Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen der Bericht des Europäischen Rates und die Erklärung der Kommission über die Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 2008.
Herr amtierender Ratspräsident, Herr Sarkozy, Herr Präsident der Europäischen Kommission, Herr Barroso! In den letzten Wochen haben wir einige äußerst schwierige Phasen überstanden, in denen die Europäische Union unter Ihrer Präsidentschaft ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Hätten die Länder Europas keine gemeinsame Lösung gefunden, wäre es nicht zu einer Einigung zwischen den europäischen Partnern gekommen und hätte es den Euro nicht gegeben, dann würden wir uns heute höchstwahrscheinlich in einer verhängnisvollen Lage befinden.
Die von der Eurogruppe vor zehn Tagen vorgelegten Vorschläge, die vom Europäischen Rat letzten Mittwoch getroffenen Entscheidungen und die an diesem Wochenende beim Gipfel in Camp David eingegangenen Verpflichtungen sind eine Reihe von Erfolgen, die eine echte Abstimmung der Maßnahmen und Anstrengungen zur Durchführung der notwendigen Reformen widerspiegeln, um wirksam auf die Probleme der Weltwirtschaft zu reagieren. Allerdings haben nicht nur die Regierungen auf die Krise reagiert. Unter Ihrer Führung hat der Europäische Rat gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament dafür gesorgt, dass die Europäische Union eine entscheidende Rolle in Bezug auf das Wohlergehen aller unserer Bürgerinnen und Bürger gespielt hat, für die wir alle verantwortlich sind.
Schon häufig hat die Europäische Union ihre wahre Stärke in Krisenzeiten unter Beweis gestellt, dank Ihnen, Herr Sarkozy, und dank des Präsidenten der Kommission, Herrn Barroso. Das europäische Handeln war ein gemeinsames Handeln. Daher möchte ich vor der Eröffnung der Aussprache heute Morgen Ihnen, Herr amtierender Ratspräsident und Herr Kommissionspräsident, meinen Glückwunsch aussprechen.
Nicolas Sarkozy, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Es ist eine Ehre für mich, erneut hier vor dem Europäischen Parlament zu sprechen und Ihnen in einer für Europa so wichtigen Zeit über die Arbeit der Ratspräsidentschaft Bericht zu erstatten. Wenn Sie es mir gestatten, werde ich mich frei äußern, wie es in diesem Haus üblich ist, das das Herz des demokratischen Europas darstellt, das wir alle anstreben.
Was haben wir versucht zu erreichen? Erstens war es der Wunsch der Präsidentschaft, dass die europäischen Institutionen angesichts aller Krisen, die wir zu bewältigen hatten, Einigkeit zeigen. Es war mein Wunsch, dass das Europäische Parlament hinsichtlich der wichtigsten Ereignisse, die sich ergeben haben, jederzeit involviert ist, und ich möchte den Vorsitzenden Ihrer Fraktionen, aller politischen Gruppierungen, die an diesem Dialog beteiligt waren und mit der Ratspräsidentschaft zusammengearbeitet haben, meinen Dank aussprechen.
Es war auch mein Wunsch, dass wir mit der Kommission und insbesondere mit ihrem Präsidenten Hand in Hand arbeiten, weil sich jeder – unabhängig von den unterschiedlichen Auffassungen oder Meinungen der einzelnen Abgeordneten in diesem Haus – sehr wohl darüber im Klaren ist, dass eine Kluft zwischen den europäischen Institutionen Europa schwächt und die Verantwortlichen dazu verpflichtet sind, Hand in Hand zu arbeiten. Wir werden Europa voranbringen, wenn das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat in den wichtigsten Fragen den Weg zum Konsens finden und dadurch sicherstellen, dass Europa Gehör findet.
(Beifall)
In erster Linie wollten wir, dass Europa geschlossen und geeint auftritt – was nicht leicht zu bewerkstelligen war. Wir wollten, dass es unabhängig denkt, weil die Welt Europas Ansichten braucht, und dass es proaktiv ist. Wenn Europa etwas zu sagen hat, dann sollte Europa dies nicht nur sagen, sondern auch entsprechend handeln.
Zuerst hatten wir den Krieg mit der völlig unangemessenen Reaktion der Russen im Georgien-Konflikt. Worte haben eine Bedeutung. Ich verwende das Wort „unangemessen“, weil es unangemessen war, wie die Russen in Georgien interveniert haben.
(Beifall)
Doch ich verwende das Wort „Reaktion“, denn wenn diese Reaktion unangemessen war, dann deshalb, weil eine völlig unangemessene Handlung vorangegangen war. Europa muss fair sein und sollte nicht zögern, aus ideologischen Rahmen auszuscheren, um eine Friedensbotschaft zu überbringen.
Am 8. August begann die Krise. Am 12. August waren wir mit Bernard Kouchner in Moskau, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Ich sage nicht, dass das ideal war; ich sage lediglich, dass es Europa innerhalb von vier Tagen gelungen ist, einen Waffenstillstand zu erreichen. Anfang September hat Europa eine Verpflichtung erwirkt, zu den vor Ausbruch der Krise am 8. August bestehenden Linien zurückzukehren. Innerhalb von zwei Monaten hat Europa das Ende eines Krieges und den Rückzug der Besatzungstruppen erreicht.
Es gab hier viele Ansichten. Einige sagten – und sie hatten Gründe dafür –, dass der Dialog zwecklos sei und die Antwort auf einen militärischen Angriff militärisch sein müsse. Welch ein Wahnsinn! Europa hat den Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges erlebt; Europa darf nicht in einen erneuten kalten Krieg geraten, der nur aus einem Mangel an Gelassenheit herrührt.
(Beifall)
Das war ein Problem, das wir mit unseren US-amerikanischen Verbündeten bewältigt haben, die der Auffassung waren, dass der Besuch in Moskau unpassend war. Trotz allem haben wir mit unseren amerikanischen Verbündeten Hand in Hand gearbeitet. Sie waren anderer Ansicht als wir. Wir haben versucht, mit ihnen statt gegen sie zu arbeiten; und offen gesagt glaube ich angesichts der heutigen Weltlage wirklich nicht, dass die Welt eine Krise zwischen Europa und Russland braucht. Das wäre unverantwortlich. Daher können wir unsere Vorstellungen in Bezug auf die Achtung der Souveränität, die Achtung der Integrität Georgiens, die Menschenrechte und die Meinungsverschiedenheiten, die wir mit der russischen Führung haben, verteidigen; doch es wäre unverantwortlich gewesen, die Voraussetzungen für einen Konflikt zu schaffen, den wir unter keinen Umständen brauchen.
Die Gespräche über den zukünftigen Status dieser georgischen Gebiete, das heißt Ossetien und Abchasien, haben in Genf begonnen. Mir wurde gesagt, dass sie unter schwierigen Bedingungen begonnen haben, aber wer hätte sich das auch anders vorstellen können? Wichtig ist doch, dass sie überhaupt begonnen haben. Ich muss auch sagen, dass Präsident Medvedev seine Versprechen gehalten hat, die er auf unserer Reise nach Moskau Anfang September gegenüber der Kommissionspräsidentschaft und der Ratspräsidentschaft abgegeben hat.
Europa hat Frieden geschaffen. Europa hat den Rückzug einer Besatzungsarmee sichergestellt, und Europa hat internationale Verhandlungen eingeleitet. Ich glaube, es ist schon lange her, seit Europa eine solche Rolle in einem derartigen Konflikt eingenommen hat.
Natürlich sehe ich all die Ungereimtheiten, all die Unzulänglichkeiten, all die Kompromisse, die geschlossen werden mussten; doch ich bin der festen Überzeugung, dass wir alles erreicht haben, was erreicht werden konnte. Der wichtigste Punkt, Herr Präsident, ist der: Hätte Europa nicht dafür gesorgt, dass die Stimme des Dialogs und die Stimme der Vernunft gehört wird, hätte niemand dafür gesorgt. Als wir am 12. August mit Bernard Kouchner nach Moskau und Tiflis reisten, wusste zudem die gesamte internationale Medienwelt, dass die Russen 40 Kilometer vor Tiflis standen mit dem Ziel, die Regierung von Micheil Saakaschwili zu stürzen. So sah die Lage aus. Wir waren ganz nahe an einer Katastrophe, doch dank Europa – einem entschlossenen Europa – ist diese Katastrophe nicht eingetreten, obgleich, Herr Pöttering, natürlich noch viel getan werden muss, um die Spannungen in diesem Teil der Welt abzubauen.
Mein zweiter Punkt betrifft die Krise, die systemische, unglaubliche, unwahrscheinliche Finanzkrise, die – um bei der Wahrheit zu bleiben – am 15. September und nicht am 7. August 2007 ihren Anfang nahm. Am 7. August 2007 hat eine Krise begonnen, die schwer wiegend und Besorgnis erregend, doch – ich wage es so auszudrücken – normal war. Am 15. August 2008 erreichte uns eine weitere Krise, denn was ist am 15. August 2008 geschehen? Lehman Brothers musste Insolvenz anmelden. Und die Welt musste voller Erstaunen am 15. August 2008 feststellen, dass eine Bank insolvent werden kann.
Es steht uns und mir nicht zu, darüber zu urteilen, was die US-amerikanische Regierung getan oder nicht getan hat. Ich sage nur, und dabei bleibe ich, dass die schwere Krise am 15. September 2008 zu einer systemischen Krise wurde, die mit dem Zusammenbruch des US-amerikanischen Finanzsystems einherging, gefolgt von dem Zusammenbruch des europäischen Finanzsystems und dann – Schritt für Schritt – weiterer Börsen und Finanzsysteme.
Welche Versuche wurden zu jenem Zeitpunkt unternommen? Es gab den ersten Paulson-Plan, der nicht funktioniert hat. Ich möchte das nicht kritisieren, ich sage nur, wie die Dinge liegen. Zu dem Zeitpunkt haben wir gemeinsam mit dem Präsidenten der Kommission versucht, eine gemeinsame europäische Antwort zu finden, zuerst in der Eurozone. Herr Präsident, Sie haben darüber gesprochen; ob man nun dafür oder dagegen ist, Tatsache ist und bleibt, dass wir in der Eurozone die gleiche Bank und die gleiche Währung und daher auch die gleiche Pflicht zur Einigkeit haben.
Es war nicht leicht, eine gemeinsame Position zu erzielen. Anfangs haben wir ein Treffen der vier europäischen Staaten vorgeschlagen, die Mitglieder der G8 sind. Es ist keine Beleidigung gegenüber irgendjemandem, wenn man sagt, dass beispielsweise des Vereinigte Königreich einen stärkeren Einfluss auf das globale Finanzsystem ausübt als andere der 27 Mitgliedstaaten. Ich sagte, wenn es uns auf irgendwie gelänge, eine Einigung zwischen dem Vereinigte Königreich, Deutschland, Italien und Frankreich herbeizuführen, dies nicht zum Nachteil der anderen Länder Europas wäre, sondern zu ihrem Vorteil.
Natürlich gab es Meinungsverschiedenheiten, und wer könnte uns das vorwerfen? In den ersten Tagen der Krise wussten wir nicht sofort, wie man am besten auf eine Krise reagiert, eine Krise, die es so in der Wirtschaftsgeschichte noch nie oder zumindest im 20. Jahrhundert noch nicht gegeben hatte. Also habe ich mir gesagt: Nach dem Treffen der vier Länder sollten wir auch die anderen Länder der Eurogruppe und die Slowakei, die bald beitreten wird, zusammenbringen. In dieser zusätzlichen Woche konnten wir gemeinsam eine Lösung finden, die es den Banken ermöglichte, wieder ihrer Aufgabe nachzugehen, nämlich dem Kreditgeschäft. Doch wir befanden uns in einer Situation, in der die Banken sich untereinander kein Geld mehr liehen, da sie kein Geld mehr für Kredite hatten, und das gesamte System brach zusammen. Im Vereinigten Königreich wurden Banken verstaatlicht, in Belgien meldeten Banken Insolvenz an, ein isländisches System – außerhalb Europas, doch so nahe bei Europa – brach zusammen, es gab sehr schlechte Nachrichten aus der Schweiz, und nach und nach gerieten alle in den Sog: Deutschland, Frankreich, alle waren betroffen. In der Eurogruppe ist es uns gelungen, uns auf einen gigantischen Plan – 1 800 Milliarden Euro – zu einigen, um unseren Finanzinstituten wieder ihre Arbeit zu ermöglichen und die Sparer und Unternehmer in Europa zu beruhigen.
Danach sind wir zum Europäischen Rat gegangen, der die gleiche Strategie angenommen hat. Von da an konnten wir die Märkte in Europa beruhigen. Wir erlebten eine nette Überraschung: Denn dann kam der Paulson II-Plan, und jeder konnte beobachten, dass er sehr stark von dem europäischen Plan inspiriert war. Wir sollten uns nicht selbst auf die Schulter klopfen; hier ging es einfach darum, dass die Krise global ist, daher kann auch die Antwort nur global sein. Die Vereinigten Staaten und Europa müssen sich aufeinander abstimmen.
Doch bei all dem geht es um Krisenmanagement, Herr Präsident, nicht mehr und nicht weniger. Was wäre passiert, wenn wir nicht so gehandelt hätten?
Die richtigen Antworten stehen noch aus. Wie war all dies nur möglich? Wie können wir eine Wiederholung von all dem vermeiden? Und hat Europa Ideen zu verteidigen oder eine Politik vorzuschlagen? In diesem Zusammenhang habe ich bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen Anfang September im Namen Europas einen internationalen Gipfel vorgeschlagen, um unter Bezugnahme auf die Ereignisse kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlagen für ein neues Bretton Woods zu legen und so ein neues globales Finanzsystem zu schaffen. Diese Idee macht Fortschritte. Welches Ziel muss Europa im Rahmen dieses Gipfels verfolgen? Europa muss die Idee einer radikalen Reform des globalen Kapitalismus vorschlagen.
Was geschehen ist, war ein Verrat an den Werten des Kapitalismus, nicht die Infragestellung der Marktwirtschaft. Es gab keine Regeln, und Spekulanten wurden auf Kosten der Unternehmer belohnt. Wir müssen eine neue Regulierung vorschlagen. Europa muss und wird Ideen vorschlagen. Zunächst einmal, Herr Präsident, sollte keine Bank, die mit Staatsgeldern operiert, Steueroasen nutzen können.
(Beifall)
Kein Finanzinstitut sollte in der Lage sein, ohne eine Finanzordnung zu arbeiten. Die Vergütungssysteme von Händlern sollten so berechnet und organisiert werden, dass sie nicht zur Übernahme unnötiger Risiken animiert werden, wie wir es erlebt haben. Die Bilanzierungsregeln unserer Banken sollten die Krise nicht noch verschärfen, sondern uns die Möglichkeit geben, sie abzuschwächen. Das Währungssystem sollte zwischen festen Wechselkursen einerseits und Wechselkursfreiheit zwischen Währungen andererseits überdacht werden. Man hat alles versucht. Können wir, der Rest der Welt, die Defizite der größten Weltmacht weiter tragen, ohne etwas zu sagen? Die Antwort ist eindeutig „nein“.
(Beifall)
Zudem hat es keinen Zweck, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen; wir müssen einfach die Mittel und Wege finden, um sicherzustellen, dass dies nicht wieder passiert. Ich könnte noch viel mehr sagen, doch ich möchte vor allem, dass Europa über die Weltordnung im 21. Jahrhundert nachdenkt. Wir sollten uns nicht wundern, dass sie nicht funktioniert. Wir sind im 21. Jahrhundert, doch wir haben noch Institutionen aus dem 20. Jahrhundert. Daher haben der Präsident der Vereinigten Staaten und Europa mehrere Gipfeltreffen ab Mitte November vorgeschlagen, die sich mit einer neuen Form der Regulierung, einer neuen Form der Weltordnung befassen werden. Ich hoffe, dass Europa eine Debatte darüber führen kann.
Ich werde die Gelegenheit haben, meinen Partnern, den Staats- und Regierungschefs, ein Treffen zur Vorbereitung auf diese Gipfel vorzuschlagen. Die Frage einer radikalen Reform unseres Kapitalismus und unseres internationalen Systems ist ein ebenso wichtiges Thema für das Europäische Parlament, das darüber debattieren muss und seine Ideen einfließen lassen muss. Europa muss jedoch mit einer Stimme sprechen, wenn es Gehör finden möchte.
Wer wird an diesem Gipfel teilnehmen? Es gibt viele Möglichkeiten. Ich glaube, das Einfachste sind die G8, die unverzichtbar sind – natürlich mit Russland – dazu die G5, die ebenfalls unverzichtbar sind und wodurch insbesondere China und Indien an dieser wichtigen Debatte teilnehmen könnten. Dies wird das Ziel unserer Reise nach China mit Präsident Barroso sein: Die asiatischen Mächte davon zu überzeugen, bei dieser radikalen Reform mitzuwirken.
Herr Präsident, während dieser Präsidentschaft ist noch ein drittes Thema aufgekommen, das sich als äußerst schwierig erwiesen hat, nämlich die Zukunft des Energie- und Klimapakets. Ich weiß sehr wohl, dass Ihr Parlament und einige Ihrer Fraktionen geteilter Meinung darüber sind, wie diesbezüglich weiter verfahren werden soll. Gestatten Sie mir, meiner festen Überzeugung Ausdruck zu verleihen und zu erklären, welche Politik ich vorschlagen möchte. So ehrgeizig wie es ist, basiert das Energie- und Klimapaket auf der Überzeugung, dass die Welt auf eine Katastrophe zusteuert, wenn sie weiter unter den gleichen Bedingungen produziert. Das ist der langen Rede kurzer Sinn.
(Beifall)
Ich kann kein einziges Argument für die Annahme erkennen, dass es der Welt aus ökologischer Sicht besser geht, weil es die Finanzkrise gegeben hat. Als wir beschlossen haben, uns des Energie- und Klimapakets anzunehmen, haben wir dies in dem Bewusstsein unserer Verantwortung gegenüber unseren Kindern und gegenüber der Zukunft unseres Planeten getan. Hier geht es um Strukturpolitik, um eine historische Politik, und es wäre tragisch, diese Politik unter dem Vorwand der Finanzkrise aufzugeben.
(Beifall)
Es wäre tragisch und es wäre unverantwortlich. Warum wäre es unverantwortlich? Es wäre unverantwortlich, weil Europa das Signal aussenden würde, dass es nicht entschlossen ist, die in dieser Hinsicht zugesagten Anstrengungen zu unternehmen, und wenn Europa diese Anstrengungen nicht unternimmt, dann sind unsere Chancen, den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass das globale Gleichgewicht gewahrt werden muss, gleich null. Es geht also nicht nur darum, dass Europa keine Verantwortung für sich selbst übernimmt, sondern darum, dass es in Umweltfragen keine Verantwortung für die gesamte Welt übernimmt. Denn wenn Europa nicht mit gutem Beispiel vorangeht, wird es weder gehört noch respektiert oder beachtet. Und wenn Europa diese Aufgabe nicht übernimmt, dann wird es niemand für Europa tun. Dann hätten wir eine historische Chance verpasst.
(Beifall)
Was bedeutet „unsere Chance verpasst“? Meiner Meinung nach bedeutet es zweierlei: Erstens, dass wir die „3-mal-20“-Ziele neu überdenken müssen; und zweitens, dass wir den Zeitplan neu überdenken müssen, das heißt das Ende des Jahres. Es ist jedoch keineswegs meine Absicht, die Mitentscheidung in irgendeiner Weise zu untergraben; im Übrigen habe ich weder die Macht noch den Wunsch, dies zu tun. Man muss zudem schon bösartig sein, um mir einen solchen Gedanken zu unterstellen – obwohl, mir zu unterstellen, dass ich denke, ist ja immerhin auch ein Kompliment, lieber Dany! Dennoch haben wir in dieser Angelegenheit Seite an Seite mit Präsident Barroso beim Europäischen Rat dafür gekämpft, dass die Ziele und der Zeitplan eingehalten werden. Das war nicht einfach. Wir haben also einige Wochen, um einige unserer Partner zu überzeugen, deren Bedenken ich verstehe – denn wenn man nicht versucht, diejenigen zu verstehen, die nicht unserer Meinung sind, können auch keine Voraussetzungen für einen Kompromiss geschaffen werden.
Es gibt einige Volkswirtschaften, die zu 95 % von der Kohle abhängen. Man kann ihnen keine Dinge abverlangen, die sie in die Knie zwingen würden, zumal sie ohnehin schon enorme Probleme haben. Daher müssen wir Mittel und Wege finden, um flexibel zu sein und gleichzeitig die beiden roten Linien zu berücksichtigen, die ich dem Rat vorgeschlagen habe: die Einhaltung der Ziele und die Einhaltung des Zeitplans.
Ich werde eventuell die Gelegenheit haben, Herr Präsident, mich in anderen Foren ausführlicher zu erklären, doch ich möchte Ihre Geduld nicht strapazieren. Ich möchte Ihnen auf jeden Fall sagen: So wollten wir vorgehen, und ich hoffe, dass jeder das unterstützen kann.
Dann möchte ich noch kurz ein Wort zum vierten Thema sagen, nämlich dem Einwanderungspakt. Der Pakt ist ein gutes Beispiel für europäische Demokratie. Trotz der anfänglichen Differenzen konnte jeder einer selektiven Einwanderungspolitik in Abstimmung mit den Emigrationsländern zustimmen, sodass wir für drei Viertel der europäischen Länder aus Schengen Nutzen gezogen haben. Obwohl wir die Visumpflicht untereinander abgeschafft haben, ist es dennoch vernünftig, dass Länder, deren Bürger kein Visum benötigen, um von einem Land in ein anderes zu reisen, im Hinblick auf die Unterstützung der europäischen Einwanderungspolitik die gleiche Einstellung haben.
Dann noch zwei Punkte, bevor ich zum Schluss komme. Der erste Punkt ist, dass die Finanzkrise zu einer Wirtschaftskrise geführt hat. Diese Wirtschaftskrise ist da. Man muss sie nicht vorhersagen, weil wir sie schon durchleben. Ich bin mir der Unstimmigkeiten zwischen gewissen Ländern sehr wohl bewusst, doch ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass mir jemand erklärt, wir hätten angesichts der Finanzkrise eine gemeinsame europäische Antwort benötigt, angesichts der Wirtschaftskrise sei dies jedoch nicht erforderlich.
Ich möchte ein Wort über die Bedeutung des Wortes „gemeinsam“ sagen. „Gemeinsam“ bedeutet nicht, die gleiche Antwort zu geben. Für die Finanzkrise haben wir einen Instrumentenkasten, eine Roadmap, Harmonisierung und Koordination vorgeschlagen. Meiner Meinung nach ist das Gleiche für die Wirtschaftspolitik erforderlich. Das bedeutet nicht, dass wir alle das Gleiche tun – doch es bedeutet zumindest, dass wir die Verpflichtung haben, über Fragen zu sprechen, die Verpflichtung, uns gegenseitig zu informieren, und bei bestimmten Fragen die Verpflichtung, uns untereinander abzustimmen. Es gibt verschiedene Initiativen. Gestatten Sie mir, eine Idee anzusprechen: Die Börsen sind auf einem historisch niedrigen Niveau. Ich möchte nicht, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger in einigen Monaten aufwachen, nur um festzustellen, dass die europäischen Unternehmen außereuropäischen Eigentümern gehören, die sie zu den niedrigsten Aktienkursen, für einen Apfel und ein Ei, aufgekauft und übernommen haben. Dann würden sich die europäischen Bürgerinnen und Bürger umdrehen und fragen: „Was habt Ihr getan?“
Ich möchte darum bitten, dass jeder von uns über die Möglichkeiten nachdenkt, die bestünden, wenn auch wir in jedem unserer Länder Staatsfonds einrichten würden und diese nationalen Staatsfonds von Zeit zu Zeit koordiniert werden könnten, um in großem Rahmen auf die Krise zu reagieren. Ich möchte hinzufügen, dass ich den amerikanischen Plan für die Automobilindustrie mit großem Interesse verfolgt habe: 25 Milliarden US-Dollar Zinsen zu unschlagbaren Preisen, um die drei US-amerikanischen Automobilhersteller vor der Insolvenz zu bewahren.
Mit diesem Thema sollten wir uns in Europa einen Moment lang beschäftigen. Wir fordern unsere Hersteller – zu Recht – auf, jetzt saubere Autos zu bauen, ihre Produktionssysteme komplett umzustellen. Auf dieser Basis und dank des Umweltbonusses werden 50 % der in meinem Land verkauften Autos künftig saubere Autos sein. Kann man die europäische Automobilindustrie einer schweren Wettbewerbsverzerrung im Hinblick auf ihre amerikanischen Wettbewerber überlassen, ohne die Frage zu stellen, welche europäische sektorbezogene Politik zum Schutz der europäischen Industrie vorhanden ist?
Das bedeutet nicht, dass der Binnenmarkt in Frage gestellt wird. Das bedeutet nicht, dass das Prinzip des Wettbewerbs in Frage gestellt wird. Das bedeutet auch nicht, dass das Prinzip der staatlichen Beihilfen in Frage gestellt wird. Es bedeutet, dass Europa eine gemeinsame Antwort geben muss, eine Antwort, die angesichts des Wettbewerbs aus den anderen bedeutenden Regionen der Welt nicht naiv ist. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass wir in Europa weiterhin Flugzeuge, Schiffe, Züge und Autos bauen können, weil Europa eine starke Industrie braucht. Für diese Politik wird sich die Präsidentschaft einsetzen und kämpfen.
Mein letzter Punkt zum Abschluss betrifft die Institutionen. Ich weiß nicht, ob es ein Seufzer der Erleichterung ist, weil ich zum Abschluss meiner Rede komme oder weil die anderen Themen weniger wichtig sind. Die Institutionen sind nicht das einzige europäische Thema, und es wäre wirklich falsch, wenn wir uns zu viel und ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen. Doch die Institutionen sind ein Thema. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Krise eine Reform der europäischen Institutionen erforderlich macht. Die Krise setzt voraus, dass Europa eine ebenso kräftige und schnelle Antwort geben kann wie jede andere Weltmacht, beispielsweise die USA angesichts des Dramas der Finanzkrise.
Ich gehöre zu denjenigen, die es für einen schweren Fehler halten, unsere Institutionen nicht zu reformieren. Einen sehr schweren Fehler. Nicht zuletzt weil es angesichts so schwieriger Themen wie Georgien und Russland, der Finanzkrise und der Wirtschaftskrise nicht sehr vernünftig erscheint, alle sechs Monate die Präsidentschaft zu wechseln. Unabhängig davon, wie bei den letzten Wahlen abgestimmt wurde, muss ich Ihnen sagen, dass es mir offen gestanden nicht sehr vernünftig erscheint, die Ratspräsidentschaft alle sechs Monate zu wechseln, wenn wir Europa lieben und wollen, dass Europa mit einer Stimme spricht. Daher müssen wir zusammen mit Präsident Barroso eine Roadmap für Dezember ausarbeiten, um zu sehen, wie man auf die irische Frage antworten soll. Ich habe die Absicht, diese Roadmap noch vor Ende meiner Ratspräsidentschaft vorzulegen und auf der Grundlage eines Konsenses die Mittel und Wege zur Bewältigung der eingetretenen Situation aufzuzeigen.
Ich möchte noch einen letzten Punkt nennen, nämlich dass die Eurozone ohne eine klar definierte Wirtschaftsregierung nicht fortfahren kann. Wir können so nicht mehr weitermachen. Ich möchte der EZB meinen Dank für Ihre Arbeit aussprechen. Ich möchte meine feste Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass die EZB unabhängig sein muss, doch wenn die Arbeit der EZB ihr volles Potenzial ausschöpfen soll, dann muss sie in der Lage sein, Verhandlungen mit einer Wirtschaftsregierung zu führen. Das war auch der Geist des Vertrages. Der Geist des Vertrages sieht Dialog, Demokratie und gegenseitige Unabhängigkeit vor. Und meiner Ansicht nach ist die echte Wirtschaftsregierung der Euro-Gruppe eine Euro-Gruppe, die auf Ebene der Staats- und Regierungschefs zusammenkommt. Als ich dieses Treffen einberufen habe, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass es das erste Treffen dieser Art seit Einführung des Euro war.
Offen gesagt: Wir führen eine Währung ein, wir gründen eine Zentralbank und wir haben eine gemeinsame Währungspolitik, doch wir haben keine Wirtschaftsregierung, die diesen Namen verdient. Die Bemühungen zur Wahl eines Präsidenten aus den Reihen der Finanzminister, Herr Kommissar Almunia, waren nützlich, und ich war in die Entscheidung eingebunden, da ich damals selbst Finanzminister war. Außerdem möchte ich auch Jean-Claude Juncker für seine Arbeit und Ihnen für Ihre Arbeit meine Anerkennung aussprechen. Doch ich möchte eines sagen: Wenn die Krise ein solches Ausmaße annimmt, wie wir es erlebt haben, dann reicht ein Treffen der Finanzminister allein nicht aus und wird der Schwere der Krise nicht gerecht. Und als wir die Mittel aufbringen mussten, die wir aufgebracht haben, waren es nicht die Finanzminister, die wir mobilisieren mussten, sondern die Staats- und Regierungschefs, die allein die demokratische Legitimität besaßen, um so schwer wiegende Entscheidungen zu treffen.
