarkozy? Sie fahren am 21. Juli nach Dublin. Versuchen Sie bitte nicht, dort das zu tun, was sie in Frankreich taten und den Ausweg in einem zweiten Referendum zu suchen, versuchen Sie nicht, sie dazu zu bewegen, die Regeln zu ändern und diesen Vertrag durch die Hintertür zu ratifizieren. Das wäre eine grobe Missachtung der Demokratie. Bitte tun Sie das nicht.

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Um unseren Hoffnungen und den Erwartungen unserer Mitbürger gerecht zu werden, müssen der Rat, dem Sie vorstehen, und unser Parlament einen klaren, verständlichen und konkreten politischen Willen an den Tag legen. Ihre Präsenz an der Spitze des Rates ist bereits jetzt ein Unterpfand für zielgerichtetes Handeln. In dieser Hinsicht konnten wir alle hier in Straßburg wie in Brüssel feststellen, wie gut dieses Halbjahr der Präsidentschaft vorbereitet wurde und mit welch großer Handlungsbereitschaft die Mitglieder der französischen Regierung angetreten sind.

Die Prioritäten, die Sie uns gerade dargelegt haben, sind wirklich geeignet, den Anliegen der EU-Bürger entgegenzukommen. Ebenso sind die anderen von Ihnen genannten Herausforderungen, darunter die Wirtschaftsgovernance der Eurozone angesichts der Explosion der Rohstoff- und Kraftstoffpreise in der Welt oder die Schaffung einer Zone der Stabilität und des Wohlstands im Mittelmeerraum durchaus repräsentativ für Ihr Bekenntnis zu einer Europäischen Union, die besser auf die Schwierigkeiten reagiert und ihrer Bevölkerung mehr Aufmerksamkeit schenkt.

Angesichts einer Öffentlichkeit, die zweifelt, und die zeitweise dem Versuch erliegt, sich bei der Problemlösung auf die nationale Ebene zurückzuziehen, muss mehr denn je daran erinnert werden, dass unser Kontinent über eine beträchtliche Zahl von Trümpfen verfügt und dass er nach wie vor einer der wenigen Stabilitätspole in einer immer weniger vorhersehbaren Welt ist. Die Europäische Union muss alles tun, um zu zeigen, dass sie die Globalisierung nicht hinnimmt, ohne ihre Völker zu schützen, und ich begrüße Ihr Engagement, hierfür den Beweis zu erbringen.

Schließlich wünschen wir uns in dieser Zeit der tiefen Vertrauenskrise, die die Union durchlebt, inständig, dass die französische Präsidentschaft einen Schlusspunkt unter die mehr als 15jährigen Bemühungen um eine Reform der Funktionsweise des erweiterten Europas setzt. Es ist erforderlich, dass der Vertrag von Lissabon baldmöglichst in Kraft tritt, das haben Sie mit Entschiedenheit unterstrichen. Wir vertrauen alle auf Sie, dass sie mit unseren irischen Freunden verhandeln und die wenigen Mitgliedstaaten, die mit der Ratifizierung noch zögern, überzeugen, dies endgültig zu tun.

Herr Präsident, Sie haben am vergangenen Wochenende erklärt, dass Sie nicht bereit seien, Ihre europäische Flagge in Ihrer Tasche zu verstecken. Wir konnten in der Tat miterleben, wie Sie sie unter dem Triumphbogen neben der französischen Fahne gehisst haben. Wir betrachten diese symbolische Geste als ein Unterpfand für Ihre Entschlossenheit, im Dienste der Gemeinschaft zu handeln, und dafür danken wir Ihnen, Herr Präsident.

 
  
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  Poul Nyrup Rasmussen (PSE). - (EN) Herr Präsident! Dem Herrn Ratspräsidenten möchte ich nur sagen, dass ich Rasmussen I bin, nicht zu verwechseln mit Rasmussen II, aber einer Sache möchte ich Sie versichern. Sie reden klug über den neuen Vertrag von Lissabon, aber Herrn Farage sei gesagt, dass er den dänischen Fall vergessen hat. Wir stimmten mit Nein bei Maastricht, aber mit Ja bei der Vereinbarung von Edinburgh, doch würden wir nicht im Traum daran denken zu sagen, dass wir, nur weil wir im ersten Fall mit Nein gestimmt haben, das übrige Europa blockieren werden. Das würden wir niemals sagen. Herr Farage hat Unrecht: Das ist keine Demokratie.

Ich möchte Ihnen, Herr Ratspräsident, und Frankreich versichern, dass wir die Lösung für Dänemark gefunden haben und dass wir eine Lösung für das irische Volk finden werden.

Mein zweites Anliegen ist folgendes: Ich richte einen Appell an Sie im Namen der Europäischen Sozialdemokratischen Partei, aller meiner Kolleginnen und Kollegen und Funktionäre und meiner politischen Familie. Mein Appell lautet, Sie mögen Ihren vier Prioritäten noch eine weitere hinzufügen. Meine Priorität – und ich hoffe, sie ist auch die Ihre, ich weiß, sie ist die Ihre – sind Arbeitsplätze, ist Wachstum, ist Nachhaltigkeit. Sie sagten – und ich hörte das mit Freude –: „Wir brauchen eine bessere Verordnung zu den Finanzmärkten.“ Da kann ich Ihnen nur beipflichten. Wir arbeiten gerade in diesem Moment im Parlament daran, einen Bericht zu verabschieden, und ich hoffe – und ich appelliere an meine Kolleginnen und Kollegen in der PPE-DE- und in der ALDE-Fraktion –, dass wir der französischen Präsidentschaft einen klugen Bericht über eine bessere Verordnung vorlegen können.

Ich spreche von Transparenz. Ich spreche von einer besseren Verordnung über Fairness, Boni und Aktienoptionen und all das, worüber Sie so klug sprachen. Ich spreche von Rechenschaftspflicht, von Verantwortung, um zu sichern, dass der Finanzmarkt auf lange Sicht eine machtvolle, geduldige Finanzkraft für unsere langfristigen Investitionsbedürfnisse zur Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen ist.

Damit verbunden ist ein weiterer Gedanke, den ich Ihnen nahelegen möchte. Sie sagen mit Recht, dass wir gerade jetzt an Wachstum einbüßen, dass gerade jetzt Arbeitsplätze verloren gehen, vor allem im Vereinigten Königreich, in Spanien, aber auch in Frankreich. Warum ergreifen wir nicht eine neue Wachstumsinitiative, warum rufen wir nicht eine neue koordinierte Aktion für Investitionen ins Leben? Stellen Sie sich das folgende Szenario vor: Wenn wir in den kommenden vier Jahren nur ein Prozent mehr in die Bildung, in die Struktur in alle relevanten Fragen investieren, schaffen wir im Vergleich zu jetzt mindestens zehn Millionen zusätzliche Arbeitsplätze. Stellen Sie sich vor, was wir gemeinsam unternehmen könnten.

Sie sagten, Sport sei mehr als die Marktwirtschaft. Ich möchte hinzufügen: Ja, und das gilt für ganz Europa. Europa ist mehr als die Marktwirtschaft. Europa, das sind Arbeitsplätze und Menschen. Kümmern wir uns um sie. Ich wünsche der französischen Präsidentschaft allen erdenklichen Erfolg.

 
  
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  Silvana Koch-Mehrin (ALDE).(FR) Herr Präsident! Sie haben gesagt, dass Frankreich kein Urteil über das irische Nein abzugeben habe.

Das teile ich. Das irische Nein muss respektiert werden. Es ist das gute Recht der Iren, so abzustimmen, wie sie es getan haben. Es ist aber auch das gute Recht aller anderen Länder in Europa, den Weg zu einer demokratischeren, transparenteren und handlungsfähigeren EU fortzusetzen. Der Lissabon-Vertrag ist ein Schritt in diese Richtung. Daher begrüße ich, dass die Ratifizierung fortgesetzt wird. Ich meine aber auch – und da teile ich Ihre Meinung nicht, da bin ich anderer Auffassung –, dass es gut wäre, offen darüber zu sprechen, dass es ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten bereits gibt. Denken wir an den Euro, an das Schengen-Abkommen, an die Grundrechtecharta und viele andere Bereiche. Es entspricht eben den Befindlichkeiten und den Wünschen der Mitgliedstaaten der EU, dass sie unterschiedliche Geschwindigkeiten bei den Dingen wählen, die gemeinsam zu machen sind.

Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ermöglicht es, dass die Staaten, die mehr gemeinsam machen möchten, das auch tun können, denn wichtig ist, dass wir das Prinzip der Freiwilligkeit in Europa aufrechterhalten. Es ist wichtig, dass die Staaten, die etwas gemeinsam machen möchten, das freiwillig tun, und dass alle Staaten die Möglichkeit haben, jederzeit dazu aufzuschließen. Es darf nämlich kein Land in eine weitere Gemeinsamkeit gezwungen werden.

Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten macht es auch einfacher, Beitrittsverhandlungen fortzuführen. Ich halte es für falsch, dass Kroatien und die Türkei dafür bestraft werden, dass die Iren mehrheitlich mit Nein abgestimmt haben.

Herr Präsident! Sie sind zu Recht stolz darauf, dass Ihr Land die Heimat der Menschenrechte ist. Menschenrechte sind zeitlos, sie sind universell. Die Olympischen Spiele sind ein Sportereignis, kein politisches Ereignis. Deshalb halte ich es für falsch, dass Sie nach China zur Eröffnungsfeier fahren wollen, und ich freue mich darüber, dass der Präsident unseres Hauses, des Europäischen Parlaments, Herr Pöttering, eben nicht nach China fährt.

Herr Präsident! Zum Abschluss lassen Sie mich sagen: Sie haben an Ihrem Platz einen Gruß von vielen meiner Kolleginnen vorgefunden – eine Rose und auch einen Brief. In diesem Brief werden Sie darum gebeten, sich dafür einzusetzen, dass es mehr Frauen an der Spitze der Europäischen Union gibt. Die Damen setzen auf Sie als einen Mann der Frauen! Lassen Sie mich eine weitere Bitte anfügen: Als demokratisch gewählte Abgeordnete hoffe ich darauf, dass Sie uns dabei unterstützen, dass dieses Parlament, das Europäische Parlament, auch selbst über seinen Sitz entscheiden kann.

 
  
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  Adam Bielan (UEN). - (PL) Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Zunächst einmal möchte ich Ihnen zur Übernahme der Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union gratulieren. Ihre Amtszeit wird keine einfache sein. Sie fällt in eine schwierige Zeit, und ich wünsche Ihnen natürlich viel Erfolg. Irland hat den Lissabon-Vertrag abgelehnt, allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Iren ihre Meinung noch ändern werden. Jedenfalls ist es nicht hinnehmbar, die Iren in ihrer Entscheidung durch Drohungen beeinflussen zu wollen. Die Franzosen und die Niederländer wurden schließlich auch nicht unter Druck gesetzt, als sie vor drei Jahren den Vertrag ablehnten und damit den Stein ins Rollen brachten. Die Mitgliedstaaten der EU dürfen nicht in gut und böse unterteilt werden. Daher danke ich Ihnen für den Hinweis, dass keines der 27 Mitgliedsländer aus der europäischen Familie ausgeschlossen werden darf, wie es meine Vorrednerin, Frau Koch-Mehrin, vielleicht gerne gesehen hätte.

Herr Ratspräsident, ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit dafür danken, dass Sie kürzlich den französischen Arbeitsmarkt unter anderem auch für polnische Bürger geöffnet haben. Wir haben lange darauf gewartet, viel länger als in anderen Ländern, aber besser spät als gar nicht.

Was ich in Ihrer heutigen Ansprache vermisst habe, war ein Wort zu unserem größten europäischen Nachbarn, der Ukraine. Ich hoffe dennoch, dass das für den 9. September 2008 in Evian geplante Gipfeltreffen uns der Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine ein gutes Stück näher bringt. Angesichts der neuerlichen Drohungen Russlands ist gerade jetzt ein klares Signal von unserer Seite an unsere Freunde in der Ukraine besonders wichtig.

Abschließend möchte ich Ihnen, Herr Ratspräsident, im Namen der Millionen europäischer Bürger, die sich zurzeit mit ständig steigenden Kosten konfrontiert sehen, für Ihre Bemühungen um eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Kraftstoff danken. Ich hoffe, Sie werden während der französischen Ratspräsidentschaft weitere Entscheidungsträger, den Ministerpräsidenten meines Heimatlandes Polen eingeschlossen, für diese Idee gewinnen können.

 
  
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  Werner Langen (PPE-DE). - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Ratspräsidenten ein ausdrückliches Kompliment machen. Das ist jetzt meine 29. Ratspräsidentschaft, und ich muss Ihnen uneingeschränkt sagen: Ich habe noch nie so eine überzeugende Präsentation eines Programms und einer europäischen Idee erlebt. Ich sage Ihnen das ganz offen.

(Beifall)

Es gab einen einzigen Fall, bei dem ein Ratspräsident noch mehr gefeiert wurde, aber nur bei der Eröffnung. Am Ende hatte er auf der Agenda nichts vorzuweisen. Das war der britische Premier Blair. Wir sind sicher, Herr Präsident Sarkozy, dass Sie Ihre Ratspräsidentschaft in einem halben Jahr mit guten Ergebnissen beenden werden. Gerade Ihre Argumentation heute – wie Sie mit den Argumenten der Kollegen umgehen, wie Sie in die Dossiers eingearbeitet sind, dass Sie hier keinen Wunschzettel vortragen, sondern Ihre Schwerpunkte argumentativ vortragen – macht mir Hoffnung, dass Sie Ihr ehrgeiziges Programm auch tatsächlich durchführen können.

Wenn es darum geht, im Klimapaket mit Ihnen zusammen einen Abschluss zu finden, können Sie mit der Unterstützung des Parlaments rechnen. Ich befürchte eher, dass es im Rat, bei der Verantwortung des Rates und der einzelnen Mitgliedstaaten noch Probleme geben wird, dass man dort die anvisierten Quoten nicht akzeptieren wird. Wir stimmen auch mit Ihnen überein, dass die Kernenergie ihre Rolle in diesem Klimapaket braucht. Hier in diesem Parlament gibt es eine klare Mehrheit für die zivile Nutzung der Kernenergie. Lassen Sie sich von diesen T-Shirts nicht irritieren.

