Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission von Diana Wallis, Bilyana Ilieva Raeva und Johannes Lebech im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa zu politischem Handeln im arktischen Raum in einer Welt der Globalisierung (O-0084/2008 – B6-0467/2008).
Diana Wallis, Verfasserin. − Herr Präsident! Die Arktis wurde als der letzte Ort beschrieben, der noch die Vorstellungskraft beflügelt. Sie ist für viele Menschen ein besonderer Ort. Wir befinden uns in der Mitte des Internationalen Polar-Jahrs. Das letzte Ereignis dieser Art hatte die Geburt einer Charta für die Antarktis zur Folge.
Die Arktis ist anders. Hier gibt es Völker und Nationen. Aber auf die Arktis richtet sich auch der Blick der Welt in Bezug auf den globalen Klimawandel mit all seinen Gefahren, Herausforderungen und Möglichkeiten. Ich setze mich bereits seit langem für eine Arktis-Politik ein – möglicherweise im Rahmen unserer Nördlichen Dimension – und habe mich sehr gefreut, als ich vor einem Monat die Gelegenheit hatte, im Namen unseres Präsidenten in Grönland an einer Konferenz teilzunehmen, auf der ich mich erstmals von über einem Dutzend Kommissionsbediensteten aus verschiedenen Generaldirektionen umgeben sah. Es ist wohl mittlerweile angekommen, dass es sich hier um eine wichtige Angelegenheit handelt.
Wir freuen uns auf die kommende Mitteilung der Kommission. Die vorliegende Entschließung soll Ihnen, Herr Kommissar, Mut machen zu einem entschlossenen Auftreten, und wir möchten Ihnen damit zeigen, wie wichtig dieses Haus diese Angelegenheit nimmt. Ja, wir müssen die hochsensible Umwelt der Arktis schützen. Ja, wir müssen nachhaltige Wege zur Entwicklung von Ressourcen in der Arktis ins Auge fassen, insbesondere mit Blick auf energiebasierte Ressourcen. Ja, wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir mögliche neue Seewege auf sichere Weise nutzen können.
Es gibt noch Vieles mehr, das ich ansprechen könnte. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen für ihre Zusammenarbeit bei dieser sehr wichtigen Entschließung dankbar. Als auf unserem Kontinent der Kalte Krieg zu Ende ging, sprach sich Gorbatschow dafür aus, die Arktis zu einer Region der friedlichen internationalen Zusammenarbeit zu machen. Ich glaube, unsere Union hat die Pflicht, dieses Ziel sicherzustellen, sowohl im Interesse unserer eigenen arktischen Nationen als auch im Interesse unserer arktischen Nachbarn. Ich wünsche Ihnen also Mut für Ihre Mitteilung.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Debatte findet zu einem besonders günstigen Zeitpunkt statt. In ihrer Mitteilung im Oktober 2007 zu einer integrierten Meerespolitik für die Europäische Union verkündete die Kommission die Überprüfung der Interessen der EU in der arktischen Region bis Ende 2008. Diese Überprüfung nimmt gegenwärtig Gestalt an in Form einer Mitteilung mit dem Titel „Die Europäische Union und die arktische Region“, die Mitte November beschlossen werden soll. Die Arktis ist von zunehmender Bedeutung für die Welt, und die Europäische Union ist untrennbar mit dieser Region verbunden. Die Politik der EU in Bereichen wie Klimawandel, Energie, Verkehr und Fischerei wirkt sich in direkter Weise auf die Arktis aus.
Das Staatsgebiet dreier Mitgliedstaaten erstreckt sich auch auf Teile der Arktis. Die maritimen und terrestrischen Bereiche dieser Region sind äußerst sensibel und stellen die wesentlichen Bestandteile des terrestrischen Ökosystems dar. Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich in der arktischen Region schneller und spürbarer bemerkbar als irgendwo sonst auf der Welt. Seit der Jahrhundertwende wurde unser politisches Handeln nach außen zugunsten des Nordens erfolgreich von unserer Politik der Nördlichen Dimension geleitet. Die Arktis einschließlich der Barentsseeregion wurde im Leitdokument aus dem Jahr 2006 zur Nördlichen Dimension, das in Absprache mit Russland, Norwegen und Island beschlossen wurde, als eine strategische Schlüsselregion anerkannt.