Meine Damen und Herren, ich könnte noch viel mehr sagen. Doch zum Abschluss möchte ich nur sagen, dass die Welt ein Europa mit einer starken Stimme braucht. Diese Verantwortung ruht auf Ihren Schultern; sie ruht auf den Schultern der Kommission und auf den Schultern des Rats. Ich möchte Ihnen allen sagen, dass es für die Präsidentschaft sehr nützlich gewesen ist, abgesehen von den Differenzen die Solidarität eines Europäischen Parlaments zu spüren, das die Schwere der Krise von Anfang an erkannte und bereit war – und dafür gebührt Ihnen Dank –, über unsere unterschiedlichen Tendenzen hinauszugehen, um die Bedingungen für die Einheit Europas zu schaffen. Ich möchte Ihnen das sagen, weil es meine feste Überzeugung ist.
(Beifall)
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Europäische Rat der letzten Woche war der Höhepunkt einer Arbeit von beispielloser Intensität, um die Wirtschaftskrise in Europa zu bewältigen. Er hat die Gefahr von unkoordinierten Ad-hoc-Maßnahmen abgewendet, um zu einer gemeinsamen Position zu kommen, die darauf abzielt, die Stabilität des europäischen Finanzsystems wiederherzustellen. Ich möchte Präsident Sarkozy meinen Dank aussprechen, dessen Elan und unschätzbare Entschlossenheit es ermöglicht haben, dem Streben der 27 nach gemeinsamen Zielen und Grundsätzen die notwendigen Impulse zu geben.
Ich bin auch stolz auf den Beitrag der Kommission, die – wie Präsident Sarkozy bereits gesagt hat – immer Hand in Hand mit der französischen Präsidentschaft gearbeitet und überdies immer betont hat, dass nur eine europäische Antwort die notwendige Wirkung zeigen könnte.
Dieser Elan, den wir bei dem Europäischen Rat beobachtet haben und der es uns zudem ermöglicht hat, einen sehr wichtigen Pakt für die Einwanderung anzunehmen, muss uns auch bei der Führung der europäischen Agenda angesichts des bevorstehenden Europäischen Rats im Dezember leiten.
Wir müssen insbesondere eine Roadmap für den Vertrag von Lissabon ausarbeiten, um die Wahlen 2009 richtig vorzubereiten.
Im Hinblick auf das „Energie- und Klimapaket“ werden sehr große Anstrengungen notwendig sein, um bis Ende des Jahres ein Abkommen zu unterzeichnen. Die Kommission wird eng mit der Präsidentschaft zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden, die den Bedenken aller Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Wir zählen auf die weitere Unterstützung des Parlaments, um eine Einigung zu erzielen.
Doch ich möchte den Schwerpunkt meiner heutigen Rede darauf legen, was jetzt unser Hauptanliegen sein muss: die europäische Wirtschaft. Wir müssen an drei Dingen arbeiten: erstens an der Durchführung von Sofortmaßnahmen auf europäischer Ebene zur Überwindung der Finanzkrise; zweitens an der Reform des internationalen Finanzsystems und drittens an der Stärkung der so genannten „Realwirtschaft“, um die Folgen der Finanzkrise zu minimieren und die Bedingungen für eine Wiederbelebung von Wachstum und Beschäftigung zu schaffen.
Ich bin überzeugt, dass Europa kraft seiner Entscheidungen in der Lage ist, sein Gewicht bei der internationalen Reaktion auf die Krise in die Waagschale zu werfen. Der Gipfel von Camp David am letzten Wochenende hat deutlich gezeigt, was Europa erreichen kann, wenn es geschlossen auftritt. Es sollte uns klar sein, dass das nicht selbstverständlich war. Vor einem oder zwei Monaten war es noch unmöglich, dass sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika uns anschließt. Doch jetzt haben wir erreicht, dass sich unsere amerikanischen Partner uns anschließen, und ich glaube, dass wir die Bedingungen für eine grundlegende Reform des globalen Finanzsystems geschaffen haben.
Wir leben in der Tat in einer beispiellosen Zeit, die ein ebenso beispielloses Maß an Koordination erfordert. Für diese internationale Antwort brauchen wir eine echt europäische Antwort. Europa muss die internationale Antwort auf die internationalen Probleme mitgestalten. Die Regel der Globalisierung ist gerade die Achtung des Prinzips der Offenheit und der gegenseitigen Abhängigkeit. Europa darf die Globalisierung nicht erdulden, sondern muss sie mit seinen Werten gestalten und auch seine Interessen schützen. Mit Freude und Stolz habe ich festgestellt, dass Europa während dieser Krise unter Beweis gestellt hat, dass es diesen Herausforderungen gewachsen war.
Herr Präsident! Ich möchte Ihnen unsere Antwort auf diese Krise etwas näher erläutern.
Unsere erste Priorität bestand darin, als Kommission unsere Rolle bei der Rettung der in Schwierigkeiten geratenen Finanzinstitute zu spielen. Dabei konnten wir auf die hervorragende Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und mit der EZB zählen.
Unser nächster Schritt bestand darin, ein Paket mit präzisen, gezielten Maßnahmen vorzuschlagen, um bestimmte Mängel bei Eigenkapitalanforderungen, Einlagensicherungen oder Bilanzierungsregeln zu beheben. Hierbei war Schnelligkeit ein entscheidender Faktor; dem sind wir durch eine beschleunigte Arbeit gerecht geworden. Desgleichen war ich auch dankbar für die Schnelligkeit, mit der das Parlament seine Überlegungen zu den Änderungen der Bilanzierungsregeln abschließen konnte. Ich weiß, dass Ihnen vollkommen klar ist, dass die anderen vorgelegten Vorschläge ebenso dringend sind.
Wir haben auch geprüft, welche anderen Vorschläge aktualisiert werden müssen, um die Lücken im jetzigen Regelwerk zu schließen.
Der Vorschlag zu Ratingagenturen wird uns im nächsten Monat vorliegen. Wir werden einen Vorschlag für Managergehälter vorlegen, der auf einer Überprüfung unserer Empfehlung aus dem Jahr 2004 basiert. Wir werden prüfen, wie sich Derivate regulieren lassen. Wir werden mit dem Europäischen Parlament bei der Verfolgung Ihrer letzten Entschließungen konstruktiv zusammenarbeiten und uns die Auswirkungen auf das Arbeitsprogramm der Kommission für das Jahr 2009 ansehen. Kein Bereich der Finanzmärkte soll von dieser Überprüfung ausgeschlossen werden.
Ein wichtiger Beitrag für zukünftige Aktionen werden die Ergebnisse der hochrangigen Gruppe sein, die ich unter dem Vorsitz von Jacques de Larosière zur Untersuchung der grenzüberschreitenden Finanzaufsicht in Europa eingerichtet habe. Ich freue mich, Ihnen heute die Zusammensetzung dieser Gruppe bekannt geben zu können. Sie wird sich aus Leszek Balcerowicz, Otmar Issing, Rainer Masera, Callum McCarthy, Lars Nyberg, José Pérez Fernández und Ono Ruding zusammensetzen. Ich werde diese Gruppe bitten, erste Ergebnisse rechtzeitig für den Europäischen Rat im Frühjahr vorzulegen. Und ich werde heute Nachmittag mit Ihrer Konferenz der Präsidenten darüber sprechen, wie sichergestellt werden kann, dass das Parlament in diese Arbeit eingebunden wird.
Doch wie ich bereits gesagt habe, müssen wir auch die Reform des globalen Finanzsystems fördern. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Bretton-Woods-Institutionen mit dem Tempo der Integration der globalen Finanzmärkte nicht Schritt halten konnten.
Die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika wird entscheidend sein: Wie Sie wissen, haben die Europäische Union und die USA einen Anteil von fast 80 % an den Firmenkunden-Finanzmärkten. Diese Zusammenarbeit ist wichtig, nicht nur um diese Krise zu überwinden, sondern auch um eine neuerliche Krise zu verhindern. In dieser Hinsicht waren die Gespräche, die Präsident Sarkozy und ich letztes Wochenende mit Präsident Bush geführt haben, ein wichtiger Schritt nach vorn.
Doch das reicht nicht aus. Wir müssen andere wichtige Akteure mit ins Boot holen. Diese Woche werde ich nach China reisen, wo ich dieses Thema zusammen mit Präsident Sarkozy mit dem chinesischen Präsidenten und Premierminister und mit anderen asiatischen Partnern beim ASEAN-Gipfel besprechen werde. Wir benötigen eine kritische Masse von Akteuren, die sich beteiligen.
Das Ziel sollte die Entwicklung einer globalen Finanzordnung sein, die in puncto Effizienz, Transparenz und Repräsentation für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet ist.
Europa spielt eine Vorreiterrolle. Darauf können wir alle zusammen stolz sein. Und ich möchte gemeinsam mit diesem Parlament einen überzeugenden Beitrag zu dieser internationalen Debatte erarbeiten.
Doch es gibt auch das, was wir gemeinhin als Realwirtschaft bezeichnen; und wir alle wissen, dass sich die Anzeichen für einen schweren Konjunkturabschwung Tag für Tag mehren. Die Auswirkungen sind auf dem Arbeitsmarkt, bei den Haushaltseinkommen und in den Auftragsbüchern großer und kleiner Unternehmen zu spüren.
Eines muss klar sein: Es gibt keinen nationalen Weg aus dieser Krise, unsere Volkswirtschaften sind zu eng miteinander verflochten. Wir werden zusammen schwimmen oder zusammen untergehen. Wir dürfen den Lockrufen nach Protektion nicht nachgeben, wir dürfen der Globalisierung nicht den Rücken zukehren oder unseren Binnenmarkt gefährden. Dies wird auch in Zukunft der Wachstumsmotor in der Europäischen Union sein.
Wir können aber auch nicht wie gewohnt weitermachen. Europas Wirtschaft braucht einen Schub, um sich zu erholen, um weiter zu wachsen und um die Beschäftigung zu sichern. Zunächst einmal innerhalb Europas. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um langfristige Probleme in Angriff zu nehmen und für die künftigen Herausforderungen besser gerüstet zu sein. Wir müssen Europa zu einer Wissensgesellschaft machen und mehr in Forschung, Entwicklung und Innovation investieren. Der überarbeitete Stabilitäts- und Wachstumspakt lässt der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten genügend Flexibilität, um auf die derzeitigen außergewöhnlichen Umstände zu reagieren und Wachstum und Beschäftigung zu fördern.
Doch wir müssen auch über unsere Grenzen hinausschauen. Der Handel war für das europäische Wachstum in den letzten Jahren ganz entscheidend. Jetzt ist es an der Zeit, in Bezug auf den Marktzugang eine proaktive Haltung einzunehmen und dafür zu plädieren, dass Handelshemmnisse keinem helfen. Ich hoffe, dass wir alle die Lektion gelernt haben, dass Protektionismus die wirtschaftliche Erholung nur erschwert.
Die europäische Industrie muss unterstützt werden. KMU müssen die Möglichkeit haben, sich auf ihre Märkte zu konzentrieren. Deshalb haben wir beispielsweise vor kurzem vorgeschlagen, unsere kleinsten Unternehmen von übermäßigen Belastungen im Hinblick auf Rechnungslegungsvorschriften und statistische Berichte zu befreien.
Auch große Industriebetriebe benötigen Hilfe. Ich möchte sicher sein, dass wir europäische Programme wie unser Wettbewerbs- und Innovationsprogramm und das Forschungsrahmenprogramm optimal nutzen. Wir müssen die Synergien zwischen unserer Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und unserer Klima- und Energie-Agenda verstärken.
Gleichzeitig werden die Förderung von Investitionen in CO2-arme Technologien und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz unsere Wettbewerbsfähigkeit, unsere Energieversorgungssicherheit und unsere Klimawandel-Agenda unterstützen. Bei diesen Anstrengungen wird die Europäische Investitionsbank ein wertvoller Partner sein.
Auch die europäischen Bürgerinnen und Bürger brauchen Unterstützung, insbesondere die Schutzloseren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit weiter in Bildung investieren, neue Fähigkeiten entwickeln und die Menschen darauf vorbereiten, ihre Chancen zu nutzen, wenn sich dazu wieder die Möglichkeit bietet. Die Entwicklung unserer Sozialagenda für Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität ist wichtiger denn je. Wir müssen überprüfen, welche Rolle der Fonds zur Anpassung an die Globalisierung übernehmen kann.
In allen diesen Bereichen müssen wir intelligent handeln. Wir müssen aus jeder Maßnahme maximalen Nutzen ziehen. Intelligentes Handeln bedeutet, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum Beispiel Unterstützung der Bauindustrie ja, doch durch gleichzeitige Förderung von energieeffizienten Gebäuden. Nutzung staatlicher Beihilfen bei Bedarf ja, doch im Einklang mit den Leitlinien, die staatliche Beihilfen für Umweltschutz, Forschung und Entwicklung vorsehen. Unterstützung von Schlüsselindustrien wie der Automobilindustrie – warum nicht? Doch wir sollten sie dabei auf die Märkte von morgen vorbereiten, wo saubere Autos verlangt werden. Intelligente Unterstützung: Das ist es, was unsere Industrie braucht, nicht Protektionismus. Das möchte ich sehr deutlich unterstreichen.
Unsere im Dezember verabschiedete Lissabon-Strategie wird die Möglichkeit bieten, diese unterschiedlichen Stränge zusammenzubringen. Es gibt kein Wundermittel für den Turnaround der Wirtschaft in der Europäischen Union. Wir müssen jede Möglichkeit ergreifen und jede potenzielle Methode untersuchen, damit die Politik der Europäischen Union den Mitgliedstaaten helfen kann, jede Chance zu nutzen, um Europa auf den Wachstumspfad zu führen. Das ist unsere Aufgabe in den kommenden Wochen. Das bereiten wir derzeit vor, und es ist eine Aufgabe, die ich zusammen mit dem Europäischen Parlament in Angriff nehmen möchte.
Wir leben wirklich in historischen Zeiten: Die Krise stellt alle Sicherheiten infrage, und unser Denken ist offener für Veränderungen. Das sind sehr besondere Momente, die nicht alltäglich sind. Wir müssen verstehen, dass dies wirklich einer der Momente ist, die mehr Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Wenn wir dann echte Veränderungen herbeiführen können, sind dies die Momente, in denen wir wissen, dass sich die Entscheidungen von heute maßgeblich auf die Realität von morgen auswirken werden. Jetzt brauchen wir Veränderungen. Das bedeutet, nicht auf die Lösungen der Vergangenheit zurückzugreifen, sondern nach den Lösungen der Zukunft zu suchen, den Lösungen des 21. Jahrhunderts in einer globalisierten Welt.
Heute kann Europa die Grundsätze und Regeln vorschlagen, die eine neue Weltordnung gestalten werden. Wir haben die Chance, Vorschläge auf der Grundlage europäischer Werte, offener Gesellschaften und offener Volkswirtschaften vorzubringen. Wie ich dieses Wochenende in Camp David gesagt habe, brauchen offene Gesellschaften Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Offene Volkswirtschaften benötigen ebenfalls Regeln – die Regeln der Transparenz, der vernünftigen Regulierung und der vernünftigen Aufsicht.
In Krisenzeiten zeigt Europa sein wahres Gesicht. In Georgien konnte Europa einen Krieg beenden. In der Finanzkrise übernimmt Europa eine führende Rolle, um eine globale Lösung zu erreichen. In den kommenden Wochen müssen wir zeigen, dass wir in der Lage sind, den Kampf gegen den Klimawandel weiterhin anzuführen und eine Energiepolitik für die Zukunft zu entwickeln, denn das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern, unseren Volkswirtschaften und unseren Partnern rund um den Globus sowie den künftigen Generationen von Europäern schuldig.
(Beifall)
Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Diesen Sommer haben Europa und die Welt zwei große Krisen erlebt. Zweimal hat Europa gezeigt, dass es mit politischer Entschlossenheit und Geschlossenheit nicht nur in der Lage ist, schnell einen starken Standpunkt einzunehmen, sondern auch Einfluss auf seine Partner in der Welt ausüben und diese führen kann, zum Beispiel in Georgien.
Im Namen meiner Fraktion möchte ich hier im Parlament der französischen Präsidentschaft und ihrem Präsidenten, Herrn Sarkozy, meine Anerkennung für die hervorragende Arbeit während dieser beiden großen Krisen aussprechen. Er hat keinen Urlaub genommen, er hat seit dem Beginn seiner Präsidentschaft gearbeitet. Die jetzige Präsidentschaft der Union erweist Europa und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern einen großen Dienst. Sie stellt unter Beweis, dass Europa auf der internationalen Bühne Präsenz zeigen kann …
(Geflüster)
Herr Präsident, ich hätte es doch gern, wenn man mir zuhört.
Sie stellt unter Beweis, dass Europe es verdient, aufgebaut und gelebt zu werden. Darüber hinaus wurden beim letzten Europäischen Rat die Leitlinien der Länder der Eurozone einstimmig bestätigt – ob im Hinblick auf die Maßnahmen zur Einführung von Regulierungsmechanismen, die Überwachungsmechanismen oder die ethischen Regeln zur Unterbindung der „goldenen Fallschirme“. All das geht in die richtige Richtung.
Natürlich liegt die Finanzkrise noch nicht hinter uns, doch gerade in Krisensituationen können und müssen wir Regeln für die Zukunft festlegen. Hier und da höre ich, dass wir gerade den Zusammenbruch des Kapitalismus erleben, dass die freie Marktwirtschaft an allem Schuld sei. In Wahrheit hat sich die freie Marktwirtschaft zwar bewährt, muss jedoch von Regeln begleitet werden. Und diese Regeln waren eindeutig nicht in ausreichendem Maße vorhanden oder wurden nicht entschlossen genug angewendet. Genau daran und ich weiß nicht welcher ideologischen Herausforderung müssen wir arbeiten, mit der Hilfe der Zentralbanken und mit der gesamten internationalen Gemeinschaft.
Diesbezüglich begrüße ich auch die Initiative der Präsidentschaft, unsere Partner zur Festlegung einer neuen globalen Wirtschafts- und Finanzordnung an einen Tisch zu bringen. Wir müssen gewährleisten, dass die Anstrengungen kleiner Sparer nicht über Nacht zunichte gemacht werden. Wir müssen sicherstellen, dass Unternehmer, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, ihre Geschäftstätigkeit – eine Quelle für Beschäftigung und Wachstum – zu angemessenen Sätzen weiter finanzieren können.
Unsere Fraktion wird alle Maßnahmen unterstützen, die darauf abzielen, die europäische Solidarität und das Modell der sozialen Marktwirtschaft zu schützen, deren großen Nutzen wir in Krisenzeiten voll und ganz zu schätzen wissen. In Bezug auf den Vertrag von Lissabon möchte ich diejenigen Mitgliedstaaten, die diesen noch nicht ratifiziert haben, erneut auffordern, dies so schnell wie möglich nachzuholen, damit wir eine umfassende Übersicht über den endgültigen Stand der Ratifizierung haben.
Wenn wir dies fordern, dann deshalb, weil Europa unserer Ansicht nach Schwierigkeiten haben wird, mit dem Einstimmigkeitsprinzip und ohne eine stabile Präsidentschaft effektiv zu arbeiten. Wir hoffen, dass der Europäische Rat im Dezember eine Roadmap und einen realistischen, doch auch anspruchsvollen Zeitplan zur Bewältigung der Krise festlegen wird. Ich möchte auch hinzufügen, dass der Vertrag von Nizza, wenn er in den kommenden Monaten weiterhin Gültigkeit haben sollte, für das Europäische Parlament ebenso wie für die Europäische Kommission gelten sollte. Daher fordere ich jeden in diesem Haus dazu auf, seiner bzw. ihrer Verantwortung nachzukommen. Die Kommission, die im Herbst 2009 ihre Arbeit aufnehmen und deren Präsident vom Parlament am 15. Juli ernannt wird, wird sich aus weniger Kommissaren als Mitgliedstaaten zusammensetzen. Das ist das, und dann gibt es noch den Vertrag von Nizza und ein Parlament mit weniger Sitzen und weniger Befugnissen und eine Kommission mit weniger Kommissaren.
Der Europäische Rat hat den Europäischen Pakt zu Einwanderung angenommen. Das ist ein großer Erfolg, doch es warten noch viele neue und unterschiedliche Herausforderungen auf uns: Klima, Energie, Verteidigung, um nur einige zu nennen. Nur durch die Arbeit auf der Grundlage unseres Sozialmodells und durch die Konsolidierung unserer sozialen Marktwirtschaft werden wir in der Lage sein, glaubwürdige und nachhaltige Antworten für unsere Generationen zu geben. Herr Sarkozy, ich fordere zu Fortschritten bei unserer Arbeit auf. Im Parlament werden wir unserer Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass wir bis Ende des Jahres auch hier eine glaubwürdige Vision für die Welt und für die Zukunft unserer Kinder und Enkel erreichen.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben am Wochenende ein Bild gesehen, das in der Tat ein historisches Bild war. Wir sahen den schlechtesten Präsidenten der Vereinigten Staaten seit Menschengedenken, eingerahmt durch einen effektiv handelnden Präsidenten der Europäischen Union und den Präsidenten der EU-Kommission, der auf dem Weg ist, Vernunft anzunehmen, was die Politik im europäischen Binnenmarkt angeht.
In der Tat ein historischer Moment und in der Tat eine große Chance für Europa, seinen angemessenen Platz in der internationalen Politik einzunehmen. Die Politik der Bush-Administration, der völligen Deregulierung der Weltmärkte, des völligen Laisser-faire eines jeden an jedem Platz mit egal welcher Maßnahme ist bankrottgegangen, und Europa hat die Chance, das Vakuum, das entstanden ist, durch eine neue, eine sozialere Wirtschaftsordnung in Europa und in der Welt zu füllen. Das ist die Aufgabe, die wir vor uns haben, und die ist in der Tat historisch.
(Beifall)
Die ersten Schritte, Herr Sarkozy, sind gut. Sie haben die Maßnahmen, die in der Krise notwendig waren, ergriffen, und deshalb steht unsere Fraktion in dieser Frage hinter Ihnen. Ich will nicht verhehlen, dass wir beeindruckt sind, auch von der Entschlossenheit, die Sie und – ich will das ausdrücklich sagen – auch Herr Barroso persönlich, nicht aber seine Kommission, an den Tag gelegt haben.
Wir müssen, wenn ich davon spreche, die Chancen zu nutzen, an den Anfang der Aktionen, die jetzt notwendig sind, einen Satz setzen: Never more! Was sich auf diesen Märkten abgespielt hat, darf sich nicht mehr wiederholen. Das Desaster der internationalen Finanzmärkte, die Krise der Realökonomie, die dadurch ausgelöst worden ist, bedarf eines Endpunktes. Das darf sich nicht wiederholen!
Und damit es sich nicht wiederholt, brauchen wir neue Regeln. Diese neuen Regeln brauchen wir auch von Ihnen, Herr Barroso. Mein Kollege Poul Nyrup Rasmussen wird gleich konkret beschreiben, was wir von Ihnen erwarten. Wir erwarten bis zum Jahresende die Vorschläge, die Sie eben angekündigt haben, weil wir schnell handeln müssen. Wir haben nicht viel Zeit!
Wenn wir schnell handeln, dann stehen im Mittelpunkt Regeln, und zwar nicht nur Regeln für die Banken, sondern wir brauchen auch Regeln für die Hedge Funds und für die Private Equities. Das haben wir hier vor wenigen Wochen in großer Einmütigkeit beschlossen.
Nun habe ich sozialdemokratische Reden gehört: Nicolas Sarkozy, langjähriger Chef der UMP, konservativer Staatspräsident von Frankreich, redet wie ein aufrechter europäischer Sozialist!
(Beifall)
José Manuel Durão Barroso in einem späten Nachklang seiner trotzkistischen, seiner maoistischen Vergangenheit redet wie ein wahrer Linker! Und Joseph Daul – wenn ich ihm zuhöre –, das ist ja schon die pure Sozialdemokratie! Beitrittsformulare zur PSE liegen am Eingang aus!
(Allgemeines Gelächter)
Aber ich will Ihnen jetzt einmal ein Zitat vorlesen – spitzen Sie einmal die Ohren, meine Herren!
(Zwischenruf: Damen!)
„In den letzten Jahrzehnten wurden einige unserer Mitgliedstaaten sowie die Europäische Union als Ganzes zu überreguliert und abgeschottet. Diese Überregulierung untergräbt unsere Wettbewerbsfähigkeit!“ Das ist das Manifest der Europäischen Volkspartei aus dem Jahr 2006, unterschrieben von Nicolas Sarkozy, José Manuel Durão Barroso und Joseph Daul. Ihr kommt spät, Kollegen! Aber Gott sei Dank kommt Ihr!
(Beifall)
(Zwischenruf: Pöttering auch!)
Ich frage mich, wenn ich darüber mit Ihnen diskutiere, wo bleiben eigentlich in Ihren Reden die kleinen Leute in der Europäischen Union? Wer redet eigentlich über die Steuerzahler, denen wir jetzt die Risiken dieses Desasters aufbürden? Wer redet eigentlich über die Kaufkraft, die wir brauchen, um den Binnenmarkt wieder zu stimulieren?
Wir gehen in eine Phase der Rezessionsgefahr, wenn wir nicht schon in der Rezession sind. Wir brauchen mehr Kaufkraft! Wir brauchen nicht nur einen sozialen Schirm für die Banken, wir brauchen vor allen Dingen Risikoabsicherungen für die kleinen Menschen, denn wenn das schief geht, was wir hier planen – und es gibt keine Alternative –, dann zahlen vor allen Dingen die kleinen Leute in der Europäischen Union, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deshalb wollen wir, dass durch mehr Regeln, durch mehr Kontrolle und übrigens auch durch staatlichen Schutz diese kleinen Leute ebenso geschützt werden, wie wir das für die großen Banken tun. Das ist die zentrale Forderung, vor allen Dingen auch in den Mitgliedstaaten.
(Beifall)
Und ich will Ihnen noch ein Zitat vortragen: „Der Staat muss sich zurückziehen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik.“ Angela Merkel, auf dem Parteitag der CDU im Jahr 2000. Nein, der Staat muss sich nicht zurückziehen, er muss mehr intervenieren, mehr kontrollieren in der Wirtschaft. Danke an José Manuel Durão Barroso und Nicolas Sarkozy, dass Sie sagen: Ja, wir brauchen mehr Regeln, wir brauchen nicht weniger Regeln, wir brauchen mehr Kontrolle, wir brauchen nicht weniger Kontrolle! Sie sind auf dem richtigen Wege. Deshalb will ich Ihnen eines sagen: Auch auf dem richtige Weg sind Sie, wenn Sie es nicht zulassen – und da haben Sie unsere Unterstützung –, dass das Klimapaket, das übrigens Arbeitsplätze schaffen kann, das nachhaltiges Wirtschaften ermöglicht, in der jetzigen Situation gegen die Finanzkrise ausgespielt wird.
Jean-Claude Juncker hat zu Recht gesagt: Die Finanzkrise wird vorbeigehen, die Klimakrise bleibt, leider! Deshalb ist es ein Fehler, das eine gegen das andere auszuspielen. Aber Sie haben Recht, Herr Sarkozy, auch das muss auf der Grundlage der gegenseitigen Solidarität der Starken mit den Schwachen und der Zusammenarbeit aller sowohl hier im Parlament als auch im Rat gelöst werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen herzlich – auch Ihnen, Herr Präsident, dass Sie mir eine Minute mehr gegeben haben. Eine klare Aussage der Sozialdemokratie bleibt: In dieser Krise sind die Werte, für die wir hier in diesem Parlament nie eine Mehrheit hatten, weil Sie sie verhindert haben, auf der Tagesordnung. Wenn Sie jetzt zustimmen, dann haben Sie endlich gelernt, aber geben Sie zu, dass es Ihre, vor allen Dingen Ihre Fehler waren, die dazu geführt haben, dass wir die Regeln, die wir brauchen, noch nicht haben!
(Beifall von links, Protestrufe von rechts)
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Meine Ausführungen richten sich an den amtierenden Ratspräsidenten. Herr Ratspräsident, Sie haben uns warme und ermutigende Worte vom Rat der letzten Woche mitgebracht. Sie haben gesagt, dass Rat und Parlament Hand in Hand arbeiten müssen – „travailler main dans la main“ –, doch unsere Aufgabe ist es, das Kleingedruckte zu lesen.
Warum beziehen sich die Schlussfolgerungen des Rates nur auf die Zusammenarbeit zwischen dem Rat und der Kommission?
(Beifall)
Warum ist in allen Absätzen zum Klimawandel überhaupt nicht die Rede vom Europäischen Parlament? In Absatz 16 dieses Dokuments hätten Sie das Europäische Parlament – nicht nur die Kommission – zur Zusammenarbeit mit Ihnen auffordern und erkennen sollen, dass Rat und Parlament entscheiden, nicht der Rat allein. Außerdem werden Sie, Herr Ratspräsident, feststellen, dass Sie das Europäische Parlament brauchen, weil einige Mitgliedstaaten versuchen, korrekt erzielte Vereinbarungen zunichte zu machen. Europa muss seine ausgehandelten Ziele einhalten. Es ist nicht aufrichtig, wenn einige Regierungen sagen, dass sich diese Vereinbarungen aufgrund des neuen Wirtschaftsklimas nicht erreichen lassen. Die neuen Emissionsziele für die Automobilindustrie werden erst 2012 in Kraft treten: Die vorgeschlagenen Emissionshandelsziele gelten erst nach 2013, also lange, nachdem sich die Weltwirtschaft den Prognosen zufolge wieder erholt hat. Wenn wir unser Handeln jetzt noch weiter auf die lange Bank schieben, dann öffnen wir der Klimakatastrophe Tür und Tor, und die Rechnung wird noch höher. Wir brauchen mehr als das, was der Rat letzte Woche vereinbart hat.
