3. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
4. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
5. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll
6. Herausforderungen für Tarifverträge in der EU (Aussprache)
Die Präsidentin. - Als nächster Punkt folgt der Bericht von Jan Andersson in Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Herausforderungen für Tarifverträge in der EU (2008/2085(INI)) (A6-0370/2008).
Jan Andersson, Berichterstatter. – (SV) Frau Präsidentin! Ich hoffe dass die Kommissionsvertreter bald eintreffen werden, weil sie noch nicht anwesend sind.
Einleitend möchte ich einige generelle Anmerkungen zu dem Bericht machen. Bei verschiedenen Gelegenheiten haben wir im Europäischen Parlament darüber gesprochen, welche Politik in einer globalisierten Gesellschaft zu verfolgen ist. Wir sollten nicht um niedrige Arbeitslöhne wetteifern, sondern wir sollten gute Arbeitsbedingungen haben. Um Erfolg zu haben, sollten wir uns auf das Humankapital, die Menschen, Investitionen und andere Dinge konzentrieren. Bei vielen Gelegenheiten haben wir auch schon über das Gleichgewicht zwischen offenen Grenzen und einer stark sozial ausgerichteten EU gesprochen und festgestellt, dass dieses Gleichgewicht von großer Bedeutung ist.
Außerdem haben wir häufig über die Frage und die Bedeutung der Gleichbehandlung von Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer ethnischen Herkunft und ihrer Nationalität gesprochen und dargelegt, dass die Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung bestimmend sein sollten.
Bei diesem Bericht geht es um die Notwendigkeit offener Grenzen. Der Ausschuss befürwortet offene Grenzen ohne Einschränkungen oder Übergangszeiten, doch gleichzeitig sollten wir eine soziale EU haben, in der wir nicht miteinander konkurrieren, indem geringere Löhne, schlechtere Arbeitsbedingungen usw. erzwungen werden.
Der Bericht befasst sich auch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung, d. h. der Gleichbehandlung ohne Diskriminierung von Arbeitskräften, und zwar unabhängig von ihrer Nationalität. Es darf einfach nicht sein, dass Menschen aus Lettland, Polen, Deutschland, Schweden oder Dänemark auf dem gleichen Arbeitsmarkt unterschiedlich behandelt werden. Dies ist auch die Grundlage für die in diesem Bericht unterbreiteten Vorschläge. Die wichtigsten Vorschläge beziehen sich auf die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern, da drei der Urteile entsandte Arbeitnehmer betreffen. Es ist äußerst wichtig, dass wir die Entsenderichtlinie nicht zu einer Mindestrichtlinie machen.
Es stimmt, dass die Richtlinie zehn Mindestanforderungen enthält, die zu erfüllen sind. Diese Bedingungen müssen berücksichtigt werden; doch das grundlegende Prinzip ist die Gleichbehandlung. Daher muss hier Klarheit bestehen. Die Gleichbehandlung, unabhängig von der Nationalität, ist ein Muss. Auf jedem Arbeitsmarkt, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt in dem deutschen Bundesland Niedersachsen, sollten alle Arbeitnehmer den dort geltenden Bedingungen unterliegen, unabhängig davon, woher sie kommen. Dies ist ein wichtiger Grundsatz, der nach den Urteilen noch klarer werden muss.
Der zweite wichtige Punkt ist die Tatsache, dass wir unterschiedliche Arbeitsmarktmodelle haben. All diese Modelle müssen im Hinblick auf die Umsetzung gleichwertig sein. Bestimmte andere Punkte in der Richtlinie sollten ebenfalls geändert werden. Darüber hinaus müssen wir unbedingt klarstellen, dass das Streikrecht ein in der Verfassung verankertes Grundrecht ist, das nicht der Freizügigkeit untergeordnet werden darf. Dies gilt in Bezug auf den neuen Vertrag, doch auf andere Weise auch im Primärrecht.
Drittens darf das EU-Recht nicht gegen das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation verstoßen. Die Rechtssache Rüffert bezieht sich auf eine IAO-Konvention, die sich mit öffentlichen Aufträgen befasst. In diesem Fall gelten die Arbeitsbedingungen, die an dem Ort maßgebend sind, wo die Arbeit geleistet wird. Das ist der Grund für die Vorschläge, die vorgelegt worden sind. Ich werde der Aussprache aufmerksam folgen und möchte mich bei dieser Gelegenheit bei allen Beteiligten, auch dem Schattenberichterstatter, für unsere konstruktive Zusammenarbeit bedanken.
(Beifall)
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. – (CS) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich für meine kurze Verspätung entschuldigen. Leider konnte ich den starken Verkehr nicht vorhersehen.
Meine Damen und Herren, die vor kurzem in den Rechtssachen Viking, Laval und Rüffert vom Europäischen Gerichtshof ergangenen Urteile haben auf EU-Ebene eine breite Debatte über den Schutz von Arbeitnehmerrechten im Zusammenhang mit der zunehmenden Globalisierung und der Mobilität von Arbeitskräften entfacht. Für das einwandfreie Funktionieren des europäischen Arbeitsmarkts müssen wir gute Vorschriften festlegen. Die Entsenderichtlinie ist ein wichtiges Instrument für die Erreichung dieses Ziels. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Richtlinie auf die Schaffung eines Gleichgewichts abzielt zwischen einem angemessenen Schutz für die Arbeitnehmer, die vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsendet werden, einerseits und dem freien Dienstleistungsverkehr innerhalb des Binnenmarkts andererseits.
Die Kommission ist entschlossen, dafür zu sorgen, dass die im Vertrag verankerten Grundfreiheiten nicht im Widerspruch zu dem Schutz der Grundrechte stehen. Die Kommission hat den Wunsch zur Einleitung einer offenen Debatte mit allen betroffenen Parteien geäußert, damit wir die Folgen der Urteile des Gerichtshofs gemeinsam analysieren können. Diese Debatte ist von enormer Bedeutung, da sie zur Klärung der Rechtslage beitragen und die Mitgliedstaaten schlussendlich in die Lage versetzen würde, angemessene rechtliche Regelungen einzuführen. Am 9. Oktober 2008 hat die Kommission ein Forum zu diesem Thema veranstaltet, an dem alle Interessengruppen teilgenommen haben. Dieses Forum sollte als Ausgangspunkt für die so dringend benötigte Debatte dienen.
Die Kommission teilt die Auffassung, dass infolge der höheren Mobilität der Arbeitnehmer in Europa neue Herausforderungen entstanden sind, da hiervon auch Funktionieren der Arbeitsmärkte und die Regelung der Beschäftigungsbedingungen betroffen sind. Nach Auffassung der Kommission sind die Sozialpartner am besten in der Lage, sich der Herausforderung zu stellen und mögliche Verbesserungen vorzuschlagen. Daher hat die Kommission die europäischen Sozialpartner dazu aufgefordert, die Folgen der größeren Mobilität in Europa und die Urteile des Europäischen Gerichthofs einer Prüfung zu unterziehen. Ich freue mich, dass die europäischen Sozialpartner die Herausforderung angenommen haben. Die Kommission wird ihre Arbeit bei Bedarf unterstützen.
Die Kommission möchte darauf hinweisen, dass die von dem Urteil des Gerichtshofs am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten derzeit an der Festlegung von rechtlichen Regelungen arbeiten, die im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen werden. Die Kommission kann nicht dem Vorschlag zustimmen, wonach die Entsenderichtlinie auch einen Verweis auf die Freizügigkeit enthalten sollte. Eine derartige Ausweitung würde zwangsläufig zu Missverständnissen in Bezug auf den Geltungsbereich der Richtlinie führen, da sie den Unterschied zwischen zwei unterschiedlichen Kategorien von Arbeitnehmern – nämlich entsendeten Arbeitnehmern und Wanderarbeitnehmern – verwischen würde. Ich möchte mit Nachdruck darauf hinweisen, dass es eindeutig einen Unterschied zwischen entsendeten Arbeitnehmern und Wanderarbeitnehmern gibt.
Die Kommission teilt die Auffassung des Parlaments in Bezug auf die notwendige Verbesserung der Anwendung und Umsetzung der Entsenderichtlinie. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie daran erinnern, dass die Kommission im April 2008 die Empfehlung der von den Mitgliedstaaten geforderten stärkeren Verwaltungszusammenarbeit angenommen hat, um die jetzigen Defizite zu beheben. Die Kommission unterstützt die Verbesserung der Zusammenarbeit auch durch ihren Plan, in Zukunft einen Ausschuss von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten einzurichten. Nach Auffassung der Kommission wird es im Rahmen des vorgeschlagenen Vertrages von Lissabon durch Änderungen wie die neuen Sozialklauseln zu einer deutlichen Stärkung der sozialen Rechte kommen, aufgrund derer alle anderen Maßnahmen der Europäischen Union soziale Fragen berücksichtigen müssen, auch im Hinblick auf die Umsetzung eines rechtsverbindlichen Verweises auf die Charta der Grundrechte.
Małgorzata Handzlik , Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. – (PL) Frau Präsidentin! Aufgrund des Berichts, über den wir heute debattieren, wird die Entsenderichtlinie zu einer Herausforderung für Tarifverträge. Ich kann verstehen, dass die Urteile des Europäischen Gerichtshofs von einigen Mitgliedstaaten möglicherweise nicht begrüßt worden sind. Dennoch sorgen sie für ein Gleichgewicht zwischen allen Zielen der Richtlinie, namentlich zwischen Dienstleistungsfreiheit, Achtung der Rechte von Arbeitnehmern und Wahrung der Grundsätze des lauteren Wettbewerbs. Ich möchte betonen, dass die Wahrung dieses Gleichgewichts eine Conditiosine qua non für uns ist.
Das Hauptproblem in Bezug auf die richtige Umsetzung dieser Richtlinie besteht in ihrer falschen Auslegung durch die Mitgliedstaaten. Demzufolge sollten wir uns nicht so sehr auf die Bestimmungen der Richtlinie selbst, sondern vielmehr auf ihre Auslegung konzentrieren. Daher ist in erster Linie eine gründliche Analyse auf Ebene der Mitgliedstaaten erforderlich. So wird es möglich sein, die Schwierigkeiten, die sich durch die Urteile ergeben, und die möglicherweise vor uns liegenden Herausforderungen zu erkennen. Infolgedessen bin ich der Meinung, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt davon Abstand nehmen sollten, Änderungen der Richtlinie zu fordern. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Entsendung von Arbeitnehmern untrennbar mit der Dienstleistungsfreiheit verbunden ist. Letztere ist eines der Grundprinzipien des europäischen Binnenmarkts. Unter keinen Umständen sollte dies als Einschränkung für Tarifverhandlungen angesehen werden.
Tadeusz Zwiefka, Verfasser der Stellungnahme des Rechtsausschusses. – (PL) Unabhängig von der jeweiligen Überzeugung ist es meiner Meinung nach inakzeptabel, Urteile des Europäischen Gerichtshofs zu kritisieren. Dieser eine unabhängige und neutrale Institution, die für das Funktionieren der Europäischen Union unerlässlich ist. Wir mögen den Gesetzen nicht zustimmen und sind natürlich in der Lage, sie zu ändern, doch ich Probleme, die Kritik an dem Gerichtshof zu akzeptieren. Seine Urteile stützen sich immer auf geltendes Recht.
Ich möchte auf zwei wichtige Punkte im Zusammenhang mit den Fragen hinweisen, über die wir heute sprechen. Erstens haben die Urteile des Gerichtshofs keine Auswirkung auf die Freiheit zum Abschluss von Tarifverträgen. Zweitens dürfen die Mitgliedstaaten gemäß den Erklärungen des Gerichtshofs Mindeststandards nur in den Bereichen einführen, die in der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern aufgeführt sind. Der Gerichtshof erkennt das Recht auf die Durchführung kollektiver Maßnahmen eindeutig als ein Grundrecht an, das Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist. Gleichzeitig stellt der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs zusammen mit anderen Freiheiten des Binnenmarkts eine ebenso wichtige Grundlage für die europäische Integration dar.
Was die Konsequenzen dieses Berichts anbelangt, so fordert der Berichterstatter eine Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern und argumentiert, dass die Auslegung des Gerichtshofs den Absichten des Gesetzgebers zuwiderläuft. Dieser Auffassung stimme ich auf keinen Fall zu.
Jacek Protasiewicz, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Jedes Jahr werden auf dem Gebiet der Europäischen Union rund eine Million Menschen zur Arbeit in ein anderes Land entsendet als das Land, in dem sich der Hauptsitz ihres Arbeitgebers befindet.
In den letzten Jahren gab es nur einige wenige problematische Fälle bei der Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie und der EU-Rechtsvorschriften für diesen Bereich. Der Europäische Gerichtshof hat sich mit diesen Fällen befasst. Grob gesagt kam er zu dem Schluss, dass das Problem nicht auf den Inhalt der Richtlinie, sondern vielmehr auf die falsche Umsetzung der Richtlinie durch einzelne Mitgliedstaaten zurückzuführen sei. Das deutet darauf hin, dass die EU-Rechtsvorschriften zur Regelung der Entsendung von Arbeitnehmern fundiert und gut formuliert sind. Das einzig mögliche Problem bezieht sich auf ihre Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Offenbar bedeutet dies nicht, dass die Rechtsvorschriften so gut sind wie sie sein könnten. Erstens sollte jedoch angemerkt werden, dass die jetzige Richtlinie die Grundrechte der Arbeitnehmer schützt, indem ihnen Mindestgarantien in Bezug auf Entlohnung sowie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz gewährt werden. Zweitens verhindert die Richtlinie nicht den Abschluss von Vereinbarungen mit Bedingungen, die günstiger sind als die in den Tarifverträgen festgelegten Mindestbedingungen für die Beschäftigung. Ich möchte hierauf mit Nachdruck hinweisen. Gleichzeitig schafft die Richtlinie ein hervorragendes Gleichgewicht zwischen der Dienstleistungsfreiheit und dem Schutz der Rechte von Arbeitnehmern, die für die Erbringung von Dienstleistungen in ein anderes Land entsendet werden. Aus diesem Grunde haben wir in dem von Herrn Andersson vorgelegten Bericht vereinbart, die Kommission aufzufordern, sich erneut mit der Richtlinie zu befassen. Nach wie vor widersprechen wir mit Entschiedenheit der Auffassung, dass diese Richtlinie schlecht sei und in diesem Bereich dringend drastische Änderungen der europäischen Rechtsvorschriften erforderlich seien.
Stephen Hughes, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich gratuliere Herrn Andersson zu seinem hervorragenden Bericht und möchte mit einem Teilzitat aus Absatz 12 des Berichts beginnen. Dort heißt es: „...ist der Ansicht, dass die mit der Entsenderichtlinie und der Dienstleistungsrichtlinie verfolgte Absicht des Gesetzgebers nicht mit den Auslegungen des Gerichtshofs vereinbar ist“. Ich schließe mich dem an. Ich zählte zu den Gesetzgebern dieser beiden Richtlinien und hätte nie erwartet, dass sie – in Verbindung mit dem Vertrag – den Gerichtshof zu der Schlussfolgerung veranlassen könnten, dass die wirtschaftlichen Freiheiten Vorrang vor den Grundrechten der Arbeitnehmer haben.
Wenn dieser Fall eintritt, sollte der Gesetzgeber handeln, um die Rechtssicherheit wiederherzustellen. Wir sind ein Mitgesetzgeber, und diese Entschließung macht deutlich, was unserer Meinung nach getan werden muss. Herr Kommissar, wir können unserer Pflicht als Gesetzgeber allerdings erst dann nachkommen, wenn Sie Ihr Initiativrecht ausüben. Ich bin Mitvorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe „Gewerkschaften“ und berufe auch ihre Sitzungen mit ein. Sie umfasst alle wichtigen Fraktionen. Durch sie komme ich mit vielen Gewerkschaftsvertretern in Kontakt, nicht nur in Brüssel und Straßburg, sondern auch vor Ort. Ich kann Ihnen sagen, dass man hinsichtlich des durch diese Urteile hervorgerufenen Ungleichgewichts allgemein zunehmend besorgt ist. Herr Kommissar, dies ist angesichts der bevorstehenden Europawahlen im nächsten Jahr ein ernstes Problem. Wenn Gewerkschaftsvertreter vor Ort finden, dass Europa Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist, dann könnte das allen Bereichen dieses Hauses und dem demokratischen Prozess selbst erheblichen Schaden zufügen.
Ich bin froh, von Ihnen zu hören, dass die Entsenderichtlinie Ihrer Ansicht nach verbessert werden muss, weil wir auch eine Überarbeitung dieser Richtlinie anstreben. Hiermit soll zumindest verdeutlicht werden, inwiefern Tarifverträge für die Umsetzung von Mindestbedingungen genutzt werden können, und gesagt werden, wie kollektive Maßnahmen zum Schutz dieser Rechte eingesetzt werden können.
Also, Herr Kommissar, schenken Sie dieser direkt gewählten Institution bitte Gehör. Wir sind nah an der Basis. Nutzen Sie Ihr Initiativrecht und zeigen Sie, dass Sie Handlungsbedarf sehen.
Luigi Cocilovo, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich möchte Herrn Andersson für diese Initiative und allen Fraktionen und Berichterstattern für die Beiträge zu der vom Ausschuss angenommenen endgültigen Textfassung danken. Meiner Meinung nach ist der Standpunkt des Europäischen Parlaments wirklich wichtig. Ich möchte ganz klar sagen, dass das Parlament die Urteile des Gerichtshofs nicht per se infrage stellt oder kritisiert; sie sind immer legitim. Es möchte jedoch auf die Fragen der Auslegung der Entsenderichtlinie eingehen, die sich teilweise durch diese Urteile ergeben.
Es ist falsch, von der Annahme auszugehen, dass diese Reaktion Bedenken in Bezug auf bestimmte Grundfreiheiten wie die Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen verdeckt; wir möchten diese Freiheit uneingeschränkt gewährleisten, ebenso wie wir den Grundsatz eines gesunden und transparenten Wettbewerbs gewährleisten möchten. Nicht akzeptabel ist eine Form des Wettbewerbs, der sich auf die Vorteile stützt, die durch „Dumping“ entstehen, eines Wettbewerbs, der sich der Illusion hingibt, dass es akzeptabel ist, gegen bestimmte Grundsätze wie die Freizügigkeit von Unternehmen und die Nichtdiskriminierung zu verstoßen. Ganz gleich, wie viel man an der Auslegung herumwerkelt, beruht dieser Grundsatz auf einer einfachen Wahrheit: Es darf keine Unterschiede bei der Behandlung von Arbeitnehmern im Hinblick auf das Land geben, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, unabhängig davon, ob es sich um entsandte Arbeitnehmer oder um Wanderarbeitnehmer handelt, und unabhängig von ihrer Nationalität. Für Unternehmen in dem betreffenden Land und für Unternehmen, die Entsendevereinbarungen in Anspruch nehmen, sollten die gleichen Vorschriften gelten, einschließlich des Streikrechts.
Wir sind der Auffassung, dass jedes andere europäische Modell abgelehnt und mit Misstrauen betrachtet würde. Die Freizügigkeit bezieht sich auch auf Grundsätze, und jede Abweichung von diesem Kurs würde in erster Linie Europa schaden, ungeachtet der Auslegung einer bestimmten Richtlinie.
Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gleichbehandlung ist ein Grundprinzip der Europäischen Union. Die Mitgliedstaaten müssen vor Ort sicherstellen können, dass diese Gleichbehandlung auch wirklich durchgesetzt wird. Der Gerichtshof hat uns hier in eine sehr schwierige Lage gebracht. Ich kann nicht verhehlen – und es ist ja bekannt –, dass die Kommission zumindest in einem Fall Steigbügelhalter war. Das Streikrecht und das Tarifrecht können nicht einfach in Frage gestellt werden. Da müssen wir reagieren! Die Gerichtsentscheidung hat ein so negatives Bild von Europa gezeichnet, dass sich viele Menschen inzwischen abwenden. Da können wir doch nicht untätig zuschauen!
Wer den Wunsch hat, mehr Mobilität in Europa zu fördern, der muss doch dafür sorgen, dass es Gleichbehandlung vor Ort gibt. An dieser Stelle hat der Europäische Gerichtshof uns wirklich einen Bärendienst erwiesen, und das soziale Europa hat dadurch Schaden genommen.
In dieser verfahrenen Situation müssen wir als Gesetzgeber handeln, weil der Gerichtshof auch eine Schwäche der Entsenderichtlinie aufgedeckt hat. Er hat nämlich gezeigt, dass es ein Problem gibt, wenn Arbeitnehmer Dienstleister sind. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen müssen wieder als Arbeitnehmer behandelt werden, und deswegen brauchen wir die Revision der Richtlinie.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – dieses Prinzip muss sichergestellt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Entsenderichtlinie nach der Interpretation des Gerichtshofs dies nicht mehr sicherstellt. Um die Glaubwürdigkeit Europas wiederherzustellen, brauchen wir die Revision, denn ohne dieses Projekt können wir nicht in einen Wahlkampf gehen. Sonst haben wir das Problem, dass die Freiheit des Binnenmarktes und die Gleichbehandlung vor Ort in eine Schieflage geraten werden.
Der Kollege Cocilovo hat es gesagt: Es kann nicht sein, dass Wettbewerb kein Qualitätswettbewerb ist, sondern ein Wettbewerb auf der Grundlage von Sozialdumping. Wir müssen handeln! Ich plädiere nochmals hier an die Runde, dass es ganz dringend notwendig ist, den Bericht Andersson so anzunehmen. Denn er bietet eine ganz konkrete Strategie zum Handeln, wie wir die Revision der Entsenderichtlinie auch machen. Das Prinzip der Gleichbehandlung ist ein Prinzip des sozialen Europas. Dieses soziale Europa wiederherzustellen, dazu sind wir hier gewählt, und deswegen müssen wir den Bericht annehmen!
Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Ich habe mit Bedauern festgestellt, dass wirtschaftlichen Rechten allzu häufig Vorrang vor Grundrechten und -freiheiten eingeräumt wird. Das traf insbesondere auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen Laval und Viking und anderen Rechtssachen zu.
Es ist wichtig, die richtige Reihenfolge dieser Rechte entsprechend ihrer Bedeutung festzulegen und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Menschen wichtiger sind als Geld. Rechte im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Freiheiten dürfen kein Hindernis für das Versammlungsrecht von Einzelnen und ihr Recht auf kollektive Wahrnehmung ihrer Rechte darstellen. Insbesondere Arbeitnehmer haben das Recht, Vereinigungen zu gründen und Arbeitsbedingungen kollektiv auszuhandeln. Die Tarifverhandlungssysteme und die Tarifverträge über Arbeitsbedingungen, die aus den Verhandlungen hervorgehen, verdienen Anerkennung und Unterstützung. Letztendlich gewährleistet die Zustimmung der verantwortlichen Sozialpartner soziale Harmonie und bietet den abgeschlossenen Verträgen eine Chance auf Erfolg. Die Konventionen der IAO sind ein Beispiel für diesen Ansatz.
Die wesentliche Herausforderung, vor der wir derzeit im Bereich der Tarifverträge stehen, ist die Berücksichtigung der Tatsache, dass Wanderarbeitnehmern, entsendeten Arbeitnehmern und Arbeitnehmern, die in ihrem Heimatland beschäftigt sind, die gleichen Rechte garantiert werden müssen. Glückwunsch an den Berichterstatter.
Mary Lou McDonald, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (GA) Frau Präsidentin! Jahrelang haben Arbeitnehmer und Gewerkschaften darauf vertraut, dass die Europäische Union ihre Arbeitsbedingungen verbessert und schützt.
Arbeitnehmer in ganz Europa haben ein Recht auf menschenwürdige Arbeit, auf Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Sie haben ein Recht, sich zur Verbesserung ihrer Arbeitsplatzbedingungen zu vereinigen, sich dafür stark zu machen und einzusetzen. Zu Recht erwarten sie, dass diese Rechte gesetzlich anerkannt und geschützt werden.
Die verschiedenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs, die der Andersson-Bericht ins Visier nimmt, stellen einen dreisten Angriff auf diese Grundrechte dar. Durch diese Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Ausbeutung von Arbeitnehmern im großen Stil grünes Licht gegeben worden. Die Urteile spiegeln den rechtlichen Status quo wider: Wenn die Rechte der Arbeitnehmer im Widerspruch zu den Wettbewerbsregeln stehen, behält der Wettbewerb die Oberhand. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hat das rechtlich legitimiert, was wir als „Wettlauf nach unten“ bezeichnen.
Ich bin sehr enttäuscht über diesen Bericht. Mit Absicht vermeidet er die Forderung nach den Änderungen an den EU-Verträgen, die – wie wir alle wissen – zum Schutz der Arbeitnehmer notwendig sind. Diese Forderung nach einer Änderung des Vertrages wurde absichtlich und zynischerweise aus dem ersten Entwurf dieses Berichts gestrichen, trotz der eindringlichen Appelle seitens der Gewerkschaftsbewegung in ganz Europa, eine soziale Fortschrittsklausel in die Verträge aufzunehmen.
Die Verletzbarkeit der Arbeitnehmerrechte war einer der Hauptgründe für das irische Votum gegen den Vertrag von Lissabon, obgleich die Spitzenpolitiker der EU diese unbequeme Tatsache geflissentlich ignorieren. Wenn ein neuer Vertrag für die Menschen in ganz Europa akzeptabel sein soll, dann muss er einen angemessenen Schutz für die Arbeitnehmer gewährleisten.
Wir Parlamentarier haben jetzt die Chance, darauf zu bestehen, dass die Verträge eine verbindliche soziale Fortschrittsklausel oder ein Sozialprotokoll enthalten. Wenn die diesbezüglichen Änderungen heute nicht verabschiedet werden, dann entfernt sich das Europäische Parlament einen weiteren Schritt von den Menschen, die wir angeblich vertreten. Und in diesem Fall werden die irischen Arbeitnehmer ohne Zweifel ebenso enttäuscht sein wie ich, dass das Europäische Parlament sie im Stich gelassen hat.
Hanne Dahl, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Frau Präsidentin! Die Entwicklungen, die angesichts der weit reichenden Urteile in den Rechtssachen Rüffert, Laval und Waxholm auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten waren, stehen in krassem Widerspruch zu dem Wunsch nach Einführung des Flexicurity-Modells als Wirtschaftsmodell für Europa, da offenbar völlig in Vergessenheit geraten ist, dass sich gerade dieses Flexicurity-Modell auf die Jahrhunderte alte Tradition stützt, dass der Arbeitsmarkt das Recht hat, stabiler und unabhängiger Tarifverträge auszuhandeln. Man kann also kein Flexibilitätsmodell auf dem europäischen Arbeitsmarkt einführen und gleichzeitig Gesetze umsetzen oder Urteile akzeptieren, die den Gewerkschaften die Umsetzung und Wahrung eines Systems erschweren, das auf Tarifverträgen basiert. Wenn das Flexicurity-Modell eingeführt und gleichzeitig zugelassen wird, dass die Binnenmarktregeln der EU Vorrang vor Tarifverhandlungen und der Sicherheit der Arbeitsumgebung haben, dann werden die Arbeitskämpfe eines Jahrhunderts schlussendlich zunichte gemacht. Der Andersson-Bericht ist ein Verband auf der Wunde, die der Europäische Gerichtshof den Ergebnissen der Arbeitskämpfe von einhundert Jahren zugefügt hat, und er geht nicht annähernd weit genug.
Roberto Fiore (NI). – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Zweifellos geht dieser Bericht in die richtige Richtung, wenn er die Arbeit über die Wirtschaft und die sozialen Rechte über die Rechte der freien Marktwirtschaft stellt. Im Wesentlichen verteidigt er ein allgemeines Konzept der sozialen Grundsätze, die ein Teil der europäischen Tradition sind.
Dennoch muss gesagt werden, dass in diesem Bericht ein wesentliches aktuelles Problem nicht angesprochen wird, nämlich die außerordentlich hohe Zahl von entsandten oder ausländischen Arbeitnehmern, die die nationalen Arbeitsmärkte überschwemmen. Daher müssen wir ein wachsames Auge auf das „Dumping“ haben, das in der Tat in Ländern wie Italien zu beobachten ist, in denen eine enorme Anzahl von Menschen, beispielsweise Rumänen, den Arbeitsmarkt überschwemmt haben. Dies würde zweifellos einem „Dumping“ gleichkommen, das für Großunternehmen positiv, für die lokalen Arbeitnehmer jedoch negativ ist.
Gunnar Hökmark (PPE-DE). - (SV) Frau Präsidentin! Ich möchte betonen, was im Bericht enthalten und was nicht enthalten ist. Mein Dank geht an den Berichterstatter. Er hatte Verständnis für die unterschiedlichen Ansichten im Ausschuss, und das bedeutet, Herr Špidla, dass in dem Bericht nicht davon die Rede ist, dass die Entsenderichtlinie von Grund auf geändert oder neu gefasst werden muss. Zunächst verurteilte und kritisierte der Bericht den Gerichtshof, doch diese Passagen wurden herausgenommen. Und genau darüber sprechen wir jetzt.
Um diesen Punkt zu verdeutlichen, möchte ich in deutscher Sprache zitieren:
Ich möchte die deutsche Fassung von Absatz 27 zitieren: „Begrüßt die Andeutung der Kommission, dass sie nun bereit ist, die Auswirkungen des Binnenmarkts auf die Arbeitnehmerrechte und die Tarifverhandlungen einer erneuten Prüfung zu unterziehen“; und: „Spricht sich dafür aus, dass diese erneute Prüfung eine teilweise Überarbeitung der Entsenderichtlinie nicht ausschließen sollte“, also „nicht ausschließen“.
(SV) Frau Präsidentin, das bedeutet, dass es keinen Änderungsbedarf gibt. Allerdings wird eine Prüfung seitens der Kommission befürwortet, wie dies in den verschiedenen Mitgliedstaaten in der Praxis funktioniert. Wenn diese Prüfung Anlass zu Änderungen gibt, dann sollten diese nicht ausgeschlossen werden.
Ich wollte das sagen, weil die Entsenderichtlinie eine sehr wichtige Rolle spielt. Eine Million Menschen haben die Möglichkeit, in anderen Ländern zu arbeiten. Dabei geht es auch um Gleichbehandlung, um gleiche Rechte auf Arbeit in allen Teilen der Europäischen Union, selbst wenn ein Arbeitnehmer einem Tarifvertrag in seinem bzw. ihrem Heimatland unterliegt. Genau darum geht es doch. Solange Arbeitnehmer die Vorschriften der Entsenderichtlinie einhalten, haben sie das Recht, in jedem Teil der EU zu arbeiten. Dies war auch die Schlussfolgerung, zu der der Gerichtshof beispielsweise in der Rechtssache Laval gekommen ist.
Herr Kommissar, Frau Präsidentin, die am Gerichtshof geübte Kritik ist in dem Vorschlag des Ausschusses nicht mehr enthalten, und es gibt keine Notwendigkeit, die Entsenderichtlinie in Stücke zu reißen. Dies sollte bei der Fortsetzung der Debatte unbedingt berücksichtigt werden.
Magda Kósáné Kovács (PSE) . – (HU) Frau Präsidentin! Vielen Dank. Das Problem bei der heutigen Aussprache lässt sich mit dem folgenden lateinischen Sprichwort umschreiben: „Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig.“ Leider sehen wir bei der heutigen Aussprache auch nicht den Hafen, in dem jeder zufrieden vor Anker gehen kann. Die Regelung in Bezug auf die Freizügigkeit von entsendeten Arbeitnehmern ist nicht in dem Kompromisstext der Dienstleistungsrichtlinie von 2006 enthalten, doch das Problem besteht weiterhin, wie die Reaktion auf die Urteile des Gerichtshofs zeigt, und es bereitet uns nun Kopfzerbrechen. Gleichermaßen lassen sich der Vertrag von Maastricht, der Verfassungsvertragsentwurf und der stockende Vertrag von Lissabon nicht von den Problemen im Zusammenhang mit dem freien Dienstleistungsverkehr trennen, das heißt von der wiederkehrenden Debatte darüber, was stärker geschützt werden sollte: die vier Grundfreiheiten oder die sozialen Rechte, selbst wenn das eine dem anderen zum Nachteil gereicht.
Es stimmt, dass Dienstleister in den neuen Mitgliedstaaten durch die EU-Vorschriften vorübergehend einen Wettbewerbsvorteil haben. Doch andererseits hat der freie Waren- und Kapitalverkehr für die weiter entwickelten Mitgliedstaaten günstige Marktbedingungen geschaffen. Meiner Ansicht nach sind diese Unterschiede vorübergehender Natur, weil sich die Qualität und die Bedingungen der Waren- und Kapitalmärkte und der Arbeits- und Dienstleistungsmärkte zwangsläufig aneinander annähern werden. Daher besteht unsere vorrangige Aufgabe nicht darin, Gesetze neu abzufassen und gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu opponieren, sondern die bestehenden Rechtsvorschriften durchgängig und effektiv umzusetzen. Heutzutage werden Kriege nicht in erster Linie mit Waffen geführt, sondern Finanzkrisen, wie wir sie derzeit erleben, können ebenso verheerenden Schaden anrichten wie ein Krieg. Ich hoffe, dass das Parlament und alle anderen Entscheidungsforen der EU – eingedenk unseres Wunsches nach einem dauerhaften Frieden und einer dauerhaften Zusammenarbeit nach dem 2. Weltkrieg – eine gerechte Lösung anstreben werden, damit wir Mitglieder einer dauerhaften, prosperierenden, sich gegenseitig unterstützenden und in sich geschlossenen Gemeinschaft sind. Dabei sollte engstirniger Protektionismus auf der Strecke bleiben. Danke, Frau Präsidentin.
Olle Schmidt (ALDE). - (SV) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Andersson für diesen wichtigen Bericht danken. Vieles dreht sich um die Rechtsprechung in der Rechtssache Laval, bei der die schwedische Gewerkschaft zu weit gegangen ist. Der Bericht enthält viele Dinge, die mir nicht gefallen. Er schlägt bei der Auslegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen gewissen Ton an, und an mehreren Stellen gibt es Hinweise auf die ursprüngliche Absicht von Herrn Andersson, nämlich die Entsenderichtlinie in Stücke zu reißen. Doch das wird im überarbeiteten Bericht nicht gesagt, wie Herr Hökmark zu Recht angemerkt hat. Jetzt geht es um die Frage, eine teilweise Überarbeitung der Richtlinie nicht auszuschließen, was eher der Auffassung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz entspricht, für den ich verantwortlich war.
Die Abstimmung wird hoffentlich ebenfalls zu dem Ergebnis führen, dass die Entsenderichtlinie nicht von Grund auf geändert werden muss. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Vorschläge 14 und 15 der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa verweisen.
Herr Andersson, es ist falsch zu glauben, dass das schwedische Modell am besten gewahrt wird, indem man über Brüssel geht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir über Brüssel gehen, dann könnten wir das schwedische Modell gefährden, das auf verantwortungsvollen Parteien basiert, und würden in Schweden eine Gesetzgebung und Mindestlöhne erhalten. Das kann nicht wirklich im Interesse der schwedischen Gewerkschaften sein.
Roberts Zīle (UEN). - (LV) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Vielen Dank. Häufig verbergen sich hinter den scheinbaren Versuchen, die Arbeitsnormen zu schützen und gleiche Arbeitsbedingungen zu schaffen, in Wahrheit Protektionismus und eine eindeutige Einschränkung des freien und fairen Wettbewerbs. Die Entlohnung der einzelnen Arbeitnehmer sollte von ihrem Erfolg und ihrer Produktivität am Arbeitsplatz und nicht von den Tarifvereinbarungen der Sozialpartner abhängen. Dabei kommen alle Teilnehmer des Binnenmarkts der Europäischen Union schlecht weg, weil die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf den Weltmärkten schwindet. Wir müssen keine Änderungen an der Entsenderichtlinie vornehmen, damit sie auf die Sozialsysteme einiger Mitgliedstaaten angewandt werden kann. Die grundlegende Pflicht der Europäischen Union besteht darin, Unternehmen aus den alten und den neuen Mitgliedstaaten die gleichen Rechte für ihre Geschäftstätigkeit auf dem Binnenmarkt für Dienstleistungen zu gewährleisten. Wenn uns die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht gefallen, dann ändern wir die Gesetze. Ich bin mir nicht sicher, ob die Europäische Union für ihre Bürgerinnen und Bürger dadurch leichter verständlich wird.
Gabriele Zimmer (GUE/NGL). – (DE) Frau Präsidentin! Ich möchte mich als erstes gegen den Geist einer vor wenigen Minuten gehörten Aussage verwahren, dass Ausländer unseren Arbeitsmarkt überschwemmen würden.
Zweitens hätte ich mir vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten einen klareren, eindeutigeren Bericht gewünscht. Vertrauen in die soziale Bindungskraft der Europäischen Union kann nur erreicht werden, wenn fundamentale soziale Rechte als europäisches Primärrecht definiert werden. Wir sollten Rat, Kommission, Mitgliedstaaten und dem EuGH ein stärkeres Signal senden und uns nicht damit zufriedengeben, lediglich eine Balance zwischen Grundrechten und Binnenmarktfreizügigkeiten einzufordern. Damit ändern wir nichts! Soziale Grundrechte sind ebenso wie Freiheitsrechte Menschenrechte, die nicht durch Freizügigkeiten des Binnenmarktes eingeschränkt werden dürfen.
Es geht darum, dass wir das europäische Sozialmodell verteidigen und verbessern und dass es höchste Zeit ist für die Einführung einer sozialen Fortschrittsklausel als bindendes Protokoll zu den bestehenden EU-Verträgen. Es ist Zeit, die Entsenderichtlinie so zu verändern, dass Lohn- und Mindeststandardsforderungen nicht auf Mindestforderungen begrenzt werden dürfen.
Hélène Goudin (IND/DEM). - (SV) Frau Präsidentin! Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen von Herrn Andersson ist die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt durch die Änderung der Entsenderichtlinie geschützt werden soll. Für Schweden bestünde die beste Lösung jedoch darin, im EU-Vertrag klar festzulegen, dass Arbeitsmarktfragen auf nationaler Ebene entschieden werden. Wenn wir aus dem Laval-Urteil eine Lehre gezogen haben, dann die, dass unser Arbeitsmarkt nicht durch aufdringliche EU-Rechtsvorschriften geregelt werden sollte.
Die Juniliste befürwortet den Ausschluss Schwedens vom EU-Arbeitsrecht. Es wäre interessant zu hören, was Herr Andersson von diesem Vorschlag hält. Sind die EU-Rechtsvorschriften immer zukunftsweisend? Das Laval-Urteil ist das Ergebnis der Zustimmung der EU-Sozialdemokraten und bürgerlich konservativen Politiker zu den Änderungen des EU-Vertrages, wodurch der EU und dem Europäischen Gerichtshof noch mehr Befugnisse in Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik verliehen werden. Wir werden natürlich gegen Herrn Anderssons Befürwortung des Vertrags von Lissabon stimmen.
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Die PPE-DE-Fraktion hat den Bericht von Jan Andersson in seiner ursprünglichen Fassung nicht unterstützt. Doch infolge der guten Arbeit unseres Schattenberichterstatters und der Zusammenarbeit mit anderen Schattenberichterstattern mit dem Ziel, den Bericht entscheidend zu überarbeiten, konnten wir ihn im Ausschuss beruhigt unterstützen. Unsere Fraktion wird ebenfalls vorschlagen, ihn in seiner jetzigen Fassung zu unterstützen. Allerdings gibt es bestimmte Änderungsanträge, die unserer Meinung nach auch unterstützt werden sollten. Ich hoffe, dass der Berichterstatter diese seinerseits berücksichtigen wird.
Ich möchte nur auf einen sehr wichtigen Punkt eingehen. Stephen Hughes hat bereits auf die Tatsache hingewiesen – die mit Sicherheit wahr ist –, dass unter den Gewerkschaften die Sorge hinsichtlich möglicher Einschränkungen des Streikrechts weit verbreitet ist. Das möchte ich nicht bestreiten, doch ich hoffe, dass auch er mir nicht widerspricht, wenn ich sage, dass unter Arbeitnehmern die Sorge in Bezug auf eine mögliche Einschränkung ihres Rechts auf Arbeit weit verbreitet ist. Ich habe nicht genügend über dieses wichtige Recht gehört, weder bei dieser Aussprache noch im Ausschuss. Natürlich ist das Streikrecht ein Grundrecht: Das ist unstrittig. Doch das Recht auf Arbeit – die Freiheit zu arbeiten – ist ebenfalls ein sehr wichtiges Recht, und das ist etwas, das wir auf dieser Seite des Parlaments hervorgehoben haben möchten.
Proinsias De Rossa (PSE). - Frau Präsidentin! Der Binnenmarkt ist kein Selbstzweck. Er ist ein Instrument für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von allen, und daher müssen Mängel in der Entsenderichtlinie, die einen Wettlauf nach unten fördern können, dringend behoben werden.
Der Sozialistischen Fraktion ist es gelungen, eine überwältigende Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zur Unterstützung dieser Reformen zu bewegen. Die einzigen Fraktionen, die sich diesem Konsens nicht anschließen, sind aus dem rechtsextremen und linksextremen Lager, denn sie ziehen parteipolitische Spielchen der Suche nach einer politischen Lösung der Probleme vor.
Wir in diesem Parlament müssen einen klaren Appell an die Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten richten, dass eine menschenwürdige Entlohnung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen nicht auf dem Altar des Binnenmarkts geopfert werden dürfen. Europa kann sich nur auf der Grundlage qualitativ hochwertiger Dienstleistungen und Waren und nicht durch die Herabsetzung des Lebensstandards erfolgreich im Wettbewerb behaupten.
Ich begrüße die heutigen Andeutungen der Kommission, dass sie nun bereit ist, die Entsenderichtlinie einer erneuten Prüfung zu unterziehen, dass sie überarbeitet werden muss. Doch die Frage lautet, Herr Kommissar, wann? Wann werden Sie diesem Haus eine Initiative vorlegen, aus der klar hervorgeht, welche Änderungen Sie an der Entsenderichtlinie vorschlagen möchten?
Gleichbehandlung und gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsplatz müssen unbedingt gewährleistet und verstärkt werden, wie dies bereits in den Artikel 39(12) des EG-Vertrags vorgesehen ist. Die Dienstleistungsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit, die Staatsangehörigkeit des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer oder der entsendeten Arbeitnehmer darf nicht als Rechtfertigung für Ungleichheiten in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Entgelt oder die Ausübung von Grundrechten, beispielsweise des Rechts von Arbeitnehmern auf Kollektivmaßnahmen, dienen.
Anne E. Jensen (ALDE). - (DA) Frau Präsidentin! Ich möchte ganz klar sagen, dass wir die Angriffe auf den Europäischen Gerichtshof und die Entsenderichtlinie einstellen sollten. Vielmehr sollten die Mitgliedstaaten stärkere Anstrengungen unternehmen. Im Anschluss an das Laval-Urteil werden wir in Dänemark jetzt eine mit beiden Seiten der Industrie vereinbarte Gesetzesänderung umsetzen. Neun Zeilen Gesetzestext gewährleisten, dass die Gewerkschaften Arbeitskampfmaßnahmen zur Sicherung der Arbeitsbedingungen ergreifen dürfen, die in dem jeweils betroffenen Bereich Standard sind. Offenbar prüfen auch die Schweden derzeit, wie sich die Entsenderichtlinie in die Praxis umsetzen lässt. Wir dürfen die Richtlinie nicht ändern. Wir benötigen bessere Informationen, damit sich die Arbeitnehmer über ihre Rechte und die Arbeitgeber über ihre Pflichten im Klaren sind. Was wir brauchen, ist eine bessere Umsetzung der Richtlinie in der Praxis.
Jan Tadeusz Masiel (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! In einigen Monaten werden wir uns wieder an die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union wenden und sie zur Wahl ihrer Vertreter im Europäischen Parlament auffordern. Und wieder werden die Bürgerinnen und Bürger nicht verstehen, warum sie dazu aufgefordert werden oder welchen Zweck dieses Parlament erfüllt. Daher wird die Wahlbeteiligung wiederum gering sein.
Die heutige Aussprache über die Entsenderichtlinie und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zeigt, dass das Europäische Parlament u. a. den Zweck erfüllen soll, die Bürgerinnen und Bürger vor bestimmten politischen Maßnahmen zu schützen, die von ihren eigenen Regierungen befürwortet werden. Diese politischen Maßnahmen können kurzsichtig und unausgewogen sein. In diesem Fall sind sie auch übermäßig liberal. Gegenwärtig räumen das Europäische Parlament und der Europäische Gerichtshof dem Schutz der Arbeitnehmerrechte Vorrang vor der unternehmerischen Freiheit ein. Es ist unmöglich, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in der gesamten Union abzulehnen. Wir alle müssen die gleichen Preise in den Geschäften bezahlen, und wir fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit innerhalb der gesamten Union.
Thomas Mann (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Zu den meistbeachteten Erfolgen des Europäischen Parlaments gehört die Abänderung der Bolkestein-Richtlinie durch die Ersetzung des Herkunftslandsprinzips durch das Dienstleistungsprinzip. Die Beschäftigten brauchen faire Arbeitsbedingungen, die Unternehmen, speziell der Mittelstand, brauchen Schutz vor existenzgefährdender Billigkonkurrenz. Achten wir darauf, dass das Ergebnis auf Dauer gesichert wird!
Zweifel daran gibt es – das hat die Debatte gerade ergeben – aufgrund der jüngsten Rechtsprechung in Sachen Viking, Laval und Rüffert. Stimmt es, dass die Dienstleistungsfreiheit vom EuGH höher eingeschätzt wird als der Schutz der Arbeitnehmer? Ordnet er das Streikrecht dem Recht der Freizügigkeit unter? So sehr an Einzelurteilen gezweifelt werden darf, so wenig ist hinnehmbar, die Unabhängigkeit oder die Legitimität der Institution in Frage zu stellen.
Um Klärung zu erreichen, brauchen wir keine Modifizierung der Entsenderichtlinie, wir brauchen eine konsequente Umsetzung in den Mitgliedstaaten. Sie ist die notwendige Balance zwischen der Sicherung der Freizügigkeit und dem Arbeitnehmerschutz. Das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort darf nicht aufgeweicht werden.
Arbeitsbedingungen, die über das Mindestniveau hinausgehen, behindern nicht den Wettbewerb, und Tarifverhandlungen dürfen auf keinen Fall eingeschränkt werden. Wir brauchen eine klare Absage an jedes Sozialdumping und wir brauchen eine klare Absage an die Versuche, Briefkastenfirmen ins Leben zu rufen, die Mindeststandards für Lohn- und Arbeitsbedingungen verhindern sollen. Soziale Grundsätze dürfen nicht ökonomischen Freiheiten untergeordnet werden.
Erst wenn es gerecht zugeht in der Europäischen Union, erzielen wir die dringend notwendige Zustimmung zum Konzept der sozialen Marktwirtschaft bei den Unternehmern und beim Mittelstand.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu den geschätzten Eigenschaften dieses Parlaments gehört seine erfolgreiche Erarbeitung einheitlicher Standpunkte. Ich stimme der Untergrabung der Entsenderichtlinie nicht zu. Im Gegenteil, sie muss vollständig eingehalten werden. Die Urteile des Gerichtshofs geben eine klare Richtung vor. Der Bericht über die Tarifverträge versetzt diesen Urteilen und auch dem Kompromiss, der bei der Aussprache über die Dienstleistungsrichtlinie im Europäischen Parlament erzielt wurde, einen Schlag. Dies kann ich nicht unterstützen. Dumping funktioniert über illegale arbeitsrechtliche Verfahren und die Umgehung der Richtlinie. Daher möchte ich Sie, meine Damen und Herren, zur Unterstützung unserer Änderungsanträge auffordern, die sich auf die gültigen Rechtsvorschriften beziehen. Gemäß den Bestimmungen und Bedingungen der aktuellen Richtlinie haben Unternehmer ein Recht auf Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen, und ich stimme zu, dass gewährleistet sein muss, dass die Menschen, mit anderen Worten, die Arbeitnehmer, sich darüber generell im Klaren sind.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). - (HU) Inzwischen ist der bedrohliche Schatten des lettischen Bauarbeiters an die Stelle des Buhmanns des polnischen Klempners getreten. Die wieder aufflammende ungehörige Debatte hat der gesamten EU großen Schaden zugefügt. Manche schlagen Alarm in Bezug auf soziales Dumping, eine schier endlose Invasion von Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten. Das trifft so nicht zu. Wir sollten realistisch sein. Wir sollten die Wähler mit derartigem Gerede nicht einschüchtern. Die zwölf neuen Mitgliedstaaten haben kaum Wettbewerbsvorteile. Einer dieser Vorteile, d. h. die relativ geringeren Löhne, wird nur einige Jahre lang bestehen bleiben. Glücklicherweise steigen die Löhne und Gehälter in unseren Ländern ebenfalls. Ich appelliere an Sie, dass es bei Ihren Diskussionen über Gleichbehandlung – ein weiterer Aspekt dieses Sachverhalts – auch um die Gleichbehandlung der neuen und alten Mitgliedstaaten gehen muss. Wenn wir das Potenzial des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts einschränken, wenn wir die unternehmerische Freiheit einschränken, dann wird das der gesamten EU schaden. Dennoch ist der soziale Aspekt auch für mich äußerst wichtig. Ich danke Ihnen.
Marian Harkin (ALDE). - Frau Präsidentin! Bei der jüngsten Debatte über den Vertrag von Lissabon in Irland standen die durch die Rechtssachen Laval und Viking aufgeworfenen Fragen im Mittelpunkt vieler Debatten und haben zu echter Verunsicherung und Unruhe beigetragen. Ich habe gehört, dass viele meiner Kollegen diese Gefühle heute Morgen hier erneut geäußert haben, und daher freue ich mich über die Bemühungen dieses Parlaments heute Morgen.
Ich bin auch beruhigt über die Aussage des Herrn Kommissars, dass die Kommission dem Parlament zustimmt, dass die Entsenderichtlinie verbessert und richtig umgesetzt werden muss.
Die Auffassung des Parlaments ist ganz klar. In Absatz 33 bekräftigt es, dass die grundlegenden sozialen Rechte in einer Hierarchie der Grundfreiheiten nicht den wirtschaftlichen Rechten unterstellt sind. Weiter unten im Bericht wird betont, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht im Widerspruch zu dem Grundrecht auf Streik steht und diesem in keiner Weise übergeordnet ist. Diese Aussagen sind glasklar und zeigen den Standpunkt des Parlaments. Jetzt warten wir darauf, dass die Kommission das Staffelholz übernimmt und losläuft.
Ich habe eingangs über Lissabon gesprochen und möchte auch damit abschließen: Die Ratifizierung der Grundrechtecharta und die Aufnahme der Sozialklausel in den Vertrag von Lissabon hätten die Situation der Arbeitnehmer in der gesamten EU verbessert.
Bairbre de Brún (GUE/NGL). - (GA) Frau Präsidentin! Die Gewerkschaften verlieren ihre Rechte auf die Aushandlung besserer Löhne und Bedingungen für ihre Mitglieder. Die Regierungen werden daran gehindert, Gesetze zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitsnehmer zu erlassen.
Ich stimme meinen heute anwesenden Kollegen zu, dass die Aufnahme einer verbindlichen sozialen Fortschrittsklausel in die EU-Verträge die notwendige Mindestanforderung ist, um zu gewährleisten, dass dies nicht passiert.
Dennoch trifft der Bericht von Herrn Andersson nicht den Kern der Sache. Er könnte durch mehrere Änderungen verstärkt werden. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht im Einklang mit den Verträgen. Solange die Verträge Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte und eine Verschlechterung von Löhnen und Bedingungen zulassen, kann der Gerichtshof keine andere Entscheidung treffen.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich begrüße den Andersson-Bericht, weil sein Hauptaugenmerk auf den Grundsätzen liegt, von denen der Binnenmarkt im Hinblick auf das Gleichgewicht zwischen der Dienstleistungsfreiheit und den unveräußerlichen Rechten der Arbeitnehmer bestimmt werden sollte.
Wenn die Probleme in der Praxis auf nationaler Ebene angegangen werden, müssen wir hier andererseits einschreiten, um die negativen sozialen und politischen Auswirkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu bekämpfen. Daher müssen wir die Entsenderichtlinie überarbeiten, die Sozialklauseln der Monti-Richtlinie und der Dienstleistungsrichtlinie zusammenfassen und die Richtlinie über Leiharbeitnehmer annehmen, für die die gleichen Regeln gelten sollten wie für Dauerbeschäftigte.
Und schließlich unterstütze ich die Dringlichkeit geeigneter Maßnahmen zur Bekämpfung von Briefkastenfirmen, die zur Erbringung von Dienstleistungen außerhalb des Landes ihrer Niederlassung gegründet werden und die im Land ihrer Geschäftstätigkeit gültigen Vorschriften im Hinblick auf Löhne und Arbeitsbedingungen umgehen. Mit einigen Ausnahmen befürworte ich den Bericht also.
Mairead McGuinness (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Wie bereits gesagt wurde, haben das Laval-Urteil und andere Urteile bei der Debatte über den Vertrag von Lissabon in Irland für Kontroversen gesorgt, und sie wurden in dieser Hinsicht instrumentalisiert.
Dieser Bericht befasst sich in erster Linie mit den Prinzipien des Binnenmarktes, fordert jedoch Gleichbehandlung und gleichen Lohn für gleiche Arbeit, und das muss heute unser Leitprinzip hier sein. Sozialdumping ist etwas, das viele mit großer Sorge erfüllt. Doch ich möchte sagen, dass wir eine seltsame und einzigartige Situation in Europa haben werden, wenn Länder wie Irland, die einen Zuzug von Arbeitnehmern zu verzeichnen hatten, vielleicht feststellen, dass sich die Situation ändert. Es ist in unser aller Interesse, dass unsere Arbeitnehmer, wo immer sie sich auch in der Europäischen Union befinden, gute und gleiche Rechte haben.
Zudem möchte ich anmerken, dass Europa mit einem weitaus größeren Problem konfrontiert ist, nämlich mit der Verlagerung ganzer Branchen und Unternehmen aus der Europäischen Union, die offensichtlich die Arbeitsplätze und die Früchte ihrer Geschäftstätigkeit in Länder außerhalb unserer Grenzen verlagern, während wir nur die Ergebnisse importieren. Das ist ein Problem, das wir lösen müssen.
Costas Botopoulos (PSE). - (EL) Frau Präsidentin! Meiner Ansicht nach ist der Andersson-Bericht ein mutiger Schritt des Europäischen Parlaments, denn auf dem Spiel steht das Gleichgewicht zwischen den rechtlichen Grundsätzen und den politischen Wahrnehmungen, das sich direkt auf das Leben nicht nur der Arbeitnehmer, sondern aller Bürger auswirkt.
Es ist kein Zufall, dass die Rechtssachen, über die wir sprechen, sowohl in Juristenkreisen – glauben Sie mir, ich bin Anwalt und weiß das – als auch bei all denjenigen Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union Widerspruch hervorgerufen haben, die das Gefühl haben, dass die Europäische Union sie nicht versteht. Wie wir gehört haben, waren diese einer der Hauptgründe für das „Nein“ der Iren zum Vertrag von Lissabon.
Dabei – seltsam, aber wahr – ist es gerade der Vertrag von Lissabon, der in diesem Fall höchstwahrscheinlich die Lösung wäre, weil er die Auslegung der entsprechenden Bestimmungen in ein anderes Licht rücken würde. Die Sozialklausel und die speziellen Klauseln in der Grundrechtecharta würden den Gerichtshof höchstwahrscheinlich dazu zwingen, einen anderen Standpunkt einzunehmen.
Søren Bo Søndergaard (GUE/NGL). - (DA) Frau Präsidentin! Mein dänischer Kollege von der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa sagte vorhin, dass das Problem, vor dem wir nach dem Waxholm-Urteil stehen, in Dänemark gelöst worden sei. Ich muss sagen, das entspricht nicht der Wahrheit. Die Leute mögen zwar glauben, dass sie das Problem gelöst haben, doch jede Lösung ist eigentlich nur auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zurückzuführen. Das ist natürlich genau das Problem. Denn die Frage, ob die Menschen in verschiedenen Mitgliedstaaten streiken dürfen, wird jetzt vom Europäischen Gerichtshof entschieden. Aus diesem Grund hätten wir den Vertrag anders abfassen müssen, damit klar festgelegt ist, dass eine derartige Sachlage nicht richtig sein kann. Leider macht der Bericht von Herrn Andersson hierzu keine genauen Angaben. Er enthält einige konstruktive Passagen, doch keine Aussage zu diesem speziellen Punkt. Zudem fehlt in dem Bericht eine klare Forderung, die Entsenderichtlinie zu ändern, und daher fordere ich Sie dringend dazu auf, für die Änderungsanträge zu stimmen, die diese Fragen klären, damit das Europäische Parlament eine klare politische Linie vorgeben kann.
