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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 3. September 2008 - Brüssel Ausgabe im ABl.

8. Feierliche Sitzung – Costa Rica
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Protokoll
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  Der Präsident. − Bienvenido al Parlamento Europeo, Presidente Arias! Herr Präsident der Republik Costa Rica, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen des Europäischen Parlaments möchte ich Sie, sehr verehrter Herr Präsident Arias, auf das Herzlichste begrüßen.

Herr Präsident, Ihr Besuch ist ein Meilenstein in den Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament, der Europäischen Union, Costa Rica und Lateinamerika.

Dr. Oscar Arias, Sie waren bereits zwischen 1986 und 1990 Präsident von Costa Rica und wurden 2006 erneut für vier Jahre in dieses Amt gewählt. Vor allem sind Sie uns als Träger des Friedensnobelpreises bekannt, der Ihnen 1987 verliehen wurde. Damit wurden Ihre enormen Anstrengungen bei der Suche nach Wegen zum Frieden in Mittelamerika gewürdigt.

Die Anstrengungen von Präsident Arias in seiner Rolle als internationaler Vermittler mündeten in die Abkommen von Esquipulas, die am 7. August 1987 von allen Präsidenten der mittelamerikanischen Länder unterzeichnet wurden. Die Europäische Union hat diese Anstrengungen uneingeschränkt unterstützt.

Der Präsident von Costa Rica ist damit ein Vorbild für die Menschen überall in der Welt. Er sagte einmal, es sei notwendig, Werte, Prinzipien und Ideale zu haben und für diese zu kämpfen. Dies haben Sie, Herr Präsident, mit Engagement über die Jahre gemacht. Die Bürgerinnen und Bürger Costa Ricas haben Ihre großen Verdienste mit Ihrer Wiederwahl vor zwei Jahren auch entsprechend gewürdigt.

Beim 5. Gipfeltreffen EU-Lateinamerika/Karibik in Lima, das im Mai dieses Jahres stattfand, habe ich in meiner Ansprache die grundlegende Bedeutung der regionalen Integration für das 21. Jahrhundert betont. Wie es einer der Gründerväter der Europäischen Union, Jean Monnet, prägnant darstellte, geht es nicht darum, Staaten miteinander zu verbünden, sondern Menschen zu vereinen. Herr Präsident, auch Sie haben sich diesem Ideal verschrieben und sich aktiv dafür eingesetzt.

Aus der Sicht des Europäischen Parlaments wäre der baldige Abschluss des Assoziationsabkommens – ich habe das in Lima auch so gesagt – zwischen Mittelamerika und der Europäischen Union wünschenswert, und ich möchte hinzufügen – wir haben das gerade in unserem Gespräch vertieft: Wenn irgendwo ein Krieg ausbricht, dann sind sofort Milliardenbeträge in Dollar oder in Euro oder in welcher Währung auch immer verfügbar. Wenn es aber darum geht, den Frieden zu stabilisieren, dann streiten wir um wenige Millionen. Wir müssen dem Frieden eine Chance geben!

(Beifall)

Das ist unsere Botschaft heute an die anderen europäischen Institutionen.

Herr Präsident, lassen Sie mich abschließend sagen: Wir glauben, dass Costa Rica und Sie, Herr Präsident Arias, auch weiterhin eine entscheidende Rolle dabei spielen werden, diese Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Im Namen aller Mitglieder des Europäischen Parlaments möchte ich Sie noch einmal willkommen heißen. Ich hoffe, Ihr Besuch gibt uns die Möglichkeit, die freundschaftlichen Bande zwischen Europa, Costa Rica und Lateinamerika zu festigen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas unprotokollarisch hinzufügen: Es ist schön, dass der Präsident Costa Ricas hier ist, und es ist ein schöner Zufall – ausnahmsweise darf man jetzt einmal das Alter nennen –, dass das Mitglied der Europäischen Kommission, das für die Außenpolitik zuständig ist, Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, heute ihr sechzigstes Lebensjahr vollendet. Auch das ist ein Anlass zur Freude sowie ein Anlass dafür, ihr herzlichst zu gratulieren.