Herr Ratspräsident, Sie haben zu Recht die Macht der Märkte anerkannt. Seit dem Fall der Berliner Mauer sind 50 Millionen Europäer aus den Fängen der Armut befreit worden, weil der freie Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr für Europas Wohlstand ausschlaggebend ist. Darüber hinaus ist er unerlässlich für unsere Freiheit. Heute sehen wir, was passiert, wenn die Märkte nicht genügend zur Rechenschaft gezogen werden. In den letzten Wochen hat das globale Finanzsystem in einen Abgrund geblickt, und wir brauchen eine konzertierte Aktion, um es wieder zurückzuziehen. Daher begrüßt meine Fraktion die vom Rat festgelegte Konsolidierung der Maßnahmen, welche von der Eurozone vereinbart wurden. Sie haben den Druck abgebaut, der auf dem Interbankenmarkt lastet. Nun müssen wir die Zinsen senken, um die Rezession abzufedern.
Wir begrüßen auch die Eigenkapitalrichtlinie der Kommission, die neuen Rechnungslegungsstandards und die Pläne zur Beaufsichtigung der Rating-Agenturen. Europa muss auch eine führende Rolle bei der Aushandlung eines globalen Systems der Finanzordnung übernehmen. Ebenso notwendig wie die Regeln sind die Mittel, um sie durchzusetzen. Dem Gipfel ist es nicht gelungen, sich auf ein wirksames System für die Überwachung des Finanzsystems in Europa zu einigen. Ich habe für eine europäische Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen plädiert, und es gibt Gerüchte, wonach auch der Ratspräsident eine strenge Überwachung auf europäischer Ebene befürwortet. Sie sollten unbedingt versuchen, eine globale Einigung mit den Amerikanern zu erzielen, doch wenn sie nicht mitziehen wollen, sollten Sie alleine weitermachen. Die Beaufsichtigung der Finanzdienstleistungsbranche ist nach wie vor das fehlende Puzzlestück.
Herr Ratspräsident, Sie sind doch ein Mann der Tat! Ihre Taten sind überzeugende Argumente für einen hauptamtlichen Ratspräsidenten. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf unsere Erfolge. Im August konnte Europa die Panzer aus Tiflis heraushalten. In diesem Monat hat Europa dafür gesorgt, dass die Banken weiterhin handlungsfähig sind. Wenn Europa im Dezember handelt, um den Planeten zu erhalten, dann sollten wir auch die größten Skeptiker davon überzeugen, dass wir den Vertrag von Lissabon brauchen.
(Beifall)
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Ich wäre der Letzte, der nicht erkennt, dass Energie und Entschlossenheit in der Politik notwendig sind; und es stimmt, dass die französische Präsidentschaft ein Maß an Energie und Entschlossenheit an den Tag gelegt hat, das Europa gut getan hat.
Nur manchmal habe ich das Gefühl, dass ich träume. Ich habe das Gefühl, dass ich träume, wenn über Krisen gesprochen wird, weil alle Krisen – die Finanzkrise, die ökologische Krise, der Hunger in der Welt – voneinander abhängen. Und wir können keine Krise lösen, ohne die anderen zu lösen. Auf dieser Grundlage ist es falsch zu behaupten, dass die Krise im Juli, September oder August begonnen hat! Sie hat vor Jahren begonnen – und ein bisschen Selbstkritik vonseiten eines früheren französischen Finanzministers, ein bisschen Selbstkritik vonseiten dieser Kommission, die noch vor einem Jahr eine europäische Regulierung der Finanzströme gänzlich abgelehnt hat, würde sie in der Zukunft glaubwürdiger machen…
(Beifall)
Es ist wie in einem Traum! Es ist so, als sei die gegenwärtige Krise eine Naturkatastrophe, die nicht absehbar war. Nein, das stimmt nicht – und auf dieser Grundlage kann man diskutieren.
Die Logik der Krisen ist die folgende, einfache Logik: immer mehr, so schnell wie möglich. Das hat die Finanzkrise verursacht, das verursacht die ökologische Krise, und das ist der Grund dafür, dass der Hunger auf der Welt zunimmt. Auf dieser Grundlage sollten wir aufhören, über unkontrolliertes Wachstum zu sprechen… das bedeutet, es kommt auf den Inhalt des Wandels an. Ich fand es doch interessant, dass alle über eine radikale Reform des Kapitalismus und der Marktwirtschaft gesprochen haben, doch dass ich heute nicht gehört habe, was die Gründe für diese radikale Reform sind. Wir brauchen eine ökologische Marktwirtschaft und eine soziale Marktwirtschaft, wir müssen also die Grundlagen unseres Produktionsverfahrens, unseres Lebensstils, in Frage stellen. Wenn wir uns diese schwierigen, sehr schwierigen Fragen nicht stellen, steuern wir erneut auf eine Katastrophe zu.
Wenn Sie, Herr Sarkozy, also beispielsweise sagen, dass Hilfe zur Förderung der Automobilindustrie erforderlich ist, dann verstehe ich nicht, dass seitens der Deutschen gleichzeitig der Wunsch nach Rabatten für die Automobilindustrie in Bezug auf CO2, mit anderen Worten, nach einer Gesetzgebung in der Sparversion, besteht, und dieser zusätzlich noch Geld gegeben werden soll. Der Automobilindustrie. Insbesondere der deutschen Automobilindustrie, die in den letzten 10 Jahren die größten Gewinne gemacht hat. Sie ist doch diejenige, die Gelder in Steuerparadiesen anlegen wird. Also geben wir Mercedes, BMW und Audi Geld, damit sie wiederum ihr Geld in Steuerparadiesen anlegen können. Dem stimme ich nicht zu.
(Beifall)
So ist es, denn als Sie, Herr Schulz, gerade eben mit Ihren Kollegen von der Rechten gesprochen haben, war ich im Gespräch mit meinen Kollegen von der Rechten und von der Linken – Sozialdemokraten und Christdemokraten gleichermaßen –, die der Lobbyarbeit der deutschen Automobilindustrie zur Reduzierung der Klimakriterien zugestimmt haben. Doch, Herr Schulz, so ist es.
(Beifall)
Auf dieser Grundlage … doch, ich habe vollkommen Recht. Sie können sich bei diesem Thema verstecken, Herr Sozialdemokrat, Sie können sich verstecken, doch es war Ihrer Politik unwürdig.
Ich möchte mit diesem Punkt fortfahren, ich möchte mit einer sehr wichtigen Frage fortfahren, nämlich der des Wachstums (Gespräche außerhalb des Mikrofons). Seien Sie ruhig, ich spreche jetzt. Wenn Sie „Wachstum“ sagen, ist es meiner Meinung jetzt wichtig, über die Art des Wachstums und die Art und Weise, wie es zu erreichen ist, zu sprechen. Da der Staat inzwischen Anteile an den Banken erworben hat – Teilverstaatlichung usw. – müssen wir nun darüber sprechen, wie wir investieren werden. Wie und warum werden wir investieren?
Hier geht es um Inhalte. Wenn wir in die Umweltzerstörung investieren, dann tun wir doch das Gleiche wie früher. Deshalb müssen wir, wie Sie zu Recht sagen, über einen europäischen Konjunkturplan diskutieren, aber einen ökologischen Konjunkturplan für Europa, das, was die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz als Green Deal bezeichnet, und nicht über einen x-beliebigen Plan.
Zum Abschluss möchte ich noch zwei Dinge sagen. Zum Thema Steuerparadiese – Sie waren einmal Finanzminister: Hier muss die Erklärungspflicht umgekehrt werden. Das heißt, wenn eine Person, ein Unternehmen oder eine Bank Geld in einem Steuerparadies anlegt, dann muss dieses Steuerparadies dem Herkunftsland das angelegte Geld erklären. Umdrehen, was…Die Transparenz ist ein Anfang, wenn man gegen Unternehmen vorgehen möchte, die Steuerparadiese nutzen. Das ist eine wichtige Entwicklung, die uns nach vorne bringen würde.
Zum Schluss möchte ich noch über das Klimapaket sprechen. Herr Sarkozy, Sie haben – Herr Watson hat Recht – einen institutionellen Putsch organisiert, indem Sie erklären, dass eine solche Entscheidung vom Europäischen Rat getroffen würde, der sie einstimmig treffen muss. Sie haben mit den Vetos von Deutschland, Italien und Polen die Büchse der Pandora geöffnet, statt die Dinge so zu belassen, wie sie waren, das heißt mit der Abstimmung der parlamentarischen Ausschüsse, mit der Stellungnahme der Kommission und mit dem Rat der Umweltminister. Wir hatten die Möglichkeit, auf dem Weg der Mitentscheidung über ein Klimapaket zu entscheiden, durch eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit. Indem Sie das auf Dezember verschoben haben, haben Sie die Mitentscheidung und eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit zunichte gemacht. Sie werden einen sehr hohen Preis dafür zahlen, weil Sie nun dem Veto der Länder ausgesetzt sind, die ich gerade erwähnt habe.
Daher unterstütze ich Ihre Entschlossenheit für Europa, Ihren Einsatz für Europa und die Tatsache, dass wir Fortschritte machen müssen und dass Europa unabhängig sein muss, doch gleichzeitig haben wir immer noch sehr unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf das „Wie“, die europäische Demokratie und die ökologischen Inhalte des notwendigen Aufschwungs.
(Beifall)
Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir möchten unsere volle Unterstützung mit den Erklärungen des Herrn Präsidenten zum Ausdruck bringen. Wir würdigen die von der Präsidentschaft in diesen schwierigen Monaten geleistete Arbeit und begrüßen die Vorschläge, die unterbreitet wurden. Dennoch möchten wir den Präsidenten der Kommission daran erinnern, dass er im Hinblick auf gewisse Annahmen, die wir sehr wohl unterstützen können, die Verantwortung für den von bestimmten Kommissaren eingeschlagenen Kurs übernimmt, einschließlich der Kommissarin für Wettbewerb, deren Anmerkungen zur Paraffin-Problematik eindeutig nicht zur Erhöhung der Sicherheit oder zur Beruhigung der Märkte beigetragen haben.
Aus unserer Sicht hätte die Kommission auch bei Derivaten schneller reagieren müssen, Produkten, die viele Bürgerinnen und Bürger sowie viele Regierungen und EU-Mitgliedstaaten in die Knie gezwungen haben. Die Erklärungen von Herrn Sarkozy stoßen bei denjenigen von uns auf Anklang, die sich ein Europa wünschen, dessen Präsident nicht alle sechs Monate wechselt, sondern der als Vertreter eines wirklich vereinigten – nicht homogenen, doch vereinigten – Europas agieren kann, das in der Lage ist, Probleme in Geschlossenheit zu erkennen und Strategien für ihre Bekämpfung und insbesondere ihre Lösung zu formulieren. Diese Krise ist ohne Zweifel systemisch; doch zur Bekämpfung einer systemischen Krise müssen wir ein neues System entwickeln und – bei allem gebotenen Respekt für Sie, Präsident Sarkozy – den globalen Kapitalismus neu gründen.
Vielleicht sollten wir mehr dazu sagen. Wir sollten sagen, dass der freie Markt nicht extremen Liberalismus bedeutet und dass in der heutigen Welt ein System, das sich auf das Kapital stützen möchte, in der Lage sein muss, soziale und liberale Aspekte zu verbinden. Wir haben Banken, die Insolvenz angemeldet haben, und Banken, die kurz davor stehen. Wie viel mehr hätte unsere Europäische Zentralbank bewirken können, wenn wir Ihren Vorschlag, Herr Präsident, den Sie noch vor Ihrem Amtsantritt gemacht haben, umgesetzt hätten, nämlich ein engeres Verhältnis zwischen der politischen Führung und den treibenden Wirtschaftskräften aufzubauen. Man kann die Wirtschaft nicht ohne eine politische Vision führen, welche die angestrebten Ziele vorgibt.
Wir hoffen, dass die EZB in Zukunft eine stärkere Kontrolle über die Qualität des Finanzsystems ausüben kann, doch wir wollen nicht, dass sie in einer „Splendid Isolation“ abgeschlossen ist. Abschließend möchte ich sagen, Herr Präsident, dass ich über die Annahme des Pakts zu Einwanderung und Asyl sehr erfreut bin. Endlich haben wir gemeinsame Regeln in einem Bereich, der uns alle betrifft und bei dem wir besonders geschlossen auftreten sollten. Wir hoffen, dass die straf- und zivilrechtlichen Sanktionen bei bestimmten drängenden Fragen harmonisiert werden können, um Profiteure und diejenigen zu bekämpfen, die die Verbrauchersicherheit und damit auch die Stabilität der Wirtschaft aufs Spiel setzen. Vielen Dank, Herr Präsident. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Noch nie in der Geschichte des Europäischen Parlaments mussten wir auf eine mehrdimensionale Krise von solcher Tragweite und Schwere reagieren, und es steht zu befürchten, dass das Schlimmste noch kommt.
Erstens stehen einige Länder des Südens, im Prinzip Partner der Europäischen Union, am Rande des Abgrunds: Zu der Nahrungsmittel-, Umwelt- und Energiekrise kommt jetzt noch die Finanzkrise. Diese Länder haben nichts mit ihr zu tun, werden aber hart von ihr getroffen. Sinkende Einnahmen, geringere Investitionen, rückläufiges Wachstum: Sie sind diejenigen, die von den internationalen Anstrengungen am stärksten außer Acht gelassen werden, sodass der Generaldirektor der FAO, Jacques Diouf, gezwungen war, darauf hinzuweisen, dass bislang nur 10 % der von den größten Mächten im Juni zugesagten Nothilfemittel zugewiesen worden seien. Diejenigen, die den Kapitalismus aufräumen möchten, stehen vor einer enormen Aufgabe.
Die Schwellenländer sind ihrerseits von der Krise betroffen, wobei sich die damit einhergehenden sozialen Folgen noch nicht abschätzen lassen. Direkt vor unserer Haustüre droht einem Staat, der bis vor kurzem noch als Erfolgsmodell präsentiert wurde, nämlich Island, der Bankrott. Innerhalb der Union kämpfen die neuen Mitgliedstaaten wie beispielsweise Ungarn – die nicht einmal mehr ihre Schuldverschreibungen platzieren können – mit äußerst schwerwiegenden Problemen, die zu beispiellosen Opfern für ihre Bevölkerung führen werden. In Ländern wie Großbritannien, Irland und Spanien, die gerade noch als Beispiel genannt wurden, kam es ebenfalls zu einem spektakulären Umschwung. Der Schock war überall erheblich. Dies wird vermutlich auch in Frankreich der Fall sein, wenn die Rezession das extrem angespannte soziale Klima noch verschärft, das sich ohnehin bereits durch massiven Stellenabbau, sinkenden Staatsausgaben, akuten Finanzmangel der lokalen Behörden und die Privatisierung des öffentlichen Dienstes manifestiert.
Dies ist ein anderes Thema, könnten Sie sagen. Das ist es nicht, denn wenn jedes unserer Länder von einer sozialen Krise von unvorstellbarem Ausmaß bedroht ist, dann ist das auf ein Entwicklungsmodell zurückzuführen, für das unsere Bürgerinnen und Bürger heute einen hohen Preis zahlen müssen. Das Modell wurde in den USA und im Vereinigten Königreich entwickelt, doch die Europäische Union hat es sich vor mehr als zwanzig Jahren zu Eigen gemacht, als sich das internationale Kräfteverhältnis verschob. Seither wird uns dieses Modell Monat für Monat von der Kommission angedient, und genau dieses Modell durchdringt unsere Verträge, die Rechtsprechung des Gerichtshofs und eine Vielzahl unserer politischen Maßnahmen.
Deshalb kann ich, Herr Sarkozy, Ihre Diagnose des schrecklichen Übels, das derzeit an unseren Gesellschaften nagt, nicht teilen. Der Funke, der das Feuer entfacht hat, ist zweifelsohne in New York zu suchen; doch das Benzin, das Feuer gefangen hat, ist ebenso hier in Europa wie in den USA zu finden. Alle Politiker, die in den vergangenen 20 Jahren am strategischen Richtungswechsel Europas mitgewirkt haben, schulden unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine Erklärung. Sie dürfen nicht glauben, dass sie sich der Verantwortung heute entziehen können, indem Sie Maßnahmen ergreifen in Bezug auf Rechnungslegungsvorschriften, finanzielle Überwachung der Rating-Agenturen oder „goldene Fallschirme“ – auch wenn diese natürlich notwendig sind.
Darüber hinaus muss jedoch das Herzstück des Systems geändert werden: Geld für Gewinn und Gewinn für Geld, diese furchtbare Spirale, die zur Entwertung der Arbeit, zur Deflation von Löhnen und Gehältern, zur Kürzung der Sozialausgaben, zur Verschwendung der Ressourcen unseres Planeten und zur Ausgrenzung eines enormen Teils der Weltbevölkerung beiträgt. Indizes lügen nicht: Nur 2 % der monetären Transaktionen betreffen heute die Produktion von Gütern und Dienstleistungen; 98 % beziehen sich auf Finanzen. Das Übel an der Wurzel packen bedeutet von nun an, Maßnahmen zur Bekämpfung der immer drastischeren Renditekriterien zu ergreifen, die völlig unvereinbar sind mit der Förderung menschlicher Potenziale ohne Diskriminierung und mit einer wirklich nachhaltigen Entwicklung.
Gleichermaßen sollte ein Bretton Woods II, das den Namen wirklich verdient, auf die Einführung einer kollektiven Kontrolle der weltweiten Geldschöpfung abzielen, bei der die falsche internationale gemeinsame Währung, der Dollar, durch eine echte internationale gemeinsame Währung ersetzt wird, die als Hebel zur Korrektur der unerträglichen Ungleichheiten dient, welche die Welt destabilisieren, und zudem zu einer ausgewogenen Entwicklung der Menschheit und des Planeten beiträgt. Wir sind so weit davon entfernt, dass es zum jetzigen Zeitpunkt besser ist, übermäßige Superlative in Bezug auf die aktuellen radikalen Reformen zu vermeiden – sofern die plötzliche Bereitschaft der europäischen Führungskräfte, die Welt zu verändern, nicht von dem Motto des Prinzen Salina in Der Leopard inspiriert wird: „Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist“. Dennoch laufen sie Gefahr, in Kürze ein böses Erwachen zu erleben.
(Beifall)
Nigel Farage, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – Herr Präsident! Meine Ausführungen richten sich an den amtierenden Ratspräsidenten. Präsident Sarkozy, es war Ihre Energie, Dynamik und Initiative, die Sie nach Georgien und Russland geführt hat, um dort einen Vermittlungsversuch zu unternehmen. Sie haben das auf eigene Faust getan. Sie haben nicht im Namen der Europäischen Union gehandelt. Es ist eine Täuschung, wenn jemand hier so denkt. Es hatte keine Tagung des Rates gegeben; es gab keine Entschließung und es gab kein Mandat. Sie haben das als französischer Präsident getan und wirklich toll gemacht.
Doch wenn Sie nun vorschlagen, dass dies das Modell ist, nach dem wir in Zukunft unsere außenpolitischen Angelegenheiten entscheiden sollten – die Idee, dass ein ständiger Präsident oder ein ständiger Außenminister einfach beschließt, wie die Außenpolitik von uns allen aussehen sollte, und loslegt, ohne die nationalen Regierungen und nationalen Parlamente zu berücksichtigen – dann muss die Antwort lauten: Nein, vielen Dank.
Was die Finanzkrise anbelangt, bin ich froh, dass Ihr ursprünglicher Plan, dass alle ihr Geld zusammenlegen, gescheitert ist. Es war gut, dass die Iren, die Griechen und die Deutschen in ihrem eigenen nationalen Interesse gehandelt haben. Bei dem Gipfel ging es eher darum, dass sich Nationalstaaten untereinander einigen – was völlig in Ordnung ist und worüber ich mich freue.
Ich habe heute niemanden gehört, der anerkennt, dass diese Finanzkrise letztendlich auf ein Scheitern der Regulierung zurückzuführen ist. Wir hatten keinen Mangel an Regelungen: Im Rahmen des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen der letzten 10 Jahre hatten wir doch eine wahre Flut von Regelungen. Sie haben der Wettbewerbsfähigkeit von Finanzplätzen wie London geschadet und haben keinen einzigen Investor geschützt. Also bitte, eine noch stärkere Regulierung ist nicht die Antwort. Wir müssen überdenken, was wir getan haben.
Ich glaube, dass wir anfangen müssen, in unserem eigenen nationalen Interesse zu handeln. Die Tatsache, dass unsere Banken in den kommenden fünf Jahren keine Dividenden zahlen können, während die Schweizer Banken dazu in der Lage sind, beweist: Wenn man über die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eines Nichtmitglieds der Europäischen Union verfügt, kann man Finanzkrisen weitaus besser überstehen, als wenn man in dieses Korsett eingezwängt ist.
Bruno Gollnisch (NI). – (FR) Herr amtierender Ratspräsident und Präsident der Französischen Republik! Wir sprechen über die Palliativmedizin für die Kranken, sagen jedoch nichts über die Ursachen der Krankheit. Wie kann es sein, dass keine EU-Institution die jetzige Krise hat kommen sehen? Weder der Rat noch die Kommission noch die Zentralbank, nicht einmal, meine Damen und Herren, unser Parlament oder eine der Regierungen der Mitgliedstaaten. Ja, die Krise wurde nur von einigen wenigen Wirtschaftswissenschaftlern, wie z. B. dem Nobelpreisträger Maurice Allais, und Politikern, größtenteils aus den Reihen unserer politischen Couleur, vorhergesehen, zu denen einmal mehr Jean-Marie Le Pen gehörte. Leider war es „die Stimme des Predigers in der Wüste“.
Die Krise ist jedoch eindeutig eine Krise des Euro-globalisierten Systems, des unkontrollierten Freihandels und der erschreckenden Trennung zwischen finanzieller Fiktion und den Realitäten unserer rückläufigen Volkswirtschaften und Industrien, die in Zukunft das Ziel von Staatsfonds aus Drittländern sein könnten, die aus der aktuellen Situation Nutzen ziehen. Selbst Ihre Arbeit, Herr Sarkozy, zeugt von der Fehlanpassung der Union: Ein Treffen von 4 anstelle von 27 Mitgliedstaaten am Samstag, den 4. Oktober; ein bilaterales Treffen mit Deutschland am 11. Oktober; ein Treffen von nur 15 Mitgliedern der Eurogruppe; ein Treffen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, um ihn davon zu überzeugen, ein weiteres Treffen zu organisieren, dessen Ziel theoretisch darin besteht, das gesamte System radikal zu reformieren, und zu dem – wenn wir das richtig verstanden haben – nur 6 der 27 EU-Mitgliedstaaten, die USA, Japan, Russland, Indien und China eingeladen wurden.
Ich möchte den Nutzen dieser Treffen nicht vorverurteilen. Ich sage nur, dass dies eine Rückkehr zur bilateralen oder multilateralen Diplomatie ist. Es stellt eindeutig unter Beweis, dass die Union angesichts ihrer unterlassenen Reaktion, ihrer Verstrickung in bürokratische Regeln und ihres zwanghaften Wunsches nach Kompetenzen, die sie dann nicht ausüben kann, als System ihre guten Zeiten hinter sich hat. Der Bericht des Europäischen Rats bestätigt dies, wenn man zwischen den Zeilen liest. Er ratifiziert Ihre Initiativen, er bittet die Zentralbank durch die Blume, den Würgegriff der Maastricht-Kriterien etwas mehr zu lockern, aber er enthält keine Entscheidung.
Sie haben die Situation in Georgien und Ihre Anstrengungen angesprochen. Doch wie können Sie nicht erkennen, dass die einseitige Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo den Weg für die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien geebnet hat? Wie können Sie die unendliche Erweiterung der NATO rechtfertigen, nachdem der Warschauer Pakt selbst verschwunden ist?
Herr Sarkozy, der richtige Weg liegt anderswo. Er erfordert einen radikalen Bruch mit dem globalisierten System und die völlige Infragestellung der so genannten Vorteile der universellen Mischung von Menschen, Gütern und Kapital. Die unmissverständliche Verteidigung unserer Unabhängigkeit und unserer Identitäten bedeutet nicht, dass wir uns selbst isolieren, sondern ist vielmehr die Voraussetzung für die Wiedererlangung unseres Einflusses in der Welt.
Nicolas Sarkozy, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Daul, vielen Dank für Ihre Unterstützung. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten hat immer an ein Europa geglaubt, das schützt, und Sie selbst waren an dem Dialog mit unseren russischen Nachbarn beteiligt. Dies war eine visionäre Haltung: Russland hat die Energie, Europa die Technologie. Russland steht vor einem schwer wiegenden demographischen Problem, da es jedes Jahr etwa 700 000 Einwohner verliert, in einem Staatsgebiet, dass zweimal so groß ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Ich sehe Russland nicht als unerbittlichen Gegner Europas. Ganz im Gegenteil bin ich der Auffassung, dass es in Zukunft notwendig sein wird, das Fundament für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zwischen Russland und der Europäischen Union zu legen. Das wäre auch die beste Möglichkeit, um Russland dazu zu bewegen, dass es sich den Werten der Achtung der Menschenrechte und der Demokratie annähert, für die wir in Europa eintreten.
Herr Daul, ich möchte gerne hinzufügen, dass der Grund, weshalb wir den Banken unter die Arme greifen wollten, der Schutz der Sparer war. Es gab diverse Strategien. Manche Länder – darauf werde ich später noch zurückkommen – wollten die Produkte der Banken schützen und garantieren. Ich kämpfte für den Schutz und die Garantie der Banken selbst, um sie dann ihre Arbeit tun lassen zu können, und die Unterstützung Ihrer Fraktion war für uns ausschlaggebend.
Ich möchte mit den Worten schließen, dass Ihr Aufruf zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon völlig richtig war. Zudem ist es kaum zu viel verlangt, die Leute um Konsequenz zu bitten: Sie können nicht sagen, dass Sie aus Angst, einen Kommissar zu verlieren, nicht abgestimmt haben, wenn Sie doch gerade durch diese Weigerung einen Vertrag beibehalten, der eine Verkleinerung der Kommission vorsieht. Ich respektiere die Meinung jedes Einzelnen, aber Inkonsequenz kann ich nicht tolerieren. Sie können nicht einer der stärksten Befürworter der EU-Erweiterung sein und gleichzeitig Europa davon abhalten, Institutionen für die Erweiterung zu errichten. Wir haben gesehen, wie viel Europa die Erweiterung ohne eine Vertiefung gekostet hat; wir dürfen diesen Fehler nicht noch einmal machen.
Herr Schulz, Sie sagen, ich rede wie ein europäischer Sozialist. Das mag sein, aber Sie müssen zugeben, dass Sie nicht wirklich wie ein französischer Sozialist reden.
(Beifall)
Ganz ehrlich, bei einer Spaltung der Sozialisten würde ich ohne Bedauern und Reue Herrn Schulz wählen. Ich möchte jedoch eines sagen – der springende Punkt ist, dass Europa uns dazu zwingt, Kompromisse zu schließen. Genau das ist es, was Herr Schultz und ich nun tun. Europa, seine Institutionen und seine Politik werden eines Tages von Regierungen des rechten und linken Flügels angenommen und umgesetzt – dies ist das Gesetz der Wechselseitigkeit. Das europäische Ideal kann nicht – und genau das macht es so großartig – einfach auf eine Frage von rechts oder links reduziert werden.
Herr Schulz, glücklicherweise können Männer wie Sie anerkennen, dass andere, die nicht auf Ihrer politischen Seite stehen, nicht notwendigerweise falsch liegen, nur weil Sie nicht auf Ihrer Seite stehen. Des Weiteren möchte ich Ihnen, Herr Schulz – Ihnen und Ihrer Fraktion – sagen, dass ich als amtierender Ratspräsident, wenngleich meine Parteiloyalität der PPE gilt, das Verantwortungsbewusstsein der sozialistischen Fraktion sehr geschätzt habe, als sie bestimmte Wege eingeschlagen hat. Die einfache Reduzierung Europas auf eine Debatte zwischen rechts und links, auch wenn es eine solche Debatte gibt, kommt einer Versündigung am europäischen Kompromiss, am europäischen Ideal gleich. Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass Sie stärker gegen Ihre Grundsätze handeln, wenn Sie die Präsidentschaft unterstützen, als ich gegen meine, wenn ich die Unterstützung der SPE-Fraktion schätze.
Ich würde sogar noch weiter gehen. Herr Schulz sagt zu Recht, dass dies eine historische Aufgabe ist. Wie Herr Daul ist auch er der Ansicht, dass die Krise eine Chance darstellen kann. Sie haben völlig Recht. Und auch mit Ihrer Forderung „Nie wieder!“ haben Sie ins Schwarz getroffen. Hier geht es nicht um die Frage, ob man Christ- oder Sozialdemokrat ist; es geht vielmehr um den gesunden Menschenverstand. Wer brachte uns denn an diesen Punkt? Andererseits möchte ich dem Gedanken widersprechen, dass in den vergangenen 30 Jahren nur konservative Regierungen Fehler gemacht haben, während linke Regierungen immer richtig gehandelt haben: Damit würde man eine leidvollen Geschichte auf beiden Seiten umschreiben.
In Bezug auf Ihre Kommentare zu Frau Merkel möchte ich hinzufügen, dass meines Wissens Wahlen in Deutschland anstehen, daher würde ich ihre Worte als wahltaktisch betrachten. Ich für meinen Teil habe Frau Merkels Solidarität und Freundschaft erfahren dürfen, und ich möchte ihrer Arbeit im Rahmen ihrer Präsidentschaft nochmals Anerkennung zollen. Die sechsmonatigen Präsidentschaften sind Teil eines Kontinuums, und ich habe in hohem Maße von den Anstrengungen meiner Vorgänger profitiert, insbesondere denen von Frau Merkel.