Dessen ungeachtet war die Politik der Nördlichen Dimension stets mehr auf Europa ausgerichtet, und insbesondere auf den Nordwesten Russlands. Die kommende Mitteilung, die sehr ausführlich sein wird, wird sich für eine dynamischere und koordiniertere Rolle der Europäischen Union in der Arktis aussprechen. Ihr Handeln soll sich um drei Hauptziele herum strukturieren: Schutz und Erhalt der Arktis in Zusammenarbeit mit ihren Bewohnern, Förderung der nachhaltigen Nutzung arktischer Ressourcen und schließlich Verbesserung der multilateralen Kontrolle über die Arktis.
Der Klimawandel ist das Ergebnis eines planetaren Prozesses, und die Europäische Union muss auch weiterhin eine führende Rolle bei der Bewältigung dieses Phänomens spielen. Die Mitteilung wird dem Schutz und dem Erhalt der Umwelt eine absolute Priorität einräumen, obwohl dies die nachhaltige Nutzung der arktischen Ressourcen nicht notwendigerweise ausschließt.
Die Kommission beabsichtigt außerdem, in enger Zusammenarbeit mit den Ländern dieser Region, ihren Beitrag insbesondere zur multilateralen Kontrolle über die Arktis auszubauen, so wie dies in der Erklärung von Ilulissat der fünf arktischen Anrainerstaaten im Mai 2008 ausgeführt wurde. Es scheint, dass die Voraussetzungen für einen verbindlichen, speziell auf die Region abgestimmten Rechtsrahmen noch nicht gegeben sind. Wir müssen daher auf die erweiterte Rechtsgrundlage zurückgreifen, die die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen und andere internationale Übereinkommen bieten.
Dessen ungeachtet sehen wir deutlich die Notwendigkeit, den vorhandenen Rechtsrahmen in vollem Umfang umzusetzen und sicherzustellen, dass dieser respektiert wird. Gleichzeitig muss dieser Rahmen weiter ausgestaltet und an neue Realitäten angepasst werden. Unser Ziel ist es, mitzuhelfen beim Aufbau eines Systems, das sich auf Zusammenarbeit gründet und das einerseits die Lebensfähigkeit dieser Region sicherstellt und andererseits auch die Freiheit und Gerechtigkeit des Zugangs zur Arktis garantiert. Wir erkennen an, dass es wesentlich ist, die Koordination zu verbessern und eine strategischere Orientierung zu bieten.
Die Kommission wird diesbezüglich eine Reihe von Vorschlägen vorlegen, insbesondere wird sie die Erweiterung des „arktischen Fensters“ unserer Politik der Nördlichen Dimension vorschlagen. Wir möchten, dass die Mitteilung Anlass gibt zu einer eingehenden Reflexion über die verschiedenen angesprochenen Themenbereiche, welche die Grundlagen für eine künftige Arktis-Politik der EU bieten. Die Mitteilung wird der Akzeptanz einer koordinierteren Herangehensweise an die Arktis förderlich sein. Ihr wird eine eingehendere Reflexion über verschiedene Themenbereiche folgen. Auf diese Weise könnte sie die Grundlage einer globalen EU-Politik für diese Region bilden.
Es besteht kein Zweifel, dass eine akzentuiertere Politik in diesem Bereich als Ausgangsbasis für künftige Diskussionen zur Zukunft der Arktis dienen kann. Dies versetzt die Europäische Union in die Lage, gleich von Anfang an deutliche Diskussionsakzente zu setzen.
Tunne Kelam, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte Diana Wallis dafür danken, dass sie diese Debatte und Entschließung initiiert hat. Für diese Initiative gibt es mehrere Gründe. Erstens: Für die arktische Region gibt es nach wie vor keinerlei multilaterale Normen und Regeln. Insbesondere der Seeverkehr ist nicht durch internationale Sicherheitsbestimmungen geregelt. Dies wird in naher Zukunft ernsthafte Gefahren mit sich bringen.
Zweitens: In der arktischen Region macht sich der Klimawandel mittlerweile in dramatischer Weise bemerkbar. Hierauf müssen wir reagieren.