(Beifall)

 
  
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  Óscar Rafael Arias Sánchez, Präsident der Republik Costa Rica. (ES) Herr Präsident! Ich grüße Sie im Namen einer kleinen amerikanischen Republik, in der etwas mehr als 4,5 Millionen Menschen jeden Tag zu leben und zu träumen wagen, in der das Ideal einer Gesellschaft ohne eine Armee möglich geworden ist und in der wir bald 110 Jahre Demokratie feiern werden. Ich grüße Sie im Namen einer kleinen amerikanischen Republik, die während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von den entsetzlichsten Diktaturen umgeben war, ohne dabei selbst Unterdrückung erlebt zu haben, und die sich geweigert hat, ein Bauer auf dem Schachbrett des Kalten Krieges zu sein, die auf den Einsatz von Waffen zur Friedensschaffung verzichtet hat. Ich grüße Sie im Namen der Republik Costa Rica.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Zwei Ereignisse sind mir heute vorausgegangen, durch Jahrhunderte und Jahrzehnte von der Gegenwart getrennt und doch mit ihr verknüpft wie die Morgendämmerung des heutigen Tages. Heute vor 225 Jahren endete mit der Unterzeichnung des Vertrags von Paris der US-amerikanische Unabhängigkeitskrieg, die erste Welle der Unabhängigkeitsbewegung, die praktisch den ganzen amerikanischen Kontinent erfasst hat. Und ebenfalls heute vor 69 Jahren begann der Zweite Weltkrieg mit den Kriegserklärungen Frankreichs und Großbritanniens gegenüber Deutschland und der Geburt des Bündnisses der Alliierten, in das ein großer Teil Amerikas einbezogen war. Ich erinnere an diese Ereignisse, weil ich dieses Podium – ein Symbol der Gemeinschaft verschiedener Völker – betrete und mir dabei des historischen Gepäcks bewusst bin, das ich auf meinen Schultern trage und das auch Sie tragen mit der Vergangenheit jeder einzelnen Nation, die Sie vertreten. Wir sind hier nicht zusammengekommen, um Beziehungen zwischen unseren beiden Kontinenten zu knüpfen, sondern um zu erkennen, dass es diese Beziehungen bereits seit sehr langer Zeit gibt und dass jeder Versuch, sie zu verbessern, mit dem Versuch beginnen muss, sie in ihrer Gesamtheit zu verstehen.

Mit der Offenheit, die unter Freunden herrschen sollte, müssen wir zugeben, dass unsere gemeinsame Geschichte ihren Ursprung in der Beherrschung einer Zivilisation durch die andere hat. Amerika lernte Europa zuerst durch seine Macht kennen, viel später erst durch sein Gedankengut. Angst kennzeichnete die Eroberung und Empörung die Kolonialisierung. Und doch konnten wir nicht umhin, diese uralte Kultur zu bewundern. Trotz der Kämpfe, die wir ausgefochten haben, ist es unbestreitbar, dass Europa das Licht der Vernunft in unserem Land entzündet hat und dass es uns eine Verbundenheit mit den höchsten Anliegen der Menschheit hinterlassen hat, Anliegen, die wir nicht aufgegeben haben, als wir unabhängig wurden.

Es waren vor einundzwanzig Jahren genau diese Anliegen, die mich während meiner ersten Amtzeit als Präsident von Costa Rica nach Europa führten. Damals kam ich, um die Unterstützung dieses Kontinents für die Friedensschaffung in Zentralamerika zu erbitten, wo fünf Nationen inmitten des Bürgerkriegs ums Überleben kämpften. Blutvergießen entzweite unsere Völker und machte Brüder zu Feinden. In einem grausamen Experiment benutzten uns die damaligen Mächte als Versuchsfeld für die Demonstration ihrer Stärke: Sie lieferten die Waffen, und wir beklagten die Toten. Die Zahl der Opfer belief sich Schätzungen zufolge auf 350 000. Proportional betrachtet entspricht dies einer Zahl von knapp 4 Millionen US-Bürgern, die im Irak-Krieg umgekommen wären. Nur durch die Schaffung von Frieden konnten wir unserer Region eine Zukunft sichern.