Herr Watson, ich respektiere sowohl Sie als auch Ihre Gedanken voll und ganz, aber selbst wenn Sie das Kleingedruckte lesen können, offensichtlich sogar ohne Brille, scheint es, dass Ihnen dies heute nicht gelungen ist, denn was besagt der Text? Er bezieht sich ausdrücklich auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom März 2007 und März 2008. Und was sagen diese beiden Ratsentschließungen aus? Sie sagen aus, dass über das Klimapaket gemeinsam mit dem Europäischen Parlament entschieden wird. Es gibt ein Kontinuum in den Texten, Herr Watson.
Was also habe ich zu tun versucht? Vielleicht war das ein Fehler. Ich wollte der Veröffentlichung von 50-seitigen Mitteilungen durch den Europäischen Rat, die niemand liest, ein Ende setzen, und habe daher eine achtseitige Mitteilung vorgeschlagen. Wenn man die Mitteilungen verkürzen möchte, ist es besser, nicht wie üblich die Schlussfolgerungen früherer Ratssitzungen zusammenzufassen, um das Fehlen neuer Entschließungen des derzeitigen Rats zu kaschieren. Daher denke ich, dass die Mitentscheidung durch die Verweise auf diese zwei früheren Ratssitzungen verdeckt war. Sie wollen, dass ich das bestätige, das tue ich natürlich gern, doch ich kann noch weiter gehen, Herr Watson.
In Bezug auf das Energie- und Klimapaket – ich weiß, dass ich mich wiederhole – glaube ich, dass wir ein enormes Engagement des Europäischen Parlaments benötigen um es durchzubringen. Im Oktober gab es nur eine Sache, die ich erledigen wollte: Ich wollte versuchen, den Konsens im Europäischen Rat zu wahren. Seien Sie ehrlich – wäre ich mit einer Entschließung des Europäischen Rates in das Europäische Parlament gekommen, die im Wesentlichen besagt hätte, dass wir in keinem Fall vor Dezember eine Einigung erzielen sollten, dann hätten Sie mir zu Recht vorgeworfen, ich hätte mich über die Ratsentschließungen von 2007 und 2008 hinweggesetzt. Ich habe das Energie- und Klimapaket in keiner Weise infrage gestellt, sondern ich habe dafür gekämpft. Auch habe ich die Mitentscheidung nicht bestritten, sondern darauf bestanden. Sowohl ich als auch Präsident Barroso haben dies unseren Kollegen im Europäischen Rat gesagt.
Herr Cohn-Bendit, Sie sind wirklich in Top-Form. Sie haben fünf Mal „ja" und nur zwei Mal „nein“ zu meinem Vortrag gesagt – ich bin eine weniger gute Bewertung gewohnt. Um ehrlich zu sein, begrüße ich Ihre Unterstützung in Bezug auf die Entschlossenheit der Präsidentschaft und einige ihrer Maßnahmen sehr. An die Adresse von Herrn Cohn-Bendit möchte ich zudem sagen, dass eine Kommissions- und Ratspräsidentschaft, die sich derart für die Verteidigung des Energie- und Klimapakets einsetzen, meines Erachtens die Unterstützung der Grünen verdienen. Wir sind nicht mit allem einverstanden, aber Sie, die Grünen, werden sicher nicht gegen eine Kommissions- und Ratspräsidentschaft angehen, die sich voll und ganz für eine Annahme des Energie- und Klimapakets engagieren. Wir werden sicherlich zumindest einen Teil des Weges gemeinsam gehen können. Sie sind wie ich ein gewählter Abgeordneter, und es ist keine Schande zuzugeben, dass ich Sie brauche und Sie mich brauchen; das ist für Sie wahrscheinlich schmerzhafter als für mich, aber so ist es nun mal. Sie haben mich auch dazu aufgefordert, etwas Selbstkritik zu üben. Damit haben Sie völlig Recht. Das muss ich natürlich, und ich bin nicht der einzige.
(Gelächter und Beifall)
Abschließend möchte ich Ihnen in Bezug auf den Putsch gegen die Institutionen dieselbe Antwort geben wie Herrn Watson. Herr Cohn-Bendit wird mir das verzeihen. Andererseits, kann diese Krise und der Schutz der Umwelt eine Chance für mehr Wachstum darstellen? Ich glaube, dass Sie damit absolut Recht haben – Sie nennen das „grünes Wachstum“ und ich „nachhaltiges Wachstum“, aber man kann es nicht bestreiten. Ich möchte Ihnen zudem sagen, dass der Umweltbonus für Fahrzeuge dies bewiesen hat. Frankreich ist eines der wenigen Länder, in denen der Automobilsektor nicht schrumpft. Warum? Weil ihm der Umweltbonus geholfen hat, mehr schadstoffarme als schadstoffreiche Wagen zu verkaufen. Möglicherweise ist für die Grünen der Ausdruck „sauberes Fahrzeug“ schockierend, für uns ist er aber außerordentlich wichtig. Der Umweltgipfel „Grenelle Environnement“, für den in Frankreich hoffentlich einstimmig gestimmt wird – auch von den Sozialisten – zeigt, dass sich Frankreich diesem Weg stark verpflichtet fühlt. Ich bin wirklich der Ansicht, dass es ein Fehler von historischen Ausmaßen wäre, wenn Europa die Gelegenheit verpassen würde, die das Energie- und Klimapaket darstellt.
Frau Muscardini, ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung. Sie haben den Einwanderungspakt erwähnt, und ich bin froh darüber, denn niemand spricht von pünktlichen Zügen, aber es ist doch wirklich ein erstaunliches Novum für Europa, dass es allen 27 Mitgliedstaaten gelungen ist, sich auf einen Pakt zu einigen. Natürlich gibt es noch einige Unklarheiten, und selbstverständlich hätten wir mehr erreichen sollen, aber dennoch. Wer hätte vorhersagen können, dass alle von Ihnen die Klugheit besitzen, sich wenige Monate vor den Europawahlen zusammen mit den Staaten auf einen europäischen Einwanderungspakt zu einigen? Glauben Sie mir, dies ist die einzige Möglichkeit, die Extremisten in jedem unserer Länder davon abzuhalten, ein Thema zu besetzen, das mit Intelligenz, Menschlichkeit und Entschlossenheit angegangen werden muss. Frau Muscardini, ich bin daher sehr dankbar, dass Sie dies angesprochen haben.
Herr Wurtz, Sie sagten, dass wir nicht dieselbe Diagnose stellen, und das ist sicherlich richtig. Ihre Rede hatte wie immer einen gemäßigten Wortlaut, aber im Kern war sie völlig übertrieben. Die Dinge werden nicht weniger schockierend, Herr Wurtz, wenn Sie schöne Worte wählen: die Worte sind ebenso wichtig wie das, was sich hinter ihnen verbirgt. So sicher ich mir bin, dass der Kapitalismus reformiert werden muss, möchte ich Ihnen, Herr Wurtz, doch sagen, dass der Kapitalismus niemals einen so enormen sozialen, demokratischen oder ökologischen Schaden angerichtet hat wie das kollektivistische System, das Sie so viele Jahre lang unterstützt haben. Große Umweltkatastrophen, Herr Wurtz – Sie sollten auf Herrn Cohn-Bendit hören, wenn er über Selbstkritik spricht – große Umweltkatastrophen sind kein Merkmal der Marktwirtschaft, sondern kollektivistischer Systeme. Soziale Katastrophen, Herr Wurtz, sind Merkmale kollektivistischer Systeme, und es war das kollektivistische System, die die Berliner Mauer hoch gehalten hat, durch die Millionen Menschen physisch in ihrer Freiheit beschnitten wurden. Aus diesem Grund setze ich mich weiter für die Marktwirtschaft, den freien Handel und die Werte des Kapitalismus ein, nicht jedoch für einen Verrat am Kapitalismus.
(Beifall)
Wir können beide auf das 20. Jahrhundert zurückblicken, und Sie können sich sicher sein, dass das Urteil über die Ideen, denen Sie jahrzehntelang die Treue geschworen haben, nicht gut ausfallen wird. Sie fordern mich auf, aufzuwachen, aber bei aller Freundschaft, Herr Wurt: Ich würde Ihnen nicht raten, zu viel über die Ereignisse des 20. Jahrhunderts nachzudenken, denn aufrichtige Männer wie Sie würden dann sehen, dass sie Systeme unterstützt haben, die sich weit von den Idealen ihrer Jugend entfernt haben.
Herr Farage, ich hatte kein Mandat – das ist nicht zu bestreiten – aber ganz ehrlich, die russischen Truppen hatten auch keines, als sie in Georgien einmarschiert sind.
(Beifall)
Sie gehören zu den Leuten, die Europa seit vielen Jahren wegen mangelndem politischen Willen an den Pranger gestellt haben. Ich hatte die Wahl: Ich konnte jeden nach seiner Meinung fragen und nichts tun, oder aber handeln und dann prüfen, ob die anderen zustimmen. Ich ziehe es vor, zu handeln. Herr Farage, abschließend haben wir ein Europa, wie Sie es haben wollen. Na ja, ich bin nicht so gut, aber Hand aufs Herz, es ist immer noch das Europa, auf das Sie gehofft und für das Sie gebetet haben. Ich möchte hinzufügen, dass ich zusammen mit Bernard Kouchner auf demokratische Weise sichergestellt habe, dass der Europäische Rat die von uns getroffenen Entscheidungen validiert.
Ein Punkt zum Schluss: Als die Iren – und ich werde angesichts der Schwere der Krise kein Urteil fällen – beschlossen, alle Produkte ihrer Banken zu garantieren, mit Ausnahme der Produkte europäischer Banken und Filialen, war es gut, dass die Kommission zur Stelle war, um die Scherben aufzusammeln. Was war passiert? Innerhalb von 24 Stunden hatte die gesamte City keine liquiden Mittel mehr, da natürlich alle diese Mittel aus der City in die vom irischen Staat garantierten Banken flossen – und der Staat hatte auf eigene Faust beschlossen, 200 % seines BIP zu garantieren. Sie können eindeutig sehen, dass wir einander brauchen: Hätten wir unsere Reaktion nicht koordiniert, wäre jedes Land in einen Strudel geraten, der darauf hinausgelaufen wäre, „wer am meisten garantieren kann“, und die Ersparnisse der Menschen wären in das Land geflossen, das am meisten garantiert hätte – zum Nachteil der anderen. Sie sind ein so überzeugter Verfechter von Großbritannien – nun, es ist Europa, das die Wiederherstellung des Gleichgewichts der City ermöglicht hat, nicht Großbritannien allein.
(Beifall)
Um zum Schluss zu kommen, Herr Gollnisch, Sie sind der einzige Mensch der Welt, der Europa für nutzlos hält. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: entweder irrt sich die ganze Welt und Sie haben Recht oder es ist umgekehrt. Ich fürchte wieder einmal, dass es umgekehrt ist.
(Lebhafter Beifall)
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Wir haben bereits einige ideologische Debatten geführt, die sehr interessant waren. Ich für meinen Teil denke, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für mich ist, an dieser Debatte teilzunehmen. Später wird noch genug Zeit dafür sein. Stattdessen konzentriere ich mich mehr auf dringende Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise.
In jedem Fall möchte ich Folgendes sagen: Unsere Analyse der Ursachen dieser Krise zeigt deutlich, dass es an der Regulierung gemangelt hat, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Bestimmte Marktsektoren waren nicht reguliert, und das hat die Krise ausgelöst. Allerdings geht aus unserer Analyse auch hervor, dass die der Krise zu Grunde liegende Ursache zweifellos mit gewissen fundamentalen Ungleichgewichten zusammenhängt, die sich sowohl in der US-Wirtschaft als auch in der Weltwirtschaft feststellen lassen.
Die Wahrheit ist – wie zahlreiche Wirtschaftsexperten unterstrichen haben und weiterhin unterstreichen – dass es schwierig wäre, Staatsschulden in einer Höhe beizubehalten, wie wir sie in den Vereinigten Staaten sehen, und dass die Länder mit der höchsten Verschuldung die größten Verbraucher sind, während diejenigen mit höheren Reserven am wenigsten verbrauchen.
Es gibt hier grundlegende Probleme in Bezug auf ein Ungleichgewicht der Staatsschulden, das Haushaltsdefizit. Um es einfach auszudrücken: Wenn die Vereinigten Staaten einen Stabilitäts- und Wachstumspakt gehabt hätten, wäre es womöglich nicht zu dieser Finanzkrise gekommen, denn wenn die makroökonomischen Grundlagen stimmen, haben wir eine deutlich größere Chance, solche Regulierungslücken zu überwinden.
Es stimmt, dass es auch regulatorische Probleme gab. Nicht, weil der Finanzmarkt nicht reguliert wäre. Ganz im Gegenteil: Er ist möglicherweise der am stärksten regulierte Sektor der Wirtschaft, selbst in den Vereinigten Staaten. Nicht, weil wir in Europa keine Regulierung haben. Ganz im Gegenteil: Wir haben diesen Sektor sehr stark reguliert. Es ist jedoch wahr, dass es Mängel in den Aufsichtsmechanismen gab, bei denen es sich im Wesentlichen um nationale Systeme handelt. Das sollten wir uns ins Gedächtnis rufen.
Dies ist ein Bereich, in dem die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank nicht wirklich viel ausrichten können – die Aufsichtsmechanismen sind in erster Linie nationalstaatlicher Natur. Es ist auch richtig, dass wir prüfen müssen, was wir aus legislativer Sicht tun können, und in dieser Hinsicht begrüße ich die Anstrengungen des Europäischen Parlaments. Es stimmt, dass das Europäische Parlament nun schon seit vielen Jahren hervorragende Berichte über einige dieser Themen vorgelegt hat, und wir sind bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
Man sollte jedoch bedenken, dass „niemand eine Insel ist“, auch keine Institution. Die Kommission arbeitet sowohl mit dem Parlament als auch mit dem Rat an diesen Themen. Sprechen wir Klartext: Noch vor ein paar Wochen – nicht Jahren, nicht Monaten, sondern ein paar Wochen – wäre es nicht möglich gewesen, einige dieser Vorschriften zu ändern, denn einige der Mitgliedstaaten wären, wie Sie sehr wohl wissen, grundsätzlich dagegen gewesen. Das ist hier die Wahrheit.
Aus diesem Grund müssen wir verstehen, dass die Voraussetzungen nun gegeben sind, um einige Änderungen durchführen zu können – Änderungen im gegenseitigen Einvernehmen, wie ich hoffe – und zwar nicht nur im Hinblick auf eine Reform in Europa, sondern auch der Art, dass Europa globale Reformen des Finanzsystems in die Wege leiten kann.
Die zweite Frage bezieht sich auf das „Klimapaket“, und ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, für Ihre Kommentare und Ihre Unterstützung danken. Was zunächst einmal die institutionelle Frage anbelangt – ich denke, Präsident Sarkozy hat dies bereits sehr gut erklärt, aber erlauben Sie mir, dies im Namen der Kommission zu sagen – so verbinden wir die Einhaltung gut etablierter Entscheidungsfindungsprozesse, insbesondere im Hinblick auf Mitentscheidung und die zentrale Rolle des Europäischen Parlaments, nicht mit der Notwendigkeit eines starken Konsens der Mitgliedstaaten in einer so wichtigen Frage wie dem Klima- und Energiepaket. Diese zwei Aspekte sind weder unvereinbar noch widersprüchlich, sondern sie ergänzen sich. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit der Präsidentschaft aktiv und unermüdlich an einem ehrgeizigen, aber ausgewogenen Kompromiss mit dem Parlament arbeiten.
Ich muss hier ganz deutlich werden, und ich kann Ihnen sagen, dass wir ohne den Vorsitz von Präsident Sarkozy und – ich denke, ich kann das sagen – ohne den Beitrag der Kommission in diesem Europäischen Rat keinen Konsens erreicht hätten, um die vor einem Jahr beschlossenen Ziele beizubehalten.
Die Wahrheit isst, dass die Regierungen angesichts einer Finanzlage wie der unseren natürlich defensiver und vorsichtiger werden, was meines Erachtens nur natürlich ist. Möglicherweise vertreten sie nun wieder etwas weniger ehrgeizige Standpunkte. Genau das ist die Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen, denn ich bin wirklich überzeugt, dass es eine Tragödie wäre, wenn Europa seine Ambitionen im Kampf gegen den Klimawandel aufgeben würde.
Es wäre eine Tragödie, denn der Haupteinwand, den einige Leute gegen das Paket haben, bezieht sich darauf, dass wir ein Opfer bringen würden, ohne dass andere dasselbe tun. Wenn wir jedoch erreichen wollen, dass andere mit uns mitziehen, dann dürfen wir in dieser Phase in keiner Form andeuten, dass wir unsere Ambitionen zurückschrauben. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir uns an die „3 x 20"-Ziele halten, auf die wir uns letztes Jahr geeinigt haben. Deshalb muss die Botschaft sehr klar sein. Ich möchte die Rolle von Präsident Sarkozy und auch die aller Mitglieder des Europäischen Rats hervorheben, und auch Kanzlerin Angela Merkel möchte ich meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Während ihrer Präsidentschaft vor einem Jahr haben wir diese Ziele beschlossen, und ich hoffe, dass wir unsere Ambitionen nun nicht verwässern werden.
Auch ich kann das sagen, wissen Sie – das ist interessant, Herr Schulz. Ich kann nur unterschreiben, was eben gesagt worden ist. Auch wenn wir politische Differenzen und unterschiedliche Ideologien haben, so glaube ich wirklich, dass wir – insbesondere in einer Situation wie dieser – geschlossen handeln müssen und nicht in entgegengesetzte Richtungen laufen dürfen.
Ich glaube, dass keine politische Kraft in diesem Plenum für sich ein Monopol auf europäische Ideen beanspruchen kann. In der gesamten europäischen Geschichte waren es die Beiträge der Christdemokraten, der Sozialisten, der Liberalen und anderer Gruppierungen des rechten und linken Flügels und der Mitte, die das politische Europa geschaffen haben.
Ich verstehe die politische Debatte gut und möchte die Bedeutung der ideologischen Debatte sicherlich nicht herunterspielen, doch nichtsdestotrotz denke ich, dass es in einer Situation wie dieser für jeden, der an die Ideale Europas glaubt und die Ansicht vertritt, dass Europa eine immer wichtigere Rolle in der Welt übernehmen muss, lohnenswert wäre, eine Plattform des Konsens zu schaffen. Schließlich schaut die ganze Welt – nicht nur die Europäer, sondern die gesamte Welt – auf Europa, in der Erwartung bestimmter Lösungen.
Was mich anbelangt, so können Sie sicher sein, dass die drei Institutionen, die Kommission, das Parlament und der Rat, im Geiste des Konsenses – natürlich mit Respekt für die unterschiedlichen politischen Kräfte, aber, wenn ich das so sagen darf, über die diversen Parteistandpunkte hinaus – imstande sein werden, zusammenzuarbeiten, um Europa zu stärken.
Hartmut Nassauer (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Recht ist heute Vormittag festgestellt worden, dass die Europäische Union in zwei bedeutenden Krisen Handlungsfähigkeit gezeigt hat, damit Vertrauen in der Welt und auch in ihre Rolle geweckt hat, auch Vertrauen wiedergewonnen hat bei ihren Bürgerinnen und Bürgern und dass dies nicht zuletzt das Verdienst des amtierenden Ratspräsidenten ist. Herr Präsident Sarkozy, diese Feder können Sie sich zu Recht an den Hut stecken.
Natürlich kann man sich unschwer vorstellen, dass Präsident Sarkozy auch ohne den Hut des Ratspräsidenten energisch und phantasievoll gehandelt hätte. Aber er ist nun mal Ratspräsident und deswegen kommt sein Handeln der Europäischen Union zugute. Und das ist gut so.
Freilich sollte man sich bewusst sein: Es ist ein Glücksfall, dass er gerade jetzt Ratspräsident ist, und wir sollten die Krisenfähigkeit der Europäischen Union nicht von Glücksfällen abhängig machen. Das bedeutet, wir brauchen den Lissaboner Vertrag. Das ist ein Argument mehr dafür, dass dieser Vertrag in Kraft trifft, und ich bin überzeugt davon, dass es in diesem Parlament eine breite Mehrheit für diesen Vertrag gibt.
Wir haben das aus Gründen der Zurückhaltung bisher nicht laut und schallend geäußert, aber ich denke, es ist an der Zeit zu sagen, dass dieses Parlament hinter dem Lissaboner Vertrag steht, und es wäre gut, wenn es gelänge, ihn vor der Europawahl in Kraft zu setzen. Das liegt nicht in unserer Hand, aber ich denke, es ist unsere Position.
Nun hat der liebenswürdige Kollege Schulz die finanzielle Krise analysiert, die Ursache im System gefunden und die Verantwortung kurzerhand den Konservativen und Liberalen und Christdemokraten aufgebürdet. Lieber Herr Schulz, was für ein schlichtes Weltbild, offensichtlich dem Wahlkampf geschuldet! Sie wissen sehr genau, dass das für weite Teile der Welt immer noch ungewöhnliche Ausmaß an Wohlstand, das es bei uns in Europa gibt, das hohe Maß an sozialer Sicherheit, das beispiellos hohe Maß an Umweltschutz, der damit verbundene technologische Fortschritt und nicht zuletzt das mit all diesen Errungenschaften verbundene Maß an persönlicher Freiheit auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft gewachsen sind, und nicht auf der Grundlage sozialistischer Vorstellungen. Das wollen wir auch jetzt festhalten. Und nicht das System hat versagt, aber einige seiner Akteure, und die müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür brauchen wir in der Tat neue Regeln.
Eine Anmerkung zum Klimaschutzpaket. Ich möchte hier gerne auch für die Fraktion festhalten, dass die Ziele unumstritten sind, aber dass wir über die Methoden reden müssen. In einer Zeit, in der der Emissionshandel nach Berechnungen der Kommission 70 bis 90 Milliarden Euro pro Jahr erfordern wird, die von den Betroffenen aufzubringen sind, kann man doch nicht im Ernst davon ausgehen, dass dieses ganze Gebilde von der finanziellen Krise und der Krise der Realwirtschaft nicht betroffen sein würde. Deswegen erklären wir, dass wir an den Zielen ganz unbeeinträchtigt festhalten. Aber ich denke, es ist angemessen, dieses Dossier sorgfältig und so gründlich zu beraten, dass wir uns keinen gesetzgeberischen Fehler leisten und dass wir vor allem die Betroffenen einbeziehen. Dazu brauchen wir Zeit, und die sollten wir uns auch nehmen.
Robert Goebbels (PSE). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir leben im Zeitalter der Klempner: Da war der polnische Klempner, der das französische „nein“ zum Verfassungsvertrag beeinflusst hat, dann der amerikanische Klempner, Joe the Plumber, der zwischen Barack Obama und John McCain entschieden hat. Selbst unsere Staats- und Regierungschefs mussten Klempnerarbeiten leisten, um die unaufhörlich berstenden Rohre in einem internationalen Finanzsystem zu flicken, das sich in einem Stadium des totalen Zusammenbruchs befindet. Unsere Regierungen haben sich einen Werkzeugkasten nach dem IKEA-Prinzip zugelegt – ein Werkzeugkasten, der es jedem Mitgliedstaat ermöglichen sollte, eine spezifische Lösung für jede spezifische Situation zusammenzuschustern. Wie jedoch jeder begeisterte Heimwerker weiß, sind die Montageanleitungen von IKEA hoffnungslos ungenau: Bei Anwendung der IKEA-Methode auf das internationale Finanzsystem läuft man Gefahr, dass sie nicht passt. Die Präsidentschaft hat getan, was in ihrer Macht stand; mit anderen Worten, ein Krisenmanagement betrieben, wie es Präsident Sarkozy hier betont hat. Unseren Regierungen ist es gelungen, die vielen Lecks in einem internationalen Finanzsystem zu stopfen, das derart miteinander verflochten ist, dass sich die Störungen global ausgewirkt haben.
Allerdings hat die Klempnerei ihre Grenzen: Wir müssen die Architektur des internationalen Finanzsystems angehen. Wenn wir die Finanzwelt neu gestalten wollen, um der Realwirtschaft zu dienen, brauchen wir keine weitere hochrangige Gruppe einzurichten; eine einfache Gruppe, die für die Protokollierung der Vorschläge des Forums für Finanzstabilität zuständig ist, wäre völlig ausreichend. So hat das Forum beispielsweise bereits im Jahr 2001 die Bereitstellung einer besseren Deckung für die von den Banken eingegangenen Risiken empfohlen. Das Europäische Parlament hat verschiedentlich mit dem Finger auf die offensichtlichen Idiotien des internationalen Finanzsystems gezeigt, doch seine Stimme wurde nicht gehört. Der europäische Gipfel behauptete, wirklich aus den Fehlern der Krise lernen und alle am Finanzsystem Beteiligten dazu bewegen zu wollen, verantwortungsbewusster zu handeln, auch in Bezug auf Gehälter und andere Anreize. Es wird eine internationale Konferenz geben, um über all dies zu sprechen. Werden wir also am Ende ein neues Bretton-Woods-Abkommen haben? Ich bezweifle dies. Es werden bereits Stimmen laut, auch innerhalb der Präsidentschaft, die vor einer Überregulierung warnen. Kommissar McCreevy war besonders provokativ: Er möchte keine Gesetzgebung im Hinblick auf Obergrenzen der Fremdfinanzierung für Investmentfonds. Während der Europäische Rat die enormen Managerboni regulieren will, setzt Herr McCreevy auf die Selbstregulierung, die wir in den letzten Jahren beobachten konnten. Obwohl sogar Herr Paulson für eine bessere Regulierung der Märkte plädiert, denkt Kommissar McCreevy, ich zitiere, dass „die echte Gefahr besteht, dass gut gemeinte Absichten, das Marktversagen anzugehen, zu einer übereilten, plumpen und kontraproduktiven Regulierung führen“. Die Charlie McCreevys dieser Welt bereiten uns bereits auf die nächste Spekulationsblase vor, die sich meiner Prognose nach um den Sekundärmarkt des Emissionsquotenhandelssystems bilden wird. Herr Sarkozy, unterdessen rutscht die Realwirtschaft in eine Rezession. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um unsere Umweltambitionen zurückzuschrauben, aber auch nicht der richtige Zeitpunkt, um den einzigen europäischen Industriesektor, der für den internationalen Wettbewerb offen ist, einseitig zu manipulieren.
Marielle De Sarnez (ALDE). – (FR) Herr Präsident! In diesen Zeiten der globalen Finanzkrise unternimmt Europa seine ersten Schritte als politischer Akteur; und unter Ihrer Präsidentschaft, der französischen Präsidentschaft, haben die Staats- und Regierungschefs die richtigen Entscheidungen getroffen. Des Weiteren ist der europäische Plan meines Erachtens besser durchdacht als der Paulson-Plan, und ich hoffe, dass er den Schaden begrenzen kann.
Wir müssen nun eindeutig weitergehen. Die Reform des globalen Finanzsystems, auf die wir alle hoffen und für die wir beten, werden nur dann möglich sein – davon bin ich fest überzeugt – wenn sich Europa in einer Position befindet, in der seine Präsenz wahrgenommen wird, und damit dies so ist, müssen wir neue Ressourcen erschließen. Wir werden eine europäische Finanzmarktaufsichtsbehörde und einen Europäischen Bankenausschuss einrichten müssen. Wir brauchen eine europäische Regulierungsbehörde, die auch imstande ist, einen Dialog mit den US-amerikanischen Regulierungsbehörden zu führen, und wir müssen in der Lage sein, die Steueroasen auf unserem eigenen Kontinent abzuschaffen, wenn wir wollen, dass unsere Anstrengungen zur Verteidigung dieser Idee auf globaler Ebene glaubhaft sind.
Gleichermaßen brauchen wir eine europäische Antwort, wenn wir uns der Wirtschafts- und Sozialkrise stellen wollen. Wir benötigen einen gemeinsamen Aktionsplan, um unseren Mitbürgern zu helfen, damit wir morgen in nicht verlagerbare Tätigkeiten investieren können – zum Beispiel in „schwere“ Infrastruktur oder ein Programm zur Modernisierung von Gebäuden entsprechend den Umweltstandards. Wir werden eine wirtschaftliche Governance in der Eurozone brauchen – jetzt ist sicher der richtige Zeitpunkt dafür. Mehr als das werden wir jedoch künftig über ein Modell der europäischen Entwicklung nachdenken müssen, das in jeglicher Hinsicht ethisch, menschlich, sozial verantwortlich und nachhaltig ist. Ein solches Modell muss erdacht, definiert, unterstützt und inspiriert werden.
Konrad Szymański (UEN). - (PL) Herr Präsident! Ich bin froh, dass wir uns mehr Zeit gegeben haben, um eine stärker ausgewogene Entscheidung über die Senkung der Kohlendioxidemissionen treffen zu können. Das von der Kommission vorgeschlagene System hat die Kosten der Einführung von Beschränkungen sehr ungerecht verteilt. Mit diesem System würden Ländern, deren Energieerzeugung auf Kohle basiert, Kosten in Höhe von mehreren Milliarden Euro pro Jahr entstehen. Diese Länder sind tendenziell die ärmsten Länder der Union. Das können zum Beispiel die Polen, die viel zahlen müssten, einfach nicht verstehen. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir wohl kaum mit einem guten Beispiel vorangehen, wenn wir die einzigen auf der Welt sind, die ein solches System einführen, und damit die Grundlagen unserer eigenen Wirtschaft schwächen.