Elmar Brok (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige wenige Sätze dazu sagen.
Die Freizügigkeit ist eine der großen Errungenschaften der Europäischen Union. Wir müssen aber auch deutlich machen – und in manchen Ländern, wo es geringere Standards gibt, wird man das bald verstehen, weil man dort die Standards erhöhen wird –, dass die Freizügigkeit nicht dazu führen darf, dass in einem normalen Wettbewerb sozial gewachsene Standards beseitigt werden. Es kann nicht sein, dass Europa bedeutet, lang erkämpfte soziale Rechte und Arbeitnehmerrechte abzuschaffen. Aus diesem Grund sollten wir klarmachen, dass dies niemals unsere Politik war und dass diese Politik auch niemals durchgesetzt werden soll.
Wenn in einem Land eine Arbeit durchgeführt wird, muss es für dieselbe Arbeit dasselbe Geld geben. Es darf keine Klassengesellschaft geben, indem ausländische Arbeitnehmer für weniger Geld arbeiten. Dies ist für beide Seiten unfair. Deswegen sollten wir dies klar machen.
Yannick Vaugrenard (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich unserem Kollegen, Herrn Andersson, meine Anerkennung für seine Arbeit aussprechen. Was genau will die Europäische Union eigentlich? Einen Binnenmarkt, der dem zügellosen Wettbewerb überlassen wird und sämtliche kollektiven Rechte zunichte macht, oder einen regulierten Binnenmarkt, der den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt, in ganz Europa einer menschenwürdigen Arbeit nachzugehen?
Die Aussagen des Europäischen Gerichtshofs, häufig die der Kommission und manchmal die der Ratspräsidentschaft sind weder klar noch immer einheitlich. Eine Gesellschaft ist nur so viel wert wie der Vertrag, den sie sich selbst auferlegt – und kann nur mit diesem Vertrag bestehen. Deregulierung, der Ansatz „Jeder macht seins“, führt zu noch mehr Deregulierung und schlussendlich zum Zusammenbruch des Systems.
Das wollen wir nicht. Es ist richtig, dass wir einen Binnenmarkt wollen, doch einen Markt, der zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen unserer Mitbürger dient. Im Vertrag von Lissabon sind einige Grundsätze festgelegt, auch das Recht auf die Aushandlung von Tarifverträgen. Wir sollten gewährleisten, dass dieser Grundsatz von der Europäischen Union und von allen Mitgliedstaaten geachtet wird.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Frau Präsidentin! Es reicht nicht aus, die inakzeptablen Standpunkte zu kritisieren, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinen Urteilen vertreten hat, die einen schweren Angriff auf die grundlegendsten Rechte der Arbeitnehmer darstellen. Wir müssen viel weiter gehen und die europäischen Verträge umfassend ändern, um zu verhindern, dass sich solche Situationen wiederholen.
Die im Rahmen der Referenden zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der so genannten europäischen Verfassung und des Entwurfs des Vertrags von Lissabon sind ein klarer Beweis für die allgemeine Unzufriedenheit mit dieser Europäischen Union, die die Arbeitnehmer abwertet und ihre Würde nicht achtet. Ich bedauere die Tatsache, dass dieser Bericht nicht zu der gleichen Schlussfolgerung gelangt, obwohl er die in den Urteilen des Gerichtshofs vertretenen Standpunkte kritisiert und die Arbeitnehmerrechte damit verteidigt. Das allein reicht allerdings nicht aus.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte dem Berichterstatter und Ihnen für die Aussprache danken, die nun begonnen hat, da es sich hierbei um eine Debatte über ein äußerst sensibles und tiefgründiges Thema handelt. Meiner Meinung nach hat die Debatte sowohl eine ganze Reihe von Ansichten zu Tage gefördert, die eine heftige Diskussion anstoßen könnten, als auch eine Reihe von gegenteiligen Ansichten. Dies unterstreicht auch die Bedeutung und Schwierigkeit dieser Debatte. Ich möchte mit Nachdruck auf einige grundlegende Gedanken hinweisen. Zunächst einmal haben die Urteile des Gerichtshofs in Luxemburg die Grundrechte weder geschwächt noch angegriffen. Das entspricht einfach nicht der Wahrheit. Ich möchte auch erklären, dass der Gerichtshof in Luxemburg zudem als Erster durch seine Rechtsprechung erklärt hat, dass das Streikrecht ein Grundrecht ist. Das wurde in der Rechtsprechung oder in unserem Rechtssystem zuvor noch nie formuliert.
Ich möchte auch auf die bei der Debatte oft geäußerte Auffassung eingehen, dass die Frage der entsendeten Arbeitnehmer eine Angelegenheit ist, welche die alten Mitgliedstaaten von den Neuen trennt. Ich kann Ihnen mitteilen, dass das Land, das die meisten Arbeitnehmer entsendet, die Bundesrepublik Deutschland ist. Das Land mit der zweithöchsten Zahl von entsendeten Arbeitnehmern ist Polen, gefolgt vonBelgien und Portugal. Auch die Auffassung, dass die Entsendung von Ost nach West, von den neuen zu den alten Mitgliedstaaten erfolgt, ist nicht richtig. Ebenso falsch ist die Auffassung, dass die Entsendung von Mitarbeitern implizit Sozialdumping bedeutet. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Kommission das politische Grundprinzip verfolgt, jede Form von Dumping – und das schließt Sozialdumping ein – abzulehnen und aktiv zu bekämpfen. Darüber hinaus entspricht es der Politik der Kommission, die Sozialstandards, die wir erreicht haben, zu schützen und sie unter keinen Umständen in irgendeiner Form zu untergraben.
Außerdem möchte ich darauf verweisen, dass die meisten Mitgliedstaaten, für die die Rechtsprechung in den Rechtssachen Laval und Rüffert maßgebend war, im Rahmen der beim Workshop eingeleiteten Debatte nicht der Ansicht waren, dass wir die Richtlinie ändern sollten. Eine klare Mehrheit dieser Mitgliedstaaten sah eine Lösung im Rahmen der Anwendung nationalen Rechts, und einige von ihnen haben bei diesem Prozess bereits gute Fortschritte erreicht. In diesem Zusammenhang möchte ich Dänemark und Luxemburg erwähnen und auch darauf hinweisen, dass laut Informationen, die ich aus Schweden erhalten habe, dort innerhalb von etwa fünfzehn Tagen eine wichtige Entscheidung ansteht – eine Entscheidung, die von den Sozialpartnern und der Regierung in allen Einzelheiten erörtert worden ist.
Darüber hinaus möchte ich – selbst wenn dies nur ein Detail ist – darauf hinweisen, dass die so genannten Briefkastenfirmen kein Ausdruck der Entsendung von Arbeitnehmern oder der Freizügigkeit sind. Im Rahmen des Binnenmarkts der einzelnen Staaten finden Sie ein paar hundert Beispiele dieser Art; und meiner Ansicht nach ist dies eine offene Frage. Eine weitere sehr wichtige Angelegenheit, die ich hervorheben möchte, ist die Tatsache, dass sich die von dem Gerichtshof in Luxemburg bislang ergangenen Urteile auf ein älteres Problem beziehen. Die endgültige Rechtsprechung obliegt den einzelstaatlichen Gerichten, da dies in ihren Zuständigkeitsbereich fällt.
Meine Damen und Herren, meiner Meinung nach ist es absolut notwendig, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass dies eine sehr grundsätzliche Frage ist. Die Kommission verfolgt sie von den Standpunkten, über die wir gesprochen haben, und ist bereit, alle notwendigen Maßnahmen zur Klärung der Lage zu ergreifen und einen entsprechenden Konsens zu finden, weil – ich wiederhole es noch einmal – selbst bei dieser Debatte noch nicht klar geworden ist, wo die Trennlinie verläuft. Es besteht noch enormer Handlungsbedarf, doch ich möchte anmerken und betonen, dass den Sozialpartnern in diesem Bereich eine entscheidende Bedeutung zukommt.
Jan Andersson, Berichterstatter. – (SV) Frau Präsidentin! Ich möchte einige kurze Anmerkungen machen:
Es gibt einen Unterschied zwischen den Aufgaben des Gerichtshofs und uns als Gesetzgeber. Der Gerichtshof hat seine Stellungnahme abgegeben. Als Gesetzgeber müssen wir nun handeln, wenn wir denken, dass der Gerichtshof die Rechtsvorschriften nicht in unserem Sinne ausgelegt hat. In dem Bericht sagen wir, dass wir und auch die Kommission Maßnahmen ergreifen sollten. Wir sollten Änderungen an der Entsenderichtlinie nicht ausschließen, etwas, worauf wir ebenfalls hinweisen. Es gibt keinen Widersprich zwischen der Freizügigkeit und guten sozialen Bedingungen. Ganz im Gegenteil!
Einige Worte zu den von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten vorgelegten Änderungsanträgen. Leider enthalten sie zahlreiche Widersprüche, bei denen sie Kompromisse anstreben. Einerseits kritisieren sie einseitige Stellungnahmen vonseiten des Rats, andererseits begrüßen sie Meinungsvielfalt. In ihren Änderungsanträgen gibt es viele Widersprüche. Ich sage „Nein“ zu Ausnahmen für bestimmte Länder, weil es sich hierbei um europäische Probleme handelt, die wir gemeinsam lösen sollten. Unterschiedliche Arbeitsmärkte sollten nebeneinander funktionieren.
Wir sagen „Ja“ zu dem neuen Vertrag, da die Probleme mit den Urteilen unter dem alten Vertrag aufgetreten sind. Ich sage nicht „Nein“ zu Maßnahmen auf nationaler Ebene. Solche Maßnahmen sind beispielsweise in Schweden und Deutschland notwendig, doch wir benötigen auch Maßnahmen auf europäischer Ebene.
Abschließend möchte ich sagen, dass die Kommission jetzt handeln muss. Wenn die Kommission nicht auf das Parlament und insbesondere nicht darauf hört, was die Bürger in Irland, Deutschland, Schweden und anderen Mitgliedstaaten sagen, dann wird das europäische Projekt stark in Mitleidenschaft gezogen. Dies ist eine der wichtigsten Fragen für die Bürgerinnen und Bürger in Europa. Freizügigkeit – ja, aber mit guten sozialen Bedingungen und ohne Sozialdumping. Wir müssen auf dieses Ziel hinarbeiten, daher muss dem Parlament Gehör geschenkt werden.
(Beifall)
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, 21.10.2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Ole Christensen (PSE), schriftlich. – (DA) Die Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt muss erhöht werden. Daher muss stärker auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung geachtet werden.
Es ist nur recht, dass alle, die für eine Arbeit von einem Land in ein anderes Land gehen, unter den in ihrem neuen Land geltenden Bedingungen arbeiten sollten.
Die Länder sollten darauf achten, wie sie die Entsenderichtlinie umsetzen, damit sie zu mehr Klarheit beiträgt.
Dennoch sind auch europäische Lösungen erforderlich.
- Das Streikrecht darf nicht den Binnenmarktregeln untergeordnet werden.
- Die Entsenderichtlinie muss an die ursprünglich verfolgten Absichten angepasst werden. Die Länder müssen in der Lage sein, für entsendete Arbeitnehmer bessere Bedingungen als die Mindestanforderungen zu schaffen. Auf diese Weise werden wir die Mobilität steigern und die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern sowie Tarifverträge stärken, einschließlich des Rechts auf Arbeitskampfmaßnahmen.
Richard Corbett (PSE), schriftlich. – Der Andersson-Bericht ist ein nützlicher Beitrag zu dieser kontroversen und in rechtlicher Hinsicht äußerst komplexen Debatte. Zu begrüßen sind insbesondere die darin genannte Empfehlung, wonach die EU-Mitgliedstaaten die Entsenderichtlinie richtig umsetzen sollten, und die Forderung, dass die Kommission Legislativvorschläge ausarbeiten soll, um die durch die Urteile aufgezeigten Gesetzeslücken zu schließen und widersprüchliche Rechtsauslegungen zu verhindern. Wir müssen gewährleisten, dass die Entsenderichtlinie kein Sozialdumping zulässt und Tarifverträge nicht durch Arbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten untergraben werden, die zu geringeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen als im Gastland arbeiten.
Wir sollten nicht den Gerichtshof kritisieren, der nur klarstellt, was das Gesetz sagt – schließlich sind vom Gerichtshof auch viele aus sozialer Sicht positive Urteile ergangen –, sondern unser Augenmerk auf die Richtigstellung der zu Grunde liegenden Rechtslage richten. Die Kommission selbst hat im April dieses Jahres erklärt, dass das Grundrecht auf Streik und Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft keinen Vorrang vor dem Recht auf Erbringung von Dienstleistungen hat.
Es ist sehr wichtig, dass dieser Bericht nicht das Ende der Debatte bedeutet. Bei Bedarf sollten wir von unserem Vetorecht gegenüber der neuen Kommission Gebrauch machen, wenn sie die notwendigen Legislativvorschläge nicht in ihr erstes Arbeitsprogramm aufnimmt.
Gabriela Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Ich möchte einen Punkt klarstellen. Arbeitnehmer aus dem östlichen Teil der Europäischen Union beteiligen sich nicht an Sozialdumping und wollen das auch nicht. Sie sind nicht diejenigen, die sich „billig“ verkaufen möchten. Leider sind die Kosten für die Umschulung und Weiterbildung der Arbeitskräfte in Ost und West vergleichbar. Einige Kosten sind in Rumänien sogar noch höher als in anderen Regionen, doch auch hier müssen Rechnungen bezahlt werden.
Die Verantwortung für die Schaffung dieser prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt und für die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union liegt nicht bei den Arbeitnehmern, sondern bei denjenigen, die größtmöglichen Druck ausüben, um die derzeit geltenden arbeitsrechtlichen Garantien abzuschaffen, und die dabei nur ein Ziel verfolgen, nämlich die Maximierung der Gewinne um jeden Preis – selbst wenn sie dabei alle Werte und Grundsätze opfern müssen, die wir als gemeinsamen Nutzen ansehen, der von den Gesellschaften Europas erzielt wurde.
In diesem Fall ist es unsere Pflicht, den Anspruch der Arbeitnehmer aus Osteuropa auf ein Grundrecht zu schützen: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die Sozialisten und die Gewerkschaften müssen vor allem vermeiden, dass eine falsche, künstliche Trennung innerhalb der Gruppe derjenigen geschaffen wird, die diese Rechte nur erlangen können, wenn sie solidarisch bleiben. Abgesehen von der Solidarität haben sie keine andere Macht.
Marianne Mikko (PSE), schriftlich. – (ET) Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist eine der vier Freiheiten des Binnenmarkts. Wenn wir den Wunsch haben, dass die Integration Europas schneller voranschreitet, dann ist es ausschlaggebend, dass wir die Ängste der westeuropäischen Arbeitnehmer vor den osteuropäischen Arbeitnehmern zerstreuen, ohne dabei gleichzeitig die Arbeitsmärkte zu verschließen. Leider wird der Wunsch mehrerer westeuropäischer Gewerkschaftsorganisationen, die Märkte für die neuen Mitgliedstaaten zu verschließen, wieder nicht zur Einigung Europas beitragen. Das ist ein wirtschaftlich ungeeigneter Weg, der die Arbeitnehmer falsch informiert, Misstrauen schafft und nicht dem Geist der internationalen Solidarität entspricht.
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist eine Lösung, mit der sich der Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren überwinden lässt. Es gibt Regionen, in denen dringend Busfahrer gesucht werden, während in anderen Regionen ein Fachärztemangel herrscht. Diese Freizügigkeit darf nicht unterbunden werden.
Da die Gleichbehandlung eines der Grundprinzipien der Europäischen Union ist, sollte die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auf den gleichen Bedingungen basieren. Das weit verbreitete Prinzip, dass ausländische Arbeitnehmer schlechter bezahlt sind als die Bürger des Gastlands, entspricht diesem Prinzip nicht. Ich stimme dem in dem Bericht hervorgehobenen Grundsatz zu – Gleichbehandlung und gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Bei der Entsendung von Arbeitnehmern innerhalb der Europäischen Union muss wenigstens der Mindestlohn garantiert sein.
Historisch gesehen unterscheiden sich die Mechanismen für den Schutz der Arbeitnehmer in den verschiedenen Teilen Europas. Es ist jedoch an der Zeit, dass wir auch in diesem Bereich die Methoden ändern. Wenn die Arbeitnehmer jetzt nur ihre nationale Identität verteidigen, dann haben sie freiwillig kapituliert. Es ist sehr schwierig, Menschen aus den neuen Mitgliedstaaten zu erklären, dass Änderungen nicht möglich sind, wenn man bedenkt, dass Estland beispielsweise in der Lage war, den gesamten gemeinschaftlichen Besitzstand in weniger als sechs Jahren umzusetzen. Der Schutz der Arbeitnehmer ist ein ausreichend hehres Ziel. Wir sollten uns bemühen, einen Konsens zu erzielen.
Siiri Oviir (ALDE), schriftlich. – (ET) Der zur Diskussion stehende Initiativbericht ist unausgewogen und hat protektionistische Tendenzen. Niemand stellt das Streikrecht in Frage, doch dies darf nicht so weit gehen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Dienstleistungserbringer gefährdet wird.
Wir haben heute über bestimmte Urteile des Europäischen Gerichtshofs gesprochen, insbesondere über die Rechtssachen Laval, Rüffert und Viking. Ich möchte auf die Tatsache hinweisen, dass keines der oben genannten Urteile den Inhalt von Tarifverträgen, die möglicherweise in den Mitgliedstaaten unterzeichnet werden, oder das Recht auf Abschluss solcher Verträge betrifft. Das Recht auf Durchführung kollektiver Maßnahmen fällt in den Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und muss daher durch maßgebliches Allgemeininteresse gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.
7. Tagung des Europäischen Rates (15./16. Oktober 2008) (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen der Bericht des Europäischen Rates und die Erklärung der Kommission über die Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 2008.
Herr amtierender Ratspräsident, Herr Sarkozy, Herr Präsident der Europäischen Kommission, Herr Barroso! In den letzten Wochen haben wir einige äußerst schwierige Phasen überstanden, in denen die Europäische Union unter Ihrer Präsidentschaft ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Hätten die Länder Europas keine gemeinsame Lösung gefunden, wäre es nicht zu einer Einigung zwischen den europäischen Partnern gekommen und hätte es den Euro nicht gegeben, dann würden wir uns heute höchstwahrscheinlich in einer verhängnisvollen Lage befinden.
Die von der Eurogruppe vor zehn Tagen vorgelegten Vorschläge, die vom Europäischen Rat letzten Mittwoch getroffenen Entscheidungen und die an diesem Wochenende beim Gipfel in Camp David eingegangenen Verpflichtungen sind eine Reihe von Erfolgen, die eine echte Abstimmung der Maßnahmen und Anstrengungen zur Durchführung der notwendigen Reformen widerspiegeln, um wirksam auf die Probleme der Weltwirtschaft zu reagieren. Allerdings haben nicht nur die Regierungen auf die Krise reagiert. Unter Ihrer Führung hat der Europäische Rat gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament dafür gesorgt, dass die Europäische Union eine entscheidende Rolle in Bezug auf das Wohlergehen aller unserer Bürgerinnen und Bürger gespielt hat, für die wir alle verantwortlich sind.
Schon häufig hat die Europäische Union ihre wahre Stärke in Krisenzeiten unter Beweis gestellt, dank Ihnen, Herr Sarkozy, und dank des Präsidenten der Kommission, Herrn Barroso. Das europäische Handeln war ein gemeinsames Handeln. Daher möchte ich vor der Eröffnung der Aussprache heute Morgen Ihnen, Herr amtierender Ratspräsident und Herr Kommissionspräsident, meinen Glückwunsch aussprechen.
Nicolas Sarkozy, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Es ist eine Ehre für mich, erneut hier vor dem Europäischen Parlament zu sprechen und Ihnen in einer für Europa so wichtigen Zeit über die Arbeit der Ratspräsidentschaft Bericht zu erstatten. Wenn Sie es mir gestatten, werde ich mich frei äußern, wie es in diesem Haus üblich ist, das das Herz des demokratischen Europas darstellt, das wir alle anstreben.
Was haben wir versucht zu erreichen? Erstens war es der Wunsch der Präsidentschaft, dass die europäischen Institutionen angesichts aller Krisen, die wir zu bewältigen hatten, Einigkeit zeigen. Es war mein Wunsch, dass das Europäische Parlament hinsichtlich der wichtigsten Ereignisse, die sich ergeben haben, jederzeit involviert ist, und ich möchte den Vorsitzenden Ihrer Fraktionen, aller politischen Gruppierungen, die an diesem Dialog beteiligt waren und mit der Ratspräsidentschaft zusammengearbeitet haben, meinen Dank aussprechen.
Es war auch mein Wunsch, dass wir mit der Kommission und insbesondere mit ihrem Präsidenten Hand in Hand arbeiten, weil sich jeder – unabhängig von den unterschiedlichen Auffassungen oder Meinungen der einzelnen Abgeordneten in diesem Haus – sehr wohl darüber im Klaren ist, dass eine Kluft zwischen den europäischen Institutionen Europa schwächt und die Verantwortlichen dazu verpflichtet sind, Hand in Hand zu arbeiten. Wir werden Europa voranbringen, wenn das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat in den wichtigsten Fragen den Weg zum Konsens finden und dadurch sicherstellen, dass Europa Gehör findet.
(Beifall)
In erster Linie wollten wir, dass Europa geschlossen und geeint auftritt – was nicht leicht zu bewerkstelligen war. Wir wollten, dass es unabhängig denkt, weil die Welt Europas Ansichten braucht, und dass es proaktiv ist. Wenn Europa etwas zu sagen hat, dann sollte Europa dies nicht nur sagen, sondern auch entsprechend handeln.
Zuerst hatten wir den Krieg mit der völlig unangemessenen Reaktion der Russen im Georgien-Konflikt. Worte haben eine Bedeutung. Ich verwende das Wort „unangemessen“, weil es unangemessen war, wie die Russen in Georgien interveniert haben.
(Beifall)
Doch ich verwende das Wort „Reaktion“, denn wenn diese Reaktion unangemessen war, dann deshalb, weil eine völlig unangemessene Handlung vorangegangen war. Europa muss fair sein und sollte nicht zögern, aus ideologischen Rahmen auszuscheren, um eine Friedensbotschaft zu überbringen.
Am 8. August begann die Krise. Am 12. August waren wir mit Bernard Kouchner in Moskau, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Ich sage nicht, dass das ideal war; ich sage lediglich, dass es Europa innerhalb von vier Tagen gelungen ist, einen Waffenstillstand zu erreichen. Anfang September hat Europa eine Verpflichtung erwirkt, zu den vor Ausbruch der Krise am 8. August bestehenden Linien zurückzukehren. Innerhalb von zwei Monaten hat Europa das Ende eines Krieges und den Rückzug der Besatzungstruppen erreicht.
Es gab hier viele Ansichten. Einige sagten – und sie hatten Gründe dafür –, dass der Dialog zwecklos sei und die Antwort auf einen militärischen Angriff militärisch sein müsse. Welch ein Wahnsinn! Europa hat den Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges erlebt; Europa darf nicht in einen erneuten kalten Krieg geraten, der nur aus einem Mangel an Gelassenheit herrührt.
(Beifall)
Das war ein Problem, das wir mit unseren US-amerikanischen Verbündeten bewältigt haben, die der Auffassung waren, dass der Besuch in Moskau unpassend war. Trotz allem haben wir mit unseren amerikanischen Verbündeten Hand in Hand gearbeitet. Sie waren anderer Ansicht als wir. Wir haben versucht, mit ihnen statt gegen sie zu arbeiten; und offen gesagt glaube ich angesichts der heutigen Weltlage wirklich nicht, dass die Welt eine Krise zwischen Europa und Russland braucht. Das wäre unverantwortlich. Daher können wir unsere Vorstellungen in Bezug auf die Achtung der Souveränität, die Achtung der Integrität Georgiens, die Menschenrechte und die Meinungsverschiedenheiten, die wir mit der russischen Führung haben, verteidigen; doch es wäre unverantwortlich gewesen, die Voraussetzungen für einen Konflikt zu schaffen, den wir unter keinen Umständen brauchen.
Die Gespräche über den zukünftigen Status dieser georgischen Gebiete, das heißt Ossetien und Abchasien, haben in Genf begonnen. Mir wurde gesagt, dass sie unter schwierigen Bedingungen begonnen haben, aber wer hätte sich das auch anders vorstellen können? Wichtig ist doch, dass sie überhaupt begonnen haben. Ich muss auch sagen, dass Präsident Medvedev seine Versprechen gehalten hat, die er auf unserer Reise nach Moskau Anfang September gegenüber der Kommissionspräsidentschaft und der Ratspräsidentschaft abgegeben hat.
Europa hat Frieden geschaffen. Europa hat den Rückzug einer Besatzungsarmee sichergestellt, und Europa hat internationale Verhandlungen eingeleitet. Ich glaube, es ist schon lange her, seit Europa eine solche Rolle in einem derartigen Konflikt eingenommen hat.
Natürlich sehe ich all die Ungereimtheiten, all die Unzulänglichkeiten, all die Kompromisse, die geschlossen werden mussten; doch ich bin der festen Überzeugung, dass wir alles erreicht haben, was erreicht werden konnte. Der wichtigste Punkt, Herr Präsident, ist der: Hätte Europa nicht dafür gesorgt, dass die Stimme des Dialogs und die Stimme der Vernunft gehört wird, hätte niemand dafür gesorgt. Als wir am 12. August mit Bernard Kouchner nach Moskau und Tiflis reisten, wusste zudem die gesamte internationale Medienwelt, dass die Russen 40 Kilometer vor Tiflis standen mit dem Ziel, die Regierung von Micheil Saakaschwili zu stürzen. So sah die Lage aus. Wir waren ganz nahe an einer Katastrophe, doch dank Europa – einem entschlossenen Europa – ist diese Katastrophe nicht eingetreten, obgleich, Herr Pöttering, natürlich noch viel getan werden muss, um die Spannungen in diesem Teil der Welt abzubauen.
Mein zweiter Punkt betrifft die Krise, die systemische, unglaubliche, unwahrscheinliche Finanzkrise, die – um bei der Wahrheit zu bleiben – am 15. September und nicht am 7. August 2007 ihren Anfang nahm. Am 7. August 2007 hat eine Krise begonnen, die schwer wiegend und Besorgnis erregend, doch – ich wage es so auszudrücken – normal war. Am 15. August 2008 erreichte uns eine weitere Krise, denn was ist am 15. August 2008 geschehen? Lehman Brothers musste Insolvenz anmelden. Und die Welt musste voller Erstaunen am 15. August 2008 feststellen, dass eine Bank insolvent werden kann.
Es steht uns und mir nicht zu, darüber zu urteilen, was die US-amerikanische Regierung getan oder nicht getan hat. Ich sage nur, und dabei bleibe ich, dass die schwere Krise am 15. September 2008 zu einer systemischen Krise wurde, die mit dem Zusammenbruch des US-amerikanischen Finanzsystems einherging, gefolgt von dem Zusammenbruch des europäischen Finanzsystems und dann – Schritt für Schritt – weiterer Börsen und Finanzsysteme.
Welche Versuche wurden zu jenem Zeitpunkt unternommen? Es gab den ersten Paulson-Plan, der nicht funktioniert hat. Ich möchte das nicht kritisieren, ich sage nur, wie die Dinge liegen. Zu dem Zeitpunkt haben wir gemeinsam mit dem Präsidenten der Kommission versucht, eine gemeinsame europäische Antwort zu finden, zuerst in der Eurozone. Herr Präsident, Sie haben darüber gesprochen; ob man nun dafür oder dagegen ist, Tatsache ist und bleibt, dass wir in der Eurozone die gleiche Bank und die gleiche Währung und daher auch die gleiche Pflicht zur Einigkeit haben.
Es war nicht leicht, eine gemeinsame Position zu erzielen. Anfangs haben wir ein Treffen der vier europäischen Staaten vorgeschlagen, die Mitglieder der G8 sind. Es ist keine Beleidigung gegenüber irgendjemandem, wenn man sagt, dass beispielsweise des Vereinigte Königreich einen stärkeren Einfluss auf das globale Finanzsystem ausübt als andere der 27 Mitgliedstaaten. Ich sagte, wenn es uns auf irgendwie gelänge, eine Einigung zwischen dem Vereinigte Königreich, Deutschland, Italien und Frankreich herbeizuführen, dies nicht zum Nachteil der anderen Länder Europas wäre, sondern zu ihrem Vorteil.
Natürlich gab es Meinungsverschiedenheiten, und wer könnte uns das vorwerfen? In den ersten Tagen der Krise wussten wir nicht sofort, wie man am besten auf eine Krise reagiert, eine Krise, die es so in der Wirtschaftsgeschichte noch nie oder zumindest im 20. Jahrhundert noch nicht gegeben hatte. Also habe ich mir gesagt: Nach dem Treffen der vier Länder sollten wir auch die anderen Länder der Eurogruppe und die Slowakei, die bald beitreten wird, zusammenbringen. In dieser zusätzlichen Woche konnten wir gemeinsam eine Lösung finden, die es den Banken ermöglichte, wieder ihrer Aufgabe nachzugehen, nämlich dem Kreditgeschäft. Doch wir befanden uns in einer Situation, in der die Banken sich untereinander kein Geld mehr liehen, da sie kein Geld mehr für Kredite hatten, und das gesamte System brach zusammen. Im Vereinigten Königreich wurden Banken verstaatlicht, in Belgien meldeten Banken Insolvenz an, ein isländisches System – außerhalb Europas, doch so nahe bei Europa – brach zusammen, es gab sehr schlechte Nachrichten aus der Schweiz, und nach und nach gerieten alle in den Sog: Deutschland, Frankreich, alle waren betroffen. In der Eurogruppe ist es uns gelungen, uns auf einen gigantischen Plan – 1 800 Milliarden Euro – zu einigen, um unseren Finanzinstituten wieder ihre Arbeit zu ermöglichen und die Sparer und Unternehmer in Europa zu beruhigen.
Danach sind wir zum Europäischen Rat gegangen, der die gleiche Strategie angenommen hat. Von da an konnten wir die Märkte in Europa beruhigen. Wir erlebten eine nette Überraschung: Denn dann kam der Paulson II-Plan, und jeder konnte beobachten, dass er sehr stark von dem europäischen Plan inspiriert war. Wir sollten uns nicht selbst auf die Schulter klopfen; hier ging es einfach darum, dass die Krise global ist, daher kann auch die Antwort nur global sein. Die Vereinigten Staaten und Europa müssen sich aufeinander abstimmen.
Doch bei all dem geht es um Krisenmanagement, Herr Präsident, nicht mehr und nicht weniger. Was wäre passiert, wenn wir nicht so gehandelt hätten?
Die richtigen Antworten stehen noch aus. Wie war all dies nur möglich? Wie können wir eine Wiederholung von all dem vermeiden? Und hat Europa Ideen zu verteidigen oder eine Politik vorzuschlagen? In diesem Zusammenhang habe ich bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen Anfang September im Namen Europas einen internationalen Gipfel vorgeschlagen, um unter Bezugnahme auf die Ereignisse kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlagen für ein neues Bretton Woods zu legen und so ein neues globales Finanzsystem zu schaffen. Diese Idee macht Fortschritte. Welches Ziel muss Europa im Rahmen dieses Gipfels verfolgen? Europa muss die Idee einer radikalen Reform des globalen Kapitalismus vorschlagen.
Was geschehen ist, war ein Verrat an den Werten des Kapitalismus, nicht die Infragestellung der Marktwirtschaft. Es gab keine Regeln, und Spekulanten wurden auf Kosten der Unternehmer belohnt. Wir müssen eine neue Regulierung vorschlagen. Europa muss und wird Ideen vorschlagen. Zunächst einmal, Herr Präsident, sollte keine Bank, die mit Staatsgeldern operiert, Steueroasen nutzen können.
(Beifall)
Kein Finanzinstitut sollte in der Lage sein, ohne eine Finanzordnung zu arbeiten. Die Vergütungssysteme von Händlern sollten so berechnet und organisiert werden, dass sie nicht zur Übernahme unnötiger Risiken animiert werden, wie wir es erlebt haben. Die Bilanzierungsregeln unserer Banken sollten die Krise nicht noch verschärfen, sondern uns die Möglichkeit geben, sie abzuschwächen. Das Währungssystem sollte zwischen festen Wechselkursen einerseits und Wechselkursfreiheit zwischen Währungen andererseits überdacht werden. Man hat alles versucht. Können wir, der Rest der Welt, die Defizite der größten Weltmacht weiter tragen, ohne etwas zu sagen? Die Antwort ist eindeutig „nein“.
(Beifall)
Zudem hat es keinen Zweck, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen; wir müssen einfach die Mittel und Wege finden, um sicherzustellen, dass dies nicht wieder passiert. Ich könnte noch viel mehr sagen, doch ich möchte vor allem, dass Europa über die Weltordnung im 21. Jahrhundert nachdenkt. Wir sollten uns nicht wundern, dass sie nicht funktioniert. Wir sind im 21. Jahrhundert, doch wir haben noch Institutionen aus dem 20. Jahrhundert. Daher haben der Präsident der Vereinigten Staaten und Europa mehrere Gipfeltreffen ab Mitte November vorgeschlagen, die sich mit einer neuen Form der Regulierung, einer neuen Form der Weltordnung befassen werden. Ich hoffe, dass Europa eine Debatte darüber führen kann.
Ich werde die Gelegenheit haben, meinen Partnern, den Staats- und Regierungschefs, ein Treffen zur Vorbereitung auf diese Gipfel vorzuschlagen. Die Frage einer radikalen Reform unseres Kapitalismus und unseres internationalen Systems ist ein ebenso wichtiges Thema für das Europäische Parlament, das darüber debattieren muss und seine Ideen einfließen lassen muss. Europa muss jedoch mit einer Stimme sprechen, wenn es Gehör finden möchte.
Wer wird an diesem Gipfel teilnehmen? Es gibt viele Möglichkeiten. Ich glaube, das Einfachste sind die G8, die unverzichtbar sind – natürlich mit Russland – dazu die G5, die ebenfalls unverzichtbar sind und wodurch insbesondere China und Indien an dieser wichtigen Debatte teilnehmen könnten. Dies wird das Ziel unserer Reise nach China mit Präsident Barroso sein: Die asiatischen Mächte davon zu überzeugen, bei dieser radikalen Reform mitzuwirken.
Herr Präsident, während dieser Präsidentschaft ist noch ein drittes Thema aufgekommen, das sich als äußerst schwierig erwiesen hat, nämlich die Zukunft des Energie- und Klimapakets. Ich weiß sehr wohl, dass Ihr Parlament und einige Ihrer Fraktionen geteilter Meinung darüber sind, wie diesbezüglich weiter verfahren werden soll. Gestatten Sie mir, meiner festen Überzeugung Ausdruck zu verleihen und zu erklären, welche Politik ich vorschlagen möchte. So ehrgeizig wie es ist, basiert das Energie- und Klimapaket auf der Überzeugung, dass die Welt auf eine Katastrophe zusteuert, wenn sie weiter unter den gleichen Bedingungen produziert. Das ist der langen Rede kurzer Sinn.
(Beifall)
Ich kann kein einziges Argument für die Annahme erkennen, dass es der Welt aus ökologischer Sicht besser geht, weil es die Finanzkrise gegeben hat. Als wir beschlossen haben, uns des Energie- und Klimapakets anzunehmen, haben wir dies in dem Bewusstsein unserer Verantwortung gegenüber unseren Kindern und gegenüber der Zukunft unseres Planeten getan. Hier geht es um Strukturpolitik, um eine historische Politik, und es wäre tragisch, diese Politik unter dem Vorwand der Finanzkrise aufzugeben.
(Beifall)
Es wäre tragisch und es wäre unverantwortlich. Warum wäre es unverantwortlich? Es wäre unverantwortlich, weil Europa das Signal aussenden würde, dass es nicht entschlossen ist, die in dieser Hinsicht zugesagten Anstrengungen zu unternehmen, und wenn Europa diese Anstrengungen nicht unternimmt, dann sind unsere Chancen, den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass das globale Gleichgewicht gewahrt werden muss, gleich null. Es geht also nicht nur darum, dass Europa keine Verantwortung für sich selbst übernimmt, sondern darum, dass es in Umweltfragen keine Verantwortung für die gesamte Welt übernimmt. Denn wenn Europa nicht mit gutem Beispiel vorangeht, wird es weder gehört noch respektiert oder beachtet. Und wenn Europa diese Aufgabe nicht übernimmt, dann wird es niemand für Europa tun. Dann hätten wir eine historische Chance verpasst.
(Beifall)
Was bedeutet „unsere Chance verpasst“? Meiner Meinung nach bedeutet es zweierlei: Erstens, dass wir die „3-mal-20“-Ziele neu überdenken müssen; und zweitens, dass wir den Zeitplan neu überdenken müssen, das heißt das Ende des Jahres. Es ist jedoch keineswegs meine Absicht, die Mitentscheidung in irgendeiner Weise zu untergraben; im Übrigen habe ich weder die Macht noch den Wunsch, dies zu tun. Man muss zudem schon bösartig sein, um mir einen solchen Gedanken zu unterstellen – obwohl, mir zu unterstellen, dass ich denke, ist ja immerhin auch ein Kompliment, lieber Dany! Dennoch haben wir in dieser Angelegenheit Seite an Seite mit Präsident Barroso beim Europäischen Rat dafür gekämpft, dass die Ziele und der Zeitplan eingehalten werden. Das war nicht einfach. Wir haben also einige Wochen, um einige unserer Partner zu überzeugen, deren Bedenken ich verstehe – denn wenn man nicht versucht, diejenigen zu verstehen, die nicht unserer Meinung sind, können auch keine Voraussetzungen für einen Kompromiss geschaffen werden.
Es gibt einige Volkswirtschaften, die zu 95 % von der Kohle abhängen. Man kann ihnen keine Dinge abverlangen, die sie in die Knie zwingen würden, zumal sie ohnehin schon enorme Probleme haben. Daher müssen wir Mittel und Wege finden, um flexibel zu sein und gleichzeitig die beiden roten Linien zu berücksichtigen, die ich dem Rat vorgeschlagen habe: die Einhaltung der Ziele und die Einhaltung des Zeitplans.
Ich werde eventuell die Gelegenheit haben, Herr Präsident, mich in anderen Foren ausführlicher zu erklären, doch ich möchte Ihre Geduld nicht strapazieren. Ich möchte Ihnen auf jeden Fall sagen: So wollten wir vorgehen, und ich hoffe, dass jeder das unterstützen kann.
Dann möchte ich noch kurz ein Wort zum vierten Thema sagen, nämlich dem Einwanderungspakt. Der Pakt ist ein gutes Beispiel für europäische Demokratie. Trotz der anfänglichen Differenzen konnte jeder einer selektiven Einwanderungspolitik in Abstimmung mit den Emigrationsländern zustimmen, sodass wir für drei Viertel der europäischen Länder aus Schengen Nutzen gezogen haben. Obwohl wir die Visumpflicht untereinander abgeschafft haben, ist es dennoch vernünftig, dass Länder, deren Bürger kein Visum benötigen, um von einem Land in ein anderes zu reisen, im Hinblick auf die Unterstützung der europäischen Einwanderungspolitik die gleiche Einstellung haben.
Dann noch zwei Punkte, bevor ich zum Schluss komme. Der erste Punkt ist, dass die Finanzkrise zu einer Wirtschaftskrise geführt hat. Diese Wirtschaftskrise ist da. Man muss sie nicht vorhersagen, weil wir sie schon durchleben. Ich bin mir der Unstimmigkeiten zwischen gewissen Ländern sehr wohl bewusst, doch ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass mir jemand erklärt, wir hätten angesichts der Finanzkrise eine gemeinsame europäische Antwort benötigt, angesichts der Wirtschaftskrise sei dies jedoch nicht erforderlich.
Ich möchte ein Wort über die Bedeutung des Wortes „gemeinsam“ sagen. „Gemeinsam“ bedeutet nicht, die gleiche Antwort zu geben. Für die Finanzkrise haben wir einen Instrumentenkasten, eine Roadmap, Harmonisierung und Koordination vorgeschlagen. Meiner Meinung nach ist das Gleiche für die Wirtschaftspolitik erforderlich. Das bedeutet nicht, dass wir alle das Gleiche tun – doch es bedeutet zumindest, dass wir die Verpflichtung haben, über Fragen zu sprechen, die Verpflichtung, uns gegenseitig zu informieren, und bei bestimmten Fragen die Verpflichtung, uns untereinander abzustimmen. Es gibt verschiedene Initiativen. Gestatten Sie mir, eine Idee anzusprechen: Die Börsen sind auf einem historisch niedrigen Niveau. Ich möchte nicht, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger in einigen Monaten aufwachen, nur um festzustellen, dass die europäischen Unternehmen außereuropäischen Eigentümern gehören, die sie zu den niedrigsten Aktienkursen, für einen Apfel und ein Ei, aufgekauft und übernommen haben. Dann würden sich die europäischen Bürgerinnen und Bürger umdrehen und fragen: „Was habt Ihr getan?“
Ich möchte darum bitten, dass jeder von uns über die Möglichkeiten nachdenkt, die bestünden, wenn auch wir in jedem unserer Länder Staatsfonds einrichten würden und diese nationalen Staatsfonds von Zeit zu Zeit koordiniert werden könnten, um in großem Rahmen auf die Krise zu reagieren. Ich möchte hinzufügen, dass ich den amerikanischen Plan für die Automobilindustrie mit großem Interesse verfolgt habe: 25 Milliarden US-Dollar Zinsen zu unschlagbaren Preisen, um die drei US-amerikanischen Automobilhersteller vor der Insolvenz zu bewahren.
Mit diesem Thema sollten wir uns in Europa einen Moment lang beschäftigen. Wir fordern unsere Hersteller – zu Recht – auf, jetzt saubere Autos zu bauen, ihre Produktionssysteme komplett umzustellen. Auf dieser Basis und dank des Umweltbonusses werden 50 % der in meinem Land verkauften Autos künftig saubere Autos sein. Kann man die europäische Automobilindustrie einer schweren Wettbewerbsverzerrung im Hinblick auf ihre amerikanischen Wettbewerber überlassen, ohne die Frage zu stellen, welche europäische sektorbezogene Politik zum Schutz der europäischen Industrie vorhanden ist?
Das bedeutet nicht, dass der Binnenmarkt in Frage gestellt wird. Das bedeutet nicht, dass das Prinzip des Wettbewerbs in Frage gestellt wird. Das bedeutet auch nicht, dass das Prinzip der staatlichen Beihilfen in Frage gestellt wird. Es bedeutet, dass Europa eine gemeinsame Antwort geben muss, eine Antwort, die angesichts des Wettbewerbs aus den anderen bedeutenden Regionen der Welt nicht naiv ist. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass wir in Europa weiterhin Flugzeuge, Schiffe, Züge und Autos bauen können, weil Europa eine starke Industrie braucht. Für diese Politik wird sich die Präsidentschaft einsetzen und kämpfen.
Mein letzter Punkt zum Abschluss betrifft die Institutionen. Ich weiß nicht, ob es ein Seufzer der Erleichterung ist, weil ich zum Abschluss meiner Rede komme oder weil die anderen Themen weniger wichtig sind. Die Institutionen sind nicht das einzige europäische Thema, und es wäre wirklich falsch, wenn wir uns zu viel und ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen. Doch die Institutionen sind ein Thema. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Krise eine Reform der europäischen Institutionen erforderlich macht. Die Krise setzt voraus, dass Europa eine ebenso kräftige und schnelle Antwort geben kann wie jede andere Weltmacht, beispielsweise die USA angesichts des Dramas der Finanzkrise.
Ich gehöre zu denjenigen, die es für einen schweren Fehler halten, unsere Institutionen nicht zu reformieren. Einen sehr schweren Fehler. Nicht zuletzt weil es angesichts so schwieriger Themen wie Georgien und Russland, der Finanzkrise und der Wirtschaftskrise nicht sehr vernünftig erscheint, alle sechs Monate die Präsidentschaft zu wechseln. Unabhängig davon, wie bei den letzten Wahlen abgestimmt wurde, muss ich Ihnen sagen, dass es mir offen gestanden nicht sehr vernünftig erscheint, die Ratspräsidentschaft alle sechs Monate zu wechseln, wenn wir Europa lieben und wollen, dass Europa mit einer Stimme spricht. Daher müssen wir zusammen mit Präsident Barroso eine Roadmap für Dezember ausarbeiten, um zu sehen, wie man auf die irische Frage antworten soll. Ich habe die Absicht, diese Roadmap noch vor Ende meiner Ratspräsidentschaft vorzulegen und auf der Grundlage eines Konsenses die Mittel und Wege zur Bewältigung der eingetretenen Situation aufzuzeigen.
Ich möchte noch einen letzten Punkt nennen, nämlich dass die Eurozone ohne eine klar definierte Wirtschaftsregierung nicht fortfahren kann. Wir können so nicht mehr weitermachen. Ich möchte der EZB meinen Dank für Ihre Arbeit aussprechen. Ich möchte meine feste Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass die EZB unabhängig sein muss, doch wenn die Arbeit der EZB ihr volles Potenzial ausschöpfen soll, dann muss sie in der Lage sein, Verhandlungen mit einer Wirtschaftsregierung zu führen. Das war auch der Geist des Vertrages. Der Geist des Vertrages sieht Dialog, Demokratie und gegenseitige Unabhängigkeit vor. Und meiner Ansicht nach ist die echte Wirtschaftsregierung der Euro-Gruppe eine Euro-Gruppe, die auf Ebene der Staats- und Regierungschefs zusammenkommt. Als ich dieses Treffen einberufen habe, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass es das erste Treffen dieser Art seit Einführung des Euro war.
Offen gesagt: Wir führen eine Währung ein, wir gründen eine Zentralbank und wir haben eine gemeinsame Währungspolitik, doch wir haben keine Wirtschaftsregierung, die diesen Namen verdient. Die Bemühungen zur Wahl eines Präsidenten aus den Reihen der Finanzminister, Herr Kommissar Almunia, waren nützlich, und ich war in die Entscheidung eingebunden, da ich damals selbst Finanzminister war. Außerdem möchte ich auch Jean-Claude Juncker für seine Arbeit und Ihnen für Ihre Arbeit meine Anerkennung aussprechen. Doch ich möchte eines sagen: Wenn die Krise ein solches Ausmaße annimmt, wie wir es erlebt haben, dann reicht ein Treffen der Finanzminister allein nicht aus und wird der Schwere der Krise nicht gerecht. Und als wir die Mittel aufbringen mussten, die wir aufgebracht haben, waren es nicht die Finanzminister, die wir mobilisieren mussten, sondern die Staats- und Regierungschefs, die allein die demokratische Legitimität besaßen, um so schwer wiegende Entscheidungen zu treffen.
Meine Damen und Herren, ich könnte noch viel mehr sagen. Doch zum Abschluss möchte ich nur sagen, dass die Welt ein Europa mit einer starken Stimme braucht. Diese Verantwortung ruht auf Ihren Schultern; sie ruht auf den Schultern der Kommission und auf den Schultern des Rats. Ich möchte Ihnen allen sagen, dass es für die Präsidentschaft sehr nützlich gewesen ist, abgesehen von den Differenzen die Solidarität eines Europäischen Parlaments zu spüren, das die Schwere der Krise von Anfang an erkannte und bereit war – und dafür gebührt Ihnen Dank –, über unsere unterschiedlichen Tendenzen hinauszugehen, um die Bedingungen für die Einheit Europas zu schaffen. Ich möchte Ihnen das sagen, weil es meine feste Überzeugung ist.
(Beifall)
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Europäische Rat der letzten Woche war der Höhepunkt einer Arbeit von beispielloser Intensität, um die Wirtschaftskrise in Europa zu bewältigen. Er hat die Gefahr von unkoordinierten Ad-hoc-Maßnahmen abgewendet, um zu einer gemeinsamen Position zu kommen, die darauf abzielt, die Stabilität des europäischen Finanzsystems wiederherzustellen. Ich möchte Präsident Sarkozy meinen Dank aussprechen, dessen Elan und unschätzbare Entschlossenheit es ermöglicht haben, dem Streben der 27 nach gemeinsamen Zielen und Grundsätzen die notwendigen Impulse zu geben.
Ich bin auch stolz auf den Beitrag der Kommission, die – wie Präsident Sarkozy bereits gesagt hat – immer Hand in Hand mit der französischen Präsidentschaft gearbeitet und überdies immer betont hat, dass nur eine europäische Antwort die notwendige Wirkung zeigen könnte.
Dieser Elan, den wir bei dem Europäischen Rat beobachtet haben und der es uns zudem ermöglicht hat, einen sehr wichtigen Pakt für die Einwanderung anzunehmen, muss uns auch bei der Führung der europäischen Agenda angesichts des bevorstehenden Europäischen Rats im Dezember leiten.
Wir müssen insbesondere eine Roadmap für den Vertrag von Lissabon ausarbeiten, um die Wahlen 2009 richtig vorzubereiten.
Im Hinblick auf das „Energie- und Klimapaket“ werden sehr große Anstrengungen notwendig sein, um bis Ende des Jahres ein Abkommen zu unterzeichnen. Die Kommission wird eng mit der Präsidentschaft zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden, die den Bedenken aller Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Wir zählen auf die weitere Unterstützung des Parlaments, um eine Einigung zu erzielen.
Doch ich möchte den Schwerpunkt meiner heutigen Rede darauf legen, was jetzt unser Hauptanliegen sein muss: die europäische Wirtschaft. Wir müssen an drei Dingen arbeiten: erstens an der Durchführung von Sofortmaßnahmen auf europäischer Ebene zur Überwindung der Finanzkrise; zweitens an der Reform des internationalen Finanzsystems und drittens an der Stärkung der so genannten „Realwirtschaft“, um die Folgen der Finanzkrise zu minimieren und die Bedingungen für eine Wiederbelebung von Wachstum und Beschäftigung zu schaffen.
Ich bin überzeugt, dass Europa kraft seiner Entscheidungen in der Lage ist, sein Gewicht bei der internationalen Reaktion auf die Krise in die Waagschale zu werfen. Der Gipfel von Camp David am letzten Wochenende hat deutlich gezeigt, was Europa erreichen kann, wenn es geschlossen auftritt. Es sollte uns klar sein, dass das nicht selbstverständlich war. Vor einem oder zwei Monaten war es noch unmöglich, dass sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika uns anschließt. Doch jetzt haben wir erreicht, dass sich unsere amerikanischen Partner uns anschließen, und ich glaube, dass wir die Bedingungen für eine grundlegende Reform des globalen Finanzsystems geschaffen haben.
Wir leben in der Tat in einer beispiellosen Zeit, die ein ebenso beispielloses Maß an Koordination erfordert. Für diese internationale Antwort brauchen wir eine echt europäische Antwort. Europa muss die internationale Antwort auf die internationalen Probleme mitgestalten. Die Regel der Globalisierung ist gerade die Achtung des Prinzips der Offenheit und der gegenseitigen Abhängigkeit. Europa darf die Globalisierung nicht erdulden, sondern muss sie mit seinen Werten gestalten und auch seine Interessen schützen. Mit Freude und Stolz habe ich festgestellt, dass Europa während dieser Krise unter Beweis gestellt hat, dass es diesen Herausforderungen gewachsen war.
Herr Präsident! Ich möchte Ihnen unsere Antwort auf diese Krise etwas näher erläutern.
Unsere erste Priorität bestand darin, als Kommission unsere Rolle bei der Rettung der in Schwierigkeiten geratenen Finanzinstitute zu spielen. Dabei konnten wir auf die hervorragende Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und mit der EZB zählen.
Unser nächster Schritt bestand darin, ein Paket mit präzisen, gezielten Maßnahmen vorzuschlagen, um bestimmte Mängel bei Eigenkapitalanforderungen, Einlagensicherungen oder Bilanzierungsregeln zu beheben. Hierbei war Schnelligkeit ein entscheidender Faktor; dem sind wir durch eine beschleunigte Arbeit gerecht geworden. Desgleichen war ich auch dankbar für die Schnelligkeit, mit der das Parlament seine Überlegungen zu den Änderungen der Bilanzierungsregeln abschließen konnte. Ich weiß, dass Ihnen vollkommen klar ist, dass die anderen vorgelegten Vorschläge ebenso dringend sind.
Wir haben auch geprüft, welche anderen Vorschläge aktualisiert werden müssen, um die Lücken im jetzigen Regelwerk zu schließen.
Der Vorschlag zu Ratingagenturen wird uns im nächsten Monat vorliegen. Wir werden einen Vorschlag für Managergehälter vorlegen, der auf einer Überprüfung unserer Empfehlung aus dem Jahr 2004 basiert. Wir werden prüfen, wie sich Derivate regulieren lassen. Wir werden mit dem Europäischen Parlament bei der Verfolgung Ihrer letzten Entschließungen konstruktiv zusammenarbeiten und uns die Auswirkungen auf das Arbeitsprogramm der Kommission für das Jahr 2009 ansehen. Kein Bereich der Finanzmärkte soll von dieser Überprüfung ausgeschlossen werden.
Ein wichtiger Beitrag für zukünftige Aktionen werden die Ergebnisse der hochrangigen Gruppe sein, die ich unter dem Vorsitz von Jacques de Larosière zur Untersuchung der grenzüberschreitenden Finanzaufsicht in Europa eingerichtet habe. Ich freue mich, Ihnen heute die Zusammensetzung dieser Gruppe bekannt geben zu können. Sie wird sich aus Leszek Balcerowicz, Otmar Issing, Rainer Masera, Callum McCarthy, Lars Nyberg, José Pérez Fernández und Ono Ruding zusammensetzen. Ich werde diese Gruppe bitten, erste Ergebnisse rechtzeitig für den Europäischen Rat im Frühjahr vorzulegen. Und ich werde heute Nachmittag mit Ihrer Konferenz der Präsidenten darüber sprechen, wie sichergestellt werden kann, dass das Parlament in diese Arbeit eingebunden wird.
Doch wie ich bereits gesagt habe, müssen wir auch die Reform des globalen Finanzsystems fördern. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Bretton-Woods-Institutionen mit dem Tempo der Integration der globalen Finanzmärkte nicht Schritt halten konnten.
Die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika wird entscheidend sein: Wie Sie wissen, haben die Europäische Union und die USA einen Anteil von fast 80 % an den Firmenkunden-Finanzmärkten. Diese Zusammenarbeit ist wichtig, nicht nur um diese Krise zu überwinden, sondern auch um eine neuerliche Krise zu verhindern. In dieser Hinsicht waren die Gespräche, die Präsident Sarkozy und ich letztes Wochenende mit Präsident Bush geführt haben, ein wichtiger Schritt nach vorn.
Doch das reicht nicht aus. Wir müssen andere wichtige Akteure mit ins Boot holen. Diese Woche werde ich nach China reisen, wo ich dieses Thema zusammen mit Präsident Sarkozy mit dem chinesischen Präsidenten und Premierminister und mit anderen asiatischen Partnern beim ASEAN-Gipfel besprechen werde. Wir benötigen eine kritische Masse von Akteuren, die sich beteiligen.
Das Ziel sollte die Entwicklung einer globalen Finanzordnung sein, die in puncto Effizienz, Transparenz und Repräsentation für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet ist.
Europa spielt eine Vorreiterrolle. Darauf können wir alle zusammen stolz sein. Und ich möchte gemeinsam mit diesem Parlament einen überzeugenden Beitrag zu dieser internationalen Debatte erarbeiten.
Doch es gibt auch das, was wir gemeinhin als Realwirtschaft bezeichnen; und wir alle wissen, dass sich die Anzeichen für einen schweren Konjunkturabschwung Tag für Tag mehren. Die Auswirkungen sind auf dem Arbeitsmarkt, bei den Haushaltseinkommen und in den Auftragsbüchern großer und kleiner Unternehmen zu spüren.