Europa war damals die Antwort auf unsere Gebete. Die moralische Unterstützung dieses Kontinents legitimierte unsere Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Konflikts, eine zentralamerikanische Lösung für zentralamerikanische Probleme. Die internationale Hilfe, die Sie uns in jenen Zeiten leisteten, war umfassend und großzügig und ein Zeichen für Europas aufrichtigen Wunsch, den Fortschritt der zentralamerikanischen Nationen zu unterstützen.

Heute, einundzwanzig Jahre später, komme ich wieder nach Europa, und wie Fray Luis de León nach seiner Freilassung nach vier Jahren Gefängnis fühle ich mich geneigt, mit „Wie wir gestern sagten...“ zu beginnen, weil wir in vielerlei Hinsicht dort weitermachen müssen, wo wir aufgehört haben. Die Beziehungen zwischen Europa und Zentralamerika, die in Kriegszeiten so eng waren, sind in Friedenszeiten distanzierter geworden. Die europäische Hilfe für Zentralamerika, die in den Zeiten der Unterdrückung so außerordentlich war, ist in den Zeiten der Freiheit zurückhaltender geworden. Wir haben nicht geahnt, dass wir beim Übertreten der Schwelle zum Frieden in das Reich des Vergessens eintreten würden. Ich möchte gern glauben, dass jetzt die Zeit gekommen ist, in der sich zeigt, dass die Freunde, die uns in unseren dunkelsten Tagen geholfen haben, dies auch in unseren helleren Tagen tun können, gerade weil unsere Tage jetzt heller sind.

Ich möchte Ihnen heute drei Aktionslinien vorschlagen, mit denen wir unsere Beziehungen festigen und Seite an Seite um die Verwirklichung der Utopien ringen können, die zu verfolgen Sie selbst uns gelehrt haben: die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen Mittelamerika und der Europäischen Union, den Konsens von Costa Rica und den „Frieden mit der Natur“.

Ich bin mir bewusst, dass in diesem Parlament alle nur möglichen Ansichten zum Freihandel vertreten sind. Ich weiß aber auch, dass diese Meinungen aus der erhöhten Perspektive derer geäußert werden, die das Glück haben, in einem entwickelten Land zu leben. Ich möchte Ihnen heute die Perspektive von unten in der Ebene näherbringen. Ein Land wie das meine, das zu den kleinsten der Welt gehört, kann unmöglich alles, was es verbraucht, selbst produzieren. Wir sind dazu verurteilt, die Phönizier der Moderne zu sein. In einer Zeit der Globalisierung ist das Dilemma, in dem die Entwicklungsländer stecken, so schmerzlich wie einfach: Wenn wir nicht in der Lage sind, immer mehr Waren und Dienstleistungen zu exportieren, werden wir am Ende immer mehr Menschen exportieren.

Es ist klar, dass sich Europa um die Interessen der Europäer kümmern muss. Klar ist aber auch, dass die Interessen der Europäer – wie jedes anderen Volkes in der Welt auch – zunehmend von dem gemeinsamen Schicksal der Menschheit bestimmt sind. Keine Nation kann weitermachen wie bisher, wenn jenseits ihrer Grenzen Hunger, Unwissenheit, Gewalt und Krankheit herrschen. Solange das Gefälle zwischen unseren Ländern so groß ist, wird eine globale Diaspora weiterhin Tausende von Menschen über die Ozeane, die Flüsse, die Stadtmauern führen auf der Suche nach den Chancen, die sie in ihren eigenen Ländern nicht haben konnten.

Das Assoziierungsabkommen zwischen Mittelamerika und der Europäischen Union, das vielleicht erste interregionale Abkommen, das die Europäische Union abschließt, ist die naheliegendste, eindeutigste und unmittelbarste Gelegenheit, die Europa zur Neubelebung seiner Präsenz in Lateinamerika besitzt. Seit der Schaffung des Gemeinsamen Zentralamerikanischen Marktes haben wenige Initiativen ein größeres Potenzial gehabt, das Wirtschaftswachstum der zentralamerikanischen Landenge zu fördern, unsere Institutionen zu modernisieren und denjenigen Menschen in Zentralamerika, die immer noch in Armut leben, neue Chancen zu eröffnen. Die Erreichung dieses Abkommens würde für Europa bedeuten, seine verloren gegangene Führungsposition wieder einzunehmen und zugleich den vakanten Platz an vorderster Front im Kampf um die Entwicklung unseres Lateinamerikas zu übernehmen. Gestern waren wir Verbündete für den Frieden, heute können wir Partner bei der Entwicklung sein.