Darüber hinaus darf die Finanzkrise nicht als Vorwand dienen, der Lage in Georgien weniger Beachtung zu schenken. Wir sollten daran denken, dass Russland inzwischen mehr als dreimal so viele Truppen in dem umstrittenen Gebiet stationiert hat als noch am 7. August. Russland verfolgt in Bezug auf den internationalen Status von Ossetien eine Politik der vollendeten Tatsachen, und es setzt das Friedensabkommen nicht um. Das Land hat damit sein Recht verwirkt, ein Partner der Europäischen Union zu sein.
Um zu etwas Erfreulicherem überzugehen und um zum Schluss zu kommen: Je öfter Sie Sitzungen des Europäischen Parlaments beiwohnen, Herr Sarkozy, desto weniger bin ich mir sicher, ob ich lieber Ihnen oder Ihrer Frau zuhören möchte. Auch wenn ich manchmal nicht Ihrer Meinung bin, so muss ich doch sagen, dass Sie ohne Zweifel das Plenum beleben. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung.
Philippe de Villiers (IND/DEM). – (FR) Herr Präsident! Ich habe nur eine Minute, aber ich möchte sagen, dass Sie es während dieser Finanzkrise geschafft haben, die institutionellen Dogmen aufzuheben: Brüssel, Frankfurt, Wettbewerb, die Maastricht-Kriterien, das globale Freihandelssystem, das Verbot staatlicher Beihilfen für Unternehmen und, insbesondere, für die Banken, und so weiter.
Gerade haben Sie sich auf das Thema der staatlichen Beihilfen bezogen, das für die Zukunft äußerst wichtig ist, um unsere Unternehmen zu retten, wenn sie an einem absoluten Tiefpunkt angelangen bzw. bereits dort angelangt sind. Allerdings, Herr Sarkozy, hätte der Vertrag von Lissabon – den die politischen Führungskräfte Europas und insbesondere Sie versuchen, künstlich zu erhalten – Sie in der bestehenden Form daran gehindert, zu tun, was Sie eben getan haben. Er untersagt alle Beschränkungen von Kapitalbewegungen, alle Interventionen und politischen Einflussnahmen auf die Zentralbank und insbesondere alle staatlichen Beihilfen für Unternehmen jeglicher Art.
Die Frage ist einfach: Welche Wahl werden Sie treffen, Herr Sarkozy? Werden Ihre Hände gebunden sein, oder werden Sie freie Hand haben? Um freie Hand zu haben, brauchen Sie nicht den Vertrag von Lissabon, sondern einen Vertrag, der die Lektionen berücksichtigt, die wir nun gemeinsam lernen.
Sergej Kozlík (NI). – (SK) Ich schließe mich den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates an, dass die Europäische Union zusammen mit ihren internationalen Partnern eine komplette Reform des Finanzsystems anstreben muss. Diese Situation dauert nun schon mindestens 10 Jahre lang an, und es sind die normalen Bürger, die für all die Fehler bezahlen werden. Es müssen rasch Entscheidungen zu Transparenz, globalen Regulierungsstandards in Bezug auf eine grenzübergreifende Aufsicht und Krisenmanagement getroffen werden.
Es darf nicht zugelassen werden, dass staatliche Beihilfen einzelner Länder den wirtschaftlichen Wettbewerb verzerren, zum Beispiel durch Diskriminierung zu Gunsten von Filialen derjenigen Banken, die einer Zentralbank in einem anderen Mitgliedstaat der Union gehören. Allerdings sollte es darüber hinaus auch keine unverhältnismäßig hohen Liquiditätsströme von Filialen zu ihren Muttergesellschaften geben. Ich bin für eine rasche Verschärfung der Vorschriften für Rating-Agenturen und ihre Aufsicht. Des Weiteren brauchen wir eine schnelle Entscheidung über Vorschriften zur Sicherheit von Spareinlagen, um die Verbraucher besser zu schützen.
José Manuel García-Margallo y Marfil (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte die Punkte nennen, in denen ich mit der Präsidentschaft einer Meinung bin bzw. nicht einer Meinung bin. Darüber hinaus möchte ich erwähnen, was meines Erachtens in der Rede der Präsidentschaft gefehlt hat.
Ich stimme zu, dass der Ursprung der Krise nicht auf die Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten begrenzt ist. Ich schließe mich dem Grundsatz dessen an, was Alan Greenspan nun als Stadium des „irrationalen Überschwangs“ bezeichnet. Auch ich vertrete die Ansicht, dass die Märkte aufgrund eines Versagens der Regulierung versagt haben, und dass die Regierungen ihnen rettend unter die Arme greifen mussten. Ich stimme ferner zu, dass dies eine globale Krise ist, und bin daher auch der Meinung, dass wir ein Bretton-Woods-Abkommen brauchen, das manche Mark II und andere Mark III nennen. Präsident Sarkozys Verweis auf das derzeitige System erinnert mich wirklich sehr stark an das, was General de Gaulle tat, bevor das erste Bretton-Woods-Abkommen scheiterte, und an die „Aufgabe“ von Fort Knox, als Präsident Nixon beschloss, die Einlösegarantie von US-Dollar gegen Gold aufzuheben.
Aus diesem Grund müssen wir eine europäische Diplomatie schaffen, eine Diplomatie des Euro, bei der Europa mit einer Stimme spricht und „vor seiner eigenen Haustür kehren muss“. Allerdings bedeutet „vor seiner eigenen Haustür zu kehren“, die Finanzmärkte weiterzuentwickeln – in diesem Fall die Retail-Märkte, damit sie einen angemessenen Umfang erreichen – und über einen regulatorischen Rahmen nachzudenken.
Was die Europäische Zentralbank anbelangt, so denke auch ich, dass sie gute Arbeit geleistet hat. Sie hat schnell gehandelt, aber auch Fehler gemacht. Sie hat die Vorschriften über Laufzeiten und Garantien dreimal geändert, obgleich Banken für ihr Finanzierungsgeschäft Sicherheit brauchen.
Zweitens ist die Geldpolitik – der Kreditgeber in letzter Instanz – noch immer zentralisiert. Die Bankenaufsicht hingegen ist nach wie vor dezentral geregelt.
Herr Präsident, ist nun nicht die Zeit gekommen, zu entscheiden, ob wir Artikel 105 des Vertrags ausbauen wollen, der der Europäischen Zentralbank größere Aufsichtsbefugnisse verleiht?
Ich befürworte das Thema der wirtschaftlichen Governance voll und ganz. Während wir diesen ideologischen Tanz veranstalten, sollten wir uns ins Gedächtnis rufen, was Marx einst sagte: Wenn sich die wirtschaftlichen Strukturen ändern, müssen sich auch die übergeordneten politischen Strukturen ändern.
Wir haben Maastricht beschlossen, aber die institutionelle Architektur nicht angepasst.
Vor Lissabon müssen wir festlegen, mit welchen Formeln wir in dieser Frage weiterkommen.
Drittens, was sehr wichtig ist, habe ich eine sehr spezielle Bitte. Die Finanzwirtschaft muss der Realwirtschaft entgegengestellt werden. Herr Präsident, scheiden Sie nicht aus dem Amt, ohne die Kommission vorher mit der spezifischen Aufgabe der Ausarbeitung einer Lissabon+-Agenda zu betrauen, die am 1. Januar 2011 in Kraft treten und eine Revision der finanziellen Rahmenbedingungen beinhalten muss.
Ich möchte noch auf einen letzten Punkt eingehen. Was das ideologische Thema anbelangt, sagte Unamuno – ein spanischer Philosoph – einst, dass er bei der Verteidigung der Kirche kirchenfeindlich war. Ich bin gegen eine völlige Deregulierung des Marktes. Ich glaube, dass die Präsidentschaft und ich uns diesbezüglich einig sind.
Poul Nyrup Rasmussen (PSE). - Herr Präsident! Diese Krise hätte man vermeiden können: Sie ist kein unvermeidliches Naturgesetz. Das ist eine lange Geschichte, und ich habe keine Zeit, im Detail darauf einzugehen, aber fürs Erste ist eines sicher: Wir müssen aus unserer Erfahrung lernen und gemeinsam handeln. Wir müssen die Dynamik aufrechterhalten.
Präsident Sarkozy, Sie sind so voller Energie, behalten Sie diese bei, denn so dringend es war, die Kernschmelze unserer Banken zu verhindern, so dringend ist es nun, besser zu regulieren und zu vermeiden, dass diese Rezession anhält. Ich appelliere heute an Sie und auch an den Präsidenten der Kommission, folgende Verpflichtungen einzugehen.
Erstens: Machen Sie uns ein vorweihnachtliches Geschenk, Präsident Barroso – legen Sie konkrete Vorschläge über neue und bessere Regulierungen vor. Ich bin mir sicher, dass der amtierende Ratspräsident, Präsident Sarkozy, mit mir einer Meinung war, als er Sie darum bat, sich heute dazu zu verpflichten, auf diesen Bericht des Europäischen Parlaments mit dem folgenden konkreten Vorschlag zu antworten: Es geht nicht allein um die Regulierung der Banken, sondern auch um die Regulierung der Hedge-Fonds und des privaten Beteiligungskapitals. Das ist die erste Verpflichtung.
Präsident Sarkozy, ich habe mich so gefreut, als Sie in Camp David gleich zu Beginn diese einfache Tatsache erwähnten, denn Hedge-Fonds und Private-Equity-Firmen versuchen nun, uns weiszumachen, dass sie nichts mit der Finanzkrise zu tun haben. Das ist einfach nicht wahr. Sie arbeiten schon seit vielen Jahren mit übermäßig hohem Fremdkapital und Gier, also versprechen Sie mir heute bitte, dass alle Akteure reguliert werden müssen; andernfalls lernen wir nicht aus unserer Erfahrung.
Zweitens: Ich könnte eine Menge Details anführen, aber ich möchte lediglich eine Antwort des Kommissionspräsidenten Barroso – bitte verpflichten Sie sich dazu, sich für die Vorschläge des Parlaments zur Regulierung des Markts einzusetzen.
Der letzte Punkt geht an die Adresse von Präsident Sarkozy. Sie und ich – und wir alle – halten dies für eine schicksalhafte Zeit für die Europäische Union. Lassen Sie bei den normalen Bürgern nicht den Eindruck entstehen, dass die Europäische Union nicht imstande ist, eine Rezession zu vermeiden, die Millionen und Abermillionen unschuldiger Arbeitnehmer trifft. Deshalb möchte ich wiederholen, was Sie selbst gesagt haben: Handeln wir gemeinsam. Mir liegen Berechnungen vor, und ich denke, wir sollten die Kommission um eine Bestätigung bitten: Präsident Sarkozy, wenn wir gemeinsam handeln und in den kommenden vier Jahren jährlich nur 1 % mehr in Infrastruktur, Bildung, Arbeitsmarktpolitik und Privatwirtschaft investieren, dann werden wir 10 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Ich denke, dies ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt, und ich hoffe aufrichtig, dass Sie, Präsident Sarkozy, sich dazu verpflichten werden, dies bis Dezember umzusetzen. Jetzt oder nie.
Annemie Neyts-Uyttebroeck (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, Herr Sarkozy! Ich habe im Ausschuss für außenpolitische Angelegenheiten bereits zweimal Gelegenheit gehabt, zu erwähnen, wie sehr ich Ihr Handeln während der Krise zwischen Russland und Georgien bewundere, und heute sage ich das noch einmal. Ebenso bewundere ich Ihr Handeln in Bezug auf die Finanzkrise und die wirtschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringt.
Was Russland anbelangt, so möchte ich jedoch sagen, dass ich nicht gerade beruhigt bin, wenn ich in den Schlussfolgerungen des Rates lese, dass offensichtlich beschlossen worden ist, die Verhandlungen über einen neuen Pakt oder ein strategisches Bündnis mit Russland fortzuführen – gleich, was durchsickert, auch wenn die Schlussfolgerungen des Rates und der Kommission berücksichtigt werden. Ich halte dies in keinster Weise für beruhigend, denn wenngleich ich einerseits – wie Sie, Herr Präsident – davon überzeugt bin, dass wir unsere Beziehungen zu Russland fortführen müssen, denke ich nicht, dass wir ihnen den Eindruck vermitteln sollten, dass nichts geschehen ist und alles seinen gewohnten Gang geht. Ich bin mir sicher, dass Sie das nicht tun werden.
Sie werden Russland, wenn Sie zum Gipfel nach Moskau reisen, wahrscheinlich klar sagen wollen, dass sicher nicht alles so weiterlaufen wird wie bisher und wir diesbezüglich äußerst wachsam sein werden. Darum bitte ich Sie nun im Namen meiner Fraktion.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Robert Gwiazdowski, ein Experte am Adam Smith Institut, hat nachweislich geschrieben, dass Monty Kaczyńskis Fliegender Zirkus von Brüssel zurückgeflogen ist, dass man jedoch gar nicht weiß, weshalb er überhaupt dort hingeflogen ist. Die Kosten für die polnischen Steuerzahler, ihren Präsidenten nach Brüssel zu schicken, beliefen sich auf rund 45 000 Euro. Herr Präsident, ich möchte Ihnen gerne folgende Frage stellen. Warum gestatteten Sie es einem Politiker, der kein Mitglied der polnischen Regierungsdelegation war, sich an den Debatten zu beteiligen? Niemand weiß wirklich, was diese Person dort zu suchen hatte. Darüber hinaus erhielt Herr Kaczyński beträchtliche Unterstützung extremistischer Gruppierungen in Polen. Diese Gruppierungen könnte man sogar als fanatisch beschreiben. Des Weiteren kann Herr Kaczyński, soweit ich weiß, nur polnisch sprechen. Er ist unfähig, seine Gedanken in irgendeiner Fremdsprache auszudrücken. Ich wüsste daher wirklich gerne, wie Sie es geschafft haben, mit ihm zu reden, Herr Präsident. Würden Sie dem Plenum bitte erklären, was genau Herr Lech Kaczyński auf dem Gipfel des Europäischen Rates zu suchen hatte und was Sie mit ihm persönlich besprochen haben?
Hans-Peter Martin (NI). – (DE) Herr Präsident! Von der Globalisierungsfalle, le piège de la mondialisation, sprechen wir seit zwölf Jahren, und jetzt ist sie zugeschnappt. Ich möchte Ihnen einen konkreten Vorschlag machen, Herr Ratspräsident! Richten Sie einen Lehrstuhl für die Geschichte des Finanzmarktes ein! Lassen Sie genau erforschen, wie es dazu gekommen ist, dass wir stehen, wo wir heute stehen! Im Geiste dessen, was Martin Schulz gesagt hat: „Never more!“, wobei er wohl meinte: „Never again!“, so etwas darf nie wieder passieren. „Never more“ würde ja heißen: Wieder einmal bis dorthin! Das darf es nicht geben!
Genau aus diesem Lehrstuhl heraus könnte erarbeitet werden, was die Schuld der Konservativen, getrieben von einem übertriebenen US-Neoliberalismus, aber auch was die Schuld der Sozialdemokraten war, nämlich nicht intensiv genug auf sozialen Ausgleich gedrängt zu haben. Nutzen Sie die Chance, lernen Sie aus der Geschichte, damit wir dann eine kühne soziale europäische Demokratie wagen können und uns nicht zufriedengeben mit den Kleinigkeiten, die uns angeblich der Lissabon-Vertrag gebracht hätte – was nicht einmal stimmt!
Margie Sudre (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Der Konflikt zwischen Georgien und Russland und die Finanzkrise waren Gelegenheiten für die Europäische Union, sich auf der Weltbühne als vollwertiger und erstrangiger politischer Akteur zu zeigen.
Dank Ihrer Entschlossenheit, Herr Sarkozy, ist es Europa gelungen, gemeinsam koordinierte, effektive und schnelle Antworten zu finden. Angesichts der Krise hat Europa gezeigt, dass es tatsächlich existiert, und es hat seinen Mehrwert unter Beweis gestellt.
So war beispielsweise in Bezug auf die Zuwanderung der Grundsatz „Jeder ist sich selbst der Nächste“ nicht länger in Mode. Die Annahme des Pakts zu Einwanderung und Asyl durch den Europäischen Rat, der von der französischen Präsidentschaft angestoßen wurde, ist ein beträchtlicher Schritt nach vorn.
Im Hinblick auf den Kampf gegen den Klimawandel muss sich Europa selbst konkrete Ziele setzen und seinen globalen Partnern den Weg weisen. Sie haben bereits über dieses Thema gesprochen, Herr Sarkozy, aber wir hoffen, dass dieses Abkommen so ausgewogen sein wird wie möglich, denn es muss die wirtschaftliche Lage unserer Länder berücksichtigen, die derzeit sehr instabil ist. Allerdings müssen wir uns auch mit der Frage beschäftigen, welche Art Wachstum wir uns für die Zukunft wünschen.
Um den sich den künftigen Herausforderungen stellen zu können, braucht die Europäische Union den Vertrag von Lissabon nun mehr denn je. Wir verstehen die Sorgen der Iren, aber die Beibehaltung des Status Quo ist keine Option. Irland muss im Europäischen Rat vom Dezember eine Lösung vorschlagen: Viele von uns fordern dies.
In den letzten Wochen haben wir mit Stolz auf ein starkes politisches Europa geblickt, das in der Not zusammenhält, das gegenüber seinen Partnern geschlossen auftritt und auf internationaler Ebene Gehör findet. Wir hoffen, dass diese neue europäische Mentalität zur Regel werden und anhalten wird. Der Vertrag von Lissabon ist die beste uns zur Verfügung stehende Lösung, um dies zu erreichen.
Martin Schulz (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich weiß nicht, welcher Punkt der Geschäftsordnung mir das Recht gibt, das Wort zu ergreifen, aber ich danke Ihnen, dass Sie mir die Gelegenheit dazu gegeben haben.
Präsident Sarkozy, ich dachte, dass Sie hier in Ihrer Funktion als Präsident des Europäischen Rats gesprochen haben, und ich habe in meiner Funktion als Fraktionsvorsitzender im Europäischen Parlament geantwortet. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich mich an den Präsidenten der Französischen Republik gerichtet habe. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Rede in diesem Fall ganz anders ausgefallen wäre, denn es gibt keine Unterschiede zwischen mir und meinen französischen sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen.
Nicolas Sarkozy, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Zunächst war es völlig selbstverständlich, dass Herr Schulz geantwortet hat. Wie ich es verstanden habe, hat er dies für sich getan. Lieber Martin, wenn ich Sie verletzt habe, indem ich Sie mit einem französischen Sozialisten verglichen habe, tut mir das Leid.
(Beifall)
Ich habe das nicht als Beleidigung gesehen, aber ich gebe offen zu, dass es darauf ankommt, was der Betroffene denkt. Deshalb, Herr Pöttering, ziehe ich meine Bemerkung zurück. Herr Schulz ist ebenfalls in der Lage, wie ein französischer Sozialist zu sprechen.
Herr Nassauer, vielen Dank für Ihre Unterstützung. Ja, wir brauchen den Vertrag von Lissabon und ich werde ehrlich gesagt bis zur letzten Minute der französischen Präsidentschaft dafür kämpfen, die Menschen von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass Europa Institutionen für das 21. Jahrhundert braucht. Ein Politiker ist eine Person, die Verantwortung trägt. Ich habe den Lissabon-Prozess unterstützt, und ich werde dafür kämpfen, sicherzustellen, dass der Lissabon-Prozess abgeschlossen wird. Eines möchte ich nochmals wiederholen: Wenn wir den Vertrag von Lissabon nicht haben, gilt der Vertrag von Nizza, und wenn der Vertrag von Nizza gilt, gibt es keine neuen Erweiterungen mehr, was äußerst bedauerlich wäre. Hoffen wir also, dass jeder seine Verantwortung übernimmt.
Herr Nassauer, ich stimme Ihnen zu, dass es in Bezug auf das Klimapaket noch viel zu tun gibt. Ich bin mir dessen wohl bewusst, doch wir dürfen unsere Ambitionen nicht zurückschrauben, denn ich bin davon überzeugt, dass es einfacher ist, einen Kompromiss zu einem anspruchsvollen Ziel zu finden als zu einem weniger anspruchsvollen. Bei einem wirklich ehrgeizigen Vorschlag wird die Kompromissbereitschaft höher sein als bei einem weniger ehrgeizigen Vorschlag, und es wäre ein Fehler, wenn wir in dem Versuch, es jedem Recht zu machen, am Ende mit einer völlig unverständlichen europäischen Politik daständen. Wir müssen uns dieser Gefahr bewusst sein.
Herr Goebbels, Sie haben über Klempnerarbeiten und Architektur gesprochen, und ich zähle wirklich auf die Unterstützung Luxemburgs, damit die Finanzarchitektur sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres Kontinents grundlegend neu gestaltet werden kann.
Herr Goebbels, das soll keine Kritik sein und schon gar kein Angriff: Es ist lediglich ein Kommentar.
Frau De Sarnez hat das sehr gut ausgedrückt: Wir können nicht außerhalb unseres Kontinents gegen bestimmte Praktiken kämpfen und diese in Europa tolerieren. Das ist alles. Wer denkt, ich hätte ihn oder sie im Visier, nimmt wirklich zu viel an; ich habe niemanden speziell im Visier und würde das nicht im Traum wagen.
Frau De Sarnez, vielen Dank für Ihre Einschätzung, dass wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Ich persönlich möchte anmerken, dass ich Ihren Vorschlag über eine europäische Regulierungsbehörde unterstütze, denn das macht wirklich Sinn. Warum können wir das nicht gleich auf den Weg bringen? Nun, gewisse kleinere Länder denken, dass sie durch die Verteidigung ihres eigenen Regulierungssystems ihre nationale Identität verteidigen. Ich mache niemandem einen Vorwurf. Aus diesem Grund, Frau De Sarnez, vertrete ich die Ansicht, dass wir am Ende eine europäische Regulierungsbehörde brauchen, und dass wir bis dahin zumindest für eine Koordination zwischen den einzelnen Regulierungsbehörden in Europa sorgen müssen. Das ist der Weg, den wir und die Kommission vorschlagen, und ich denke, dass dies der einzig realistische Weg ist, denn andernfalls werden wir in eine Sackgasse geraten.
Sie haben auch die Notwendigkeit einer europäischen wirtschaftlichen Governance und eines europäischen Wirtschaftsprogramms erwähnt. Sie haben hiermit völlig Recht, doch ich möchte im Zusammenhang mit Ihrer Rede die Behauptung – die nicht Sie aufgestellt haben – bestreiten, dass jede europäische Wirtschaftsinitiative unweigerlich zu einem höheren Defizit führt. Ich sage es mit Nachdruck: Es reicht nun wirklich. Wir haben das Recht, frei zu sprechen. Es ist durchaus möglich, eine europäische Wirtschaftspolitik zu befürworten, ohne ein höheres Defizit gutzuheißen, und wir werden die europäische Politik nicht durch einen Aufschwung auf Anforderung koordinieren können.
Wir – ich sage nicht „Sie“ – dürfen uns nicht gegenseitig das Wort im Munde herumdrehen, wie wir es zu Beginn des Tages mit denjenigen gemacht haben, die es gewagt haben, eine Meinung zur Geldpolitik zu haben: Es ist möglich, eine andere Geldpolitik zu befürworten, ohne die Unabhängigkeit der EZB infrage zu stellen. Ich sage ganz klar: Es ist möglich, für eine europäische strukturelle Wirtschaftspolitik zu sein, ohne für ein höheres Defizit zu sein. Hören wir auf, zu sagen, dass manche Recht haben und andere nicht. Im Gegenteil, die europäische Debatte muss eine echte Debatte sein, und niemand hat ein Monopol auf die Wahrheit.
Gelegentlich müssen wir Abstand gewinnen – und das ist möglicherweise der einzige Punkt, in dem ich mit Herrn de Villiers einig bin. Wir müssen uns manchmal von den Dogmen distanzieren, die der Idee von Europa so sehr geschadet haben, Dogmen, die umso weniger legitim sind, als sie häufig nicht aus Entscheidungen resultieren, die von demokratischen und damit legitimen Gremien getroffen wurden. Mein eigenes europäisches Ideal ist stark genug, damit die europäische Demokratie eine echte Demokratie sein kann. Gruppendenken, Dogmen, Gewohnheiten und Konservatismus haben großen Schaden angerichtet, und ich werde die Gelegenheit ergreifen, um in einem anderen Zusammenhang noch mehr dazu zu sagen.
Herr Szymański, ich möchte sagen, dass ich die Probleme Polens voll und ganz verstehe, insbesondere die Abhängigkeit von bis zu 95 % seiner Wirtschaft von Kohle, aber ich denke, dass Polen Europa braucht, um seine Bergbauindustrie zu modernisieren. Zudem können wir mit Polen problemlos zu einer Einigung über saubere Kohle kommen. Zudem braucht Polen zur Modernisierung seiner Bergbauindustrie ganz Europa. Wir brauchen Polen und Polen braucht Europa. Auf dieser Grundlage werden wir zusammen mit Herrn Barroso versuchen, einen Kompromiss mit unseren polnischen und ungarischen Freunden sowie einigen derjenigen zu finden, die Bedenken bezüglich ihres Wachstums haben.
Herr de Villiers, ich habe, wie Sie sagen, die Dogmen umgestürzt, weil ich an den Pragmatismus glaube, aber ehrlich gesagt schreibe ich dem Vertrag von Lissabon keine Mängel zu, die er gar nicht aufweist. Ich befinde mich in einer Position, in der ich weiß, dass der Vertrag von Lissabon kein Wunderwerk ist. Er ist nicht perfekt, aber außer der Vendée, Herr de Villiers, gibt es keine Perfektion, insbesondere dann nicht, wenn wir 27 Länder mit unterschiedlichen Regierungen und einer unterschiedlichen Geschichte zusammenbringen. Sie müssen die Idee eines idealen Vertrags aufgeben – Sie wissen sehr gut, dass es einen solchen niemals geben wird. Europäer sind Pragmatiker, vernünftige Menschen, die einen nicht ganz perfekten Vertrag, der für Verbesserungen sorgt, einem perfekten Vertrag vorziehen würden, den es niemals geben wird, denn es wird nie zu einer Einigung über diese nicht greifbare Idee kommen.
Genau darum geht es in Europa: Jeden Tag Fortschritte erzielen, denn wir wollten Kriegen ein Ende setzen und eine demokratische Zone schaffen. Herr de Villiers, ich denke, Sie sollten sich auf einen anderen Kampf konzentrieren. Dieser scheint darin zu bestehen, dass Sie einen imaginären Feind schaffen, obwohl es in der derzeitigen Krise recht offensichtlich ist, dass die Menschen in Europa verstehen, dass Zusammenarbeit stark macht und keine Schwäche ist. Selbst jemand, der so stark und talentiert ist wie Sie, wird im Alleingang nichts gegen die Finanzkrise ausrichten können. Es wäre besser, einen ordentlichen Kompromiss mit ganz Europa zu erreichen, als allein in einer Ecke zu sitzen und zu wissen, dass Sie Recht haben.
Zum Thema „freie Hand“, Herr de Villiers, gilt meine Antwort Ihnen. Es ist die Antwort eines freien Mannes, noch dazu in der französischen politischen Debatte. Und ich denke, dass für uns am wichtigsten ist, mit dem Schwafeln aufzuhören. Meines Erachtens können von aufrichtigen Leuten, die sich für ihre Ideen einsetzen, gute Kompromisse erreicht werden. Das Problem der europäischen politischen Debatte ist ein Mangel an Ideen, der uns alle betrifft, alle Fraktionen quer durch die Bank, als ob uns der Gedanke lähmen würde, etwas Neues zu erdenken. Wenn sich Europa vorwärts bewegt hat, dann lag das daran, dass Frauen und Männer zu einem bestimmten Zeitpunkt neue Wege gegangen sind, und wir alle sollten die Selbstkritik üben, für die Sie plädiert haben. Wir in Europa haben seit langem gehandelt, als wären wir unbewegliche Objekte. Wir folgten den Gründervätern, aber nicht ihrem Beispiel: Wir haben keine neuen Wege beschritten und auch keine neuen Ideen vorgelegt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir an dieser Stelle etwas Vorstellungskraft brauchen, denn letztendlich besteht das größte Risiko darin, heute nichts zu tun und nicht entschlossen zu handeln, wenn wir vor einer völlig neuen Situation stehen.
Herr Kozlík, Transparenz ist absolut entscheidend. Was die Rating-Agenturen anbelangt, so denke ich, dass das Verhalten der Rating-Agenturen der skandalöseste Teil der Krise war. Diese Agenturen stuften Produkte am Freitag mit „AAA“ ein und am Montag darauf nur noch mit „BBB“. Es darf in Zukunft kein Monopol von drei Rating-Agenturen mehr geben, von denen zwei aus Amerika stammen. Das Problem der Rating-Agenturen, ihrer Unabhängigkeit in Bezug auf bestimmte Gruppen und einer europäischen Rating-Agentur wird mit Sicherheit eines der wichtigsten Themen auf dem ersten Gipfel über die künftige Regulierung sein. Zum Thema Wettbewerb möchte ich Ihnen – all denen unter Ihnen, die über Wettbewerb gesprochen haben – sagen, dass ich an den Wettbewerb glaube. Ich habe aber genug von Leuten, die ihn zum Selbstzweck machen, obgleich er in Wahrheit lediglich ein Mittel zum Zweck ist. Wettbewerb ist ein Mittel für Wachstum; er ist kein Selbstzweck, und ich werde alles unternehmen, um dieses Konzept wieder in die neue europäische Politik einzubringen.