Wenn es darum geht, dass Deutschland und Frankreich zusammen die Führerschaft in der Europäischen Union bei inhaltlichen Fragen übernehmen wollen – nicht bei großen Deklarationen weltpolitischer Art –, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite. Ich muss Ihnen sagen, die Kollegin Koch-Mehrin hat offensichtlich nicht zugehört, als Sie Ihre Begründung für China geliefert haben. Das war eine außenpolitische Lehrstunde für dieses Parlament, und ich kann Sie nur bestärken: Bleiben Sie so konsequent und gradlinig, wie Sie auch in diesen Fragen waren!

 
  
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  Robert Goebbels (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! In zehn Nationen werden 60 % der Kohlendioxidemissionen erzeugt. Zu diesen zehn Ländern gehört nur ein europäisches Land, dies ist Deutschland. Aus den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union stammen nur 14 % der weltweiten Emissionen, aus den USA 17 %; Brasilien, Russland, Indien und China erzeugen zusammengenommen mehr als ein Drittel der weltweiten Kohlendioxidemissionen. All das beweist, dass die europäischen Initiativen auf dem Gebiet der Bekämpfung des Klimawandels sinnlos sind, wenn nicht vergleichbare Anstrengungen seitens der Amerikaner, der Chinesen und der anderen Industrienationen unternommen werden.

In Erwartung eines solchen Abkommens muss Europa den Kohlenstoffausstoß bekämpfen. Derzeit tätigt kein großer Industriekonzern Investitionen in Europa. Arcelor-Mittal schließt in Frankreich, investiert jedoch in Brasilien, in Russland, in der Türkei, in Indien und in China. ThyssenKrupp investiert in Brasilien, die österreichische Vöest-Gruppe investiert in Indien. In Nordafrika werden derzeit zehn Werke für Floatglas errichtet, das für den europäischen Markt bestimmt ist.

In Ermangelung eines konkreten Engagements der anderen Industriestaaten muss Europa seine Entschlossenheit unter Beweis stellen, sein Industriepotenzial, sein industrielles Know-how zu verteidigen. Es bringt nichts, den europäischen Bürgern Opfer aufzuerlegen, wenn der Rest der Welt nicht mitzieht.

(Beifall)

 
  
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  Jean-Marie Cavada (ALDE).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Wie der Präsident des Europäischen Parlaments und viele andere Kolleginnen und Kollegen bin ich ein Kind der Ruinen des Zweiten Weltkrieges, und ich begrüße es sehr, wie zielbewusst Sie in Ihrer Rede dem Skeptizismus entgegengetreten sind. Der Skeptizismus hat für mich etwas vom Geist von München, und das ist die Säure, die den europäischen Willen zersetzt. Deshalb schätze ich die Energie, die Sie in Ihrer Rede entfaltet haben, welche wir, wie Frau Lulling beispielsweise gerade im Fernsehen erklärt hat, als klar, präzise und, ich sage es ohne Umschweife, als überzeugend empfunden haben.

Als zweites möchte ich sagen, Herr Präsident, dass Sie natürlich Recht haben, und das muss man in diesem Hause sagen. Die Befürchtungen und Ängste in Europa und die Bedrohungen, denen es ausgesetzt war, spielten sicher eine große Rolle beim Aufbau in den 1950er Jahren, aber diese Befürchtungen und Ängste sind, auch wenn sie anders geartet sind, natürlich auch heute noch in großer Zahl vorhanden. Deshalb brauchen wir eine absolut zielgerichtete Antwort.

Ich schätze die Prioritäten sehr, das sage ich ganz offen, denn sie sind real, und insbesondere die Einwanderungspolitik, die von unserem ehemaligen Kollegen, Ihrem Minister Hortefeux vertreten wird. Ich hatte seinerzeit, vor zwei Jahren die Ehre, das Europäische Parlament auf der Konferenz Europa-Afrika in Rabat zu vertreten. Da waren zum ersten Mal die Länder vereint, die die gleiche Verantwortung tragen, sei es als Herkunftsland, als Transitland oder als Aufnahmeland der Migranten, und wie Herr Watson eben sagte, meine ich, dass es sehr wichtig ist, vor allem – warum nicht? –, mit Hilfe der Struktur der Union für den Mittelmeerraum, eine großzügige Politik der Nähe und der Überwachung durchzuführen.

Noch ein letztes Wort, Herr Präsident, vergessen wir nicht, dass Europa ein besonderes Gewicht in der Welt hat, weil es ein Mutterboden der Kultur ist, weil die Kultur der Zement für unsere Unterschiede ist, weil die Kultur der Sockel unserer politischen Systeme ist, und auch deshalb sieht man uns mit ganz anderen Augen. Um zielgerichtet vorgehen zu können, bedarf es Ihrer Energie auch auf diesem Gebiet der Kultur.

 
  
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  Jan Zahradil (PPE-DE).(CS) Herr Präsident! Ich möchte zunächst meine Anerkennung darüber äußern, dass Frankreich zum 1. Juli seinen Arbeitsmarkt für die neuen Mitgliedstaaten geöffnet und so eine der letzten Barrieren zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten beseitigt hat. Ich hoffe, dass Frau Merkel diesem Beispiel folgen wird. Frankreich, die Tschechische Republik und Schweden haben gemeinsam ein 18-monatiges Präsidentschaftsprogramm erarbeitet, und ich halte es für sehr erfreulich, dass darin der Energiefrage – die von zentraler Bedeutung ist – Priorität eingeräumt wurde Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, denn das betrifft den Finanzrahmen nach 2013 und damit die Frage, welche Mittel uns in Zukunft zur Verfügung stehen werden. Ich begrüße es, dass Frankreich diese aktuellen Fragen und Probleme lösen will, denn das ist das, was die Menschen beschäftigt und interessiert.

Was institutionelle Fragen anbelangt, spreche ich hier nicht als Mitglied der PPE, sondern als Vertreter der DE, insofern überrascht es wohl nicht, dass sich unsere Ansichten nicht ganz decken. Ich denke, wir können nicht vor dem Vertrag von Lissabon erstarrt stehen wie das Kaninchen vor der Schlange. Das ist nicht das Ende von allem, und wir wollen keine Krisenstimmung schaffen, deshalb muss die Situation in Ruhe gelöst werden, ohne politischen Druck, ohne irgendwelche legalen Tricks und in Übereinstimmung mit unseren eigenen Regeln. Diese Regeln besagen, dass kein Vertrag ohne einstimmige Zustimmung in Kraft treten kann, und eine solche Zustimmung gibt es derzeit nicht. Ich glaube nicht, dass es unmöglich ist, die Erweiterung ohne den Vertrag von Lissabon fortzusetzen. Ich glaube, dass zumindest Kroatien ohne den Vertrag von Lissabon in die Europäische Union aufgenommen werden kann. Ebenso wenig bin ich der Ansicht, dass wir uns zwischen Nizza und Lissabon entscheiden müssen. Wir haben sicherlich mehrere Optionen, und wir müssen in der Lage sein, sie vernünftig und ohne Aufregung zu prüfen und die Situation lösen. Ich wünsche Ihnen, Herr Präsident, in jedem Fall viel Erfolg bei der Führung der Europäischen Union.

 
  
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  Pasqualina Napoletano (PSE).(IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die Initiative Union für das Mittelmeer, die am kommenden Samstag im Mittelpunkt des Pariser Gipfels stehen wird, verfolgt, und wir hoffen, dass diese Initiative von Erfolg gekrönt sein wird.

Ich möchte jedoch einige Dinge klarstellen. Mit dieser Initiative soll die multilaterale Europa-Mittelmeer-Dimension gestärkt werden. Ich halte das für richtig und glaube, dass wir in diese Richtung gehen sollten. Wenn es eine Politik gibt, die kritisch gesehen werden muss, so ist das allerdings nach meinem Dafürhalten die Nachbarschaft mit den südlichen Ländern, weil die Nachbarschaftspolitik eigentlich Länder miteinander in den Wettbewerb treten lässt, zwischen denen große Unterschiede bestehen. Deshalb müssen wir uns für die Integration zwischen diesen Ländern und zwischen ihnen und Europa einsetzen, und auch Mittel dafür abzweigen.

Ich will Ihnen ganz offen sagen, Herr Ratspräsident, dass es uns wahrlich nicht gefallen hat – und ich sage das auch an Präsident Barroso gerichtet –, dass Sie die Finanzierung für das Programm Audiovisuel Méditerranée, das das einzige kulturelle Koproduktionsinstrument war, gestoppt haben. Sie sprachen von einer europäischen kulturellen Ausnahme, doch ich möchte hinzufügen, Herr Präsident, dass wir es hier mit einer kulturellen Ausnahme des Europa-Mittelmeerraums zu tun haben. Wenn Sie sich die 20 führenden Intellektuellen der Welt ansehen, so werden sie unter den Top Ten viele Vertreter der muslimischen Kultur und sehr viele aus dem Europa-Mittelmeerraum finden.

Lassen Sie uns daher einander helfen, wirksame politische Maßnahmen in Gang zu setzen, um das Leben vieler Menschen in diesen Ländern, vor allem junger Leute und Frauen, die Hoffnung in Europa setzen, zu verändern. Wir brauchen keine eifrigen Schüler: Wir müssen dieses Verhältnis an sich verändern, und das Parlament ist wirklich bereit, mit ihrer Präsidentschaft zusammenzuarbeiten, wenn Sie es verstehen, diese Richtung einzuschlagen.

 
  
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  José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Die Prioritäten der französischen EU-Präsidentschaft sind realistische Prioritäten, die in meinen Augen hinreichend dazu geeignet sind, Antworten auf das zu geben, was Herr Durão Barroso, der Präsident der Kommission, gerade zu der Kritik gesagt hat, dass Europa ohnmächtig und unfähig sei, Antworten auf die alltäglichen Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger zu geben: das Verfassungsproblem, Lebensmittel- und Energiepreise, das Europa der Verteidigung und die Einwanderung.

Heute ist der Tod eines Einwanderers in einem Kühlwagen im Kanaltunnel oder der Tod eines Einwanderers, der auf dem Weg zu den Kanaren über Bord eines Patera-Bootes geworfen wurde – was sich gerade erst vor einigen Stunden ereignet hat – eine der schlimmsten Tragödien unserer Zeit. Es ist ein schwer wiegendes und vordringliches Problem, und die Europäische Union muss eine angemessene Antwort darauf finden.

Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, Herr Daul, sprach von der Notwendigkeit, den politischen Willen zu mobilisieren, und ich denke, dass es dieser Päsidentschaft keinesfalls an politischem Willen mangelt.

Allerdings, Herr Präsident, ist politischer Willen erforderlich, aber nicht ausreichend: es kommt außerdem auf die Umstände an, auch wenn sie vorübergehend, kurzzeitig oder vorläufig auftreten, während sie existieren, wirken sie auf uns und schränken uns ein, und ich begrüße es, dass Präsident Sarkozy sagte, wir müssten Umstände in Chancen verwandeln.

Ich bedauere die Tatsache, dass Herr Schulz in diesem Moment nicht bei uns ist, denn als er über den Sport gesprochen hat, hat uns das einen besonderen Umstand ins Bewusstsein gerufen. Ich würde mir wünschen, dass Spanien wieder im Besitz des gelben Trikots wäre, wie es nach der ersten Etappe der Tour de France der Fall war.

Sie haben dennoch Recht, Herr amtierender Präsident, im Sport muss es eine europäische Dimension geben, und einige Mitglieder des Europäischen Parlaments haben mich gebeten, Ihnen einen Antrag zu übergeben, um zu prüfen, ob es für die französischen Sportlerinnen und Sportler, die an den Olympischen Spielen teilnehmen werden, was wir heute hier erörtet haben, angemessen wäre, neben ihrer Landesfahne ein Emblem der EU zu tragen, damit sich andere Mitgliedstaaten dieser Initiative freiwillig anschließen können.

Herr amtierender Präsident, wir hegen die Hoffnung, dass die französische Präsidentschaft in der Lage sein wird, Kräfte zu bündeln und Konsense zu schmieden, damit die Europäische Union gemäß Ihrem Vorschlag unter Ihrer Präsidentschaft deutlich vorankommen wird.

 
  
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  Harlem Désir (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Sie wollten Ihre Präsidentschaft unter die Oberhoheit des Europas stellen, das eine Schutzfunktion ausübt, und ich glaube, da gibt es wirklich eine starke Erwartungshaltung seitens der europäischen Bürger. Aber deshalb besteht da ein Widerspruch – und Sie haben die Schlüsselbotschaft der Fraktion der Europäischen Sozialdemokraten verstanden – zu der Tatsache, dass die soziale Dimension des europäischen Aufbauwerks nicht in den Status einer der vier großen Prioritäten Ihrer Präsidentschaft erhoben wurde.

Wie man insbesondere bei den letzten Referenden gesehen hat, werden die Völker zu Institutionen, zu Verträgen befragt, aber ihre Antworten beziehen sich faktisch auf den Verlauf des europäischen Aufbauwerks und letztlich die Politiken Europas. Ich glaube, dass das Ungleichgewicht, das in den letzten Jahren zwischen den Fortschritten der wirtschaftlichen Integration –, die sich fortgesetzt haben, und das ist gut – und der Stagnation der sozialen Dimension entstanden ist, auch die Ursache für diesen Liebesentzug zwischen den Völkern der Union und diese Abneigung gegenüber den europäischen Institutionen ist.

Deshalb besteht das Problem nicht darin, zu sagen, dass Europa sich in alles Soziale einmischen müsste, sondern dass von dem Augenblick an, da es einen einheitlichen Markt gibt, der auch den Arbeitsmarkt einschließt, es auch gemeinsame Normen geben muss, um gegen die Unterschiede zu kämpfen, die sonst zu Sozialdumping führen, und um dafür zu sorgen, dass die Konvergenzelemente auf das Höhere und das Bessere ausgerichtet werden, anstatt die sozialen Situationen nach unten zu ziehen.

Die Kommission hat gerade eine Sozialagenda veröffentlicht. Wenn jedoch der Rat sich nicht zu konkreten Themen engagiert – Sie sprachen von dem konkreten Europa –, um die Vollmachten der europäischen Betriebsräte zu stärken, um die Zeitarbeiter zu schützen, um die Arbeitnehmerentsenderichtlinie zu stärken, um – und das muss man hinzufügen – eine Richtlinie über den Schutz der öffentlichen Dienstleistungen und der sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu verabschieden, wird es keine Antwort auf dieses Schutzbedürfnis geben.