Eines muss klar sein: Es gibt keinen nationalen Weg aus dieser Krise, unsere Volkswirtschaften sind zu eng miteinander verflochten. Wir werden zusammen schwimmen oder zusammen untergehen. Wir dürfen den Lockrufen nach Protektion nicht nachgeben, wir dürfen der Globalisierung nicht den Rücken zukehren oder unseren Binnenmarkt gefährden. Dies wird auch in Zukunft der Wachstumsmotor in der Europäischen Union sein.
Wir können aber auch nicht wie gewohnt weitermachen. Europas Wirtschaft braucht einen Schub, um sich zu erholen, um weiter zu wachsen und um die Beschäftigung zu sichern. Zunächst einmal innerhalb Europas. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um langfristige Probleme in Angriff zu nehmen und für die künftigen Herausforderungen besser gerüstet zu sein. Wir müssen Europa zu einer Wissensgesellschaft machen und mehr in Forschung, Entwicklung und Innovation investieren. Der überarbeitete Stabilitäts- und Wachstumspakt lässt der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten genügend Flexibilität, um auf die derzeitigen außergewöhnlichen Umstände zu reagieren und Wachstum und Beschäftigung zu fördern.
Doch wir müssen auch über unsere Grenzen hinausschauen. Der Handel war für das europäische Wachstum in den letzten Jahren ganz entscheidend. Jetzt ist es an der Zeit, in Bezug auf den Marktzugang eine proaktive Haltung einzunehmen und dafür zu plädieren, dass Handelshemmnisse keinem helfen. Ich hoffe, dass wir alle die Lektion gelernt haben, dass Protektionismus die wirtschaftliche Erholung nur erschwert.
Die europäische Industrie muss unterstützt werden. KMU müssen die Möglichkeit haben, sich auf ihre Märkte zu konzentrieren. Deshalb haben wir beispielsweise vor kurzem vorgeschlagen, unsere kleinsten Unternehmen von übermäßigen Belastungen im Hinblick auf Rechnungslegungsvorschriften und statistische Berichte zu befreien.
Auch große Industriebetriebe benötigen Hilfe. Ich möchte sicher sein, dass wir europäische Programme wie unser Wettbewerbs- und Innovationsprogramm und das Forschungsrahmenprogramm optimal nutzen. Wir müssen die Synergien zwischen unserer Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und unserer Klima- und Energie-Agenda verstärken.
Gleichzeitig werden die Förderung von Investitionen in CO2-arme Technologien und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz unsere Wettbewerbsfähigkeit, unsere Energieversorgungssicherheit und unsere Klimawandel-Agenda unterstützen. Bei diesen Anstrengungen wird die Europäische Investitionsbank ein wertvoller Partner sein.
Auch die europäischen Bürgerinnen und Bürger brauchen Unterstützung, insbesondere die Schutzloseren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit weiter in Bildung investieren, neue Fähigkeiten entwickeln und die Menschen darauf vorbereiten, ihre Chancen zu nutzen, wenn sich dazu wieder die Möglichkeit bietet. Die Entwicklung unserer Sozialagenda für Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität ist wichtiger denn je. Wir müssen überprüfen, welche Rolle der Fonds zur Anpassung an die Globalisierung übernehmen kann.
In allen diesen Bereichen müssen wir intelligent handeln. Wir müssen aus jeder Maßnahme maximalen Nutzen ziehen. Intelligentes Handeln bedeutet, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum Beispiel Unterstützung der Bauindustrie ja, doch durch gleichzeitige Förderung von energieeffizienten Gebäuden. Nutzung staatlicher Beihilfen bei Bedarf ja, doch im Einklang mit den Leitlinien, die staatliche Beihilfen für Umweltschutz, Forschung und Entwicklung vorsehen. Unterstützung von Schlüsselindustrien wie der Automobilindustrie – warum nicht? Doch wir sollten sie dabei auf die Märkte von morgen vorbereiten, wo saubere Autos verlangt werden. Intelligente Unterstützung: Das ist es, was unsere Industrie braucht, nicht Protektionismus. Das möchte ich sehr deutlich unterstreichen.
Unsere im Dezember verabschiedete Lissabon-Strategie wird die Möglichkeit bieten, diese unterschiedlichen Stränge zusammenzubringen. Es gibt kein Wundermittel für den Turnaround der Wirtschaft in der Europäischen Union. Wir müssen jede Möglichkeit ergreifen und jede potenzielle Methode untersuchen, damit die Politik der Europäischen Union den Mitgliedstaaten helfen kann, jede Chance zu nutzen, um Europa auf den Wachstumspfad zu führen. Das ist unsere Aufgabe in den kommenden Wochen. Das bereiten wir derzeit vor, und es ist eine Aufgabe, die ich zusammen mit dem Europäischen Parlament in Angriff nehmen möchte.
Wir leben wirklich in historischen Zeiten: Die Krise stellt alle Sicherheiten infrage, und unser Denken ist offener für Veränderungen. Das sind sehr besondere Momente, die nicht alltäglich sind. Wir müssen verstehen, dass dies wirklich einer der Momente ist, die mehr Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Wenn wir dann echte Veränderungen herbeiführen können, sind dies die Momente, in denen wir wissen, dass sich die Entscheidungen von heute maßgeblich auf die Realität von morgen auswirken werden. Jetzt brauchen wir Veränderungen. Das bedeutet, nicht auf die Lösungen der Vergangenheit zurückzugreifen, sondern nach den Lösungen der Zukunft zu suchen, den Lösungen des 21. Jahrhunderts in einer globalisierten Welt.
Heute kann Europa die Grundsätze und Regeln vorschlagen, die eine neue Weltordnung gestalten werden. Wir haben die Chance, Vorschläge auf der Grundlage europäischer Werte, offener Gesellschaften und offener Volkswirtschaften vorzubringen. Wie ich dieses Wochenende in Camp David gesagt habe, brauchen offene Gesellschaften Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Offene Volkswirtschaften benötigen ebenfalls Regeln – die Regeln der Transparenz, der vernünftigen Regulierung und der vernünftigen Aufsicht.
In Krisenzeiten zeigt Europa sein wahres Gesicht. In Georgien konnte Europa einen Krieg beenden. In der Finanzkrise übernimmt Europa eine führende Rolle, um eine globale Lösung zu erreichen. In den kommenden Wochen müssen wir zeigen, dass wir in der Lage sind, den Kampf gegen den Klimawandel weiterhin anzuführen und eine Energiepolitik für die Zukunft zu entwickeln, denn das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern, unseren Volkswirtschaften und unseren Partnern rund um den Globus sowie den künftigen Generationen von Europäern schuldig.
(Beifall)
Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Diesen Sommer haben Europa und die Welt zwei große Krisen erlebt. Zweimal hat Europa gezeigt, dass es mit politischer Entschlossenheit und Geschlossenheit nicht nur in der Lage ist, schnell einen starken Standpunkt einzunehmen, sondern auch Einfluss auf seine Partner in der Welt ausüben und diese führen kann, zum Beispiel in Georgien.
Im Namen meiner Fraktion möchte ich hier im Parlament der französischen Präsidentschaft und ihrem Präsidenten, Herrn Sarkozy, meine Anerkennung für die hervorragende Arbeit während dieser beiden großen Krisen aussprechen. Er hat keinen Urlaub genommen, er hat seit dem Beginn seiner Präsidentschaft gearbeitet. Die jetzige Präsidentschaft der Union erweist Europa und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern einen großen Dienst. Sie stellt unter Beweis, dass Europa auf der internationalen Bühne Präsenz zeigen kann …
(Geflüster)
Herr Präsident, ich hätte es doch gern, wenn man mir zuhört.
Sie stellt unter Beweis, dass Europe es verdient, aufgebaut und gelebt zu werden. Darüber hinaus wurden beim letzten Europäischen Rat die Leitlinien der Länder der Eurozone einstimmig bestätigt – ob im Hinblick auf die Maßnahmen zur Einführung von Regulierungsmechanismen, die Überwachungsmechanismen oder die ethischen Regeln zur Unterbindung der „goldenen Fallschirme“. All das geht in die richtige Richtung.
Natürlich liegt die Finanzkrise noch nicht hinter uns, doch gerade in Krisensituationen können und müssen wir Regeln für die Zukunft festlegen. Hier und da höre ich, dass wir gerade den Zusammenbruch des Kapitalismus erleben, dass die freie Marktwirtschaft an allem Schuld sei. In Wahrheit hat sich die freie Marktwirtschaft zwar bewährt, muss jedoch von Regeln begleitet werden. Und diese Regeln waren eindeutig nicht in ausreichendem Maße vorhanden oder wurden nicht entschlossen genug angewendet. Genau daran und ich weiß nicht welcher ideologischen Herausforderung müssen wir arbeiten, mit der Hilfe der Zentralbanken und mit der gesamten internationalen Gemeinschaft.
Diesbezüglich begrüße ich auch die Initiative der Präsidentschaft, unsere Partner zur Festlegung einer neuen globalen Wirtschafts- und Finanzordnung an einen Tisch zu bringen. Wir müssen gewährleisten, dass die Anstrengungen kleiner Sparer nicht über Nacht zunichte gemacht werden. Wir müssen sicherstellen, dass Unternehmer, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, ihre Geschäftstätigkeit – eine Quelle für Beschäftigung und Wachstum – zu angemessenen Sätzen weiter finanzieren können.
Unsere Fraktion wird alle Maßnahmen unterstützen, die darauf abzielen, die europäische Solidarität und das Modell der sozialen Marktwirtschaft zu schützen, deren großen Nutzen wir in Krisenzeiten voll und ganz zu schätzen wissen. In Bezug auf den Vertrag von Lissabon möchte ich diejenigen Mitgliedstaaten, die diesen noch nicht ratifiziert haben, erneut auffordern, dies so schnell wie möglich nachzuholen, damit wir eine umfassende Übersicht über den endgültigen Stand der Ratifizierung haben.
Wenn wir dies fordern, dann deshalb, weil Europa unserer Ansicht nach Schwierigkeiten haben wird, mit dem Einstimmigkeitsprinzip und ohne eine stabile Präsidentschaft effektiv zu arbeiten. Wir hoffen, dass der Europäische Rat im Dezember eine Roadmap und einen realistischen, doch auch anspruchsvollen Zeitplan zur Bewältigung der Krise festlegen wird. Ich möchte auch hinzufügen, dass der Vertrag von Nizza, wenn er in den kommenden Monaten weiterhin Gültigkeit haben sollte, für das Europäische Parlament ebenso wie für die Europäische Kommission gelten sollte. Daher fordere ich jeden in diesem Haus dazu auf, seiner bzw. ihrer Verantwortung nachzukommen. Die Kommission, die im Herbst 2009 ihre Arbeit aufnehmen und deren Präsident vom Parlament am 15. Juli ernannt wird, wird sich aus weniger Kommissaren als Mitgliedstaaten zusammensetzen. Das ist das, und dann gibt es noch den Vertrag von Nizza und ein Parlament mit weniger Sitzen und weniger Befugnissen und eine Kommission mit weniger Kommissaren.
Der Europäische Rat hat den Europäischen Pakt zu Einwanderung angenommen. Das ist ein großer Erfolg, doch es warten noch viele neue und unterschiedliche Herausforderungen auf uns: Klima, Energie, Verteidigung, um nur einige zu nennen. Nur durch die Arbeit auf der Grundlage unseres Sozialmodells und durch die Konsolidierung unserer sozialen Marktwirtschaft werden wir in der Lage sein, glaubwürdige und nachhaltige Antworten für unsere Generationen zu geben. Herr Sarkozy, ich fordere zu Fortschritten bei unserer Arbeit auf. Im Parlament werden wir unserer Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass wir bis Ende des Jahres auch hier eine glaubwürdige Vision für die Welt und für die Zukunft unserer Kinder und Enkel erreichen.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben am Wochenende ein Bild gesehen, das in der Tat ein historisches Bild war. Wir sahen den schlechtesten Präsidenten der Vereinigten Staaten seit Menschengedenken, eingerahmt durch einen effektiv handelnden Präsidenten der Europäischen Union und den Präsidenten der EU-Kommission, der auf dem Weg ist, Vernunft anzunehmen, was die Politik im europäischen Binnenmarkt angeht.
In der Tat ein historischer Moment und in der Tat eine große Chance für Europa, seinen angemessenen Platz in der internationalen Politik einzunehmen. Die Politik der Bush-Administration, der völligen Deregulierung der Weltmärkte, des völligen Laisser-faire eines jeden an jedem Platz mit egal welcher Maßnahme ist bankrottgegangen, und Europa hat die Chance, das Vakuum, das entstanden ist, durch eine neue, eine sozialere Wirtschaftsordnung in Europa und in der Welt zu füllen. Das ist die Aufgabe, die wir vor uns haben, und die ist in der Tat historisch.
(Beifall)
Die ersten Schritte, Herr Sarkozy, sind gut. Sie haben die Maßnahmen, die in der Krise notwendig waren, ergriffen, und deshalb steht unsere Fraktion in dieser Frage hinter Ihnen. Ich will nicht verhehlen, dass wir beeindruckt sind, auch von der Entschlossenheit, die Sie und – ich will das ausdrücklich sagen – auch Herr Barroso persönlich, nicht aber seine Kommission, an den Tag gelegt haben.
Wir müssen, wenn ich davon spreche, die Chancen zu nutzen, an den Anfang der Aktionen, die jetzt notwendig sind, einen Satz setzen: Never more! Was sich auf diesen Märkten abgespielt hat, darf sich nicht mehr wiederholen. Das Desaster der internationalen Finanzmärkte, die Krise der Realökonomie, die dadurch ausgelöst worden ist, bedarf eines Endpunktes. Das darf sich nicht wiederholen!
Und damit es sich nicht wiederholt, brauchen wir neue Regeln. Diese neuen Regeln brauchen wir auch von Ihnen, Herr Barroso. Mein Kollege Poul Nyrup Rasmussen wird gleich konkret beschreiben, was wir von Ihnen erwarten. Wir erwarten bis zum Jahresende die Vorschläge, die Sie eben angekündigt haben, weil wir schnell handeln müssen. Wir haben nicht viel Zeit!
Wenn wir schnell handeln, dann stehen im Mittelpunkt Regeln, und zwar nicht nur Regeln für die Banken, sondern wir brauchen auch Regeln für die Hedge Funds und für die Private Equities. Das haben wir hier vor wenigen Wochen in großer Einmütigkeit beschlossen.
Nun habe ich sozialdemokratische Reden gehört: Nicolas Sarkozy, langjähriger Chef der UMP, konservativer Staatspräsident von Frankreich, redet wie ein aufrechter europäischer Sozialist!
(Beifall)
José Manuel Durão Barroso in einem späten Nachklang seiner trotzkistischen, seiner maoistischen Vergangenheit redet wie ein wahrer Linker! Und Joseph Daul – wenn ich ihm zuhöre –, das ist ja schon die pure Sozialdemokratie! Beitrittsformulare zur PSE liegen am Eingang aus!
(Allgemeines Gelächter)
Aber ich will Ihnen jetzt einmal ein Zitat vorlesen – spitzen Sie einmal die Ohren, meine Herren!
(Zwischenruf: Damen!)
„In den letzten Jahrzehnten wurden einige unserer Mitgliedstaaten sowie die Europäische Union als Ganzes zu überreguliert und abgeschottet. Diese Überregulierung untergräbt unsere Wettbewerbsfähigkeit!“ Das ist das Manifest der Europäischen Volkspartei aus dem Jahr 2006, unterschrieben von Nicolas Sarkozy, José Manuel Durão Barroso und Joseph Daul. Ihr kommt spät, Kollegen! Aber Gott sei Dank kommt Ihr!
(Beifall)
(Zwischenruf: Pöttering auch!)
Ich frage mich, wenn ich darüber mit Ihnen diskutiere, wo bleiben eigentlich in Ihren Reden die kleinen Leute in der Europäischen Union? Wer redet eigentlich über die Steuerzahler, denen wir jetzt die Risiken dieses Desasters aufbürden? Wer redet eigentlich über die Kaufkraft, die wir brauchen, um den Binnenmarkt wieder zu stimulieren?
Wir gehen in eine Phase der Rezessionsgefahr, wenn wir nicht schon in der Rezession sind. Wir brauchen mehr Kaufkraft! Wir brauchen nicht nur einen sozialen Schirm für die Banken, wir brauchen vor allen Dingen Risikoabsicherungen für die kleinen Menschen, denn wenn das schief geht, was wir hier planen – und es gibt keine Alternative –, dann zahlen vor allen Dingen die kleinen Leute in der Europäischen Union, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deshalb wollen wir, dass durch mehr Regeln, durch mehr Kontrolle und übrigens auch durch staatlichen Schutz diese kleinen Leute ebenso geschützt werden, wie wir das für die großen Banken tun. Das ist die zentrale Forderung, vor allen Dingen auch in den Mitgliedstaaten.
(Beifall)
Und ich will Ihnen noch ein Zitat vortragen: „Der Staat muss sich zurückziehen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik.“ Angela Merkel, auf dem Parteitag der CDU im Jahr 2000. Nein, der Staat muss sich nicht zurückziehen, er muss mehr intervenieren, mehr kontrollieren in der Wirtschaft. Danke an José Manuel Durão Barroso und Nicolas Sarkozy, dass Sie sagen: Ja, wir brauchen mehr Regeln, wir brauchen nicht weniger Regeln, wir brauchen mehr Kontrolle, wir brauchen nicht weniger Kontrolle! Sie sind auf dem richtigen Wege. Deshalb will ich Ihnen eines sagen: Auch auf dem richtige Weg sind Sie, wenn Sie es nicht zulassen – und da haben Sie unsere Unterstützung –, dass das Klimapaket, das übrigens Arbeitsplätze schaffen kann, das nachhaltiges Wirtschaften ermöglicht, in der jetzigen Situation gegen die Finanzkrise ausgespielt wird.
Jean-Claude Juncker hat zu Recht gesagt: Die Finanzkrise wird vorbeigehen, die Klimakrise bleibt, leider! Deshalb ist es ein Fehler, das eine gegen das andere auszuspielen. Aber Sie haben Recht, Herr Sarkozy, auch das muss auf der Grundlage der gegenseitigen Solidarität der Starken mit den Schwachen und der Zusammenarbeit aller sowohl hier im Parlament als auch im Rat gelöst werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen herzlich – auch Ihnen, Herr Präsident, dass Sie mir eine Minute mehr gegeben haben. Eine klare Aussage der Sozialdemokratie bleibt: In dieser Krise sind die Werte, für die wir hier in diesem Parlament nie eine Mehrheit hatten, weil Sie sie verhindert haben, auf der Tagesordnung. Wenn Sie jetzt zustimmen, dann haben Sie endlich gelernt, aber geben Sie zu, dass es Ihre, vor allen Dingen Ihre Fehler waren, die dazu geführt haben, dass wir die Regeln, die wir brauchen, noch nicht haben!
(Beifall von links, Protestrufe von rechts)
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Meine Ausführungen richten sich an den amtierenden Ratspräsidenten. Herr Ratspräsident, Sie haben uns warme und ermutigende Worte vom Rat der letzten Woche mitgebracht. Sie haben gesagt, dass Rat und Parlament Hand in Hand arbeiten müssen – „travailler main dans la main“ –, doch unsere Aufgabe ist es, das Kleingedruckte zu lesen.
Warum beziehen sich die Schlussfolgerungen des Rates nur auf die Zusammenarbeit zwischen dem Rat und der Kommission?
(Beifall)
Warum ist in allen Absätzen zum Klimawandel überhaupt nicht die Rede vom Europäischen Parlament? In Absatz 16 dieses Dokuments hätten Sie das Europäische Parlament – nicht nur die Kommission – zur Zusammenarbeit mit Ihnen auffordern und erkennen sollen, dass Rat und Parlament entscheiden, nicht der Rat allein. Außerdem werden Sie, Herr Ratspräsident, feststellen, dass Sie das Europäische Parlament brauchen, weil einige Mitgliedstaaten versuchen, korrekt erzielte Vereinbarungen zunichte zu machen. Europa muss seine ausgehandelten Ziele einhalten. Es ist nicht aufrichtig, wenn einige Regierungen sagen, dass sich diese Vereinbarungen aufgrund des neuen Wirtschaftsklimas nicht erreichen lassen. Die neuen Emissionsziele für die Automobilindustrie werden erst 2012 in Kraft treten: Die vorgeschlagenen Emissionshandelsziele gelten erst nach 2013, also lange, nachdem sich die Weltwirtschaft den Prognosen zufolge wieder erholt hat. Wenn wir unser Handeln jetzt noch weiter auf die lange Bank schieben, dann öffnen wir der Klimakatastrophe Tür und Tor, und die Rechnung wird noch höher. Wir brauchen mehr als das, was der Rat letzte Woche vereinbart hat.
Herr Ratspräsident, Sie haben zu Recht die Macht der Märkte anerkannt. Seit dem Fall der Berliner Mauer sind 50 Millionen Europäer aus den Fängen der Armut befreit worden, weil der freie Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr für Europas Wohlstand ausschlaggebend ist. Darüber hinaus ist er unerlässlich für unsere Freiheit. Heute sehen wir, was passiert, wenn die Märkte nicht genügend zur Rechenschaft gezogen werden. In den letzten Wochen hat das globale Finanzsystem in einen Abgrund geblickt, und wir brauchen eine konzertierte Aktion, um es wieder zurückzuziehen. Daher begrüßt meine Fraktion die vom Rat festgelegte Konsolidierung der Maßnahmen, welche von der Eurozone vereinbart wurden. Sie haben den Druck abgebaut, der auf dem Interbankenmarkt lastet. Nun müssen wir die Zinsen senken, um die Rezession abzufedern.
Wir begrüßen auch die Eigenkapitalrichtlinie der Kommission, die neuen Rechnungslegungsstandards und die Pläne zur Beaufsichtigung der Rating-Agenturen. Europa muss auch eine führende Rolle bei der Aushandlung eines globalen Systems der Finanzordnung übernehmen. Ebenso notwendig wie die Regeln sind die Mittel, um sie durchzusetzen. Dem Gipfel ist es nicht gelungen, sich auf ein wirksames System für die Überwachung des Finanzsystems in Europa zu einigen. Ich habe für eine europäische Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen plädiert, und es gibt Gerüchte, wonach auch der Ratspräsident eine strenge Überwachung auf europäischer Ebene befürwortet. Sie sollten unbedingt versuchen, eine globale Einigung mit den Amerikanern zu erzielen, doch wenn sie nicht mitziehen wollen, sollten Sie alleine weitermachen. Die Beaufsichtigung der Finanzdienstleistungsbranche ist nach wie vor das fehlende Puzzlestück.
Herr Ratspräsident, Sie sind doch ein Mann der Tat! Ihre Taten sind überzeugende Argumente für einen hauptamtlichen Ratspräsidenten. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf unsere Erfolge. Im August konnte Europa die Panzer aus Tiflis heraushalten. In diesem Monat hat Europa dafür gesorgt, dass die Banken weiterhin handlungsfähig sind. Wenn Europa im Dezember handelt, um den Planeten zu erhalten, dann sollten wir auch die größten Skeptiker davon überzeugen, dass wir den Vertrag von Lissabon brauchen.
(Beifall)
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Ich wäre der Letzte, der nicht erkennt, dass Energie und Entschlossenheit in der Politik notwendig sind; und es stimmt, dass die französische Präsidentschaft ein Maß an Energie und Entschlossenheit an den Tag gelegt hat, das Europa gut getan hat.
Nur manchmal habe ich das Gefühl, dass ich träume. Ich habe das Gefühl, dass ich träume, wenn über Krisen gesprochen wird, weil alle Krisen – die Finanzkrise, die ökologische Krise, der Hunger in der Welt – voneinander abhängen. Und wir können keine Krise lösen, ohne die anderen zu lösen. Auf dieser Grundlage ist es falsch zu behaupten, dass die Krise im Juli, September oder August begonnen hat! Sie hat vor Jahren begonnen – und ein bisschen Selbstkritik vonseiten eines früheren französischen Finanzministers, ein bisschen Selbstkritik vonseiten dieser Kommission, die noch vor einem Jahr eine europäische Regulierung der Finanzströme gänzlich abgelehnt hat, würde sie in der Zukunft glaubwürdiger machen…
(Beifall)
Es ist wie in einem Traum! Es ist so, als sei die gegenwärtige Krise eine Naturkatastrophe, die nicht absehbar war. Nein, das stimmt nicht – und auf dieser Grundlage kann man diskutieren.
Die Logik der Krisen ist die folgende, einfache Logik: immer mehr, so schnell wie möglich. Das hat die Finanzkrise verursacht, das verursacht die ökologische Krise, und das ist der Grund dafür, dass der Hunger auf der Welt zunimmt. Auf dieser Grundlage sollten wir aufhören, über unkontrolliertes Wachstum zu sprechen… das bedeutet, es kommt auf den Inhalt des Wandels an. Ich fand es doch interessant, dass alle über eine radikale Reform des Kapitalismus und der Marktwirtschaft gesprochen haben, doch dass ich heute nicht gehört habe, was die Gründe für diese radikale Reform sind. Wir brauchen eine ökologische Marktwirtschaft und eine soziale Marktwirtschaft, wir müssen also die Grundlagen unseres Produktionsverfahrens, unseres Lebensstils, in Frage stellen. Wenn wir uns diese schwierigen, sehr schwierigen Fragen nicht stellen, steuern wir erneut auf eine Katastrophe zu.
Wenn Sie, Herr Sarkozy, also beispielsweise sagen, dass Hilfe zur Förderung der Automobilindustrie erforderlich ist, dann verstehe ich nicht, dass seitens der Deutschen gleichzeitig der Wunsch nach Rabatten für die Automobilindustrie in Bezug auf CO2, mit anderen Worten, nach einer Gesetzgebung in der Sparversion, besteht, und dieser zusätzlich noch Geld gegeben werden soll. Der Automobilindustrie. Insbesondere der deutschen Automobilindustrie, die in den letzten 10 Jahren die größten Gewinne gemacht hat. Sie ist doch diejenige, die Gelder in Steuerparadiesen anlegen wird. Also geben wir Mercedes, BMW und Audi Geld, damit sie wiederum ihr Geld in Steuerparadiesen anlegen können. Dem stimme ich nicht zu.
(Beifall)
So ist es, denn als Sie, Herr Schulz, gerade eben mit Ihren Kollegen von der Rechten gesprochen haben, war ich im Gespräch mit meinen Kollegen von der Rechten und von der Linken – Sozialdemokraten und Christdemokraten gleichermaßen –, die der Lobbyarbeit der deutschen Automobilindustrie zur Reduzierung der Klimakriterien zugestimmt haben. Doch, Herr Schulz, so ist es.
(Beifall)
Auf dieser Grundlage … doch, ich habe vollkommen Recht. Sie können sich bei diesem Thema verstecken, Herr Sozialdemokrat, Sie können sich verstecken, doch es war Ihrer Politik unwürdig.
Ich möchte mit diesem Punkt fortfahren, ich möchte mit einer sehr wichtigen Frage fortfahren, nämlich der des Wachstums (Gespräche außerhalb des Mikrofons). Seien Sie ruhig, ich spreche jetzt. Wenn Sie „Wachstum“ sagen, ist es meiner Meinung jetzt wichtig, über die Art des Wachstums und die Art und Weise, wie es zu erreichen ist, zu sprechen. Da der Staat inzwischen Anteile an den Banken erworben hat – Teilverstaatlichung usw. – müssen wir nun darüber sprechen, wie wir investieren werden. Wie und warum werden wir investieren?
Hier geht es um Inhalte. Wenn wir in die Umweltzerstörung investieren, dann tun wir doch das Gleiche wie früher. Deshalb müssen wir, wie Sie zu Recht sagen, über einen europäischen Konjunkturplan diskutieren, aber einen ökologischen Konjunkturplan für Europa, das, was die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz als Green Deal bezeichnet, und nicht über einen x-beliebigen Plan.
Zum Abschluss möchte ich noch zwei Dinge sagen. Zum Thema Steuerparadiese – Sie waren einmal Finanzminister: Hier muss die Erklärungspflicht umgekehrt werden. Das heißt, wenn eine Person, ein Unternehmen oder eine Bank Geld in einem Steuerparadies anlegt, dann muss dieses Steuerparadies dem Herkunftsland das angelegte Geld erklären. Umdrehen, was…Die Transparenz ist ein Anfang, wenn man gegen Unternehmen vorgehen möchte, die Steuerparadiese nutzen. Das ist eine wichtige Entwicklung, die uns nach vorne bringen würde.
Zum Schluss möchte ich noch über das Klimapaket sprechen. Herr Sarkozy, Sie haben – Herr Watson hat Recht – einen institutionellen Putsch organisiert, indem Sie erklären, dass eine solche Entscheidung vom Europäischen Rat getroffen würde, der sie einstimmig treffen muss. Sie haben mit den Vetos von Deutschland, Italien und Polen die Büchse der Pandora geöffnet, statt die Dinge so zu belassen, wie sie waren, das heißt mit der Abstimmung der parlamentarischen Ausschüsse, mit der Stellungnahme der Kommission und mit dem Rat der Umweltminister. Wir hatten die Möglichkeit, auf dem Weg der Mitentscheidung über ein Klimapaket zu entscheiden, durch eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit. Indem Sie das auf Dezember verschoben haben, haben Sie die Mitentscheidung und eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit zunichte gemacht. Sie werden einen sehr hohen Preis dafür zahlen, weil Sie nun dem Veto der Länder ausgesetzt sind, die ich gerade erwähnt habe.
Daher unterstütze ich Ihre Entschlossenheit für Europa, Ihren Einsatz für Europa und die Tatsache, dass wir Fortschritte machen müssen und dass Europa unabhängig sein muss, doch gleichzeitig haben wir immer noch sehr unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf das „Wie“, die europäische Demokratie und die ökologischen Inhalte des notwendigen Aufschwungs.
(Beifall)
Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir möchten unsere volle Unterstützung mit den Erklärungen des Herrn Präsidenten zum Ausdruck bringen. Wir würdigen die von der Präsidentschaft in diesen schwierigen Monaten geleistete Arbeit und begrüßen die Vorschläge, die unterbreitet wurden. Dennoch möchten wir den Präsidenten der Kommission daran erinnern, dass er im Hinblick auf gewisse Annahmen, die wir sehr wohl unterstützen können, die Verantwortung für den von bestimmten Kommissaren eingeschlagenen Kurs übernimmt, einschließlich der Kommissarin für Wettbewerb, deren Anmerkungen zur Paraffin-Problematik eindeutig nicht zur Erhöhung der Sicherheit oder zur Beruhigung der Märkte beigetragen haben.
Aus unserer Sicht hätte die Kommission auch bei Derivaten schneller reagieren müssen, Produkten, die viele Bürgerinnen und Bürger sowie viele Regierungen und EU-Mitgliedstaaten in die Knie gezwungen haben. Die Erklärungen von Herrn Sarkozy stoßen bei denjenigen von uns auf Anklang, die sich ein Europa wünschen, dessen Präsident nicht alle sechs Monate wechselt, sondern der als Vertreter eines wirklich vereinigten – nicht homogenen, doch vereinigten – Europas agieren kann, das in der Lage ist, Probleme in Geschlossenheit zu erkennen und Strategien für ihre Bekämpfung und insbesondere ihre Lösung zu formulieren. Diese Krise ist ohne Zweifel systemisch; doch zur Bekämpfung einer systemischen Krise müssen wir ein neues System entwickeln und – bei allem gebotenen Respekt für Sie, Präsident Sarkozy – den globalen Kapitalismus neu gründen.
Vielleicht sollten wir mehr dazu sagen. Wir sollten sagen, dass der freie Markt nicht extremen Liberalismus bedeutet und dass in der heutigen Welt ein System, das sich auf das Kapital stützen möchte, in der Lage sein muss, soziale und liberale Aspekte zu verbinden. Wir haben Banken, die Insolvenz angemeldet haben, und Banken, die kurz davor stehen. Wie viel mehr hätte unsere Europäische Zentralbank bewirken können, wenn wir Ihren Vorschlag, Herr Präsident, den Sie noch vor Ihrem Amtsantritt gemacht haben, umgesetzt hätten, nämlich ein engeres Verhältnis zwischen der politischen Führung und den treibenden Wirtschaftskräften aufzubauen. Man kann die Wirtschaft nicht ohne eine politische Vision führen, welche die angestrebten Ziele vorgibt.
Wir hoffen, dass die EZB in Zukunft eine stärkere Kontrolle über die Qualität des Finanzsystems ausüben kann, doch wir wollen nicht, dass sie in einer „Splendid Isolation“ abgeschlossen ist. Abschließend möchte ich sagen, Herr Präsident, dass ich über die Annahme des Pakts zu Einwanderung und Asyl sehr erfreut bin. Endlich haben wir gemeinsame Regeln in einem Bereich, der uns alle betrifft und bei dem wir besonders geschlossen auftreten sollten. Wir hoffen, dass die straf- und zivilrechtlichen Sanktionen bei bestimmten drängenden Fragen harmonisiert werden können, um Profiteure und diejenigen zu bekämpfen, die die Verbrauchersicherheit und damit auch die Stabilität der Wirtschaft aufs Spiel setzen. Vielen Dank, Herr Präsident. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Noch nie in der Geschichte des Europäischen Parlaments mussten wir auf eine mehrdimensionale Krise von solcher Tragweite und Schwere reagieren, und es steht zu befürchten, dass das Schlimmste noch kommt.
Erstens stehen einige Länder des Südens, im Prinzip Partner der Europäischen Union, am Rande des Abgrunds: Zu der Nahrungsmittel-, Umwelt- und Energiekrise kommt jetzt noch die Finanzkrise. Diese Länder haben nichts mit ihr zu tun, werden aber hart von ihr getroffen. Sinkende Einnahmen, geringere Investitionen, rückläufiges Wachstum: Sie sind diejenigen, die von den internationalen Anstrengungen am stärksten außer Acht gelassen werden, sodass der Generaldirektor der FAO, Jacques Diouf, gezwungen war, darauf hinzuweisen, dass bislang nur 10 % der von den größten Mächten im Juni zugesagten Nothilfemittel zugewiesen worden seien. Diejenigen, die den Kapitalismus aufräumen möchten, stehen vor einer enormen Aufgabe.
Die Schwellenländer sind ihrerseits von der Krise betroffen, wobei sich die damit einhergehenden sozialen Folgen noch nicht abschätzen lassen. Direkt vor unserer Haustüre droht einem Staat, der bis vor kurzem noch als Erfolgsmodell präsentiert wurde, nämlich Island, der Bankrott. Innerhalb der Union kämpfen die neuen Mitgliedstaaten wie beispielsweise Ungarn – die nicht einmal mehr ihre Schuldverschreibungen platzieren können – mit äußerst schwerwiegenden Problemen, die zu beispiellosen Opfern für ihre Bevölkerung führen werden. In Ländern wie Großbritannien, Irland und Spanien, die gerade noch als Beispiel genannt wurden, kam es ebenfalls zu einem spektakulären Umschwung. Der Schock war überall erheblich. Dies wird vermutlich auch in Frankreich der Fall sein, wenn die Rezession das extrem angespannte soziale Klima noch verschärft, das sich ohnehin bereits durch massiven Stellenabbau, sinkenden Staatsausgaben, akuten Finanzmangel der lokalen Behörden und die Privatisierung des öffentlichen Dienstes manifestiert.
Dies ist ein anderes Thema, könnten Sie sagen. Das ist es nicht, denn wenn jedes unserer Länder von einer sozialen Krise von unvorstellbarem Ausmaß bedroht ist, dann ist das auf ein Entwicklungsmodell zurückzuführen, für das unsere Bürgerinnen und Bürger heute einen hohen Preis zahlen müssen. Das Modell wurde in den USA und im Vereinigten Königreich entwickelt, doch die Europäische Union hat es sich vor mehr als zwanzig Jahren zu Eigen gemacht, als sich das internationale Kräfteverhältnis verschob. Seither wird uns dieses Modell Monat für Monat von der Kommission angedient, und genau dieses Modell durchdringt unsere Verträge, die Rechtsprechung des Gerichtshofs und eine Vielzahl unserer politischen Maßnahmen.
Deshalb kann ich, Herr Sarkozy, Ihre Diagnose des schrecklichen Übels, das derzeit an unseren Gesellschaften nagt, nicht teilen. Der Funke, der das Feuer entfacht hat, ist zweifelsohne in New York zu suchen; doch das Benzin, das Feuer gefangen hat, ist ebenso hier in Europa wie in den USA zu finden. Alle Politiker, die in den vergangenen 20 Jahren am strategischen Richtungswechsel Europas mitgewirkt haben, schulden unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine Erklärung. Sie dürfen nicht glauben, dass sie sich der Verantwortung heute entziehen können, indem Sie Maßnahmen ergreifen in Bezug auf Rechnungslegungsvorschriften, finanzielle Überwachung der Rating-Agenturen oder „goldene Fallschirme“ – auch wenn diese natürlich notwendig sind.
Darüber hinaus muss jedoch das Herzstück des Systems geändert werden: Geld für Gewinn und Gewinn für Geld, diese furchtbare Spirale, die zur Entwertung der Arbeit, zur Deflation von Löhnen und Gehältern, zur Kürzung der Sozialausgaben, zur Verschwendung der Ressourcen unseres Planeten und zur Ausgrenzung eines enormen Teils der Weltbevölkerung beiträgt. Indizes lügen nicht: Nur 2 % der monetären Transaktionen betreffen heute die Produktion von Gütern und Dienstleistungen; 98 % beziehen sich auf Finanzen. Das Übel an der Wurzel packen bedeutet von nun an, Maßnahmen zur Bekämpfung der immer drastischeren Renditekriterien zu ergreifen, die völlig unvereinbar sind mit der Förderung menschlicher Potenziale ohne Diskriminierung und mit einer wirklich nachhaltigen Entwicklung.
Gleichermaßen sollte ein Bretton Woods II, das den Namen wirklich verdient, auf die Einführung einer kollektiven Kontrolle der weltweiten Geldschöpfung abzielen, bei der die falsche internationale gemeinsame Währung, der Dollar, durch eine echte internationale gemeinsame Währung ersetzt wird, die als Hebel zur Korrektur der unerträglichen Ungleichheiten dient, welche die Welt destabilisieren, und zudem zu einer ausgewogenen Entwicklung der Menschheit und des Planeten beiträgt. Wir sind so weit davon entfernt, dass es zum jetzigen Zeitpunkt besser ist, übermäßige Superlative in Bezug auf die aktuellen radikalen Reformen zu vermeiden – sofern die plötzliche Bereitschaft der europäischen Führungskräfte, die Welt zu verändern, nicht von dem Motto des Prinzen Salina in Der Leopard inspiriert wird: „Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist“. Dennoch laufen sie Gefahr, in Kürze ein böses Erwachen zu erleben.
(Beifall)
Nigel Farage, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – Herr Präsident! Meine Ausführungen richten sich an den amtierenden Ratspräsidenten. Präsident Sarkozy, es war Ihre Energie, Dynamik und Initiative, die Sie nach Georgien und Russland geführt hat, um dort einen Vermittlungsversuch zu unternehmen. Sie haben das auf eigene Faust getan. Sie haben nicht im Namen der Europäischen Union gehandelt. Es ist eine Täuschung, wenn jemand hier so denkt. Es hatte keine Tagung des Rates gegeben; es gab keine Entschließung und es gab kein Mandat. Sie haben das als französischer Präsident getan und wirklich toll gemacht.
Doch wenn Sie nun vorschlagen, dass dies das Modell ist, nach dem wir in Zukunft unsere außenpolitischen Angelegenheiten entscheiden sollten – die Idee, dass ein ständiger Präsident oder ein ständiger Außenminister einfach beschließt, wie die Außenpolitik von uns allen aussehen sollte, und loslegt, ohne die nationalen Regierungen und nationalen Parlamente zu berücksichtigen – dann muss die Antwort lauten: Nein, vielen Dank.
Was die Finanzkrise anbelangt, bin ich froh, dass Ihr ursprünglicher Plan, dass alle ihr Geld zusammenlegen, gescheitert ist. Es war gut, dass die Iren, die Griechen und die Deutschen in ihrem eigenen nationalen Interesse gehandelt haben. Bei dem Gipfel ging es eher darum, dass sich Nationalstaaten untereinander einigen – was völlig in Ordnung ist und worüber ich mich freue.
Ich habe heute niemanden gehört, der anerkennt, dass diese Finanzkrise letztendlich auf ein Scheitern der Regulierung zurückzuführen ist. Wir hatten keinen Mangel an Regelungen: Im Rahmen des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen der letzten 10 Jahre hatten wir doch eine wahre Flut von Regelungen. Sie haben der Wettbewerbsfähigkeit von Finanzplätzen wie London geschadet und haben keinen einzigen Investor geschützt. Also bitte, eine noch stärkere Regulierung ist nicht die Antwort. Wir müssen überdenken, was wir getan haben.
Ich glaube, dass wir anfangen müssen, in unserem eigenen nationalen Interesse zu handeln. Die Tatsache, dass unsere Banken in den kommenden fünf Jahren keine Dividenden zahlen können, während die Schweizer Banken dazu in der Lage sind, beweist: Wenn man über die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eines Nichtmitglieds der Europäischen Union verfügt, kann man Finanzkrisen weitaus besser überstehen, als wenn man in dieses Korsett eingezwängt ist.
Bruno Gollnisch (NI). – (FR) Herr amtierender Ratspräsident und Präsident der Französischen Republik! Wir sprechen über die Palliativmedizin für die Kranken, sagen jedoch nichts über die Ursachen der Krankheit. Wie kann es sein, dass keine EU-Institution die jetzige Krise hat kommen sehen? Weder der Rat noch die Kommission noch die Zentralbank, nicht einmal, meine Damen und Herren, unser Parlament oder eine der Regierungen der Mitgliedstaaten. Ja, die Krise wurde nur von einigen wenigen Wirtschaftswissenschaftlern, wie z. B. dem Nobelpreisträger Maurice Allais, und Politikern, größtenteils aus den Reihen unserer politischen Couleur, vorhergesehen, zu denen einmal mehr Jean-Marie Le Pen gehörte. Leider war es „die Stimme des Predigers in der Wüste“.
Die Krise ist jedoch eindeutig eine Krise des Euro-globalisierten Systems, des unkontrollierten Freihandels und der erschreckenden Trennung zwischen finanzieller Fiktion und den Realitäten unserer rückläufigen Volkswirtschaften und Industrien, die in Zukunft das Ziel von Staatsfonds aus Drittländern sein könnten, die aus der aktuellen Situation Nutzen ziehen. Selbst Ihre Arbeit, Herr Sarkozy, zeugt von der Fehlanpassung der Union: Ein Treffen von 4 anstelle von 27 Mitgliedstaaten am Samstag, den 4. Oktober; ein bilaterales Treffen mit Deutschland am 11. Oktober; ein Treffen von nur 15 Mitgliedern der Eurogruppe; ein Treffen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, um ihn davon zu überzeugen, ein weiteres Treffen zu organisieren, dessen Ziel theoretisch darin besteht, das gesamte System radikal zu reformieren, und zu dem – wenn wir das richtig verstanden haben – nur 6 der 27 EU-Mitgliedstaaten, die USA, Japan, Russland, Indien und China eingeladen wurden.
Ich möchte den Nutzen dieser Treffen nicht vorverurteilen. Ich sage nur, dass dies eine Rückkehr zur bilateralen oder multilateralen Diplomatie ist. Es stellt eindeutig unter Beweis, dass die Union angesichts ihrer unterlassenen Reaktion, ihrer Verstrickung in bürokratische Regeln und ihres zwanghaften Wunsches nach Kompetenzen, die sie dann nicht ausüben kann, als System ihre guten Zeiten hinter sich hat. Der Bericht des Europäischen Rats bestätigt dies, wenn man zwischen den Zeilen liest. Er ratifiziert Ihre Initiativen, er bittet die Zentralbank durch die Blume, den Würgegriff der Maastricht-Kriterien etwas mehr zu lockern, aber er enthält keine Entscheidung.
Sie haben die Situation in Georgien und Ihre Anstrengungen angesprochen. Doch wie können Sie nicht erkennen, dass die einseitige Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo den Weg für die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien geebnet hat? Wie können Sie die unendliche Erweiterung der NATO rechtfertigen, nachdem der Warschauer Pakt selbst verschwunden ist?
Herr Sarkozy, der richtige Weg liegt anderswo. Er erfordert einen radikalen Bruch mit dem globalisierten System und die völlige Infragestellung der so genannten Vorteile der universellen Mischung von Menschen, Gütern und Kapital. Die unmissverständliche Verteidigung unserer Unabhängigkeit und unserer Identitäten bedeutet nicht, dass wir uns selbst isolieren, sondern ist vielmehr die Voraussetzung für die Wiedererlangung unseres Einflusses in der Welt.
Nicolas Sarkozy, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Daul, vielen Dank für Ihre Unterstützung. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten hat immer an ein Europa geglaubt, das schützt, und Sie selbst waren an dem Dialog mit unseren russischen Nachbarn beteiligt. Dies war eine visionäre Haltung: Russland hat die Energie, Europa die Technologie. Russland steht vor einem schwer wiegenden demographischen Problem, da es jedes Jahr etwa 700 000 Einwohner verliert, in einem Staatsgebiet, dass zweimal so groß ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Ich sehe Russland nicht als unerbittlichen Gegner Europas. Ganz im Gegenteil bin ich der Auffassung, dass es in Zukunft notwendig sein wird, das Fundament für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zwischen Russland und der Europäischen Union zu legen. Das wäre auch die beste Möglichkeit, um Russland dazu zu bewegen, dass es sich den Werten der Achtung der Menschenrechte und der Demokratie annähert, für die wir in Europa eintreten.
Herr Daul, ich möchte gerne hinzufügen, dass der Grund, weshalb wir den Banken unter die Arme greifen wollten, der Schutz der Sparer war. Es gab diverse Strategien. Manche Länder – darauf werde ich später noch zurückkommen – wollten die Produkte der Banken schützen und garantieren. Ich kämpfte für den Schutz und die Garantie der Banken selbst, um sie dann ihre Arbeit tun lassen zu können, und die Unterstützung Ihrer Fraktion war für uns ausschlaggebend.
Ich möchte mit den Worten schließen, dass Ihr Aufruf zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon völlig richtig war. Zudem ist es kaum zu viel verlangt, die Leute um Konsequenz zu bitten: Sie können nicht sagen, dass Sie aus Angst, einen Kommissar zu verlieren, nicht abgestimmt haben, wenn Sie doch gerade durch diese Weigerung einen Vertrag beibehalten, der eine Verkleinerung der Kommission vorsieht. Ich respektiere die Meinung jedes Einzelnen, aber Inkonsequenz kann ich nicht tolerieren. Sie können nicht einer der stärksten Befürworter der EU-Erweiterung sein und gleichzeitig Europa davon abhalten, Institutionen für die Erweiterung zu errichten. Wir haben gesehen, wie viel Europa die Erweiterung ohne eine Vertiefung gekostet hat; wir dürfen diesen Fehler nicht noch einmal machen.
Herr Schulz, Sie sagen, ich rede wie ein europäischer Sozialist. Das mag sein, aber Sie müssen zugeben, dass Sie nicht wirklich wie ein französischer Sozialist reden.
(Beifall)
Ganz ehrlich, bei einer Spaltung der Sozialisten würde ich ohne Bedauern und Reue Herrn Schulz wählen. Ich möchte jedoch eines sagen – der springende Punkt ist, dass Europa uns dazu zwingt, Kompromisse zu schließen. Genau das ist es, was Herr Schultz und ich nun tun. Europa, seine Institutionen und seine Politik werden eines Tages von Regierungen des rechten und linken Flügels angenommen und umgesetzt – dies ist das Gesetz der Wechselseitigkeit. Das europäische Ideal kann nicht – und genau das macht es so großartig – einfach auf eine Frage von rechts oder links reduziert werden.
Herr Schulz, glücklicherweise können Männer wie Sie anerkennen, dass andere, die nicht auf Ihrer politischen Seite stehen, nicht notwendigerweise falsch liegen, nur weil Sie nicht auf Ihrer Seite stehen. Des Weiteren möchte ich Ihnen, Herr Schulz – Ihnen und Ihrer Fraktion – sagen, dass ich als amtierender Ratspräsident, wenngleich meine Parteiloyalität der PPE gilt, das Verantwortungsbewusstsein der sozialistischen Fraktion sehr geschätzt habe, als sie bestimmte Wege eingeschlagen hat. Die einfache Reduzierung Europas auf eine Debatte zwischen rechts und links, auch wenn es eine solche Debatte gibt, kommt einer Versündigung am europäischen Kompromiss, am europäischen Ideal gleich. Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass Sie stärker gegen Ihre Grundsätze handeln, wenn Sie die Präsidentschaft unterstützen, als ich gegen meine, wenn ich die Unterstützung der SPE-Fraktion schätze.
Ich würde sogar noch weiter gehen. Herr Schulz sagt zu Recht, dass dies eine historische Aufgabe ist. Wie Herr Daul ist auch er der Ansicht, dass die Krise eine Chance darstellen kann. Sie haben völlig Recht. Und auch mit Ihrer Forderung „Nie wieder!“ haben Sie ins Schwarz getroffen. Hier geht es nicht um die Frage, ob man Christ- oder Sozialdemokrat ist; es geht vielmehr um den gesunden Menschenverstand. Wer brachte uns denn an diesen Punkt? Andererseits möchte ich dem Gedanken widersprechen, dass in den vergangenen 30 Jahren nur konservative Regierungen Fehler gemacht haben, während linke Regierungen immer richtig gehandelt haben: Damit würde man eine leidvollen Geschichte auf beiden Seiten umschreiben.
In Bezug auf Ihre Kommentare zu Frau Merkel möchte ich hinzufügen, dass meines Wissens Wahlen in Deutschland anstehen, daher würde ich ihre Worte als wahltaktisch betrachten. Ich für meinen Teil habe Frau Merkels Solidarität und Freundschaft erfahren dürfen, und ich möchte ihrer Arbeit im Rahmen ihrer Präsidentschaft nochmals Anerkennung zollen. Die sechsmonatigen Präsidentschaften sind Teil eines Kontinuums, und ich habe in hohem Maße von den Anstrengungen meiner Vorgänger profitiert, insbesondere denen von Frau Merkel.
Herr Watson, ich respektiere sowohl Sie als auch Ihre Gedanken voll und ganz, aber selbst wenn Sie das Kleingedruckte lesen können, offensichtlich sogar ohne Brille, scheint es, dass Ihnen dies heute nicht gelungen ist, denn was besagt der Text? Er bezieht sich ausdrücklich auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom März 2007 und März 2008. Und was sagen diese beiden Ratsentschließungen aus? Sie sagen aus, dass über das Klimapaket gemeinsam mit dem Europäischen Parlament entschieden wird. Es gibt ein Kontinuum in den Texten, Herr Watson.
Was also habe ich zu tun versucht? Vielleicht war das ein Fehler. Ich wollte der Veröffentlichung von 50-seitigen Mitteilungen durch den Europäischen Rat, die niemand liest, ein Ende setzen, und habe daher eine achtseitige Mitteilung vorgeschlagen. Wenn man die Mitteilungen verkürzen möchte, ist es besser, nicht wie üblich die Schlussfolgerungen früherer Ratssitzungen zusammenzufassen, um das Fehlen neuer Entschließungen des derzeitigen Rats zu kaschieren. Daher denke ich, dass die Mitentscheidung durch die Verweise auf diese zwei früheren Ratssitzungen verdeckt war. Sie wollen, dass ich das bestätige, das tue ich natürlich gern, doch ich kann noch weiter gehen, Herr Watson.
In Bezug auf das Energie- und Klimapaket – ich weiß, dass ich mich wiederhole – glaube ich, dass wir ein enormes Engagement des Europäischen Parlaments benötigen um es durchzubringen. Im Oktober gab es nur eine Sache, die ich erledigen wollte: Ich wollte versuchen, den Konsens im Europäischen Rat zu wahren. Seien Sie ehrlich – wäre ich mit einer Entschließung des Europäischen Rates in das Europäische Parlament gekommen, die im Wesentlichen besagt hätte, dass wir in keinem Fall vor Dezember eine Einigung erzielen sollten, dann hätten Sie mir zu Recht vorgeworfen, ich hätte mich über die Ratsentschließungen von 2007 und 2008 hinweggesetzt. Ich habe das Energie- und Klimapaket in keiner Weise infrage gestellt, sondern ich habe dafür gekämpft. Auch habe ich die Mitentscheidung nicht bestritten, sondern darauf bestanden. Sowohl ich als auch Präsident Barroso haben dies unseren Kollegen im Europäischen Rat gesagt.
Herr Cohn-Bendit, Sie sind wirklich in Top-Form. Sie haben fünf Mal „ja" und nur zwei Mal „nein“ zu meinem Vortrag gesagt – ich bin eine weniger gute Bewertung gewohnt. Um ehrlich zu sein, begrüße ich Ihre Unterstützung in Bezug auf die Entschlossenheit der Präsidentschaft und einige ihrer Maßnahmen sehr. An die Adresse von Herrn Cohn-Bendit möchte ich zudem sagen, dass eine Kommissions- und Ratspräsidentschaft, die sich derart für die Verteidigung des Energie- und Klimapakets einsetzen, meines Erachtens die Unterstützung der Grünen verdienen. Wir sind nicht mit allem einverstanden, aber Sie, die Grünen, werden sicher nicht gegen eine Kommissions- und Ratspräsidentschaft angehen, die sich voll und ganz für eine Annahme des Energie- und Klimapakets engagieren. Wir werden sicherlich zumindest einen Teil des Weges gemeinsam gehen können. Sie sind wie ich ein gewählter Abgeordneter, und es ist keine Schande zuzugeben, dass ich Sie brauche und Sie mich brauchen; das ist für Sie wahrscheinlich schmerzhafter als für mich, aber so ist es nun mal. Sie haben mich auch dazu aufgefordert, etwas Selbstkritik zu üben. Damit haben Sie völlig Recht. Das muss ich natürlich, und ich bin nicht der einzige.
(Gelächter und Beifall)
Abschließend möchte ich Ihnen in Bezug auf den Putsch gegen die Institutionen dieselbe Antwort geben wie Herrn Watson. Herr Cohn-Bendit wird mir das verzeihen. Andererseits, kann diese Krise und der Schutz der Umwelt eine Chance für mehr Wachstum darstellen? Ich glaube, dass Sie damit absolut Recht haben – Sie nennen das „grünes Wachstum“ und ich „nachhaltiges Wachstum“, aber man kann es nicht bestreiten. Ich möchte Ihnen zudem sagen, dass der Umweltbonus für Fahrzeuge dies bewiesen hat. Frankreich ist eines der wenigen Länder, in denen der Automobilsektor nicht schrumpft. Warum? Weil ihm der Umweltbonus geholfen hat, mehr schadstoffarme als schadstoffreiche Wagen zu verkaufen. Möglicherweise ist für die Grünen der Ausdruck „sauberes Fahrzeug“ schockierend, für uns ist er aber außerordentlich wichtig. Der Umweltgipfel „Grenelle Environnement“, für den in Frankreich hoffentlich einstimmig gestimmt wird – auch von den Sozialisten – zeigt, dass sich Frankreich diesem Weg stark verpflichtet fühlt. Ich bin wirklich der Ansicht, dass es ein Fehler von historischen Ausmaßen wäre, wenn Europa die Gelegenheit verpassen würde, die das Energie- und Klimapaket darstellt.
Frau Muscardini, ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung. Sie haben den Einwanderungspakt erwähnt, und ich bin froh darüber, denn niemand spricht von pünktlichen Zügen, aber es ist doch wirklich ein erstaunliches Novum für Europa, dass es allen 27 Mitgliedstaaten gelungen ist, sich auf einen Pakt zu einigen. Natürlich gibt es noch einige Unklarheiten, und selbstverständlich hätten wir mehr erreichen sollen, aber dennoch. Wer hätte vorhersagen können, dass alle von Ihnen die Klugheit besitzen, sich wenige Monate vor den Europawahlen zusammen mit den Staaten auf einen europäischen Einwanderungspakt zu einigen? Glauben Sie mir, dies ist die einzige Möglichkeit, die Extremisten in jedem unserer Länder davon abzuhalten, ein Thema zu besetzen, das mit Intelligenz, Menschlichkeit und Entschlossenheit angegangen werden muss. Frau Muscardini, ich bin daher sehr dankbar, dass Sie dies angesprochen haben.