Drittens: Auf die Arktis richten sich mittlerweile in zunehmendem Maße wirtschaftliche Interessen, da dort möglicherweise ungefähr ein Fünftel der noch unerforschten Öl- und Gasreserven lagern. So hat inzwischen der Wettbewerb zwischen verschiedenen interessierten Ländern um die Sicherung des Zugangs zu diesen Ressourcen und die Kontrolle darüber begonnen. Ein Hinweis für das Vorhandensein dieser Interessen war das Hissen der russischen Flagge unter dem Nordpol vergangenes Jahr.
Wir fordern daher die Kommission auf, in einer Mitteilung zur arktischen Region Stellung zu beziehen und Themen und Arbeitsverfahren vorzuschlagen. Insbesondere sehen wir der Initiative der Kommission entgegen, eine Energie- und Sicherheitspolitik für die arktische Region auf ihre Tagesordnung zu setzen.
Die EU muss ihre eigenen Formen einer Politik für die Arktis entwickeln und dabei zwei uns sehr nahestehende Länder mit einbeziehen: Island und Norwegen. Die EU-Politik der Nördlichen Dimension deckt die arktische Problematik teilweise ab, aber es ist klar geworden, dass wir eine umfassende EU-Arktis-Politik benötigen, um den weit gestreuten und bedeutenden Kontext der arktischen Problematik zu erfassen. Schließlich schlagen wir vor, dass die Kommission internationale Verhandlungen in die Wege leitet mit dem Endziel eines internationalen Vertrags zum Schutz der Arktis.
Michel Rocard, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Viele von uns hatten soeben das Vergnügen, Sie eine Reihe positiver Entwicklungen verkünden zu hören, die zuvor nie zu hören waren und die zweifellos in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zu lesen sein werden, auf die wir mit Spannung warten. Ihre Antwort vermittelte allerdings nicht den Eindruck, dass sie in vollem Umfang der Tatsache Rechnung trägt, dass sich die Ereignisse mittlerweile überstürzen.
Zunächst einmal hat sich der Weltklimarat in mittlerweile einhelligem wissenschaftlichem Konsens dahingehend geäußert, dass der Arktis größere Gefahren drohen, als man sich dies noch vor vier oder fünf Jahren vorgestellt hat. Die Lebensgrundlagen der Inuit sind bedroht, und die biologische Vielfalt ist in Gefahr. Viele Arten, darunter der Eisbär, sind ebenfalls bedroht.
Zweitens war in diesem Sommer zum ersten Mal seit mehreren Jahrtausenden der arktische Seeweg von Osten und Westen her schiffbar. So etwas hat es zuvor nie gegeben. Darüber hinaus sind uns in jüngster Zeit Vorfälle von Ölteppichen, Entgasung und Schäden durch Öl in der Arktis bekannt geworden.
Drittens hat uns unser Parlamentskollege von der PPE gerade an den Umstand erinnert, dass ein russisches U-Boot eine Flagge am Nordpol gehisst hat. Was sollte damit bekundet werden? Russland beansprucht die Ausdehnung seiner Hoheitsgewässer auf seinen gesamten Kontinentalsockel. Dies umfasst 38 % der gesamten Fläche der Arktis. Dies ist eine dramatische Entwicklung, denn es bedeutet eine beginnende Militarisierung des arktischen Raums. Die einzige Möglichkeit, Herr Kommissar, dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben, wird derzeit von der UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels geprüft und besteht in der Initiierung von Verhandlungen über einen internationalen Schutzvertrag. Diese Entwicklung wurde bislang nie angesprochen.
Mit Grönland und Dänemark besitzt die Europäische Union ein Land, das an die arktische Region angrenzt, und zwei weitere Länder, deren Staatsgebiet in den arktischen Raum hineinreicht. Wir unterhalten enge Beziehungen zu Island. Die Europäische Union ist in einer Position, in der sie von Island verlangen kann, dass es Initiativen fortführt, die einen Überschuss an Energie bringen könnten – und ich glaube, dass es hierzu eine dringende Notwendigkeit gibt, sowohl im Interesse der Sicherheit als auch im Interesse der Überwachung der Schifffahrt und des Klimaschutzes.
Wir müssen jetzt mit Verhandlungen über einen Vertrag zum Schutz der Arktis beginnen – wie dies für die Antarktis geschehen ist. Dies ist mir umso mehr bewusst, als ich einer der Schirmherren dieser Verhandlungen war. Vor dem Hintergrund dieses Bewusstseins plädiere ich für ein schnelles Handeln. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Dies muss geschehen, bevor die UN-Kommission ihre Prüfung des russischen Ansinnens abschließt.