Zwischen Zentralamerika und Europa gibt es allerdings noch gewaltige Unterschiede, die berücksichtigt werden müssen. Der erste ist der Unterschied zwischen unseren beiden Integrationsmodellen: Europa muss anerkennen, dass die Integration Mittelamerikas in der Art und Weise erfolgt ist, wie sie unsere institutionelle Entwicklung zugelassen hat. Wir sind jetzt die am stärksten integrierte Region unter den Entwicklungsländern und meinen deshalb, dass es nicht gerecht ist, uns für die Fortsetzung der Verhandlungen Bedingungen im Hinblick auf unsere Integration aufzuerlegen; Bedingungen, die Zentralamerika nur schwer erfüllen kann und die an andere Regionen der Welt übrigens gar nicht gestellt werden.

Der zweite Unterschied zwischen unseren Regionen – und vielleicht der wichtigste – sind unsere unterschiedlichen Entwicklungsstände: Entscheidend ist, dass der wirtschaftliche Teil des Abkommens eine asymmetrische Behandlung zu Gunsten Mittelamerikas einräumt und damit vor allem die bittere Praxis beendet wird, die Hemmnisse gerade in jenen Bereichen beizubehalten, in denen gerade Mittelamerika über vergleichbare Vorteile verfügt. Wenn wir auf der Grundlage dieser Voraussetzungen eine Einigung erzielen, würde Europa einen riesigen Sprung zugunsten der Menschen in Mittelamerika machen, aber auch zugunsten der Europäer, weil es in Zeiten internationaler Krisen großen Nutzen aus einer Volkswirtschaft ziehen könnte, die in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zu Europa etwa die zweifache Wachstumsrate verzeichnen konnte.

Europa kann eine neue Führungsrolle in den Entwicklungsländern übernehmen, muss zuvor jedoch sicherstellen, dass diese Führungsrolle tatsächlich der Entwicklung nützt. Goethe sagte, dass „ein alter Irrtum mehr Freunde [hat] als eine neue Wahrheit“. Wir können nicht in eine neue Phase der internationalen Zusammenarbeit eintreten, solange wir die Bürden der Vergangenheit mitnehmen, insbesondere die Last der Militärausgaben, die an sich schon eine wahrhafte Beleidigung für die fast 200 Millionen Menschen in Lateinamerika ist, die in Armut dahinsiechen. Die Zeit ist gekommen, da die internationale Finanzgemeinschaft lernen muss, die Spreu vom Weizen zu trennen, und – mit dem Beweis auf der Hand – erkennen muss, welche Ausgaben zu einem besseren Lebensstandard der Menschen führen und welche nicht.

Es ist kein Ruhmesblatt, dass sich die Militärausgaben in Lateinamerika im Jahr 2007 auf 36 Milliarden Dollar beliefen, in einer Region, in der – mit Kolumbien als einziger Ausnahme – derzeit kein bewaffneter Konflikt stattfindet. Von dem Geld, das für ein einziges Flugzeug des Typs Sukhoi Su-30k ausgegeben wird, könnten rund 200 000 Laptops vom Typ MIT Media Lab XO für unsere Schüler und Studenten gekauft werden. Von dem Geld, das für einen einzigen Black-Hawk-Helikopter ausgegeben wird, könnte 5 000 lateinamerikanischen Jugendlichen ein Jahr lang ein Stipendium von 100 Dollar im Monat gezahlt werden. Die entwickelten Länder der Erde dürfen weder finanziell noch anderweitig die Entscheidung derer unterstützen, die lieber ihre Soldaten ausrüsten, anstatt ihre Kinder auszubilden. Das ist der Grund, meine Damen und Herren, weshalb meine Regierung den Konsens von Costa Rica verkündet hat, eine Initiative, mit der Mechanismen zum Schuldenerlass und zur finanziellen Unterstützung derjenigen Entwicklungsländer geschaffen werden sollen, die mehr in Umweltschutz sowie Bildung, Gesundheit und Wohnungen für ihre Bürger und weniger in Waffen und Soldaten investieren. Ich hoffe noch immer, dass der Konsens von Costa Rica – mit Ihrer Unterstützung – eines Tages Wirklichkeit wird.