Eine Ihrer Prioritäten ist das Europa der Einwanderung, aber das Europa der Einwanderung kann sich nicht auf ein Europa der Ausweisungen reduzieren. Deshalb müssen ein Integrationspakt – darüber haben wir mit Minister Hortefeux gesprochen – und ein Entwicklungspakt hinzukommen. Sie kommen gerade vom G8-Gipfel zurück; Europa und einige Mitgliedstaaten wurden dort kritisiert, weil sie ihre Verpflichtungen hinsichtlich der staatlichen Entwicklungsziele nicht eingehalten hatten. Sorgen Sie dafür, dass während Ihrer Präsidentschaft diese Verpflichtung zur Anhebung auf 0,7 % des BIP eingehalten wird, und das wird effizienter sein, als die unwürdige „Rückführungsrichtlinie“, um zu einem besseren Management der internationalen Migration beizutragen.

 
  
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  Jerzy Buzek (PPE-DE). - (PL) Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Herr Präsident der Kommission! Ich teile die Meinung des Ratspräsidenten. Dies ist ein schwieriger Moment für Europa. Das spürt jeder von uns, auch ich. Als ich für die Beitrittsverhandlungen meines Heimatlandes verantwortlich war, habe ich alles darangesetzt, die zukünftige Kooperation in Europa zu fördern. Ich möchte unterstreichen, dass Polen heute glücklicherweise uneingeschränkt zur EU und zum Vertrag steht. Das polnische Parlament hat mit großer Mehrheit für den Vertrag gestimmt, und fast 80 % der Polen sind für die EU-Mitgliedschaft.

Ich schließe mich der Einschätzung des Ratspräsidenten an. Wir müssen im Namen und im Interesse unserer Bürger handeln. Für uns Politiker geht es vorrangig darum, ein Energie- und Klimapaket zu schnüren, gleichzeitig müssen wir aber auch darauf achten, dass dessen Umsetzung nicht mit einem Preisanstieg und dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft einhergeht. Dieses Maßnahmenbündel muss möglichst schnell verabschiedet werden, es wäre allerdings kontraproduktiv, die Dinge überstürzen zu wollen. Mit diesem Paket sollten wir die führende Rolle Europas im Kampf gegen die Klimaerwärmung unter Beweis stellen. Auch ich halte das für erforderlich, zunächst für Poznań, dann für Kopenhagen, aber niemand wird sich daran ein Beispiel nehmen, wenn dabei die europäische Wirtschaft auf der Strecke bleibt. Daher bin ich froh, dass Sie, Herr Ratspräsident, diese Gefahren erkannt haben und der Meinung sind, dass die Grundsätze des Emissionshandels – denn darum geht es im Wesentlichen – nach bestem Wissen und Gewissen überarbeitet werden. Wir haben in dieser Hinsicht ja durchaus Erfahrung. Auch die REACH-Verordnung wurde hier im Parlament unter Mitwirkung des Rates und der Kommission in vielen Punkten zum Positiven geändert. Diesen Weg können wir durchaus ein zweites Mal beschreiten.

Herr Ratspräsident! Erlauben Sie mir, Ihnen meine Glückwünsche zur Übernahme der Ratspräsidentschaft in Europa auszusprechen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Bewältigung der beiden wichtigsten Aufgaben, die in den nächsten sechs Monaten anstehen: der Lissabon-Vertrag sowie das Energie- und Klimapaket.

 
  
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  Enrique Barón Crespo (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Sie müssen den Stier des Zweifels an Lissabon an den Hörnern packen; Frankreich hat bereits eine lange Erfahrung in der Kunst, das europäische Aufbauwerk einmal voranzubringen und einmal zurückzudrehen. Ich fordere Sie auf, einen Ausweg für die Iren zu finden und gleichzeitig den Willen der übergroßen Mehrheit zu respektieren, der ebenfalls zählt.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass auf sozialer Ebene im Vertrag von Lissabon die Charta der Grundrechte enthalten ist und dass es das europäische Sozialmodell gibt. So wurden beispielsweise bereits mehr als eine Million Unterschriften von europäischen Behinderten gesammelt – jedem vierten Haushalt –, die auf den Vertrag Wert legen, weil er jahrhundertealte Diskriminierungen ausräumt. Sie finden also Unterstützung bei Ihrem Bemühen um Fortschritte und die Einbeziehung des Sozialmodells.

Was die Einwanderung betrifft, so haben Sie die Linke angesprochen. Aber Sie werden auch anerkennen, dass Linksregierungen Ideen entwickelt haben, die es Ihnen ermöglicht haben, ein weniger starres und eher progressives Paket zu schnüren, das aus meiner Sicht das Parlament noch verbessern könnte, aber man muss in dieser Frage zügig vorankommen.

Und dann, Herr Präsident – und das hat unmittelbar mit der Zuwanderung zu tun – haben Sie von der GAP gesprochen, aber Sie haben Doha nicht erwähnt. Es kommt jedoch darauf an, dass das vereinte Europa in der Lage ist, einen Ausweg zu finden und den Millenniumszielen zu genügen. All das ist ein und dasselbe Paket; es gilt, unsere Wirtschaftskapazität zu nutzen, um die ganze Menschheit voranzubringen.

 
  
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  Stefano Zappalà (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Als Leiter der italienischen Delegation in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten freut es mich, dass Sie das Steuer Europas übernommen haben, und ich freue mich über das, was Sie gesagt haben. Sie versprühen Begeisterung und Stolz. Sie selbst glauben und vermitteln anderen Menschen den Glauben an eine Institution, Europa, die viele Probleme hat und wirklich weise, aufgeklärte und bewusste Führer braucht, von denen einer zu sein Sie gezeigt haben.

Italien unterhält seit jeher enge kulturelle und gesellschaftliche Beziehungen zu Frankreich: zwei Länder, die große Opfer brachten, um Europa zu gründen und aufzubauen, dessen Mitglieder nun alle die Pflicht haben, es weiter auszugestalten. Jeder, der in dieser Institution tätig ist, weiß um die vielen Schwierigkeiten, die sich beim Voranbringen des Entwicklungs- und Integrationsprozesses in den Weg stellen, weil dieser Prozess zwischen Völkern mit unterschiedlicher Geschichte, Kultur, gesellschaftlicher Sachlage und Tradition gestaltet werden muss. Die lediglich parteipolitischen Interessen dienenden Ansichten, die Herr Schulz soeben gegen die gegenwärtige und äußerst populäre italienische Regierung zum Ausdruck brachte, sind gewiss nicht hilfreich. Gleichwohl muss dieser Prozess trotz der Enttäuschungen, die er bisweilen mit sich bringt, vorangebracht werden.

Der Lissabon-Vertrag, ein ausgezeichneter Vertrag, wurde aufs Abstellgleis geschoben, und es bedarf einer gehörigen Portion guten Willens, um ihn von dort zurückzuholen, wobei wir die Ausgrenzung derjenigen vermeiden müssen, die ihn nicht verstanden haben. Gleichwohl stimme ich dem zu, was Sie gesagt haben: Vor jeglicher weiteren Erweiterung müssen neue Regeln festgelegt werden, jedoch ohne Irland sich selbst zu überlassen. Die Einwanderungswelle nach Europa, insbesondere in einige Mitgliedstaaten, und hauptsächlich in mein eigenes Land und die Länder des Mittelmeerraums, muss reguliert und als gemeinsames Problem betrachtet werden, und nicht als Grund, Unterschiede zu machen oder gar die Lage auszunutzen, um Länder, die bereits große Opfer bringen, zu benachteiligen. Die Bevölkerung unserer Länder muss geschützt werden und die Integration muss auf vernünftigen Grundlagen erfolgen.

Herr Ratspräsident, die Regierung und die Bevölkerung Italiens sehen Ihrem Mandat erwartungs- und vertrauensvoll entgegen, in der Gewissheit, dass die Geschichte und die gesellschaftliche Stellung, die Sie heute repräsentieren, Europa Zuversicht und Entwicklung einhauchen werden.

 
  
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  Zita Gurmai (PSE). - (HU) Als einzige Sprecherin von östlich der Berliner Mauer möchte ich drei Punkte ansprechen. Ich bin enttäuscht, dass in der Rede des Präsidenten nicht auf die Chancengleichheit eingegangen wurde. Glücklicherweise, Herr amtierender Präsident, haben wir Frauen der sieben politischen Parteien unsere Forderungen in einem Brief ausführlich beschrieben: Das ist die Blume, unsere Blume für Sie, Herr Präsident.

Erstens begrüße ich die Anstrengungen der französischen Präsidentschaft auf europäischer Ebene im Interesse der sozialen Gleichstellung der Geschlechter. Zugleich scheint es widersprüchlich, dass die Institutionen im Dienste der Gleichstellung vor Ort geschlossen werden. Wird auf europäischer Ebene außer der von Frankreich verfolgten Politik auch eine andere Politik empfohlen?

Zweitens hat der Herr Präsident den französischen Bürgern versprochen, im Laufe der nächsten fünf Jahre 350 000 Kinderbetreuungsplätze zu schaffen. Dies ist eine wichtige Maßnahme, die für Männer und Frauen gleiche Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt schafft und die Verbindung von Arbeits- und Familienleben ermöglicht. Als Instrument der Chancengleichheit und Integration müssen diese von guter Qualität, bezahlbar und allen zugänglich sein.

Was nun das Familienleben angeht: Ist der Herr Präsident der Meinung, Frauen können Beruf und Familie vereinbaren, wenn sie 65 Stunden pro Woche arbeiten? Frauen sind am Arbeitsplatz schutzbedürftiger, und im Allgemeinen sind sie nicht in Berufsverbänden organisiert.

Ja, wir benötigen eine gemeinsame europäische Immigrationspolitik, aber wir müssen auch die Rechte und Pflichten der Bürger und der Immigranten diskutieren. Die Migrationspolitik muss von der Integrationspolitik der aufnehmenden Nationen ergänzt werden. Vielen Dank.

 
  
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  Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Ich möchte mich an den amtierenden Ratspräsidenten wenden und sagen: Ich habe Ihre heutige Rede mit besonderem Interesse erwartet. Ihre heutige Stellungnahme hat mich davon überzeugt, dass Sie während ihrer sechsmonatigen Präsidentschaft etwas in Bewegung setzen werden.

Die ganze Welt steht einer der schwersten wirtschaftlichen Krisen der vergangenen Jahrzehnte gegenüber, aber Europa hat mit eigenen Krisen zu kämpfen.

Es ist offensichtlich, dass das Europa der 27 heute nicht nach denselben Regeln verfahren kann wie das Europa der 15. Das ist die institutionelle Krise, in der sich Europa befindet. Es ist auch offensichtlich, dass heute einige Mitgliedstaaten die politische Einigung Europas nicht wollen, und sie wollen nicht, dass die Vision unserer Vorgänger umgesetzt wird. Das ist eine Identitätskrise. Die institutionelle Krise wird sich lösen, aber wie lässt sich Identitätskrise überwinden?

Ich fürchte, es gibt nur eine Lösung: Die Mitgliedstaaten, die eine politische Harmonisierung wollen, sollten vorangehen, und die Mitgliedstaaten, die in Europa nur eine Wirtschaftsunion sehen, sollten im Hintergrund bleiben. In der Tat fürchte ich, dass Europa, wenn wir diese Lösung nicht voranbringen, irgendwann keine Rolle auf der internationalen Bühne mehr spielen wird.

Krisen können zu großen Sprüngen nach vorn verhelfen, aber nur, wenn der nötige Mut vorhanden ist. Ich glaube, Sie haben sowohl die Vision als auch den Mut. Zeigen Sie Mut!

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). - Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Ihre Grundhaltung hat meine ganze Unterstützung. Ich meine, Sie sind der richtige Ratspräsident in einer äußerst sensiblen Zeit mit der notwendigen Sensibilität für die Sorgen der Menschen, der Entschlossenheit, zu führen und zusammenzuführen. Sie haben sich bei der Beantwortung der Fragen nicht abgeputzt, sondern haben die Themen beim Namen genannt. Sie flüchten nicht, sondern stellen sich.

Ich möchte besonders Ihr klares Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie hervorheben. Dieses Bekenntnis ist in diesen Zeiten besonders wichtig, weil wir in mehreren Mitgliedstaaten – wie in meinem Heimatland Österreich – das Ausspielen von direkter Demokratie und parlamentarischer Demokratie und damit die Entmündigung von Parlamenten der parlamentarischen Demokratie in europäischen Angelegenheiten erleben haben. Treten wir entschlossen gemeinsam für die parlamentarische Demokratie und gegen ihre Entmündigung ein!

(Beifall)

Es ist mir auch wichtig, dass Sie die Feigheit, man könnte auch sagen, die Doppelmoral vieler Regierungen und Mitglieder der Regierungen ihrer europäischen Mitverantwortung gegenüber einmal klar angesprochen haben, weil diese Doppelmoral eine der Hauptursachen des Vertrauensverlustes und der gegenseitigen Schuldzuweisungen ist, die wir beenden müssen. Wir verlangen nicht von jedem mehr Mut, aber wir verlangen von allen Aufrichtigkeit und Charakter.

Ich möchte noch drei Dinge anschneiden. Das eine ist Ihre Position zum Vertrag. Sie sitzen nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange, Sie warten nicht auf Irland, sondern Sie setzen den Ratifizierungsprozess fort und gehen auf Irland zu. Ich bin davon überzeugt, dass wir erst eine Einigung mit Irland finden werden, wenn alle 26 Mitgliedstatten ratifiziert haben.

Lassen wir aber auch Kroatien nicht allein! Ich begrüße, dass Sie alle Kapitel bis Jahresende eröffnen wollen. Wir brauchen auch einen Zeitplan für Mazedonien. Ich bitte Sie, bei Ihrem Gipfel im Dezember auch den Small Business Act einer Ratsentscheidung zuzuführen, weil die Hauptkompetenzen bei den Mitgliedstaaten liegen. Wir brauchen ein legal binding und nicht noch einmal eine öffentliche weitere politische Erklärung.

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE). - (PL) Herr Präsident! Ich habe gute Nachrichten aus Polen. Heute, Herr Präsident, findet im polnischen Parlament eine Debatte statt, an deren Ende ein Entschließungsantrag angenommen werden soll, in dem der polnische Staatspräsident aufgefordert wird, seiner verfassungsmäßigen Pflicht nachzukommen und den Lissabon-Vertrag zu unterzeichnen. Dies ist der Wille des polnischen Volkes, das zu 80 % für die Europäische Union ist und die EU-Mitgliedschaft ausdrücklich begrüßt. In keinem anderen Land ist die Unterstützung für die EU so groß. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Polen seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen wird.