Herr Wurtz, Sie sagten, dass wir nicht dieselbe Diagnose stellen, und das ist sicherlich richtig. Ihre Rede hatte wie immer einen gemäßigten Wortlaut, aber im Kern war sie völlig übertrieben. Die Dinge werden nicht weniger schockierend, Herr Wurtz, wenn Sie schöne Worte wählen: die Worte sind ebenso wichtig wie das, was sich hinter ihnen verbirgt. So sicher ich mir bin, dass der Kapitalismus reformiert werden muss, möchte ich Ihnen, Herr Wurtz, doch sagen, dass der Kapitalismus niemals einen so enormen sozialen, demokratischen oder ökologischen Schaden angerichtet hat wie das kollektivistische System, das Sie so viele Jahre lang unterstützt haben. Große Umweltkatastrophen, Herr Wurtz – Sie sollten auf Herrn Cohn-Bendit hören, wenn er über Selbstkritik spricht – große Umweltkatastrophen sind kein Merkmal der Marktwirtschaft, sondern kollektivistischer Systeme. Soziale Katastrophen, Herr Wurtz, sind Merkmale kollektivistischer Systeme, und es war das kollektivistische System, die die Berliner Mauer hoch gehalten hat, durch die Millionen Menschen physisch in ihrer Freiheit beschnitten wurden. Aus diesem Grund setze ich mich weiter für die Marktwirtschaft, den freien Handel und die Werte des Kapitalismus ein, nicht jedoch für einen Verrat am Kapitalismus.
(Beifall)
Wir können beide auf das 20. Jahrhundert zurückblicken, und Sie können sich sicher sein, dass das Urteil über die Ideen, denen Sie jahrzehntelang die Treue geschworen haben, nicht gut ausfallen wird. Sie fordern mich auf, aufzuwachen, aber bei aller Freundschaft, Herr Wurt: Ich würde Ihnen nicht raten, zu viel über die Ereignisse des 20. Jahrhunderts nachzudenken, denn aufrichtige Männer wie Sie würden dann sehen, dass sie Systeme unterstützt haben, die sich weit von den Idealen ihrer Jugend entfernt haben.
Herr Farage, ich hatte kein Mandat – das ist nicht zu bestreiten – aber ganz ehrlich, die russischen Truppen hatten auch keines, als sie in Georgien einmarschiert sind.
(Beifall)
Sie gehören zu den Leuten, die Europa seit vielen Jahren wegen mangelndem politischen Willen an den Pranger gestellt haben. Ich hatte die Wahl: Ich konnte jeden nach seiner Meinung fragen und nichts tun, oder aber handeln und dann prüfen, ob die anderen zustimmen. Ich ziehe es vor, zu handeln. Herr Farage, abschließend haben wir ein Europa, wie Sie es haben wollen. Na ja, ich bin nicht so gut, aber Hand aufs Herz, es ist immer noch das Europa, auf das Sie gehofft und für das Sie gebetet haben. Ich möchte hinzufügen, dass ich zusammen mit Bernard Kouchner auf demokratische Weise sichergestellt habe, dass der Europäische Rat die von uns getroffenen Entscheidungen validiert.
Ein Punkt zum Schluss: Als die Iren – und ich werde angesichts der Schwere der Krise kein Urteil fällen – beschlossen, alle Produkte ihrer Banken zu garantieren, mit Ausnahme der Produkte europäischer Banken und Filialen, war es gut, dass die Kommission zur Stelle war, um die Scherben aufzusammeln. Was war passiert? Innerhalb von 24 Stunden hatte die gesamte City keine liquiden Mittel mehr, da natürlich alle diese Mittel aus der City in die vom irischen Staat garantierten Banken flossen – und der Staat hatte auf eigene Faust beschlossen, 200 % seines BIP zu garantieren. Sie können eindeutig sehen, dass wir einander brauchen: Hätten wir unsere Reaktion nicht koordiniert, wäre jedes Land in einen Strudel geraten, der darauf hinausgelaufen wäre, „wer am meisten garantieren kann“, und die Ersparnisse der Menschen wären in das Land geflossen, das am meisten garantiert hätte – zum Nachteil der anderen. Sie sind ein so überzeugter Verfechter von Großbritannien – nun, es ist Europa, das die Wiederherstellung des Gleichgewichts der City ermöglicht hat, nicht Großbritannien allein.
(Beifall)
Um zum Schluss zu kommen, Herr Gollnisch, Sie sind der einzige Mensch der Welt, der Europa für nutzlos hält. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: entweder irrt sich die ganze Welt und Sie haben Recht oder es ist umgekehrt. Ich fürchte wieder einmal, dass es umgekehrt ist.
(Lebhafter Beifall)
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Wir haben bereits einige ideologische Debatten geführt, die sehr interessant waren. Ich für meinen Teil denke, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für mich ist, an dieser Debatte teilzunehmen. Später wird noch genug Zeit dafür sein. Stattdessen konzentriere ich mich mehr auf dringende Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise.
In jedem Fall möchte ich Folgendes sagen: Unsere Analyse der Ursachen dieser Krise zeigt deutlich, dass es an der Regulierung gemangelt hat, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Bestimmte Marktsektoren waren nicht reguliert, und das hat die Krise ausgelöst. Allerdings geht aus unserer Analyse auch hervor, dass die der Krise zu Grunde liegende Ursache zweifellos mit gewissen fundamentalen Ungleichgewichten zusammenhängt, die sich sowohl in der US-Wirtschaft als auch in der Weltwirtschaft feststellen lassen.
Die Wahrheit ist – wie zahlreiche Wirtschaftsexperten unterstrichen haben und weiterhin unterstreichen – dass es schwierig wäre, Staatsschulden in einer Höhe beizubehalten, wie wir sie in den Vereinigten Staaten sehen, und dass die Länder mit der höchsten Verschuldung die größten Verbraucher sind, während diejenigen mit höheren Reserven am wenigsten verbrauchen.
Es gibt hier grundlegende Probleme in Bezug auf ein Ungleichgewicht der Staatsschulden, das Haushaltsdefizit. Um es einfach auszudrücken: Wenn die Vereinigten Staaten einen Stabilitäts- und Wachstumspakt gehabt hätten, wäre es womöglich nicht zu dieser Finanzkrise gekommen, denn wenn die makroökonomischen Grundlagen stimmen, haben wir eine deutlich größere Chance, solche Regulierungslücken zu überwinden.
Es stimmt, dass es auch regulatorische Probleme gab. Nicht, weil der Finanzmarkt nicht reguliert wäre. Ganz im Gegenteil: Er ist möglicherweise der am stärksten regulierte Sektor der Wirtschaft, selbst in den Vereinigten Staaten. Nicht, weil wir in Europa keine Regulierung haben. Ganz im Gegenteil: Wir haben diesen Sektor sehr stark reguliert. Es ist jedoch wahr, dass es Mängel in den Aufsichtsmechanismen gab, bei denen es sich im Wesentlichen um nationale Systeme handelt. Das sollten wir uns ins Gedächtnis rufen.
Dies ist ein Bereich, in dem die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank nicht wirklich viel ausrichten können – die Aufsichtsmechanismen sind in erster Linie nationalstaatlicher Natur. Es ist auch richtig, dass wir prüfen müssen, was wir aus legislativer Sicht tun können, und in dieser Hinsicht begrüße ich die Anstrengungen des Europäischen Parlaments. Es stimmt, dass das Europäische Parlament nun schon seit vielen Jahren hervorragende Berichte über einige dieser Themen vorgelegt hat, und wir sind bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
Man sollte jedoch bedenken, dass „niemand eine Insel ist“, auch keine Institution. Die Kommission arbeitet sowohl mit dem Parlament als auch mit dem Rat an diesen Themen. Sprechen wir Klartext: Noch vor ein paar Wochen – nicht Jahren, nicht Monaten, sondern ein paar Wochen – wäre es nicht möglich gewesen, einige dieser Vorschriften zu ändern, denn einige der Mitgliedstaaten wären, wie Sie sehr wohl wissen, grundsätzlich dagegen gewesen. Das ist hier die Wahrheit.
Aus diesem Grund müssen wir verstehen, dass die Voraussetzungen nun gegeben sind, um einige Änderungen durchführen zu können – Änderungen im gegenseitigen Einvernehmen, wie ich hoffe – und zwar nicht nur im Hinblick auf eine Reform in Europa, sondern auch der Art, dass Europa globale Reformen des Finanzsystems in die Wege leiten kann.
Die zweite Frage bezieht sich auf das „Klimapaket“, und ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, für Ihre Kommentare und Ihre Unterstützung danken. Was zunächst einmal die institutionelle Frage anbelangt – ich denke, Präsident Sarkozy hat dies bereits sehr gut erklärt, aber erlauben Sie mir, dies im Namen der Kommission zu sagen – so verbinden wir die Einhaltung gut etablierter Entscheidungsfindungsprozesse, insbesondere im Hinblick auf Mitentscheidung und die zentrale Rolle des Europäischen Parlaments, nicht mit der Notwendigkeit eines starken Konsens der Mitgliedstaaten in einer so wichtigen Frage wie dem Klima- und Energiepaket. Diese zwei Aspekte sind weder unvereinbar noch widersprüchlich, sondern sie ergänzen sich. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit der Präsidentschaft aktiv und unermüdlich an einem ehrgeizigen, aber ausgewogenen Kompromiss mit dem Parlament arbeiten.
Ich muss hier ganz deutlich werden, und ich kann Ihnen sagen, dass wir ohne den Vorsitz von Präsident Sarkozy und – ich denke, ich kann das sagen – ohne den Beitrag der Kommission in diesem Europäischen Rat keinen Konsens erreicht hätten, um die vor einem Jahr beschlossenen Ziele beizubehalten.
Die Wahrheit isst, dass die Regierungen angesichts einer Finanzlage wie der unseren natürlich defensiver und vorsichtiger werden, was meines Erachtens nur natürlich ist. Möglicherweise vertreten sie nun wieder etwas weniger ehrgeizige Standpunkte. Genau das ist die Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen, denn ich bin wirklich überzeugt, dass es eine Tragödie wäre, wenn Europa seine Ambitionen im Kampf gegen den Klimawandel aufgeben würde.
Es wäre eine Tragödie, denn der Haupteinwand, den einige Leute gegen das Paket haben, bezieht sich darauf, dass wir ein Opfer bringen würden, ohne dass andere dasselbe tun. Wenn wir jedoch erreichen wollen, dass andere mit uns mitziehen, dann dürfen wir in dieser Phase in keiner Form andeuten, dass wir unsere Ambitionen zurückschrauben. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir uns an die „3 x 20"-Ziele halten, auf die wir uns letztes Jahr geeinigt haben. Deshalb muss die Botschaft sehr klar sein. Ich möchte die Rolle von Präsident Sarkozy und auch die aller Mitglieder des Europäischen Rats hervorheben, und auch Kanzlerin Angela Merkel möchte ich meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Während ihrer Präsidentschaft vor einem Jahr haben wir diese Ziele beschlossen, und ich hoffe, dass wir unsere Ambitionen nun nicht verwässern werden.
Auch ich kann das sagen, wissen Sie – das ist interessant, Herr Schulz. Ich kann nur unterschreiben, was eben gesagt worden ist. Auch wenn wir politische Differenzen und unterschiedliche Ideologien haben, so glaube ich wirklich, dass wir – insbesondere in einer Situation wie dieser – geschlossen handeln müssen und nicht in entgegengesetzte Richtungen laufen dürfen.
Ich glaube, dass keine politische Kraft in diesem Plenum für sich ein Monopol auf europäische Ideen beanspruchen kann. In der gesamten europäischen Geschichte waren es die Beiträge der Christdemokraten, der Sozialisten, der Liberalen und anderer Gruppierungen des rechten und linken Flügels und der Mitte, die das politische Europa geschaffen haben.
Ich verstehe die politische Debatte gut und möchte die Bedeutung der ideologischen Debatte sicherlich nicht herunterspielen, doch nichtsdestotrotz denke ich, dass es in einer Situation wie dieser für jeden, der an die Ideale Europas glaubt und die Ansicht vertritt, dass Europa eine immer wichtigere Rolle in der Welt übernehmen muss, lohnenswert wäre, eine Plattform des Konsens zu schaffen. Schließlich schaut die ganze Welt – nicht nur die Europäer, sondern die gesamte Welt – auf Europa, in der Erwartung bestimmter Lösungen.
Was mich anbelangt, so können Sie sicher sein, dass die drei Institutionen, die Kommission, das Parlament und der Rat, im Geiste des Konsenses – natürlich mit Respekt für die unterschiedlichen politischen Kräfte, aber, wenn ich das so sagen darf, über die diversen Parteistandpunkte hinaus – imstande sein werden, zusammenzuarbeiten, um Europa zu stärken.
Hartmut Nassauer (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Recht ist heute Vormittag festgestellt worden, dass die Europäische Union in zwei bedeutenden Krisen Handlungsfähigkeit gezeigt hat, damit Vertrauen in der Welt und auch in ihre Rolle geweckt hat, auch Vertrauen wiedergewonnen hat bei ihren Bürgerinnen und Bürgern und dass dies nicht zuletzt das Verdienst des amtierenden Ratspräsidenten ist. Herr Präsident Sarkozy, diese Feder können Sie sich zu Recht an den Hut stecken.
Natürlich kann man sich unschwer vorstellen, dass Präsident Sarkozy auch ohne den Hut des Ratspräsidenten energisch und phantasievoll gehandelt hätte. Aber er ist nun mal Ratspräsident und deswegen kommt sein Handeln der Europäischen Union zugute. Und das ist gut so.
Freilich sollte man sich bewusst sein: Es ist ein Glücksfall, dass er gerade jetzt Ratspräsident ist, und wir sollten die Krisenfähigkeit der Europäischen Union nicht von Glücksfällen abhängig machen. Das bedeutet, wir brauchen den Lissaboner Vertrag. Das ist ein Argument mehr dafür, dass dieser Vertrag in Kraft trifft, und ich bin überzeugt davon, dass es in diesem Parlament eine breite Mehrheit für diesen Vertrag gibt.
Wir haben das aus Gründen der Zurückhaltung bisher nicht laut und schallend geäußert, aber ich denke, es ist an der Zeit zu sagen, dass dieses Parlament hinter dem Lissaboner Vertrag steht, und es wäre gut, wenn es gelänge, ihn vor der Europawahl in Kraft zu setzen. Das liegt nicht in unserer Hand, aber ich denke, es ist unsere Position.
Nun hat der liebenswürdige Kollege Schulz die finanzielle Krise analysiert, die Ursache im System gefunden und die Verantwortung kurzerhand den Konservativen und Liberalen und Christdemokraten aufgebürdet. Lieber Herr Schulz, was für ein schlichtes Weltbild, offensichtlich dem Wahlkampf geschuldet! Sie wissen sehr genau, dass das für weite Teile der Welt immer noch ungewöhnliche Ausmaß an Wohlstand, das es bei uns in Europa gibt, das hohe Maß an sozialer Sicherheit, das beispiellos hohe Maß an Umweltschutz, der damit verbundene technologische Fortschritt und nicht zuletzt das mit all diesen Errungenschaften verbundene Maß an persönlicher Freiheit auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft gewachsen sind, und nicht auf der Grundlage sozialistischer Vorstellungen. Das wollen wir auch jetzt festhalten. Und nicht das System hat versagt, aber einige seiner Akteure, und die müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür brauchen wir in der Tat neue Regeln.
Eine Anmerkung zum Klimaschutzpaket. Ich möchte hier gerne auch für die Fraktion festhalten, dass die Ziele unumstritten sind, aber dass wir über die Methoden reden müssen. In einer Zeit, in der der Emissionshandel nach Berechnungen der Kommission 70 bis 90 Milliarden Euro pro Jahr erfordern wird, die von den Betroffenen aufzubringen sind, kann man doch nicht im Ernst davon ausgehen, dass dieses ganze Gebilde von der finanziellen Krise und der Krise der Realwirtschaft nicht betroffen sein würde. Deswegen erklären wir, dass wir an den Zielen ganz unbeeinträchtigt festhalten. Aber ich denke, es ist angemessen, dieses Dossier sorgfältig und so gründlich zu beraten, dass wir uns keinen gesetzgeberischen Fehler leisten und dass wir vor allem die Betroffenen einbeziehen. Dazu brauchen wir Zeit, und die sollten wir uns auch nehmen.
Robert Goebbels (PSE). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir leben im Zeitalter der Klempner: Da war der polnische Klempner, der das französische „nein“ zum Verfassungsvertrag beeinflusst hat, dann der amerikanische Klempner, Joe the Plumber, der zwischen Barack Obama und John McCain entschieden hat. Selbst unsere Staats- und Regierungschefs mussten Klempnerarbeiten leisten, um die unaufhörlich berstenden Rohre in einem internationalen Finanzsystem zu flicken, das sich in einem Stadium des totalen Zusammenbruchs befindet. Unsere Regierungen haben sich einen Werkzeugkasten nach dem IKEA-Prinzip zugelegt – ein Werkzeugkasten, der es jedem Mitgliedstaat ermöglichen sollte, eine spezifische Lösung für jede spezifische Situation zusammenzuschustern. Wie jedoch jeder begeisterte Heimwerker weiß, sind die Montageanleitungen von IKEA hoffnungslos ungenau: Bei Anwendung der IKEA-Methode auf das internationale Finanzsystem läuft man Gefahr, dass sie nicht passt. Die Präsidentschaft hat getan, was in ihrer Macht stand; mit anderen Worten, ein Krisenmanagement betrieben, wie es Präsident Sarkozy hier betont hat. Unseren Regierungen ist es gelungen, die vielen Lecks in einem internationalen Finanzsystem zu stopfen, das derart miteinander verflochten ist, dass sich die Störungen global ausgewirkt haben.
Allerdings hat die Klempnerei ihre Grenzen: Wir müssen die Architektur des internationalen Finanzsystems angehen. Wenn wir die Finanzwelt neu gestalten wollen, um der Realwirtschaft zu dienen, brauchen wir keine weitere hochrangige Gruppe einzurichten; eine einfache Gruppe, die für die Protokollierung der Vorschläge des Forums für Finanzstabilität zuständig ist, wäre völlig ausreichend. So hat das Forum beispielsweise bereits im Jahr 2001 die Bereitstellung einer besseren Deckung für die von den Banken eingegangenen Risiken empfohlen. Das Europäische Parlament hat verschiedentlich mit dem Finger auf die offensichtlichen Idiotien des internationalen Finanzsystems gezeigt, doch seine Stimme wurde nicht gehört. Der europäische Gipfel behauptete, wirklich aus den Fehlern der Krise lernen und alle am Finanzsystem Beteiligten dazu bewegen zu wollen, verantwortungsbewusster zu handeln, auch in Bezug auf Gehälter und andere Anreize. Es wird eine internationale Konferenz geben, um über all dies zu sprechen. Werden wir also am Ende ein neues Bretton-Woods-Abkommen haben? Ich bezweifle dies. Es werden bereits Stimmen laut, auch innerhalb der Präsidentschaft, die vor einer Überregulierung warnen. Kommissar McCreevy war besonders provokativ: Er möchte keine Gesetzgebung im Hinblick auf Obergrenzen der Fremdfinanzierung für Investmentfonds. Während der Europäische Rat die enormen Managerboni regulieren will, setzt Herr McCreevy auf die Selbstregulierung, die wir in den letzten Jahren beobachten konnten. Obwohl sogar Herr Paulson für eine bessere Regulierung der Märkte plädiert, denkt Kommissar McCreevy, ich zitiere, dass „die echte Gefahr besteht, dass gut gemeinte Absichten, das Marktversagen anzugehen, zu einer übereilten, plumpen und kontraproduktiven Regulierung führen“. Die Charlie McCreevys dieser Welt bereiten uns bereits auf die nächste Spekulationsblase vor, die sich meiner Prognose nach um den Sekundärmarkt des Emissionsquotenhandelssystems bilden wird. Herr Sarkozy, unterdessen rutscht die Realwirtschaft in eine Rezession. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um unsere Umweltambitionen zurückzuschrauben, aber auch nicht der richtige Zeitpunkt, um den einzigen europäischen Industriesektor, der für den internationalen Wettbewerb offen ist, einseitig zu manipulieren.
Marielle De Sarnez (ALDE). – (FR) Herr Präsident! In diesen Zeiten der globalen Finanzkrise unternimmt Europa seine ersten Schritte als politischer Akteur; und unter Ihrer Präsidentschaft, der französischen Präsidentschaft, haben die Staats- und Regierungschefs die richtigen Entscheidungen getroffen. Des Weiteren ist der europäische Plan meines Erachtens besser durchdacht als der Paulson-Plan, und ich hoffe, dass er den Schaden begrenzen kann.
Wir müssen nun eindeutig weitergehen. Die Reform des globalen Finanzsystems, auf die wir alle hoffen und für die wir beten, werden nur dann möglich sein – davon bin ich fest überzeugt – wenn sich Europa in einer Position befindet, in der seine Präsenz wahrgenommen wird, und damit dies so ist, müssen wir neue Ressourcen erschließen. Wir werden eine europäische Finanzmarktaufsichtsbehörde und einen Europäischen Bankenausschuss einrichten müssen. Wir brauchen eine europäische Regulierungsbehörde, die auch imstande ist, einen Dialog mit den US-amerikanischen Regulierungsbehörden zu führen, und wir müssen in der Lage sein, die Steueroasen auf unserem eigenen Kontinent abzuschaffen, wenn wir wollen, dass unsere Anstrengungen zur Verteidigung dieser Idee auf globaler Ebene glaubhaft sind.
Gleichermaßen brauchen wir eine europäische Antwort, wenn wir uns der Wirtschafts- und Sozialkrise stellen wollen. Wir benötigen einen gemeinsamen Aktionsplan, um unseren Mitbürgern zu helfen, damit wir morgen in nicht verlagerbare Tätigkeiten investieren können – zum Beispiel in „schwere“ Infrastruktur oder ein Programm zur Modernisierung von Gebäuden entsprechend den Umweltstandards. Wir werden eine wirtschaftliche Governance in der Eurozone brauchen – jetzt ist sicher der richtige Zeitpunkt dafür. Mehr als das werden wir jedoch künftig über ein Modell der europäischen Entwicklung nachdenken müssen, das in jeglicher Hinsicht ethisch, menschlich, sozial verantwortlich und nachhaltig ist. Ein solches Modell muss erdacht, definiert, unterstützt und inspiriert werden.
Konrad Szymański (UEN). - (PL) Herr Präsident! Ich bin froh, dass wir uns mehr Zeit gegeben haben, um eine stärker ausgewogene Entscheidung über die Senkung der Kohlendioxidemissionen treffen zu können. Das von der Kommission vorgeschlagene System hat die Kosten der Einführung von Beschränkungen sehr ungerecht verteilt. Mit diesem System würden Ländern, deren Energieerzeugung auf Kohle basiert, Kosten in Höhe von mehreren Milliarden Euro pro Jahr entstehen. Diese Länder sind tendenziell die ärmsten Länder der Union. Das können zum Beispiel die Polen, die viel zahlen müssten, einfach nicht verstehen. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir wohl kaum mit einem guten Beispiel vorangehen, wenn wir die einzigen auf der Welt sind, die ein solches System einführen, und damit die Grundlagen unserer eigenen Wirtschaft schwächen.
Darüber hinaus darf die Finanzkrise nicht als Vorwand dienen, der Lage in Georgien weniger Beachtung zu schenken. Wir sollten daran denken, dass Russland inzwischen mehr als dreimal so viele Truppen in dem umstrittenen Gebiet stationiert hat als noch am 7. August. Russland verfolgt in Bezug auf den internationalen Status von Ossetien eine Politik der vollendeten Tatsachen, und es setzt das Friedensabkommen nicht um. Das Land hat damit sein Recht verwirkt, ein Partner der Europäischen Union zu sein.
Um zu etwas Erfreulicherem überzugehen und um zum Schluss zu kommen: Je öfter Sie Sitzungen des Europäischen Parlaments beiwohnen, Herr Sarkozy, desto weniger bin ich mir sicher, ob ich lieber Ihnen oder Ihrer Frau zuhören möchte. Auch wenn ich manchmal nicht Ihrer Meinung bin, so muss ich doch sagen, dass Sie ohne Zweifel das Plenum beleben. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung.
Philippe de Villiers (IND/DEM). – (FR) Herr Präsident! Ich habe nur eine Minute, aber ich möchte sagen, dass Sie es während dieser Finanzkrise geschafft haben, die institutionellen Dogmen aufzuheben: Brüssel, Frankfurt, Wettbewerb, die Maastricht-Kriterien, das globale Freihandelssystem, das Verbot staatlicher Beihilfen für Unternehmen und, insbesondere, für die Banken, und so weiter.
Gerade haben Sie sich auf das Thema der staatlichen Beihilfen bezogen, das für die Zukunft äußerst wichtig ist, um unsere Unternehmen zu retten, wenn sie an einem absoluten Tiefpunkt angelangen bzw. bereits dort angelangt sind. Allerdings, Herr Sarkozy, hätte der Vertrag von Lissabon – den die politischen Führungskräfte Europas und insbesondere Sie versuchen, künstlich zu erhalten – Sie in der bestehenden Form daran gehindert, zu tun, was Sie eben getan haben. Er untersagt alle Beschränkungen von Kapitalbewegungen, alle Interventionen und politischen Einflussnahmen auf die Zentralbank und insbesondere alle staatlichen Beihilfen für Unternehmen jeglicher Art.
Die Frage ist einfach: Welche Wahl werden Sie treffen, Herr Sarkozy? Werden Ihre Hände gebunden sein, oder werden Sie freie Hand haben? Um freie Hand zu haben, brauchen Sie nicht den Vertrag von Lissabon, sondern einen Vertrag, der die Lektionen berücksichtigt, die wir nun gemeinsam lernen.
Sergej Kozlík (NI). – (SK) Ich schließe mich den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates an, dass die Europäische Union zusammen mit ihren internationalen Partnern eine komplette Reform des Finanzsystems anstreben muss. Diese Situation dauert nun schon mindestens 10 Jahre lang an, und es sind die normalen Bürger, die für all die Fehler bezahlen werden. Es müssen rasch Entscheidungen zu Transparenz, globalen Regulierungsstandards in Bezug auf eine grenzübergreifende Aufsicht und Krisenmanagement getroffen werden.
Es darf nicht zugelassen werden, dass staatliche Beihilfen einzelner Länder den wirtschaftlichen Wettbewerb verzerren, zum Beispiel durch Diskriminierung zu Gunsten von Filialen derjenigen Banken, die einer Zentralbank in einem anderen Mitgliedstaat der Union gehören. Allerdings sollte es darüber hinaus auch keine unverhältnismäßig hohen Liquiditätsströme von Filialen zu ihren Muttergesellschaften geben. Ich bin für eine rasche Verschärfung der Vorschriften für Rating-Agenturen und ihre Aufsicht. Des Weiteren brauchen wir eine schnelle Entscheidung über Vorschriften zur Sicherheit von Spareinlagen, um die Verbraucher besser zu schützen.
José Manuel García-Margallo y Marfil (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte die Punkte nennen, in denen ich mit der Präsidentschaft einer Meinung bin bzw. nicht einer Meinung bin. Darüber hinaus möchte ich erwähnen, was meines Erachtens in der Rede der Präsidentschaft gefehlt hat.
Ich stimme zu, dass der Ursprung der Krise nicht auf die Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten begrenzt ist. Ich schließe mich dem Grundsatz dessen an, was Alan Greenspan nun als Stadium des „irrationalen Überschwangs“ bezeichnet. Auch ich vertrete die Ansicht, dass die Märkte aufgrund eines Versagens der Regulierung versagt haben, und dass die Regierungen ihnen rettend unter die Arme greifen mussten. Ich stimme ferner zu, dass dies eine globale Krise ist, und bin daher auch der Meinung, dass wir ein Bretton-Woods-Abkommen brauchen, das manche Mark II und andere Mark III nennen. Präsident Sarkozys Verweis auf das derzeitige System erinnert mich wirklich sehr stark an das, was General de Gaulle tat, bevor das erste Bretton-Woods-Abkommen scheiterte, und an die „Aufgabe“ von Fort Knox, als Präsident Nixon beschloss, die Einlösegarantie von US-Dollar gegen Gold aufzuheben.
Aus diesem Grund müssen wir eine europäische Diplomatie schaffen, eine Diplomatie des Euro, bei der Europa mit einer Stimme spricht und „vor seiner eigenen Haustür kehren muss“. Allerdings bedeutet „vor seiner eigenen Haustür zu kehren“, die Finanzmärkte weiterzuentwickeln – in diesem Fall die Retail-Märkte, damit sie einen angemessenen Umfang erreichen – und über einen regulatorischen Rahmen nachzudenken.
Was die Europäische Zentralbank anbelangt, so denke auch ich, dass sie gute Arbeit geleistet hat. Sie hat schnell gehandelt, aber auch Fehler gemacht. Sie hat die Vorschriften über Laufzeiten und Garantien dreimal geändert, obgleich Banken für ihr Finanzierungsgeschäft Sicherheit brauchen.
Zweitens ist die Geldpolitik – der Kreditgeber in letzter Instanz – noch immer zentralisiert. Die Bankenaufsicht hingegen ist nach wie vor dezentral geregelt.
Herr Präsident, ist nun nicht die Zeit gekommen, zu entscheiden, ob wir Artikel 105 des Vertrags ausbauen wollen, der der Europäischen Zentralbank größere Aufsichtsbefugnisse verleiht?
Ich befürworte das Thema der wirtschaftlichen Governance voll und ganz. Während wir diesen ideologischen Tanz veranstalten, sollten wir uns ins Gedächtnis rufen, was Marx einst sagte: Wenn sich die wirtschaftlichen Strukturen ändern, müssen sich auch die übergeordneten politischen Strukturen ändern.
Wir haben Maastricht beschlossen, aber die institutionelle Architektur nicht angepasst.
Vor Lissabon müssen wir festlegen, mit welchen Formeln wir in dieser Frage weiterkommen.
Drittens, was sehr wichtig ist, habe ich eine sehr spezielle Bitte. Die Finanzwirtschaft muss der Realwirtschaft entgegengestellt werden. Herr Präsident, scheiden Sie nicht aus dem Amt, ohne die Kommission vorher mit der spezifischen Aufgabe der Ausarbeitung einer Lissabon+-Agenda zu betrauen, die am 1. Januar 2011 in Kraft treten und eine Revision der finanziellen Rahmenbedingungen beinhalten muss.
Ich möchte noch auf einen letzten Punkt eingehen. Was das ideologische Thema anbelangt, sagte Unamuno – ein spanischer Philosoph – einst, dass er bei der Verteidigung der Kirche kirchenfeindlich war. Ich bin gegen eine völlige Deregulierung des Marktes. Ich glaube, dass die Präsidentschaft und ich uns diesbezüglich einig sind.
Poul Nyrup Rasmussen (PSE). - Herr Präsident! Diese Krise hätte man vermeiden können: Sie ist kein unvermeidliches Naturgesetz. Das ist eine lange Geschichte, und ich habe keine Zeit, im Detail darauf einzugehen, aber fürs Erste ist eines sicher: Wir müssen aus unserer Erfahrung lernen und gemeinsam handeln. Wir müssen die Dynamik aufrechterhalten.
Präsident Sarkozy, Sie sind so voller Energie, behalten Sie diese bei, denn so dringend es war, die Kernschmelze unserer Banken zu verhindern, so dringend ist es nun, besser zu regulieren und zu vermeiden, dass diese Rezession anhält. Ich appelliere heute an Sie und auch an den Präsidenten der Kommission, folgende Verpflichtungen einzugehen.
Erstens: Machen Sie uns ein vorweihnachtliches Geschenk, Präsident Barroso – legen Sie konkrete Vorschläge über neue und bessere Regulierungen vor. Ich bin mir sicher, dass der amtierende Ratspräsident, Präsident Sarkozy, mit mir einer Meinung war, als er Sie darum bat, sich heute dazu zu verpflichten, auf diesen Bericht des Europäischen Parlaments mit dem folgenden konkreten Vorschlag zu antworten: Es geht nicht allein um die Regulierung der Banken, sondern auch um die Regulierung der Hedge-Fonds und des privaten Beteiligungskapitals. Das ist die erste Verpflichtung.
Präsident Sarkozy, ich habe mich so gefreut, als Sie in Camp David gleich zu Beginn diese einfache Tatsache erwähnten, denn Hedge-Fonds und Private-Equity-Firmen versuchen nun, uns weiszumachen, dass sie nichts mit der Finanzkrise zu tun haben. Das ist einfach nicht wahr. Sie arbeiten schon seit vielen Jahren mit übermäßig hohem Fremdkapital und Gier, also versprechen Sie mir heute bitte, dass alle Akteure reguliert werden müssen; andernfalls lernen wir nicht aus unserer Erfahrung.
Zweitens: Ich könnte eine Menge Details anführen, aber ich möchte lediglich eine Antwort des Kommissionspräsidenten Barroso – bitte verpflichten Sie sich dazu, sich für die Vorschläge des Parlaments zur Regulierung des Markts einzusetzen.
Der letzte Punkt geht an die Adresse von Präsident Sarkozy. Sie und ich – und wir alle – halten dies für eine schicksalhafte Zeit für die Europäische Union. Lassen Sie bei den normalen Bürgern nicht den Eindruck entstehen, dass die Europäische Union nicht imstande ist, eine Rezession zu vermeiden, die Millionen und Abermillionen unschuldiger Arbeitnehmer trifft. Deshalb möchte ich wiederholen, was Sie selbst gesagt haben: Handeln wir gemeinsam. Mir liegen Berechnungen vor, und ich denke, wir sollten die Kommission um eine Bestätigung bitten: Präsident Sarkozy, wenn wir gemeinsam handeln und in den kommenden vier Jahren jährlich nur 1 % mehr in Infrastruktur, Bildung, Arbeitsmarktpolitik und Privatwirtschaft investieren, dann werden wir 10 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Ich denke, dies ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt, und ich hoffe aufrichtig, dass Sie, Präsident Sarkozy, sich dazu verpflichten werden, dies bis Dezember umzusetzen. Jetzt oder nie.
Annemie Neyts-Uyttebroeck (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, Herr Sarkozy! Ich habe im Ausschuss für außenpolitische Angelegenheiten bereits zweimal Gelegenheit gehabt, zu erwähnen, wie sehr ich Ihr Handeln während der Krise zwischen Russland und Georgien bewundere, und heute sage ich das noch einmal. Ebenso bewundere ich Ihr Handeln in Bezug auf die Finanzkrise und die wirtschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringt.
Was Russland anbelangt, so möchte ich jedoch sagen, dass ich nicht gerade beruhigt bin, wenn ich in den Schlussfolgerungen des Rates lese, dass offensichtlich beschlossen worden ist, die Verhandlungen über einen neuen Pakt oder ein strategisches Bündnis mit Russland fortzuführen – gleich, was durchsickert, auch wenn die Schlussfolgerungen des Rates und der Kommission berücksichtigt werden. Ich halte dies in keinster Weise für beruhigend, denn wenngleich ich einerseits – wie Sie, Herr Präsident – davon überzeugt bin, dass wir unsere Beziehungen zu Russland fortführen müssen, denke ich nicht, dass wir ihnen den Eindruck vermitteln sollten, dass nichts geschehen ist und alles seinen gewohnten Gang geht. Ich bin mir sicher, dass Sie das nicht tun werden.
Sie werden Russland, wenn Sie zum Gipfel nach Moskau reisen, wahrscheinlich klar sagen wollen, dass sicher nicht alles so weiterlaufen wird wie bisher und wir diesbezüglich äußerst wachsam sein werden. Darum bitte ich Sie nun im Namen meiner Fraktion.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Robert Gwiazdowski, ein Experte am Adam Smith Institut, hat nachweislich geschrieben, dass Monty Kaczyńskis Fliegender Zirkus von Brüssel zurückgeflogen ist, dass man jedoch gar nicht weiß, weshalb er überhaupt dort hingeflogen ist. Die Kosten für die polnischen Steuerzahler, ihren Präsidenten nach Brüssel zu schicken, beliefen sich auf rund 45 000 Euro. Herr Präsident, ich möchte Ihnen gerne folgende Frage stellen. Warum gestatteten Sie es einem Politiker, der kein Mitglied der polnischen Regierungsdelegation war, sich an den Debatten zu beteiligen? Niemand weiß wirklich, was diese Person dort zu suchen hatte. Darüber hinaus erhielt Herr Kaczyński beträchtliche Unterstützung extremistischer Gruppierungen in Polen. Diese Gruppierungen könnte man sogar als fanatisch beschreiben. Des Weiteren kann Herr Kaczyński, soweit ich weiß, nur polnisch sprechen. Er ist unfähig, seine Gedanken in irgendeiner Fremdsprache auszudrücken. Ich wüsste daher wirklich gerne, wie Sie es geschafft haben, mit ihm zu reden, Herr Präsident. Würden Sie dem Plenum bitte erklären, was genau Herr Lech Kaczyński auf dem Gipfel des Europäischen Rates zu suchen hatte und was Sie mit ihm persönlich besprochen haben?
Hans-Peter Martin (NI). – (DE) Herr Präsident! Von der Globalisierungsfalle, le piège de la mondialisation, sprechen wir seit zwölf Jahren, und jetzt ist sie zugeschnappt. Ich möchte Ihnen einen konkreten Vorschlag machen, Herr Ratspräsident! Richten Sie einen Lehrstuhl für die Geschichte des Finanzmarktes ein! Lassen Sie genau erforschen, wie es dazu gekommen ist, dass wir stehen, wo wir heute stehen! Im Geiste dessen, was Martin Schulz gesagt hat: „Never more!“, wobei er wohl meinte: „Never again!“, so etwas darf nie wieder passieren. „Never more“ würde ja heißen: Wieder einmal bis dorthin! Das darf es nicht geben!
Genau aus diesem Lehrstuhl heraus könnte erarbeitet werden, was die Schuld der Konservativen, getrieben von einem übertriebenen US-Neoliberalismus, aber auch was die Schuld der Sozialdemokraten war, nämlich nicht intensiv genug auf sozialen Ausgleich gedrängt zu haben. Nutzen Sie die Chance, lernen Sie aus der Geschichte, damit wir dann eine kühne soziale europäische Demokratie wagen können und uns nicht zufriedengeben mit den Kleinigkeiten, die uns angeblich der Lissabon-Vertrag gebracht hätte – was nicht einmal stimmt!
Margie Sudre (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Der Konflikt zwischen Georgien und Russland und die Finanzkrise waren Gelegenheiten für die Europäische Union, sich auf der Weltbühne als vollwertiger und erstrangiger politischer Akteur zu zeigen.
Dank Ihrer Entschlossenheit, Herr Sarkozy, ist es Europa gelungen, gemeinsam koordinierte, effektive und schnelle Antworten zu finden. Angesichts der Krise hat Europa gezeigt, dass es tatsächlich existiert, und es hat seinen Mehrwert unter Beweis gestellt.
So war beispielsweise in Bezug auf die Zuwanderung der Grundsatz „Jeder ist sich selbst der Nächste“ nicht länger in Mode. Die Annahme des Pakts zu Einwanderung und Asyl durch den Europäischen Rat, der von der französischen Präsidentschaft angestoßen wurde, ist ein beträchtlicher Schritt nach vorn.
Im Hinblick auf den Kampf gegen den Klimawandel muss sich Europa selbst konkrete Ziele setzen und seinen globalen Partnern den Weg weisen. Sie haben bereits über dieses Thema gesprochen, Herr Sarkozy, aber wir hoffen, dass dieses Abkommen so ausgewogen sein wird wie möglich, denn es muss die wirtschaftliche Lage unserer Länder berücksichtigen, die derzeit sehr instabil ist. Allerdings müssen wir uns auch mit der Frage beschäftigen, welche Art Wachstum wir uns für die Zukunft wünschen.
Um den sich den künftigen Herausforderungen stellen zu können, braucht die Europäische Union den Vertrag von Lissabon nun mehr denn je. Wir verstehen die Sorgen der Iren, aber die Beibehaltung des Status Quo ist keine Option. Irland muss im Europäischen Rat vom Dezember eine Lösung vorschlagen: Viele von uns fordern dies.
In den letzten Wochen haben wir mit Stolz auf ein starkes politisches Europa geblickt, das in der Not zusammenhält, das gegenüber seinen Partnern geschlossen auftritt und auf internationaler Ebene Gehör findet. Wir hoffen, dass diese neue europäische Mentalität zur Regel werden und anhalten wird. Der Vertrag von Lissabon ist die beste uns zur Verfügung stehende Lösung, um dies zu erreichen.
Martin Schulz (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich weiß nicht, welcher Punkt der Geschäftsordnung mir das Recht gibt, das Wort zu ergreifen, aber ich danke Ihnen, dass Sie mir die Gelegenheit dazu gegeben haben.
Präsident Sarkozy, ich dachte, dass Sie hier in Ihrer Funktion als Präsident des Europäischen Rats gesprochen haben, und ich habe in meiner Funktion als Fraktionsvorsitzender im Europäischen Parlament geantwortet. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich mich an den Präsidenten der Französischen Republik gerichtet habe. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Rede in diesem Fall ganz anders ausgefallen wäre, denn es gibt keine Unterschiede zwischen mir und meinen französischen sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen.
Nicolas Sarkozy, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Zunächst war es völlig selbstverständlich, dass Herr Schulz geantwortet hat. Wie ich es verstanden habe, hat er dies für sich getan. Lieber Martin, wenn ich Sie verletzt habe, indem ich Sie mit einem französischen Sozialisten verglichen habe, tut mir das Leid.
(Beifall)
Ich habe das nicht als Beleidigung gesehen, aber ich gebe offen zu, dass es darauf ankommt, was der Betroffene denkt. Deshalb, Herr Pöttering, ziehe ich meine Bemerkung zurück. Herr Schulz ist ebenfalls in der Lage, wie ein französischer Sozialist zu sprechen.
Herr Nassauer, vielen Dank für Ihre Unterstützung. Ja, wir brauchen den Vertrag von Lissabon und ich werde ehrlich gesagt bis zur letzten Minute der französischen Präsidentschaft dafür kämpfen, die Menschen von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass Europa Institutionen für das 21. Jahrhundert braucht. Ein Politiker ist eine Person, die Verantwortung trägt. Ich habe den Lissabon-Prozess unterstützt, und ich werde dafür kämpfen, sicherzustellen, dass der Lissabon-Prozess abgeschlossen wird. Eines möchte ich nochmals wiederholen: Wenn wir den Vertrag von Lissabon nicht haben, gilt der Vertrag von Nizza, und wenn der Vertrag von Nizza gilt, gibt es keine neuen Erweiterungen mehr, was äußerst bedauerlich wäre. Hoffen wir also, dass jeder seine Verantwortung übernimmt.
Herr Nassauer, ich stimme Ihnen zu, dass es in Bezug auf das Klimapaket noch viel zu tun gibt. Ich bin mir dessen wohl bewusst, doch wir dürfen unsere Ambitionen nicht zurückschrauben, denn ich bin davon überzeugt, dass es einfacher ist, einen Kompromiss zu einem anspruchsvollen Ziel zu finden als zu einem weniger anspruchsvollen. Bei einem wirklich ehrgeizigen Vorschlag wird die Kompromissbereitschaft höher sein als bei einem weniger ehrgeizigen Vorschlag, und es wäre ein Fehler, wenn wir in dem Versuch, es jedem Recht zu machen, am Ende mit einer völlig unverständlichen europäischen Politik daständen. Wir müssen uns dieser Gefahr bewusst sein.
Herr Goebbels, Sie haben über Klempnerarbeiten und Architektur gesprochen, und ich zähle wirklich auf die Unterstützung Luxemburgs, damit die Finanzarchitektur sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres Kontinents grundlegend neu gestaltet werden kann.
Herr Goebbels, das soll keine Kritik sein und schon gar kein Angriff: Es ist lediglich ein Kommentar.
Frau De Sarnez hat das sehr gut ausgedrückt: Wir können nicht außerhalb unseres Kontinents gegen bestimmte Praktiken kämpfen und diese in Europa tolerieren. Das ist alles. Wer denkt, ich hätte ihn oder sie im Visier, nimmt wirklich zu viel an; ich habe niemanden speziell im Visier und würde das nicht im Traum wagen.
Frau De Sarnez, vielen Dank für Ihre Einschätzung, dass wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Ich persönlich möchte anmerken, dass ich Ihren Vorschlag über eine europäische Regulierungsbehörde unterstütze, denn das macht wirklich Sinn. Warum können wir das nicht gleich auf den Weg bringen? Nun, gewisse kleinere Länder denken, dass sie durch die Verteidigung ihres eigenen Regulierungssystems ihre nationale Identität verteidigen. Ich mache niemandem einen Vorwurf. Aus diesem Grund, Frau De Sarnez, vertrete ich die Ansicht, dass wir am Ende eine europäische Regulierungsbehörde brauchen, und dass wir bis dahin zumindest für eine Koordination zwischen den einzelnen Regulierungsbehörden in Europa sorgen müssen. Das ist der Weg, den wir und die Kommission vorschlagen, und ich denke, dass dies der einzig realistische Weg ist, denn andernfalls werden wir in eine Sackgasse geraten.
Sie haben auch die Notwendigkeit einer europäischen wirtschaftlichen Governance und eines europäischen Wirtschaftsprogramms erwähnt. Sie haben hiermit völlig Recht, doch ich möchte im Zusammenhang mit Ihrer Rede die Behauptung – die nicht Sie aufgestellt haben – bestreiten, dass jede europäische Wirtschaftsinitiative unweigerlich zu einem höheren Defizit führt. Ich sage es mit Nachdruck: Es reicht nun wirklich. Wir haben das Recht, frei zu sprechen. Es ist durchaus möglich, eine europäische Wirtschaftspolitik zu befürworten, ohne ein höheres Defizit gutzuheißen, und wir werden die europäische Politik nicht durch einen Aufschwung auf Anforderung koordinieren können.
Wir – ich sage nicht „Sie“ – dürfen uns nicht gegenseitig das Wort im Munde herumdrehen, wie wir es zu Beginn des Tages mit denjenigen gemacht haben, die es gewagt haben, eine Meinung zur Geldpolitik zu haben: Es ist möglich, eine andere Geldpolitik zu befürworten, ohne die Unabhängigkeit der EZB infrage zu stellen. Ich sage ganz klar: Es ist möglich, für eine europäische strukturelle Wirtschaftspolitik zu sein, ohne für ein höheres Defizit zu sein. Hören wir auf, zu sagen, dass manche Recht haben und andere nicht. Im Gegenteil, die europäische Debatte muss eine echte Debatte sein, und niemand hat ein Monopol auf die Wahrheit.
Gelegentlich müssen wir Abstand gewinnen – und das ist möglicherweise der einzige Punkt, in dem ich mit Herrn de Villiers einig bin. Wir müssen uns manchmal von den Dogmen distanzieren, die der Idee von Europa so sehr geschadet haben, Dogmen, die umso weniger legitim sind, als sie häufig nicht aus Entscheidungen resultieren, die von demokratischen und damit legitimen Gremien getroffen wurden. Mein eigenes europäisches Ideal ist stark genug, damit die europäische Demokratie eine echte Demokratie sein kann. Gruppendenken, Dogmen, Gewohnheiten und Konservatismus haben großen Schaden angerichtet, und ich werde die Gelegenheit ergreifen, um in einem anderen Zusammenhang noch mehr dazu zu sagen.
Herr Szymański, ich möchte sagen, dass ich die Probleme Polens voll und ganz verstehe, insbesondere die Abhängigkeit von bis zu 95 % seiner Wirtschaft von Kohle, aber ich denke, dass Polen Europa braucht, um seine Bergbauindustrie zu modernisieren. Zudem können wir mit Polen problemlos zu einer Einigung über saubere Kohle kommen. Zudem braucht Polen zur Modernisierung seiner Bergbauindustrie ganz Europa. Wir brauchen Polen und Polen braucht Europa. Auf dieser Grundlage werden wir zusammen mit Herrn Barroso versuchen, einen Kompromiss mit unseren polnischen und ungarischen Freunden sowie einigen derjenigen zu finden, die Bedenken bezüglich ihres Wachstums haben.
Herr de Villiers, ich habe, wie Sie sagen, die Dogmen umgestürzt, weil ich an den Pragmatismus glaube, aber ehrlich gesagt schreibe ich dem Vertrag von Lissabon keine Mängel zu, die er gar nicht aufweist. Ich befinde mich in einer Position, in der ich weiß, dass der Vertrag von Lissabon kein Wunderwerk ist. Er ist nicht perfekt, aber außer der Vendée, Herr de Villiers, gibt es keine Perfektion, insbesondere dann nicht, wenn wir 27 Länder mit unterschiedlichen Regierungen und einer unterschiedlichen Geschichte zusammenbringen. Sie müssen die Idee eines idealen Vertrags aufgeben – Sie wissen sehr gut, dass es einen solchen niemals geben wird. Europäer sind Pragmatiker, vernünftige Menschen, die einen nicht ganz perfekten Vertrag, der für Verbesserungen sorgt, einem perfekten Vertrag vorziehen würden, den es niemals geben wird, denn es wird nie zu einer Einigung über diese nicht greifbare Idee kommen.
Genau darum geht es in Europa: Jeden Tag Fortschritte erzielen, denn wir wollten Kriegen ein Ende setzen und eine demokratische Zone schaffen. Herr de Villiers, ich denke, Sie sollten sich auf einen anderen Kampf konzentrieren. Dieser scheint darin zu bestehen, dass Sie einen imaginären Feind schaffen, obwohl es in der derzeitigen Krise recht offensichtlich ist, dass die Menschen in Europa verstehen, dass Zusammenarbeit stark macht und keine Schwäche ist. Selbst jemand, der so stark und talentiert ist wie Sie, wird im Alleingang nichts gegen die Finanzkrise ausrichten können. Es wäre besser, einen ordentlichen Kompromiss mit ganz Europa zu erreichen, als allein in einer Ecke zu sitzen und zu wissen, dass Sie Recht haben.
Zum Thema „freie Hand“, Herr de Villiers, gilt meine Antwort Ihnen. Es ist die Antwort eines freien Mannes, noch dazu in der französischen politischen Debatte. Und ich denke, dass für uns am wichtigsten ist, mit dem Schwafeln aufzuhören. Meines Erachtens können von aufrichtigen Leuten, die sich für ihre Ideen einsetzen, gute Kompromisse erreicht werden. Das Problem der europäischen politischen Debatte ist ein Mangel an Ideen, der uns alle betrifft, alle Fraktionen quer durch die Bank, als ob uns der Gedanke lähmen würde, etwas Neues zu erdenken. Wenn sich Europa vorwärts bewegt hat, dann lag das daran, dass Frauen und Männer zu einem bestimmten Zeitpunkt neue Wege gegangen sind, und wir alle sollten die Selbstkritik üben, für die Sie plädiert haben. Wir in Europa haben seit langem gehandelt, als wären wir unbewegliche Objekte. Wir folgten den Gründervätern, aber nicht ihrem Beispiel: Wir haben keine neuen Wege beschritten und auch keine neuen Ideen vorgelegt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir an dieser Stelle etwas Vorstellungskraft brauchen, denn letztendlich besteht das größte Risiko darin, heute nichts zu tun und nicht entschlossen zu handeln, wenn wir vor einer völlig neuen Situation stehen.
Herr Kozlík, Transparenz ist absolut entscheidend. Was die Rating-Agenturen anbelangt, so denke ich, dass das Verhalten der Rating-Agenturen der skandalöseste Teil der Krise war. Diese Agenturen stuften Produkte am Freitag mit „AAA“ ein und am Montag darauf nur noch mit „BBB“. Es darf in Zukunft kein Monopol von drei Rating-Agenturen mehr geben, von denen zwei aus Amerika stammen. Das Problem der Rating-Agenturen, ihrer Unabhängigkeit in Bezug auf bestimmte Gruppen und einer europäischen Rating-Agentur wird mit Sicherheit eines der wichtigsten Themen auf dem ersten Gipfel über die künftige Regulierung sein. Zum Thema Wettbewerb möchte ich Ihnen – all denen unter Ihnen, die über Wettbewerb gesprochen haben – sagen, dass ich an den Wettbewerb glaube. Ich habe aber genug von Leuten, die ihn zum Selbstzweck machen, obgleich er in Wahrheit lediglich ein Mittel zum Zweck ist. Wettbewerb ist ein Mittel für Wachstum; er ist kein Selbstzweck, und ich werde alles unternehmen, um dieses Konzept wieder in die neue europäische Politik einzubringen.
Ich glaube an die Freiheit, an den freien Handel und daran, dass wir den Protektionismus ablehnen sollten, aber der Wettbewerb muss ein Mittel für Wachstum sein. Der Wettbewerb als Ziel, als Selbstzweck ist ein Fehler: Ich habe vor der Krise so darüber gedacht, und das hat sich nach der Krise nicht geändert.
Herr García-Margallo, Sie haben Recht damit, dass wir ein neues Bretton-Woods-Abkommen brauchen, denn es gibt, wie Herr Daul und Herr Schulz gerade gesagt haben, keinen Grund für einen internationalen Gipfel, wenn wir nur Pflaster auf Wunden kleben. Wenn wir nur das halbe System ändern, ist es die Sache nicht wert.
Sie haben Rechnungslegungsstandards erwähnt, aber werfen Sie nur einmal einen Blick auf unsere Banken. Zunächst ist die Diktatur der US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards nicht länger hinnehmbar. Zweitens hängt der Betrag, den Banken vergeben können, von ihrer Eigenkapitaldecke und ihren Aktiva ab. Wenn wir die Aktiva auf der Basis des Marktbewertungsansatzes betrachten, auf der Grundlage eines Marktes, den es nicht mehr gibt, der vollkommen destabilisiert wurde, dann machen wir die Banken arm, und sie sind folglich noch weniger in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Frage der Änderung der Rechnungslegungsstandards, die von dem Kommissionspräsidenten aufgeworfen wurde, hatte unsere volle Unterstützung – diese Angelegenheit war dringend. Herr Präsident, ich möchte zudem dem Europäischen Parlament meine Anerkennung für die Bereitschaft aussprechen, für diese Änderung zu stimmen: Mit erstaunlichem Tempo haben wir eine Einstimmigkeit im Mitentscheidungsverfahren erreicht, was von dem Europäische Rat begrüßt wurde.
Herr Rasmussen, hätten wir die Krise verhindern können? Bevor wir darüber entscheiden können, müssen wir uns über die Gründe einig sein. Was ist geschehen? Die Vereinigten Staaten von Amerika, unsere Verbündeten und Freunde, haben in den letzten drei Jahrzehnten über ihre Verhältnisse gelebt. Die Federal Reserve Bank verfolgte eine Geldpolitik, bei der die Zinsen außergewöhnlich niedrig gehalten wurden, sodass jeder, der wollte, einen Kredit bekam. In den vergangenen 20 oder 30 Jahren haben wir die immensen Schulden der größten Weltmacht mit uns herumgeschleppt, und nun muss die ganze Welt für diese Schulden aufkommen.
Unter diesen Umständen müssen die Amerikaner ihre Verantwortung übernehmen und gemeinsam mit uns die Konsequenzen tragen, aber ich sehe nicht, wie wir ihnen von uns aus hätten sagen können, dass sie diese Strategie aufgeben müssen. Ich möchte hinzufügen, dass einige unserer Banken ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen: Aufgabe einer Bank ist es, Privatpersonen und Unternehmen Geld zu leihen, Privatkunden bei der Familiengründung zu unterstützen und Unternehmen beim Ausbau ihrer Projekte behilflich zu sein, und dann nach einer bestimmten Zeit Gewinne zu realisieren. Unsere Banken haben die so genannten Handelsräume geschaffen, Orte der Spekulation, und sie sind seit Jahren der Ansicht, dass es einfacher ist, Geld mit Spekulation als mit Investitionen zu verdienen.