Ich hoffe auch, dass wir ein Projekt verabschieden können, das eng mit dem Konsens verbunden ist: das Waffentransferabkommen, das Costa Rica den Vereinten Nationen vorgeschlagen hat und das es Ländern untersagt, Waffen an Staaten, Gruppen oder Einzelpersonen zu liefern, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass diese Waffen für Zwecke verwendet werden, die die Menschenrechte oder das Völkerrecht verletzen. Ich weiß nicht, wie lange wir noch überleben können, ohne zu begreifen, dass es ebenso verwerflich ist, Tag für Tag ein paar Menschen zu töten wie viele Menschen an einem einzigen Tag umzubringen. Die zerstörerische Kraft der 640 Millionen Klein- und Leichtwaffen, die es auf der Welt gibt und von denen sich 74 % in den Händen von Zivilisten befinden, hat sich als mörderischer erwiesen als die von Atombomben und stellt eine der wichtigsten Ursachen der öffentlichen Unsicherheit auf nationaler wie internationaler Ebene dar. Todesangst darf nicht die Tonart sein, in der die Zukunft unseres Volkes geschrieben wird. Wir können heute etwas tun, damit es nicht so kommt.

Nur noch eines möchte ich ansprechen, etwas, das ebenfalls mit Gewalt und Zerstörung zu tun hat, aber nicht nur gegen die Menschen, sondern gegen alle Lebewesen. Jeder Wald, den wir roden, jede Tonne Kohlendioxid, die wir in die Luft ausstoßen, jeder Fluss, den wir verschmutzen, führt uns dem Tor zum Untergang unserer Gattung einen Schritt näher, an dessen Schwelle wir – wie an den Toren zu Dantes Hölle – alle Hoffnungen aufgeben müssen. Ich weigere mich, Zeuge zu sein, wie die Menschheit durch dieses Tor geht.

Vor 60 Jahren hatte der damalige Präsident von Costa Rica, José Figueres, die Vision, die nationale Armee abzuschaffen und der Welt damit den Frieden zu erklären. Wir haben uns nun entschieden, den „Frieden mit der Natur“ zu erklären. Wir haben uns vorgenommen, im Jahr 2021 – in dem wir 200 Jahre Unabhängigkeit feiern – ein CO2-neutrales Land zu sein. Dank der Anpflanzung von 5 Millionen Bäumen haben wir uns im vergangenen Jahr weltweit zu dem Land mit den meisten Bäumen pro Kopf und pro Quadratkilometer entwickelt. Im Jahr 2008 werden wir insgesamt weitere 7 Millionen Bäume anpflanzen. Wir stehen an der Spitze eines internationalen Feldzugs gegen die globale Erwärmung, und ich bitte Sie heute in aller Bescheidenheit darum, sich uns anzuschließen.

Auf Grund der globalen Erwärmung ist es möglich, dass Olivenbäume an Englands Küsten wachsen, ein für die wissenschaftliche Gemeinschaft wirklich alarmierendes Zeichen. Im Gegensatz zur biblischen Geschichte bringt die Taube den Olivenzweig dieses Mal nicht zum Zeichen des Friedens, sondern zum Zeichen der Gefahr. Ich bitte Sie heute, dass wir diese Taube bis in den entferntesten Winkel der Welt senden, damit sie bei ihrer Rückkehr den Willen aller Völker der Erde zum Umdenken mitbringe. Nur gemeinsam können wir ein neues Bündnis schließen, diesmal nicht zwischen Gott und dem Menschen, sondern zwischen dem Menschen und der Schöpfung Gottes.

Herr Präsident!