Nun zu einem anderen Thema: Ich habe eine Bitte an Sie, Herr Präsident. Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass die Lage der Kinder in der Europäischen Union auf die Tagesordnung gesetzt und nach dem Vorbild des EU-Beauftragten für Menschenrechte ein Kinderbeauftragter, ein Fürsprecher für die Belange der Kinder, ernannt wird? Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich der Rat auf die Schaffung einer solchen, in Europa so dringend benötigten Einrichtung einigen könnte.

 
  
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  Hartmut Nassauer (PPE-DE). - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich ein Résumé der Debatte heute morgen ziehe, dann möchte ich sagen, gut, dass Frankreich die Präsidentschaft in dieser Zeit hat, gut, dass Sie, Herr Präsident Sarkozy, die Ratspräsidentschaft innehaben. Das war ein guter Tag für Europa und für dieses Parlament, denn zum ersten Mal — seit langer Zeit — hat hier wieder jemand mit Leidenschaft für Europa gesprochen, nicht nur mit guten Argumenten. Und vielleicht ist es das, was wir brauchen, um die Iren zu gewinnen und um unsere Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen: Leidenschaft und Augenmaß, und zum Augenmaß gehört, dass Europa sich beschränkt.

Ein Zauberwort möchte ich Ihnen zurufen: Wir brauchen nicht nur den Vertrag in Irland, sondern wir brauchen eine neue Kultur der Subsidiarität. Wir brauchen Grenzen für Europa nach außen, aber auch nach innen. Eine neue Kultur der Subsidiarität wird uns neue Zustimmung für Europa bringen, darin weiß ich mich mit Präsident Barroso sehr einig. Glückauf auf Ihrem Weg, Präsident Sarkozy.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE). - (EN) Herr Präsident! Ich heiße Herrn Präsident Sarkozy im Europäischen Parlament willkommen und bin ihm sehr dankbar für seinen durchdachten und wohlbegründeten Beitrag.

Als irischer Abgeordneter werde ich ihn auch willkommen heißen, wenn er Irland als EU-Ratspräsident besucht, als ein Präsident, der praktische Schritte unternimmt, um das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Das wurde aus seinen Prioritäten klar.

Ich schätze auch seine Bemerkungen zur Lebensmittelsicherheit und sein Streben nach Ausgewogenheit bei der Durchsetzung von Verordnungen und Beschränkungen gegenüber unseren Unternehmen und Landwirten. Wie er selbst sagte: Schutz ohne Protektionismus.

Aus seinen Darlegungen und seiner Stimme klang sein Engagement für Europa heraus. Sehr viele Menschen in Irland und auch ich teilen dieses Engagement. Er sprach von der Bewältigung unserer Schwierigkeiten. Das braucht Zeit und verlangt die Bereitschaft zu Kompromissen mit allen Seiten. Da darf es keine Termine geben.

Als jemand, der für eine Abstimmung mit Ja gekämpft hat, weiß ich mich seiner Zustimmung sicher, wenn ich sage, dass ein irisches Nein ebenso rechtmäßig ist wie ein französisches, holländisches oder dänisches Nein. Dem muss die gleiche Achtung erwiesen werden, dann können wir voranschreiten. Dann können wir Fortschritte machen. Dem sehe ich erwartungsvoll entgegen, und ich wünsche ihm für seine Präsidentschaft alles Gute.

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel (UEN).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Die französische Präsidentschaft hat gerade ihre Ziele aufgezählt. Ich wünsche ihr Erfolg. Ihr oberstes Ziel besteht in der Stärkung der Europäischen Union und ihrer Aktionsfähigkeit. In diesem Geiste wäre die Nichtratifizierung des Vertrags von Lissabon eine verpasste Chance. Europa braucht Frankreich, vor allem in diesem schwierigen Augenblick, ein Frankreich, das sich zusammen mit Ihnen, Herr Präsident Sarkozy, nach dem französischen Referendum gewandelt hat.

Leider bringt Polen heute Europa nicht voran, aber eines Tages wird das der Fall sein, und zwar meiner Meinung nach schon bald. Ich wünsche Ihnen, dass die französische Präsidentschaft mit ihren Politiken der europäischen Integration, der gewollten Einwanderung, der Erweiterung um die Balkanstaaten und nicht unbedingt um die Türkei, den Europäern das Vertrauen in Europa und den Geschmack an Europa zurückgibt.

 
  
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  Gay Mitchell (PPE-DE). - (EN) Herr Präsident! Irland brauchte 700 Jahre, um die Briten aus der Republik Irland zu vertreiben, und ich muss hier sitzen und mir immer wieder anhören, wie Leute, die wir hinauswarfen, uns erzählen, was wir in Irland tun sollten. Das ist, denke ich, ein bisschen zu viel. Bitte lassen Sie eine Entscheidung in der Republik Irland von den Menschen der Republik Irland treffen.

Zweitens möchte ich dem Präsidenten der Französischen Republik sagen: Wenn Sie die irische Bevölkerung umstimmen wollen, dann bringen Sie Herrn Le Pen mit. Das wird ausreichen, um die Meinung des Volkes der Republik Irland zu ändern.

Ich war bei vier europäischen Referenden Wahlleiter der Fine Gael, die der Europäischen Volkspartei angehört: beim Referendum über die Einheitliche Europäische Akte, beim Referendum über den Vertrag von Maastricht, über den Vertrag von Amsterdam und über den Vertrag von Lissabon, und ich will Ihnen sagen, dass die Abstimmung über den Vertrag von Lissabon aus den verschiedensten Gründen verloren wurde. Die Menschen haben ihn nicht verstanden; die Regierung ist seit 1994 an der Macht; die Politiker treten als Inquisitionstribunale auf; die oberste Regierung und die Oppositionsparteien – das politische Establishment – wollten, dass er verabschiedet wird. Es gab Ängste in Bezug auf Verteidigung und Wehrpflicht, Abtreibung und Euthanasie – dazu wurden von Mitgliedern dieses Hauses Spritzen herumgereicht –, Ängste in Bezug auf Steuern, Arbeitsplätze, Einwanderung. Bei vielem traten die extreme Rechte und die extreme Linke als Wortführer auf.

Ich will das dem Herrn Ratspräsidenten nur gesagt haben. Bitte bereiten Sie sich auf Ihren Besuch in Irland vor. Wenn es wichtig ist, an der Änderung der Situation in Irland mitzuhelfen, dann kommen Sie vorbereitet, und seien Sie bereit zuzuhören. Sie werden sehr willkommen sein, aber die Sache ist kompliziert, und es wird einige Zeit brauchen, um eine Lösung für diese schwierige Situation zu finden.

 
  
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  Adrian Severin (PSE).(FR) Herr Präsident! Die Europäer setzen große Hoffnung in die französische Präsidentschaft. Diese Hoffnung muss gut gelenkt werden. Die Präsidentschaft muss es vermeiden, zugleich unrealistische Träume und unvernünftige Ängste zu nähren, einschließlich in den Nachbarländern und den Kandidatenländern.

Was den Vertrag von Lissabon betrifft, so sind die diplomatischen Bemühungen um die Ratifizierung nicht ausreichend. Die Präsidentschaft muss zur Erarbeitung einer Strategie beitragen, die einen Ausweg oder, falls die Dinge schlecht laufen, die Bewahrung zum Ziel hat. Um das Schlimmste zu vermeiden, muss man im Vorfeld deutlich machen, dass wir bereit sind, uns dem Schlimmsten zu stellen.

Gestatten Sie abschließend zwei Worte über das gefährliche Phänomen der Renationalisierung Europas. Der Nationalpopulismus ist der erschreckendste Ausdruck dieses Phänomens. Er bildet übrigens den Ursprung für die Propaganda zugunsten des irischen „Nein“ und der rassistischen Fremdenfeindlichkeit in Italien, aber auch der Rhetorik über den einzelstaatlichen Charakter der Sozialpolitik. Europa wird entweder sozial sein oder zusammenbrechen. Ich hoffe, dass die französische Präsidentschaft auch für diesen Aspekt der Dinge sensibel ist.

 
  
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  Der Präsident. − Es tut mir Leid, aber ich kann jetzt niemanden mehr drannehmen. Wir haben die Zeit schon weit überschritten. Ich bedanke mich sehr bei Präsident Sarkozy und natürlich auch bei Präsident Barroso, dass sie uns heute ihre Zeit schenken. Deshalb haben jetzt Präsident Barroso und danach Präsident Sarkozy zum Abschluss das Wort.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Herr Präsident! Zunächst möchte ich mich ganz kurz den Glückwünschen anschließen, die die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten, die hier gesprochen haben, zum Ausdruck gebracht hat: Glückwünsche für die Überzeugungskraft, den Enthusiasmus, die Energie, den politischen Willen, die Präsident Sarkozy hier heute bekundet hat und von denen, dessen bin ich mir sicher, er selbst und seine Minister und Mitarbeiter sich während der gesamten französischen Präsidentschaft leiten lassen werden.

Ich kann Ihnen sagen, dass mich das überhaupt nicht überrascht hat. Ich war absolut überzeugt, dass das eine sehr gute Nachricht ist, dass Frankreich die Verantwortung für die Ratspräsidentschaft in dieser besonders schwierigen Zeit übernimmt. Natürlich hätten Präsident Sarkozy und wir alle es vorgezogen, dass der Horizont auf institutioneller Ebene heller wäre, aber ich glaube, dass man gerade in diesen schwierigen Augenblicken die politische Fähigkeit erkennen und die ganze Bedeutung eines starken politischen Willens ermessen kann.

Ich bin für diese demokratische politische Debatte. Ich habe mehrfach gesagt, dass wir die Unterschiede, die Pluralität der Standpunkte, die es beispielsweise hier in diesem Parlament gibt, politisch verkraften müssen. Man muss es verstehen, diese Unterschiede zum Ausdruck zu bringen, denn Europa ist anders als ein einzelstaatliches politisches System. In unseren demokratischen nationalen politischen Systemen stellt man nicht jedes Mal, wenn es eine politische Diskussion gibt, die zuweilen sehr stark polarisiert sein kann, die Legitimität des Staates selbst in Frage, während in Europa sehr häufig wir, diejenigen, die für Europa sind, diese Opposition mit Entschiedenheit verfechten und uns mit denen auseinandersetzen, die gegen Europa sind und die jede Art von Populismus nutzen, um unseren Institutionen zu schaden und dieses große Friedens- und Solidaritätsprojekt, wie es das europäische Projekt ist, zu kompromittieren.

(Beifall)

Deshalb muss man wirklich in der Lage sein, all diese Standpunkte zu äußern, zugleich aber in dieser besonders schwierigen Zeit das proeuropäische Lager stärken. Wir haben, sagen wir es ganz klar, die Europawahlen im Juni 2009 vor uns. Wenn die verschiedenen europäischen politischen Kräfte und die verschiedenen europäischen Institutionen nicht in konstruktiver Weise Hand in Hand arbeiten, werden wir denen Argumente liefern, die in den Extremen den Populismus, die Fremdenfeindlichkeit, den Nationalismus ausnutzen wollen, indem sie eine Verbindung zwischen Nationalismus und Vaterland herstellen, was ein Fehler ist. Im Übrigen zitiere ich häufig einen großen französischen Autor der sagte: „Patriotismus ist die Liebe zu den Seinen, Nationalismus ist der Hass gegen die Anderen“.

Wir können unser Vaterland lieben und gleichzeitig mit Überzeugung unser europäisches Projekt verteidigen, wie Präsident Sarkozy vorhin sagte. Ich hoffe also, dass die Debatte, die in diesen sechs Monaten geführt wird, die europäischen Institutionen stärken und auch unser Projekt für ein zukunftsorientiertes Europa stärken kann.

Ich möchte auf eine konkrete Frage antworten. Das ist die einzige konkrete Frage, die an mich gerichtet wurde. Die anderen überlasse ich natürlich dem Präsidenten Sarkozy, der sie mit sehr viel mehr Kompetenz beantworten kann. Diese konkrete Frage ist die von Frau Napolitano zum Euromed-Programm auf kulturellem Gebiet.

Ich kann Ihnen mitteilen, dass das derzeitige Programm, dieses kulturelle Programm im Zusammenhang mit Euromed, für dieses Jahr noch über eine Ausstattung von 15 Millionen Euro verfügt. Für den Zeitraum 2009-2010 ist allerdings noch nichts entschieden, aber es gibt einen starken Druck auf die externen Ausgaben, und in diesen Fällen kommt es offen gesagt dazu, dass die betroffenen Drittländer dazu neigen, die bilaterale Zusammenarbeit auf Kosten der regionalen Mittelzuweisungen zu privilegieren. Das ist mithin eine Frage, über die man mit den Euromed-Ländern beraten sollte. Und einer der interessanten Aspekte der Initiative Frankreichs zur Schaffung einer Union für das Mittelmeer, die ich übrigens von Anfang an unterstützt habe, besteht eben darin, ein stärkeres Element der regionalen Zusammenarbeit einzubringen.

Manchmal werde ich gefragt, was die Union für das Mittelmeer gegenüber dem Barcelona-Prozess an zusätzlichem Nutzen bringt. Das ist natürlich ein Element einer stärkeren politischen Ausrichtung, das ist auch ein politisches Upgrading, vor allem dank des Gipfeltreffens im Zweijahresrhythmus, aber das ist auch die Dimension, die in regionalen konkreten Projekten und, wie ich hoffe, nunmehr auch in sehr konkreten Projekten besteht, denen man eine starke Dimension des Privatsektors hinzufügen kann, denn wir brauchen noch mehr Ressourcen.

In diesem konkreten Bereich arbeiten wir also, und abschließend möchte ich sagen: „Viel Glück für Frankreich, viel Glück, mein lieber Freund, Präsident Sarkozy!“.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Ich möchte Herrn Kommissionspräsident Barroso sowie Vizepräsident Jacques Barrot dafür danken, dass sie drei Stunden lang ununterbrochen anwesend waren.

 
  
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  Nicolas Sarkozy, amtierender Ratspräsident. (FR) Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich es für natürlich halte, wenn man die Ehre hat, amtierender Ratspräsident zu sein, so viele Stunden vor dem Parlament zu verbringen, wie das Parlament wünscht. Nicht bloß am ersten Tag der Präsidentschaft, sondern ich sage Ihnen, Herr Präsident des Europäischen Parlaments, ebenso wie ich es jedem Fraktionsvorsitzenden und der Konferenz der Präsidenten sage, wenn Sie es wünschen, zu jedem beliebigen Zeitpunkt während der Präsidentschaft bin ich bereit zu kommen und dem Parlament zur Verfügung zu stehen. Es gilt, das Spiel der europäischen Institutionen zu spielen.