Ich glaube an die Freiheit, an den freien Handel und daran, dass wir den Protektionismus ablehnen sollten, aber der Wettbewerb muss ein Mittel für Wachstum sein. Der Wettbewerb als Ziel, als Selbstzweck ist ein Fehler: Ich habe vor der Krise so darüber gedacht, und das hat sich nach der Krise nicht geändert.
Herr García-Margallo, Sie haben Recht damit, dass wir ein neues Bretton-Woods-Abkommen brauchen, denn es gibt, wie Herr Daul und Herr Schulz gerade gesagt haben, keinen Grund für einen internationalen Gipfel, wenn wir nur Pflaster auf Wunden kleben. Wenn wir nur das halbe System ändern, ist es die Sache nicht wert.
Sie haben Rechnungslegungsstandards erwähnt, aber werfen Sie nur einmal einen Blick auf unsere Banken. Zunächst ist die Diktatur der US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards nicht länger hinnehmbar. Zweitens hängt der Betrag, den Banken vergeben können, von ihrer Eigenkapitaldecke und ihren Aktiva ab. Wenn wir die Aktiva auf der Basis des Marktbewertungsansatzes betrachten, auf der Grundlage eines Marktes, den es nicht mehr gibt, der vollkommen destabilisiert wurde, dann machen wir die Banken arm, und sie sind folglich noch weniger in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Frage der Änderung der Rechnungslegungsstandards, die von dem Kommissionspräsidenten aufgeworfen wurde, hatte unsere volle Unterstützung – diese Angelegenheit war dringend. Herr Präsident, ich möchte zudem dem Europäischen Parlament meine Anerkennung für die Bereitschaft aussprechen, für diese Änderung zu stimmen: Mit erstaunlichem Tempo haben wir eine Einstimmigkeit im Mitentscheidungsverfahren erreicht, was von dem Europäische Rat begrüßt wurde.
Herr Rasmussen, hätten wir die Krise verhindern können? Bevor wir darüber entscheiden können, müssen wir uns über die Gründe einig sein. Was ist geschehen? Die Vereinigten Staaten von Amerika, unsere Verbündeten und Freunde, haben in den letzten drei Jahrzehnten über ihre Verhältnisse gelebt. Die Federal Reserve Bank verfolgte eine Geldpolitik, bei der die Zinsen außergewöhnlich niedrig gehalten wurden, sodass jeder, der wollte, einen Kredit bekam. In den vergangenen 20 oder 30 Jahren haben wir die immensen Schulden der größten Weltmacht mit uns herumgeschleppt, und nun muss die ganze Welt für diese Schulden aufkommen.
Unter diesen Umständen müssen die Amerikaner ihre Verantwortung übernehmen und gemeinsam mit uns die Konsequenzen tragen, aber ich sehe nicht, wie wir ihnen von uns aus hätten sagen können, dass sie diese Strategie aufgeben müssen. Ich möchte hinzufügen, dass einige unserer Banken ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen: Aufgabe einer Bank ist es, Privatpersonen und Unternehmen Geld zu leihen, Privatkunden bei der Familiengründung zu unterstützen und Unternehmen beim Ausbau ihrer Projekte behilflich zu sein, und dann nach einer bestimmten Zeit Gewinne zu realisieren. Unsere Banken haben die so genannten Handelsräume geschaffen, Orte der Spekulation, und sie sind seit Jahren der Ansicht, dass es einfacher ist, Geld mit Spekulation als mit Investitionen zu verdienen.
Ich möchte hinzufügen, dass die Risiken auf Gegenseitigkeit beruht und sich alle unsere Banken daher gut benommen haben. Es gibt 8 000 Banken in Europa, von denen 44 international tätig sind. Wenn wir es zugelassen hätten, dass Banken Insolvenz anmelden, wie es in den USA mit Lehman Brothers der Fall war, wäre das gesamte System kollabiert. Ich weiß nicht, wie wir die Krise hätten verhindern können, Herr Rasmussen, doch ich denke, wenn wir nicht so reagiert hätten, wie wir reagiert haben, hätte uns die Krise vernichtet: Davon bin ich felsenfest überzeugt.
Sie sagen, dass wir vor Weihnachten Vorschläge brauchen, aber eigentlich brauchen wir sie vor Mitte November. Ich beabsichtige tatsächlich, gemeinsam mit Präsident Barroso Initiativen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass wir als Europäer mit einer Stimme auf dem Gipfel auftreten. Hiermit versuche ich noch etwas anderes, Herr Rasmussen: Wir dürfen uns nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, sondern auf den größten – denn jeder Konsens birgt das Risiko, dass wir unsere Ambitionen zurückschrauben, wenn wir versuchen, eine künstliche Einigung zu erzwingen. Das ist ein Risiko. Ich hoffe, dass wir ehrgeizig bleiben und unsere Ambitionen nicht zu sehr zurückschrauben, dabei aber dennoch mit einer Stimme sprechen.
Ich möchte nicht weiter auf die Hedge-Fonds eingehen; ich habe ja bereits gesagt, dass sie reguliert werden müssen. Kein Finanzinstitut, sei es öffentlich oder privat, sollte einer Regulierung entgehen können.
Frau Neyts-Uyttebroeck, Sie haben gefragt, ob wir ungeachtet der Vorfälle weiter Gespräche mit Russland führen werden. Natürlich nicht, aber versetzen Sie sich einmal in unsere Lage. Russland stoppte seine Panzer 40 km vor Tiflis, wie wir in Europa es gefordert haben. Russland zog seine Truppen hinter die Grenzen zurück, die vor der Krise vom 8. August bestanden. Russland ließ den Einsatz von Beobachtern zu, vor allem aus Europa, und Russland beteiligt sich, wenn auch eher ungern, an den Genfer Gesprächen. Wenn wir angesichts dessen den EU-Russland-Gipfel dennoch absagen, wer kann dann noch die Politik Europas verstehen? Niemand.
Ich möchte hinzufügen, dass wir gemeinsam mit Präsident Barroso umsichtig gehandelt haben, indem wir den Gipfel nicht abgesagt, sondern verschoben haben. Worin besteht der Unterschied? Wenn wir entschieden hätten, den Gipfel abzusagen, hätte es einer einstimmigen Entscheidung des Europäischen Rats bedurft, um die Gespräche wieder aufzunehmen, was meiner Ansicht nach in politischer Hinsicht peinlich gewesen wäre. Die Entscheidung, den Gipfel zu verschieben, ermöglicht es uns, die Gespräche wieder aufzunehmen, ohne unverdiente goldene Sterne verteilen zu müssen. Aus diesem Grund denke ich, dass diese Strategie Gelassenheit, Ruhe und Klarheit ausstrahlt. Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas anderes hätten tun können, und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Russland ein Partner sein wird, mit dem wir einen Dialog führen und offen sprechen können, doch wir können die Russen nur zu Entwicklungen ermutigen, wenn wir mit ihnen sprechen. Wenn wir andererseits nicht miteinander sprechen, wird Russland das Gefühl bekommen, umzingelt zu sein, und unsere Ideen werden weniger Einfluss haben. Ich bin davon überzeugt, doch natürlich kann es sich durch künftige Ereignisse herausstellen, dass ich falsch liege. Es geht daher um die Übernahme unserer Verantwortung.
Herr Wojciechowski, es obliegt dem amtierenden Präsident des Rates nicht, zu entscheiden, wer Polen vertreten sollte. Polen hatte zwei Sitze im Europäischen Rat, und Polen konnte entscheiden, wer sie bekommen sollte. Stellen Sie sich ein Europa vor, in dem der Präsident des Europäischen Rates bestimmt, wer hinein darf und wer nicht. Welche Art Europa hätten wir dann? Polen hat einen Präsidenten – den Sie offensichtlich nicht unterstützen – und es hat einen Premierminister; es obliegt ihnen, als Staatsmänner und Europäer zu handeln und zu entscheiden, wer Polen vertreten sollte. Letztendlich haben wir es geschafft, und Anfang Dezember werde ich die Gelegenheit haben, nach Polen zu reisen, wo ich dem polnischen Präsidenten Folgendes sagen werde: „Sie müssen Ihr Versprechen halten. Sie haben versprochen, den Vertrag von Lissabon zu unterzeichnen, den Ihr Parlament ratifiziert hat, und Sie müssen dieses Versprechen einhalten.“ Das ist die Glaubwürdigkeit eines Staatsmannes und Politikers.
(Beifall)
Ich glaube fest genug an Polens Bedeutung in Europa, um dies zu sagen, ohne irgendjemanden zu beleidigen.
Herr Martin, wir brauchen eine starke europäische Demokratie. Ich bin mir Ihrer Kampagne bewusst, Ihrer Kampagne gegen Korruption und für eine voll funktionierende Demokratie. Sie haben vollkommen Recht, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir mit Präsident Barroso gezeigt haben, dass wir entschieden sein können. Zudem gibt es sogar Abgeordnete in diesem Parlament, die dachten, dass ich ohne Mandat gehandelt habe. Wenn ich warten müsste, bis ich ein Mandat habe, um handeln zu können, würde ich sicher weit weniger auf die Beine stellen.
Frau Sudre, auch Ihnen vielen Dank für Ihre Unterstützung. Europa existiert nun einmal, und Sie haben durchaus Recht damit, dass der Status quo keine Option ist. Ich denke, darauf können wir uns alle einigen. Das schlechteste Ergebnis wäre, wenn wir, nachdem der Sturm vorüber ist, weitermachen würden, als ob nichts geschehen wäre. Das würde das Ende des europäischen Ideals bedeuten, und wir haben kein Recht, diese Möglichkeit ungenutzt zu lassen.
Nun, einige hier sind überrascht darüber, warum wir so schnell einen Gipfel abhalten. Jetzt kennen Sie den Grund dafür. Wir haben uns gesagt, dass sich die Situation weiter verschlechtern könnte und wir dann keine Antwort darauf haben, wenn wir zu lange warten – und wenn wir insbesondere warten, bis dass der neue US-Präsident gewählt worden ist. Wenn sich die Lage andererseits verbessern würde, hätte jeder im nächsten Frühling das Ganze vergessen und es würde sich nichts ändern. Deshalb mussten wir den Gipfel, zumindest den ersten Gipfel, im November abhalten, ungeachtet des Zeitplans in den USA.
Meine Damen und Herren, ich denke, ich habe nun allen Rednern geantwortet. Ich muss mich außerdem an den Zeitplan der Präsidentschaft halten und bei der Pressekonferenz erscheinen, die ich zusammen mit dem Präsidenten der Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments geben muss. Sollte ich jemanden vergessen haben, möchte ich mich bei den anderen Rednern entschuldigen. Das liegt natürlich nicht daran, dass ich nicht will. Vielmehr wurde ich gebeten, mich an die für heute geplanten Termine zu halten. Ich habe mein Bestes versucht und natürlich werde ich Gelegenheit haben, im Dezember wieder hier im Parlament zu erscheinen, wenn Sie dies wünschen, um ausführlicher auf die Fragen der Redner einzugehen.
Der Präsident. - Herr Präsident des Europäischen Rates! Sowohl die Redebeiträge als auch jetzt der Beifall machen deutlich, dass Sie die Unterstützung des Europäischen Parlaments haben.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – Ich möchte nur kurz auf die Fragen antworten, die mir Herr Rasmussen gestellt hat. Auch ich muss Sie bitten, mich zu entschuldigen, denn ich muss auch zu dieser Pressekonferenz. Die Kommission wird von Kommissar Almunia vertreten.
Wie ich in meinen früheren Kommentaren sagte, wird bei unserer Untersuchung kein Bereich der Finanzmärkte ausgelassen. Ich möchte Ihnen wirklich für den Beitrag danken, den Sie persönlich – und viele Abgeordnete des Europäischen Parlaments – mit Ihrem Bericht geleistet haben. Wir werden alle diese Optionen prüfen. Wie Präsident Sarkozy eben gesagt hat, wollen wir bei dieser globalen Anstrengung die Führungsrolle übernehmen. Wir glauben, dass einige dieser Vorschläge, wie Sie gefordert haben, noch vor Weihnachten in Kraft treten können, aber manche sind in technischer Hinsicht sehr heikel. Wir werden eine Entscheidung treffen und in allen internationalen Debatten unseren Beitrag zu diesen Angelegenheiten leisten, aber meines Erachtens ist es auch wichtig, technisch ausgereifte Vorschläge vorzulegen. Ich bin mir sicher, Sie haben bemerkt, dass wir Ihnen alles, was mit dem ECOFIN-Rat vereinbart wurde – die finanzielle Roadmap – zur Verfügung gestellt haben. Es ist nicht ganz richtig, zu behaupten, wir hätten die Finanzdienstleistungen unter dieser Kommission nicht reguliert. Im Bereich der Finanzdienstleistungen sind seit Beginn dieser Kommission per Mitentscheidung oder Ausschussverfahren zweiunddreißig Legislativmaßnahmen angenommen worden, davon 19 durch Mitentscheidung. In den kommenden Wochen und Monaten werden noch einige hinzukommen, angefangen mit dem Vorschlag über Rating-Agenturen Anfang des kommenden Monats.
Lassen Sie mich zu den Rating-Agenturen ein Beispiel anführen. Wir müssen sehr offen darüber sprechen. Ich habe persönlich mehrmals mit diversen Regerungen über die Notwendigkeit der Regulierung von Rating-Agenturen gesprochen. Die Antwort war ein klares „nein“. Das ist die Wahrheit. Daher frage ich Sie – einige von denen, die die Kommission kritisieren: Vielleicht können Sie ein wenig Einfluss auf Ihre eigenen Regierungen oder Regierungsparteien ausüben. Das wäre wirklich hilfreich, denn in der Tat war vor einigen Monaten, als wir hierüber diskutiert haben – und in diesem Bereich war Kommissar McCreevy für eine Regulierung der Rating-Agenturen – der ehrgeizigste Vorschlag, den einige Regierungen in Erwägung zogen, ein Verhaltenskodex.
Sie können sagen, dass dies alles schön und gut ist und die Kommission das Recht hat, dies zu tun. Das stimmt, aber bei Finanzdienstleistungen liegen die Dinge – wie Sie wissen – anders als in vielen anderen Bereichen. Als wir uns in einer Krise befanden – deren Höhepunkt im September dieses Jahres erreicht war (wobei wir diese Roadmap seit August letzten Jahres hatten) – rieten uns viele in unseren Regierungen eindringlich dazu, keine Vorschläge vorzulegen, die die Alarmstufe erhöhen oder eine Art Alarmreflex auslösen können. Dies ist eine Angelegenheit, bei der die Kommission meiner Ansicht nach vorsichtig vorgehen muss. Bei den äußerst sensiblen Themen im Zusammenhang mit den Finanzmärkten darf es keine leeren Versprechen geben. Wir können nicht einfach nur Dinge verkünden. In dieser Frage ist es sehr wichtig, die Koordination von Parlament, Kommission und Rat sicherzustellen. Ich möchte sagen, dass wir in der Europäischen Kommission definitionsgemäß eine europäische Dimension der Regulierung und der Aufsicht befürworten. Ich sage dies sehr offen. Wenn die Kommission nicht oft Vorschläge gemacht hat, die Sie zu Recht vorgelegt haben, dann lag dies nicht immer daran, dass wir geschlafen haben oder aus ideologischer Sicht voreingenommen waren. Vielmehr lag es daran, dass die Analyse der Situation gezeigt hatte, dass die Chancen auf Erfolg gleich null oder fast gleich null waren. Ganz ehrlich, das ist etwas, was ich Ihnen einmal sagen wollte. Wir werden Zeit haben, uns mit allen Ursachen und allen Phasen dieses Prozesses zu befassen, aber ich halte es für wichtig, dass Sie dies in der Debatte wissen.
Offen gestanden vertraten noch vor zwei Wochen einige unserer Regierungen die Ansicht, dass wir keine europäische Reaktion brauchen. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass ich einen Artikel in der europäischen Presse veröffentlicht habe, in dem ich um eine europäische Reaktion bat – dafür plädierte, und einige unserer Regierungen meinten dazu: „Nein, wir können das auf nationaler Ebene regeln. Wir brauchen keine europäische Dimension.“ Versuchen wir also, gemeinsam zu handeln. Betrachten wir uns kritisch, das sollte jeder von uns tun, aber versuchen wir, eine allzu simple Reaktion auf ein äußerst komplexes Thema zu vermeiden. Wir sind bereit, mit dem Europäischen Parlament und dem Rat konstruktiv zusammenzuarbeiten, um gute Lösungen für Europa und möglicherweise den Rest der Welt zu finden.
(Beifall)
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
Gilles Savary (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich bedaure sehr, dass mir Herr Pöttering nicht das Wort erteilt hat, als ich es beantragt habe, denn ich habe ihn nur um das Recht auf Gegendarstellung gebeten, und ich hätte lieber geantwortet, solange der Ratspräsident noch anwesend war.
Ich bin über die Schuldzuweisungen der französischen Sozialisten, die wir hier gehört haben, erbost. Ich habe es wirklich noch nie erlebt, dass ein amtierender Ratspräsident eine Fraktion infrage gestellt hat. Ich habe es auch noch nicht erlebt, dass ein Präsident der Französischen Republik seine Landsleute auf einer internationalen Bühne wie dieser der Lächerlichkeit preisgibt. Das ist meines Erachtens eine Beleidigung, und ich hätte gerne eine förmliche Entschuldigung der französischen Regierung gehört.
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Robert Atkins (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ein Hinweis zur Geschäftsordnung. Wir haben hier erneut ein Beispiel für das erbärmliche Missmanagement der Angelegenheiten dieses Parlaments. Es ist wirklich Zeit, dass sich die Präsidentschaft zur Kenntnis nimmt, dass Abstimmungen auch zum angesetzten Zeitpunkt stattfinden sollten. Nichts und niemand ist wichtiger als die Ausübung unserer demokratischen Rechte während der Abstimmungen. Ich bitte Sie darum, der Präsidentschaft mitzuteilen, wie unsere Angelegenheiten geregelt werden, damit sie verbessert werden können, damit wir zum angesetzten Zeitpunkt abstimmen können und die Reden auf die entsprechende Länge beschränkt werden.
(Beifall)
Die Präsidentin. – Herr Atkins, wenn es Ihnen nichts ausmacht, werden wir die Aussprache nun fortsetzen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, sich genau an Ihre Redezeit zu halten. Seien Sie nicht überrascht, wenn ich Sie unterbreche.
Linda McAvan (PSE). - Frau Präsidentin! Es ist schade, dass der amtierende Ratspräsident bereits gegangen ist, denn ich hätte eine Botschaft an ihn, aber ich hoffe, dass sie Herr Jouyet entgegennehmen wird.
Was er heute Morgen über den Klimawandel gesagt hat, ist äußerst wichtig. Er hatte Recht, Herrn Nassauer daran zu erinnern, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, unsere Klimaschutzambitionen aufzugeben und die vorliegenden Vorschläge zu verwässern.
(Beifall)
Es hat eine riesige Lobby in diesem Parlament und im Rat gegeben. Dies hat lange vor dem Ausbruch der Finanzkrise in diesem Sommer begonnen, nämlich schon letztes Jahr. Kaum war die Tinte in Berlin trocken, versuchte man bereits, das Ganze zu verwässern.
Präsident Sarkozy bat um das Engagement des Parlaments. Er wird mehr als Engagement bekommen: Mitentscheidung. Ich weiß nicht, weshalb wir überhaupt über die Bedeutung der Mitentscheidung diskutieren: Ohne Mitentscheidung dieses Parlaments wird es kein Klimapaket geben.
Wir wünschen uns eine Einigung bis Weihnachten. Die PSE-Fraktion kann Ihnen dies versprechen. Was die andere Seite angeht, bin ich mir nicht sicher – vielleicht wird Herr Sarkozy seine Leute fragen. Die PSE-Fraktion wünscht sich eine Verpflichtung bis Weihnachten, aber keine x-beliebige Einigung. Wir wollen eine glaubhafte Einigung; eine Einigung, die ein Gleichgewicht zwischen Umwelt, Arbeitsplätzen und Wettbewerb schafft.
Wir wollen jedoch keine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Präsident Sarkozy hat uns gerade daran erinnert, was geschieht, wenn Sie sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufrieden geben. Wir wissen, dass einzelne Länder Probleme haben – und wir können darüber sprechen – doch wir brauchen ein Paket, das in den internationalen Gesprächen glaubhaft ist, nicht eines, das auf Ausgleichen in anderen Ländern basiert, denn das wäre kein glaubhaftes Paket, und auch keines, das das Emissionshandelsprogramm zerlegt und den Kohlepreis zerstört. Herr amtierender Präsident, ich hoffe, Sie werden diese Botschaften an Herrn Sarkozy weiterleiten.
Herr Nassauer sprach über die Kosten des Klimapakets. Heute buttern wir viele Milliarden in die Finanzkrise, die unsere Banken betrifft. Natürlich hat die Kommission die Kosten für das Paket ausgerechnet, aber ich möchte mich nicht in ein paar Jahren vor unseren Bürgern rechtfertigen und sagen müssen, dass wir weitere Milliarden aufbringen müssen, weil es uns nicht gelungen ist, hier und jetzt zu handeln. Was noch schwerer wiegt als die Kosten: Auch Menschenleben werden dem auf der ganzen Welt zum Opfer fallen. Alle Fraktionen dieses Parlaments sollten politischen Mut beweisen; wir sollten Fortschritte erzielen und die Einigung mit dem Rat noch vor Weihnachten, rechtzeitig für die internationalen Gespräche, erreichen.
(Beifall)
Margarita Starkevičiūtė (ALDE). - (LT) Ich möchte nur eines sagen. Der Präsident der Kommission sagte, dass die Reaktion der Europäischen Union auf die Krise unzureichend gewesen sei. Tatsächlich war die Reaktion stark; die Mitgliedstaaten haben reagiert, aber die europäischen Institutionen haben sich zu viel Zeit gelassen. Das hat sich in diesem Parlament heute bestätigt – als Herr Sarkozy ging, gingen auch alle Journalisten. Keiner hat Interesse an uns. Grund hierfür ist vor allem unsere Unfähigkeit, unsere Arbeitsweise zu reformieren. Sowohl in der Europäischen Kommission als auch im Europäischen Parlament gibt es brillante Leute, aber das bürokratische System bremst sämtliche Initiativen. Wir waren imstande, auf den Tsunami in Asien zu reagieren, aber morgen werden wir über einen Haushalt debattieren, der ohne Berücksichtigung der Tatsache aufgestellt worden ist, dass wir derzeit in Europa einen wirtschaftlichen Tsunami erleben. Wir könnten etwas tun, zum Beispiel andere Prioritäten für unseren Haushalt setzen. Wir könnten auch in unseren parlamentarischen Ausschüssen Prioritäten setzen, die uns helfen würden, diese Krise zu überstehen und die Erwartungen der Menschen zu erfüllen. Die Europäische Kommission sollte reformiert werden. Ich möchte betonen, dass die strategischen und die technischen Funktionen der Kommission getrennt werden sollten. Dann würde sie effektiver arbeiten.
John Bowis (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Dem inzwischen abwesenden amtierenden Präsidenten möchte ich Folgendes sagen: Sie haben heute Morgen eloquent über die Herausforderung für unsere wirtschaftlichen Zukunft gesprochen, welche zu Recht ganz oben auf unserer Tagesordnung steht, aber nicht weniger zu Recht und nicht weniger eloquent haben Sie auf dem Gipfel und auch heute wieder verdeutlicht, dass Sie beabsichtigen, den Zeitplan und die Ziele für den Kampf gegen den Klimawandel einzuhalten. Ihre Worte haben Hand und Fuß und sind genau richtig. Das Klimapaket ist, wie Sie gesagt haben, so wichtig, dass wir es nicht einfach unter dem Vorwand einer Finanzkrise aufgeben dürfen.
Es war sehr wichtig, dass Kanzlerin Merkel trotz der echten Probleme, die ihr Land und andere haben, klar gemacht hat, dass Deutschland die Umsetzung der Klimaschutzziele und eine Lösung vor dem Gipfel im Dezember befürwortet. Wenn das die Herausforderung ist, vor die Sie uns stellen, wird das Parlament meiner Ansicht nach effektiv und rechtzeitig reagieren.
Aber ich muss sagen, dass der Fokus nun auf dem Rat liegt. Um dies zu erreichen, müssen wir die Länder beruhigen, die echte Probleme haben, wie Polen mit der Kohle. Wir werden die Kriterien für die Regulierungserleichterungen klar festlegen müssen, die bekanntermaßen für eine begrenzte Liste von Branchen und Sektoren gelten werden, die unter echten Abwanderungsproblemen leiden. Des Weiteren müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass unsere Förderung der Biokraftstoffe im Straßenverkehr von der Erschließung nachhaltiger Quellen abhängt. Ohne dies könnten wir unserer Umwelt und den Lebensräumen von Menschen, Tieren und Pflanzen einen irreparablen Schaden zufügen.
Wir haben eine große Herausforderung angenommen, aber eine, die wir unbedingt meistern müssen. Gegen eine Umweltkatastrophe würden unsere derzeitigen wirtschaftlichen Probleme unbedeutend erscheinen.
Wie Präsident Sarkozy sagte, müssen die beiden Politiken Hand in Hand gehen. Aber wir müssen dafür sorgen – und der Präsident muss dafür sorgen –, dass das Parlament wegen der Unfähigkeit des Rates, seiner Führung zu folgen, nicht im Regen stehen gelassen wird.
Bernard Poignant (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich bin der erste französische Sozialist, der sich an dieser Aussprache beteiligt. Ich bedaure, dass der amtierende Ratspräsident gegangen ist, nachdem er kein Problem damit zu haben schien, über eine bedeutende Partei in seinem Land zu scherzen. Er hat jedes Recht dazu, aber er hat auch die Pflicht, hier zu bleiben, um sich die Antworten anzuhören: Das mache ich ihm zum Vorwurf. Gleichermaßen halte ich es nicht für gut, dass der amtierende Ratspräsident versucht, eine der größten Fraktionen im Parlament zu spalten. Herr Schulz hat ihm geantwortet. Wenn er über den französischen Sozialismus spottet, dann überlegen Sie einmal, auf wen er abzielt. Er vergisst dabei, dass der französische Sozialismus dafür sorgte, dass Europa François Mitterrand und Jacques Delors bekam...
(Beifall)
... und er vergisst, dass er, um sich in Europa Glaubwürdigkeit zu verschaffen, sogar zwei Sozialisten ausgeliehen hat, nämlich Bernard Kouchner und Jean-Pierre Jouyet.
Lena Ek (ALDE). - (SV) Frau Präsidentin! Zwei Dinge sind wichtig. Das erste ist die Finanzkrise. Es ist wichtig, dass wir aus Europa mit einer Stimme sprechen. Das letzte Mal, als wir gemeinsam mit den USA gegen eine Krise angekämpft haben, ging es um den Terrorismus. Wir haben zahlreiche Regelungen importiert, die uns nun aufgrund unserer europäischen Denkart in Bezug auf den Datenschutz äußerst fremd erscheinen. Wir benötigen eine europäische Herangehensweise an diese Krise, und daher brauchen wir gemeinsame Regelungen und Standards für Dinge wie Transparenz, Solidarität und Finanzinstrumente, die auf dem europäischen Markt zum Einsatz kommen. Der Stabilitätspakt wäre ein hervorragendes Werkzeug für diesen Zweck.
Das zweite ist das Klimapaket. Wir haben in den zwei wichtigsten Ausschüssen über das Klimapaket abgestimmt und uns mit großer Mehrheit auf eine Linie geeinigt, die den Vorschlag der Kommission unterstützt. Wir werden keinen Rückzieher im Hinblick auf die Ziele oder den Zeitplan machen. Wenn die Präsidentschaft wirklich so viel Wert sowohl auf die Ziele als auch auf den Zeitplan legt, werden wir auf die Nachricht warten, wann wir die Angelegenheiten gemeinsam konkret besprechen können. Was das Parlament anbelangt, werden wir unsere Mitentscheidungsbefugnis und das Mitentscheidungsverfahren innerhalb des institutionellen Gleichgewichts anwenden.
(Beifall)
Alexander Radwan (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Auch ich hätte lieber direkt zu Herrn Sarkozy und Herrn Barroso gesprochen, insbesondere weil ich den Präsidenten der Kommission ansprechen wollte, denn bei einigen Kommissaren waren wir ja in den letzten Jahren recht erfolglos.
Die Bürger erwarten, dass sich Europa um das Große kümmert und nicht um die Kleinigkeiten. Herr Schulz – der gerade den Saal verlassen hat – hat alle Konservativen in einen Topf geworfen. Die Menschen erwarten nicht Gängelung im Kleinen, sondern mehr Freiheit von Regulierung für den Mittelstand, für die Bürger, und bei großen Fragen Aktivitäten. Ich betone, das Europäische Parlament hat die Kommission bereits im Jahr 2003 aufgefordert, einen Vorschlag zu Rating-Agenturen vorzulegen. Erstaunlicherweise ist inzwischen das Wort Hedge-Fonds in der Kommission auch bekannt – sicherlich nicht bei allen Kommissaren. Der Kommissionspräsident geht inzwischen diesem Thema nach.