Danutė Budreikaitė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Erst vor kurzem war die arktische Region Gegenstand von Untersuchungen zur nationalen Sicherheit und Forschung der arktischen Anrainerstaaten. Heute, mit dem Klimawandel und schmelzenden Gletschern, gewinnen Aspekte wie Umweltschutz, Energieressourcen und die Gesundheit des Menschen mehr und mehr an Priorität. Leider scheinen die dominanten Interessen wirtschaftlicher Natur zu sein, insbesondere mit Blick auf die Energieressourcen oder auch die Einführung neuer Seewege für den Handels- und Personenverkehr. Wissenschaftlichen Angaben zufolge werden in der Arktis 30 % der bislang noch nicht erschlossenen Erdgaslagerstätten der Erde, 20 % der natürlichen Flüssiggasreserven und 13 % der Ölreserven vermutet. In den vergangenen Jahren haben die Länder der arktischen Region und einige andere Länder über bestimmte Handlungsweisen und ihre imperative Position ihrem Anspruch nach souveräner Nutzung der arktischen Ressourcen klar Ausdruck verliehen. Daneben gibt es unter den arktischen Anrainerstaaten selbst unterschiedliche Ansichten in Bezug auf die Sicherung der jeweiligen Einflusssphären. Ich begrüße die in der Erklärung zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen zur Entwicklung einer EU-Politik für die Arktis. Dazu zählen wirtschaftliche und Umweltschutzbelange, aber auch Themen, die im Zusammenhang stehen mit der Anpassung der lokalen Bevölkerung an die durch den Klimawandel bedingten Aspekte. Was die Energieversorgung angeht, so sollte die Problematik der arktischen Region Teil der gemeinsamen EU-Energiepolitik sein. Es ist höchste Zeit, den Worten nun Taten folgen zu lassen.
Satu Hassi, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herzlichen Dank an Diana Wallis und die anderen, die dieses Thema zur Diskussion gestellt haben. Aus dem Weltall kann man sehen, dass sich der Planet Erde aufheizt. Die Tatsache, dass das Eis um den Nordpol im Sommer zusehends abschmilzt, ist nicht mehr zu übersehen. Dies sollte bei uns eigentlich die Alarmglocken läuten lassen und zu entschlosseneren Maßnahmen für den Klimaschutz führen. Stattdessen gibt es jetzt ein Wettrennen um die Ausbeutung der arktischen Öl- und Gasreserven. Dies ist ein eklatanter Widersinn.
Wir benötigen dringend einen internationalen Vertrag für die Verwaltung der arktischen Region. Dessen Ausgangspunkt und Hauptziel muss jedoch der Schutz dieser Region sein, ein Moratorium entsprechend demjenigen, das bereits für die Antarktis gilt. Wenn wir auf das wegschmelzende Eis im Norden lediglich mit einer Intensivierung der Ausbeutung fossiler Brennstofflagerstätten reagieren, dann verschärfen wir das Problem Klimawandel nur noch weiter.
Avril Doyle (PPE-DE). - Herr Präsident! Die Arktis spielt eine zunehmend wichtige geostrategische Rolle in der Welt, und wir stehen nunmehr vor der Situation, dass sich als direkte Folge der globalen Klimaveränderung bislang nicht schiffbare Seewege eröffnen.
Dieser Umstand sollte uns allerdings nicht überraschen, da sich die Arktis mit einem Temperaturanstieg von 2 °C in den letzten hundert Jahren gegenüber einem Anstieg von durchschnittlich 0,6 °C im Rest der Welt erheblich schneller erwärmt. Dieses hochgradig fragile und verwundbare Ökosystem gerät zunehmend ins Visier ressourcenhungriger Nationen, die sein Potenzial ausbeuten möchten. Ohne eine funktionierende multilaterale Kontrolle hätten wir keinerlei Garantie, dass der nachhaltige Lebensstil der einheimischen Bevölkerung oder die grundlegende Bedeutung der Arktis als stabilisierender Faktor für das Erdklima respektiert würden.