Das Europäische Parlament hat sich in das Herz der parlamentarischen Demokratie eingeschrieben. Das ist keine Sache der Verfügbarkeit, es ist eine Sache der Priorität. Die Präsidentschaft braucht das Europäische Parlament, also steht sie ihm zur Verfügung.

(Beifall)

Ich will natürlich, die Redner mögen mir verzeihen, ein Wort an jeden Einzelnen richten. Ich möchte zunächst Herrn Bushill-Matthews sagen, dass ich zu jenen gehöre, die der Meinung sind, dass Europa das Vereinigte Königreich braucht. Ich gehörte niemals zu den Europäern oder den Franzosen, die meinen man solle unseren englischen Freunden zumindest ein klein wenig misstrauen. England kann sehr viel mehr für Europa tun als es selbst glaubt. Das Vereinigte Königreich, das ist die Öffnung auf die angelsächsische Welt, das ist die erste Sprache der Welt, das ist eine wirtschaftliche Dynamik, wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat. Ich sage unseren konservativen britischen Freunden: „Denken Sie daran, dass Europa Sie braucht, dass Sie dort Ihren Platz haben, und dass ein Europa mit den Engländern, mit einem Fuß drinnen und einem Fuß draußen ein geschwächtes Europa wäre“. England ist eine große Nation. Es hat von Europa nichts zu befürchten, und Europa hat vom Vereinigten Königreich viel zu erwarten.

Herrn Poignant möchte ich sagen – er hat mich tief ins Herz getroffen, denn er hat verstanden, dass ich die Politik liebe und dass das Parlament für mich ein wenig wie mein Garten ist –, ja, Herr Poignant, das Parlament ist der Ort der Demokratie, und ich verstehe und respektiere jene Politiker nicht, die nicht gern ihre Ideen an der Wiege der parlamentarischen Demokratie zum Ausdruck bringen und verteidigen würden. Ich hoffe, dass sich in Ihrer Bemerkung, was die Harmonisierung des Arbeitsmarktes betrifft, ein gewisses Bedauern verbirgt und nicht das Gefühl, dass dies zu viel wäre.

Das gilt übrigens auch für Herrn Désir, ich bin voll und ganz Ihrer Meinung, ich bin gegen eine Totalharmonisierung, denn das würden die Völker ablehnen. Hingegen wären Mindestregeln im Rahmen eines Arbeitsmarktes, ja auch im Rahmen eines einheitlichen Wirtschaftsmarktes ganz natürlich.

Wir sollten uns alle der Schwierigkeiten bewusst sein. Nehmen Sie zum Beispiel Österreich, das von einem sozialdemokratischen Kanzler und einer sozialdemokratischen Regierung regiert wird, sie werden Ihnen erklären, dass das Rentenalter bei 65 Jahren liegt und die Beitragszeit 45 Jahre beträgt. Sie wissen, welche Schwierigkeiten ich hatte, die Beitragszeit auf 40 Jahre anzuheben, und die Unterstützung der Französischen Sozialistischen Partei wurde mir nicht spontan zuteil.

Erklären Sie mir also bitte, warum es, wenn ich schon so viele Schwierigkeiten hatte, in Frankreich die Beitragszeit von 40 Jahren zu erreichen, ausreichen soll, dass ich sechs Monate lang europäischer Ratspräsident bin, um daraus eine Priorität zu machen, die zwischen den 45 Jahren Beitragszeit in Österreich und den 40 Jahren in Frankreich liegt. Wie soll man das machen? Vom Traum bis zur Realisierung ist es ein weiter Weg, aber das ist vielleicht der Unterschied zwischen der Französischen Sozialistischen Partei und der Europäischen Sozialdemokratischen Partei. Es kommt vor, dass ich mich der Europäischen Sozialdemokratischen Partei näher fühle als der Französischen Sozialistischen Partei; ich gestehe meinen Fehler ein, zweifellos um mich zu entschuldigen.

(Zwischenruf ohne Mikro von Herrn Schulz)

 
  
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  Der Präsident. − So geht das nicht! Sie erteilen hier jetzt nicht das Wort! Das kann jetzt nicht zwischen den Sozialisten und dem Ratspräsidenten aufgeteilt werden. Sind Sie bereit, Herr Präsident Sarkozy, eine Frage des Kollegen Schulz zuzulassen? Dann bekommt er das Wort.

 
  
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  Nicolas Sarkozy, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, ja, vorausgesetzt, dass ich nicht in das Kreuzfeuer einer deutsch-deutschen Debatte gerate.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). - Vielen Dank, Herr gnädiger Präsident! Herr Präsident Sarkozy, das ist schön, dass Sie sich dem Sozialismus in dieser Form annähern wollen. Nachdem Sie die Positionen der deutschen Sozialdemokraten eben in Ihrer Rede so stark unterstützt haben und sich so abgegrenzt haben gegen Frau Merkel, schlage ich Ihnen folgenden Weg vor: Wenn Sie sich in der europäischen Sozialdemokratie wohl fühlen, kommen Sie zunächst einmal zur deutschen Sozialdemokratie, wir nähern Sie dann der französischen Sozialdemokratie langsam an, und am Ende werden Sie noch ein richtiger schöner Genosse.

 
  
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  Der Präsident. − Herr Kollege Schulz, hier geht es nicht um Gnade, sondern um die Einhaltung unserer Ordnung. Und die wollen wir in Europa doch einhalten!

 
  
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  Nicolas Sarkozy, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident! Sie werden bemerken, dass ich bereits einen Sozialdemokraten an meiner Rechten habe, aber es ist noch Platz für einen Sozialdemokraten zu meiner Linken.

(Beifall)

Wissen Sie, meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass das, was wir tun, verlorene Zeit ist, denn meiner Meinung nach kann die Demokratie auf europäischer Ebene ohne jene Gewalt auskommen, von der sie manchmal auf nationaler Ebene gekennzeichnet ist. Die europäische Ebene ermöglicht es schließlich jedem, ein wenig Abstand von dem Wahlgerangel zu gewinnen, das brutal, vielfach ungerecht und immer schwierig ist, und schließlich trägt wohl auch die Tatsache, dass man in einem Hause wie dem Ihren mit Lächeln und gegenseitiger Achtung sprechen kann, ein wenig dazu bei, das europäische Ideal liebenswert und für jedermann annehmbar zu machen. Für mich ist das jedenfalls keine verlorene Zeit, das sollte Herrn Poignant und Herrn Schulz klar sein.

Frau De Sarnez hat vollkommen Recht. Wir müssen unsere Entwicklungspolitik ändern und zulassen, dass der Nahrungsmittelanbau zu einer Priorität wird. Das ist absolut unerlässlich; die afrikanischen Länder müssen die Mittel erhalten, um sich selbst mit Nahrungsgütern zu versorgen, und zweifellos muss ein Teil des Geldes, das wir für die Entwicklung großer Infrastrukturen bereitgestellt haben, in Mikroprojekte in der Landwirtschaft fließen. In diesem Punkt teile ich voll und ganz Ihre Meinung.

Sie haben mich auch aufgefordert, eine Vision Europas zu verteidigen. Ich teile diese Ambition. Ich hoffe, dass Sie mir ebenso großzügig einen Rat bezüglich des Inhalts dieser Vision geben werden. Und Sie wissen sehr gut, dass auch da zwischen dem großen, ein wenig abgehobenen Ideal und allen technischen Alltagsfragen, für uns alle das Problem besteht, ständig entscheiden zu müssen, wo man die großen Ideen unterbringen soll, die zuweilen über den schwierigen Alltag unserer Bürger hinausgehen, und wo man die Lösung des technischen Problems ansiedelt, das ihren Alltag beeinflusst. Das ist gar nicht so einfach, aber jedenfalls werde ich es versuchen.

Um Ihnen, Herr Crowley, zu antworten: Ja, wir brauchen Entwicklung, um die illegale Einwanderung zu vermeiden. Im Übrigen ist, wie jedermann weiß, Entwicklung die beste Antwort auf die Frage der Einwanderung. Es gibt 475 Millionen junge Afrikaner unter 17 Jahren, und es gibt 12 km in der Meerenge von Gibraltar zwischen Europa und Afrika. Das Desaster Afrikas wird zum Desaster Europas. Dem wird keine Barriere, keine Grenze standhalten können. Wir brauchen also eine Entwicklungspolitik. Auch hier ist es recht schwierig, zwischen Multilateralismus und Bilateralismus zu entscheiden. Das ist ein gewaltiges Thema; ich habe die Absicht, dem viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Herr Irujo sprach die Sprachenvielfalt an. Ich bin voll und ganz einverstanden, einschließlich – wenn ich recht verstanden habe, mögen Sie den Ausdruck „Regionalsprache“ nicht – was die Amtssprachen betrifft. Ich gehöre zu denen, die der Auffassung sind, dass hier ein großer Dienst gegenüber allen so genannten Autonomie- oder Unabhängigkeitsbewegungen geleistet werden muss, indem ihnen das Monopol der Verteidigung der Regionalsprachen übertragen wird. Aber das wäre ein großer Fehler. Ich sage es für Korsika, Französische Republik; es gibt Leute, die Korsen sind, die Korsika lieben und die in ihren Dörfern Korsisch sprechen; das stellt die nationale Einheit nicht in Frage. Deshalb ist in meinen Augen die sprachliche Vielfalt ebenso wichtig wie die kulturelle Vielfalt. Im Übrigen gibt es keine kulturelle Vielfalt, wenn es nur eine Sprache gibt.

Herr Farage, Ihr Beitrag hat mir gut gefallen, aber ich muss Ihnen eines sagen: Sie als Brite waren ganz froh, dass ich da war, um Sangatte zu schließen, denn immerhin war ich es, der Sangatte geschlossen hat, und Sie hatten mich dazu aufgefordert. Auch als ein Brite, der sein Land liebt, kann man die Probleme der Einwanderung nicht allein lösen, und ich muss Ihnen sagen, dass Frankreich nicht die Absicht hat, als Grenzwächter für das Vereinigte Königreich zu fungieren. Es klingt zwar ganz schön, wenn man sagt: „In meinem Land will ich keinen Personalausweis, ich will keine gemeinsame Einwanderungspolitik“, aber schließlich sind Sie doch recht froh, wenn die illegal aufhältigen Ausländer in Frankreich festgenommen werden, damit Sie sie nicht in England haben. Das Vereinigte Königreich kann sich ebenso wenig allein aus der Affäre ziehen wie Frankreich.

Weiterhin möchte ich sagen, Herr Farage, dass ich die Polen durchaus respektiere, aber Sie waren nicht dabei, als wir in meinem Büro zusammen mit einigen Kollegen über den Vertrag von Lissabon verhandelt haben. Wir waren in Brüssel, und wer war in meinem Büro? Nicht Ministerpräsident Tusk, denn der Ministerpräsident war damals der Bruder von Herrn Kaczynski. Da war Präsident Kaczynski, und ich kann eines sagen: Das ist ein Mann, dem ich vertraue und den ich respektiere. Aber wenn man in Europa seine Unterschrift unter etwas setzt und dann anfängt, sich nicht daran zu halten, gibt es kein Europa mehr, es gibt überhaupt nichts mehr, es gibt keine Verhandlungen mehr. Wenn einer von uns für sein Land in Brüssel eine Verpflichtung eingeht, muss er diese Verpflichtung auch zu Hause eingehen. Das habe ich gesagt, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall)

Das bedeutet vollen Respekt vor den Polen: Herr Farage, ich glaube, ich habe Polen verteidigt. Kommissionspräsident Barroso könnte darüber besser berichten als jeder Andere. Wir brauchen Polen, aber wir brauchen auch die Einhaltung des einmal gegebenen Wortes.

Frau Sudre, danke für Ihre Unterstützung, ich teile Ihre Analyse in allen Punkten, und ich danke Ihnen herzlich dafür. Herr Rasmussen, von dem ich wohl verstanden habe, dass er die Nummer 1 ist, – und ich erkenne annähernd, wer die Nummer 2 sein könnte –, lassen Sie mich Ihnen sagen, dass das dänische Beispiel ein gutes Beispiel ist für ein Land, das einen Weg zurückgelegt hat, und das ermöglicht mir, allen Rednern hinsichtlich der irischen Frage zu antworten.

Natürlich darf man den Iren nichts aufzwingen, man muss sie respektieren, aber man muss auch den Mut haben, unseren irischen Freunden zu sagen: „Sie müssen auch die anderen Länder respektieren, die den Vertrag ratifiziert haben. Wir haben Ihnen keine Lektion zu erteilen, aber denken Sie daran, dass auch die Anderen eine Meinung haben und dass wir uns zwangsläufig eines Tages auf einem gemeinsamen Weg wiederfinden müssen. Europa will nicht ohne Sie weitermachen, aber Europa kann auch nicht nur Ihretwegen stehen bleiben“. Ich sage das mit allem Respekt, denn ich achte ein Land, das mit Nein gestimmt hat.

Wir Franzosen sahen uns vielen Problemen und Schwierigkeiten gegenüber, aber irgendwann muss man aus dieser Situation herauskommen, in der alle sich anschauen und erwarten, dass der Andere eine Initiative ergreift. Die französische Präsidentschaft muss zusammen mit dem Kommissionspräsidium und dem Präsidium des Europäischen Parlaments eine Initiative ergreifen. Danach werden die Einen oder die Anderen Ja oder Nein sagen. Ich meine, dass es eine Lösung gibt, aber sie liegt sicher nicht in Bewegungslosigkeit und einer Haltung, die sagt: „Warten wir ab, und lassen wir die Zeit für uns arbeiten“. Nach meinem Dafürhalten arbeitet die Zeit gegen uns, und seit Jahren wartet Europa nun schon und hat kein Interesse daran, noch länger zu warten. Wir werden diese Lösung finden, davon bin ich überzeugt, ebenso wie die Dänen sie gefunden haben.