Herr Schulz hat es sich recht einfach gemacht, als er gemeint hat, es liege allein an den Konservativen. Es war der Rat, der über Jahre hinweg Fortschritte im Bereich der Aufsicht verhindert hat! Das waren die Finanzminister Eichel und Steinbrück! Ich möchte nur daran erinnern: Derjenige, der regelmäßig auf europäischer Ebene gebremst hat – ich bitte die Sozialisten, es ihrem Vorsitzenden auszurichten –, war Herr Koch-Weser, der inzwischen im Haus der Deutschen Bank relativ gut gelandet ist.
Wir erwarten von der Zukunft, dass Europa bei der Finanzmarktregulierung seine Wertvorstellungen und seine Prioritäten einbringt. Das heißt Nachhaltigkeit – nicht nur Risikomaximierung mit entsprechender Renditemaximierung. Das heißt Orientierung an den Grundsätzen, wie es ein mittelständisches Unternehmen machen würde. Das ist etwas, was wir im internationalen Kontext einbringen müssen. Da reicht es nicht aus, nur internationale Konferenzen abzuhalten, sondern Europa muss sich einig sein, um dann auf internationaler Ebene dafür zu sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt!
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Wenn ich die Schlussfolgerungen des Rates betrachte, fällt mir etwas auf. Das Thema der Gehälter wurde erwähnt, und das durchaus zu Recht, denn es stellt ein enormes Problem dar, mit dem wir uns gemeinsam beschäftigen und für das wir die Verantwortung übernehmen müssen. Allerdings haben wir auch das Problem der Steueroasen, und bei diesem Thema habe ich den Eindruck – wenngleich ich etwas übersehen haben könnte – dass selbst zwischen den Zeilen nichts darüber geschrieben steht.
Der amtierende Ratspräsident hat gesagt, dass wir ehrgeizig sein müssen und uns nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen dürfen; ich möchte ihn bitten dieselbe Linie beim Thema Steueroasen zu verfolgen. Ich möchte des Weiteren Präsident Barroso darum bitten, eventuell seine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Krise um Kommissar Kovács zu erweitern, wenn er diese Themen wirklich angehen will.
Abschließend möchte ich die Kommission dazu auffordern, an die Mitgliedstaaten zu appellieren, ihre nationalen Maßnahmenkataloge zu überarbeiten. Warum koordinieren wir die Wirtschaftspolitik auf der Grundlage nationaler Programme, die die prognostizierte Rezession, vor der wir stehen, nicht berücksichtigen? Wenn die Kommission es ernst meint mit der wirtschaftlichen Governance, muss sie von den Mitgliedstaaten verlangen, ihre Pläne angesichts der Realität der wirtschaftlichen Lage, der sie sich stellen müssen, zu überarbeiten.
Am Ende hat jeder gesagt, was er zu sagen hatte, woraus ein gewisses Maß an europäischer Kooperation resultiert, aber das reicht nicht aus. Wir haben eine historische Chance, den Mitgliedstaaten Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik und die wirtschaftlichen und industriellen Strategien der Mitgliedstaaten genommen werden kann. Machen wir also das Beste daraus. Im Namen der Kommission müssen Sie die Initiative ergreifen, um einen Rahmen für die Nutzung der Verstaatlichung der Banken durch die Mitgliedstaaten zu definieren, um diese zu Instrumente für die langfristige Finanzierung der Investitionen zu machen, die wir brauchen...
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Jacek Saryusz-Wolski (PPE-DE). - (FR) Frau Präsidentin, Herr Jouyet! Der Europäische Rat hat einen Teil seiner Schlussfolgerungen der Energiesicherheit gewidmet, aber dieses Thema wurde vom Radar nicht erfasst und in den Debatten übersehen. Es ist nun wichtiger denn je. Ich unterstütze die Schlussfolgerungen des Rates, doch der Teufel steckt im Detail, und es sind gerade diese Details und Besonderheiten, die fehlen. Ich möchte zwei davon ansprechen.
Erstens ist da das Hauptthema der Beziehungen der EU mit den Erzeuger- und Transitländern. Der Gedanke, unsere Energiediplomatie auszubauen, ist vollkommen gerechtfertigt. Was hingegen immer fehlt, ist der Wille der Mitgliedstaaten, sich über die Botschaft zu einigen, die wir an Drittländer senden, und die Konsistenz unserer Nationalpolitik in Bezug auf die gemeinsamen Interessen der Union. Kurzum, uns fehlt eine gemeinsame Außen- und Energiesicherheitspolitik. Der kleinste gemeinsame Nenner, nämlich die Koordination unserer Standpunkte gegenüber unseren Lieferanten und Transitländern, ist noch lange nicht erreicht und umgesetzt. Daher wird – statt mit einer Stimme zu sprechen – die Politik des „jeder ist selbst der Nächste“ verfolgt, was sich in einer Reihe von bilateralen Verträgen zeigt, die unsere Verhandlungsposition schwächen und das Bild unserer Geschlossenheit nach außen trüben.
Das zweite Problem ist das Fehlen europäischer Projekte. Öl- und Gaspipelineprojekte werden nicht erwähnt. Diese sind jedoch entscheidend für die Garantie unserer Energiesicherheit, und der Ausgang des Nabucco-Projekts scheint inzwischen nicht mehr sicher zu sein, obgleich es als Projekt mit hoher Priorität bezeichnet wird.
Des Weiteren müssen wir in puncto Energiesicherheit unsere Lektionen aus der Georgien-Krise lernen, indem wir ein effektives System zum Schutz der bestehenden Infrastruktur in Transitländern in Kriegszeiten oder Phasen politischer Instabilität einführen.
Zum Schluss erinnere ich an die Parolen des Rates: Verantwortungsbewusstsein und Solidarität. Unsere Aufgabe ist es nun, aktiver zu werden. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass wir mit der europäischen Außenpolitik zur Energiesicherheit nie vorankommen werden.
Dariusz Rosati (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Jetzt, da ich in dieser Aussprache über die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates das Wort habe, möchte ich auf zwei Punkte eingehen.
Der erste bezieht sich auf die Finanzkrise. Sie hat ohne jeden Zweifel bewiesen, dass das System der regulatorischen Bankenaufsicht radikal verbessert werden muss. Die Änderungen sollten sich auf eine Optimierung der Kapitalrisikobewertung und eine Anpassung der Vorsichtsmaßnahmen an neue Finanzinstrumente fokussieren. Allerdings brauchen wir auch Änderungen, die der prozyklischen Natur von Hypothekenentscheidungen entgegenwirken. Mit steigenden Immobilienpreisen nehmen die Hypotheken zu und umgekehrt. Es ist genau dieser Mechanismus, der zum Entstehen von Spekulationsblasen beiträgt.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft das Klimapaket. Ich begrüße die Entscheidung des Rates, einen Kompromiss zum System des CO2-Emissionsrechtshandels zu suchen. Es gibt Mitgliedstaaten, die 90 % ihrer Energie aus Kohle gewinnen. Wenn diese Länder bereits ab 2013 100 % ihrer Emissionsrechte erwerben müssten, wären die Auswirkungen auf ihre Wirtschaft katastrophal. Der gesunde Menschenverstand und der Grundsatz der Gleichbehandlung schreiben die Einführung von Übergangszeiträumen vor.
Avril Doyle (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Die führenden europäischen Politiker verpflichteten sich im März 2007 unter der deutschen Präsidentschaft und nochmals im März 2008 unter der slowenischen Präsidentschaft, das Ziel der Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % bis 2020 zu erreichen – was bereits begrenzt ambitioniert ist. Wir sollten uns keiner Illusion hingeben: Damit wir in Kopenhagen ein internationales Klimaschutzabkommen nach 2012 erreichen können, müssen wir mit unserer Gesetzgebung ein klares und unmissverständliches Zeichen setzen.
Die derzeitige internationale Finanzliquiditätskrise und der Konjunkturrückgang haben dafür gesorgt, dass viele vorsichtig geworden sind hinsichtlich der Festlegung langfristiger CO2-Ziele oder der Verpflichtung der Industrie zur Erreichung der erforderlichen Treibhausgassenkungen, um dadurch die europäische Wirtschaft weiter in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß zu entwickeln, die wir so dringend brauchen und die, da stimme ich zu, eine dritte industrielle Revolution mit einem aufregenden Pioniervorteil für Europa im gesamten Bereich der neuen Technologien auslösen wird.
Allerdings sollten die Ziele der EU nach 2012 nicht im Kontext der derzeitigen Wirtschaftskrise gesehen werden. Ich glaube, dass unsere Regierungen imstande sein werden, diese in der näheren Zukunft zu lösen, und wir müssen nun handeln, damit künftige Generationen nicht die Last – einschließlich der wirtschaftlichen Last – tragen müssen, die eine Verzögerung des Klima- und Energiepakets zur Folge hätte. Wir können nicht den höheren Preis der Zukunft für unsere heutige Handlungsunfähigkeit zahlen. Andernfalls wird uns die Geschichte nicht gnädig sein – oder, wie Präsident Sarkozy gesagt hat, werden wir unsere Verabredung mit der Geschichte verpassen.
Das Europäische Parlament hat mir als einem der Berichterstatter zum Klimapaket ein starkes Mandat gegeben, die Verhandlungen mit dem Rat im Trilog zu führen, und ich nehme diese Verantwortung ernst. Wir müssen die Ziele und den Zeitplan einhalten, und enormer Ehrgeiz und einige Kompromisse werden, wie Herr Sarkozy sagte, an der Tagesordnung sein. Ich freue mich auf eine sehr enge Zusammenarbeit sowohl mit der Kommission als auch mit dem Rat unter der französischen Präsidentschaft. Ich glaube, dass wir gemeinsam bis Dezember eine effektive und praktikable Einigung über das Klima- und Energiepaket erreichen können und werden ...
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Ieke van den Burg (PSE). - Frau Präsidentin! Es ist interessant zu sehen, dass die Finanzmarktaufsicht im Rat zu einer Chefsache geworden ist. Ich schätze die Einrichtung einer hochrangigen Gruppe mit Herrn Jacques de Larosière, was wir im Europäischen Parlament bereits seit vielen Jahren fordern.
Ich möchte hier eine klare Botschaft aussenden: Koordination allein reicht nicht aus. Wir brauchen wirklich institutionelle Lösungen. Eine freiwillige Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden auf der Basis von „Comply oder Explain“-Systemen wie in den Vorschlägen zu Solvency II und der Eigenkapitalrichtlinie (CRD) ist unzureichend, und das Forum für Finanzstabilität, das niemandem Rechenschaft schuldet und sich nur aus Experten größerer Länder zusammensetzt, die ihre nationalen Interessen vertreten, genügt ebenfalls nicht. All dies sorgt nicht für eine klare Stimme aus Europa. Wir brauchen eine einheitliche Architektur ähnlich der des europäischen Systems der Zentralbanken, das perfekt aufgestellt ist, um intern als Schlichter zu dienen und international eine starke Stimme zu haben.
Paul Rübig (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Zuerst möchte ich dem Rat zur Einigung auf dem dritten Weg beim Energiepaket gratulieren. Das ist eine vernünftige Lösung, die uns eine Enteignung der Energiekonzerne erspart, aber trotzdem für konsequenten Wettbewerb sorgt.
Das Zweite: Die Thematik CO2 ist natürlich insbesondere jetzt in der Finanzkrise ein wichtiges Thema, weil wir gerade mit der Auktionierung wieder Gefahr laufen, dass durch die Versteigerung an der Realwirtschaft vorbeigearbeitet und ein neues Finanzinstrument für Spekulation geschaffen wird, was unsere energieintensive Industrie aus Europa vertreiben wird. Ich bitte deshalb darum, noch einmal intensiv darüber nachzudenken, ob die freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten mit einer klaren 20-%-Vorgabe nicht sinnvoller ist, als hier das Geld den Betrieben wegzunehmen, die dieses Geld für Innovation und Forschung brauchen, um die Reduktion um 20 % zu erreichen.
Wir brauchen auch einen Investitionsschub, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen. Deshalb fordere ich, dass wir die Transeuropäischen Netze insbesondere im Bereich der Energie verstärkt ausbauen, dass wir Strategien für verstärkte Energieeffizienzmaßnahmen entwickeln, weil das gerade für unsere Handwerksbetriebe, für die Beschäftigung in Europa und für die Nettolöhne in Europa ganz besonders wichtig ist.
Schließlich fordere ich Kommissar Kovács auf, darüber nachzudenken, wie wir mit der Steuerpolitik die Wirtschaft wieder in Schwung bringen können, insbesondere durch neue und kürzere Abschreibungsmöglichkeiten, durch entsprechende Freibeträge, die wir einsetzen könnten. Über die Steuerpolitik und über Anreizsetzungen könnte die europäische Wirtschaft tatsächlich wieder in Fahrt kommen.
Giles Chichester (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Es wäre nicht weit hergeholt, die Krise an den Finanzmärkten mit einem Orkan gleichzusetzen: Sobald sich der Wind legt, entsteht die Illusion von Ruhe, aber es braucht Jahre, um die verursachten Schäden wieder aufzuräumen. So wird es auch mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Turbulenzen sein, die wir erlebt haben.
Angesichts der veränderten Lage müssen wir ein Gleichgewicht zwischen Kontinuität und Anpassung herstellen. Was die Energiepolitik anbelangt, bedeutet dies, uns an die strategischen Ziele zur Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu halten, aber gleichzeitig abzuwägen, ob wir die Taktik, die Mittel ändern müssen. Energie ist für unseren Lebensstil und -standard entscheidend. Es ist eine langfristige Branche, in der die Erschließung neuer Kapazitäten 5, 10 oder 15 Jahre in Anspruch nimmt, und offensichtlich kann es keine kurzfristige Antwort auf kurzfristige Herausforderungen geben wie diejenigen, vor denen wir jetzt stehen. Auch die Bekämpfung des Klimawandels ist eine langfristige Angelegenheit, und es gibt keine Wunderwaffe und keine einfache Lösung.
Was die Taktik betrifft, gibt es Abgeordnete, die Vorbehalte gegen das Ausmaß und den Zeitplan der Ziele im Rahmen des Klima- und Energiepakets haben. Es gibt Abgeordnete, die sich lange vor der Finanzkrise Sorgen um die CO2-Flucht oder die Auslagerung europäischer Arbeitsplätze gemacht haben. Vielleicht müssen wir uns wieder mit den Details, wenn nicht gar mit dem Prinzip, befassen.
Allerdings gilt meine Hauptsorge derzeit den Dingen, die wir vermeiden sollten, nämlich, in die Falle der Überregulierung zu tappen, denn eine Überregulierung könnte noch etwas weitaus Schlimmeres nach sich ziehen: eine Neuauflage des Einbruchs der 1930er-Jahre. Ich weiß sehr gut, wie wichtig eine gute Regulierung für das reibungslose Funktionieren der Märkte und die Transparenz ist, aber töten wir nicht die Gans, die das goldene Ei legt.
Ryszard Czarnecki (UEN). – (PL) Vielen Dank für die Anstrengungen des Präsidenten und des Premierministers meines Landes Polen. Der Brüsseler Gipfel wurde von gesundem Menschenverstand bestimmt, und wir haben eine passende Botschaft zum Klimapaket ausgesandt. Aufgrund der auf dem Gipfel erzielten Einigungen, für die wir Europas führenden Politikern Dank schulden, ist die Gefahr unangemessen starker Umweltbeschränkungen, die die neuen Mitgliedstaaten besonders hart getroffen hätten, nun geringer. Ganz gebannt ist sie jedoch noch nicht.
Der Gipfel befasste sich auch mit der Finanzkrise. Kurioserweise hatte einige Tage zuvor ein kleinerer Gipfel stattgefunden, an dem die größten Länder der Europäischen Union teilgenommen haben. Dieser kleinere Gipfel erinnerte an das Politbüro der kommunistischen Partei der Sowjetunion. Es ist nicht richtig, dass die mächtigsten Mitgliedstaaten der Union den anderen Mitgliedstaaten ihre Lösungen aufzwingen. Zudem ist die Anwendung von Doppelstandards irritierend. Ich beziehe mich dabei auf den Umstand, dass es hinnehmbar ist, Banken in den Mitgliedstaaten zu finanzieren, nicht aber, polnischen Werften unter die Arme zu greifen. In dieser Hinsicht ist die Europäische Union George Orwells Farm der Tiere nicht unähnlich, auf der alle Tiere gleich sind, manche aber gleicher als die anderen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich halte die Diskussion über das Ausmaß und das Tempo der Verbesserung der ökologischen, sozialen und sonstigen Standards zusammen mit der Revision der europäischen Verordnungen für das Schlüsselthema zur Überwindung der wirtschaftlichen Rezession, in der sich die europäische Konjunktur derzeit befindet. Herr Schulz hat die Anstrengungen der Kommission und des Rates hier als lächerlich bezeichnet, aber auch das Parlament kann der Überregulierung der Union einen Riegel vorschieben. Es ist gerade der negative Mehrwert, der die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf globale Ebene untergräbt. Die Automobil-, Elektronik-, Glas- und Textilbranche wie auch andere Industriezweige brauchen keine Finanzspritzen: Sie brauchen ein vernünftiges Maß an Regulierung. Die Finanzkrise ist nicht das Ergebnis mangelnder Regulierung, sondern die Folge des Versagens der Kontrollmechanismen. Dadurch wurden die Investitionen nicht geschützt, und die Arbeitsplätze sind gefährdet. Dasselbe gilt für Regulierungen auf globaler Ebene. Die Krise und die weltweite Wirtschaftsrezession bieten die Chance auf die Entwicklung besser durchdachter Regulierungen für die globalen Märkte – nicht nur die europäischen Märkte –, um eine langfristige, nachhaltige, ökologische und sozial verträgliche Entwicklung zu erreichen. Das ist das Umfeld, das wir auch auf globaler Ebene für die Europäer schaffen müssen. Des Weiteren begrüße ich die Einigung des Rates über das Energiepaket.
Stavros Lambrinidis (PSE). - (EL) Frau Präsidentin! Was wir hier heute brauchen, ist eine neue wirtschaftliche und soziale Einigung, ein „New Deal“. Wenn es der EU nicht gelingt, dies zu erreichen, wird die Gier auf dem Markt weiterhin kontraproduktive Investitionen fördern, die ihre Zukunft und die Zukunft der Arbeitnehmer und Bürger belasten.
Was meinen wir mit einem New Deal? Wir brauchen ein neues System der wirtschaftlichen Governance, eine neue Rolle für die Europäische Zentralbank und eine neue Wahrnehmung des Sozialstaates, nicht als Anhängsel des freien Marktes, sondern als Schlüssel zur Entwicklung. Wir brauchen eine neue europäische Finanzierung, einen grünen Entwicklungsfonds, einen ernsthaften Globalisierungsfonds und natürlich einen größeren Haushalt für Europa, und wir brauchen einen neuen sozialen Maastricht-Vertrag für Beschäftigung und Wachstum.
Marios Matsakis (ALDE). - Frau Präsidentin! Viele europäische Bürger – darunter einige, die ich vertrete – wollten Herrn Barroso und Herrn Sarkozy fragen, ob sie es fair finden, dass die Kosten dieser Finanzkrise vom europäischen Normalbürger getragen werden sollen und nicht von den Führungskräften der Banken in den Vereinigten Staaten oder Europa, die durch fahrlässiges Handeln – oder in manchen Fällen sogar auf kriminelle Art und Weise – Millionengewinne gemacht haben und nun ihre Millionen genießen, indem sie sie in Steueroasen oder auf sicheren Sparkonten horten. Sie wollten Herrn Barroso und Herrn Sarkozy ferner fragen, ob sie fair finden, dass sich die Europäer einer Chemotherapie unterziehen, wenn sich die amerikanische Wirtschaft eine Erkältung zuzieht oder Krebs hat. „Ja“ zu einer Kooperation mit den Amerikanern, aber „nein“ zu Abhängigkeit.
Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE). - (FR) Frau Präsidentin, Herr Jouyet! Ich war in Tiflis, als der Präsident kam, um über den Friedensplan zu verhandeln, und ich möchte ihm natürlich meine Anerkennung dafür aussprechen, dass er so schnell gehandelt hat, um diesen Krieg zu beenden. Allerdings ist der Krieg teilweise auf unser eigenes Versagen zurückzuführen: 14 Jahre lang sind wir übervorsichtig gewesen; wir haben schweigend zugesehen, als die Provokationen in den Separatistenregionen eskalierten. Es stimmt, das dieser Krieg ein Weckruf für Europa war, der ihm seine Verantwortung vor Augen geführt hat, aber das Feuer glimmt im Kaukasus nach wie vor, und wir müssen im Interesse der Sicherheit ganz Europas alles in unserer Macht Stehende tun, um die eingefrorenen Konflikte definitiv beizulegen.
Herr Jouyet, auch mir ist durchaus bewusst, dass die Mitgliedstaaten Europas in Bezug auf den NATO-Beitritt Georgiens gespalten sind; ich selbst bin dagegen. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen: Ich fordere die Europäische Union auf, für diese Länder im Kaukasus Neutralität vorzuschlagen. Nur Neutralität kann die Spannungen mit Russland beruhigen und diese Teilregion wirklich vor neuen Konflikten schützen. Neutralität wird die Sicherheit dieser neuen Demokratien gewährleisten und dazu beitragen, unsere eigene zu garantieren.
Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Eines der Hauptprobleme, das auf dem Gipfel zur Sprache kam, war die globale Finanzkrise im Zusammenhang mit dem Klimapaket. Es war richtig, dass sich der Rat auf dieses Problem konzentriert hat. Besorgnis erregend ist jedoch der Umstand, dass die wichtigsten Entscheidungen bereits zuvor auf einem Treffen von Vertretern aus nur vier Ländern getroffen worden waren. Der Standpunkt wurde danach in der so genannten Eurogruppe konsolidiert und erst im Anschluss daran dem Rat vorgelegt. Dieses Verfahren löst schwer wiegende Bedenken dahingehend aus, ob der Europäische Rat wirklich ernst genommen oder als reines Forum betrachtet wird, das die Entscheidungen einer kleinen Führungsgruppe absegnet. Müssen wir davon ausgehen, dass sich bezüglich aller Absichten und Zwecke ein Europa der drei Geschwindigkeiten gebildet hat?
Angesichts der weltweiten Krise lohnt es sich auch, frühere Entscheidungen über Kohlendioxidemissionen zu überdenken. Eine sofortige Umsetzung dieser Entscheidungen könnte die Rezession weiter intensivieren, vor allem in den Ländern Mittel- und Osteuropas wie Polen, was für die gesamte europäische Wirtschaft negative Auswirkungen hätte. Daher muss ein separates Paket für diejenigen Länder verabschiedet werden, deren Hauptenergiequelle Kohle ist.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Frau Präsidentin! Ich werde mich angesichts der Antworten, die bereits gegeben worden sind, kurz fassen.
Ich möchte Frau McAvan sagen, dass wir vollkommen mit ihr einig gehen, dass das Paket ehrgeizig sein sollte, dass wir hoffen, wenn möglich mit Unterstützung des Parlaments, bis Weihnachten eine Einigung erzielen zu können und dass wir auch der Meinung sind, dass dies nicht einfach eine x-beliebige Einigung sein sollte. Aus diesem Grund teilen wir Ihre Philosophie, und wir hoffen, dass wir ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiger Entwicklung erreichen werden.
Nun zu Frau Starkevičiūtė: Ihr wollte ich sagen, dass klar ist, dass die Finanzkrise bereits großen Schaden angerichtet hat. Wir müssen, und das möchte ich auch anderen Rednern sagen, auf Kurs bleiben, und deshalb halten wir am Energie- und Klimapaket fest. Was das Thema des EU-Haushalts anbelangt, werden wir morgen im Kontext Ihrer ersten Lesung gemeinsam darüber debattieren. Ich glaube, dass sich der Vorschlag der Kommission auf Wachstum und nachhaltige Entwicklung konzentriert, und dass wir nicht davon abrücken dürfen, doch in der morgigen Aussprache werden wir darauf noch zu sprechen kommen.
In Bezug auf die Kommentare von Herrn Bowis: Es ist klar, dass wir unsere Ambitionen im Hinblick auf das Energie- und Klimapaket angesichts der Finanzkrise nicht auf Eis legen können – das wurde bereits unterstrichen. Allerdings müssen wir die Unterschiede bei den nationalen Energiequellen und einen sektorbezogenen Ausgleich berücksichtigen.
An die Adresse der Herren Poignant und Savary möchte ich erstens sagen, dass ich den großartigen Beitrag der französischen Sozialisten zu den Debatten im Europäischen Parlament sowie zur PSE-Fraktion schätze, und dass ich mich zweitens zu denen zähle, die sich sehr bewusst sind, was Europa Jacques Delors und François Mitterrand zu verdanken hat. Des Weiteren denke ich, dass es die französische sozialistische Partei manchmal lauter sagen muss, was gewisse Zweideutigkeiten vermeiden würde: „Europa ist kein Fall für die Rechte oder die Linke; Europa ist eine europäische Angelegenheit“. Das ist die Lektion, die ich von Jacques Delors gelernt habe, und ich weiß, dass die Herren Savary und Poignant diese Sichtweise teilen.
Was Frau Ek betrifft, sind wir selbstverständlich aufrichtig in Bezug auf die Ziele und den Zeitplan. Wir müssen handeln, um sicherzustellen, dass das Paket für die internationalen Herausforderungen bereit ist, vor denen Europa stehen wird.
Hinsichtlich der Kommentare von Herrn Radwan und anderen über die Finanzkrise ergreifen wir natürlich Maßnahmen zum Schutz der Bürger und der Sparer und um sicherzustellen, dass die in den diversen Institutionen für die Krise Verantwortlichen dafür zahlen müssen. Wir haben bereits erwähnt, dass hier der Grundsatz der Sorgfaltspflicht gelten sollte. Das investierte Kapital muss zum Schutz der Bürger und Sparer verwendet werden; es soll kein Geschenk für diejenigen sein, die in erster Linie für die Finanzkrise verantwortlich sind, weil sie zu sehr auf Spekulation gesetzt haben – sei es in den Vereinigten Staaten oder in Europa.
Frau Berès hat zu Recht gefordert, wie bereits gesagt wurde, gegen die Steueroasen innerhalb und außerhalb der EU vorzugehen. Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates gingen nicht angemessen auf diese Angelegenheit ein, aber wie der amtierende Ratspräsident sagte, wird es noch andere europäische Treffen geben – und „europäisch“ ist hier das richtige Wort. Wir haben es nicht mit einem Europa der zwei, drei oder vier Geschwindigkeiten zu tun: Dies sind europäische Treffen, bei denen wir gemeinsam internationale Finanzregulierungen entwerfen können – neue internationale Finanzregulierungen – die den Weg für eine bessere langfristige Finanzierung der Wirtschaft ebnen. Ich unterschreibe, was in Bezug auf die Notwendigkeit der Vielseitigkeit in der von der Kommission eingerichteten Reflexionsgruppe gesagt worden ist.
Herr Saryusz-Wolski hat durchaus Recht und weist auf einen äußerst wichtigen Punkt hin: Wir haben die Schlussfolgerungen des Rates nicht ausreichend hervorgehoben, vor allem nicht im Hinblick auf die Energiesicherheit. Was während der letzten Tagung des Europäischen Rates zur Energiesicherheit getan wurde, ist sehr wichtig. Gleichzeitig müssen wir dem, was im Hinblick auf die Beziehungen mit den Erzeuger- und Transitländern gesagt worden ist, eine praktische Form geben. Wir haben recht klar vor Augen, welche Botschaften wir an Drittländer senden müssen, und das müssen wir im Kontext des Dialogs mit Russland natürlich bedenken. Des Weiteren müssen wir diesen Schlussfolgerungen Form geben, indem wir Projekte zur Diversifizierung der Versorgungsquellen wie die angesprochenen Projekte fördern, insbesondere Nabucco. Natürlich ist so während der letzten Tagung des Europäischen Rates eine bestimmte Form des Europas der Energie entstanden.
Zu Herrn Rosatis Kommentaren: Wir wir bereits angeführt haben, müssen wir die spezifischen Merkmale der Energiesituation in Polen berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf Kohle, doch es ist klar, dass Polen im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf den Gipfel in Poznán später in diesem Jahr ebenfalls Verantwortung übernehmen muss.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich den Worten von Frau Doyle voll und ganz anschließe. Wir müssen Verantwortungsbewusstsein zeigen. Die Finanzkrise darf uns die Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltkrise nicht vergessen lassen, und wir dürfen uns nicht hinter der Finanzkrise verstecken.
Nun zu der Forderung von Frau van den Burg: Wir brauchen tatsächlich eine bessere institutionelle Koordination, was die Aufsicht anbelangt. Wir müssen zwischen Aufsicht und Regulierung unterscheiden, und was die Aufsichtsbehörden betrifft, so brauchen wir eine bessere Koordination auf institutioneller Ebene.
Wie Herr Rübig freue auch ich mich über die Einigung über den Energievorschlag des „dritten Wegs“. Dies ist meiner Ansicht nach ein wirklich zufrieden stellender Kompromiss. Ich denke, das ist alles, was ich Ihnen dazu sagen kann. Gleichermaßen ist es wichtig, steuerliche Anreize für das Energiesparen zu bieten: Da bin ich ganz Ihrer Meinung.
Kommen wir auf das zurück, was Herr Chichester sagte. Es ist richtig, dass wir strukturierte Lösungen sowohl für die Finanzkrise – mit der sich die nächsten internationalen Gipfeltreffen befassen werden – als auch für den Klimawandel brauchen, und dass wir vor allem eine gute Regulierung ohne Überregulierung benötigen.
Abschließend zu den Kommentaren von Herrn Czarnecki: Es ist klar, dass wir angesichts gewisser industrieller Probleme die Anpassungsoptionen in einigen Ländern überprüfen müssen. Das gilt zum Beispiel für Polen und seine Werften; wir sind uns dieser Angelegenheit sehr wohl bewusst.