Ich möchte hinzufügen, dass die Risiken auf Gegenseitigkeit beruht und sich alle unsere Banken daher gut benommen haben. Es gibt 8 000 Banken in Europa, von denen 44 international tätig sind. Wenn wir es zugelassen hätten, dass Banken Insolvenz anmelden, wie es in den USA mit Lehman Brothers der Fall war, wäre das gesamte System kollabiert. Ich weiß nicht, wie wir die Krise hätten verhindern können, Herr Rasmussen, doch ich denke, wenn wir nicht so reagiert hätten, wie wir reagiert haben, hätte uns die Krise vernichtet: Davon bin ich felsenfest überzeugt.
Sie sagen, dass wir vor Weihnachten Vorschläge brauchen, aber eigentlich brauchen wir sie vor Mitte November. Ich beabsichtige tatsächlich, gemeinsam mit Präsident Barroso Initiativen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass wir als Europäer mit einer Stimme auf dem Gipfel auftreten. Hiermit versuche ich noch etwas anderes, Herr Rasmussen: Wir dürfen uns nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, sondern auf den größten – denn jeder Konsens birgt das Risiko, dass wir unsere Ambitionen zurückschrauben, wenn wir versuchen, eine künstliche Einigung zu erzwingen. Das ist ein Risiko. Ich hoffe, dass wir ehrgeizig bleiben und unsere Ambitionen nicht zu sehr zurückschrauben, dabei aber dennoch mit einer Stimme sprechen.
Ich möchte nicht weiter auf die Hedge-Fonds eingehen; ich habe ja bereits gesagt, dass sie reguliert werden müssen. Kein Finanzinstitut, sei es öffentlich oder privat, sollte einer Regulierung entgehen können.
Frau Neyts-Uyttebroeck, Sie haben gefragt, ob wir ungeachtet der Vorfälle weiter Gespräche mit Russland führen werden. Natürlich nicht, aber versetzen Sie sich einmal in unsere Lage. Russland stoppte seine Panzer 40 km vor Tiflis, wie wir in Europa es gefordert haben. Russland zog seine Truppen hinter die Grenzen zurück, die vor der Krise vom 8. August bestanden. Russland ließ den Einsatz von Beobachtern zu, vor allem aus Europa, und Russland beteiligt sich, wenn auch eher ungern, an den Genfer Gesprächen. Wenn wir angesichts dessen den EU-Russland-Gipfel dennoch absagen, wer kann dann noch die Politik Europas verstehen? Niemand.
Ich möchte hinzufügen, dass wir gemeinsam mit Präsident Barroso umsichtig gehandelt haben, indem wir den Gipfel nicht abgesagt, sondern verschoben haben. Worin besteht der Unterschied? Wenn wir entschieden hätten, den Gipfel abzusagen, hätte es einer einstimmigen Entscheidung des Europäischen Rats bedurft, um die Gespräche wieder aufzunehmen, was meiner Ansicht nach in politischer Hinsicht peinlich gewesen wäre. Die Entscheidung, den Gipfel zu verschieben, ermöglicht es uns, die Gespräche wieder aufzunehmen, ohne unverdiente goldene Sterne verteilen zu müssen. Aus diesem Grund denke ich, dass diese Strategie Gelassenheit, Ruhe und Klarheit ausstrahlt. Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas anderes hätten tun können, und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Russland ein Partner sein wird, mit dem wir einen Dialog führen und offen sprechen können, doch wir können die Russen nur zu Entwicklungen ermutigen, wenn wir mit ihnen sprechen. Wenn wir andererseits nicht miteinander sprechen, wird Russland das Gefühl bekommen, umzingelt zu sein, und unsere Ideen werden weniger Einfluss haben. Ich bin davon überzeugt, doch natürlich kann es sich durch künftige Ereignisse herausstellen, dass ich falsch liege. Es geht daher um die Übernahme unserer Verantwortung.
Herr Wojciechowski, es obliegt dem amtierenden Präsident des Rates nicht, zu entscheiden, wer Polen vertreten sollte. Polen hatte zwei Sitze im Europäischen Rat, und Polen konnte entscheiden, wer sie bekommen sollte. Stellen Sie sich ein Europa vor, in dem der Präsident des Europäischen Rates bestimmt, wer hinein darf und wer nicht. Welche Art Europa hätten wir dann? Polen hat einen Präsidenten – den Sie offensichtlich nicht unterstützen – und es hat einen Premierminister; es obliegt ihnen, als Staatsmänner und Europäer zu handeln und zu entscheiden, wer Polen vertreten sollte. Letztendlich haben wir es geschafft, und Anfang Dezember werde ich die Gelegenheit haben, nach Polen zu reisen, wo ich dem polnischen Präsidenten Folgendes sagen werde: „Sie müssen Ihr Versprechen halten. Sie haben versprochen, den Vertrag von Lissabon zu unterzeichnen, den Ihr Parlament ratifiziert hat, und Sie müssen dieses Versprechen einhalten.“ Das ist die Glaubwürdigkeit eines Staatsmannes und Politikers.
(Beifall)
Ich glaube fest genug an Polens Bedeutung in Europa, um dies zu sagen, ohne irgendjemanden zu beleidigen.
Herr Martin, wir brauchen eine starke europäische Demokratie. Ich bin mir Ihrer Kampagne bewusst, Ihrer Kampagne gegen Korruption und für eine voll funktionierende Demokratie. Sie haben vollkommen Recht, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir mit Präsident Barroso gezeigt haben, dass wir entschieden sein können. Zudem gibt es sogar Abgeordnete in diesem Parlament, die dachten, dass ich ohne Mandat gehandelt habe. Wenn ich warten müsste, bis ich ein Mandat habe, um handeln zu können, würde ich sicher weit weniger auf die Beine stellen.
Frau Sudre, auch Ihnen vielen Dank für Ihre Unterstützung. Europa existiert nun einmal, und Sie haben durchaus Recht damit, dass der Status quo keine Option ist. Ich denke, darauf können wir uns alle einigen. Das schlechteste Ergebnis wäre, wenn wir, nachdem der Sturm vorüber ist, weitermachen würden, als ob nichts geschehen wäre. Das würde das Ende des europäischen Ideals bedeuten, und wir haben kein Recht, diese Möglichkeit ungenutzt zu lassen.
Nun, einige hier sind überrascht darüber, warum wir so schnell einen Gipfel abhalten. Jetzt kennen Sie den Grund dafür. Wir haben uns gesagt, dass sich die Situation weiter verschlechtern könnte und wir dann keine Antwort darauf haben, wenn wir zu lange warten – und wenn wir insbesondere warten, bis dass der neue US-Präsident gewählt worden ist. Wenn sich die Lage andererseits verbessern würde, hätte jeder im nächsten Frühling das Ganze vergessen und es würde sich nichts ändern. Deshalb mussten wir den Gipfel, zumindest den ersten Gipfel, im November abhalten, ungeachtet des Zeitplans in den USA.
Meine Damen und Herren, ich denke, ich habe nun allen Rednern geantwortet. Ich muss mich außerdem an den Zeitplan der Präsidentschaft halten und bei der Pressekonferenz erscheinen, die ich zusammen mit dem Präsidenten der Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments geben muss. Sollte ich jemanden vergessen haben, möchte ich mich bei den anderen Rednern entschuldigen. Das liegt natürlich nicht daran, dass ich nicht will. Vielmehr wurde ich gebeten, mich an die für heute geplanten Termine zu halten. Ich habe mein Bestes versucht und natürlich werde ich Gelegenheit haben, im Dezember wieder hier im Parlament zu erscheinen, wenn Sie dies wünschen, um ausführlicher auf die Fragen der Redner einzugehen.
Der Präsident. - Herr Präsident des Europäischen Rates! Sowohl die Redebeiträge als auch jetzt der Beifall machen deutlich, dass Sie die Unterstützung des Europäischen Parlaments haben.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – Ich möchte nur kurz auf die Fragen antworten, die mir Herr Rasmussen gestellt hat. Auch ich muss Sie bitten, mich zu entschuldigen, denn ich muss auch zu dieser Pressekonferenz. Die Kommission wird von Kommissar Almunia vertreten.
Wie ich in meinen früheren Kommentaren sagte, wird bei unserer Untersuchung kein Bereich der Finanzmärkte ausgelassen. Ich möchte Ihnen wirklich für den Beitrag danken, den Sie persönlich – und viele Abgeordnete des Europäischen Parlaments – mit Ihrem Bericht geleistet haben. Wir werden alle diese Optionen prüfen. Wie Präsident Sarkozy eben gesagt hat, wollen wir bei dieser globalen Anstrengung die Führungsrolle übernehmen. Wir glauben, dass einige dieser Vorschläge, wie Sie gefordert haben, noch vor Weihnachten in Kraft treten können, aber manche sind in technischer Hinsicht sehr heikel. Wir werden eine Entscheidung treffen und in allen internationalen Debatten unseren Beitrag zu diesen Angelegenheiten leisten, aber meines Erachtens ist es auch wichtig, technisch ausgereifte Vorschläge vorzulegen. Ich bin mir sicher, Sie haben bemerkt, dass wir Ihnen alles, was mit dem ECOFIN-Rat vereinbart wurde – die finanzielle Roadmap – zur Verfügung gestellt haben. Es ist nicht ganz richtig, zu behaupten, wir hätten die Finanzdienstleistungen unter dieser Kommission nicht reguliert. Im Bereich der Finanzdienstleistungen sind seit Beginn dieser Kommission per Mitentscheidung oder Ausschussverfahren zweiunddreißig Legislativmaßnahmen angenommen worden, davon 19 durch Mitentscheidung. In den kommenden Wochen und Monaten werden noch einige hinzukommen, angefangen mit dem Vorschlag über Rating-Agenturen Anfang des kommenden Monats.
Lassen Sie mich zu den Rating-Agenturen ein Beispiel anführen. Wir müssen sehr offen darüber sprechen. Ich habe persönlich mehrmals mit diversen Regerungen über die Notwendigkeit der Regulierung von Rating-Agenturen gesprochen. Die Antwort war ein klares „nein“. Das ist die Wahrheit. Daher frage ich Sie – einige von denen, die die Kommission kritisieren: Vielleicht können Sie ein wenig Einfluss auf Ihre eigenen Regierungen oder Regierungsparteien ausüben. Das wäre wirklich hilfreich, denn in der Tat war vor einigen Monaten, als wir hierüber diskutiert haben – und in diesem Bereich war Kommissar McCreevy für eine Regulierung der Rating-Agenturen – der ehrgeizigste Vorschlag, den einige Regierungen in Erwägung zogen, ein Verhaltenskodex.
Sie können sagen, dass dies alles schön und gut ist und die Kommission das Recht hat, dies zu tun. Das stimmt, aber bei Finanzdienstleistungen liegen die Dinge – wie Sie wissen – anders als in vielen anderen Bereichen. Als wir uns in einer Krise befanden – deren Höhepunkt im September dieses Jahres erreicht war (wobei wir diese Roadmap seit August letzten Jahres hatten) – rieten uns viele in unseren Regierungen eindringlich dazu, keine Vorschläge vorzulegen, die die Alarmstufe erhöhen oder eine Art Alarmreflex auslösen können. Dies ist eine Angelegenheit, bei der die Kommission meiner Ansicht nach vorsichtig vorgehen muss. Bei den äußerst sensiblen Themen im Zusammenhang mit den Finanzmärkten darf es keine leeren Versprechen geben. Wir können nicht einfach nur Dinge verkünden. In dieser Frage ist es sehr wichtig, die Koordination von Parlament, Kommission und Rat sicherzustellen. Ich möchte sagen, dass wir in der Europäischen Kommission definitionsgemäß eine europäische Dimension der Regulierung und der Aufsicht befürworten. Ich sage dies sehr offen. Wenn die Kommission nicht oft Vorschläge gemacht hat, die Sie zu Recht vorgelegt haben, dann lag dies nicht immer daran, dass wir geschlafen haben oder aus ideologischer Sicht voreingenommen waren. Vielmehr lag es daran, dass die Analyse der Situation gezeigt hatte, dass die Chancen auf Erfolg gleich null oder fast gleich null waren. Ganz ehrlich, das ist etwas, was ich Ihnen einmal sagen wollte. Wir werden Zeit haben, uns mit allen Ursachen und allen Phasen dieses Prozesses zu befassen, aber ich halte es für wichtig, dass Sie dies in der Debatte wissen.
Offen gestanden vertraten noch vor zwei Wochen einige unserer Regierungen die Ansicht, dass wir keine europäische Reaktion brauchen. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass ich einen Artikel in der europäischen Presse veröffentlicht habe, in dem ich um eine europäische Reaktion bat – dafür plädierte, und einige unserer Regierungen meinten dazu: „Nein, wir können das auf nationaler Ebene regeln. Wir brauchen keine europäische Dimension.“ Versuchen wir also, gemeinsam zu handeln. Betrachten wir uns kritisch, das sollte jeder von uns tun, aber versuchen wir, eine allzu simple Reaktion auf ein äußerst komplexes Thema zu vermeiden. Wir sind bereit, mit dem Europäischen Parlament und dem Rat konstruktiv zusammenzuarbeiten, um gute Lösungen für Europa und möglicherweise den Rest der Welt zu finden.
(Beifall)
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
Gilles Savary (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich bedaure sehr, dass mir Herr Pöttering nicht das Wort erteilt hat, als ich es beantragt habe, denn ich habe ihn nur um das Recht auf Gegendarstellung gebeten, und ich hätte lieber geantwortet, solange der Ratspräsident noch anwesend war.
Ich bin über die Schuldzuweisungen der französischen Sozialisten, die wir hier gehört haben, erbost. Ich habe es wirklich noch nie erlebt, dass ein amtierender Ratspräsident eine Fraktion infrage gestellt hat. Ich habe es auch noch nicht erlebt, dass ein Präsident der Französischen Republik seine Landsleute auf einer internationalen Bühne wie dieser der Lächerlichkeit preisgibt. Das ist meines Erachtens eine Beleidigung, und ich hätte gerne eine förmliche Entschuldigung der französischen Regierung gehört.
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Robert Atkins (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ein Hinweis zur Geschäftsordnung. Wir haben hier erneut ein Beispiel für das erbärmliche Missmanagement der Angelegenheiten dieses Parlaments. Es ist wirklich Zeit, dass sich die Präsidentschaft zur Kenntnis nimmt, dass Abstimmungen auch zum angesetzten Zeitpunkt stattfinden sollten. Nichts und niemand ist wichtiger als die Ausübung unserer demokratischen Rechte während der Abstimmungen. Ich bitte Sie darum, der Präsidentschaft mitzuteilen, wie unsere Angelegenheiten geregelt werden, damit sie verbessert werden können, damit wir zum angesetzten Zeitpunkt abstimmen können und die Reden auf die entsprechende Länge beschränkt werden.
(Beifall)
Die Präsidentin. – Herr Atkins, wenn es Ihnen nichts ausmacht, werden wir die Aussprache nun fortsetzen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, sich genau an Ihre Redezeit zu halten. Seien Sie nicht überrascht, wenn ich Sie unterbreche.
Linda McAvan (PSE). - Frau Präsidentin! Es ist schade, dass der amtierende Ratspräsident bereits gegangen ist, denn ich hätte eine Botschaft an ihn, aber ich hoffe, dass sie Herr Jouyet entgegennehmen wird.
Was er heute Morgen über den Klimawandel gesagt hat, ist äußerst wichtig. Er hatte Recht, Herrn Nassauer daran zu erinnern, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, unsere Klimaschutzambitionen aufzugeben und die vorliegenden Vorschläge zu verwässern.
(Beifall)
Es hat eine riesige Lobby in diesem Parlament und im Rat gegeben. Dies hat lange vor dem Ausbruch der Finanzkrise in diesem Sommer begonnen, nämlich schon letztes Jahr. Kaum war die Tinte in Berlin trocken, versuchte man bereits, das Ganze zu verwässern.
Präsident Sarkozy bat um das Engagement des Parlaments. Er wird mehr als Engagement bekommen: Mitentscheidung. Ich weiß nicht, weshalb wir überhaupt über die Bedeutung der Mitentscheidung diskutieren: Ohne Mitentscheidung dieses Parlaments wird es kein Klimapaket geben.
Wir wünschen uns eine Einigung bis Weihnachten. Die PSE-Fraktion kann Ihnen dies versprechen. Was die andere Seite angeht, bin ich mir nicht sicher – vielleicht wird Herr Sarkozy seine Leute fragen. Die PSE-Fraktion wünscht sich eine Verpflichtung bis Weihnachten, aber keine x-beliebige Einigung. Wir wollen eine glaubhafte Einigung; eine Einigung, die ein Gleichgewicht zwischen Umwelt, Arbeitsplätzen und Wettbewerb schafft.
Wir wollen jedoch keine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Präsident Sarkozy hat uns gerade daran erinnert, was geschieht, wenn Sie sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufrieden geben. Wir wissen, dass einzelne Länder Probleme haben – und wir können darüber sprechen – doch wir brauchen ein Paket, das in den internationalen Gesprächen glaubhaft ist, nicht eines, das auf Ausgleichen in anderen Ländern basiert, denn das wäre kein glaubhaftes Paket, und auch keines, das das Emissionshandelsprogramm zerlegt und den Kohlepreis zerstört. Herr amtierender Präsident, ich hoffe, Sie werden diese Botschaften an Herrn Sarkozy weiterleiten.
Herr Nassauer sprach über die Kosten des Klimapakets. Heute buttern wir viele Milliarden in die Finanzkrise, die unsere Banken betrifft. Natürlich hat die Kommission die Kosten für das Paket ausgerechnet, aber ich möchte mich nicht in ein paar Jahren vor unseren Bürgern rechtfertigen und sagen müssen, dass wir weitere Milliarden aufbringen müssen, weil es uns nicht gelungen ist, hier und jetzt zu handeln. Was noch schwerer wiegt als die Kosten: Auch Menschenleben werden dem auf der ganzen Welt zum Opfer fallen. Alle Fraktionen dieses Parlaments sollten politischen Mut beweisen; wir sollten Fortschritte erzielen und die Einigung mit dem Rat noch vor Weihnachten, rechtzeitig für die internationalen Gespräche, erreichen.
(Beifall)
Margarita Starkevičiūtė (ALDE). - (LT) Ich möchte nur eines sagen. Der Präsident der Kommission sagte, dass die Reaktion der Europäischen Union auf die Krise unzureichend gewesen sei. Tatsächlich war die Reaktion stark; die Mitgliedstaaten haben reagiert, aber die europäischen Institutionen haben sich zu viel Zeit gelassen. Das hat sich in diesem Parlament heute bestätigt – als Herr Sarkozy ging, gingen auch alle Journalisten. Keiner hat Interesse an uns. Grund hierfür ist vor allem unsere Unfähigkeit, unsere Arbeitsweise zu reformieren. Sowohl in der Europäischen Kommission als auch im Europäischen Parlament gibt es brillante Leute, aber das bürokratische System bremst sämtliche Initiativen. Wir waren imstande, auf den Tsunami in Asien zu reagieren, aber morgen werden wir über einen Haushalt debattieren, der ohne Berücksichtigung der Tatsache aufgestellt worden ist, dass wir derzeit in Europa einen wirtschaftlichen Tsunami erleben. Wir könnten etwas tun, zum Beispiel andere Prioritäten für unseren Haushalt setzen. Wir könnten auch in unseren parlamentarischen Ausschüssen Prioritäten setzen, die uns helfen würden, diese Krise zu überstehen und die Erwartungen der Menschen zu erfüllen. Die Europäische Kommission sollte reformiert werden. Ich möchte betonen, dass die strategischen und die technischen Funktionen der Kommission getrennt werden sollten. Dann würde sie effektiver arbeiten.
John Bowis (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Dem inzwischen abwesenden amtierenden Präsidenten möchte ich Folgendes sagen: Sie haben heute Morgen eloquent über die Herausforderung für unsere wirtschaftlichen Zukunft gesprochen, welche zu Recht ganz oben auf unserer Tagesordnung steht, aber nicht weniger zu Recht und nicht weniger eloquent haben Sie auf dem Gipfel und auch heute wieder verdeutlicht, dass Sie beabsichtigen, den Zeitplan und die Ziele für den Kampf gegen den Klimawandel einzuhalten. Ihre Worte haben Hand und Fuß und sind genau richtig. Das Klimapaket ist, wie Sie gesagt haben, so wichtig, dass wir es nicht einfach unter dem Vorwand einer Finanzkrise aufgeben dürfen.
Es war sehr wichtig, dass Kanzlerin Merkel trotz der echten Probleme, die ihr Land und andere haben, klar gemacht hat, dass Deutschland die Umsetzung der Klimaschutzziele und eine Lösung vor dem Gipfel im Dezember befürwortet. Wenn das die Herausforderung ist, vor die Sie uns stellen, wird das Parlament meiner Ansicht nach effektiv und rechtzeitig reagieren.
Aber ich muss sagen, dass der Fokus nun auf dem Rat liegt. Um dies zu erreichen, müssen wir die Länder beruhigen, die echte Probleme haben, wie Polen mit der Kohle. Wir werden die Kriterien für die Regulierungserleichterungen klar festlegen müssen, die bekanntermaßen für eine begrenzte Liste von Branchen und Sektoren gelten werden, die unter echten Abwanderungsproblemen leiden. Des Weiteren müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass unsere Förderung der Biokraftstoffe im Straßenverkehr von der Erschließung nachhaltiger Quellen abhängt. Ohne dies könnten wir unserer Umwelt und den Lebensräumen von Menschen, Tieren und Pflanzen einen irreparablen Schaden zufügen.
Wir haben eine große Herausforderung angenommen, aber eine, die wir unbedingt meistern müssen. Gegen eine Umweltkatastrophe würden unsere derzeitigen wirtschaftlichen Probleme unbedeutend erscheinen.
Wie Präsident Sarkozy sagte, müssen die beiden Politiken Hand in Hand gehen. Aber wir müssen dafür sorgen – und der Präsident muss dafür sorgen –, dass das Parlament wegen der Unfähigkeit des Rates, seiner Führung zu folgen, nicht im Regen stehen gelassen wird.
Bernard Poignant (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich bin der erste französische Sozialist, der sich an dieser Aussprache beteiligt. Ich bedaure, dass der amtierende Ratspräsident gegangen ist, nachdem er kein Problem damit zu haben schien, über eine bedeutende Partei in seinem Land zu scherzen. Er hat jedes Recht dazu, aber er hat auch die Pflicht, hier zu bleiben, um sich die Antworten anzuhören: Das mache ich ihm zum Vorwurf. Gleichermaßen halte ich es nicht für gut, dass der amtierende Ratspräsident versucht, eine der größten Fraktionen im Parlament zu spalten. Herr Schulz hat ihm geantwortet. Wenn er über den französischen Sozialismus spottet, dann überlegen Sie einmal, auf wen er abzielt. Er vergisst dabei, dass der französische Sozialismus dafür sorgte, dass Europa François Mitterrand und Jacques Delors bekam...
(Beifall)
... und er vergisst, dass er, um sich in Europa Glaubwürdigkeit zu verschaffen, sogar zwei Sozialisten ausgeliehen hat, nämlich Bernard Kouchner und Jean-Pierre Jouyet.
Lena Ek (ALDE). - (SV) Frau Präsidentin! Zwei Dinge sind wichtig. Das erste ist die Finanzkrise. Es ist wichtig, dass wir aus Europa mit einer Stimme sprechen. Das letzte Mal, als wir gemeinsam mit den USA gegen eine Krise angekämpft haben, ging es um den Terrorismus. Wir haben zahlreiche Regelungen importiert, die uns nun aufgrund unserer europäischen Denkart in Bezug auf den Datenschutz äußerst fremd erscheinen. Wir benötigen eine europäische Herangehensweise an diese Krise, und daher brauchen wir gemeinsame Regelungen und Standards für Dinge wie Transparenz, Solidarität und Finanzinstrumente, die auf dem europäischen Markt zum Einsatz kommen. Der Stabilitätspakt wäre ein hervorragendes Werkzeug für diesen Zweck.
Das zweite ist das Klimapaket. Wir haben in den zwei wichtigsten Ausschüssen über das Klimapaket abgestimmt und uns mit großer Mehrheit auf eine Linie geeinigt, die den Vorschlag der Kommission unterstützt. Wir werden keinen Rückzieher im Hinblick auf die Ziele oder den Zeitplan machen. Wenn die Präsidentschaft wirklich so viel Wert sowohl auf die Ziele als auch auf den Zeitplan legt, werden wir auf die Nachricht warten, wann wir die Angelegenheiten gemeinsam konkret besprechen können. Was das Parlament anbelangt, werden wir unsere Mitentscheidungsbefugnis und das Mitentscheidungsverfahren innerhalb des institutionellen Gleichgewichts anwenden.
(Beifall)
Alexander Radwan (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Auch ich hätte lieber direkt zu Herrn Sarkozy und Herrn Barroso gesprochen, insbesondere weil ich den Präsidenten der Kommission ansprechen wollte, denn bei einigen Kommissaren waren wir ja in den letzten Jahren recht erfolglos.
Die Bürger erwarten, dass sich Europa um das Große kümmert und nicht um die Kleinigkeiten. Herr Schulz – der gerade den Saal verlassen hat – hat alle Konservativen in einen Topf geworfen. Die Menschen erwarten nicht Gängelung im Kleinen, sondern mehr Freiheit von Regulierung für den Mittelstand, für die Bürger, und bei großen Fragen Aktivitäten. Ich betone, das Europäische Parlament hat die Kommission bereits im Jahr 2003 aufgefordert, einen Vorschlag zu Rating-Agenturen vorzulegen. Erstaunlicherweise ist inzwischen das Wort Hedge-Fonds in der Kommission auch bekannt – sicherlich nicht bei allen Kommissaren. Der Kommissionspräsident geht inzwischen diesem Thema nach.
Herr Schulz hat es sich recht einfach gemacht, als er gemeint hat, es liege allein an den Konservativen. Es war der Rat, der über Jahre hinweg Fortschritte im Bereich der Aufsicht verhindert hat! Das waren die Finanzminister Eichel und Steinbrück! Ich möchte nur daran erinnern: Derjenige, der regelmäßig auf europäischer Ebene gebremst hat – ich bitte die Sozialisten, es ihrem Vorsitzenden auszurichten –, war Herr Koch-Weser, der inzwischen im Haus der Deutschen Bank relativ gut gelandet ist.
Wir erwarten von der Zukunft, dass Europa bei der Finanzmarktregulierung seine Wertvorstellungen und seine Prioritäten einbringt. Das heißt Nachhaltigkeit – nicht nur Risikomaximierung mit entsprechender Renditemaximierung. Das heißt Orientierung an den Grundsätzen, wie es ein mittelständisches Unternehmen machen würde. Das ist etwas, was wir im internationalen Kontext einbringen müssen. Da reicht es nicht aus, nur internationale Konferenzen abzuhalten, sondern Europa muss sich einig sein, um dann auf internationaler Ebene dafür zu sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt!
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Wenn ich die Schlussfolgerungen des Rates betrachte, fällt mir etwas auf. Das Thema der Gehälter wurde erwähnt, und das durchaus zu Recht, denn es stellt ein enormes Problem dar, mit dem wir uns gemeinsam beschäftigen und für das wir die Verantwortung übernehmen müssen. Allerdings haben wir auch das Problem der Steueroasen, und bei diesem Thema habe ich den Eindruck – wenngleich ich etwas übersehen haben könnte – dass selbst zwischen den Zeilen nichts darüber geschrieben steht.
Der amtierende Ratspräsident hat gesagt, dass wir ehrgeizig sein müssen und uns nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen dürfen; ich möchte ihn bitten dieselbe Linie beim Thema Steueroasen zu verfolgen. Ich möchte des Weiteren Präsident Barroso darum bitten, eventuell seine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Krise um Kommissar Kovács zu erweitern, wenn er diese Themen wirklich angehen will.
Abschließend möchte ich die Kommission dazu auffordern, an die Mitgliedstaaten zu appellieren, ihre nationalen Maßnahmenkataloge zu überarbeiten. Warum koordinieren wir die Wirtschaftspolitik auf der Grundlage nationaler Programme, die die prognostizierte Rezession, vor der wir stehen, nicht berücksichtigen? Wenn die Kommission es ernst meint mit der wirtschaftlichen Governance, muss sie von den Mitgliedstaaten verlangen, ihre Pläne angesichts der Realität der wirtschaftlichen Lage, der sie sich stellen müssen, zu überarbeiten.
Am Ende hat jeder gesagt, was er zu sagen hatte, woraus ein gewisses Maß an europäischer Kooperation resultiert, aber das reicht nicht aus. Wir haben eine historische Chance, den Mitgliedstaaten Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik und die wirtschaftlichen und industriellen Strategien der Mitgliedstaaten genommen werden kann. Machen wir also das Beste daraus. Im Namen der Kommission müssen Sie die Initiative ergreifen, um einen Rahmen für die Nutzung der Verstaatlichung der Banken durch die Mitgliedstaaten zu definieren, um diese zu Instrumente für die langfristige Finanzierung der Investitionen zu machen, die wir brauchen...
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Jacek Saryusz-Wolski (PPE-DE). - (FR) Frau Präsidentin, Herr Jouyet! Der Europäische Rat hat einen Teil seiner Schlussfolgerungen der Energiesicherheit gewidmet, aber dieses Thema wurde vom Radar nicht erfasst und in den Debatten übersehen. Es ist nun wichtiger denn je. Ich unterstütze die Schlussfolgerungen des Rates, doch der Teufel steckt im Detail, und es sind gerade diese Details und Besonderheiten, die fehlen. Ich möchte zwei davon ansprechen.
Erstens ist da das Hauptthema der Beziehungen der EU mit den Erzeuger- und Transitländern. Der Gedanke, unsere Energiediplomatie auszubauen, ist vollkommen gerechtfertigt. Was hingegen immer fehlt, ist der Wille der Mitgliedstaaten, sich über die Botschaft zu einigen, die wir an Drittländer senden, und die Konsistenz unserer Nationalpolitik in Bezug auf die gemeinsamen Interessen der Union. Kurzum, uns fehlt eine gemeinsame Außen- und Energiesicherheitspolitik. Der kleinste gemeinsame Nenner, nämlich die Koordination unserer Standpunkte gegenüber unseren Lieferanten und Transitländern, ist noch lange nicht erreicht und umgesetzt. Daher wird – statt mit einer Stimme zu sprechen – die Politik des „jeder ist selbst der Nächste“ verfolgt, was sich in einer Reihe von bilateralen Verträgen zeigt, die unsere Verhandlungsposition schwächen und das Bild unserer Geschlossenheit nach außen trüben.
Das zweite Problem ist das Fehlen europäischer Projekte. Öl- und Gaspipelineprojekte werden nicht erwähnt. Diese sind jedoch entscheidend für die Garantie unserer Energiesicherheit, und der Ausgang des Nabucco-Projekts scheint inzwischen nicht mehr sicher zu sein, obgleich es als Projekt mit hoher Priorität bezeichnet wird.
Des Weiteren müssen wir in puncto Energiesicherheit unsere Lektionen aus der Georgien-Krise lernen, indem wir ein effektives System zum Schutz der bestehenden Infrastruktur in Transitländern in Kriegszeiten oder Phasen politischer Instabilität einführen.
Zum Schluss erinnere ich an die Parolen des Rates: Verantwortungsbewusstsein und Solidarität. Unsere Aufgabe ist es nun, aktiver zu werden. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass wir mit der europäischen Außenpolitik zur Energiesicherheit nie vorankommen werden.
Dariusz Rosati (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Jetzt, da ich in dieser Aussprache über die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates das Wort habe, möchte ich auf zwei Punkte eingehen.
Der erste bezieht sich auf die Finanzkrise. Sie hat ohne jeden Zweifel bewiesen, dass das System der regulatorischen Bankenaufsicht radikal verbessert werden muss. Die Änderungen sollten sich auf eine Optimierung der Kapitalrisikobewertung und eine Anpassung der Vorsichtsmaßnahmen an neue Finanzinstrumente fokussieren. Allerdings brauchen wir auch Änderungen, die der prozyklischen Natur von Hypothekenentscheidungen entgegenwirken. Mit steigenden Immobilienpreisen nehmen die Hypotheken zu und umgekehrt. Es ist genau dieser Mechanismus, der zum Entstehen von Spekulationsblasen beiträgt.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft das Klimapaket. Ich begrüße die Entscheidung des Rates, einen Kompromiss zum System des CO2-Emissionsrechtshandels zu suchen. Es gibt Mitgliedstaaten, die 90 % ihrer Energie aus Kohle gewinnen. Wenn diese Länder bereits ab 2013 100 % ihrer Emissionsrechte erwerben müssten, wären die Auswirkungen auf ihre Wirtschaft katastrophal. Der gesunde Menschenverstand und der Grundsatz der Gleichbehandlung schreiben die Einführung von Übergangszeiträumen vor.
Avril Doyle (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Die führenden europäischen Politiker verpflichteten sich im März 2007 unter der deutschen Präsidentschaft und nochmals im März 2008 unter der slowenischen Präsidentschaft, das Ziel der Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % bis 2020 zu erreichen – was bereits begrenzt ambitioniert ist. Wir sollten uns keiner Illusion hingeben: Damit wir in Kopenhagen ein internationales Klimaschutzabkommen nach 2012 erreichen können, müssen wir mit unserer Gesetzgebung ein klares und unmissverständliches Zeichen setzen.
Die derzeitige internationale Finanzliquiditätskrise und der Konjunkturrückgang haben dafür gesorgt, dass viele vorsichtig geworden sind hinsichtlich der Festlegung langfristiger CO2-Ziele oder der Verpflichtung der Industrie zur Erreichung der erforderlichen Treibhausgassenkungen, um dadurch die europäische Wirtschaft weiter in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß zu entwickeln, die wir so dringend brauchen und die, da stimme ich zu, eine dritte industrielle Revolution mit einem aufregenden Pioniervorteil für Europa im gesamten Bereich der neuen Technologien auslösen wird.
Allerdings sollten die Ziele der EU nach 2012 nicht im Kontext der derzeitigen Wirtschaftskrise gesehen werden. Ich glaube, dass unsere Regierungen imstande sein werden, diese in der näheren Zukunft zu lösen, und wir müssen nun handeln, damit künftige Generationen nicht die Last – einschließlich der wirtschaftlichen Last – tragen müssen, die eine Verzögerung des Klima- und Energiepakets zur Folge hätte. Wir können nicht den höheren Preis der Zukunft für unsere heutige Handlungsunfähigkeit zahlen. Andernfalls wird uns die Geschichte nicht gnädig sein – oder, wie Präsident Sarkozy gesagt hat, werden wir unsere Verabredung mit der Geschichte verpassen.
Das Europäische Parlament hat mir als einem der Berichterstatter zum Klimapaket ein starkes Mandat gegeben, die Verhandlungen mit dem Rat im Trilog zu führen, und ich nehme diese Verantwortung ernst. Wir müssen die Ziele und den Zeitplan einhalten, und enormer Ehrgeiz und einige Kompromisse werden, wie Herr Sarkozy sagte, an der Tagesordnung sein. Ich freue mich auf eine sehr enge Zusammenarbeit sowohl mit der Kommission als auch mit dem Rat unter der französischen Präsidentschaft. Ich glaube, dass wir gemeinsam bis Dezember eine effektive und praktikable Einigung über das Klima- und Energiepaket erreichen können und werden ...
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Ieke van den Burg (PSE). - Frau Präsidentin! Es ist interessant zu sehen, dass die Finanzmarktaufsicht im Rat zu einer Chefsache geworden ist. Ich schätze die Einrichtung einer hochrangigen Gruppe mit Herrn Jacques de Larosière, was wir im Europäischen Parlament bereits seit vielen Jahren fordern.
Ich möchte hier eine klare Botschaft aussenden: Koordination allein reicht nicht aus. Wir brauchen wirklich institutionelle Lösungen. Eine freiwillige Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden auf der Basis von „Comply oder Explain“-Systemen wie in den Vorschlägen zu Solvency II und der Eigenkapitalrichtlinie (CRD) ist unzureichend, und das Forum für Finanzstabilität, das niemandem Rechenschaft schuldet und sich nur aus Experten größerer Länder zusammensetzt, die ihre nationalen Interessen vertreten, genügt ebenfalls nicht. All dies sorgt nicht für eine klare Stimme aus Europa. Wir brauchen eine einheitliche Architektur ähnlich der des europäischen Systems der Zentralbanken, das perfekt aufgestellt ist, um intern als Schlichter zu dienen und international eine starke Stimme zu haben.
Paul Rübig (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Zuerst möchte ich dem Rat zur Einigung auf dem dritten Weg beim Energiepaket gratulieren. Das ist eine vernünftige Lösung, die uns eine Enteignung der Energiekonzerne erspart, aber trotzdem für konsequenten Wettbewerb sorgt.
Das Zweite: Die Thematik CO2 ist natürlich insbesondere jetzt in der Finanzkrise ein wichtiges Thema, weil wir gerade mit der Auktionierung wieder Gefahr laufen, dass durch die Versteigerung an der Realwirtschaft vorbeigearbeitet und ein neues Finanzinstrument für Spekulation geschaffen wird, was unsere energieintensive Industrie aus Europa vertreiben wird. Ich bitte deshalb darum, noch einmal intensiv darüber nachzudenken, ob die freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten mit einer klaren 20-%-Vorgabe nicht sinnvoller ist, als hier das Geld den Betrieben wegzunehmen, die dieses Geld für Innovation und Forschung brauchen, um die Reduktion um 20 % zu erreichen.
Wir brauchen auch einen Investitionsschub, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen. Deshalb fordere ich, dass wir die Transeuropäischen Netze insbesondere im Bereich der Energie verstärkt ausbauen, dass wir Strategien für verstärkte Energieeffizienzmaßnahmen entwickeln, weil das gerade für unsere Handwerksbetriebe, für die Beschäftigung in Europa und für die Nettolöhne in Europa ganz besonders wichtig ist.
Schließlich fordere ich Kommissar Kovács auf, darüber nachzudenken, wie wir mit der Steuerpolitik die Wirtschaft wieder in Schwung bringen können, insbesondere durch neue und kürzere Abschreibungsmöglichkeiten, durch entsprechende Freibeträge, die wir einsetzen könnten. Über die Steuerpolitik und über Anreizsetzungen könnte die europäische Wirtschaft tatsächlich wieder in Fahrt kommen.
Giles Chichester (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Es wäre nicht weit hergeholt, die Krise an den Finanzmärkten mit einem Orkan gleichzusetzen: Sobald sich der Wind legt, entsteht die Illusion von Ruhe, aber es braucht Jahre, um die verursachten Schäden wieder aufzuräumen. So wird es auch mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Turbulenzen sein, die wir erlebt haben.
Angesichts der veränderten Lage müssen wir ein Gleichgewicht zwischen Kontinuität und Anpassung herstellen. Was die Energiepolitik anbelangt, bedeutet dies, uns an die strategischen Ziele zur Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu halten, aber gleichzeitig abzuwägen, ob wir die Taktik, die Mittel ändern müssen. Energie ist für unseren Lebensstil und -standard entscheidend. Es ist eine langfristige Branche, in der die Erschließung neuer Kapazitäten 5, 10 oder 15 Jahre in Anspruch nimmt, und offensichtlich kann es keine kurzfristige Antwort auf kurzfristige Herausforderungen geben wie diejenigen, vor denen wir jetzt stehen. Auch die Bekämpfung des Klimawandels ist eine langfristige Angelegenheit, und es gibt keine Wunderwaffe und keine einfache Lösung.
Was die Taktik betrifft, gibt es Abgeordnete, die Vorbehalte gegen das Ausmaß und den Zeitplan der Ziele im Rahmen des Klima- und Energiepakets haben. Es gibt Abgeordnete, die sich lange vor der Finanzkrise Sorgen um die CO2-Flucht oder die Auslagerung europäischer Arbeitsplätze gemacht haben. Vielleicht müssen wir uns wieder mit den Details, wenn nicht gar mit dem Prinzip, befassen.
Allerdings gilt meine Hauptsorge derzeit den Dingen, die wir vermeiden sollten, nämlich, in die Falle der Überregulierung zu tappen, denn eine Überregulierung könnte noch etwas weitaus Schlimmeres nach sich ziehen: eine Neuauflage des Einbruchs der 1930er-Jahre. Ich weiß sehr gut, wie wichtig eine gute Regulierung für das reibungslose Funktionieren der Märkte und die Transparenz ist, aber töten wir nicht die Gans, die das goldene Ei legt.
Ryszard Czarnecki (UEN). – (PL) Vielen Dank für die Anstrengungen des Präsidenten und des Premierministers meines Landes Polen. Der Brüsseler Gipfel wurde von gesundem Menschenverstand bestimmt, und wir haben eine passende Botschaft zum Klimapaket ausgesandt. Aufgrund der auf dem Gipfel erzielten Einigungen, für die wir Europas führenden Politikern Dank schulden, ist die Gefahr unangemessen starker Umweltbeschränkungen, die die neuen Mitgliedstaaten besonders hart getroffen hätten, nun geringer. Ganz gebannt ist sie jedoch noch nicht.
Der Gipfel befasste sich auch mit der Finanzkrise. Kurioserweise hatte einige Tage zuvor ein kleinerer Gipfel stattgefunden, an dem die größten Länder der Europäischen Union teilgenommen haben. Dieser kleinere Gipfel erinnerte an das Politbüro der kommunistischen Partei der Sowjetunion. Es ist nicht richtig, dass die mächtigsten Mitgliedstaaten der Union den anderen Mitgliedstaaten ihre Lösungen aufzwingen. Zudem ist die Anwendung von Doppelstandards irritierend. Ich beziehe mich dabei auf den Umstand, dass es hinnehmbar ist, Banken in den Mitgliedstaaten zu finanzieren, nicht aber, polnischen Werften unter die Arme zu greifen. In dieser Hinsicht ist die Europäische Union George Orwells Farm der Tiere nicht unähnlich, auf der alle Tiere gleich sind, manche aber gleicher als die anderen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich halte die Diskussion über das Ausmaß und das Tempo der Verbesserung der ökologischen, sozialen und sonstigen Standards zusammen mit der Revision der europäischen Verordnungen für das Schlüsselthema zur Überwindung der wirtschaftlichen Rezession, in der sich die europäische Konjunktur derzeit befindet. Herr Schulz hat die Anstrengungen der Kommission und des Rates hier als lächerlich bezeichnet, aber auch das Parlament kann der Überregulierung der Union einen Riegel vorschieben. Es ist gerade der negative Mehrwert, der die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf globale Ebene untergräbt. Die Automobil-, Elektronik-, Glas- und Textilbranche wie auch andere Industriezweige brauchen keine Finanzspritzen: Sie brauchen ein vernünftiges Maß an Regulierung. Die Finanzkrise ist nicht das Ergebnis mangelnder Regulierung, sondern die Folge des Versagens der Kontrollmechanismen. Dadurch wurden die Investitionen nicht geschützt, und die Arbeitsplätze sind gefährdet. Dasselbe gilt für Regulierungen auf globaler Ebene. Die Krise und die weltweite Wirtschaftsrezession bieten die Chance auf die Entwicklung besser durchdachter Regulierungen für die globalen Märkte – nicht nur die europäischen Märkte –, um eine langfristige, nachhaltige, ökologische und sozial verträgliche Entwicklung zu erreichen. Das ist das Umfeld, das wir auch auf globaler Ebene für die Europäer schaffen müssen. Des Weiteren begrüße ich die Einigung des Rates über das Energiepaket.
Stavros Lambrinidis (PSE). - (EL) Frau Präsidentin! Was wir hier heute brauchen, ist eine neue wirtschaftliche und soziale Einigung, ein „New Deal“. Wenn es der EU nicht gelingt, dies zu erreichen, wird die Gier auf dem Markt weiterhin kontraproduktive Investitionen fördern, die ihre Zukunft und die Zukunft der Arbeitnehmer und Bürger belasten.
Was meinen wir mit einem New Deal? Wir brauchen ein neues System der wirtschaftlichen Governance, eine neue Rolle für die Europäische Zentralbank und eine neue Wahrnehmung des Sozialstaates, nicht als Anhängsel des freien Marktes, sondern als Schlüssel zur Entwicklung. Wir brauchen eine neue europäische Finanzierung, einen grünen Entwicklungsfonds, einen ernsthaften Globalisierungsfonds und natürlich einen größeren Haushalt für Europa, und wir brauchen einen neuen sozialen Maastricht-Vertrag für Beschäftigung und Wachstum.
Marios Matsakis (ALDE). - Frau Präsidentin! Viele europäische Bürger – darunter einige, die ich vertrete – wollten Herrn Barroso und Herrn Sarkozy fragen, ob sie es fair finden, dass die Kosten dieser Finanzkrise vom europäischen Normalbürger getragen werden sollen und nicht von den Führungskräften der Banken in den Vereinigten Staaten oder Europa, die durch fahrlässiges Handeln – oder in manchen Fällen sogar auf kriminelle Art und Weise – Millionengewinne gemacht haben und nun ihre Millionen genießen, indem sie sie in Steueroasen oder auf sicheren Sparkonten horten. Sie wollten Herrn Barroso und Herrn Sarkozy ferner fragen, ob sie fair finden, dass sich die Europäer einer Chemotherapie unterziehen, wenn sich die amerikanische Wirtschaft eine Erkältung zuzieht oder Krebs hat. „Ja“ zu einer Kooperation mit den Amerikanern, aber „nein“ zu Abhängigkeit.
Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE). - (FR) Frau Präsidentin, Herr Jouyet! Ich war in Tiflis, als der Präsident kam, um über den Friedensplan zu verhandeln, und ich möchte ihm natürlich meine Anerkennung dafür aussprechen, dass er so schnell gehandelt hat, um diesen Krieg zu beenden. Allerdings ist der Krieg teilweise auf unser eigenes Versagen zurückzuführen: 14 Jahre lang sind wir übervorsichtig gewesen; wir haben schweigend zugesehen, als die Provokationen in den Separatistenregionen eskalierten. Es stimmt, das dieser Krieg ein Weckruf für Europa war, der ihm seine Verantwortung vor Augen geführt hat, aber das Feuer glimmt im Kaukasus nach wie vor, und wir müssen im Interesse der Sicherheit ganz Europas alles in unserer Macht Stehende tun, um die eingefrorenen Konflikte definitiv beizulegen.
Herr Jouyet, auch mir ist durchaus bewusst, dass die Mitgliedstaaten Europas in Bezug auf den NATO-Beitritt Georgiens gespalten sind; ich selbst bin dagegen. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen: Ich fordere die Europäische Union auf, für diese Länder im Kaukasus Neutralität vorzuschlagen. Nur Neutralität kann die Spannungen mit Russland beruhigen und diese Teilregion wirklich vor neuen Konflikten schützen. Neutralität wird die Sicherheit dieser neuen Demokratien gewährleisten und dazu beitragen, unsere eigene zu garantieren.
Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Eines der Hauptprobleme, das auf dem Gipfel zur Sprache kam, war die globale Finanzkrise im Zusammenhang mit dem Klimapaket. Es war richtig, dass sich der Rat auf dieses Problem konzentriert hat. Besorgnis erregend ist jedoch der Umstand, dass die wichtigsten Entscheidungen bereits zuvor auf einem Treffen von Vertretern aus nur vier Ländern getroffen worden waren. Der Standpunkt wurde danach in der so genannten Eurogruppe konsolidiert und erst im Anschluss daran dem Rat vorgelegt. Dieses Verfahren löst schwer wiegende Bedenken dahingehend aus, ob der Europäische Rat wirklich ernst genommen oder als reines Forum betrachtet wird, das die Entscheidungen einer kleinen Führungsgruppe absegnet. Müssen wir davon ausgehen, dass sich bezüglich aller Absichten und Zwecke ein Europa der drei Geschwindigkeiten gebildet hat?
Angesichts der weltweiten Krise lohnt es sich auch, frühere Entscheidungen über Kohlendioxidemissionen zu überdenken. Eine sofortige Umsetzung dieser Entscheidungen könnte die Rezession weiter intensivieren, vor allem in den Ländern Mittel- und Osteuropas wie Polen, was für die gesamte europäische Wirtschaft negative Auswirkungen hätte. Daher muss ein separates Paket für diejenigen Länder verabschiedet werden, deren Hauptenergiequelle Kohle ist.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Frau Präsidentin! Ich werde mich angesichts der Antworten, die bereits gegeben worden sind, kurz fassen.
Ich möchte Frau McAvan sagen, dass wir vollkommen mit ihr einig gehen, dass das Paket ehrgeizig sein sollte, dass wir hoffen, wenn möglich mit Unterstützung des Parlaments, bis Weihnachten eine Einigung erzielen zu können und dass wir auch der Meinung sind, dass dies nicht einfach eine x-beliebige Einigung sein sollte. Aus diesem Grund teilen wir Ihre Philosophie, und wir hoffen, dass wir ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiger Entwicklung erreichen werden.
Nun zu Frau Starkevičiūtė: Ihr wollte ich sagen, dass klar ist, dass die Finanzkrise bereits großen Schaden angerichtet hat. Wir müssen, und das möchte ich auch anderen Rednern sagen, auf Kurs bleiben, und deshalb halten wir am Energie- und Klimapaket fest. Was das Thema des EU-Haushalts anbelangt, werden wir morgen im Kontext Ihrer ersten Lesung gemeinsam darüber debattieren. Ich glaube, dass sich der Vorschlag der Kommission auf Wachstum und nachhaltige Entwicklung konzentriert, und dass wir nicht davon abrücken dürfen, doch in der morgigen Aussprache werden wir darauf noch zu sprechen kommen.
In Bezug auf die Kommentare von Herrn Bowis: Es ist klar, dass wir unsere Ambitionen im Hinblick auf das Energie- und Klimapaket angesichts der Finanzkrise nicht auf Eis legen können – das wurde bereits unterstrichen. Allerdings müssen wir die Unterschiede bei den nationalen Energiequellen und einen sektorbezogenen Ausgleich berücksichtigen.
An die Adresse der Herren Poignant und Savary möchte ich erstens sagen, dass ich den großartigen Beitrag der französischen Sozialisten zu den Debatten im Europäischen Parlament sowie zur PSE-Fraktion schätze, und dass ich mich zweitens zu denen zähle, die sich sehr bewusst sind, was Europa Jacques Delors und François Mitterrand zu verdanken hat. Des Weiteren denke ich, dass es die französische sozialistische Partei manchmal lauter sagen muss, was gewisse Zweideutigkeiten vermeiden würde: „Europa ist kein Fall für die Rechte oder die Linke; Europa ist eine europäische Angelegenheit“. Das ist die Lektion, die ich von Jacques Delors gelernt habe, und ich weiß, dass die Herren Savary und Poignant diese Sichtweise teilen.
Was Frau Ek betrifft, sind wir selbstverständlich aufrichtig in Bezug auf die Ziele und den Zeitplan. Wir müssen handeln, um sicherzustellen, dass das Paket für die internationalen Herausforderungen bereit ist, vor denen Europa stehen wird.
Hinsichtlich der Kommentare von Herrn Radwan und anderen über die Finanzkrise ergreifen wir natürlich Maßnahmen zum Schutz der Bürger und der Sparer und um sicherzustellen, dass die in den diversen Institutionen für die Krise Verantwortlichen dafür zahlen müssen. Wir haben bereits erwähnt, dass hier der Grundsatz der Sorgfaltspflicht gelten sollte. Das investierte Kapital muss zum Schutz der Bürger und Sparer verwendet werden; es soll kein Geschenk für diejenigen sein, die in erster Linie für die Finanzkrise verantwortlich sind, weil sie zu sehr auf Spekulation gesetzt haben – sei es in den Vereinigten Staaten oder in Europa.
Frau Berès hat zu Recht gefordert, wie bereits gesagt wurde, gegen die Steueroasen innerhalb und außerhalb der EU vorzugehen. Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates gingen nicht angemessen auf diese Angelegenheit ein, aber wie der amtierende Ratspräsident sagte, wird es noch andere europäische Treffen geben – und „europäisch“ ist hier das richtige Wort. Wir haben es nicht mit einem Europa der zwei, drei oder vier Geschwindigkeiten zu tun: Dies sind europäische Treffen, bei denen wir gemeinsam internationale Finanzregulierungen entwerfen können – neue internationale Finanzregulierungen – die den Weg für eine bessere langfristige Finanzierung der Wirtschaft ebnen. Ich unterschreibe, was in Bezug auf die Notwendigkeit der Vielseitigkeit in der von der Kommission eingerichteten Reflexionsgruppe gesagt worden ist.
Herr Saryusz-Wolski hat durchaus Recht und weist auf einen äußerst wichtigen Punkt hin: Wir haben die Schlussfolgerungen des Rates nicht ausreichend hervorgehoben, vor allem nicht im Hinblick auf die Energiesicherheit. Was während der letzten Tagung des Europäischen Rates zur Energiesicherheit getan wurde, ist sehr wichtig. Gleichzeitig müssen wir dem, was im Hinblick auf die Beziehungen mit den Erzeuger- und Transitländern gesagt worden ist, eine praktische Form geben. Wir haben recht klar vor Augen, welche Botschaften wir an Drittländer senden müssen, und das müssen wir im Kontext des Dialogs mit Russland natürlich bedenken. Des Weiteren müssen wir diesen Schlussfolgerungen Form geben, indem wir Projekte zur Diversifizierung der Versorgungsquellen wie die angesprochenen Projekte fördern, insbesondere Nabucco. Natürlich ist so während der letzten Tagung des Europäischen Rates eine bestimmte Form des Europas der Energie entstanden.
Zu Herrn Rosatis Kommentaren: Wir wir bereits angeführt haben, müssen wir die spezifischen Merkmale der Energiesituation in Polen berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf Kohle, doch es ist klar, dass Polen im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf den Gipfel in Poznán später in diesem Jahr ebenfalls Verantwortung übernehmen muss.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich den Worten von Frau Doyle voll und ganz anschließe. Wir müssen Verantwortungsbewusstsein zeigen. Die Finanzkrise darf uns die Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltkrise nicht vergessen lassen, und wir dürfen uns nicht hinter der Finanzkrise verstecken.
Nun zu der Forderung von Frau van den Burg: Wir brauchen tatsächlich eine bessere institutionelle Koordination, was die Aufsicht anbelangt. Wir müssen zwischen Aufsicht und Regulierung unterscheiden, und was die Aufsichtsbehörden betrifft, so brauchen wir eine bessere Koordination auf institutioneller Ebene.
Wie Herr Rübig freue auch ich mich über die Einigung über den Energievorschlag des „dritten Wegs“. Dies ist meiner Ansicht nach ein wirklich zufrieden stellender Kompromiss. Ich denke, das ist alles, was ich Ihnen dazu sagen kann. Gleichermaßen ist es wichtig, steuerliche Anreize für das Energiesparen zu bieten: Da bin ich ganz Ihrer Meinung.
Kommen wir auf das zurück, was Herr Chichester sagte. Es ist richtig, dass wir strukturierte Lösungen sowohl für die Finanzkrise – mit der sich die nächsten internationalen Gipfeltreffen befassen werden – als auch für den Klimawandel brauchen, und dass wir vor allem eine gute Regulierung ohne Überregulierung benötigen.
Abschließend zu den Kommentaren von Herrn Czarnecki: Es ist klar, dass wir angesichts gewisser industrieller Probleme die Anpassungsoptionen in einigen Ländern überprüfen müssen. Das gilt zum Beispiel für Polen und seine Werften; wir sind uns dieser Angelegenheit sehr wohl bewusst.
Was zuletzt das anbelangt, was Frau Isler Béguin gesagt hat, wissen wir, dass das Angehen der Probleme im Kaukasus ein Prozess ist, der sich in die Länge ziehen wird, und dass Europa auch Präventivmaßnahmen ergreifen muss. Ich stimme mit ihr überein, dass wir bezüglich des Status dieser Regionen und Russlands Nachbarn stärker vorausdenken müssen.