Frau Mehrin, ich war sehr gerührt über Ihre Einschätzung als „Mann der Frauen“. Den Inhalt überlasse ich Ihnen, ich weiß nicht genau, was das bedeutet, und ich werde mich hüten, mich auf dieses Terrain zu begeben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß, dass das Europa mit mehreren Geschwindigkeiten existiert. Wir haben nicht alle den Euro und wir gehören nicht alle zu Schengen. Bevor wir aber ein institutionelles Europa mit mehreren Geschwindigkeiten aufbauen, sollte man lieber versuchen, gemeinsam dorthin zu gelangen. Bitte machen Sie der französischen Präsidentschaft keinen Vorwurf daraus, dass sie die Ambition hat, alle mitzunehmen. Denn wenn man, noch bevor man überhupt angefangen hat, sagt „Das ist nicht schlimm, lassen wir sie zurück“, dann verhandelt man eines Tages über eine soziale Ausnahme für die Briten, am nächsten Tag eine institutionelle Ausnahme für die Iren und am dritten Tag über eine Ausnahme für die Polen. Dann fürchte ich, dass wir in eine Situation gelangen, in der alle Länder zu Recht eine Ausnahme verlangen, und wo bleibt die Europäische Union? Wo bleibt das Projekt, das die Gründerväter aus der Taufe gehoben haben? Das ist meine Meinung. Vielleicht werden wir gezwungen sein, darauf zurückzukommen, aber ich möchte, dass man zuvor versucht hat, die ganze Familie mitzunehmen.

Denen, die sich Sorgen um Kroatien machen, möchte ich sagen, dass ich dafür bin, die Verhandlungen fortzusetzen, und ich würde es für einen schweren Fehler halten, die Tür zu Europa vor den Balkanstaaten zuzuschlagen, denn die Balkanstaaten brauchen Frieden und Demokratie, die die Union ihnen bringen kann, aber ich werde nicht die Debatte von Lissabon noch einmal aufgreifen.

Herrn Bielan möchte ich sage, dass ich nicht beabsichtige, Irland zu drohen, dazu wäre ich übrigens gar nicht in der Lage, und das würde mir überhaupt nicht in den Sinn kommen. Im Übrigen fahre ich dort hin, um zuzuhören, aber gleichzeitig auch, damit jeder das versteht. Das Volk erklärt in den Umfragen zu 80 %, es sei für Europa, da kann man doch mit ihm arbeiten, ohne ihm zu drohen.

Die Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe ist ein französischer Vorschlag, den ich niemandem aufzwingen will. Ich möchte nur Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass nach meiner Überzeugung die Ölpreise weiter steigen werden. Man muss den Mut haben, dies unseren Mitbürgern zu sagen.

Die Erdölproduktion geht Jahr für Jahr um 3 % zurück, da die Ressource knapper wird und der Ölverbrauch aufgrund des Wachstums in den Schwellenländern um 2 bis 3 % steigt. Meine Überlegung geht ganz einfach dahin, dass die Mehrwertsteuer eine Steuer ist, die proportional auf den Preis aufgeschlagen wird. Wenn der Ölpreis morgen bei 175 Dollar je Barrel liegt, könnte man dann weiterhin stillschweigend 20 % proportional auf die explodierenden Ölpreise erheben? Diese Frage möchte ich stellen. Zusammen mit dem Kommissionspräsidium werden wir im Oktober einen Bericht zu diesem Thema vorlegen. Ich werde versuchen, im Sinne meiner Überzeugungen zu handeln, und dann wird man sehen, wie das Ergebnis aussieht.

Was die Ukraine betrifft, so wird es ein Gipfeltreffen geben, und wir werden die Dinge voranbringen. Wir müssen der Ukraine auf dem Weg zur Demokratie Mut machen und sie in die Europäische Union assoziieren. Die Ukraine ist kein Nichts, sie hat 42 Millionen Einwohner. Das ist keine geringfügige Entscheidung. Im Augenblick sind wir im Stadium der Assoziierung, aber wer durch die Straßen von Kiew geht, sieht, dass es sich um eine europäische Hauptstadt handelt.

Herr Langen, ich möchte Ihnen für Ihre Komplimente danken, die mich sehr berührt haben. Die Bezugnahme auf Tony Blair freut mich ja. Ich weiß nicht, ob Sie es deshalb gesagt haben, aber ich halte Tony Blair für einen Staatsmann, der viel für Europa getan hat, der viel für sein Land getan hat, und ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es ihm unangenehm wäre, wenn ich dies sage, aber zu vielen Themen sehe ich in ihm jedenfalls einen Mann, der der britischen politischen Debatte und der europäischen politischen Debatte wieder Glaubwürdigkeit und Kraft verliehen hat. Meiner Meinung nach brauchen wir in Europa Leader, und unbestreitbar war Tony Blair zu seiner Zeit einer dieser Leader.

Das wird mir nun einen kleinen Linksruck verleihen, wenngleich ich nicht erkennen kann, dass man von dieser Seite des politischen Spektrums für Herrn Blair immer nur Komplimente übrig hat.

Ja, Herr Goebbels, die Anderen müssen Anstrengungen unternehmen, und das ist die ganze Frage, die sich bei den Verhandlungen über den Klimawandel stellt, aber Europa muss ein Beispiel geben. Ich bin nicht naiv, wenn ich das sage. Meiner Meinung ist man glaubwürdiger, wenn man selbst das tut, was man von den Anderen zu tun verlangt. Einige mögen mir entgegnen, wir sollten lieber abwarten. Ich meine, dass wir das Risiko des Handelns eingehen müssen. Im Grunde, Herr Goebbels, besteht meine politische Philosophie darin, zu sagen, dass es nichts Schlimmeres gibt als Nichtstun. Das schlimmste Risiko besteht darin, überhaupt kein Risiko einzugehen.

Herr Cavada, Sie haben vollkommen Recht, man muss auf die Ängste reagieren. Danke für Ihre Unterstützung.

Was die Union für das Mittelmeer betrifft, möchte ich sagen, dass es nach meinem Dafürhalten nach den Ausführungen von Kommissionspräsident Barroso überhaupt keine Kritik am Barcelona-Prozess gibt. Lassen Sie mich jedoch eines sagen. Barcelona, das war eine sehr gute Intuition, aber bei dem Gipfel in Barcelona gab es ein Problem. Wie ich mich erinnere, war da nur ein einziger arabischer Staatschef anwesend, Präsident Abou Mazen. Wie wollen Sie die Union für das Mittelmeer herstellen, das Nordufer an das Südufer annähern, wenn das Südufer nicht einmal kommt?

Auf dem Gipfel in Paris werden, wie ich glaube, Bernard Kouchner mag mich später korrigieren, alle arabischen Staatschefs anwesend sein. Das ist vielleicht ein geringfügiger Unterschied, aber für mich ist er grundlegend.

Herrn Zahradil möchte ich sagen, dass es nicht darum geht, im Zusammenhang mit Lissabon eine Krise auszulösen, aber wir dürfen auch nicht so tun, als sei nichts geschehen. Es soll nichts dramatisiert werden, aber gleichzeitig ist es doch ärgerlich, dass die letzten drei Referenden über die Europäische Union negativ ausgegangen sind, sicher aus unterschiedlichen Gründen, aber immerhin ist es gelinde gesagt nicht gerade ein ermutigendes Signal.

Frau Napoletano werde ich keine Antwort geben, denn Kommissionspräsident Barroso hat ihr geantwortet.

Herr Sánchez-Neyra, ja, wir brauchen eine europäische Dimension für den Sport, und meinerseits würde ich auch nur Vorteile darin sehen, dass in den Statistiken über die Olympischen Spiele die Angaben nach Nationen aufgeschlüsselt werden, dass es aber eine spezielle Rubrik für die europäischen Medaillen gibt. Das wäre eine Art zu zeigen, dass wir auch im Europa des Sports präsent sind.

Herr Désir, ich habe Ihnen hinsichtlich der Normen auf dem Arbeitsmarkt geantwortet. Zur Sozialpolitik führen wir eine lange Debatte. Es reicht nicht aus, die 35-Stunden-Woche einzuführen, um Wahlen zu gewinnen, und es reicht nicht aus, die 35-Stunden-Woche einzuführen, um eine echte Sozialpolitik zu haben. Hinzu kommt, dass, wenn es für mich so schwer war, den automatischen und starren Aspekt der 35-Stunden-Woche in Frankreich abzubauen, dies geschah eben im Namen der europäischen Harmonisierung, denn kein anders Land ist uns auf diesem Wege gefolgt. Keines. Nicht ein einziges. Einschließlich der europäischen sozialdemokratischen Regierungen. Sehen Sie, ich höre es schon gern, wenn man zur sozialen Harmonisierung aufruft, aber ich möchte unseren französischen sozialistischen Freunden sagen, dass die soziale Harmonisierung darin besteht, nicht in Frankreich Ideen zu verteidigen, die in Europa niemand sonst vertritt, denn das ist eine Ausnahme, und unser Land leidet darunter.

Herrn Buzek möchte ich für das europäische Engagement Polens danken. Ich habe das europäische Engagement Polens niemals in Zweifel gezogen. Polen ist eines der sechs bevölkerungsreichsten Länder Europas, und eben deshalb sage ich dem Staatspräsidenten Kaczynski, dass wir seine Unterschrift brauchen, weil Polen nicht irgendein Land in Europa ist. Es ist ein außerordentlich wichtiges Land, es ist ein Symbol, und natürlich muss man die institutionelle Krise einzig und allein auf die irische Frage reduzieren.

Herr Barón Crespo, Doha, ja, ich habe es Kommissionspräsident Barroso gesagt, ich habe es Herrn Gordon Brown gesagt, aber letztlich, nicht Doha um jeden Preis. Lassen Sie mich zwei Ideen vertreten, die mir am Herzen liegen. Zunächst hält man mir entgegen, dass es ohne Einigung kein Wachstum gebe. Entschuldigen Sie, aber es gibt bereits seit sieben Jahren kein Abkommen. Und sechs Jahre lang erlebte die Welt ein nie da gewesenes Wachstum. Das WTO-Abkommen ist besser als gar kein Abkommen. Aber man soll nicht behaupten, dass es ohne Abkommen kein Wachstum geben könne. Sechs Jahre lang gab es eines.

Zweitens, Kommissionspräsident Barroso, der kanadische Ministerpräsident und sogar Angela Merkel sagen heute, dass die Rechnung nicht aufgegangen ist. Dass Brasilien keinerlei Anstrengungen für die Senkung der Tarifbarrieren in der Industrie unternommen habe, dass es keinerlei Anstrengungen im Bereich der Dienstleistungen gebe. Und was ist von der Abschottung des chinesischen Marktes zu halten? Es gibt in dieser Hinsicht keine französische Ausnahme. Zunächst einmal muss ich als Ratspräsident loyal die Position der Union verteidigen. Was aber die Position der Union betrifft, so habe ich niemanden sagen hören, nicht einmal die britische Regierung, dass man beim gegenwärtigen Stand der Verhandlungen das Ankommen unterzeichnen müsse. Wir sind uns also in Europa alle einig, wenn auch nicht aus den gleichen Gründen, dass beim gegenwärtigen Stand der Dinge die Rechnung nicht aufgeht, dass Europa alle Anstrengungen unternommen hat und nicht weitere Anstrengungen unternehmen kann, wenn die anderen großen Regionen der Welt nicht bereit sind, mitzuziehen. Darüber sind wir uns nach meinem Dafürhalten alle einig.

Herrn Zappalà möchte ich sagen, dass ich ihm für seine Unterstützung für die europäische Einwanderungspolitik danke, und Frau Gurmai, dass mir die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern sehr am Herzen liegt, dass ich aber nicht weiß, ob ihre Bemerkung auch mir galt. Schließlich ist die Tatsache, dass sie Ungarin ist, für mich bereits ein unbestreitbarer Pluspunkt.

Herrn Varvitsiotis möchte ich sagen, dass ich mir vollauf bewusst bin, dass es eine europäische Identitätskrise gibt und vielleicht auch, dass das Europäische Parlament in dieser Frage allen Institutionen behilflich sein könnte. Warum sollte man sich nicht eine echte Debatte darüber vorstellen, Herr Präsident Pöttering, was die europäische Identität ist? Und dieses Thema der europäischen Identität ist viel mehr ein Thema der europäischen parlamentarischen Debatte als ein Thema der Staats- oder Regierungschefs. Vielleicht könnte sogar das Europäische Parlament die Debatten zu diesem Thema organisieren. Dann würden wir unsere Meinung dazu äußern. Nach meinem Dafürhalten ist es eher Sache des Parlaments, die europäische Identität zu definieren, als Sache der Regierungen, die natürlich jeweils auf der Ebene ihres eigenen Landes mit alltäglichen Verwaltungsaufgaben befasst sind. Wenn es einen Ort gibt, wo man definieren muss, was die europäische Identität ist, so ist dies, wie ich meine – und ich hoffe, dass Kommissionspräsident Barroso mir da beipflichtet – nicht der Europäische Rat, nicht die Kommission, sondern zu allererst das Europäische Parlament.

Ich möchte auch Herrn Karas antworten, der mir sagt, dass man diplomatisches Geschick benötige. Ja, das habe ich verstanden, ich werde versuchen, mich danach zu richten. Ich hoffe, dass er seinerseits nicht daran zweifelt, dass mein Temperament mich nicht daran hindert, diplomatisches Geschick zu beweisen. Es geht nicht einfach darum, weich zu sein, um geschickt zu sein, oder dynamisch zu sein, um ungeschickt zu sein. Vielleicht kann man sogar gleichzeitig dynamisch und geschickt sein, jedenfalls danke ich Ihnen, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, dies zu demonstrieren.

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Der Präsident. − Herzlichen Dank, Herr Präsident Sarkozy! Ich kann mich nicht erinnern – und ich gehöre immerhin 29 Jahre diesem Parlament an –, dass ein Ratspräsident hier gewesen ist, der dreieinhalb Stunden diskutiert hat und auf jeden Redebeitrag eingegangen ist. Wir freuen uns auf Ihren nächsten Besuch!

Damit ist dieser Punkt abgeschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Roberta Alma Anastase (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich glaube, Frankreich hat die Präsidentschaft über die Europäische Union in einem kritischen Moment übernommen, in dem Europa nach Antworten auf zahlreiche strategische Fragen sucht.

Damit hat Frankreich die Aufgabe, die Kontinuität des Ratifizierungsprozesses zum Vertrag von Lissabon zu wahren, den Bereich der Energieversorgung in den Fokus zu rücken und die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union zu konsolidieren. Ich möchte für diese Prioritäten der französischen Präsidentschaft meine Unterstützung aussprechen und hoffe, dass ihre Umsetzung erfolgreich verläuft.