Der große argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges pflegte zu sagen, dass er ein im Exil lebender Europäer sei, und spielte damit auf die europäische Abstammung des Großteils der Bevölkerung unseres amerikanischen Kontinents an. Nach Jahrhunderten der Vermischung und des Austauschs der Rassen gibt es auch hier bei Ihnen wahrscheinlich viele im Exil lebende Amerikaner. Aufgrund des geografischen Zufalls eines Ozeans und aufgrund des historischen Zufalls eines Pendels, das uns je nach den Umständen vereint oder trennt, leben wir im Exil. Ich halte es für an der Zeit, dieses Pendel in der Stellung der Vereinigung anzuhalten, erneut den Weg zu gehen, den die Winde vor 180 Millionen Jahren genommen haben, bevor sich die Erde spaltete, als Europa noch mit Amerika verbunden war und es möglich gewesen wäre, zu Fuß von Paris nach New York zu gehen.

Wir alle gehören einer einzigen Gattung an, die noch immer in der Lage ist, die schönsten Blumen im Garten des Lebens zu pflücken. Unsere Träume sind ein gemeinsames Erbe, und unsere Entscheidungen haben Einfluss auf das Leben aller anderen, ob uns das gefällt oder nicht. Ich glaube, dass dies –weit davon entfernt, eine Gefahr zu bedeuten – ganz im Gegenteil eine großartige Chance darstellt. Ich denke, wie der größte costaricanische Dichter Jorge Debravo sagte, dass es – vor allem – wundervoll sei zu wissen, dass wir die Fähigkeit haben, die entferntesten Dinge, die wir berühren, mit Leben zu erfüllen, unseren Horizont zu erweitern und auf keine Grenzen zu stoßen, weil alle Dinge, die wir betrachten, mit uns unendlich werden. Für mich besteht kein Zweifel, dass wir in der Lage sein werden, diese unendliche Kraft zum Wohl aller, von Europäern wie Amerikanern, einzusetzen, und dass wir Seite an Seite dem Stern einer Zukunft mit mehr Gerechtigkeit und Freiheit folgen werden.

(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden lang anhaltenden Beifall.)

 
  
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  Der Präsident. − Herr Präsident Arias! Im Namen des Europäischen Parlaments möchte ich Ihnen für diese großartige und bedeutende Rede von Herzen danken. In Ihren Worten kam zum Ausdruck: Sie und Ihr Land vertreten die Demokratie und die Freiheit, Sie engagieren sich gegen Gewalt, gegen Terror, gegen Diktatur. Wenn Sie sagen, Costa Rica sei ein kleines Land, dann möchte ich sagen: Es kommt nicht darauf an, wie viele Einwohner ein Land hat oder wie groß die geografische Fläche eines Landes ist. Es kommt darauf an, welchen Geist ein Land und der Präsident eines Landes hat. Wenn man Ihre Rede hört, dann sagt man: Präsident Arias und Costa Rica stehen für die Freiheit, stehen für die Demokratie. Deswegen ist Costa Rica ein großes Land auf dieser Erde.

(Beifall)

Sie sind ein Mann des Friedens, und deswegen ist Ihnen 1987 der Friedensnobelpreis verliehen worden. Aber Sie haben sich damit nicht zur Ruhe gesetzt. 21 Jahre sind vergangen, und heute treten Sie ein für den Frieden zwischen den Menschen und für den Frieden mit der Natur. Und bei diesen Prinzipien steht das Europäische Parlament an Ihrer Seite.

Ich möchte auch die Sie begleitenden Minister Ihrer Regierung sehr herzlich begrüßen: Herrn Außenminister Stagno Ugarte und Herrn Wirtschaftsminister Ruiz Gutiérrez, die auch hier im Plenarsaal sind, sowie die vielen Bürgerinnen und Bürger aus Costa Rica, die hier in Brüssel und in Belgien leben. Seien Sie stolz auf Ihr Land! Nicht im Sinne des Nationalismus, denn da wären ja auch Länder stolz auf sich, die eine Diktatur und Gewaltherrschaft haben. Nein, seien Sie stolz auf Ihr Land, auf Costa Rica, weil Sie die richtigen Werte vertreten: Demokratie, Freiheit und Frieden!

Noch einmal herzlichen Dank! Muchas gracias, Presidente Arias!

(Beifall)

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 
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