Was zuletzt das anbelangt, was Frau Isler Béguin gesagt hat, wissen wir, dass das Angehen der Probleme im Kaukasus ein Prozess ist, der sich in die Länge ziehen wird, und dass Europa auch Präventivmaßnahmen ergreifen muss. Ich stimme mit ihr überein, dass wir bezüglich des Status dieser Regionen und Russlands Nachbarn stärker vorausdenken müssen.
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin! Ich möchte in fünf Minuten auf vier Punkte eingehen. Erstens: Europa hat reagiert, am Ende geschlossen. Wir haben nicht „geschlossen“ begonnen, aber in den Sitzungen der Eurogruppe und des Europäischen Rats haben wir einstimmig geantwortet, und das müssen wir auch weiterhin tun. Das ist die Botschaft, die, wie ich glaube, jeder unterstützt. Eine Union, die zuerst Hilfspakete und dann Bankensysteme koordiniert. Es ist dringend erforderlich, diese Systeme auf europäischer Ebene zu koordinieren, damit es in bestimmten Ländern nicht zu Problemen kommt. Eine Union in Europa, die der weltweiten Governance des Geld- und Finanzsystems dienen soll. Das ist etwas, was hier auf Ebene des Rates mehrfach, ja vielfach, wiederholt worden ist. Im Hinblick auf eine Reihe von Mitgliedstaaten ist dies zudem eine neue Botschaft, die nächste Woche nicht wieder in Vergessenheit geraten darf.
Zweitens bin ich voll und ganz mit dem einig, was der Präsident der Kommission und der amtierende Ratspräsident gesagt haben: Damit wir eine neue Phase der besseren Regulierung des Finanzsystems auf europäischer Ebene einleiten können, muss Europa bezüglich dieser Regulierung in den kommenden Jahren eine weltweite Führungsrolle übernehmen. Ich schließe mich denjenigen von Ihnen vollkommen an, die resolut eine institutionalisierte, nicht nur koordinierte Aufsicht auf europäischer Ebene unterstützt haben.
Drittens stimme ich all denjenigen voll und ganz zu, die über die Notwendigkeit einer Anpassung der nationalen Reformprogramme und der Lissabon-Strategien an die Herausforderungen der Realwirtschaft von heute und morgen gesprochen haben. Daran wird derzeit gearbeitet, und die Kommission wird sowohl Ihnen als auch dem Rat im Dezember Ergebnisse vorlegen. Des Weiteren ist es hinsichtlich dieser neuen Dimension und der Anpassung der Lissabon-Strategie erforderlich, die industrielle Fertigung und insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen, die die größten Opfer der Kreditklemme sind, welche durch die Krise im Bankensystem entstanden ist.
Zum Schluss komme ich noch auf den Haushalt zu sprechen. Natürlich muss man darauf achten, den EU-Haushalt und die Haushalte der Mitgliedstaaten so zu nutzen, dass künftig keine Nachhaltigkeitsprobleme entstehen. Stattdessen sollten die Spielräume in der Steuer- und Haushaltspolitik im Rahmen des 2005 überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts genutzt werden. Es gibt viel Raum für Flexibilität, aber es besteht auch die Notwendigkeit – und Sie sind zusammen mit dem Rat die Haushaltsbehörde – zu beginnen, den europäischen Haushalt als solchen zu begreifen. Auch das ist ein Thema für eine echte Debatte.
(Beifall)
Die Präsidentin. - Die Aussprache ist geschlossen.
Entsprechend Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung habe ich sechs Entschließungsanträge erhalten(1).
Die Abstimmung erfolgt morgen, am Mittwoch, den 22. Oktober 2008.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Roberta Alma Anastase (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die als Teil der Tagung des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 2008 gefassten Beschlüsse sind für die Zukunft Europas von strategischer Bedeutung. Zunächst einmal begrüße ich die Diskussionen über die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon. Die Europäische Union (EU) muss die im Vertrag geforderten institutionellen Reformen umsetzen, um zu gewährleisten, dass die Organisation effizient und kohärent funktioniert, was für die Bürger Europas mehr Transparenz bedeutet. Daher ist es eine Hauptpriorität, dass der Ratifizierungsprozess des Vertrags von Lissabon fortgesetzt und so bald wie möglich in allen 27 Mitgliedstaaten abgeschlossen wird.
Zweitens möchte ich als Berichterstatterin über die regionale Zusammenarbeit in der Schwarzmeerregion und als Mitglied des Ausschusses für außenpolitische Angelegenheiten die Bedeutung der außenpolitischen Aspekte unterstreichen. Ich möchte nochmals auf die Dringlichkeit der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik hinweisen, die das Ziel einer Förderung der Energiesicherheit und der europäischen Einheit sowie einer Diversifizierung der Energieversorgung durch eine starke Unterstützung von strategischen Projekten wie der Nabucco-Pipeline verfolgt.
Last but not least begrüße ich die Entscheidung, die Beziehungen der EU mit den östlichen Nachbarn, in diesem Fall mit der Republik Moldawien, durch Unterzeichnung eines neuen, weit reichenden Kooperationsabkommens zu verstärken. Zudem muss sich die EU weiterhin aktiv in Georgien und bei der Lösung aller Konflikte in der Schwarzmeerregion einbringen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Zunächst einmal möchte ich dem französischen Präsidenten der Europäischen Union, Herrn Sarkozy, dem Präsidenten der Französischen Republik, zu seiner Energie, Leidenschaft und Vision gratulieren, mit der er sein Mandat ausübt. Ganz gleich, ob es der Krieg im Kaukasus ist, der verhindert wurde, oder die Maßnahmen zur Lösung der Finanz- und Wirtschaftskrise, die Präsidentschaft hat gezeigt, wie sehr wir eine starke und geschlossene Europäische Union und eine stabile Präsidentschaft brauchen, um unsere Werte in einer Welt zu verteidigen, die sich schnell wandelt und weitaus komplexer geworden ist. Im Hinblick auf die Finanzkrise und die Notwendigkeit einer weiterhin funktionierenden Wirtschaft befürworte ich, dass die Mitgliedstaaten ihre finanzielle Stärke für Eingriffe zur Wiederherstellung des Vertrauens einsetzen. Die Mitgliedstaaten setzen hierfür Ressourcen ein, die im privatwirtschaftlichen Bereich nicht in der Bilanz erscheinen; mit anderen Worten: Garantien. In diesem Kontext möchte ich den Gedanken in den Raum stellen, die Schaffung eines globalen öffentlichen Instruments zur Beurteilung von Staaten zu prüfen. Damit könnte der Internationale Währungsfonds (IWF) betraut werden. Seine Governance wäre unstrittig und unabhängig. Eine solche Behörde zur Beurteilung von Staaten wäre sehr nützlich, um sicherzustellen, dass das weltweite Finanzsystem und die Weltwirtschaft richtig funktionieren und dementsprechend ein angemessener sozialer Fortschritt erzielt wurde.
Katerina Batzeli (PSE), schriftlich. – (EL) Die vom Europäischen Rat am 15. und 16. Oktober erzielte Einigung ist ein Anfang, aber das reicht noch nicht aus.
Wir müssen die Europäische Währungsunion im Einklang mit der Entwicklungs- und Sozialpolitik neu ausrichten. Wir brauchen eine einheitliche Gemeinschaftspolitik und eine neue institutionelle und wirtschaftliche Governance zur Wiederherstellung des grundlegenden Gleichgewichts der Wirtschaft in der Eurozone.
Die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Fonds muss infolge der ergriffenen Direktmaßnahmen zur Bekämpfung der Kreditklemme im Grunde neu geprüft werden, und es muss deutlich gemacht werden, dass die Steuerzahler nicht langfristig belastet werden können. Die Philosophie, dass sich die Kreditklemme von selbst regulieren soll, wie es bislang auf Ebene der Mitgliedstaaten praktiziert wurde, birgt die Gefahr der Nationalisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik und der Entstehung einer mehrgleisigen europäischen Wirtschaft. Diese Zersplitterung des institutionellen Profils der EU sollte vermieden werden.
Europa hat eine einmalige und historische Chance, und es muss sein neues Wirtschafts- und Sozialentwicklungsmodell aufstellen. Mit seiner Politik zur Bekämpfung des Klimawandels, der Energiesicherheit, der sozialen Stabilität und einer nachhaltigen Wirtschaft hat es damit bereits begonnen. wenn die Wirtschaftskrise überstanden ist, sollte die EU auf politischer und institutioneller Ebene an Stärke gewonnen haben, sozialer ausgerichtet sein und die Politik in Bezug auf den Klimawandel anführen.
Titus Corlăţean (PSE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im Rahmen der Tagung vom 15. und 16. Oktober 2008 bezüglich der Notwendigkeit, die Politik der Europäischen Union im Hinblick auf ihre östlichen Nachbarn, insbesondere die Republik Moldawien, neu zu definieren. Die Europäische Union muss in der Tat die Schwarzmeerregion und offensichtlich auch die Republik Moldau in ihre Liste der politischen Prioritäten aufnehmen.
Wir müssen ein klares Mandat für die Aushandlung eines neuen Abkommens über eine verstärkte Zusammenarbeit mit diesem Land festlegen, allerdings unbedingt unter der Voraussetzung, dass nachweislich Fortschritte erzielt werden müssen und sich die kommunistische Regierung in Chisinau streng an demokratische Standards und die Vorschriften des europäischen Rechts hält. Zudem müssen die Unabhängigkeit der Judikative und das Recht auf Pressefreiheit respektiert werden. Die Abschaffung der antidemokratischen Missbrauchsfälle und Exzesse der kommunistischen Behörden, die Änderung der Gesetzgebung zur Abschaffung von Vorschriften, die Bürgern mit doppelter oder mehrfacher Staatsangehörigkeit den Zugang zu einer Beamtenlaufbahn verweigern, die Anpassung des Wahlrechts an die Standards der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Empfehlungen des Europäischen Rates sind Grundvoraussetzungen für eine Unterzeichnung dieses Abkommens.
Rumänien ist und bleibt der größte Befürworter einer künftigen Integration der Republik Moldau in Europa, und ich erwarte von den moldawischen Behörden, spezifische Maßnahmen in diese Richtung zu unternehmen.
Daniel Dăianu (ALDE), schriftlich. – Ein neues Bretton-Woods-Abkommen will gut vorbereitet sein.
Immer mehr Politiker sprechen sich für eine Weltkonferenz zur Behebung der strukturellen Mängel des derzeitigen weltweiten Finanzsystems und zur Umgestaltung der internationalen Finanzarchitektur aus. Es versteht sich von selbst, dass es für eine solche historische Aufgabe dringend erforderlich ist, alte und neue Wirtschaftsmächte zusammenzubringen. Aber eine Weltkonferenz (ein neues Bretton-Woods-Abkommen!) muss gut vorbereitet sein. Zunächst müssen die analytischen Grundlagen für die Umgestaltung des weltweiten Finanzsystems definiert werden. Keynes und Dexter White veranlassten ihre Experten über eine lange Zeit an, selbst in Kriegszeiten, eine durchführbare Blaupause auszuarbeiten. Wir müssen sicherstellen, dass eine solche Blaupause zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegt. Das von Jacques de Larosiere geleitete Team könnte in dieser Hinsicht eine Menge beitragen. Zweitens müssen sich die Wirtschaftsgroßmächte in den wichtigsten Fragen auf Augenhöhe begegnen. Hier liegen die Dinge etwas komplizierter. Ich hoffe sehr, dass die EU eine Führungsrolle bei der Bündelung der Anstrengungen für eine Umgestaltung des internationalen Finanzsystems und eine Überholung der Rechts- und Aufsichtsrahmen übernehmen wird, damit das Finanzsystem der Wirtschaft auch wirklich dienen kann.
Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. – Europa und auch Irland braucht den Vertrag von Lissabon, wenn wir eine kohärente und effektive Politik zur Überwindung der globalen Krisen – Kernschmelze des Finanzsystems, Klimawandel und Unterentwicklung in vielen Teilen der Welt – entwickeln wollen.
Ein wirtschaftlicher Alleingang einzelner Mitgliedstaaten kann diese globalen Herausforderungen nicht lösen. Dasselbe gilt, wenn man Finanzinstituten oder länderübergreifenden Konzernen freie Hand lässt, nach eigenem Ermessen zu handeln, während vom Steuerzahler erwartet wird, sie zu retten, wenn die Krise zuschlägt.
Wir brauchen ein System der weltweiten Governance, das eine länderübergreifende Regulierung der Finanzmärkte einschließt. Es wäre in der Tat gut, solche Institutionen in einer Weise besteuern zu können, die verhindert, dass sie ein Land gegen ein anderes ausspielen.
Um diese Märkte zu stabilisieren, ist ein System zur Besteuerung der Devisengeschäfte erforderlich. Zudem könnte dies eine wertvolle Ressource zur Schließung der Finanzierungslücke bei der Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) darstellen.
Ein solches Besteuerungssystem wird in der Regel als „Tobin-Steuer“ bezeichnet. James Tobin schlug es als erster vor, nachdem die USA das Bretton-Woods-System zerschlagen hatten. Es hätte eine dreifache Auswirkung: 1. Beitrag zur Stabilisierung der Devisenmärkte, 2. Bereitstellung beträchtlicher Mittel zur Unterstützung der Umsetzung der MDG; 3. Zurückgewinnung eines Teils des demokratischen Freiraums, der bislang den Finanzmärkten überlassen worden ist.
Elisa Ferreira (PSE), schriftlich. – (PT) Die Europäische Einheitswährung hat eine Barriere gebildet, die die Europäische Union während der Krise vor größeren Problemen bewahrt hat. In diesem Zusammenhang ist der Euro unbestritten ein europäischer Erfolg gewesen.
Angesichts der Deregulierung und der Krise auf den Märkten sind auf nationaler Ebene zahlreiche widersprüchliche Maßnahmen getroffen worden. Es ist eine Einigung durchgepeitscht worden, die wir am zwar Ende begrüßen, doch wir können die exzessive Passivität der Kommission nicht vergessen, als ein Mindestmaß an einer umsichtigen und vorausschauenden Vision vonnöten war.
In den letzten Jahren – nicht Monaten – hat dieses Parlament debattiert und fundierte Reformvorschläge vorgelegt, insbesondere im Bereich der Marktregulierung und -aufsicht. Basierend auf dieser Glaubwürdigkeit fordern wir, dass die Ratspräsidentschaft und die Kommission dieses Haus aktiv in die Reformlösungen einbeziehen, die drei Ziele erreichen müssen.
Erstens dürfen systemische Risiken in einem integrierten Europa nicht länger auf nationaler Ebene reguliert werden. Strukturmaßnahmen müssen mit klaren und stabilen Regelungen durchgeführt werden, die gewährleisten, dass das System robust sein wird.
Zweitens muss Europa in einer globalisierten Welt ein aktiver Partner bei der Schaffung eines neuen internationalen Rahmens sein, an dem die Hauptpartner beteiligt sind.
Drittens müssen wir in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Rezession bereits Gewissheit ist, in koordinierter Weise ein Konjunkturprogramm umsetzen, das Wachstum und Beschäftigung garantiert und es Familien und Unternehmen erlaubt, ihr Vertrauen zurückzugewinnen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Das wesentliche Element in dieser Aussprache ist einmal mehr ausgelassen worden. Anders formuliert: In der bestehenden Politik, die die Hauptverursacher der aktuellen Krisen darstellt, muss eine Zäsur erfolgen. Allerdings war es interessant, gestern den großen Verfechtern des Neoliberalismus zuzuhören, die nun zugeben, dass sich etwas ändern muss – allerdings nur zur „Umgestaltung des Kapitalismus“, wie sich Präsident Sarkozy ausdrückte. Aus diesem Grund ist die Entwicklung der Einwanderungspolitik eine ihrer Prioritäten, darunter insbesondere die Rückführungsrichtlinie, in der grundlegende Menschenrechte mit Füßen getreten und illegale Zuwanderer wie Verbrecher behandelt werden, nicht wie Menschen, die dem Hunger in ihren Ländern entkommen wollen und auf eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien hoffen.
Die zunehmende Missachtung sozialer Themen bleibt einer der Hauptaspekte ihrer Politik. Zur Überwindung der Finanzkrise haben sie Mittel in unvorstellbarer Höhe und politischen Willen mobilisiert. Allerdings mangelt es im Hinblick auf die soziale Lage und die Krise aufgrund der sinkenden Kaufkraft, der zunehmenden Armut, der Arbeitslosigkeit und der unsicheren und schlecht bezahlten Arbeit noch immer an den notwendigen Mitteln und dem politischen Willen. Tatsächlich dürften sich durch ihre Vorschläge die soziale Lage und die ungleiche Verteilung des Wohlstands weiter verschlechtern.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Der Europäische Rat hat die zuvor beschlossenen Maßnahmen bestätigt, mit denen das Finanzkapital, das Rückgrat des kapitalistischen Systems, gerettet und eine „Fortführung der Strukturreform“ sichergestellt werden sollen.
Die „Neugestaltung des Kapitalismus“ bedeutet schlicht und einfach mehr Kapitalismus – mit all seinen ungesunden Widersprüchen – mehr Ausbeutung der Arbeitnehmer, verstärkte Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Dienste und stärkerer Transfer von Löhnen zum Kapital, eine Politik, die die sozialistische Regierung in Portugal unverzagt umsetzt.
Allerdings ist über Folgendes nicht gesprochen worden:
- die zunehmenden Schwierigkeiten der Arbeitnehmer und der allgemeinen Bevölkerung, höhere Löhne und Sozialleistungen, geringere Preise für Güter und Dienstleistungen des Grundbedarfs oder eine effektive Senkung steigender Hypothekenkosten;
- die Förderung produktiver Investitionen, der Arbeitsrechte, der öffentlichen Dienste und eines starken öffentlichen Sektors – zum Beispiel im Bankwesen – durch eine gerechte Verteilung des geschaffenen Wohlstands;
- die Aufgabe der bestehenden Geldpolitik der EU sowie ihres Stabilitätspakts, die Abschaffung der „Steueroasen“ und der Ausbau und die Nutzung von Strukturfonds zur Gewährleistung einer effektiven wirtschaftlichen Entwicklung und zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Arbeitern.
Mit anderen Worten, es wurde nichts gesagt über einen Bruch mit der kapitalistischen Politik ...
Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – Angesichts der derzeitigen außergewöhnlichen Marktlage besteht Bedarf an konkreten Maßnahmen, um bei der Umsetzung des Stabilitätspakts für ausreichende Flexibilität zu sorgen. Die beispiellosen Ereignisse haben die Grenzen des europäischen Finanzintegrationssystems aufgezeigt, als es mit einer Krise dieser Größenordnung konfrontiert wurde. Als der Stabilitätspakt reformiert wurde, konnte niemand mit derartigen Turbulenzen an den Finanzmärkten rechnen, und die Flexibilität des Stabilitätspakts im Fall eines Konjunkturabschwungs scheint angesichts der jüngsten Ereignisse nicht auszureichen. Wir sollten unsere Haushaltsdisziplin beibehalten, aber die Flexibilität erhöhen, damit die neuen Mitgliedstaaten so bald wie möglich der Eurozone beitreten können. Im Rahmen der derzeitigen Regelung könnte die Finanzkrise tatsächlich dafür sorgen, dass neue Mitgliedstaaten der Eurozone nicht nach Zeitplan beitreten können. Die wirtschaftliche Rationalität, die dem Aufbau des europäischen Wechselkurssystems zu Grunde liegt, sollte an die aktuelle Finanzlage angepasst werden, um in den Ländern, die der Eurozone beitreten, die Bedingungen für nachhaltige Finanzmärkte zu schaffen. Die Lösung könnte darin bestehen, den Prozess zu beschleunigen, indem jedem Beitrittsland je nach Wirtschaftslage individuelle Wege zur Einführung des Euro erlaubt werden, da die Finanzkrise die Notwendigkeit gezeigt hat, die Beitrittsländer in der Eurozone zu verankern.
Mieczysław Edmund Janowski (UEN), schriftlich. – (PL) Die aktuelle Krise scheint ein Kollaps des Finanzsystems zu sein, doch Energie und Nahrungsmittel sind auch betroffen. Sie ist die Spitze des Eisbergs, die teilweise auf dem Verfall fundamentaler moralischer Grundsätze und teilweise auf der menschlichen Naivität basiert. Der Beweis hierfür sind Spekulationen und ungesunde Investitionen.
So etwas wie ein Perpetuum Mobile gibt es weder in der Physik noch in der Wirtschaft. Was hat diejenigen geleitet, deren Täuschung den Zusammenbruch des globalen Finanzsystems zur Folge gehabt hat? Wir haben uns durch Menschen in die Irre führen lassen, die sich ein Vermögen durch Betrug aufgebaut haben. Nun wird von den Steuerzahlern erwartet, dass sie das Bankensystem retten. Dies dürfte mehr kosten als der gesamte Haushalt der Europäischen Union. Der Finanzschock war zunächst in den Vereinigten Staaten zu spüren, doch seine Folgen haben die ganze Welt getroffen. Bestimmte Länder wie Island gerieten an den Rand einer absoluten Katastrophe. Es wird damit gerechnet, dass sich die Krise ausweitet und weitere Verluste verursacht. Kann aus all dem irgendetwas Positives entstehen? Vielleicht. Vielleicht werden wir am Ende verstehen, dass es nicht richtig ist, auf den Sand der Täuschung zu bauen, auf falsche Versprechungen, sondern dass ein festes Fundament aus Zuverlässigkeit und Solidarität benötigt wird. Es kommt nicht darauf an, dass der Ausdruck „sicher wie eine Bank“ seine frühere Bedeutung zurückerlangt. Was wirklich auf dem Spiel steht, ist unsere Zukunft und die unserer Kinder. Die Marktwirtschaft, oder um es anders auszudrücken, der Kapitalismus, muss auf der Grundlage gesunder und dauerhafter Grundsätze funktionieren, und Ehrlichkeit zählt zu den wichtigsten.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich dem amtierenden Ratspräsidenten für seine meines Erachtens richtige Argumentationslinie danken: Den Interessen der Umwelt sollte sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten eine hohe Priorität eingeräumt werden. Ihre Antworten an die Herren Wurtz, Cohn-Bendit und Schultz waren ebenfalls angemessen.
Ich möchte insbesondere meine Besorgnis über das Schicksal des Emissionshandels zum Ausdruck bringen. Wenn Sie bedenken, was in diesem Herbst hier getan worden ist, kann der Standpunkt des Parlaments nicht als Ergebnis eines demokratischen Prozesses betrachtet werden. Alles wurde übereilt durchgepeitscht, und die Ausschüsse wussten nicht, worüber sie abstimmten. Die vorgelegten Änderungsanträge sind eine Art Bluff, und wir sind manipuliert und irregeführt worden. Unser Berichterstatter und der Koordinator unserer Fraktion haben jeden betrogen, indem sie anders abstimmten als von der Fraktion vorher beschlossen. Das Parlament hat so etwas noch nie gesehen.
Die Kommission trägt eine Mitschuld. Sie stellte ein enormes Gesetzgebungspaket zu spät bereit und warnte dann davor, es im Namen der internationalen Harmonie in Bezug auf das Thema Klimaschutz anzurühren. Das Ergebnis ist ein armseliges Modell für den Emissionshandel, das, sobald es umgesetzt wird, die Kosten in die Höhe treiben und Arbeitsplätze in Europa gefährden wird. Jede einseitig durchgeführte Versteigerung ist nicht als eine weitere Steuerlast. Ich kann keinen Nutzen für die Umwelt erkennen, wenn europäischen Erzeugnissen, die weltweit am saubersten hergestellt werden, diese Last im Namen des Kampfes gegen den Klimawandel aufgebürdet werden soll.
Eine Versteigerung sorgt nur dafür, dass die Umweltverschmutzung nicht mehr in Europa, sondern andernorts erfolgt. Für uns bedeutet sie Arbeitslosigkeit. Das ist weder eine gute noch eine verantwortungsbewusste Umweltpolitik. Wir brauchen eine wirksamere Klimaschutzpolitik.
Die Emissionen müssen im Einklang mit den von uns eingegangenen Verpflichtungen gesenkt werden. Auch unsere Alternative verdient eine angemessene Beachtung im Parlament. Viele Mitgliedstaaten sind dafür, zudem die Konföderation der europäischen Industrie und die gesamte europäische Gewerkschaftsbewegung. Eine weitere Lesung würde den Demokratiemangel beseitigen, der nun im Parlament herrscht.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die Krise zwischen Russland und Georgien hat, zusammen mit der Finanzkrise, nicht nur einen theoretischen, sondern auch einen praktischen Beweis für die Notwendigkeit geliefert, dass die europäischen Institutionen reformiert werden müssen. Die europäische Geschlossenheit, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass Europa mit einer Stimme spricht, ist die einzig sinnvolle Reaktion in derartigen Situationen. Die Umsetzung des Vertrags von Lissabon ist eine echte Notwendigkeit. Ab Dezember muss der Rat eine Lösung vorlegen, die in diese Richtung geht, ganz gleich, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Finanz-, Energie- und Politiksicherheit sowie die Konsolidierung der Grundwerte des europäischen Projekts können nur durch eine enge Partnerschaft mit unseren Nachbarn garantiert werden.
Die Initiative „Östliche Partnerschaft“ sorgt für eine neue politische Dimension in den Beziehungen mit unseren Nachbarn. Durch die Förderung eines institutionalisierten Rahmens, der dazu beiträgt, die Abkommen über liberalere Visakontrollen zu verbessern, eine Freihandelszone zu schaffen und strategische Partnerschaften mit unseren östlichen Nachbarn einzugehen, ergänzt und stärkt sie die Projekte, die bereits in der Schwarzmeerregion laufen.
Man verspürt eine gewisse Lustlosigkeit im Hinblick auf die EU-Erweiterung, aber wir können es uns nicht erlauben, Länder wie Moldawien und die Ukraine noch lange außerhalb der Europäischen Union zu lassen. Die „Östliche Partnerschaft“ muss ein klares Signal beinhalten, eine Roadmap für diese Länder, welche die Möglichkeit eines EU-Beitritts eröffnet – natürlich unter der Voraussetzung, dass sie die erforderlichen Kriterien in jedem Bereich erfüllen.
Esko Seppänen (GUE/NGL), schriftlich. – (FI) Der EU-Gipfel diskutierte darüber, wie das China-Syndrom der USA, also die Kernschmelze der Finanzwirtschaft an der Wall Street, auch die europäischen Märkte mit ihrer Radioaktivität verseucht hat. Heraus kam, dass sich die Welt in eine Post-USA-Ära bewegt. Ihre Autorität zerbröckelte, als ihr Schiff namens „Kapitalismus“ mit der Ideologie der Hyperliberalen auf Grund lief.
Hoffentlich wird die neue Armut des Landes und seine Schwierigkeit, Kredite zu bekommen, den Abbruch der amerikanischen Militäroperation in den von den USA besetzten Ländern beschleunigen. Wenn man bedenkt, was für eine Art Besatzungsmacht die Vereinigten Staaten sind, dann haben die übertriebenen Militäroperationen Russlands in Südossetien sicherlich viel Aufmerksamkeit erhalten. Wir müssen mit dem Ergebnis des Gipfels insofern zufrieden sein, als die extremistischen Länder in der EU und die amerikanischen Fundamentalisten keine Unterstützung für ihre Forderungen nach einer Isolierung Russlands erhielten.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Wir dürfen es nicht zulassen, dass Europa den Preis der Finanzkrise und der Spekulation zahlen muss, die ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten haben. Die Normalbürger dürfen nicht unter den Folgen der Kurzsichtigkeit der Banken und der Gier der Spekulanten leiden.
Das von dem Europäischen Rat angenommene Paket wird hoffentlich die Flut dieses Finanztsunamis eindämmen. Die wichtigste Aufgabe der Europäischen Union muss es sein, zusammen mit den Regierungen der Mitgliedstaaten alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise abzumildern, eine lange Rezession zu verhindern und Investitionen zu schützen.
Wir müssen Reserven bilden, um unsere Bürger zu schützen. Diesbezüglich sind die Länder in Europa verpflichtet, Notfallmaßnahmen zu ergreifen, die Haushaltsausgaben zu senken, geplante Steuersenkungen vorläufig auszusetzen und sogar die Steuern zu erhöhen. Das geschieht von Frankreich bis Großbritannien und von Italien bis Lettland. Allerdings kann dies nur durch einen Konsens auf nationaler Ebene effektiv erreicht werden; jeder, der anders handelt, bringt die finanzielle Stabilität der Nation in Gefahr.
Die Grundsätze der Marktwirtschaft müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Die soziale Kontrolle der Marktprozesse ist unabdingbar, und zwar nicht, um den Wettbewerb auszubremsen, sondern um ihn unter eine notwendige regulatorische Aufsicht zu stellen. Das Europäische Parlament unterstützt den Gedanken einer Finanz- und Kapitalmarktaufsichtsbehörde auf europäischer Ebene, wie sie unlängst vom ungarischen Premierminister Ferenc Gyurcsány vorgeschlagen wurde.
Es ist nicht hinnehmbar, dass die Schuldigen ungestraft davonkommen. Die Einfrierung ihrer millionenschweren Gehälter ist keine Strafe. Diejenigen, die eine internationale Finanzkrise ausgelöst haben, dürfen sich den Strafmaßnahmen nicht entziehen können. Dazu zählen die Beschlagnahmung des Vermögens und die Einfrierung der Vermögenswerte.