Als Mitglied des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten und Berichterstatterin zur Schwarzmeerkooperation möchte ich einen wichtigen Aspekt ansprechen, der in der EU-Außenpolitik mehr Aufmerksamkeit verdient. Ich begrüße die Initiative Frankreichs zur Konsolidierung der europäischen Nachbarschaftspolitik; ich muss jedoch darauf bestehen, dass die Ostdimension die gleiche Aufmerksamkeit und das gleiche Engagement verdient, wie die Mittelmeerdimension.

Dieses Ziel sollte sowohl für die bilateralen Beziehungen im Kontext der Verhandlungen zu zukünftigen vertraglichen Bindungen der EU gelten als auch für die multilateralen Beziehungen innerhalb der Schwarzmeersynergie.

Schließlich übernimmt Frankreich die EU-Präsidentschaft im Jahr des interkulturellen Dialogs und sollte die Aktivitäten in diesem Bereich erfolgreich fortsetzen.

 
  
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  Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Lassen Sie mich eingangs das europäische Engagement des amtierenden Ratspräsidenten, Nicolas Sarkozy, und seine Vision gegenüber den gegenwärtigen Herausforderungen der Union begrüßen.

Ich unterstütze die politische Erklärung, dass neue Institutionen auf der Grundlage des Vertrags von Lissabon unerlässlich sind, ohne die es verantwortungslos wäre, den Beitritt weiterer Länder ins Auge zu fassen. Das Europa der Ergebnisse muss den Erwartungen der Bürger Rechnung tragen und als eine Lösung auftreten, nicht als ein Problem.

Ich unterstütze die Idee von einem Grenzmechanismus, der einen loyalen und unverfälschten Wettbewerb ermöglicht, der die Wirkung der Umweltmaßnahmen im Zusammenhang mit den Energie- und Klimafragen berücksichtigt.

Ebenso ist die Priorität einer europäischen Politik der legalen Zuwanderung eine menschliche, wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit. Ich beglückwünsche Brice Hortefeux zu seiner ausgezeichneten Arbeit an dem europäischen Einwanderungspakt.

Was die europäische Verteidigung betrifft, werden die mutigen Positionen des Präsidenten es ermöglichen, in diesem schwierigen Bereich voranzukommen, vor allem was die Einbeziehung der Soldaten aller Völker und was die Unterstützung der Entwicklung einer europäischen Rüstungsindustrie betrifft.

Der Präsident verteidigt zu Recht die GAP, die niemals so notwendig war wie heute.

Schließlich unterstütze ich die Notwendigkeit eines besseren politischen Dialogs mit der EZB, um eine europäische Wirtschaftsgovernance zu entwickeln, die den globalen Anforderungen von heute angemessen ist.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. – (IT) Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte Präsident Sarkozy, der heute für sechs Monate die Geschicke des Rates in die Hände nimmt, viel Erfolg für seine Arbeit wünschen. Leider brauen sich Wolken über der Zukunft der Europäischen Union zusammen: das paradoxe Votum Irlands (das ausgerechnet dank der EU-Mittel zu dem „Keltischen Tiger“ wurde, den wir kennen), die Regierungskrise in Österreich, die Erklärungen des polnischen Präsidenten sind durchweg bedenkliche Signale. Wir müssen die Kraft und die Fähigkeit aufbringen, einen europäischen Weg wiederzubeleben, der die Begeisterung und die Emotionen in den Bürgern, die die EU immer noch als etwas Fernstehendes und eher Unergründliches betrachten, wiedererwecken muss. Ich ergreife ferner diese Gelegenheit, um den Ratspräsidenten zu provozieren: Um die EU den Bürgern näher zu bringen, müssen konkrete Zeichen gesetzt werden. Es währe hervorragend, wenn der französische Präsident einer ernsthafte Debatte über die Abschaffung des Doppelsitzes des Parlaments anstoßen würde: Lassen Sie uns alle Tätigkeiten in Brüssel konzentrieren und den monatlichen Umzug nach Straßburg vermeiden (wo der Sitz für andere Zwecke genutzt werden könnte, beispielsweise für das Technologische Exzellenzzentrum). Dieser „Ausflug“ bedeutet nämlich eine enorme und ungerechtfertigte Verschwendung von finanziellen Mitteln und Energieressourcen.

 
  
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  Ivo Belet (PPE-DE), schriftlich. – (NL) Die französische Ratspräsidentschaft setzt mit Themen wie Klima, Einwanderung, Verteidigung die richtigen Prioritäten. Ich möchte das Augenmerk jedoch auf einen Aspekt richten, der zwar weniger im Rampenlicht steht, aber dennoch für unsere Jugend und für den gesamten Sportbereich in Europa ungemein wichtig ist.

Die französische Präsidentschaft tritt für die „6+5-Regel“ im Sport ein, also für eine Begrenzung der Anzahl ausländischer Spieler. Die Ziele sind wunderbar: die Clubs sollen gezwungen werden, vermehrt in die Ausbildung der eigenen Jugend zu investieren, um wieder einen ausgewogenen Wettbewerb zu gewährleisten. Das Parlament stimmt hundertprozentig damit überein.

Von daher befürworten wir die Regelung zu „lokal ausgebildeten Spielern“, die, wenn auch bescheidener, dieselben Ziele verfolgt. Es stellt sich die Frage, ob die „6+5-Regel“ auf europäischer Ebene realisierbar ist. Sie kollidiert mit dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und kann nur angewendet werden, wenn im EU-Vertrag eine Sonderregelung getroffen wird. Noch sind wir weit davon entfernt. Es ist fraglich, ob der Europäische Gerichtshof so etwas überhaupt zulassen würde, selbst angesichts des neuen Artikels über den Sport im Vertrag von Lissabon.

Wir im Parlament wollen bei der Suche nach einer Lösung mithelfen, die dem europäischen Fußball zugute kommt. Wir fordern lediglich eine solide Lösung, die den Fußball nicht in das Chaos stürzt. Einen zweiten Fall Bosman braucht niemand.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Präsident Sarkozy hat ungefähr ein Drittel seiner Rede darauf verwandt, den Vertrag von Lissabon zu verteidigen und Irland weiterhin unter Druck zu setzen und zu erpressen, wobei er vergisst, was die ureigensten Regeln der Europäischen Union über das Inkrafttreten eines neuen Vertrags aussagen – Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten. Wenn nun die Mehrheit der irischen Bevölkerung den Vertrag abgelehnt hat, ist der Vertrag eben vom Tisch. Die Ratifizierungen dürfen nicht fortgesetzt werden. Auf der Ratifizierung des Vertrags zu beharren, zeugt von einer antidemokratischen Haltung.

Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die Vertiefung der Einwanderungspolitik gelegt, bei der die Rückführungs-Richtlinie hervorsticht, auch als Schandrichtlinie bekannt, wegen ihrer Missachtung der grundlegenden Menschenrechte und der Behandlung von illegalen Einwanderern als Kriminelle und nicht als Menschen, die vor dem Hunger aus ihren Heimatländern geflüchtet und auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich und ihre Familien sind.

Der soziale Bereich wurde vollkommen ausgeklammert. Er ist sich des bestehenden Widerstands gegen den Vorschlag bewusst, die Arbeitszeitrichtlinie und die Vorschläge abzuändern, die der Rat angenommen und dem Europäische Parlament übermittelt hat, was darauf hinausläuft, die Arbeitnehmerrechte auszuhöhlen und einer längeren durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 60 bis 65 Stunden, der Deregulierung der Beschäftigung und geringeren Löhnen Tür und Tor zu öffnen.

 
  
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  Bogdan Golik (PSE), schriftlich. (PL) Ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die sechs Monate unter französischem Ratsvorsitz eine Zeit des fruchtbaren, erfolgreichen Arbeitens zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger des geeinten Europas sein werden.

Gleichzeitig möchte ich die besondere Bedeutung der Landwirtschaft für die Europäische Gemeinschaft hervorheben. Ein Beispiel: In Polen waren 2005 über 17 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Indirekt geht das Thema Landwirtschaft alle Mitgliedstaaten an. Ich denke dabei an das Problem der Ernährungssicherheit angesichts steigender Lebensmittelpreise auf den Weltmärkten.

Ich hoffe, dass es unter französischer Ratspräsidentschaft gelingen wird, einige der strittigen Punkte in Bezug auf das europäische Agrarmodell zu klären. Europa kann es sich aufgrund seines Klimas und auch aufgrund der allgemeinen landwirtschaftlichen Bedingungen nicht leisten, seine Landwirte nicht mehr zu unterstützen. Die Produktion von Fleisch, Milch oder Getreide wird bei uns immer teurer sein als in Südamerika, den Vereinigten Staaten oder in Australien. Und vergessen wir nicht, dass auch diese Länder ihre Landwirte unterstützen.

Meiner Meinung nach schaffen höhere Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse Entwicklungschancen für die europäische Landwirtschaft. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die zusätzlichen Einnahmen in dazwischengeschalteten Institutionen versickern. Mit anderen Worten: Ein Anstieg der Nahrungsmittelpreise verursacht einen unverhältnismäßig hohen Anstieg der Produktionskosten in der Landwirtschaft. Dies führt dazu, dass die Mehreinnahmen bei den dazwischengeschalteten Institutionen hängen bleiben.

Die Landwirtschaft ist nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftssektor. Zwar haben sich Rahmenbedingungen geändert, doch die großen Prioritäten – die Gewährleistung eines angemessenen Einkommens für Landwirte sowie die Ernährungssicherheit – haben immer noch Bestand.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Nachdem Sarkozy sein Volk arglistig getäuscht hat, indem er erklärte, dass er den in der Volksabstimmung im Jahr 2005 zum Ausdruck gebrachten Willen respektieren würde – bei der die „Europäische Verfassung“ abgelehnt wurde –, hat er zur gleichen Zeit einen „Mini-Vertrag“ vorangetrieben, der im Grunde den Inhalt des abgelehnten Vertrags wieder aufgreift, hat ihn in einer anderen Form vorgelegt und eine Volksabstimmung vermieden, und er sieht sich nun in der Verantwortung für den Prozess, den Angela Merkel eingeleitet hat, das heißt, sich darum zu bemühen, den föderalistischen, neoliberalen, militaristischen Vertrag durchzusetzen, der schon drei Mal abgelehnt wurde.

Angesichts der sich verschärfenden Krise des Kapitalismus weisen die Großunternehmen und die Großmächte in der EU, insbesondere Frankreich und Deutschland, den „Ausweg“, indem sie föderalistische, neoliberale und militaristische Politiken durchdrücken, und dieser Vertragsentwurf soll die Grundlagen eines „Superstaates“ festigen, um die imperialistischen Interventionsmechanismen im engen Schulterschluss mit den USA und der NATO zu stärken.

Dazu werden vielfach Druck und Erpressung eingesetzt (Erweiterung, EU der zwei Geschwindigkeiten). Taub, stumm und blind gegenüber dem Willen, den das irische Volk zum Ausdruck gebracht hat, schmiedet man in der EU gegen dieses ein Komplott mit dem Ziel, im Jahr 2009, noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, eine weitere Volksabstimmung abzuhalten.

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE), schriftlich. – (HU) Eine der wichtigsten Aufgaben der französischen Präsidentschaft wird es sein, die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Klimawandels zu koordinieren. Es ist äußerst wichtig, dass wir die Emission von Treibhausgasen unionsweit reduzieren. Dies ist machbar, wenn wir das Kyoto-Protokoll ernst nehmen und entsprechend dessen Vorgaben die Emissionen kontinuierlich und im Vergleich zum Basisjahr 1990 deutlich senken.

Es wäre skandalös, wenn diejenigen Mitgliedstaaten, die ihre Emissionen zwischen 1990 und 2005 nicht gesenkt sondern erhöht haben, nun von der Europäischen Union belohnt würden und weiterhin von Vorteilen profitierten, die im Widerspruch zum Kyoto-Protokoll stehen. Es wäre sogar noch empörender, wenn diejenigen Mitgliedstaaten, die das Kyoto-Protokoll ernst nehmen und ihre Emissionen ehrlich reduzieren – darunter auch Ungarn –, mit zusätzlichen Restriktionen bestraft würden. Ich hoffe, dass die französische Präsidentschaft eine derartige Verhöhnung des Kyoto-Protokolls und die Diskriminierung der neuen Mitgliedstaaten einschließlich meines Heimatlandes nicht zulassen wird.

 
  
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  Mieczysław Edmund Janowski (UEN), schriftlich. (PL) Ich danke dem französischen Präsidenten für seine Rede, in der er viele der grundlegenden Probleme in der EU aufgreift. Wir müssen uns tatsächlich überlegen, wie wir Europa aus der Krise führen können. Dabei ist es wenig tröstlich, dass sich praktisch die gesamte Welt in einer schon fast als kritisch zu bezeichnenden Lage befindet – mit all ihren gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. Damit meine ich den infolge explodierender Nahrungsmittelpreise in vielen Regionen der Welt drohenden Hunger, die Energiesicherheit und die Umweltsituation. Das globale Finanzsystem verliert zunehmend an Stabilität. Warum weise ich so nachdrücklich darauf hin? Weil wir uns Selbstgerechtigkeit nicht leisten können. Die knapp 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU machen nicht einmal 8 % der Weltbevölkerung aus, und in 40 Jahren wird dieser Anteil knapp an die 5-Prozent-Hürde heranreichen. Wir als Europäer müssen daher immer das große Ganze, die Wahrung der euro-atlantischen Zivilisation, im Auge behalten. Dies ist nicht zuletzt auch ein ethisches Gebot.

Darüber hinaus muss die Familie in jedem Land der EU einen angemessenen Stellenwert haben. Von der Größenordnung her eher eine winzige Gemeinschaft, bildet sie dennoch das Fundament der Europäischen Gemeinschaft. Daran sollten wir immer denken. Gelingt uns dies nicht, verlieren wir den Boden unter den Füßen, wie es bereits der Fall ist, wenn wir die Bezeichnung „Ehe“ auf Partnerschaften anwenden, die keine Ehe sind. Sicher brauchen wir neue Gesetze, aber diese sollten für alle nachvollziehbar sein. Schließlich sind es die Bürgerinnen und Bürger der EU, für die Parlament, Rat und Kommission Beschlüsse fassen. Wir sind lediglich Dienstleistende. Und genau unter diesem Gesichtspunkt sollten wir auch die Sache mit Irland betrachten.