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin! Ich möchte in fünf Minuten auf vier Punkte eingehen. Erstens: Europa hat reagiert, am Ende geschlossen. Wir haben nicht „geschlossen“ begonnen, aber in den Sitzungen der Eurogruppe und des Europäischen Rats haben wir einstimmig geantwortet, und das müssen wir auch weiterhin tun. Das ist die Botschaft, die, wie ich glaube, jeder unterstützt. Eine Union, die zuerst Hilfspakete und dann Bankensysteme koordiniert. Es ist dringend erforderlich, diese Systeme auf europäischer Ebene zu koordinieren, damit es in bestimmten Ländern nicht zu Problemen kommt. Eine Union in Europa, die der weltweiten Governance des Geld- und Finanzsystems dienen soll. Das ist etwas, was hier auf Ebene des Rates mehrfach, ja vielfach, wiederholt worden ist. Im Hinblick auf eine Reihe von Mitgliedstaaten ist dies zudem eine neue Botschaft, die nächste Woche nicht wieder in Vergessenheit geraten darf.
Zweitens bin ich voll und ganz mit dem einig, was der Präsident der Kommission und der amtierende Ratspräsident gesagt haben: Damit wir eine neue Phase der besseren Regulierung des Finanzsystems auf europäischer Ebene einleiten können, muss Europa bezüglich dieser Regulierung in den kommenden Jahren eine weltweite Führungsrolle übernehmen. Ich schließe mich denjenigen von Ihnen vollkommen an, die resolut eine institutionalisierte, nicht nur koordinierte Aufsicht auf europäischer Ebene unterstützt haben.
Drittens stimme ich all denjenigen voll und ganz zu, die über die Notwendigkeit einer Anpassung der nationalen Reformprogramme und der Lissabon-Strategien an die Herausforderungen der Realwirtschaft von heute und morgen gesprochen haben. Daran wird derzeit gearbeitet, und die Kommission wird sowohl Ihnen als auch dem Rat im Dezember Ergebnisse vorlegen. Des Weiteren ist es hinsichtlich dieser neuen Dimension und der Anpassung der Lissabon-Strategie erforderlich, die industrielle Fertigung und insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen, die die größten Opfer der Kreditklemme sind, welche durch die Krise im Bankensystem entstanden ist.
Zum Schluss komme ich noch auf den Haushalt zu sprechen. Natürlich muss man darauf achten, den EU-Haushalt und die Haushalte der Mitgliedstaaten so zu nutzen, dass künftig keine Nachhaltigkeitsprobleme entstehen. Stattdessen sollten die Spielräume in der Steuer- und Haushaltspolitik im Rahmen des 2005 überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts genutzt werden. Es gibt viel Raum für Flexibilität, aber es besteht auch die Notwendigkeit – und Sie sind zusammen mit dem Rat die Haushaltsbehörde – zu beginnen, den europäischen Haushalt als solchen zu begreifen. Auch das ist ein Thema für eine echte Debatte.
(Beifall)
Die Präsidentin. - Die Aussprache ist geschlossen.
Entsprechend Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung habe ich sechs Entschließungsanträge erhalten(1).
Die Abstimmung erfolgt morgen, am Mittwoch, den 22. Oktober 2008.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Roberta Alma Anastase (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die als Teil der Tagung des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 2008 gefassten Beschlüsse sind für die Zukunft Europas von strategischer Bedeutung. Zunächst einmal begrüße ich die Diskussionen über die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon. Die Europäische Union (EU) muss die im Vertrag geforderten institutionellen Reformen umsetzen, um zu gewährleisten, dass die Organisation effizient und kohärent funktioniert, was für die Bürger Europas mehr Transparenz bedeutet. Daher ist es eine Hauptpriorität, dass der Ratifizierungsprozess des Vertrags von Lissabon fortgesetzt und so bald wie möglich in allen 27 Mitgliedstaaten abgeschlossen wird.
Zweitens möchte ich als Berichterstatterin über die regionale Zusammenarbeit in der Schwarzmeerregion und als Mitglied des Ausschusses für außenpolitische Angelegenheiten die Bedeutung der außenpolitischen Aspekte unterstreichen. Ich möchte nochmals auf die Dringlichkeit der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik hinweisen, die das Ziel einer Förderung der Energiesicherheit und der europäischen Einheit sowie einer Diversifizierung der Energieversorgung durch eine starke Unterstützung von strategischen Projekten wie der Nabucco-Pipeline verfolgt.
Last but not least begrüße ich die Entscheidung, die Beziehungen der EU mit den östlichen Nachbarn, in diesem Fall mit der Republik Moldawien, durch Unterzeichnung eines neuen, weit reichenden Kooperationsabkommens zu verstärken. Zudem muss sich die EU weiterhin aktiv in Georgien und bei der Lösung aller Konflikte in der Schwarzmeerregion einbringen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Zunächst einmal möchte ich dem französischen Präsidenten der Europäischen Union, Herrn Sarkozy, dem Präsidenten der Französischen Republik, zu seiner Energie, Leidenschaft und Vision gratulieren, mit der er sein Mandat ausübt. Ganz gleich, ob es der Krieg im Kaukasus ist, der verhindert wurde, oder die Maßnahmen zur Lösung der Finanz- und Wirtschaftskrise, die Präsidentschaft hat gezeigt, wie sehr wir eine starke und geschlossene Europäische Union und eine stabile Präsidentschaft brauchen, um unsere Werte in einer Welt zu verteidigen, die sich schnell wandelt und weitaus komplexer geworden ist. Im Hinblick auf die Finanzkrise und die Notwendigkeit einer weiterhin funktionierenden Wirtschaft befürworte ich, dass die Mitgliedstaaten ihre finanzielle Stärke für Eingriffe zur Wiederherstellung des Vertrauens einsetzen. Die Mitgliedstaaten setzen hierfür Ressourcen ein, die im privatwirtschaftlichen Bereich nicht in der Bilanz erscheinen; mit anderen Worten: Garantien. In diesem Kontext möchte ich den Gedanken in den Raum stellen, die Schaffung eines globalen öffentlichen Instruments zur Beurteilung von Staaten zu prüfen. Damit könnte der Internationale Währungsfonds (IWF) betraut werden. Seine Governance wäre unstrittig und unabhängig. Eine solche Behörde zur Beurteilung von Staaten wäre sehr nützlich, um sicherzustellen, dass das weltweite Finanzsystem und die Weltwirtschaft richtig funktionieren und dementsprechend ein angemessener sozialer Fortschritt erzielt wurde.
Katerina Batzeli (PSE), schriftlich. – (EL) Die vom Europäischen Rat am 15. und 16. Oktober erzielte Einigung ist ein Anfang, aber das reicht noch nicht aus.
Wir müssen die Europäische Währungsunion im Einklang mit der Entwicklungs- und Sozialpolitik neu ausrichten. Wir brauchen eine einheitliche Gemeinschaftspolitik und eine neue institutionelle und wirtschaftliche Governance zur Wiederherstellung des grundlegenden Gleichgewichts der Wirtschaft in der Eurozone.
Die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Fonds muss infolge der ergriffenen Direktmaßnahmen zur Bekämpfung der Kreditklemme im Grunde neu geprüft werden, und es muss deutlich gemacht werden, dass die Steuerzahler nicht langfristig belastet werden können. Die Philosophie, dass sich die Kreditklemme von selbst regulieren soll, wie es bislang auf Ebene der Mitgliedstaaten praktiziert wurde, birgt die Gefahr der Nationalisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik und der Entstehung einer mehrgleisigen europäischen Wirtschaft. Diese Zersplitterung des institutionellen Profils der EU sollte vermieden werden.
Europa hat eine einmalige und historische Chance, und es muss sein neues Wirtschafts- und Sozialentwicklungsmodell aufstellen. Mit seiner Politik zur Bekämpfung des Klimawandels, der Energiesicherheit, der sozialen Stabilität und einer nachhaltigen Wirtschaft hat es damit bereits begonnen. wenn die Wirtschaftskrise überstanden ist, sollte die EU auf politischer und institutioneller Ebene an Stärke gewonnen haben, sozialer ausgerichtet sein und die Politik in Bezug auf den Klimawandel anführen.
Titus Corlăţean (PSE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im Rahmen der Tagung vom 15. und 16. Oktober 2008 bezüglich der Notwendigkeit, die Politik der Europäischen Union im Hinblick auf ihre östlichen Nachbarn, insbesondere die Republik Moldawien, neu zu definieren. Die Europäische Union muss in der Tat die Schwarzmeerregion und offensichtlich auch die Republik Moldau in ihre Liste der politischen Prioritäten aufnehmen.
Wir müssen ein klares Mandat für die Aushandlung eines neuen Abkommens über eine verstärkte Zusammenarbeit mit diesem Land festlegen, allerdings unbedingt unter der Voraussetzung, dass nachweislich Fortschritte erzielt werden müssen und sich die kommunistische Regierung in Chisinau streng an demokratische Standards und die Vorschriften des europäischen Rechts hält. Zudem müssen die Unabhängigkeit der Judikative und das Recht auf Pressefreiheit respektiert werden. Die Abschaffung der antidemokratischen Missbrauchsfälle und Exzesse der kommunistischen Behörden, die Änderung der Gesetzgebung zur Abschaffung von Vorschriften, die Bürgern mit doppelter oder mehrfacher Staatsangehörigkeit den Zugang zu einer Beamtenlaufbahn verweigern, die Anpassung des Wahlrechts an die Standards der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Empfehlungen des Europäischen Rates sind Grundvoraussetzungen für eine Unterzeichnung dieses Abkommens.
Rumänien ist und bleibt der größte Befürworter einer künftigen Integration der Republik Moldau in Europa, und ich erwarte von den moldawischen Behörden, spezifische Maßnahmen in diese Richtung zu unternehmen.
Daniel Dăianu (ALDE), schriftlich. – Ein neues Bretton-Woods-Abkommen will gut vorbereitet sein.
Immer mehr Politiker sprechen sich für eine Weltkonferenz zur Behebung der strukturellen Mängel des derzeitigen weltweiten Finanzsystems und zur Umgestaltung der internationalen Finanzarchitektur aus. Es versteht sich von selbst, dass es für eine solche historische Aufgabe dringend erforderlich ist, alte und neue Wirtschaftsmächte zusammenzubringen. Aber eine Weltkonferenz (ein neues Bretton-Woods-Abkommen!) muss gut vorbereitet sein. Zunächst müssen die analytischen Grundlagen für die Umgestaltung des weltweiten Finanzsystems definiert werden. Keynes und Dexter White veranlassten ihre Experten über eine lange Zeit an, selbst in Kriegszeiten, eine durchführbare Blaupause auszuarbeiten. Wir müssen sicherstellen, dass eine solche Blaupause zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegt. Das von Jacques de Larosiere geleitete Team könnte in dieser Hinsicht eine Menge beitragen. Zweitens müssen sich die Wirtschaftsgroßmächte in den wichtigsten Fragen auf Augenhöhe begegnen. Hier liegen die Dinge etwas komplizierter. Ich hoffe sehr, dass die EU eine Führungsrolle bei der Bündelung der Anstrengungen für eine Umgestaltung des internationalen Finanzsystems und eine Überholung der Rechts- und Aufsichtsrahmen übernehmen wird, damit das Finanzsystem der Wirtschaft auch wirklich dienen kann.
Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. – Europa und auch Irland braucht den Vertrag von Lissabon, wenn wir eine kohärente und effektive Politik zur Überwindung der globalen Krisen – Kernschmelze des Finanzsystems, Klimawandel und Unterentwicklung in vielen Teilen der Welt – entwickeln wollen.
Ein wirtschaftlicher Alleingang einzelner Mitgliedstaaten kann diese globalen Herausforderungen nicht lösen. Dasselbe gilt, wenn man Finanzinstituten oder länderübergreifenden Konzernen freie Hand lässt, nach eigenem Ermessen zu handeln, während vom Steuerzahler erwartet wird, sie zu retten, wenn die Krise zuschlägt.
Wir brauchen ein System der weltweiten Governance, das eine länderübergreifende Regulierung der Finanzmärkte einschließt. Es wäre in der Tat gut, solche Institutionen in einer Weise besteuern zu können, die verhindert, dass sie ein Land gegen ein anderes ausspielen.
Um diese Märkte zu stabilisieren, ist ein System zur Besteuerung der Devisengeschäfte erforderlich. Zudem könnte dies eine wertvolle Ressource zur Schließung der Finanzierungslücke bei der Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) darstellen.
Ein solches Besteuerungssystem wird in der Regel als „Tobin-Steuer“ bezeichnet. James Tobin schlug es als erster vor, nachdem die USA das Bretton-Woods-System zerschlagen hatten. Es hätte eine dreifache Auswirkung: 1. Beitrag zur Stabilisierung der Devisenmärkte, 2. Bereitstellung beträchtlicher Mittel zur Unterstützung der Umsetzung der MDG; 3. Zurückgewinnung eines Teils des demokratischen Freiraums, der bislang den Finanzmärkten überlassen worden ist.
Elisa Ferreira (PSE), schriftlich. – (PT) Die Europäische Einheitswährung hat eine Barriere gebildet, die die Europäische Union während der Krise vor größeren Problemen bewahrt hat. In diesem Zusammenhang ist der Euro unbestritten ein europäischer Erfolg gewesen.
Angesichts der Deregulierung und der Krise auf den Märkten sind auf nationaler Ebene zahlreiche widersprüchliche Maßnahmen getroffen worden. Es ist eine Einigung durchgepeitscht worden, die wir am zwar Ende begrüßen, doch wir können die exzessive Passivität der Kommission nicht vergessen, als ein Mindestmaß an einer umsichtigen und vorausschauenden Vision vonnöten war.
In den letzten Jahren – nicht Monaten – hat dieses Parlament debattiert und fundierte Reformvorschläge vorgelegt, insbesondere im Bereich der Marktregulierung und -aufsicht. Basierend auf dieser Glaubwürdigkeit fordern wir, dass die Ratspräsidentschaft und die Kommission dieses Haus aktiv in die Reformlösungen einbeziehen, die drei Ziele erreichen müssen.
Erstens dürfen systemische Risiken in einem integrierten Europa nicht länger auf nationaler Ebene reguliert werden. Strukturmaßnahmen müssen mit klaren und stabilen Regelungen durchgeführt werden, die gewährleisten, dass das System robust sein wird.
Zweitens muss Europa in einer globalisierten Welt ein aktiver Partner bei der Schaffung eines neuen internationalen Rahmens sein, an dem die Hauptpartner beteiligt sind.
Drittens müssen wir in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Rezession bereits Gewissheit ist, in koordinierter Weise ein Konjunkturprogramm umsetzen, das Wachstum und Beschäftigung garantiert und es Familien und Unternehmen erlaubt, ihr Vertrauen zurückzugewinnen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Das wesentliche Element in dieser Aussprache ist einmal mehr ausgelassen worden. Anders formuliert: In der bestehenden Politik, die die Hauptverursacher der aktuellen Krisen darstellt, muss eine Zäsur erfolgen. Allerdings war es interessant, gestern den großen Verfechtern des Neoliberalismus zuzuhören, die nun zugeben, dass sich etwas ändern muss – allerdings nur zur „Umgestaltung des Kapitalismus“, wie sich Präsident Sarkozy ausdrückte. Aus diesem Grund ist die Entwicklung der Einwanderungspolitik eine ihrer Prioritäten, darunter insbesondere die Rückführungsrichtlinie, in der grundlegende Menschenrechte mit Füßen getreten und illegale Zuwanderer wie Verbrecher behandelt werden, nicht wie Menschen, die dem Hunger in ihren Ländern entkommen wollen und auf eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien hoffen.
Die zunehmende Missachtung sozialer Themen bleibt einer der Hauptaspekte ihrer Politik. Zur Überwindung der Finanzkrise haben sie Mittel in unvorstellbarer Höhe und politischen Willen mobilisiert. Allerdings mangelt es im Hinblick auf die soziale Lage und die Krise aufgrund der sinkenden Kaufkraft, der zunehmenden Armut, der Arbeitslosigkeit und der unsicheren und schlecht bezahlten Arbeit noch immer an den notwendigen Mitteln und dem politischen Willen. Tatsächlich dürften sich durch ihre Vorschläge die soziale Lage und die ungleiche Verteilung des Wohlstands weiter verschlechtern.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Der Europäische Rat hat die zuvor beschlossenen Maßnahmen bestätigt, mit denen das Finanzkapital, das Rückgrat des kapitalistischen Systems, gerettet und eine „Fortführung der Strukturreform“ sichergestellt werden sollen.
Die „Neugestaltung des Kapitalismus“ bedeutet schlicht und einfach mehr Kapitalismus – mit all seinen ungesunden Widersprüchen – mehr Ausbeutung der Arbeitnehmer, verstärkte Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Dienste und stärkerer Transfer von Löhnen zum Kapital, eine Politik, die die sozialistische Regierung in Portugal unverzagt umsetzt.
Allerdings ist über Folgendes nicht gesprochen worden:
- die zunehmenden Schwierigkeiten der Arbeitnehmer und der allgemeinen Bevölkerung, höhere Löhne und Sozialleistungen, geringere Preise für Güter und Dienstleistungen des Grundbedarfs oder eine effektive Senkung steigender Hypothekenkosten;
- die Förderung produktiver Investitionen, der Arbeitsrechte, der öffentlichen Dienste und eines starken öffentlichen Sektors – zum Beispiel im Bankwesen – durch eine gerechte Verteilung des geschaffenen Wohlstands;
- die Aufgabe der bestehenden Geldpolitik der EU sowie ihres Stabilitätspakts, die Abschaffung der „Steueroasen“ und der Ausbau und die Nutzung von Strukturfonds zur Gewährleistung einer effektiven wirtschaftlichen Entwicklung und zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Arbeitern.
Mit anderen Worten, es wurde nichts gesagt über einen Bruch mit der kapitalistischen Politik ...
Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – Angesichts der derzeitigen außergewöhnlichen Marktlage besteht Bedarf an konkreten Maßnahmen, um bei der Umsetzung des Stabilitätspakts für ausreichende Flexibilität zu sorgen. Die beispiellosen Ereignisse haben die Grenzen des europäischen Finanzintegrationssystems aufgezeigt, als es mit einer Krise dieser Größenordnung konfrontiert wurde. Als der Stabilitätspakt reformiert wurde, konnte niemand mit derartigen Turbulenzen an den Finanzmärkten rechnen, und die Flexibilität des Stabilitätspakts im Fall eines Konjunkturabschwungs scheint angesichts der jüngsten Ereignisse nicht auszureichen. Wir sollten unsere Haushaltsdisziplin beibehalten, aber die Flexibilität erhöhen, damit die neuen Mitgliedstaaten so bald wie möglich der Eurozone beitreten können. Im Rahmen der derzeitigen Regelung könnte die Finanzkrise tatsächlich dafür sorgen, dass neue Mitgliedstaaten der Eurozone nicht nach Zeitplan beitreten können. Die wirtschaftliche Rationalität, die dem Aufbau des europäischen Wechselkurssystems zu Grunde liegt, sollte an die aktuelle Finanzlage angepasst werden, um in den Ländern, die der Eurozone beitreten, die Bedingungen für nachhaltige Finanzmärkte zu schaffen. Die Lösung könnte darin bestehen, den Prozess zu beschleunigen, indem jedem Beitrittsland je nach Wirtschaftslage individuelle Wege zur Einführung des Euro erlaubt werden, da die Finanzkrise die Notwendigkeit gezeigt hat, die Beitrittsländer in der Eurozone zu verankern.
Mieczysław Edmund Janowski (UEN), schriftlich. – (PL) Die aktuelle Krise scheint ein Kollaps des Finanzsystems zu sein, doch Energie und Nahrungsmittel sind auch betroffen. Sie ist die Spitze des Eisbergs, die teilweise auf dem Verfall fundamentaler moralischer Grundsätze und teilweise auf der menschlichen Naivität basiert. Der Beweis hierfür sind Spekulationen und ungesunde Investitionen.
So etwas wie ein Perpetuum Mobile gibt es weder in der Physik noch in der Wirtschaft. Was hat diejenigen geleitet, deren Täuschung den Zusammenbruch des globalen Finanzsystems zur Folge gehabt hat? Wir haben uns durch Menschen in die Irre führen lassen, die sich ein Vermögen durch Betrug aufgebaut haben. Nun wird von den Steuerzahlern erwartet, dass sie das Bankensystem retten. Dies dürfte mehr kosten als der gesamte Haushalt der Europäischen Union. Der Finanzschock war zunächst in den Vereinigten Staaten zu spüren, doch seine Folgen haben die ganze Welt getroffen. Bestimmte Länder wie Island gerieten an den Rand einer absoluten Katastrophe. Es wird damit gerechnet, dass sich die Krise ausweitet und weitere Verluste verursacht. Kann aus all dem irgendetwas Positives entstehen? Vielleicht. Vielleicht werden wir am Ende verstehen, dass es nicht richtig ist, auf den Sand der Täuschung zu bauen, auf falsche Versprechungen, sondern dass ein festes Fundament aus Zuverlässigkeit und Solidarität benötigt wird. Es kommt nicht darauf an, dass der Ausdruck „sicher wie eine Bank“ seine frühere Bedeutung zurückerlangt. Was wirklich auf dem Spiel steht, ist unsere Zukunft und die unserer Kinder. Die Marktwirtschaft, oder um es anders auszudrücken, der Kapitalismus, muss auf der Grundlage gesunder und dauerhafter Grundsätze funktionieren, und Ehrlichkeit zählt zu den wichtigsten.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich dem amtierenden Ratspräsidenten für seine meines Erachtens richtige Argumentationslinie danken: Den Interessen der Umwelt sollte sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten eine hohe Priorität eingeräumt werden. Ihre Antworten an die Herren Wurtz, Cohn-Bendit und Schultz waren ebenfalls angemessen.
Ich möchte insbesondere meine Besorgnis über das Schicksal des Emissionshandels zum Ausdruck bringen. Wenn Sie bedenken, was in diesem Herbst hier getan worden ist, kann der Standpunkt des Parlaments nicht als Ergebnis eines demokratischen Prozesses betrachtet werden. Alles wurde übereilt durchgepeitscht, und die Ausschüsse wussten nicht, worüber sie abstimmten. Die vorgelegten Änderungsanträge sind eine Art Bluff, und wir sind manipuliert und irregeführt worden. Unser Berichterstatter und der Koordinator unserer Fraktion haben jeden betrogen, indem sie anders abstimmten als von der Fraktion vorher beschlossen. Das Parlament hat so etwas noch nie gesehen.
Die Kommission trägt eine Mitschuld. Sie stellte ein enormes Gesetzgebungspaket zu spät bereit und warnte dann davor, es im Namen der internationalen Harmonie in Bezug auf das Thema Klimaschutz anzurühren. Das Ergebnis ist ein armseliges Modell für den Emissionshandel, das, sobald es umgesetzt wird, die Kosten in die Höhe treiben und Arbeitsplätze in Europa gefährden wird. Jede einseitig durchgeführte Versteigerung ist nicht als eine weitere Steuerlast. Ich kann keinen Nutzen für die Umwelt erkennen, wenn europäischen Erzeugnissen, die weltweit am saubersten hergestellt werden, diese Last im Namen des Kampfes gegen den Klimawandel aufgebürdet werden soll.
Eine Versteigerung sorgt nur dafür, dass die Umweltverschmutzung nicht mehr in Europa, sondern andernorts erfolgt. Für uns bedeutet sie Arbeitslosigkeit. Das ist weder eine gute noch eine verantwortungsbewusste Umweltpolitik. Wir brauchen eine wirksamere Klimaschutzpolitik.
Die Emissionen müssen im Einklang mit den von uns eingegangenen Verpflichtungen gesenkt werden. Auch unsere Alternative verdient eine angemessene Beachtung im Parlament. Viele Mitgliedstaaten sind dafür, zudem die Konföderation der europäischen Industrie und die gesamte europäische Gewerkschaftsbewegung. Eine weitere Lesung würde den Demokratiemangel beseitigen, der nun im Parlament herrscht.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die Krise zwischen Russland und Georgien hat, zusammen mit der Finanzkrise, nicht nur einen theoretischen, sondern auch einen praktischen Beweis für die Notwendigkeit geliefert, dass die europäischen Institutionen reformiert werden müssen. Die europäische Geschlossenheit, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass Europa mit einer Stimme spricht, ist die einzig sinnvolle Reaktion in derartigen Situationen. Die Umsetzung des Vertrags von Lissabon ist eine echte Notwendigkeit. Ab Dezember muss der Rat eine Lösung vorlegen, die in diese Richtung geht, ganz gleich, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Finanz-, Energie- und Politiksicherheit sowie die Konsolidierung der Grundwerte des europäischen Projekts können nur durch eine enge Partnerschaft mit unseren Nachbarn garantiert werden.
Die Initiative „Östliche Partnerschaft“ sorgt für eine neue politische Dimension in den Beziehungen mit unseren Nachbarn. Durch die Förderung eines institutionalisierten Rahmens, der dazu beiträgt, die Abkommen über liberalere Visakontrollen zu verbessern, eine Freihandelszone zu schaffen und strategische Partnerschaften mit unseren östlichen Nachbarn einzugehen, ergänzt und stärkt sie die Projekte, die bereits in der Schwarzmeerregion laufen.
Man verspürt eine gewisse Lustlosigkeit im Hinblick auf die EU-Erweiterung, aber wir können es uns nicht erlauben, Länder wie Moldawien und die Ukraine noch lange außerhalb der Europäischen Union zu lassen. Die „Östliche Partnerschaft“ muss ein klares Signal beinhalten, eine Roadmap für diese Länder, welche die Möglichkeit eines EU-Beitritts eröffnet – natürlich unter der Voraussetzung, dass sie die erforderlichen Kriterien in jedem Bereich erfüllen.
Esko Seppänen (GUE/NGL), schriftlich. – (FI) Der EU-Gipfel diskutierte darüber, wie das China-Syndrom der USA, also die Kernschmelze der Finanzwirtschaft an der Wall Street, auch die europäischen Märkte mit ihrer Radioaktivität verseucht hat. Heraus kam, dass sich die Welt in eine Post-USA-Ära bewegt. Ihre Autorität zerbröckelte, als ihr Schiff namens „Kapitalismus“ mit der Ideologie der Hyperliberalen auf Grund lief.
Hoffentlich wird die neue Armut des Landes und seine Schwierigkeit, Kredite zu bekommen, den Abbruch der amerikanischen Militäroperation in den von den USA besetzten Ländern beschleunigen. Wenn man bedenkt, was für eine Art Besatzungsmacht die Vereinigten Staaten sind, dann haben die übertriebenen Militäroperationen Russlands in Südossetien sicherlich viel Aufmerksamkeit erhalten. Wir müssen mit dem Ergebnis des Gipfels insofern zufrieden sein, als die extremistischen Länder in der EU und die amerikanischen Fundamentalisten keine Unterstützung für ihre Forderungen nach einer Isolierung Russlands erhielten.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Wir dürfen es nicht zulassen, dass Europa den Preis der Finanzkrise und der Spekulation zahlen muss, die ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten haben. Die Normalbürger dürfen nicht unter den Folgen der Kurzsichtigkeit der Banken und der Gier der Spekulanten leiden.
Das von dem Europäischen Rat angenommene Paket wird hoffentlich die Flut dieses Finanztsunamis eindämmen. Die wichtigste Aufgabe der Europäischen Union muss es sein, zusammen mit den Regierungen der Mitgliedstaaten alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise abzumildern, eine lange Rezession zu verhindern und Investitionen zu schützen.
Wir müssen Reserven bilden, um unsere Bürger zu schützen. Diesbezüglich sind die Länder in Europa verpflichtet, Notfallmaßnahmen zu ergreifen, die Haushaltsausgaben zu senken, geplante Steuersenkungen vorläufig auszusetzen und sogar die Steuern zu erhöhen. Das geschieht von Frankreich bis Großbritannien und von Italien bis Lettland. Allerdings kann dies nur durch einen Konsens auf nationaler Ebene effektiv erreicht werden; jeder, der anders handelt, bringt die finanzielle Stabilität der Nation in Gefahr.
Die Grundsätze der Marktwirtschaft müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Die soziale Kontrolle der Marktprozesse ist unabdingbar, und zwar nicht, um den Wettbewerb auszubremsen, sondern um ihn unter eine notwendige regulatorische Aufsicht zu stellen. Das Europäische Parlament unterstützt den Gedanken einer Finanz- und Kapitalmarktaufsichtsbehörde auf europäischer Ebene, wie sie unlängst vom ungarischen Premierminister Ferenc Gyurcsány vorgeschlagen wurde.
Es ist nicht hinnehmbar, dass die Schuldigen ungestraft davonkommen. Die Einfrierung ihrer millionenschweren Gehälter ist keine Strafe. Diejenigen, die eine internationale Finanzkrise ausgelöst haben, dürfen sich den Strafmaßnahmen nicht entziehen können. Dazu zählen die Beschlagnahmung des Vermögens und die Einfrierung der Vermögenswerte.
Die Präsidentin. - Als nächster Punkt folgt die Abstimmungsstunde.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)
***
Jan Andersson, Berichterstatter. – (SV) Frau Präsidentin! Uns geht langsam die Zeit aus. Wir müssen noch über eine Menge Berichte debattieren, und der Bericht, für den ich verantwortlich bin, ist der letzte auf der Abstimmungsliste. Da viele Abgeordnete das Parlament möglicherweise verlassen, möchte ich vorschlagen, die Abstimmung über den Andersson-Bericht auf morgen zu verschieben. Ich wüsste gerne, ob die anderen Fraktionen dies unterstützen.
(Beifall)
Die Präsidentin. - Das scheint mir ein vernünftiger Vorschlag zu sein.
Gibt es irgendwelche Einwände?
Dann ist es entschieden.
(Die Abstimmung über den Andersson-Bericht (A6-0370/2008) wird auf den 22. Oktober 2008 verschoben)
***
8.1. Maßnahmen gegen die steigenden Ölpreise (Abstimmung)
8.3. Vereinbarung zwischen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation und der Gemeinschaft über die Kooperation auf dem Gebiet der Luftsicherheitsaudits und -inspektionen sowie damit zusammenhängender Angelegenheiten (A6-0374/2008, Paolo Costa) (Abstimmung)
8.7. Anwendung des dem EG-Vertrag beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (kodifizierte Fassung) (A6-0386/2008, Diana Wallis) (Abstimmung)
8.8. Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Luftverkehr (kodifizierte Fassung) (A6-0379/2008, Diana Wallis) (Abstimmung)
8.9. System der Eigenmittel der Gemeinschaften (A6-0342/2008, Alain Lamassoure) (Abstimmung)
8.10. Erlangung von Nachweisen in Verfahren (Europäische Beweisanordnung) (A6-0408/2008, Gérard Deprez) (Abstimmung)
8.11. Wiederauffüllung der Kabeljaubestände (A6-0340/2008, Niels Busk) (Abstimmung)
8.12. Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union– (A6-0399/2008, Reimer Böge) (Abstimmung)
8.13. Berichtigungshaushaltsplan Nr. 7/2008 (A6-0412/2008, Kyösti Virrankoski) (Abstimmung)
8.14. Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (A6-0405/2008, Reimer Böge) (Abstimmung)
8.15. Schaffung einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel zwischen der EU und den am stärksten gefährdeten armen Entwicklungsländern (A6-0366/2008, Anders Wijkman) (Abstimmung)
8.16. Staatliches Handeln und Partnerschaft auf nationaler und regionaler Ebene sowie auf Projektbasis im Bereich der Regionalpolitik (A6-0356/2008, Jean Marie Beaupuy) (Abstimmung)
8.17. Bessere Rechtsetzung 2006 (A6-0355/2008, Manuel Medina Ortega) (Abstimmung)
8.18. Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (24. Jahresbericht) (A6-0363/2008, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg) (Abstimmung)
8.19. Strategie zur künftigen Regelung der institutionellen Aspekte der Regelungsagenturen (A6-0354/2008, Georgios Papastamkos) (Abstimmung)
8.20. Anklage und Einleitung eines Verfahrens gegen Joseph Kony vor dem Internationalen Strafgerichtshof (B6-0536/2008) (Abstimmung)
8.21. Programm Erasmus Mundus (2009-2013) (A6-0294/2008, Marielle De Sarnez) (Abstimmung)
8.22. Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (Neufassung) (A6-0300/2008, József Szájer) (Abstimmung)
8.23. Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (Neufassung) (A6-0297/2008, József Szájer) (Abstimmung)
8.24. Statistische Erfassung des Güter- und Personenseeverkehrs (Neufassung) (A6-0288/2008, József Szájer) (Abstimmung)
8.25. Gemeinschaftsstatistiken des Warenverkehrs zwischen Mitgliedstaaten (A6-0348/2008, Eoin Ryan) (Abstimmung)
8.26. Anwendbares Recht in Ehesachen (A6-0361/2008, Evelyne Gebhardt) (Abstimmung)
– Vor der Abstimmung
Panayiotis Demetriou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Der mündliche Änderungsantrag, den ich vorschlagen möchte, ist Folgender: „Die Ehegatten können sich darauf einigen, welches Recht zur Scheidung und rechtmäßigen Trennung zur Anwendung kommen soll, vorausgesetzt, dieses Recht steht mit den in den Verträgen und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union definierten Grundrechten und dem Grundsatz der öffentlichen Politik im Einklang.“
Dieser mündliche Änderungsantrag beschränkt das Recht der Ehegatten auf Rechtswahl, wie es in Artikel 20 vorgesehen ist. Ich glaube, dies ist im Sinne der Politik der PPE-DE-Fraktion, die die Rechtswahl einschränken wollte, sodass diese, wie wir hier sagen, mit den Grundrechten und auch mit der öffentlichen Politik in Einklang steht. Somit wird ein Richter, dem ein solcher Antrag der Ehegatten auf Anwendung eines ausländischen Rechts vorgelegt wird, urteilen und verkünden, dass er diesem nicht stattgibt, da dieser gegen die öffentliche Politik oder die Grundrechte verstößt.
Evelyne Gebhardt, Berichterstatterin. – (DE) Frau Präsidentin! Ich kann diesen Änderungsantrag annehmen, weil er eine Selbstverständlichkeit wiedergibt. Natürlich muss das anwendbare Recht den Grundsätzen unserer Verträge und der Grundrechtecharta genügen. Mit diesem Antrag habe ich kein Problem.
Die Präsidentin. - Gibt es Einwände irgendwelcher Art gegen die Einbeziehung dieses mündlichen Änderungsantrags?
Ich sehe hier keine.
(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen)
Carlo Casini (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin! Natürlich habe ich nichts dagegen, dass die Menschenrechte und die Grundrechte der Union bei der Rechtswahl geachtet werden müssen. Das ist nicht das Thema. Die Frage ist, ob, wenn die Ehegatten das Recht wählen dürfen – ich möchte darauf hinweisen, dass die Rechtswahl eine Ausnahme in allen Rechtssystemen darstellt – dieses Recht das Recht eines der 27 Mitgliedstaaten der Union sein muss oder das irgendeines Landes der Welt sein kann.
Daher stimme ich nicht gegen diesen Änderungsantrag, aber ich denke, dass wir damit um die Abstimmung über die nachfolgenden Änderungsanträge der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten nicht herumkommen, die festlegen, dass nur das Recht eines der 27 Mitgliedstaaten der Union gewählt werden darf.
Bruno Gollnisch (NI). - (FR) Frau Präsidentin! Aus dieser Aussprache geht ohne jeden Zweifel hervor, dass wir bezüglich dieser Angelegenheit noch einen langen Weg vor uns haben. Über diese Themen hätte im Ausschuss debattiert werden sollen. Deshalb möchte ich Sie im Einklang mit unserer Geschäftsordnung darum bitten, diesen Bericht an den Ausschuss zurückzuverweisen.
(Der Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuss wird abgelehnt.)
– Nach der Abstimmung über Änderungsantrag 32
Evelyne Gebhardt, Berichterstatterin. – (DE) Frau Präsidentin! Die Vereinbarung zwischen den Fraktionen EVP, PSE, Grüne und Liberale war Folgende: Wenn wir diesen mündlichen Änderungsantrag der EVP akzeptieren, werden alle EVP-Änderungsanträge zurückgezogen werden. Ich erwarte von der EVP, dass sie diese jetzt auch zurückzieht.
Panayiotis Demetriou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Es stimmt, dass die Vereinbarung diese Bedingung enthielt. Herr Casini war anderer Meinung. Ich denke, dass die Änderungsanträge der PPE-DE-Fraktion durch den von mir eingebrachten und angenommenen mündlichen Änderungsantrag abgedeckt sind, daher besteht keine Notwendigkeit, über diese Änderungsanträge abzustimmen, die gerade dazu eingebracht worden sind, um die Forderung der Einschränkung des Rechts zu unterstützen.
Die Präsidentin. - Die Änderungsanträge 32 bis einschließlich 37 sind damit hinfällig.
Fahren wir also fort. Die Fraktionen wollten etwas sagen.
- Vor der Abstimmung über die legislative Entschließung
Cristiana Muscardini (UEN). - (FR) Frau Präsidentin! Manchmal muss man seine Brille aufsetzen, um zu sehen, ob ein Abgeordneter im Hinblick auf die Geschäftsordnung mit der Präsidentschaft sprechen möchte.
Wie Sie wissen, kann eine andere Fraktion die Änderungsanträge annehmen, die eine Fraktion abgelehnt hat. Wir sind nicht glücklich über das, was Herr Casini gesagt hat. Wir sollten daher über den von der UEN-Fraktion angenommenen Änderungsantrag abstimmen.
Die Präsidentin. - Frau Muscardini, ich habe eben gesagt, dass die Änderungsanträge hinfällig sind. Sind sie einmal hinfällig, kann ich sie nicht mehr zur Abstimmung stellen.
8.27. Steuerung der Flottenkapazität der in Gebieten in äußerster Randlage registrierten Fangflotten (A6-0388/2008, Pedro Guerreiro) (Abstimmung)
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich begrüße den Vorschlag zur Schaffung eines globalen Bündnisses zum Klimawandel zwischen der Europäischen Union, den am wenigsten entwickelten Ländern und den kleinen Schwelleninselstaaten. Man kann davon ausgehen, dass eine Anpassung an den Klimawandel Kosten in Höhe von 80 Milliarden US-Dollar erfordern wird, da man natürlich vorrangig der Entwaldung der tropischen Regenwälder Einhalt gebieten muss. Die hierfür bestimmten 60 Millionen Euro machen weniger als 1 % davon aus, sind aber dennoch ein erheblicher Betrag für die am stärksten bedrohten Länder, sofern er effektiv genutzt wird. Das Bündnis stellt eine Chance dar, wenn es als Bezugspunkt und Methodenzentrum für ein präventives Risikomanagement in Bezug auf die Naturkatastrophen dient, die der Klimawandel in den ärmsten Ländern mit sich bringen wird. Der größte Schwachpunkt ist die fehlende Koordination der unzähligen Aktivitäten. Das Bündnis sollte die humanitäre Hilfe nicht ersetzen. Vielmehr soll es dazu beitragen, das Ausmaß der erwarteten Katastrophen durch die Bereitstellung von Unterstützung im Rahmen innovativer Programme, durch die Stärkung der Verwaltungsstrukturen auf nationaler und lokaler Ebene und die Bildung der Einwohner der bedrohten Inselstaaten zu minimieren.
Bogdan Pęk (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Ich habe dagegen gestimmt, denn ich glaube, dass das gesamte Konzept der drastischen Senkung der Kohlendioxidemissionen, wie es von der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat vorgeschlagen wurde, grundsätzlich verkehrt ist und einer geeigneten Rechtsgrundlage entbehrt. Darüber hinaus würde mein Land, wenn diese Politik in Polen umgesetzt werden müsste, mehr verlieren als alles, was es bislang in Form von Direktzahlungen, indirekten Subventionen und Zuschüssen erhalten hat, und es müssten noch mehr Mittel aufgebracht werden. Dies bedeutet, dass diese Politik für die Volkswirtschaften vieler Entwicklungsländer desaströs wäre. Sie wäre kein gutes Beispiel für den Rest der Welt, die dieses Konzept basierend auf den in Europa erzielten Ergebnissen auf globaler Ebene umsetzen soll. Würde diese Politik jedoch nur in Europa umgesetzt, wäre dies eine vollkommen unnütze Verschwendung von 500 Milliarden Euro.
Victor Boştinaru, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Der Bericht bezieht sich auf die Zukunft der Kohäsionspolitik. Es war nicht einfach, pragmatische Antworten zu finden, die für alle 27 Mitgliedstaaten und ihre diversen Regierungs- und Partnerschaftssysteme gelten. Dem Berichterstatter ist es gelungen, sehr konkrete Vorschläge vorzulegen. Was die Regierungsführung anbelangt, möchte ich zwei Elemente unterstreichen. Wir müssen die regionalen und lokalen Behörden in die Lage versetzen, ihre Verantwortung besser und effizienter aufzuteilen. Des Weiteren ist es äußerst wichtig, die mangelnde Erfahrung und Verwaltungsfähigkeit im Hinblick auf die Verwaltung von Mitteln und Projekten auf regionaler und lokaler Ebene anzugehen. Bezüglich der Partnerschaft besteht der Bericht zu Recht auf der zentralen Bedeutung integrativer Prozesse und der vollen Zuständigkeit. Wir müssen in allen politischen Phasen und Umsetzungsphasen so viele Interessenvertreter wie möglich einbeziehen, und dafür brauchen wir ein Mindestmaß an verbindlichen Standards.
Ich bin äußerst zufrieden mit der Art und Weise, wie der Berichterstatter all unsere Beiträgen und Bedenken berücksichtigt hat, und gratuliere ihm nochmals für seine ausgezeichnete Arbeit.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Ich habe Erfahrung in einer lokalen Behörde gesammelt und halte den Grundsatz der Partnerschaft für ein Schlüsselelement der Kohäsionspolitik der EU, so wie es auch der Berichterstatter Herr Jean Marie Beaupuy sieht. Daher habe ich für den Bericht gestimmt.
Eine erfolgreiche Partnerschaft erfordert am Anfang des Prozesses eine gewisse Investition. Später werden dann Einsparungen in Bezug auf Zeit, Geld und Effektivität erreicht. Die Schaffung eines Erasmus-Programms für lokal gewählte Volksvertreter würde zu einem Austausch erprobter und bewährter Ansätze im Bereich der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten innerhalb der EU beitragen.
Ich appelliere an die zuständigen Institutionen, insbesondere an die 12 neuen Mitgliedstaaten, zu denen auch mein eigenes Land, die Slowakische Republik zählt, den Grundsatz der Partnerschaft im Programmplanungszeitraum 2007–2013 gewissenhaft anzuwenden und eine historische Chance zu nutzen, die Unterschiede zwischen den Regionen zu beseitigen. Lokalpolitiker kennen ihre Bereiche sehr gut und sind imstande, die effektivsten Lösungen für die Probleme ihrer Städte und Dörfer zu finden. Deshalb appelliere ich an die Mitgliedstaaten, ihre Macht zu dezentralisieren, um die EU-Kohäsionspolitik nicht auf zentraler, sondern auf regionaler Ebene umzusetzen.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Zusammen mit dem übrigen Teil der Hochschulbildung habe ich die zweite Phase des Programms Erasmus Mundus sehr begrüßt. Ich bin mir sicher, dass niemand davon überzeugt werden muss, dass die Integration kluger junger Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt der Schlüssel für den Ausbau und die Erhaltung des Friedens ist – weder auf unserem Kontinent noch weltweit. Die Horizonte der Studenten werden erweitert und sie lernen, Dinge aus neuen Blickwinkeln zu sehen. All dies geschieht infolge direkter Kontakte, Unterricht in einer Fremdsprache und dem Kennenlernen anderer Kulturen. Die Studenten werden offener und toleranter. Aus diesen Gründen befürworte ich das neue Konzept sehr, das in dem Dokument über das Programm Erasmus Mundus enthalten ist.
Philip Claeys (NI). - (NL) Frau Präsidentin! Ich habe gegen den Bericht von Frau De Sarnez gestimmt, da es für mich nicht hinnehmbar ist, dass das Programm verlängert werden soll, ohne dass grundlegende Änderungen bezüglich der Diskriminierung europäischer Studenten im Vergleich zu ihren nicht europäischen Kommilitonen vorgenommen werden, die Stipendien in Anspruch nehmen möchten. Ein nicht europäischer Student erhält ein jährliches Stipendium in Höhe von 21 000 Euro, während europäische Studenten, die im Rahmen von Erasmus Mundus außerhalb der Europäischen Union studieren wollen, nur mit 3 100 Euro rechnen können. Da sich eine Diskrepanz dieser Größenordnung nicht objektiv erklären oder rechtfertigen lässt, kann und darf diese Diskriminierung nicht länger aufrechterhalten werden.
Gyula Hegyi (PSE). - (HU) Als Berichterstatterin bzw. in diesem Fall als Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit zum Bericht über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen möchte ich erneut betonen, dass dem Europäischen Parlament eine größere Rolle bei der Beaufsichtigung von Verfahren eingeräumt werden muss. Der Bürger Europas fürchten sich vor der intransparenten Anwendung von genetisch veränderten Mikroorganismen, und eine Aufsicht durch das Parlament bedeutet Offenheit und Transparenz. Dem Misstrauen kann nur mit vollständiger Offenheit begegnet werden. Auch im Fall der genetisch veränderten Mikroorganismen sollte das Ziel darin bestehen, die Beteiligung des Europäischen Parlaments in Gesundheits- und Umweltsicherheitsfragen obligatorisch vorzuschreiben. Ich freue mich, dass meine diesbezüglichen Änderungsvorschläge, die vom Umweltausschuss einstimmig unterstützt werden, nun auch vom Europäischen Parlament angenommen worden sind.
Carlo Casini (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin! Ich denke, ich muss deutlicher erklären, warum ich dagegen bin und es für ungerecht halte, dass die von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten eingebrachten Änderungsanträge zu dem Gebhardt-Bericht als hinfällig erklärt werden sollen, obwohl über ein vollkommen anderes Thema abgestimmt worden ist.
Es ist eine Sache, zu sagen, dass man das Recht eines beliebigen Landes der Welt wählen kann, sofern es nicht gegen die Menschenrechte verstößt; aber eine ganz andere, zu sagen, dass man nur ein Recht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wählen darf. Da gibt es einen Unterschied, und deshalb halte ich es für ungerecht, dass die Änderungsanträge zu Letzterem zurückgezogen werden sollen.
Allerdings bin ich – und ich hoffe, dass mein Argument im Verlauf der Aussprache über diese Regulierung akzeptiert wird – für die Anstrengungen zur Schaffung eines europäischen Rechtsraums mit europäischer Harmonisierung. Es macht keinen Sinn, beispielsweise das chinesische Recht oder das Recht eines fernen Pazifikstaates in einer so heiklen Angelegenheit wie den ehelichen Beziehungen anzuwenden, wenn es doch dringend erforderlich ist, erst einmal in den 27 Mitgliedstaaten der Union einen einheitlichen Rechtsraum zu schaffen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Scheidungen gehören bedauerlicherweise zur dunklen Seite der europäischen Zivilisation, und die Zahl der so genannten internationalen Scheidungen steigt. Die Kinder leiden darunter immer am meisten. Internationale Scheidungen führen auch häufig zu Streitigkeiten darüber, in welchem Land die Gerichtsverhandlung stattfinden soll, in der über die Zukunft der Kinder entschieden wird. Ich habe die Maßnahme unterstützt, die eindeutigere Regelungen für internationale Paare schafft, die sich scheiden lassen wollen, da es auf der Grundlage eines Vertrags für beide Parteien möglich wird, ein geeignetes Gericht und damit das Recht eines Mitgliedstaates zu wählen, mit dem sie eine gewisse Verbindung haben. Das ist wichtig, ganz besonders in einer Situation, in der Ehegatten in einem Land leben, in dem keiner von beiden eingebürgert ist. Die Rechtsvorschriften weisen zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede auf, daher ist es eine weitere Verbesserung, dass das Europäische Parlament in diese Maßnahme die Aufgabe für die Kommission zur Erstellung eines öffentlichen internetgestützten Informationssystems eingebaut hat, das über alle diese unterschiedlichen Details Auskunft gibt. Es sollte erwähnt werden, dass inzwischen jedes Jahr einhundertsiebzigtausend Ehepaare und ihre Kinder von internationalen Scheidungen betroffen sind.
David Sumberg (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilt haben. Die konservative Delegation im Parlament und ich haben gegen diesen Gebhardt-Bericht gestimmt. Bevor ich einen Sitz in diesem Parlament hatte, praktizierte ich als Jurist in Großbritannien und befasste mich dabei gelegentlich auch mit dem Scheidungsrecht. Ich denke, dies wäre ein Rückschritt. Es sollte jedem Mitgliedstaat obliegen, das Recht zu bestimmen, das in solchen Angelegenheiten zur Anwendung kommt.
Es besteht absolut keine Notwendigkeit für die Europäische Kommission oder ein anderes europäisches Gremium, hier einzugreifen. Alle unsere Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Traditionen, andere Ansichten zur Scheidung, andere Glaubenssätze, Religionen und Hintergründe, und es ist nur recht und billig, dass jedes einzelne Land dies zum Ausdruck bringt. Wir sollten die Einführung einer übergeordneten Behörde, die uns vorschreibt, was zu tun ist, nicht akzeptieren.
Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, diesen denkwürdigen Moment in meiner politischen Laufbahn zu erleben, denn ich kann wahrheitsgetreu sagen, dass ich – abgesehen von Ihnen, Frau Präsidentin – zu einem vollkommen leeren Parlament gesprochen habe.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. – (IT) Ich habe für den Bericht (A6-0367/2008) von Angelika Niebler über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens über eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Regierung Neuseelands andererseits im Namen der Europäischen Gemeinschaft gestimmt, wobei Neuseeland das einzige Industrieland ist, mit dem die Europäische Gemeinschaft noch kein Abkommen über eine wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit geschlossen hat.
Derzeit basiert die Kooperation zwischen der Gemeinschaft und Neuseeland auf einem informellen Abkommen über eine wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der Regierung Neuseelands, das am 17. Mai 1991 unterzeichnet wurde und in Kraft trat. Allerdings sieht dieses Abkommen weder eine institutionelle Koordination der Zusammenarbeit vor, noch beinhaltet es spezifische Regelungen für die Behandlung und den Schutz von geistigen Eigentumsrechten. Anlässlich meiner kürzlichen Reise nach Neuseeland hatte ich Gelegenheit, mit einigen der hochrangigsten Vertreter dieses Landes zu sprechen, die ihr Interesse an einer Stärkung dieser Zusammenarbeit durch das Rahmenprogramm über Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Biotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnik, Gesundheit, Umwelt und Mobilität der Forscher bekräftigt haben.
Diese Sektoren entsprechen genau denen, die nach Ansicht der Kommission für die EU am interessantesten und am vielversprechendsten im Hinblick auf eine künftige Zusammenarbeit sind, welche ihr wiederum die Möglichkeit bieten wird, das Potenzial für eine Kooperation mit dieser Industrienation voll auszuschöpfen.
Charlotte Cederschiöld, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark und Anna Ibrisagic (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Die schwedischen Konservativen unterstützen den Vorschlag der Kommission zur Einführung eines speziellen Programms, das armen Entwicklungsländern dabei hilft, sich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten und sich daran anzupassen. Des Weiteren befürworten wir auch den Kerninhalt des parlamentarischen Berichts über den Kommissionsvorschlag, und wir haben uns daher entschieden, für den Bericht zu stimmen.
Allerdings sind wir gegen den Antrag, den Haushalt von derzeit 60 Millionen Euro bis 2010 auf 2 Milliarden Euro aufzustocken, um die Globale Allianz gegen den Klimawandel zu finanzieren. Ferner lehnen wir den Vorschlag zur Zuweisung von mindestens 25 % der künftigen Versteigerungserlöse aus dem Emissionshandelsprogramm für die Finanzierung dieser Haushaltserhöhung ab.
Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Die Verordnung (EG) Nr. 639/2004 sieht eine Reihe von Ausnahmeregelungen in Bezug auf die Zu- und Abgänge von Schiffen vor, die in Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik festgelegt sind.
Allerdings hat es die verspätete Annahme des Rechtsinstruments der Kommission, das die betroffenen Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, staatliche Beihilfen und eine begrenzte Werftkapazität zuzuteilen, unmöglich gemacht, die Frist hinsichtlich des Zugangs zu der Fischfangflotte einzuhalten, der gemäß Verordnung (EG) Nr. 639/2004 staatliche Beihilfen für Renovierungen bis zum 31. Dezember 2008 zustehen.
In seinem Bericht hat das Europäische Parlament und insbesondere dessen Fischereiausschuss die Verlängerung der Fristen für staatliche Beihilfen für die Renovierung und Registrierung von Schiffen sowohl in Bezug auf die derzeit geltende Verordnung als auch im Hinblick auf den von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag verteidigt, nach dem die Frist nur um ein Jahr verlängert werden sollte, sprich bis zum 31. Dezember 2009.
Die Verlängerung der staatlichen Beihilfen für die Renovierung der Flotten der äußersten Regionen bis zum 31. Dezember 2009 und die Möglichkeit der Registrierung von Schiffen bis zum 31. Dezember 2011 stellen angesichts der erwähnten Hindernisse eine entscheidende Hilfe dar.
Aus diesem Grund habe ich für diesen Bericht gestimmt.
Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Während des Zeitraums vom 19.-27. Juli besuchte ich Neuseeland als Mitglied einer 11-köpfigen Delegation des Europäischen Parlaments. Dieses fortschrittliche und reiche Land mit europäischem Geist liegt über 27 000 km von der Slowakischen Republik entfernt. Unsere Treffen mit den Studenten des European Institute an der Universität Auckland und der Universität Canterbury in Christchurch waren sehr inspirierend. Wir sprachen über das Siebte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft in den Bereichen Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration sowie über die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen der EU und Neuseeland in Wissenschaft und Forschung. Aus genau diesem Grund unterstütze ich im Rahmen des Konsultationsprozesses die Unterzeichnung des Abkommens über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung Neuseelands, und ich habe daher für den Bericht der Berichterstatterin Angelika Niebler gestimmt.
Neuseeland ist eines der am wenigsten verschmutzten Länder der Welt, worauf das Land zu Recht stolz ist. Die Neuseeländer halten sich an den Slogan „Grün, sauber und sicher“. 2/3 des Stroms des Landes werden aus Wasserkraft erzeugt. Auch enorme Mengen an heißem Wasser werden zur Stromerzeugung verwendet. Atomkraft gibt es dort nicht.
Ich bin fest davon überzeugt, dass sich eine wechselseitige Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel mit dem Ziel, gemeinsame Ansätze in den Bereichen Wissenschaft, Forschung und Innovation zu finden, für beide Seiten als vorteilhaft erweisen wird.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe für Frau Nieblers Bericht über den Abschluss eines Abkommens über eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung Neuseelands gestimmt. Wie wir aus dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates entnehmen können, ist Neuseeland das einzige nicht europäische Industrieland, mit dem die Gemeinschaft noch keinen formellen Vertrag über eine Wissenschaft und Technologie geschlossen hat. Aus diesem Grund und angesichts der zunehmenden Komplexität der technologischen Innovation und der Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts denke ich, dass es angebrachter ist als jemals zuvor, dass die Gemeinschaft den bestehenden Kooperationsvertrag formalisiert, um die Zusammenarbeit stärken zu können, insbesondere in Sektoren, die wichtiger sind denn je – beispielsweise Gesundheitswesen, Biotechnologie sowie Informations- und Kommunikationstechnik.
Ich bin überzeugt, dass die Gemeinschaft damit in der Lage sein wird, das Potenzial einer Zusammenarbeit mit Neuseeland voll zu nutzen. Diese sollte auf den Grundsätzen eines wirksamen Schutzes von geistigem Eigentum und einer fairen Aufteilung geistiger Eigentumsrechte beruhen.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Ich habe für den Bericht über die Stellungnahmen zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation und der Europäischen Gemeinschaft über die Kooperation auf dem Gebiet der Luftsicherheitsaudits und -inspektionen sowie damit zusammenhängender Angelegenheiten (KOM(2008)0335 – C6-0320/2008 – 2008/0111(CNS)) gestimmt.
Herr Costa, der Berichterstatter, hat zu Recht betont, dass die Kooperationsvereinbarung gemäß den Zielen der Gemeinschaftspolitik im Bereich der zivilen Luftfahrt die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und der ICAO stärken wird. Ganz besonders wichtig ist es, sich vor Augen zu halten, dass die Umsetzung der ausgehandelten Vereinbarung eine bessere Nutzung der stets knappen Ressourcen im Bereich der Überwachung und der Einhaltung von Verordnungen ermöglichen wird. Die Umsetzung des Beschlusses dürfte den Mitgliedstaaten erhebliche Vorteile bringen.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Mit dem Entwurf der Kooperationsvereinbarung, die Thema dieses Berichts ist, wird eine erhebliche Reduzierung der Einzelfallprüfungen durch die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) in den Mitgliedstaaten angestrebt. Zu diesem Zweck wird die ICAO das Luftsicherheits-Inspektionssystem der Europäischen Gemeinschaft prüfen.