Die Arktis ist von entscheidender Bedeutung für die globale Klimastabilität, und ich möchte die Kommission dringend dazu aufrufen, diesen Umstand in ihrer nächsten Mitteilung zur Arktis-Politik der EU in vollem Umfang zu berücksichtigen – natürlich ebenso wie die Fragen der Energie- und Sicherheitspolitik.
Weiterhin verdient die Arktis entsprechend den Ausführungen von Ziffer 9 unserer Entschließung „aufgrund ihrer Bedeutung für das Weltklima und ihrer einzigartigen natürlichen Umwelt besondere Beachtung bei der Entwicklung der Position der EU für die im Zuge des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen 2009 in Kopenhagen stattfindende Konferenz zum Klimawandel COP 15“ und auch im Hinblick auf unsere Diskussion über einen Rahmen für eine multilaterale Kontrolle dieser einzigartigen Region.
Libor Rouček (PSE). - (CS) Meine Damen und Herren! Die Arktis ist die einzige Erdregion, für die noch keinerlei multilaterale Regeln und Bestimmungen gelten. Allerdings ist das Interesse an der Region und ihrer geopolitischen und strategischen Bedeutung in letzter Zeit in überraschendem Umfang angewachsen. Der Seeverkehr in der Arktis, sowohl die Handelsschifffahrt als auch der Tourismus, wird immer intensiver. Das Interesse an den arktischen Bodenschätzen wird immer größer. Der Klimawandel hat negative Auswirkungen auf den Lebensstil der einheimischen Bevölkerung und auf die biologische Vielfalt. Aus all diesen Gründen muss die Arktis Gegenstand von Diskussionen auf internationaler Ebene sein mit der Perspektive des Abschlusses eines Vertrags zum Schutz der Arktis ähnlich dem Madrider Protokoll zum Antarktis-Vertrag von 1993. Drei arktische Anrainerstaaten sind Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und zwei weitere Länder sind Mitglieder des gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraums. Die Europäische Union sollte daher bei künftigen internationalen Verhandlungen über die Arktis eine Schlüsselrolle einnehmen.
Wie wir gehört haben, arbeitet die Europäische Kommission derzeit an einer Mitteilung über ihre Politik in Bezug auf die arktische Region. In unserem gemeinsamen Entschließungsantrag fordern wir die Kommission auf, sämtliche oben genannten Aspekte zu berücksichtigen. Wir glauben auch, dass es wichtig ist sicherzustellen, dass die Arktis und das Nordpolarmeer von Militär und Atomwaffen freigehalten werden, wie dies bereits von Diana Wallis angesprochen wurde. Wir möchten die Kommission außerdem dazu aufrufen, über die Einrichtung einer speziellen Abteilung für den arktischen Raum nachzudenken, die sich um die Realisierung dieser Ziele und die Probleme kümmern könnte.
Richard Seeber, Berichterstatter. − (DE) Herr Präsident! Es muss uns allen bewusst sein, dass wir zwar einige Daten über die Arktis haben, aber insgesamt ist sie immer noch im wahrsten Sinne des Wortes ein weißer Fleck, insbesondere was das internationale Recht angeht. Kollege Kelam hat auf die fehlende Seerechtskonvention hingewiesen.
Auch wenn wir die Natur- und Bodenschätze betrachten – man schätzt ja, dass dort 22 % der weltweiten Öl- und Gasreserven liegen –, so handelt es sich hier um ein Gebiet, das für die Zukunft Europas enorme Bedeutung hat. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir – angeführt von Kollegin Wallis – diese Entschließung vorlegen.
Die Kommission ist nun wirklich gefordert, ein Konzept, eine Strategie mit konkreten Zielen und Maßnahmen vorzulegen. Das fehlt meiner Ansicht nach noch. Man ist inzwischen zwar aufgewacht und nimmt sich des Problems an, aber eine strategische Ausrichtung fehlt noch. Denn hier dürfen wir nicht an zweiter Stelle stehen! Manche Anrainerstaaten, insbesondere Russland, versuchen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Und es ist sehr schwer, einer Großmacht wie Russland dann entsprechende Taten entgegenzusetzen, wenn wir uns so lange Zeit lassen.
Insgesamt darf Europa auch nicht hinter die Mitgliedstaaten zurücktreten. Es handelt sich hier um ein Gebiet von gemeinsamem Interesse, und es geht nicht an, dass wir aufgrund einer nicht funktionierenden GASP hier verschiedenen Mitgliedstaaten den Vortritt lassen. Denn hier ist einfach das Gesamtinteresse Europas zu wichtig!