 
  
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  Filip Kaczmarek (PPE-DE), schriftlich. (PL) Erwartungsgemäß ist die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags einer der Schwerpunkte der französischen Ratspräsidentschaft. Für viele Beobachter unerwartet, ist jedoch zum Auftakt dieser Präsidentschaft Polen oder, genauer gesagt, der polnische Staatspräsident Lech Kaczyński der Hauptakteur. Ich kann nicht nachvollziehen, warum der polnische Staatspräsident die Ratifizierungsurkunde für den Lissabon-Vertrag nicht unterzeichnen will. Der Vertrag wurde sowohl vom Sejm als auch vom Senat ratifiziert. Nichts stand einer Unterzeichnung durch den Präsidenten im Weg. So wurde der Vertrag zum Beispiel nicht zur Prüfung an das Verfassungsgericht überwiesen. Dies ist ein Zeichen mangelnden Respekts gegenüber dem Parlament und ein klarer Bruch der mit Premierminister Donald Tusk getroffenen Vereinbarung. Ich stimme mit dem Ratspräsidenten überein, dass es sich hierbei mehr um eine ethische denn um eine politische Frage handelt. Polen war bei den Vertragsverhandlungen dabei, hat den Vertrag unterzeichnet und ist völkerrechtlich verpflichtet, den Vertrag zu ratifizieren. Ich hoffe sehr, dass sich die Lage diesbezüglich bald entspannen wird und die Fronten am Ende der französischen Ratspräsidentschaft deutlich weniger verhärtet sein werden als jetzt.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Herr Präsident! Ich respektiere den deutlichen Wunsch des Herrn Ratspräsidenten, eine ehrgeizige Haltung in Bezug auf das Energie- und Klimapaket der EU einzunehmen und noch während der französischen Ratspräsidentschaft ein Übereinkommen in dieser Frage zu erreichen. Ich hoffe, dass dies vor allem besagt, dass die Herausforderungen des Klimawandels endlich in der Mitte der Politik angekommen sind.

Allerdings möchte ich den Herrn Ratsvorsitzenden an die Schwere der Aufgabe erinnern: Der Emissionshandel ist ein sehr bedeutendes Marktinstrument und betrifft so viele Menschen, dass wir es uns nicht leisten können, einen derartigen politischen Zeitplan anzustreben, der weiter auf Kosten der Umwelt und der nachhaltigen Entwicklung geht. Ansonsten könnte Frankreich am Ende belächelt werden, worauf es nicht stolz sein dürfte.

Im vergangenen Monat habe ich hier im Parlament ein Seminar durchgeführt, in dem Umweltorganisationen, Forschungseinrichtungen und Einrichtungen, die vom Emissionshandel betroffen sind, ihre Einschätzungen über dessen wirtschaftliche Auswirkungen abgeben konnten. Die Botschaft, die ich erhielt, war klar: Der Vorschlag der Kommission wird zu viel höheren Kosten führen, ohne dass ein vergleichbarer Nutzen für die Umwelt erzielt wird. Ich verweise auf die Besorgnis erregende McKinsey-Studie in dieser Frage. Der Emissionshandel muss verbessert werden. Die Lage ist ernst. Wir können nicht die europäische Industrie, die ihre eigenen Angelegenheiten bislang gut im Griff hat, erneut dadurch als Versuchskaninchen benutzen, dass das System nachlässig betrieben wird. Es ist besser, beim Versuch zu scheitern, als ein Scheitern zu bewirken.

Ich glaube, dass wir in einem angemessenen Zeitrahmen ein gutes Ergebnis erzielen können, wenngleich dafür einige wichtige Anpassungen erforderlich sind. Kohlendioxidemissionen lassen sich nicht durch fromme Hoffnungen und Versprechungen verhindern, es sei denn, sie finden Eingang in die Richtlinie selbst. Wir sollten hart bleiben, was die Verpflichtung zum Abbau angeht, über die Verfahren allerdings muss weiter diskutiert werden. Im Parlament haben wir uns in breiter Front dagegen ausgesprochen, wie die Kommission an die Prüfung von Alternativen herangegangen ist. Ich würde darum bitten, dass Sie sich damit einmal befassen, Herr Ratspräsident.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Herr Präsident! Sie haben ein äußert ambitioniertes Programm vorgestellt. Ich hoffe, dies kann erfolgreich umgesetzt werden.

Der Immigrationspakt ist notwendig und von hoher Priorität, wenn wir die illegale Einwanderung einschränken und eine gemeinsame Politik der legalen Einwanderung entwickeln wollen.

Trotzdem möchte ich einen Aspekt betonen, den Sie vor der Umsetzung der geplanten Schritte beachten sollten: Der Pakt sollte eine Reihe von Aktivitäten umfassen, die auf die Einschränkungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt abzielen, die Arbeitnehmern aus einigen der neuen Mitgliedstaaten auferlegt werden.

Es ist nicht normal, dass die wirtschaftliche Migration aus Drittländern größer ist als die Migration zwischen den Ländern der Union. Es gibt Mitgliedstaaten mit Übergangsbestimmungen zur Regulierung des Arbeitsmarktzugangs für Arbeitnehmer aus der EU.

Mit der Umsetzung der Politik der legalen Immigration laufen wir Gefahr, europäische Bürger gegenüber Bürgern aus Drittländern zu benachteiligen.

Daher möchte ich Frankreich zu einem ersten Schritt in dieser Richtung gratulieren, den das Land am 1. Juli unternahm, als es seinen Arbeitsmarkt für die Bürger der 2004 beigetretenen Länder öffnete.

Ich hoffe, Rumänien und Bulgarien werden baldmöglichst die gleiche Behandlung erfahren, und ich ersuche die anderen Mitgliedstaaten, dem französischen Beispiel zu folgen.

 
  
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  Nicolae Vlad Popa (PPE-DE), schriftlich.(EN) Frankreich hat es übernommen, in einem nach der Ablehnung des Vertrags von Lissabon durch Irland entstandenen schwierigen Umfeld die europäische Agenda zu leiten.

Das Programm der französischen EU-Präsidentschaft ist ambitiös, aber sie sollte sich auch der Erwartungen der Bevölkerung bewusst sein. Die jüngste Eurobarometer-Umfrage belegt, dass nur 52 % der EU-Bürger die Mitgliedschaft ihres Landes für eine gute Sache halten. Es bedarf einer Strategie, um den europäischen Bürgerinnen und Bürgern bewusst zu machen, dass die gemeinsamen Interessen vom wirtschaftlichen und politischen Standpunkt aus viel wichtiger sind als das Trennende.

Natürlich ist es für die französische Präsidentschaft vorrangig, eine Methode zu finden, wie das irische Problem zu verarbeiten ist, denn der europäische Prozess muss weiter gehen angesichts dessen, dass der Vertrag von Nizza die Erweiterung blockiert.

Was die zweite Priorität der französischen EU-Ratspräsidentschaft – die gemeinsame Agrarpolitik und ihre Einstellung auf künftige Herausforderungen – angeht, sollte man erwähnen, dass ab 2013 in Rumänien die Beibehaltung einer Betriebsprämienregelung gilt. Als gleichermaßen Begünstigter der GAP wird Rumänien in diesem Jahr von Europa 735 Millionen Euro als direkte Beihilfe für die rumänischen Landwirte erhalten.

 
  
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  Martine Roure (PSE), schriftlich. – (FR) Ich möchte meine Ausführungen auf zwei Punkte beschränken:

- Es ist absolut unmöglich, einen Asylantrag in 27 Ländern zu stellen. Wir haben die Dublin II-Verordnung, die das Problem der Verantwortung des Aufnahmelandes regelt. Hingegen trifft es zu, dass es weiterhin Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Anerkennung des internationalen Schutzes gibt, und das ist ein echtes Problem.

- Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das wesentliche Problem der Menschlichkeit in dieser Welt. Wie können wir alle zusammen in einer globalisierten Welt leben? Wir müssen die tieferen Ursachen unter die Lupe nehmen, die manche verzweifelte Menschen bewegen, ihr Land zu verlassen, und meiner Meinung nach wird das richtige Gleichgewicht zwischen der Bekämpfung des Schleuserwesens, der Förderung der legalen Einwanderung und der Entwicklung von Politiken einer ambitionierten Ko-Entwicklung durch den europäischen Einwanderungspakt nicht gewährleistet.

 
  
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  Katrin Saks (PSE), schriftlich. – (ET) Dieses Jahr ist für die Europäische Union die Gelegenheit, in den Spiegel zu schauen und zu prüfen, ob die Entscheidungen, die wir letztes Jahr getroffen haben, Früchte tragen. Letztes Jahr ist der Umwelt- und Energieaktionsplan zur Verringerung der Treibhausgase und zur Bekämpfung des Klimawandels angelaufen. Wir haben die gemeinsame Einwanderungspolitik für Europa diskutiert und vor Kurzem Ausführungen zum immensen Anstieg der illegalen Migration gehört. Wir haben uns auch mit der Frage des Schutzes beschäftigt: Gemeinsame europäische Truppen haben in der ganzen Welt Militäroperationen durchgeführt, und seit 2004 gibt es EU-Kampfgruppen und Einheiten für Katastrophenhilfe.

Die neue Präsidentschaft in Person von Nicolas Sarkozy hat frischen Wind und vielversprechenden Schwung in die europäische Politik gebracht; ihm verdanken wir die Idee eines Mini-Vertrags und einen neuen Ansatz gegenüber den neuen Mitgliedstaaten. Dafür gibt es viele Beispiele. Mit dem ihm eigenen Elan und seiner Entschlossenheit wird er sicherlich in der Lage sein, viele ambitionierte Projekte anzugehen oder voranzutreiben.

Aus diesem Grund möchte ich hervorheben, dass das Land, das die Präsidentschaft innehat, die europäischen Angelegenheiten nicht losgelöst von allen anderen verfolgt, obwohl es ihm zusteht, bestimmte Themen für die Tagesordnung vorzuschlagen. Die Tatsache, dass die Ratspräsidentschaft nicht für Entscheidungen verantwortlich ist, die am Tisch des Europäischen Rates getroffen wurden, ist für sie von entscheidender Bedeutung, und darauf sollte sie ihre Ratspräsidentschaft ausrichten, und nicht auf eine Partei, die sich mit leeren Versprechungen schmückt. In erster Linie hoffe ich sehr, dass es der französischen Ratspräsidentschaft gelingt, bei den Europäern Hoffnung für bestimmte Projekte zu wecken.

 
  
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  Toomas Savi (ALDE), schriftlich. (EN) Herr Ratspräsident! Auf dem letzten europäischen Gipfel in Brüssel wurde über die Schaffung der Union für den Mittelmeerraum beraten – eine bedeutsame Initiative für die gesamte Mittelmeerregion und eine Priorität für die französische Ratspräsidentschaft.

Doch hoffe ich aufrichtig, dass die Ostseeregion und die Ostseestrategie wegen der Betonung der Union für den Mittelmeerraum während dieser Vorsitzperiode nicht vernachlässigt werden. Die Ostsee ist im Grunde zu einem Binnensee der Europäischen Union geworden, da sie seit 2004 von acht Mitgliedstaaten umgeben ist. Die Ostseestrategie deckt die Bereiche Umwelt, Wirtschaft, Kultur und Bildung sowie Sicherheit ab und gibt einen nachhaltigen Plan für die Entwicklung dieser Region vor.

Ich würde mich sehr freuen, wenn die französische Präsidentschaft Zeit fände, um sich den Problemen der Ostsee zuzuwenden, und die Priorisierung des Mittelmeerraums nicht bedeutete, der Ostseeregion die Decke wegzuziehen.

Angesichts dessen, dass Schweden in naher Zukunft den Ratsvorsitz übernehmen wird, wäre es sinnvoll, sich schon jetzt mit der Ostseestrategie zu befassen, um eine stärkere Kohärenz zwischen den Ratsvorsitzperioden zu gewährleisten.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (PSE), schriftlich. – (RO) In den nächsten sechs Monaten übernimmt die französische Präsidentschaft die Verantwortung für die Zukunft der Europäischen Union.

Die Union braucht den Vertrag von Lissabon. Der bestehende institutionelle Rahmen mit der Auflage, bestimmte Entscheidungen einstimmig zu treffen, ist zu starr. Der Vertrag von Lissabon erhöht den Grad der Demokratisierung, stärkt den Einfluss der nationalen Parlamente und führt für die meisten Bereiche ein Mitentscheidungsverfahren ein.

Darüber hinaus sollte die französische Präsidentschaft die Gemeinsame Agrarpolitik unterstützen, um die Produktionskraft der europäischen Landwirte zu stärken.

Gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten sollte der französische Ratsvorsitz Lösungen für das Patt finden, dem sich die Union seit dem irischen Referendum gegenüber sieht.

Frankreich hat für die Zeit seiner Präsidentschaft folgende Prioritäten gesetzt: Klimawandel, Immigration, Gemeinsame Agrarpolitik, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der Union.

Im kommenden Herbst wird die Union in Kopenhagen am Abschluss eines internationalen Post-Kyoto-Übereinkommens beteiligt sein. Die EU muss im Kampf gegen den Klimawandel aktiv als Vorbild vorangehen. Daher sollte die Annahme des Energie- und Klimapakets eines der Hauptziele der französischen Präsidentschaft sein.

 
  
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  Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. (EN) Niemand vermag die Gründe für das Ergebnis des Referendums in Irland zu erklären.

Eine Norm wird zum Gesetz, wenn sie auf der allgemeinen Zustimmung der Menschen beruht. Ihr Sinn sollte in der Überzeugung von der Einheit aller liegen. Ihr Landsmann, ein Denker, der seine Ruhestätte im Pantheon hat, Rousseau, schrieb: „Jedes Volk, das das Gesetz nicht in Person ratifiziert hat, ist nicht; es ist kein Gesetz.“ Deshalb sollte das Volk jene Regierungen kontrollieren, die eine Gefahr bieten, dass sie die Rechte des Volkes usurpieren. Aber wie soll das Volk die Kontrolle mithilfe eines Instruments übernehmen, das es nicht begreift, dessen Struktur so kompliziert und unklar ist wie die des jüngsten Vertrags?

Ich habe keinen Zweifel, dass Sie – um Dominique de Villepin zu paraphrasieren – in diesem ‚Tempel‘ Europäisches Parlament als ‚Hüter eines Ideals und Hüter eines Gewissens‘ erscheinen möchten. Ich rechne allerdings damit, dass Sie eher daran interessiert sind, der Öffentlichkeit die Information über die Plattformen gemeinsamer Realisierung europäischer Interessen zu vermitteln, was wiederum den Medien die Möglichkeit gibt, sich in ihren Meldungen nicht auf Ihr privates, sondern auf Ihr politisches Leben zu konzentrieren.

 
  
  

(Die Sitzung wird um 13.40 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 
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