Daher wird die Kooperationsvereinbarung gemäß den Zielen der zivilen Luftfahrtpolitik der Gemeinschaft die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und der ICAO stärken und eine bessere Nutzung der knappen Ressourcen der Mitgliedstaaten im Bereich der Einhaltungsüberwachung ermöglichen.
Die Mitgliedstaaten hatten bis dato mit zwei Einhaltungsüberwachungssysteme, die dasselbe Ziel verfolgen und im Großen und Ganzen denselben Umfang haben. Einmal mehr wird das Hauptziel dieser Maßnahme die rationellere Nutzung der verfügbaren Ressourcen sein.
Schließlich ist die ICAO dazu verpflichtet, sich an die Gemeinschaftsvorschriften zu halten, um für einen geeigneten Umgang mit den klassifizierten EU-Informationen zu sorgen, und die Kommission ist dazu befugt, vor Ort zu prüfen, welche Schutzmaßnahmen von der ICAO getroffen worden sind.
Daher habe ich für den Costa-Bericht gestimmt.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für Herrn Costas Bericht über den Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation und der Europäischen Gemeinschaft über die Kooperation auf dem Gebiet der Luftsicherheitsaudits und -inspektionen gestimmt. Meines Erachtens führt die Anwendung von zwei Einhaltungsüberwachungssystemen mit demselben Ziel und größtenteils demselben Umfang nicht nur zu einer ineffizienten Mittelzuteilung durch die zuständigen Stellen, sondern auch, was noch schwerer wiegt, zu einer Belastung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Kosten und die Nutzung der ihnen zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen. Daher begrüße ich den Vorschlag einer Zusammenarbeit zwischen der ICAO und der Europäischen Kommission bei diesem Thema.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts meiner britischen Kollegin Frau Wallis für die legislative Entschließung gestimmt, womit der Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht angenommen wird. Dieser Entwurf entsteht aus dem Wunsch heraus, das Gemeinschaftsrecht zu konsolidieren, was meiner Meinung nach fälschlicherweise als Kodifikation bezeichnet wird. Dies ist ein lobenswerter Wunsch, aber ich bedaure, dass die Kommission angesichts der Entwicklung und der Komplexität der Texte ihren Standpunkt vom 1. April 1987 nicht überdacht hat, der darin besteht, ihre Dienste anzuweisen, weiterhin alle Gesetzgebungsakte spätestens nach ihrer zehnten Änderung zu kodifizieren, wobei gleichzeitig betont wird, dass dies ein Mindeststandard ist und ihre Dienste im Interesse der Klarheit und des richtigen Verständnisses der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft Anstrengungen unternehmen müssten, die Texte, für die sie verantwortlich sind, in noch kürzeren Abständen zu kodifizieren. In diesem besonderen Fall kodifizieren wir eine Reihe von Richtlinien aus den Jahren 1972, 1983, 1990, 2000 und 2005 zusammen mit Texten, die diese abändern. Ich bin der Ansicht, dass die Politik der Konsolidierung des Gemeinschaftsrechts eine der Prioritäten der Europäischen Kommission sein sollte.
Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Wir müssen ein vereinfachtes und klareres Gemeinschaftsrecht anstreben, damit es für alle Bürger verständlicher und zugänglicher wird. Dadurch würden ihnen neue Möglichkeiten eröffnet und sie wären imstande, bestimmte Rechte zu nutzen, die ihnen gewährt werden.
Dieses Ziel ist unerreichbar, wenn zahlreiche Verordnungen, die mehrmals teilweise, häufig sogar wesentlich geändert werden, über mehrere Akte verteilt sind, sodass manche davon im ursprünglichen Gesetzesakt und andere in später geänderten Akten zu finden sind. Um die jeweils geltenden Regelungen zu finden, muss also eine umfangreiche Recherche durchgeführt werden, bei der diverse Rechtsakte miteinander verglichen werden müssen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, die mehrmals geänderten Verordnungen zu kodifizieren, um das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu gestalten, was wir ja anstreben.
– Bericht von Diana Wallis (A6-381/2008)
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts meiner britischen Kollegin Frau Wallis für die legislative Entschließung gestimmt, mit der der Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf einfache Druckbehälter angenommen wird. Dieser Entwurf entsteht aus dem Wunsch heraus, das Gemeinschaftsrecht zu konsolidieren, was meiner Meinung nach fälschlicherweise als Kodifikation bezeichnet wird. Dies ist ein lobenswerter Wunsch, aber ich bedaure, dass die Kommission angesichts der Entwicklung und der Komplexität der Texte ihren Standpunkt vom 1. April 1987 nicht überdacht hat, der darin besteht, ihre Dienste anzuweisen, weiterhin alle Gesetzgebungsakte spätestens nach ihrer zehnten Änderung zu kodifizieren, wobei gleichzeitig betont wird, dass dies ein Mindeststandard ist und ihre Dienste im Interesse der Klarheit und des richtigen Verständnisses der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft Anstrengungen unternehmen müssten, die Texte, für die sie verantwortlich sind, in noch kürzeren Abständen zu kodifizieren. In diesem besonderen Fall kodifizieren wir eine Reihe von Richtlinien aus den Jahren 1987, 1990 und 1993 zusammen mit Texten, die diese abändern. Ich bin der Ansicht, dass die Politik der Konsolidierung des Gemeinschaftsrechts eine der Prioritäten der Europäischen Kommission sein sollte und dass die derzeitige Lage nicht angemessen ist, insbesondere im Hinblick auf die Mitgliedstaaten und die Europäer.
Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Die Mitgliedstaaten müssen alle erforderlichen Mittel einsetzen, um sicherzustellen, dass Druckbehälter nur dann auf den Markt kommen und zur Verwendung bereitgestellt werden, wenn sie für Menschen, Tiere und Sachwerte sicher sind und entsprechend ihrem Einsatzzweck installiert, gewartet und genutzt werden. Die Hersteller müssen die Übereinstimmung der Behälter mit der EG-Baumusterprüfbescheinigung und der Beschreibung des Herstellungsverfahrens gewährleisten. Des Weiteren müssen die Behälter mit dem CE-Zeichen gekennzeichnet sein und über eine Konformitätserklärung verfügen. Diese Richtlinie gilt für einfache, in Serie hergestellte Druckbehälter, nicht jedoch für Behälter, die speziell für den Einsatz in Atomkraftwerken, den Schiffs- oder Flugzeugantrieb und Feuerlöscher entwickelt werden.
Mit diesem Entwurf wird die Kodifizierung der Richtlinie 87/404/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für einfache Druckbehälter angestrebt. Die neue Richtlinie wird diverse Gesetzesakte ändern, deren Vorschriften in diese einbezogen wurden. Der Entwurf ändert den Inhalt der kodifizierten Rechtsakte nicht; er fasst diese lediglich nach den für die Kodifizierung erforderlichen Änderungen zusammen.
– Bericht von Diana Wallis (A6-385/2008)
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts meiner britischen Kollegin Frau Wallis für die legislative Entschließung gestimmt, mit der der Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel angenommen wird. Dieser Entwurf entsteht aus dem Wunsch heraus, das Gemeinschaftsrecht zu konsolidieren, was meiner Meinung nach fälschlicherweise als Kodifikation bezeichnet wird. Ich bedaure, dass die Kommission angesichts der Entwicklung und der Komplexität der Texte ihren Standpunkt vom 1. April 1987 nicht überdacht hat, der darin besteht, ihre Dienste anzuweisen, weiterhin alle Gesetzgebungsakte spätestens nach ihrer zehnten Änderung zu kodifizieren, wobei gleichzeitig betont wird, dass dies ein Mindeststandard ist und ihre Dienste im Interesse der Klarheit und des richtigen Verständnisses der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft Anstrengungen unternehmen müssten, die Texte, für die sie verantwortlich sind, in noch kürzeren Abständen zu kodifizieren. In diesem besonderen Fall konsolidieren wir die Verordnung des Rates von 1992 und die vier Texte, mit denen diese jeweils in den Jahren 1994, 2003, 2005 und 2006 geändert wurde. Ich bin der Ansicht, dass die Politik der Konsolidierung des Gemeinschaftsrechts eine der Prioritäten der Europäischen Kommission sein sollte und dass die derzeitige Lage nicht angemessen ist, insbesondere im Hinblick auf die Mitgliedstaaten und die Europäer.
– Bericht von Diana Wallis (A6-386/2008)
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), - (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts meiner britischen Kollegin Frau Wallis für die legislative Entschließung gestimmt, mit der nach Abschluss des Konsultationsverfahrens der Entwurf einer Verordnung des Rates über die Anwendung von Artikel 81 des Vertrags im Luftverkehrssektor angenommen wird. Dieser Entwurf entsteht aus dem Wunsch heraus, das Gemeinschaftsrecht zu konsolidieren, was meiner Meinung nach fälschlicherweise als Kodifikation bezeichnet wird. Ich bedaure, dass die Kommission angesichts der Entwicklung und der Komplexität der Texte ihren Standpunkt vom 1. April 1987 nicht überdacht hat, der darin besteht, ihre Dienste anzuweisen, weiterhin alle Gesetzgebungsakte spätestens nach ihrer zehnten Änderung zu kodifizieren, wobei gleichzeitig betont wird, dass dies ein Mindeststandard ist und ihre Dienste Anstrengungen unternehmen müssten, die Texte, für die sie verantwortlich sind, in noch kürzeren Abständen zu kodifizieren. In diesem besonderen Fall konsolidieren wir die Verordnung des Rates von 1987 und die fünf Texte, mit denen diese jeweils in den Jahren 1990, 1992, 1994, 2003 und 2004 geändert wurde. Ich bin der Ansicht, dass die Politik der Konsolidierung des Gemeinschaftsrechts eine der Prioritäten der Europäischen Kommission sein sollte und dass die derzeitige Lage nicht angemessen ist, insbesondere im Hinblick auf die Mitgliedstaaten und die Europäer.
– Bericht von Diana Wallis (A6-379/2008)
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts meiner britischen Kollegin Frau Wallis für die legislative Entschließung gestimmt, mit der nach Abschluss des Konsultationsverfahrens der Entwurf einer Verordnung des Rates über die Anwendung von Artikel 81 des Vertrags im Luftverkehrssektor angenommen wird. Dieser Entwurf entsteht aus dem Wunsch heraus, das Gemeinschaftsrecht zu konsolidieren, was meiner Meinung nach fälschlicherweise als Kodifikation bezeichnet wird. Ich bedaure, dass die Kommission angesichts der Entwicklung und der Komplexität der Texte ihren Standpunkt vom 1. April 1987 nicht überdacht hat, der darin besteht, ihre Dienste anzuweisen, weiterhin alle Gesetzgebungsakte spätestens nach ihrer zehnten Änderung zu kodifizieren, wobei gleichzeitig betont wird, dass dies ein Mindeststandard ist und ihre Dienste Anstrengungen unternehmen müssten, die Texte, für die sie verantwortlich sind, in noch kürzeren Abständen zu kodifizieren. In diesem besonderen Fall konsolidieren wir die Verordnung des Rates von 1987 und die fünf Texte, mit denen diese jeweils in den Jahren 1990, 1992, 1994, 2003 und 2004 geändert wurde. Ich bin der Ansicht, dass die Politik der Konsolidierung des Gemeinschaftsrechts eine der Prioritäten der Europäischen Kommission sein sollte und dass die derzeitige Lage nicht angemessen ist, insbesondere im Hinblick auf die Mitgliedstaaten und die Europäer.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts meines exzellenten französischen Kollegen, dem ehemaligen Minister Herrn Lamassoure, für die legislative Entschließung gestimmt, mit der – vorbehaltlich Änderungen – der Entwurf einer Verordnung des Rates, mit der die Verordnung von 2000 über den Beschluss bezüglich des Systems der Eigenmittel der Gemeinschaften geändert wird, angenommen wird. Wie die große Mehrheit der Abgeordneten denke auch ich, dass man sich ins Gedächtnis rufen sollte, dass der Rat die Kommission gebeten hat, eine vollständige und gründliche Analyse aller Aspekte der Ausgaben und Mittel der Europäischen Union durchzuführen und ihm 2008/2009 einen entsprechenden Bericht vorzulegen. Im Einklang mit der interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai 2006 in Bezug auf die Haushaltsdisziplin und ein solides Finanzmanagement begrüße ich den Umstand, dass das Parlament an allen Phasen der Analyse angemessen beteiligt war. In diesem Zusammenhang sollte sich jeder ins Gedächtnis rufen, dass die aktuelle Finanzplanung für 2007/2013 im Rahmen eines politischen Kompromisses abgesegnet wurde, um die Korrektur des britischen Beitrags zu überprüfen.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Herrn Lamassoure zum Eigenmittelsystem der Europäischen Union ist ohne jede Frage ideologisch geprägt. Es besteht eine Abneigung, ich zitiere „sich mit den Details … eines veralteten, ungerechten und intransparenten Systems zu befassen“, dessen größtes Manko in den Augen des Berichterstatters in der Tatsache liegt, dass nicht das Europäische Parlament über die Angelegenheit entscheidet.
Das ist auch gut so, da es nach dem, was in diesem Plenum gesagt worden ist, wohl nicht mehr lange gedauert hätte, bis dass die europäischen Steuerzahler mit einer Zusatzsteuer direkt von Brüssel belastet worden wären. Eine freiwillige Zustimmung zu einer Besteuerung (seitens der Bürger oder ihrer Vertreter) ist ein wesentlicher Grundsatz des Rechtsstaats, wie die Fähigkeit, Steuern zu erheben, ein Vorrecht des Staates ist.
Genau hierin liegt das Problem. Die Europäische Union ist kein Staat und kann daher unter keinen Umständen für sich entscheiden, eine Steuer zu erheben. Durch die Missachtung der Ablehnung der europäischen Verfassung durch die Franzosen, die Niederländer und die Iren wird ferner deutlich gemacht, dass die freiwillige Zustimmung der einzelnen Mitgliedstaaten wenig zählt. Bedauerlicherweise zieht sie es vor, zu lügen, zu manipulieren oder gar Zwang auszuüben.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den Bericht von Herrn Lamassoure über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Änderungen des Eigenmittelsystems der Gemeinschaften gestimmt. Ich schließe mich den Gründen an, auf denen der Bericht basiert, und ich teile die Meinung des Berichterstatters, dass der jüngste Beschluss der Kommission, der fordert, die Eigenmittelverordnung im Einklang mit dem Ratsbeschluss vom 7. Juni 2007 zu aktualisieren, mit seinem derzeitigen Wortlaut das Verfahren noch komplizierter machen würde, indem gewissen Mitgliedstaaten fortwährend Ausnahmen und Sonderbedingungen eingeräumt werden.
Ich meine daher, dass die notwendige allgemeine Überprüfung der Anwendung des Eigenmittelsystems bei der Erarbeitung geeigneter Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz die aktive Einbindung des Europäischen Parlaments vorsehen sollte.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Auf der Grundlage des Berichts meines belgischen Kollegen Herrn Deprez habe ich für die legislative Entschließung gestimmt, mit der der Entwurf eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Europäische Beweisanordnung zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen geändert wird. Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen begrüße auch ich den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates, der die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung einer Europäischen Anordnung zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen vorsieht. Die Europäische Anordnung, nachstehend als Europäische Beweisanordnung bezeichnet, wird – im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates – eine schnellere und effizientere rechtliche Zusammenarbeit in Strafsachen ermöglichen und das derzeitige System der gegenseitigen Rechtshilfe in diesem Bereich ersetzen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Neben der Tatsache, dass wir ernste Vorbehalte gegenüber der Analyse bestimmter Aspekte des EP-Berichts haben, lehnen wir die Harmonisierung der Gesetze und die Festlegung gemeinsamer Verfahren ab. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Europäische Beweisanordnung, eine Initiative, mit der ein europäisches Strafrecht geschaffen werden soll.
Die Europäische Kommission hat inzwischen den Ruf, unzählige Vorschläge über die Supranationalisierung der Justiz auf EU-Ebene vorzulegen, wodurch Kernaspekte der Souveränität der Mitgliedstaaten und ihre Pflicht, die Rechte ihrer Bürger zu schützen, gefährdet werden.
In dem aktuellen Konsultationsprozess verteidigt das Europäische Parlament die grenzübergreifende Beweisaufnahme, die auf dieselbe Art und Weise funktioniert wie der europäische Haftbefehl. Eine Mehrheit im Europäischen Parlament möchte die vom Rat vereinbarte „Territorialklausel“ (die es einem Mitgliedstaat ermöglicht, eine Europäische Beweisanordnung unter bestimmten Bedingungen abzulehnen) abschaffen, was einen Angriff auf die Souveränität der Mitgliedstaaten darstellt.
Im Wesentlichen möchte das Europäische Parlament, das „stets päpstlicher ist als der Papst“, einen vorgeschlagenen Vertragstext umsetzen, der insbesondere in den Bereichen Justiz und Inneres bereits dreimal abgelehnt wurde. Damit soll das „europäische Strafrecht“ geschaffen und, wie der Berichterstatter sagt, „die Tür für die Ausübung nationaler Vetorechte verschlossen“ werden.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe für den Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Herrn Deprez, über den Rahmenbeschluss des Rates zur Europäischen Beweisanordnung gestimmt. Ich schließe mich dem Ziel des Berichts und dem darin dargelegten Standpunkt an.
Eine Erleichterung der grenzübergreifenden Beweisaufnahme ist zweifellos ein wichtiger Schritt hin zur Realisierung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsbeschlüssen. Dieser Grundsatz bildet die Basis der juristischen Zusammenarbeit, deren Ziel letztendlich eine schnellere und effizientere Rechtshilfe für alle Mitgliedstaaten ist. Ich möchte herausstellen, dass der Rechtsrahmen von allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollte und die Instrumente eine Unterstützung durch die verschiedenen nationalen Justizbehörden vereinfachen sollten, ohne natürlich den Schutz personenbezogener Daten außer Acht zu lassen. So lässt sich ein kohärenter europäischer Rechtsraum garantieren und es kann sichergestellt werden, dass mit der juristischen Zusammenarbeit in Strafsachen die gewünschten Effekte erzielt werden.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Die Gewährleistung der Sicherheit der Bürger in den Mitgliedstaaten und ein reibungsloses und effizientes Funktionieren des Rechtssystems sollten für die Gemeinschaft Priorität haben. Dies ist im Kontext der dramatischen Entwicklung des organisierten Verbrechens, insbesondere der grenzübergreifenden Straftaten von enormer Bedeutung. Besondere Aufmerksamkeit sollte allen Rechtsinstrumenten gewidmet werden, die Strafverfahren erleichtern und dazu beitragen können, Straftäter zu verurteilen.
Die Europäische Beweisanordnung sieht eine automatische Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen an, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind. Dies ist recht problematisch, denn es erfordert weit reichende Änderungen der Strafverfahren in den Mitgliedstaaten. Die Umsetzung der europäischen Beweisführung ist aufgrund der diversen Strafverfahren und der erheblichen Unterschiede im Hinblick auf Haftbefehle mit Schwierigkeiten verbunden. Meines Erachtens sollten sich Kommission und Europäisches Parlament – anstatt in so sensible Bereiche wie das Strafrecht eines bestimmten Landes einzugreifen – darauf konzentrieren, die bestmögliche Kooperation der Polizei der einzelnen Mitgliedstaaten zu erreichen. Dies könnte durch Stellen wie Eurojust und die Europäische Polizeiakademie erreicht werden.
Lena Ek (ALDE), schriftlich. – (SV) Die von der EU verfolgte Fischereipolitik basierte und basiert nicht auf gut durchdachten gemeinsamen Entscheidungen. Die Fischbestände in Europa sind in den vergangenen Jahren drastisch geschrumpft, und es wird sehr wenig getan, um diese Situation zu ändern. Die Fischereipolitik der EU sollte hingegen von langfristigem und weitsichtigem Denken geprägt sein.
Allerdings stellt der Bericht von Herrn Busk in vielerlei Hinsicht eine Änderung zum Positiven dar. Aus den erklärenden Ausführungen geht unter anderem hervor, dass die Erholung des Kabeljaubestands eine äußerst wichtige Angelegenheit ist, und dass die beste Methode, dies zu erreichen, ein vollständiges Kabeljaufangverbot wäre, selbst wenn diese Maßnahme dann abgelehnt wird. Leider wird in den Änderungsanträgen zu diesem Bericht nicht auf die Sorge eingegangen, die Herr Busk in den erklärenden Ausführungen zum Ausdruck gebracht hat.
Die vorgeschlagenen Änderungsanträge sind viel zu schwach, um echte Bedeutung zu haben. Es ist schade, dass eine Revision der bereits unzureichenden Regulierung der Fischerei ermöglicht wird, sobald sich die Kabeljaubestände „deutlich erholt“ haben. Es ist ein vernünftiger Vorschlag, den Schwerpunkt stattdessen auf eine stärkere Gewährleistung der Erholung zu legen, als dies derzeit der Fall ist. Erst dann können wir anfangen, über eine mögliche Revision zu sprechen. Damit sendet der Bericht völlig falsche Signale aus – nämlich dass das Problem bald gelöst sein wird und wir dann beginnen sollten, das System zu überprüfen. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall. Aus diesem Grund habe ich gegen diesen Bericht gestimmt.
Glyn Ford (PSE), schriftlich. – Der Busk-Bericht erhält nicht meine Unterstützung. Wir wissen alle, dass eine Erholung der Kabeljaubestände wichtig ist. Es ist klar, dass Kabeljau bei dem Versuch, andere Fischarten zu fangen, versehentlich in die Netze geraten kann. Dennoch ist der Vorschlag, die Fischereiintensität im Gebiet von Cornwall bis zur Severn-Mündung insgesamt zu reduzieren, drastisch und dramatisch. Als Abgeordneter für die betreffende Region bin ich noch nicht von der Notwendigkeit überzeugt, so schnell so weit zu gehen, wenngleich ich mich umstimmen lassen könnte, wenn mehr Beweise vorliegen.
Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Das Ziel dieses Berichts besteht darin, die europäische Strategie zur Bewahrung der Kabeljaubestände zu verfeinern.
Seit November 2000 hat der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) auf die ernste Gefahr eines Zusammenbruchs des Kabeljaubestands in der Nordsee und vor Westschottland aufmerksam gemacht, und auf der Tagung des Rates im Dezember 2000 haben die Fischereiminister und die Kommission ihre Sorge über den kritischen Zustands der Bestände zum Ausdruck gebracht.
Angesichts der unterschiedlichen Lage in den diversen Fischereisegmenten will dieser Bericht des Europäischen Parlaments für mehr Handlungsflexibilität sorgen, wobei die unterschiedlichen Fischerei- und Bestandsbedingungen in den verschiedenen Bereichen berücksichtigt werden, in denen Pläne zur Wiederauffüllung dieser Art umgesetzt werden sollen.
Die Gewährleistung einer stärkeren Beteiligung der betreffenden Regionalen Beratungsausschüsse (RAC) und der Mitgliedstaaten an der effizienten Pflege der Kabeljaubestände ist eine der Prioritäten dieses Berichts. Der ausdrückliche Verweis auf die RAC und die Mitgliedstaaten in der Gesetzbebung wird ein klares Zeichen setzen, dass es die EU-Institutionen mit der Beteiligung dieser Interessengruppen an der künftigen Entwicklung von Fischereimanagementsystemen ernst meinen.
Ich habe für diesen Bericht gestimmt.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Zustand des Kabeljaubestands ist äußerst ernst und erfordert umgehende und wirksame Maßnahmen. Allerdings sind die Vorschläge der Kommission ungeeignet und weisen in vielen Bereichen Mängel auf.
Des Weiteren hat das Parlament interessanterweise recht plötzlich entschieden, dass das Thema auf nationaler Ebene behandelt werden sollte. Man versucht eindeutig, den Kommissionsvorschlag zu Gunsten der Industrie abzuschwächen. Man will sich die Dinge einfach zurechtbiegen.
Aus diesen Gründen haben wir gegen den Bericht gestimmt.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Ich habe für den Bericht über den Entwurf einer Ratsverordnung gestimmt, mit der die Verordnung (EG) Nr. 423/2004 bezüglich der Erholung des Kabeljaubestands und die Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 geändert wird.
Laut Aussagen des Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschusses für die Fischerei (STECF) befinden sich die Kabeljaubestände in der Nordsee in einem kritischen Zustand. Es wird zu viel Fisch gefangen, insbesondere zu viele junge Fische. Damit hat diese Art weniger Möglichkeiten, sich zu erholen.
Der Berichterstatter Herr Busk hat die Notwendigkeit der Überwachung und Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften unterstrichen. Zudem tendiert er, was die Notwendigkeit anbelangt, die Fänge zu prüfen, das Managementsystem zu vereinfachen und den Ausschuss zu verringern, zu der Sichtweise der Kommission. Wir können den Fischfang aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Folgen nicht verbieten, aber es werden umgehend Maßnahmen benötigt, um den Kabeljauwiederauffüllungsplan umzusetzen.
James Nicholson (PPE-DE), schriftlich. – Ich begrüße die Anstrengung, die Probleme in Bezug auf den Kabeljauwiederauffüllungsplan aus dem Jahr 2004 anzugehen, der sich eindeutig als unwirksam herausgestellt hat. Trotz diverser Maßnahmen haben sich die Kabeljaubestände kaum erholt.
Der wichtigste Punkt in diesem Vorschlag bezieht sich auf die Verringerung des Ausschusses. In dem derzeitigen Klima der Nahrungsmittelknappheit und diesen für Fischer extrem schwieriger Zeiten kann dies nur als eine völlig unlogische und verschwenderische Praxis bezeichnet werden.
Die gesamte zulässige Fangquote ist extrem niedrig, und die Fischer sind gezwungen, große Fischmengen wieder in das Meer zu werfen – obgleich diese Methode nicht dazu beiträgt, die Bestände aufzustocken.
Natürlich müssen wir weiterhin Maßnahmen ergreifen, die unsere Kabeljaubestände schützen. Allerdings sollten wir auch über den Tellerrand schauen. Der Klimawandel und die Auswirkungen der globalen Erwärmung dezimieren die Bestände möglicherweise stärker als Fischer, die nur versuchen, von dieser Branche zu leben.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Auf der Grundlage des Berichts meines finnischen Kollegen Herrn Virrankoski habe ich für eine Entschließung gestimmt, mit der der Entwurf des Berichtigungshaushalts Nr. 7/2008 der EU in Bezug auf die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union über einen Betrag von 12,8 Millionen Euro an Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen ohne Änderung angenommen werden soll. Diese Summe ist für die Unterstützung der Bevölkerung in den französischen Übersee-Departements Guadeloupe und Martinique bestimmt, die nach dem „Hurrikan Dean“ im August 2007 erhebliche Schäden erlitten hat. Dieser Entwurf des Berichtigungshaushalts ist aus haushaltstechnischer Sicht vollkommen neutral, denn er sieht eine entsprechende Kürzung der Zahlungsermächtigungen bei der Haushaltslinie 13 04 02 bezüglich des Kohäsionsfonds vor. Es ist wichtig zu beachten, dass dieser Haushaltsentwurf der erste ist, der einzig und allein dem Solidaritätsfonds der EU gewidmet ist, wie es vom Europäischen Parlament beantragt wurde.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Auf der Grundlage des Berichts meines geschätzten deutschen Kollegen Herrn Böge habe ich für die Entschließung gestimmt, mit der der Entwurf eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union (EUSF) im Hinblick auf die Unterstützung Frankreichs, dessen Übersee-Departments Martinique und Guadeloupe 2007 von dem „Hurrikan Dean“ getroffen worden sind, ohne Änderung angenommen wird. Der Betrag in Höhe von 12,8 Millionen Euro an Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen wird daher im Rahmen des Solidaritätsfonds für Frankreich in Anspruch genommen, und zwar über einen parallel dazu festgestellten Berichtigungshaushalt für 2008. Dieser Betrag stellt 2,5 % der geschätzten Summe der Direktschäden in Höhe von 511,2 Millionen Euro dar.
Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Der Solidaritätsfonds und andere Sondermaßnahmen stellen im Vergleich zu dem Haushalt der Europäischen Union keine großen Summen dar. Sie dienen letztendlich dazu, Katastrophengebiete und die Menschen vor Ort in der Folge von Naturkatastrophen zu unterstützen. Ich begrüße den Beschluss, Frankreich Hilfsmittel aus dem Solidaritätsfonds für Martinique und Guadeloupe zuzuweisen, die im August 2007 von dem Hurrikan Dean getroffen worden sind. In Fällen wie diesen müssen wir uns solidarisch zeigen.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Frankreich hat einen Antrag auf Inanspruchnahme des Fonds infolge des „Hurrikans Dean“ gestellt, der im August 2007 in Martinique und Guadeloupe schwere Schäden angerichtet hat. Die Kommission hat daher vorgeschlagen, Frankreich einen Gesamtbetrag in Höhe von 12 780 000 Euro aus dem Fonds zur Unterstützung zur Verfügung zu stellen.
Die Juniliste begrüßt sowohl die nationale als auch die internationale Solidarität sowie Hilfsaktionen, wenn ein Land von Katastrophen heimgesucht wird.
Allerdings haben unserer Meinung nach erstens die früheren Erfahrungen gezeigt, dass die EU nicht imstande ist, die Notfallhilfe mit Gemeinschaftsmitteln effektiv zu organisieren. Zweitens reden wir über einen Beitrag in Höhe eines Bruchteils des BIP von Frankreich. Es ist nicht vernünftig, dafür zu plädieren, dass die EU intervenieren und gemeinsam Projekte finanzieren soll, die ein reicher Mitgliedstaat durchaus selbst stemmen können sollte.
Deshalb haben wir beschlossen, gegen den Bericht als Ganzes zu stimmen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Die Kommission schlägt vor, den Europäischen Solidaritätsfonds zu Gunsten von Frankreich zu nutzen.
Die interinstitutionelle Einigung ermöglicht die Inanspruchnahme dieses Fonds im Rahmen der jährlichen Obergrenze von 1 Milliarde Euro. Im Laufe des Jahres 2008 wurde ein Gesamtbetrag in Höhe von 260 411 197 Euro zu Gunsten von Großbritannien (162 387 985 Euro), Griechenland (89 769 009 Euro) und Slowenien (8 254 203 Euro) in Anspruch genommen.
Frankreich hat Hilfsgelder aus dem Fonds beantragt, nachdem der Hurrikan Dean im August 2007 in Martinique und Guadeloupe schwere Schäden angerichtet hat. Die Kommission schlägt vor, aus dem Solidaritätsfonds der EU einen Gesamtbetrag von 12 780 000 Euro im Rahmen von Zahlungsermächtigungen zuzuteilen, die nicht im Kohäsionsfonds in Anspruch genommen worden sind.
Allerdings stellt sich wie in früheren Fällen zumindest eine offensichtliche Frage: Wie kommt es, dass die EU-Finanzierung erst jetzt zur Verfügung gestellt wird, also über ein Jahr nach der Katastrophe, die die Bevölkerung getroffen hat? Zweifellos stimmt hier etwas ganz und gar nicht …
Hier ist anzumerken, dass wir Vorschläge vorgelegt haben, die die Verfahren für die Inanspruchnahme dieses Fonds beschleunigen und sicherstellen sollen, dass regionale Katastrophen nach wie vor abgedeckt sind. Mit diesen Vorschlägen sollte auch die spezifische Art von Naturkatastrophen in der Mittelmeerregion, beispielsweise Dürren und Waldbrände, durch diesen Fonds abgedeckt werden.
Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. – Änderungsantrag 134
Wir sind absolut gegen Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation und Kindestötungen, und wir stimmen zu, dass damit die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Bezüglich des Änderungsantrags haben wir uns enthalten, da EU-Mittel noch nie auf diese Weise verwendet worden sind. Aus dem Änderungsantrag geht nicht die Bedeutung der internationalen Entwicklungsarbeit hervor, die glaubwürdige Organisationen mit der Unterstützung von Frauen im Zusammenhang mit Fruchtbarkeitsfragen und insbesondere mit Kursen und Gesundheitsdienstleistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit und Familienplanung sowie Kampagnen für das Recht der Frauen auf Gesundheitsdienstleistungen leisten.
Änderungsanträge 130, 131, 132, 133
Wenngleich wir angesichts der Wichtigkeit des Themas für diese Änderungsanträge stimmen, wäre es unseres Erachtens angebrachter, eine separate Haushaltslinie für Kinderrechte zu schaffen, welche die Themen einschließt, die in diesen Änderungsanträgen behandelt werden.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. – (DE) Die Auswirkungen von Naturkatastrophen sind vielfältig und meist verheerend. Neben dem dadurch verursachten menschlichen Leid sind es vor allem auch wirtschaftliche Auswirkungen, die diese Länder – wie im vorliegenden Falle – in ihrer Entwicklung um Jahre zurückwerfen. Unverzichtbare Infrastruktur wird zerstört und kann mit Eigenmitteln nur mühsam wiederhergestellt werden.
Durch die Einrichtung des zu befürwortenden Solidaritätsfonds sollen derartige Reparaturen durch punktuelle finanzielle Unterstützung beschleunigt werden, was aber auch der genauen Kontrolle der Verwendung vor Ort bedarf. Zwar bedarf es der raschen Hilfe in betroffenen Regionen, jedoch auch einer verlässlichen Überwachung der Investitionen in die entsprechenden Projekte. Diesem Bereich sollte meiner Meinung nach noch mehr Augenmerk gewidmet werden, weshalb ich mich bei der Abstimmung des Berichtes der Stimme enthalten habe.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe für Herrn Böges Bericht über den Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments und des Rates für eine Inanspruchnahme des EU-Solidaritätsfonds gestimmt, die von Frankreich angesichts der durch den Hurrikan Dean im August 2007 in Martinique und Guadeloupe verursachte Notlage beantragt wurde. Ich schließe mich dem Berichterstatter an und teile die Ansicht des Ausschusses für regionale Entwicklung, dass die Verwendung des Fonds in diesem Fall vollkommen im Einklang mit den Bestimmungen der interinstitutionellen Einigung vom 17. Mai 2006 steht.
Margie Sudre (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Unser Parlament hat soeben, wie von der Kommission vorgeschlagen, Hilfsmittel in Höhe von 12,78 Millionen Euro zu Gunsten von Martinique und Guadalupe bewilligt, um einen Teil der nach dem „Hurrikan Dean“ notwendigen Ausgaben abzudecken.
Diese finanzielle Hilfe wird willkommen sein, insbesondere da Martinique und Guadeloupe noch immer unter den Folgen der von Hurrikan Dean verursachten Schäden leiden – vor allem in Hinblick auf Wohnungen und die Bananen- und Zuckerrohrindustrie.
Der Solidaritätsfonds, der in diesem Fall abweichend von den allgemeinen Regelungen in Anspruch genommen wird, ist für die Regionen in äußerster Randlage von besonderer Bedeutung, da ein Großteil der dortigen Bevölkerung regelmäßig bedroht wird und die karibischen Inseln vergangene Woche erneut von dem Hurrikan Omar getroffen wurden.
Seit dieser Fonds im Jahr 2002 eingerichtet wurde, habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass die Übersee-Departements diese Art der Unterstützung in Anspruch nehmen können. Die Erfahrung der französische Regierung bei der Vorlage ihres Antrags und das Verständnis seitens Kommission, Europäischem Parlament und Rat zeigen, dass sich Europa mit den Menschen in Übersee, die vor schweren Krisen stehen, solidarisch zeigen kann.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Auf der Grundlage des Berichts von Herrn Böge habe ich für die Entschließung gestimmt, mit der der Entwurf eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates bezüglich der Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung über einen Betrag von 10,8 Millionen Euro an Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen im Rahmen des Allgemeinen Haushalts der Europäischen Union für 2008 mit dem Ziel angenommen wird, dem Automobilsektor in Spanien und dem Textilsektor in Litauen unter die Arme zu greifen. Im Fall von Spanien (für das eine Zuteilung von 10,5 Millionen Euro vorgeschlagen wird) bezieht sich der Antrag auf die Entlassung von 1 589 Mitarbeitern, davon 1 521 bei Delphi Automotive Systems España in Puerto Real, einer Provinz von Cádiz in Andalusien. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um einen Hersteller von Motorkomponenten, der zu Delphi Automotive Systems Holding Inc. gehört, deren Hauptsitz sich in Troy, Michigan in den Vereinigten Staaten befindet. Im Fall von Litauen (für das eine Zuteilung von 0,3 Millionen Euro vorgeschlagen wird), bezieht sich der Antrag auf 1 089 Entlassungen bei Alytaus Tekstilė, einem Textilunternehmen, das über einen Bezugszeitraum von vier Monaten in Liquidation geht.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Spanien hat einen Antrag in Bezug auf 1 589 Entlassungen gestellt, davon 1 521 bei Delphi Automotive Systems España und 68 bei deren Zulieferern. Das Land hat eine Zuteilung in Höhe von 10 471 778 Euro zur Deckung eines Teils der Kosten für Unterstützungsmaßnahmen beantragt, die sich auf knapp 20,94 Millionen belaufen.
Litauen hat einen Antrag in Bezug auf 1 089 Entlassungen aufgrund der Schließung von Alytaus Tekstile, einem Textilhersteller beantragt. Das Land hat einen Betrag von 298 994 Euro zur Deckung eines Teils der Gesamtkosten von knapp 0,06 Millionen Euro beantragt.
Wie wir bereits erwähnt haben, darf dieser Fonds nicht als vorübergehendes „Polster“ für inakzeptable sozioökonomische Kosten aufgrund der Verlagerung von Unternehmen und entsprechenden Entlassungen oder aufgrund einer versäumten Strategieänderung verwendet werden, die die Ursache für Mitarbeiterausbeutung, Unsicherheit und Arbeitslosigkeit ist. Es gilt, Unternehmensverlagerungen zu vermeiden und unter Strafe zu stellen und der Politik der Liberalisierung des Welthandels, wie sie von der EU angeregt wird, ein Ende zu setzen.
Staatliche Beihilfen müssen als Gegenleistung für langfristige Verpflichtungen im Hinblick auf Arbeitsplätze und regionale Entwicklung gewährt werden. Die Beihilfen dürfen nicht gewährt werden, wenn sie dazu verwendet werden können, Unternehmensverlagerungen zu fördern.
Wir müssen die Rolle der Arbeitnehmervertreter in Unternehmensorganen und bei strukturellen Managemententscheidungen stärken.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe als Reaktion auf die von Spanien und Litauen im Februar und Mai 2008 gestellten Anträge für den Bericht von Herrn Böge über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung gestimmt. Ich denke, eine Inanspruchnahme des Fonds ist angemessen, denn diesen Ländern sind enorme Kosten in Form von Unterstützung für Arbeitnehmer entstanden. Angesichts dessen, dass der Fonds gerade dazu eingerichtet wurde, Arbeitnehmern, die durch die neuen Wettbewerbsbedingungen und die Praktiken der heutigen Geschäftswelt bedroht sind, zusätzliche Unterstützung zukommen zu lassen, denke ich, dass in diesem Fall dem Antrag auf Inanspruchnahme des Fonds ohne Bedenken entsprochen werden kann.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE), schriftlich. – (RO) Ich habe für den Entschließungsentwurf gestimmt, mit dem die Einführung von Passagierprüfungsverfahren als Mittel zur Verstärkung der Sicherheit in der zivilen Luftfahrt verhindert wird. Die Sicherheit der Passagiere ist von zentraler Bedeutung, doch die ergriffenen Maßnahmen sollten nicht dazu führen, dass die Grundrechte der Bürger verletzt werden. Die Einführung von Körperscannern in der derzeit vorgeschlagenen Form garantiert nicht die Achtung des Rechts auf Privatsphäre.
Ich denke, dass Studien durchgeführt werden müssen, um die gesundheitlichen Auswirkungen der Einführung dieser Maßnahme zu erforschen. Zudem ist eine Folgenabschätzung erforderlich, um die Eignung dieser Maßnahmen beurteilen zu können. Ich denke darüber hinaus, dass die Verfahren, die für den Umgang mit den gescannten Bildern eingeführt werden sollten, äußerst wichtig sind. Angesichts dessen sollte der europäische Datenschutzbeauftragte eine Stellungnahme formulieren und vorlegen, damit alle Maßnahmen zur Sicherheit der Passagiere unter Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten umgesetzt werden.
Wir warten mit Interesse auf weitere Informationen der Europäischen Kommission in Bezug auf die Maßnahmen, die wir für die Verbesserung der Sicherheit in der zivilen Luftfahrt angedacht haben. Ich war dafür, diese Entschließung heute anzunehmen, denn die Grundrechte der Bürger der Europäischen Union müssen geschützt werden.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Die Globalisierung hat positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung. Sie kann aber auch negative Folgen für die anfälligsten und am wenigsten qualifizierten Arbeitskräfte in bestimmten Sektoren haben. Unter diesen negativen Folgen können alle Mitgliedstaaten leiden, gleich, ob sie groß oder klein sind und ob sie schon seit langem oder erst seit kurzem Mitglied der EU sind.
Die Strukturfonds der Europäischen Union unterstützen die geplanten Änderungen und ihre Verwaltung im Rahmen von Maßnahmen wie dem lebenslangen Lernen auf langfristiger Basis. Im Gegensatz dazu bietet der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung eine einmalige personalisierte Unterstützung über einen begrenzten Zeitraum. Sein Ziel ist die Unterstützung von Arbeitnehmern, die infolge von Marktänderungen entlassen worden sind. Die Europäische Union sollte diesem Fonds besondere Aufmerksamkeit schenken.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe im Anschluss an die Mitteilung der Kommission und auf der Grundlage des Initiativberichts meines schwedischen Kollegen Herrn Wijkman für die Entschließung zur Schaffung einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel zwischen der EU und den am stärksten gefährdeten armen Entwicklungsländern gestimmt. Es steht inzwischen fest, dass die ärmsten Entwicklungsländer (least developed countries – „LDC“) und die kleinen Inselentwicklungsländer (small island developing states – SIDS) am schnellsten und am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden haben werden. Diese Länder verfügen über die geringsten Ressourcen, um sich auf diese Umstellungen vorzubereiten und ihre Lebensweise anzupassen. Daher laufen wir Gefahr, dass der Klimawandel die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele (millennium development objectives – „MDO“) in zahlreichen dieser Länder verzögert. Aus diesem Grund begrüße ich die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Globale Allianz gegen den Klimawandel, die zwischen der EU und den durch den Klimawandel am stärksten gefährdeten armen Entwicklungsländern, insbesondere den LDC-, SIDS- und AKP-Ländern (AKP – Afrika, Karibik und Pazifik) errichtet werden soll. Wie die große Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen bin ich der Meinung, dass das Budget von 60 Millionen Euro, der dieser Initiative zugeteilt wurde, nicht annähernd ausreicht.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. – (IT) Ich habe für Herrn Wijkmans Bericht über den Aufbau einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel zwischen der Europäischen Union, den am stärksten gefährdeten armen Entwicklungsländern (LDC) und den kleinen Inselentwicklungsländern (SIDS) gestimmt. Meiner Ansicht nach können wir wirksamere Maßnahmen außerhalb der EU nicht länger hinausschieben, um den gemeinsamen Herausforderungen zu begegnen, die der Klimawandel und die Verringerung der Armut darstellen. Solche Maßnahmen würden einen Schritt hin zur Umsetzung des EU-Aktionsplans zu Klimawandel und Entwicklung (2004) darstellen. Grundlage hierfür wäre unser besseres Verständnis der Tatsache, dass der Klimawandel unsere Herangehensweise an die Entwicklungshilfe verändern muss.
Als Mitglied des Entwicklungsausschusses bin ich im Hinblick auf diese Entscheidung sehr sensibel, denn sie könnte für die internationalen Verhandlungen über den Klimawandel in Poznań 2008 und in Kopenhagen 2009 wichtig sein. Wir müssen das Misstrauen zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern überwinden, das eines der größten Hindernisse bei der Erreichung eines Klimaschutzabkommens für den Zeitraum nach 2012 war.
Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Die Entwicklungsländer haben am wenigsten zum Klimawandel beigetragen, müssen jedoch am stärksten unter den Folgen leiden und werden am wenigsten in der Lage sein, mit diesen umzugehen. Die Industrienationen haben eine historische Verantwortung für den Klimawandel und die moralische Pflicht, einen Beitrag zu den Anstrengungen der Entwicklungsländer zu leisten, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Die Revision des EU-Aktionsplans 2007 zu Klimawandel und Entwicklung zeigt, dass nicht genug getan wird, um den Klimawandel in die EU-Entwicklungspolitik zu integrieren, und die Arbeit daran zieht sich besonders lange hin. Ich unterstütze die Initiative der Kommission, die Globale Allianz gegen den Klimawandel zu errichten. Allerdings reichen die 60 Millionen Euro, die für die Globale Allianz gegen den Klimawandel bereitgestellt wurden, bei weitem nicht aus. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Kommission eine langfristige Finanzierung aufstellt und mindestens 2 Milliarden Euro bis 2010 und 5 Milliarden Euro bis 2020 bereitstellt. Derzeit fehlen den Entwicklungsländern die dringend erforderlichen Mittel, um sich an den Klimawandel anzupassen. Durch eine Unterstützung der Entwicklungsländer helfen wir uns auch selbst.
Marie-Arlette Carlotti (PSE), schriftlich. – (FR) Ja, wir haben eine Verpflichtung, den Entwicklungsländern, vor allem den ärmsten unter ihnen (LDC) und den kleinen Inselentwicklungsländern (SIDS), zu helfen, die Auswirkungen der globalen Erwärmung zu begrenzen. Diese Länder werden der globalen Erwärmung zuerst zum Opfer fallen, ohne dafür verantwortlich zu sein.
Derzeit ist Afrika bei den Klimaschutzverhandlungen der „vergessene Kontinent“.
Dieser Wille muss sich jedoch in einer finanziellen Verpflichtung niederschlagen, die dem gerecht wird, was auf dem Spiel steht.
Darin liegt das Problem.
Das von der Europäischen Kommission zugeteilte Budget von 60 Millionen Euro reicht nicht aus.
Das langfristige Finanzierungsziel sollte mindestens 2 Milliarden Euro von jetzt bis 2010 und 5 bis 10 Milliarden Euro von jetzt bis 2020 betragen.
Zur Finanzierung dieser Aufstockung müssen Kommission und Mitgliedstaaten mindestens 25 % der Erlöse aus dem Emissionshandelsprogramm verwenden.
Wir fordern auch Maßnahmen in Bezug auf finanzielle Hilfe, technische Unterstützung und Technologietransfer, um die Nutzung von Technologien mit geringem Treibhausgasausstoß zu ermöglichen.
Schließlich müssen neue Finanzierungsmethoden erschlossen werden.
Wenn erneut technische Entwicklungskredite und der europäische Entwicklungsfonds in Anspruch genommen werden, wird das betreffende Bündnis nichts als Augenwischerei sein.
Konstantinos Droutsas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die EU übertreibt die derzeitigen Bedrohungen durch den Klimawandel durch die verantwortungslose Rohstoffgewinnung großer Unternehmen – aber nicht, um wichtige Maßnahmen voranzutreiben, die diesen eindämmen sollen, sondern um den Menschen Furcht einzujagen, um ihre Stellung im Wettbewerb mit anderen Imperialisten zu verbessern und eine Lösung für die übermäßige Anhäufung von Kapital durch noch höherer Gewinne der Monopole zu finden.
Der Bericht des Europäischen Parlaments über die Bildung einer Allianz gegen den Klimawandel zwischen der EU und den Entwicklungsländern stellt einen offenen Interventionismus in die inneren Angelegenheiten dieser Länder bezüglich der Organisation ihrer Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltungsmechanismen dar. Er sieht nur geringfügige finanzielle Entschädigungen für die Plutokratie dieser Länder vor oder droht mit militärischen Interventionen im Rahmen seiner Präventionspolitik, um Sicherheitsbedrohungen und klimabezogene Konflikte anzugehen, womit der Solana-Bericht über diese Themen unterstützt wird.
Er empfiehlt eine aktivere Rolle der Privatwirtschaft durch öffentlich-private Partnerschaften, insbesondere in Sektoren wie Wasserversorgung, Volksgesundheit und Energieversorgung, sowie die Einführung von Ökosteuern. Er begrüßt das Emissionshandelsprogramm, das den Unternehmen auf Kosten von Arbeitnehmern und Umwelt zu Gute kommt, wie auch die Anpassung der Entwicklungsländer an kapitalistische Strukturen in Handel, Landwirtschaft und Sicherheitspolitik.
Die Menschen werden die imperialistischen Pläne der EU ablehnen und eine bessere und gesunde Umwelt fordern.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Bericht befasst sich mit dem Vorschlag der Kommission zur Bildung einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel. Leider sind die grundlegenden Absichten des Berichts mit Aussagen gespickt, die die Juniliste nicht unterstützen kann, beispielsweise die Forderung, das Umweltengagement der Europäischen Union mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu verknüpfen, oder detaillierte Vorschläge dahingehend, wie die EU Umweltinvestitionen in Drittländern tätigen sollte.
Basierend auf einigen Aussagen des Berichts könnte die Globale Allianz gegen den Klimawandel als ein Versuch der EU betrachtet werden, ihre Macht in Verbindung mit Forstwirtschafts- und Marinefragen auszubauen. Wir sind voll und ganz gegen diese Form der Besetzung von Themen zum Aufbau des EU-Staates.
Die Juniliste befürwortet eindeutig die EU-Kooperation zur Lösung grenzübergreifender Umweltprobleme. Allerdings sollten die Bekämpfung der Armut und Anstrengungen zu Lösung von Umweltproblemen auf globaler Ebene im Rahmen der VN erfolgen. Nach sorgfältiger Prüfung hat die Juniliste daher beschlossen, gegen den Bericht zu stimmen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Der Klimawandel auf der Erde ist nicht nur eine Folge der natürlichen Entwicklung, sondern auch einer Politik der Industrieländer zur Intensivierung des Abbaus natürlicher Ressourcen. Dies hat den Klimawandel so stark beschleunigt, dass er der Menschheit nun ernste Probleme bereitet.
Ein verantwortungsvolles Handeln zur Behebung der Folgen der enormen Verschwendung natürlicher Ressourcen erfordert einen grundlegenden Bruch mit der kapitalistischen Politik.
Allerdings erfordert die bevorzugte Herangehensweise mit der EU am Steuer eine gemeinsame Verantwortung aller Länder. Dies umfasst den Versuch, den „Entwicklungs“-Ländern in Bezug auf die souveräne Nutzung ihrer eigenen natürlichen Ressourcen Grenzen aufzuerlegen – was offensichtlich im Einklang steht mit dem Ziel großer transnationaler Unternehmen, diese selbst zu abzubauen.
Neben anderen Aspekten beinhaltet der vom Europäischen Parlament angenommene Text nicht nur Widersprüche, sondern er geht auf diese zentralen Themen erst gar nicht ein. Stattdessen befürwortet er eine „präventive Sicherheitspolitik als Reaktion auf klimabedingte Sicherheitsbedrohungen oder Konflikte“ und nutzt den „Klimawandel“, um internationale Beziehungen sicherzustellen und zu militarisieren.
Der Bericht, der auf dem Grundsatz „Der Verbraucher zahlt“ basiert, tritt zudem für die Einführung „ökologischer Steuern“ ein (im Gegensatz zu einem einkommensbasierten Steuersystem), was der Privatisierung öffentlicher Dienste und der privaten Nutzung so grundlegender Ressourcen wie Wasser Tür und Tor öffnet.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Der Klimawandel ist eine Tatsache, die interessante Diskussionen auslösen wird, wenn es darum geht, Antworten zu finden. Hier müssen wir Dogmen und Rücksichtslosigkeit ablehnen.
Anstelle einer fatalistischen Haltung, die nur das Wachstum der Weltbevölkerung, den steigenden Konsum und zwangsläufig verbesserte Lebensbedingungen für Millionen von Menschen mit einer möglichen Umweltkatastrophe feststellt, sollten wir unsere modernen wissenschaftlichen Fähigkeiten und den enormen Fortschritt nutzen, von denen wir alle profitieren, um geeignete Antworten zu finden, die jedoch keine Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen bergen (wie es so oft bei Entscheidungen der Fall ist, die durchgepeitscht werden, weil man schnell handeln möchte, ohne jedoch die Lage richtig zu verstehen).
Aber ganz gleich, welcher Ansatz – oder Ansätze, weil es mehrere Antworten geben muss – gewählt wird, wir müssen anerkennen, dass einige Länder weniger gut in der Lage sind, zu reagieren. Diese Länder befinden sich in einer Entwicklungsphase, wodurch sie nicht über die notwendigen Mittel verfügen und sich in einer äußerst prekären Lage befinden. Die Berücksichtigung dieser Länder und ihrer Bevölkerung muss ein Kernelement unserer Politik sein. Dabei gilt es, die negativen Folgen des Klimawandels zu mildern und sie bei der Anpassung zu unterstützen.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den Bericht von Herrn Wijkman über die Bildung einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel gestimmt. Das Thema Klimawandel steht schon seit vielen Jahren auf der Tagesordnung: Es wurde viel getan, aber noch nicht genug. Ziel ist die Beschleunigung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels außerhalb der EU. Daher müssen wir den politischen Dialog zwischen der EU und den Entwicklungsländern fördern. Damit wollen wir anregen, in den Plänen zur Bekämpfung der Armut auf lokaler und nationaler Ebene Faktoren zu berücksichtigen, die in Verbindung mit dem Klimawandel stehen.
Ich unterstütze diese Initiative. Bevor sie jedoch Wirkung zeigt, wird sie sich diversen Herausforderungen stellen müssen, beispielsweise der mangelnden Koordination auf globaler Ebene, unzureichenden Mitteln und so weiter. Ich schließe mich zudem den Anmerkungen des Berichterstatters zur Investition in den Ausbau innovativer öffentlich-privater Partnerschaftsmodelle (PPP-Modelle) an, in die Europa große Hoffnungen setzt. Sie verkörpern die Zukunft der EU auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. – (NL) Es ist schon seit geraumer Zeit bekannt, dass die globale Erwärmung die ärmsten Entwicklungsländer (LDC) am stärksten trifft, obwohl es gerade diese Länder sind, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Ihre Anfälligkeit wird sie weiter in den Abgrund der Armut ziehen, und ich begrüße es, dass Herr Wijkman dies nachdrücklich unterstreicht.
Die Idee besteht darin, eine Allianz zur Bekämpfung des Klimawandels zu gründen, aber die Kommission stellt hierfür nicht genügend Mittel zur Verfügung. Die Kosten des Klimawandels können gut und gerne 80 Milliarden Euro betragen. Die Haushaltsmittel, die die Kommission dafür zugeteilt hat, belaufen sich jedoch auf nur 60 Millionen Euro. Das reicht für die LDC einfach nicht aus, um sich auf den Klimawandel vorzubereiten. Nun liegt es an der Allianz, mehr Mittel aufzutreiben bzw. freizustellen. Dies bedeutet, dass sich die einzelnen Mitgliedstaaten der Union ihrer Verantwortung stellen müssen. Sie werden größere Summen aufbringen müssen als bisher.
Das Europäische Parlament schlägt ferner vor, mindestens 25 % der Erlöse der EU aus dem Emissionshandelssystem für die Allianz zu verwenden.
Es sieht so aus, als würde die Union angesichts des Klimawandels beginnen, anders über die Entwicklungszusammenarbeit zu denken. Das ist zu begrüßen. Aus diesem Grund werden wir den Bericht unterstützen.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE), schriftlich. – (RO) Ich habe für den Bericht über die „Bildung einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel zwischen der Europäischen Union und armen Entwicklungsländern“ gestimmt, da diese Länder am anfälligsten gegen den Klimawandel sind.
Die Revision des vorstehend erwähnten EU-Aktionsplans zu Klimawandel und Entwicklung im Jahr 2007 zeigt, dass der Fortschritt hinsichtlich einer vollwertigen Aufnahme des Klimawandels in die Entwicklungspolitik der Europäischen Union bislang unzureichend war und zu langsam erreicht wurde.