Darum nochmals mein Appell an die Kommission, möglichst bald eine präzise und konkrete Strategie vorzulegen, damit wir im Parlament darüber diskutieren können. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel, als dass wir uns zu lange Zeit lassen könnten!
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte zeigt deutlich, dass es sich hier wirklich um ein Problem handelt, das fundamentale strategische Interessen berührt, ob man es nun aus dem Blickwinkel des Umweltschutzes oder von der geopolitischen Warte aus betrachtet. Die Debatte zeigt auch, dass wir nicht mehr viel Zeit haben und dass es zwingende Gründe für die Europäische Union gibt, ihre Politik zu formulieren. Allerdings ist auch klar, dass einige Vorschläge sehr komplex sind und dass die allgemeine Situation in der Arktis aus der Sicht sowohl der Europäischen Union als auch des Völkerrechts äußerst kompliziert ist. So müssen wir uns beispielsweise vor Augen halten, dass die wichtigsten Länder, nämlich Norwegen, Island, Grönland und die Russische Föderation, nicht Mitglieder der Europäischen Union sind und unsere Strategie folglich nicht aus der Geltendmachung von Küstenschutz- oder Territorialrechten bestehen kann.
Die Notwendigkeit, eine Strategie auszuformulieren, bleibt allerdings nach wie vor bestehen. Jedenfalls arbeitet die Kommission nun an einer solchen Strategie, und eine entsprechende Mitteilung wird sehr bald vorliegen, und zwar innerhalb der nächsten Wochen. Meine Damen und Herren! Die Zeit reicht nicht aus, um auf alle Ihre Ausführungen im Einzelnen einzugehen, aber ich habe sie mir notiert, und die Kommission wird sie berücksichtigen. Wie ich bereits versuchte, kurz zu erklären: Einige Angelegenheiten sind äußerst kompliziert und äußerst komplex.
Der Präsident. − Ich habe drei Entschließungsanträge erhalten(1), die gemäß Regel 108(5) der Geschäftsordnung eingebracht wurden.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
András Gyürk (PPE-DE), schriftlich. – (HU) In den letzten Jahren ist der Nordpol zu einem der Symbole des Klimawandels geworden. Aufgrund ihrer bislang noch nicht erschlossenen natürlichen Ressourcen könnte diese Region bald das Epizentrum internationaler Konflikte werden. Dies leitet eine ständige Neubewertung der Region ein, bei der darauf zu achten ist, ob es dem einen oder anderen Staat gelingt, ein deutliches Signal zu setzen, dass er Anspruch auf dieses Gebiet erhebt.
Es ist zwar nicht Aufgabe des Europäischen Parlaments, sich in geografische Debatten über die legitime Zugehörigkeit dieser Region zu verstricken, aber ich möchte dennoch einige Punkte herausstellen.
Erstens: Wenn es strittige Angelegenheiten gibt, dann müssen diese mit legalen und diplomatischen Mitteln beigelegt werden und nicht, indem man eine Flagge in dem Gebiet hisst. Ich glaube, die aktuellen internationalen Regelungen, obwohl alles andere als perfekt, sind doch dazu geeignet, einen Bezugsrahmen zur Beilegung von Problemen mit diplomatischen Mitteln zu bieten.
Andererseits können die bislang unangetasteten Energieressourcen des Nordpols vor dem Hintergrund der steigenden europäischen Nachfrage nach Energie zur Sicherheit der Energieversorgung in Europa beitragen. Wir müssen dann aber erklären, dass die Ausbeutung dieser Ressourcen nicht das biologische Gleichgewicht der Region stören darf. Erwägungen des Umweltschutzes müssen unter allen Umständen respektiert werden. Meiner Ansicht nach bieten die aktuellen internationalen Gesetze diesbezüglich keine Sicherheit.
Ich denke, es ist wichtig, hier anzumerken, dass die Ausbeutung der Ressourcen der Nordpolarregion für die Energieversorgung Europas lediglich eine ergänzende Bedeutung haben wird. Auch werden allein durch die Tatsache des Vorhandenseins dieser Energiereserven die weitergehende Nutzung erneuerbarer Energiequellen und die kontinuierlichen Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz in keiner Weise beeinflusst.