Wenngleich sich die EU das Ziel gesetzt hat, eine führende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zu übernehmen, spiegelt der EU-Haushalt die Priorität, die dieser Politik eingeräumt wird, nicht wider. Die Clean-Development-Mechanismen (CDM) sind bislang kaum geeignet, um den Anforderungen der ärmsten Länder in Bezug auf Investitionen in saubere Technologie gerecht zu werden.
Der Bericht fordert die EU dazu auf, den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Entwicklungszusammenarbeitspolitik zu rücken und bittet die Kommission, detaillierte Informationen über bestehende Finanzmechanismen für Klimawandel und Entwicklung auf nationaler und internationaler Ebene bereitzustellen. Die Kommission sollte dringend die erforderlichen Maßnahmen vorschlagen, um die finanzielle Unterstützung der EU für Klimaschutz und Entwicklung aufzustocken, sodass eine optimale Koordination und die Ergänzung bestehender Initiativen gewährleistet werden.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Der Umweltschutz sollte für jeden Mitgliedstaat und die Gemeinschaft als Ganzes zweifellos Priorität haben. Was die Initiative zur Bildung einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel anbelangt, kann man jedoch bestenfalls sagen, dass diese zwecklos ist. Die Verwendung von Steuergeldern für eine weitere teure politische Organisation dürfte mit großer Sicherheit nicht dazu beitragen, den Zustand der Umwelt zu verbessern. Diese wird nur zusätzliche lukrative Posten schaffen, die mit Bürokraten aus Brüssel besetzt werden. Entwicklungsländer verschmutzen die Umwelt weitaus weniger, und ihr Kohlendioxidausstoß ist im Vergleich zu dem der Wirtschaftsriesen unbedeutend.
Ich möchte herausstellen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits seit vielen Jahren die Liste der Länder anführen, die toxische Substanzen produzieren. Sie haben das Kyoto-Protokoll immer noch nicht ratifiziert. Ich bin überzeugt, dass die Bildung eines Bündnisses der EU und der Entwicklungsländer nicht das Geringste zur Reduzierung der Umweltverschmutzung beitragen wird. Andererseits könnten jedoch Maßnahmen wie Gespräche mit den führenden Politikern dieser Entwicklungsländer durchaus entscheidend sein. Sie sind sie diejenigen, die am meisten zur Umweltzerstörung beitragen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für die Entschließung über Governance und Partnerschaft auf nationaler und regionaler Ebene und die Grundlage für Vorhaben im Bereich der Regionalpolitik gestimmt, der auf der Grundlage des Initiativberichts meines französischen Kollegen Jean Marie Beaupuy verfasst wurde. Ich schließe mich dem Gedanken voll und ganz an, die Möglichkeit zu prüfen, die diversen Gemeinschaftsfonds zwecks Vereinfachung und Effizienz in die künftige Kohäsionspolitik für den Zeitraum nach 2013 zu verschmelzen.
Petru Filip (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße die Initiative zur Erstellung eines Berichts über gute lokale und regionale Governance und die Bedeutung des Begriffs der Partnerschaft zwischen den vier oder mehr Machtebenen: lokal, regional, national und europäisch. Begegnungen mit Vertretern der lokalen Behörden, die direkt vom Volk gewählt wurden, lassen zumeist Unterschiede in der Art und Weise erkennen, wie mit europäischer Politik auf den verschiedenen Machtebenen umgegangen wird.
Ohne eine Politik der echten Partnerschaft zwischen allen Machtinstanzen, die von politischer Parteilichkeit unbeeinflusst ist und keine Verbindung mit der Subsidiarität hat, werden die vom Europäischen Parlament und den anderen europäischen Institutionen unternommenen Anstrengungen nicht die gewünschten konkreten Ergebnisse und Wirksamkeit zeigen. Wir sind mit den Konflikten und falsch verstandenen Rivalität zwischen den Vertretern der diversen politischen Parteien, die auf unterschiedlichen Regierungsebenen an der Macht sind, ausreichend vertraut. In den meisten Fällen führen diese dazu, dass die europäischen Bürger der Vorteile der europäischen Projekte, die in diesem Forum des Europäischen Parlaments beschlossen werden, beraubt werden. Aus diesem Grund habe ich für den Bericht gestimmt, in der Erwartung, dass der Regionalpolitik der Stellenwert beigemessen wird, der ihr gebührt.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Herrn Beaupuy ist ganz besonders lehrreich. Er behandelt die Governance der Strukturpolitik, und wir erfahren, dass neben der Neugewichtung der Entwicklungsniveaus aller Regionen in der Europäischen Union das wahre Ziel der Brüsseler Regionalpolitik darin besteht, die territoriale Organisation der Mitgliedstaaten und damit ihre administrativen und politischen Strukturen radikal zu ändern.
Tatsächlich überrascht dies nicht wirklich. Heute wird in Europa alles dafür getan, die Nationalstaaten zu umgehen oder aufzulösen: Von oben durch Abtretung ihrer Zuständigkeiten an den europäischen Superstaat und von unten durch die Förderung der „Region“ als privilegierte Ebene der infranationalen Organisation bzw. als Struktur grenzübergreifender infranationaler Räume. Dies erfolgt entgegen der Traditionen einiger Mitgliedstaaten und der natürlichen Grenzen bzw. Identitätsgrenzen von Provinzen, und es verschlingt mehrere Milliarden Euro. Die vom Berichterstatter gelobte „integrierte Herangehensweise“ an die europäische Gesetzgebung, die darin besteht, diese Ebene bei allen europäischen Politiken mit territorialen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen zu berücksichtigen, trägt zu der dargestellten Entwicklung bei.
Neben den wahltaktischen Manipulationen muss die von Herrn Sarkozy vorgeschlagene Verwaltungsreform sicherlich unter Einbeziehung dieser Gesichtspunkte analysiert werden.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Bericht befürwortet eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regierungen. Allerdings müssen wir uns vor Augen halten, dass die besten Formen der Governance als Ergebnis des institutionellen Wettbewerbs erprobt und von denjenigen unterschieden werde, die weniger geeignet sind. Die diversen Regierungsformen in Europa und der Erfahrungsaustausch zwischen diesen Regierungen ist wahrscheinlich ein gutes Beispiel.
Der Bericht ist voll von gut gemeinten Aussagen, doch es fehlen konkrete Vorschläge, wie die Verwaltung der Strukturpolitik verbessert werden kann, um die enormen Mängel zu beseitigen, die in Bezug auf die Steuerung der wirtschaftlichen Aspekte der Strukturpolitiken bestehen. Man sollte berücksichtigen, dass die Strukturpolitik der EU den größten Ausgabeposten der Europäischen Union für den Zeitraum von 2007 bis 2013 darstellt und der Europäische Rechnungshof in seinem Bericht für das Haushaltsjahr 2006 angibt, dass mindestens 12 % der für die Strukturpolitik ausgezahlten Mittel nicht hätten ausgezahlt werden dürfen.
Der Bericht enthält zudem Verweise auf den Vertrag von Lissabon. Dieser Vertrag ist jedoch im Rahmen demokratischer Prozesse abgelehnt worden. Die Berufung auf den Vertrag von Lissabon ist daher ein Ausdruck inakzeptabler Arroganz. Die Zukunft des Vertrags ist zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichts so unsicher, dass ein Verweis auf dessen Inhalt vermieden werden sollte. Aus diesen Gründen hat sich die Juniliste für eine Ablehnung des Berichts in seiner Gesamtheit entschieden.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Offensichtlich besteht bei der Definition von Zielen und Programmen wie auch bei der Umsetzung und Kontrolle der Verwendung der Strukturfonds der Gemeinschaft in den einzelnen Mitgliedstaaten kein Zweifel daran, dass wir eine wesentliche Beteiligung der lokalen und regionalen Behörden oder anderer öffentlicher Stellen, sozialer und wirtschaftlicher Organisationen und der allgemeinen Öffentlichkeit befürworten, da wir stets dafür plädiert haben.
Allerdings können wir nicht zulassen, dass unter dem Deckmantel dieses legitimen Ansinnens andere Ziele verfolgt werden, beispielsweise die Zusammenführung der verschiedenen Gemeinschaftsfonds in der „künftigen Kohäsionspolitik für den Zeitraum nach 2013“ (Europäischer Regionaler Entwicklungsfonds, Europäischer Sozialfonds, Kohäsionsfonds und Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums). Dieser Vorschlag könnte das zentrale Ziel des Gemeinschaftshaushalts gefährden, also seine Aufgabe der Umverteilung des Wohlstands zwischen den „Kohäsions“-Ländern und den „reichen“ Ländern – vor allem, weil er Mittel aufzehren würde, die ausschließlich für Kohäsionsländer gedacht sind (wobei zudem die Gemeinschaftsfinanzierung der „gemeinsamen Politik“ wie Landwirtschaft und Fischerei gefährdet würde).
Wir können auch die im Vorschlag enthaltene Förderung „öffentlich-privater Partnerschaften“ nicht unterstützen, die ein Instrument zur Privatisierung der öffentlichen Dienste darstellen, welche für die Menschen und die sozioökonomische Entwicklung jedes Mitgliedstaates von ausschlaggebender und strategischer Bedeutung sind.
Ramona Nicole Mănescu (ALDE), schriftlich. – (RO) Herr Beaupuys Bericht weist auf eine gute Governance auf der Ebene von zwei sich ergänzenden Systemen hin: dem institutionellen System, das die Zuteilung von Befugnissen und Haushaltsmitteln zwischen dem Staat und den regionalen und lokalen Behörden vorsieht, und dem Partnerschaftssystem, das die diversen öffentlichen und privaten Stellen zusammenbringt, die sich in einem bestimmten Gebiet jeweils mit demselben Thema befassen.
Eine Partnerschaft kann bei der Umsetzung der Kohäsionspolitik durch mehr Legitimität, nachhaltige Koordination, garantierte Transparenz und bessere Mittelverwendung für Mehrwert sorgen. Die Beteiligung der Partner kann dazu beitragen, auf Sektor- und Territorialebene eine institutionelle Einrichtung aufzubauen. Wir dürfen nicht ignorieren, dass Partner über die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, die die Wirksamkeit des Programms durch einen effizienteren Projektauswahlprozess deutlich steigern können.
Um den Entscheidungsfindungsprozess zu legitimieren und politischem Einfluss als Teil der öffentlichen Konsultationen während der Vorbereitungsphase der operationellen Programme entgegenzuwirken, ist es äußerst wichtig, dass lokale und regionale Behörden wie auch die Zivilgesellschaft einbezogen werden. Dies fördert die Nutzung umfangreicher Erfahrungen und trägt dazu bei, die Ausarbeitung, Überwachung und Beurteilung des Programms zu optimieren.
Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass die neuen Mitgliedstaaten noch nicht für das Partnerschaftsprinzip bereit sind. Dies könnte durch supranationalen und subnationalen Druck allmählich verstärkt werden.
Basierend auf den Argumenten, die bereits in den von uns eingereichten und angenommenen Änderungsanträgen zum Ausdruck kommen und in den endgültigen Text von Herrn Beaupuy eingeflossen sind, unterstütze ich diesen Bericht.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für Herrn Beaupuys Bericht über Governance und Partnerschaft auf nationaler und regionaler Ebene und die Grundlage für Vorhaben in der Regionalpolitik gestimmt. Es ist klar, dass der Erfolg der regionalen Entwicklung nicht nur von den erreichten Ergebnissen abhängt, sondern auch von der Art und Weise, wie diese Ergebnisse erzielt werden, also von der Governance. Daher müssen wir Mechanismen entwickeln, die Governance-Systeme optimieren, ohne durch unterschiedliche Politiken behindert zu werden.
Ich teile die Begeisterung des Berichterstatters für das Partnerschaftsprinzip: neue Governance-Methoden sollten öffentliche Institutionen nicht ersetzen, sondern mit diesen Hand in Hand gehen. Ich bin ferner für die Änderung der Art, auf die die Governance mit den Gemeinschaftsmitteln, den verschiedenen Territorialdimensionen und natürlich der Europäischen Union zusammenhängt. Die von der Geschäftswelt entlehnten Projektmanagementfähigkeiten können hervorragende Werkzeuge für die Verwirklichung neuer Formen der Governance sein, mit denen die besondere Entwicklung des europäischen Systems vorangetrieben werden kann.
Ole Christensen, Dan Jørgensen, Poul Nyrup Rasmussen, Christel Schaldemose und Britta Thomsen (PSE), schriftlich. – (DA) Die dänischen Abgeordneten der SPE-Fraktion haben für den Initiativbericht über bessere Regulierung gestimmt. Wir möchten jedoch betonen, dass der Abbau von Verwaltungsaufwand ein sehr politischer Prozess sein kann. Wir unterstützen das Ziel des Abbaus von unnötigem Verwaltungsaufwand. Bestimmte Verwaltungslasten können jedoch sozial durchaus nötig sein, selbst wenn sie den Eindruck erwecken, sie würden das Wachstum und die Innovation von Unternehmen hemmen. Wir denken, dass wir für den Abbau von Verwaltungsaufwand einen ausgewogenen Ansatz benötigen.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Wenn wir über die Notwendigkeit einer „besseren Rechtsetzung“ diskutieren müssen, bevor wir über den Inhalt der europäischen Gesetzgebung sprechen, sollten wir abwägen, wie viel dieser Gesetzgebung tatsächlich erforderlich ist. Es ist richtig, dass durch die Schaffung eines gemeinsamen Markts und die Vereinheitlichung von Ländern mit unterschiedlicher Geschichte und unterschiedlichen Traditionen, welche sich häufig in den Einzelheiten ihrer Gesetzgebung widerspiegeln, eine Harmonisierung benötigt wird, die möglicherweise wiederum eine aktivere Gesetzgebung erfordert.
Dies festzustellen ist eine Sache. Die Tatsache anzuerkennen, dass wir vor allem Gesetze erlassen müssen, und zwar auf europäischer Ebene, ist hingegen etwas ganz anderes. Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass die EU häufig den richtigen Handlungsrahmen darstellt, sollte man bedenken, dass der Grundsatz der Subsidiarität von entscheidender Bedeutung ist und diese oftmals im Namen falscher Effizienz und eines unnötigen Ergebnisses vernachlässigt wird.
Wenn wir wollen, dass die EU auf Belange reagieren kann, für die eine Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene gerechtfertigt ist, sollten wir es tunlichst konsequent vermeiden, Europa mit Legislativprojekten und -befugnissen zu überfluten, die auf nationaler Ebene effektiv funktionieren können. Dieser Punkt, der in den Verträgen häufig erwähnt wird, findet in Brüssel leider weniger Beachtung, was nicht zuletzt im Hinblick auf bürokratische Versuchungen unvermeidliche Konsequenzen nach sich zieht.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe für Herrn Medina Ortegas Bericht zum Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gestimmt. Die Europäische Union sollte innerhalb des Rechtsrahmens Standards für Klarheit und Effizienz anstreben. Da uns die Optimierung von Gesetzgebungsverfahren bei der Erreichung dieser Ziele helfen kann und angesichts dessen, dass die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zwei der Eckpfeiler sind, auf denen die Gemeinschaft aufgebaut ist – insbesondere in Bereichen, in denen sie keine exklusive legislative Kompetenz hat – möchte ich den Rechtsausschuss dafür loben, dass er unermüdlich dafür sorgt, dass die Gesetzgebung der Gemeinschaft durch eine Vereinfachung des gemeinschaftlichen Besitzstandes auf Qualität und nicht auf Quantität basiert.
Des Weiteren habe auch ich meine Zweifel bezüglich der Selbstregulierungs- und Co-Regulierungsverfahren; die derzeitige Finanzkrise auf den Märkten ist teilweise diesen Verfahren zuzuschreiben. Die Regulierung bleibt der einfachste Weg, die Ziele der Union zu verfolgen und den Unternehmen und Bürgern Rechtssicherheit zu bieten.
– Bericht: Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (A6-0363/2008)
Carl Lang und Fernand Le Rachinel (NI), schriftlich. – (FR) Die Kommission hat soeben ihren 24. Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten veröffentlicht. Die recht legitime Frage, die gestellt werden kann, lautet: Gibt es irgendwelche Unterschiede oder Fortschritte in Bezug auf den vorherigen Bericht? Das scheint nicht der Fall zu sein. Wie immer sind die Mitgliedstaaten die armen Studenten Europas. Welche Lösung wird von der Berichterstatterin vorgeschlagen? Mehr Entschlossenheit in Bezug auf die Mitgliedstaaten, mehr Eingaben an den Gerichtshof, sofern diese erforderlich sind, und eine entschiedenere Durchsetzung der Urteile des Gerichtshofs. Kurzum: Mehr Befugnisse zur Ausübung von Zwang und Repression durch die europäischen Institutionen in Bezug auf die Mitgliedstaaten.
Die Rechtsordnung der Gemeinschaft, die bereits in Verträgen festgelegt worden ist, die Vorrang vor nationalen Rechten haben, soll nun im Hinblick auf diese Rechte der Mitgliedstaaten zunehmend repressiv und destruktiv werden. Wir sind entschieden dagegen, da die Belehnung der nationalen Rechte und der rechtlichen Besonderheiten mit Sicherheit zu einer Belehnung der Mitgliedstaaten selbst im Rahmen eines europäischen und föderalistischen Projekts führen wird.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den Bericht von Frau Geringer de Oedenberg über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts gestimmt. Die Zahlen sind objektiv; sie können zwar interpretiert, jedoch nicht infrage gestellt werden: Der beachtliche Anstieg der Verstöße und das Versäumnis, sich an die Urteile des Gerichtshofs zu halten bzw. die Richtlinien innerhalb der festgelegten Fristen umzusetzen, deuten darauf hin, dass eine stärkere Überwachung der einzelnen Mitgliedstaaten durch die Kommission erforderlich ist.
Zudem bin ich davon überzeugt, dass es eine stärkere Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten geben sollte, um die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu fördern und diesem mehr Schlagkraft zu verleihen. Ich unterstütze auch die Einbeziehung der Frage des Strukturfondsmanagements in den Text: Die Mitgliedstaaten müssen daran erinnert werden, dass sie ihre Gesetzgebung vor allem im Bereich des Umweltschutzes in geeigneter Weise mit dem europäischen Recht in Einklang bringen müssen, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung auf regionaler Ebene zu fördern, wenn sie die Fonds im Finanzrahmen von 2007 bis 2013 nutzen wollen.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Während der heutigen Parlamentssitzung habe ich für den Jahresbericht des Rechtsausschusses über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Jahr 2006 gestimmt.
Das von der Berichterstatterin Frau Geringer de Oedenberg verfasste Dokument enthält Verweise auf das Versäumnis, die Frist zur Umsetzung der Richtlinien einzuhalten, auf die nicht zufrieden stellende Kooperation zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten und dem Europäischen Gerichtshof und Kritik an der Art und Weise, wie Klagen bearbeitet werden.
Ein sehr Besorgnis erregendes Phänomen ist die fehlende Bereitschaft der nationalen Gerichte, den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts umzusetzen und das Vorabentscheidungsverfahren zu nutzen.
Des Weiteren weist der Bericht auf die steigende Zahl der Verstöße hin, die sich daraus ergeben, dass sich die Mitgliedstaaten nicht an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs halten und die Fristen für die Umsetzung der Richtlinien nicht einhalten.
Angesichts dessen ist es dringend notwendig, die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten sowie die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf nationaler und regionaler Ebene zu verstärken. Eine solche Maßnahme wird die Europäische Union den Bürgern näher bringen und ihre demokratische Legitimität stärken.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Initiativberichts meines hervorragenden Kollegen und Freundes, des ehemaligen griechischen Minister Herrn Papastamkos, für die Entschließung über eine Strategie zur künftigen Umsetzung der institutionellen Aspekte der Regulierungsagenturen gestimmt. Es ist schade, dass die von Parlament und Kommission unternommenen Anstrengungen im Hinblick auf die Einführung einer rechtsverbindlichen Aufsicht der europäischen Regulierungsagenturen zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt haben. Ich teile die Meinung der großen Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen, die das Fehlen einer allgemeinen Strategie zur Errichtung von Agenturen in der Europäischen Union bedauern. Für den Rat und die Kommission ist es nun dringend notwendig, zusammen mit dem Parlament einen klaren, gemeinsamen und kohärenten Rahmen bezüglich der Stellung zu schaffen, die den Agenturen künftig im Rahmen der europäischen Governance eingeräumt werden soll, um eine parlamentarische Kontrolle über die Errichtung und den Betrieb der Regulierungsagenturen einzuführen.
Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Unlängst kam es zu einem bemerkenswerten Anstieg der Zahl der Regulierungsagenturen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Zwischen diesen beiden Ebenen gibt es Ähnlichkeiten und Unterschiede. Die Vielfalt der Struktur und Funktion dieser Agenturen auf europäischer und nationaler Ebene wirft Fragen bezüglich der Regulierung, des guten Managements und der Nähe der Institutionen im Hinblick auf Zentralisierung und Dezentralisierung auf.
Bei den Regulierungsagenturen in Europa handelt es sich zumeist um dezentralisierte oder unabhängige Stellen, daher ist es erforderlich, eine besonders hohe Transparenz und demokratische Kontrolle zu fordern, wenn wir über ihre Finanzierung und Aufgaben sprechen – denn ohne Regulierungs- und Exekutivinstitutionen, die über exklusive Rechte verfügen, kann die Zunahme in den wichtigsten Bereichen sozialer Aktivitäten dem Ruf von Institutionen, die die Europäische Union vertreten, schaden, sie entfremden und zu deutlich mehr Bürokratie führen.
Die parlamentarische Kontrolle der Struktur und Aktivitäten von Regulierungsagenturen sollten dem klassischen Grundsatz der Demokratie entsprechen, der eine zunehmende politische Verantwortung aller Institutionen mit Exekutivgewalt fordert.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Die Europäische Union verfügt über 29 Agenturen, bei denen es sich um echte europäische Mikroinstitutionen handelt, deren Kosten sich auf mehr als 1 Milliarde Euro belaufen und deren Nützlichkeit fraglich ist. Der Berichterstatter fordert daher zu Recht mehr Transparenz und Verantwortung bei der Verwaltung dieser zahlreichen Agenturen, eine echte politische Kontrolle ihrer Aktivitäten, die Beurteilung bereits bestehender Agenturen, ein Moratorium bezüglich der Schaffung neuer Agenturen und eine Kosten-Nutzen-Analyse, bevor Entscheidungen getroffen werden.
Allerdings liegt das wahre Problem in der Existenz dieser Agenturen selbst, die für zusätzliche europäische Bürokratie sorgt. Einige verfügen über Regulierungsbefugnisse, andere haben Exekutivfunktionen, die die Arbeit der nationalen Behörden behindern oder gar verkomplizieren. Das wahre Problem ist ihre starke Zunahme und der Umstand, dass sie sich in ganz Europa ausbreiten und die entsprechenden Posten wie Geschenke zum Stimmenfang vergeben werden. Das wahre Problem ist, dass sich 40 % von ihnen auf den Artikel 308 des Vertrags stützen, diesen berühmten Artikel, der es ermöglicht, die Kompetenzen von Brüssel zu erhöhen, wenn diese nicht ausdrücklich in den Gesetzen und Verordnungen vorgesehen sind.
Da mit diesem Bericht nichts gelöst wird, sehen wir uns nicht imstande, ihn anzunehmen. Da er aber dennoch den Versuch darstellt, ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen, können wir ihn auch nicht ablehnen. Aus diesem Grund enthalten wir uns.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Es ist interessant, dass das Fehlen einer allgemeinen Strategie für die Schaffung von EU-Agenturen nun in Punkt 5 des Vorschlags bemerkt wird. Neue Agenturen werden auf einer Einzelfallbasis errichtet, was zu einem intransparenten Flickenteppich von Regulierungs- bzw. Exekutivagenturen und anderen Gremien der Gemeinschaft führt.
Noch interessanter ist es, dass die Mehrheit im Europäischen Parlament stets die Schaffung neuer Agenturen befürwortet hat und erst jetzt bemerkt, dass man das Gesamtbild aus den Augen verloren hat.
Die Juniliste unterstützt die Kerngedanken des Berichts, aber wir fragen uns, wie das Europäische Parlament nun versuchen will, neue Gebiete zu erschließen, wenn die Regulierungsagenturen dem Parlament Jahresberichte vorlegen müssen und die Leiter der Agenturen möglicherweise aufgefordert werden, vor dem zuständigen parlamentarischen Ausschuss zu erscheinen, bevor sie ernannt werden. Wir sehen diese Vorschläge skeptisch. Erstens ist es angebracht, dass die Kommission für die Governance dieser Agenturen verantwortlich ist, und zweitens können parteipolitische Querelen die Ernennung der Agenturleiter beeinflussen, die als solche lediglich Beamte sein sollten.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Ich habe für den von Herrn Papastamkos vorgelegten Bericht über eine Strategie zur künftigen Regelung der institutionellen Aspekte der Regulierungsagenturen gestimmt. Ich begrüße den Plan der Kommission, eine interinstitutionelle Arbeitsgruppe einzurichten, die für die Festlegung der Aufgaben der Regulierungsagenturen sowie die entsprechenden Kompetenzen jedes Gremiums der Europäischen Union in Bezug auf diese Agenturen zuständig ist.
Dieser Vorschlag sollte jedoch eher der Ausgangspunkt als das Ziel sein, denn die Ziele gehen weit über die Bildung einer interinstitutionellen Arbeitsgruppe hinaus. In der Tat wird mit dem Vorschlag eines gemeinsamen Ansatzes hinsichtlich der Struktur und der Aufgaben dieser Agenturen – soweit dies möglich ist – ein Bürokratieabbau angestrebt, sodass diese Gremien ihre legislative Rolle in geeigneter und effektiver Weise wahrnehmen können. Dies wird es ermöglichen, sie zumindest teilweise zu überwachen und die Prüfungsanforderungen zu erfüllen und die Verantwortung zu fördern, die mit einer Aufgabe von solcher Bedeutung einhergeht.
– Entschließungsantrag: Anklage und Verurteilung von Joseph Kony vor dem Internationalen Strafgerichtshof (B6-0536/2008)
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Joseph Kony und die Widerstandsarmee des Herrn haben sich in den vergangenen 20 Jahren vieler entsetzlicher Verbrechen schuldig gemacht, weshalb der Internationale Strafgerichtshof ihn nun vor Gericht stellen will.
Der Konflikt in der Region der Großen Seen, in Uganda und im Sudan geht weiter und fordert laufend neue zivile Opfer. Es obliegt eindeutig der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, dieser furchtbaren Tragödie ein Ende zu setzen.
Die Juniliste hat im Allgemeinen eine negative Einstellung zur außenpolitischen Entschließungen. Allerdings bezieht sich diese auf eine Organisation und ihren Leiter, der vom Internationalen Strafgerichtshof zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Wir haben daher beschlossen, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte das Plenum darüber in Kenntnis setzen, dass ich für den Entschließungsantrag über die Anklage und Verurteilung von Joseph Kony vor dem Internationalen Strafgerichtshof gestimmt habe. Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass seit mehr als drei Jahren Versuche unternommen werden, einen internationalen Kriminellen wie Kony, der Verbrechen wie Mord, Genozid, Vergewaltigung und Plünderung verübt und dazu angestiftet hat, hinter Gitter zu bringen. All diese Versuche sind aufgrund der konstant fehlenden Bereitschaft der ugandischen Regierung zur Zusammenarbeit bei der Verhaftung dieses Kriminellen gescheitert, für den der Internationale Strafgerichtshof einen internationalen Haftbefehl ausgestellt hat.
Ich möchte herausstellen, dass Uganda das Rom-Statut unterzeichnet hat, nach dem sich jedes Mitglied verpflichtet, der Straffreiheit für die schwersten Verbrechen ein Ende zu setzen, die für die internationale Gemeinschaft von größter Bedeutung sind, und zur Verhinderung solcher Verbrechen beizutragen. Des Weiteren möchte ich meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass keinerlei klare Verpflichtung besteht, die Weiterleitung internationaler Hilfsmittel an die LRA, die von Kony geführte Armee, zu verhindern, mit denen diese sich auf einfache Weise finanzieren kann. Dies erfolgt insbesondere durch die sudanesische Regierung.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts von Frau de Sarnez für die legislative Entschließung gestimmt, mit der der Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm zur Verbesserung der Qualität der Hochschulbildung und zur Förderung des interkulturellen Verständnisses durch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten (Erasmus Mundus) (2009-2013) abgeändert wird. Ich unterstütze die Kompromissänderungsanträge, die eine Verbesserung der Qualität der Hochschulbildung, Gerechtigkeit bei der geographischen Abdeckung, eine Information der Öffentlichkeit über dieses Programm und die Notwendigkeit anstreben, alle rechtlichen und bürokratischen Hindernisse in Bezug auf Austauschprogramme zwischen europäischen Ländern und Drittstaaten zu beseitigen (Visaproblem). Ich denke ebenfalls, dass im Rahmen des Programms Schritte unternommen werden müssen, sodass Studierende, Doktoranden, promovierte wissenschaftliche Mitarbeiter und Forscher aus den ärmsten Entwicklungsländern (besonders aus AKP-Ländern = Afrika, Karibik und Pazifik) in ihre Heimatländer zurückkehren, sobald ihr Aufenthalt abgeschlossen ist, um das Phänomen des „Braindrain“ zu vermeiden. Abschließend begrüße ich die Forderung, dass mindestens zwei europäische Sprachen gelernt, gegen Diskriminierung gekämpft und der Respekt für die Gleichbehandlung der Geschlechter gefördert werden müssen.
Ole Christensen, Dan Jørgensen, Poul Nyrup Rasmussen, Christel Schaldemose und Britta Thomsen (PSE), schriftlich. – (DA) Die dänischen Abgeordneten der SPE-Fraktion haben gegen den Bericht über das Programm Erasmus Mundus II gestimmt. Der Grund ist nicht, dass wir gegen das Programm sind. Unsere Ablehnung liegt vielmehr daran, dass der Wortlaut über die Finanzierung dazu führen könnte, dass dänische Studierende für die Teilnahme an dem Programm zahlen müssen. Im Allgemeinen unterstützen wir das Ziel der Programme Erasmus Mundus.
Die dänischen Abgeordneten der SPE-Fraktion haben für den Initiativbericht über bessere Regulierung gestimmt. Wir möchten jedoch betonen, dass der Abbau von Verwaltungsaufwand ein sehr politischer Prozess sein kann. Wir unterstützen das Ziel des Abbaus von unnötigem Verwaltungsaufwand. Bestimmte Verwaltungslasten können jedoch sozial durchaus nötig sein, selbst wenn sie den Eindruck erwecken, sie würden das Wachstum und die Innovation von Unternehmen hemmen. Wir denken, dass wir für den Abbau von Verwaltungsaufwand einen ausgewogenen Ansatz benötigen.
Konstantinos Droutsas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Im Rahmen der volksfeindlichen Politik der Lissabon-Strategie nutzt die EU das Programm Erasmus Mundus (2009-2013) für die spießbürgerliche Modernisierung der Universitäten in den Mitgliedstaaten entsprechend den Bedürfnissen des Kapitals, damit es zu einem „Braindrain“ aus Drittländern kommt und die Ausbeutung von Arbeitnehmern beschleunigt wird, um so die Rentabilität der europäischen Monopole zu steigern.
Es verstärkt die privatwirtschaftlichen Kriterien zur Beurteilung von Universitäten und Forschungszentren und sorgt für eine Gleichstellung staatlicher und privater Bildungseinrichtungen. Es schafft Bildungs-„Konsortien“ auf der Grundlage des „Ziels der Spitzenleistung“ und verlangt von Studierenden Studiengebühren, wodurch im Wesentlichen alle Kinder aus Arbeiterfamilien von der Hochschulbildung ausgeschlossen werden.
Die demagogischen Erklärungen der EU über die Verhinderung eines Braindrain aus Entwicklungsländern können das wahre Ziel nicht verschleiern, das schlicht in der bedauerlichen Ausbeutung von Arbeitskräften aus diesen Ländern und der drastischen Einschränkungen des Anspruchs auf hochwertige kostenlose staatliche Bildung aller Kinder aus Arbeiterfamilien besteht.
Aus diesen Gründen hat die Fraktion der kommunistischen Partei Griechenlands gegen diese Legislativinitiative gestimmt.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. – (PT) Ich habe für den De Sarnez-Bericht über das Programm Erasmus Mundus (2009-2013) gestimmt, da dieses neue Programm meines Erachtens für die Förderung der Europäischen Union als erstklassiger Bildungsstandort auf Weltniveau entscheidend ist.
Durch die Zusammenarbeit zwischen den diversen Bildungseinrichtungen der EU wird Erasmus Mundus II eine bessere Antwort auf die zunehmende Forderung nach Mobilität der Studierenden liefern und die Qualität der Hochschulbildung in der EU sowie den Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen fördern. Des Weiteren möchte ich auf die wichtigen Innovationen verweisen, die in dem Bericht vorgeschlagen werden, darunter die Verlängerung des Doktorandenprogramms, die Einbeziehung von Stipendien und die Förderung einer aktiven Beteiligung von Unternehmen und Forschungszentren.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Dies ist ein wichtiges Programm, mit dem versucht wird, Studierende aus Drittländern zu unterstützen, die in der Europäischen Union studieren wollen, wenngleich seine begrenzte finanzielle Ausstattung Schwierigkeiten für diejenigen bedeuten kann, die eventuelle Studiengebühren nicht zahlen können. Infolgedessen bedauern wir, dass die von unserer Fraktion vorgelegten Vorschläge abgelehnt wurden, obwohl wir für den Bericht gestimmt haben, da diese zum Ziel hatten, zur Lösung dieses Problems beizutragen.
Wir freuen uns jedoch darüber, dass Vorschläge angenommen wurden, mit denen die Mobilität dieser Studierenden verbessert und die Aufmerksamkeit auf den Umstand gelenkt werden soll, dass das Programm nicht dazu genutzt werden darf, Menschen mit besonderen Fähigkeiten aus Drittländern in die Europäische Union zu holen, was zum Nachteil ihrer Herkunftsländer wäre. Wir haben darauf bestanden, dass die Europäische Kommission bei der Beurteilung des Programms die möglichen Folgen des „Braindrain“ und die sozioökonomische Situation der Betroffenen berücksichtigen muss.
Wir müssen dafür sorgen, dass Studierende in Master-Programmen, Doktoranden, Forscher und Akademiker aus armen Drittländern in ihre Herkunftsländer zurückkehren können, sobald ihr Studium abgeschlossen ist, um einen „Braindrain“ zu verhindern.
Neena Gill (PSE), schriftlich. – Frau Präsidentin! Ich habe für diesen Bericht gestimmt, und hoffe, dass die Verlängerung des Programms Erasmus Mundus bis 2013 weiterhin eine wichtige Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen schlagen wird.
Die Vorteile dieses Bildungsprogramms liegen auf der Hand – so wird nicht nur die EU von der Anziehung intelligenter Studenten mit Potenzial aus Drittländern profitieren, die Forschung und Innovation in der EU vorantreiben werden; auch unsere eigenen Studierende werden bessere Sprachkenntnisse erwerben und ihre Beschäftigungsfähigkeit sowohl im In- als auch im Ausland steigern.
Vor allem denke ich, dass dieses Programm besonders relevant ist, denn wir haben das Jahr des interkulturellen Dialogs. Der Aufbau von Verbindungen mit Drittländern durch Bildung fördert das Verständnis und die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Religionen. Das ist genau die Art von Programm, die das Europäische Parlament unterstützen sollte, und ich begrüße es außerordentlich.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Wir haben beschlossen, gegen diesen Bericht des Ausschusses für Kultur und Bildung zu stimmen. Wir stimmen nicht gegen die Idee des Programms Erasmus Mundus als solches, sondern gegen einige der detaillierten Vorschläge, die der Ausschuss und die Kommission vorgelegt haben.
Wir unterstützen kein gesondertes Visum für Erasmus Mundus gemäß den im Vorschlag enthaltenen Kurzbeschreibungen. Jeder Mitgliedstaat hat das Recht, Visa auszustellen, und wir hoffen, dass sie sich großzügig zeigen, wenn es um die Ausstellung von Visa für Studierende geht, die am Programm Erasmus Mundus teilnehmen. Wir sind der Meinung, dass es nicht möglich ist, diese Art von Visa auf EU-Ebene zu regulieren.
Wir lehnen zudem den Gedanken ab, dass die EU finanzielle Unterstützung für Alumniverbände von Studierenden bereitstellt, die im Rahmen der verschiedenen Programme Erasmus Mundus einen Abschluss erlangt haben. Studentenorganisationen sollten sich aus den Bedürfnissen und auf der Grundlage der persönlichen Anstrengungen der einzelnen Studierenden heraus entwickeln. Sie können nicht von oben, also von den EU-Institutionen, gegründet werden.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Das Programm Erasmus Mundus umfasst die Zusammenarbeit und Mobilität im Hochschulbildungssektor und soll die Europäische Union weltweit als erstklassigen Bildungsstandort fördern. Es weitet die bisher verfügbaren Möglichkeiten im Rahmen des Erasmus-Programms aus und eröffnet für Länder, die keine Mitgliedstaaten der Union sind, die Möglichkeit für eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bildung.
Bildung spielt im Leben junger Menschen eine entscheidende Rolle. Internationale Erfahrungen werden von den Studierenden selbst und von den künftigen Arbeitgebern zunehmend geschätzt. Sprachkenntnisse, Erfahrungen mit anderen Kulturen und der spezifischen Natur jedes Landes sowie die Fähigkeit, sich in einem internationalen Umfeld zu bewegen, sind nur einige der zahlreichen Vorteile einer Teilnahme an diesem Programm. Die Förderung der Mobilität ist ein weiteres wichtiges Merkmal der Programmziele. Diese sind insbesondere im Zeitalter der Globalisierung wichtig, da Kontakte mit Drittländern an Bedeutung zulegen. Wir sollten die Tatsache begrüßen, dass europäische Studierende und Studierende aus Drittländern auch weiterhin die Möglichkeit haben werden, solche Erfahrungen zu sammeln.
Ich freue mich, dass das Programm, über das wir abgestimmt haben, auch Vorschläge zur Lösung der Visaprobleme enthält. Diese machen die Reisevorkehrungen unnötig kompliziert. Die vorgeschlagene Erleichterung sollte sich auch den Umfang der verfügbaren Informationen auswirken. Studierende sollten alle Informationen einholen können, die sie benötigen, um ihnen die Vorbereitung ihres Aufenthalts vor Antritt der Reise einfacher zu machen. In diesem Zusammenhang könnte eine Unterstützung durch Vertretungen der Europäischen Kommission in Drittländern besonders hilfreich sein.
Ona Juknevičienė (ALDE), schriftlich. – (LT) Heute haben wir über die neue Generation des Programms Erasmus Mundus (2009-2013) abgestimmt. Das derzeitige Programm Erasmus Mundus wurde 2004 eingeführt, und mehr als 4 000 Bürger aus der Europäischen Union und aus Drittländern haben erfolgreich daran teilgenommen. Erasmus Mundus hat sich im Bereich der Hochschulbildung als zuverlässige Maßnahme erwiesen, insbesondere im Bereich der Master-Studiengänge. Ziel des neuen Programms ist es, die Hochschulbildung in Europa zu fördern, dazu beizutragen, dass jungen Menschen mehr und bessere berufliche Möglichkeiten angeboten werden, und eine besser strukturierte internationale Zusammenarbeit zwischen höheren Bildungseinrichtungen zu gewährleisten, um die Mobilität der Studierenden aus der Europäischen Union und Drittländern zu steigern. In den kommenden fünf Jahren wird Universitäten in Europa und Drittländern ein Betrag von über 950 Millionen Euro zugeteilt, damit sich diese am Programm beteiligen und Stipendien gewähren können. Hinzu kommt ein gesondertes Programm für Postgraduiertenstudiengänge. Zudem erhalten die Studierenden mehr finanzielle Unterstützung. Bei der Abstimmung habe ich die Änderungsanträge des zuständigen Ausschusses unterstützt, die für eine klarere Regulierung im Rahmen dieses Dokuments sorgen, die Wahlmöglichkeit und die Rechte der Studierenden wahren und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Universitäten ermöglichen.
Carl Lang und Fernand Le Rachinel (NI), schriftlich. – (FR) Das Ziel der Förderung der wirtschaftlich motivierten Zuwanderung in großem Stil, wie es bereits am 11. Januar 2005 von der Europäischen Kommission in ihrem „Grünbuch zur Steuerung der Zuwanderung von Arbeitskräften aus Drittstaaten“ formuliert wurde, ist angesichts dieses Berichts aktueller denn je.
Ganze 950 Millionen Euro sind dem Programm Erasmus Mundus II für den Zeitraum 2009-2013 zugeteilt worden. Dieses Programm soll ausländische Studierende und Lehrkräfte in das geografische Gebiet der Europäischen Union holen. Der Betrag übersteigt die Zuteilung für die erste Version des Programms um rund 654 Millionen Euro.
Unter dem – an sich lobenswerten – Vorwand, Studierende aus Drittländern dazu zu ermutigen, in Europa zu studieren, indem ihnen anspruchsvolle Master- oder Promotionsstudiengänge angeboten werden, öffnet man in Wahrheit die Schleusen für einen neuen Weg der legalen Zuwanderung. Tatsächlich wird Ausländern aus Drittstaaten insbesondere mittels vereinfachter Verfahren zum Erhalt von Visa und Stipendien und ermäßigter Studiengebühren die Einreise nach Europa erleichtert.
Die Europäische Union ist weit davon entfernt, ihre eigenen Landsleute zu bevorzugen und die benötigte europäische Forschung und Spitzenleistung zu fördern. Stattdessen gewährt sie wieder einmal Menschen von außerhalb der EU den Vorrang und hängt ihre Zuneigung zur Zuwanderung an die große Glocke.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. – (DE) Das Programm Erasmus Mundus II nimmt wohl Anleihe an dem Austauschprogramm für europäische Studenten, Erasmus, hat aber im Wesentlichen den Austausch mit Drittstaaten im Sinn. Es soll dazu dienen, qualifizierte ausländische Studenten nach Europa zu locken.
Grundsätzlich befürworte ich an und für sich den interkulturellen Austausch, gerade auch auf wissenschaftlicher Ebene. Ich bezweifle jedoch die Wirksamkeit und vor allem die Nützlichkeit dieses Programms für die Mitgliedstaaten. In Zeiten, in denen in einigen Mitgliedstaaten Plätze an den Universitäten für die einheimische Bevölkerung in manchen Fachbereichen begrenzt sind, sollte man gerade auch bei der Höherqualifizierung vorsichtig sein.
Durch die Umstellung des gesamten Studiensystems in Europa nach Bologna ist es für Studenten mit einer abgeschlossenen Masterausbildung ohnehin schon sehr schwierig, einen Doktorandenplatz zu finden. Hier für einheimische Studenten die Konkurrenz noch zu erhöhen, scheint mir kontraproduktiv. Ebenso wird bei dem Programm auch der Missbrauch der Einwanderungsbestimmungen wohl schwerlich zu kontrollieren sein. Aus diesem Grund habe ich gegen den Bericht gestimmt.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), schriftlich. – (PL) Das Programm Erasmus Mundus hat in der zeitgenössischen Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen bereits eine bedeutende Rolle gespielt. Die gewonnene Erfahrung zeigt jedoch, dass die Herausforderungen mit einem gewissen Maß an Vorsicht angegangen werden sollten. Unangemessen radikale Änderungen wie zum Beispiel neue Bedingungen für Studiengebühren könnten dieses Bildungssystem aus dem Gleichgewicht bringen, was sich am Markt bereits bemerkbar gemacht hat. Solche Änderungen können auch gegen gewisse Grundsätze hinsichtlich der Autonomie von akademischen Einrichtungen verstoßen. Daher muss man abwägen, ob es das Beste wäre, die Entscheidungen dem Konsortium von Erasmus Mundus zu überlassen oder die Bedingungen für die Verwaltung von oben festzulegen.
Wenn eine bewährte Praxis besteht und die lokalen Stellen die Möglichkeit haben, Entscheidungen zu treffen, sollte dies meiner Meinung nach respektiert werden, und man sollte nicht per Dekret etwas Neues vorgeben. Dies ist ganz besonders wichtig, da wir in sehr unterschiedlichen Regionen leben. Es heißt, einige davon seien besser entwickelt, andere weniger gut, und sie haben alle unterschiedliche Traditionen und unterschiedliche wirtschaftliche Bedingungen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um hervorzuheben, dass sich das Parlament ungerechtfertigterweise auf Dokumente zu bezieht, die noch nicht rechtsverbindlich sind, beispielsweise die europäische Verfassung, die in einem Referendum abgelehnt wurde, der Vertrag von Lissabon und die damit zusammenhängende Charta der Grundrechte. Eine Gesetzgebung kann nicht auf etwas basieren, das noch nicht im Gesetzbuch steht.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den Bericht von Frau De Sarnez über das Programm Erasmus Mundus (2009-2013) gestimmt. Die Jugendlichen sind unsere Zukunft, und ich sage das nicht einfach, weil es hier passt: Das Programm Erasmus Mundus fußt auf einem Ethos der Spitzenleistung und der Förderung der interkulturellen Integration durch die Kooperation mit Drittländern, damit künftige Generationen eine bessere Welt schaffen können. Das neue Programm Erasmus Mundus konzentriert sich insbesondere auf die Möglichkeit der Teilnahme an Master- und Promotionsstudiengängen, den Aufbau von Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen in Drittländern und die Verfolgung spezieller Kommunikations- und Informationsaktivitäten.
Ich begrüße diese Initiative und möchte zudem die Aufmerksamkeit auf den Vorschlag von Frau De Sarnez lenken, dass das Erlernen von mindestens zwei Fremdsprachen zu einer Priorität gemacht werden sollte: Sprachen sind in der Tat das wichtigste Mittel für die kulturelle Integration.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. – (NL) Erasmus Mundus II entspricht in weiten Teilen seinem Vorgänger, wenngleich größere Anpassungen vorgenommen worden sind. Zu den wichtigen Änderungen zählen eine stärker ausgewogene und garantierte geographische Vertretung in den Programmen Erasmus Mundus, die Universitätskonsortien von mindestens drei europäischen Ländern anbieten können, wobei benachteiligten Bevölkerungsgruppen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Die Zulassungskriterien für die Kurse müssen auf Qualität basieren. Gleichzeitig müssen die Gleichstellung der Geschlechter respektiert und der Zugang für benachteiligte Gruppen verbessert werden.
Bei der Vergabe von Stipendien an europäische Studierende und Studierende aus Drittländern müssen die Einrichtungen, die diese Studiengänge anbieten, den Grundsatz der Chancengleichheit und der Nichtdiskriminierung achten.
Gleichzeitig sollte Erasmus Mundus II zur nachhaltigen Entwicklung der Hochschulbildung in Europa und in Drittländern beitragen, wobei sich die Kommission nach besten Kräften bemühen sollte, ein Braindrain zu verhindern.
Die Grünen werden dafür sorgen, dass diese Anpassungen auch wirklich umgesetzt werden. Die Beurteilung von Erasmus Mundus sollte auch zeigen, dass sich der Zugang zu Erasmus Mundus-Studiengängen für benachteiligte Gruppen verbessert hat.
Die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz hat diesen Bericht vorbehaltlich dieser Bedingungen unterstützt
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Ich habe für den Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (Neufassung) (KOM(2007)0737 – C6-0442/2007 – 2007/0257(COD)) gestimmt.
Wie Herr Szájer neige auch ich dazu, die Grundsätze und Leitlinien der Konferenz der Präsidenten anzuerkennen. Sie entsprechen voll und ganz dem geltenden Recht. Des Weiteren unterstütze ich den Vorschlag, dass der auf der Konferenz der Präsidenten gefasste Beschluss noch technische Anpassungen erfordert.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts von Herrn Szajer für den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (Neufassung) gestimmt. Ich bedaure, dass die Kommission angesichts der Entwicklung und Komplexität der Gesetze und Verordnungen ihren Standpunkt vom 1. April 1987 nicht überdacht hat, der darin besteht, ihre Dienste anzuweisen, alle Gesetzgebungsakten spätestens nach ihrer zehnten Abänderung zu kodifizieren, während sie gleichzeitig betont, dass dies ein Mindeststandard ist und ihre Dienste die Texte, für die sie verantwortlich sind, in noch kürzeren Intervallen kodifizieren sollten. In diesem besonderen Fall befassen wir uns mit der Revision der Richtlinie von 1990 sowie der Gesetze und Verordnungen, die vier Mal geändert wurden, und zwar in den Jahren 1994, 1998, 2001 und 2003. Die ursprünglich für eine Kodifizierung vorgesehene Richtlinie 90/219/EWG wird letztendlich neu gefasst, um die erforderlichen Änderungen für die Anpassung an das 2006 eingeführte Verfahren über Verordnungen mit Kontrolle einzubeziehen. Meines Erachtens sollte die Politik der Konsolidierung der Gemeinschaftspolitik für die Europäische Kommission Priorität haben, denn die derzeitige Situation ist insbesondere in Bezug auf die Mitgliedstaaten und die Bürger nicht in Ordnung.
Dumitru Oprea (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Selbst wenn die erzielten Fortschritte und die erreichte Effizienz in der Agrar-, Getreide- und Tierproduktion ohne die großen Entdeckungen im Bereich der Genetik undenkbar sind, müssen wir die optimalen Biosicherheitsmaßnahmen für die Nutzung genetisch veränderter Mikroorganismen unter kontrollierten Bedingungen entwickeln, da wir das Vorsorgeprinzip achten müssen, um die Volksgesundheit und die Umwelt zu schützen.
Definitiv wäre die Menschheit ohne die Entdeckungen von Mendel, Morgan, Crick und Watson heute schlechter dran und krisenanfälliger. Allerdings ist klar, dass die Verfahren zur Gewinnung, Prüfung, Nutzung und Kommerzialisierung genetisch veränderter Organismen (GVO) – ganz gleich, ob es sich dabei um Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen handelt – in jedem Land einem speziellen Regulierungs-, Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren unterliegen müssen, das einen rechtlichen und institutionellen Rahmen schafft, mit dem die Gefahren negativer Auswirkungen beseitigt oder gemindert werden sollen.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. –(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe für den Bericht von Herrn Ryan über Gemeinschaftsstatistiken des Warenverkehrs zwischen Mitgliedstaaten gestimmt. Ziel dieses Gemeinschaftsrechts ist der Abbau unnötiger und übermäßiger Bürokratie, daher kann das Thema Statistiken in Bezug auf den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten davon nicht unberührt bleiben.
Eurostat hat eine Arbeitsgruppe gebildet, die untersuchen soll, wie die gemeinschaftsinterne Berichterstattung über diesen Handel vereinfacht und modernisiert werden kann. Des Weiteren wird derzeit eine Studie über ein einheitliches System zur Entwicklung und Katalogisierung von Warenströmen im gemeinsamen Markt durchgeführt. Ich schließe mich dieser Initiative an, hoffe aber zusammen mit Herrn Ryan, dass die Kommission diesen Vorschlag durch ausführliche Angabe der Maßnahmen verbessert, die ergriffen werden sollten, um ein einheitliches System dieser Art einzuführen. Zu diesem Zweck könnten Pilotprojekte durchgeführt werden, damit der Wert und die Durchführbarkeit des Programms umfassend untersucht werden können.
Eoin Ryan (UEN), schriftlich. – (GA) Wie in der gesamten Europäischen Union sind neunzig Prozent der Unternehmen in Irland kleine und mittlere Unternehmen. In Irland – mit der dortigen Lage bin ich besser vertraut – haben wir rund 250 000 kleine und mittlere Unternehmen, die mehr als 800 000 Mitarbeiter beschäftigen. Die meisten dieser Unternehmen (ca. 90 %) haben eine Belegschaft von weniger als zehn Mitarbeitern, in der Hälfte der Fälle gibt es nur einen Mitarbeiter. Zeit ist daher eine sehr wertvolle Ressource, aber gerade diese Unternehmen müssen viel Zeit auf das Ausfüllen von Formularen verwenden.
Es überrascht nicht, dass ich diesen Bericht unterstütze (da es mein eigener ist), zu dem dank der Zusammenarbeit zwischen dem Rat und meinen Kollegen im ECON-Ausschuss ein Kompromiss erreicht wurde. Allerdings wollte ich diese Stimmerklärung abgeben, um auf seine Bedeutung hinzuweisen. Durch die Bestimmungen in diesem Bericht werden über 200 000 kleine und mittlere Unternehmen von der Aufgabe entlastet, Formulare über den Warenverkehr auszufüllen. So sparen sie Zeit, was wiederum dem Geschäft und den Unternehmen im Allgemeinen zu Gute kommt.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Intrastat ist ein einheitliches System für europäische Länder. Mit ihm sollen unnötige Bürokratie und Regulierungen abgebaut werden. Es ist ein flexibles System, das die Berücksichtigung spezifischer Bedürfnisse und Lösungen für einzelne Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermöglicht.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Sowohl das Intrastat-System als auch internationale Handelsstatistiken basieren auf den Empfehlungen für ein Statistiksystem für den internationalen Warenverkehr, das von der Statistikabteilung der VN entwickelt wurde. Dies ermöglicht den Erhalt umfassender und vollständig vergleichbarer Informationen über den internationalen Warenverkehr.
Die laufende Erfassung statistischer Daten über wichtige Wirtschaftsthemen ist dringend erforderlich. Die Mitgliedstaaten sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um dieses System zu modernisieren und zu optimieren.
John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. – Malta ist das einzige Land in der EU, in dem Scheidungen nicht möglich sind. In Europa gibt es nur drei Länder, in denen man sich nicht scheiden lassen kann: der Vatikan, Andorra und Malta.
Malta hat jedoch die Eintragung von Scheidungen erlaubt, die andernorts durchgeführt werden, sofern die betroffene Person Staatsbürger des Landes war, in dem das Scheidungsurteil gesprochen wurde, oder aber dort seinen bzw. ihren Wohnsitz hatte.
Kraft Brüssel II (Verordnung des Rates (EG) Nr. 2201/2003) kann sich eine Person nun scheiden lassen, wenn sie über die Staatsbürgerschaft eines beliebigen Mitgliedstaats verfügt und dort seit mindestens sechs Monaten gewöhnlich ansässig ist. Alle anderen Personen können eine Scheidung beantragen, wenn sie unmittelbar vor Beantragung der Scheidung in diesem Mitgliedstaat mindestens ein Jahr lang ohne Unterbrechung gewöhnlich ansässig waren.
Es ist lobenswert, dass in Bezug auf Länder, die wie Malta über kein Scheidungsrecht verfügen ein neuer Artikel in Erwägung gezogen worden ist.
In Malta haben wir im Rahmen des Systems der Eintragung bereits Scheidungen anerkannt, sofern die jeweiligen Verordnungen Anwendung fanden. Hier geht es nicht um eine Einführung des Scheidungsgrundsatzes, da dieser unter gewissen Umständen bereits gilt. Der Punkt ist, ob die Scheidung ein spezifischer Teil unseres Rechtssystems sein sollte, selbst wenn diese besonderen Umstände nicht gegeben sind.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts von Frau Gebhardt für die legislative Entschließung gestimmt, die vorbehaltlich Änderungen den Vorschlag für eine Verordnung des Rates annimmt, mit der die Verordnung von 2003 hinsichtlich der Rechtsprechung und der Einführung von Vorschriften in Bezug auf das geltende Recht in Ehesachen geändert wird. Angesichts der höheren Mobilität der Bürger in der Europäischen Union, die eine Zunahme der Zahl „internationaler“ Ehepaare zur Folge hat, bei denen die Ehegatten über unterschiedliche Staatsbürgerschaften verfügen oder in verschiedenen Mitgliedstaaten bzw. in einem Mitgliedstaat wohnen, von dem zumindest einer der Ehegatten kein Staatsbürger ist, und aufgrund der hohen Scheidungsrate in der Europäischen Union ist es zwingend notwendig geworden, Rechtsvorschriften zum geltenden Recht und der Zuständigkeit in Ehesachen zu erlassen, von denen jedes Jahr immer mehr Bürger betroffen sind. Man muss darauf hinweisen, dass die Verträge eine schrittweise Einführung eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorsehen. Zudem sehen sie Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten im Bereich von Konflikten zwischen Gesetzen und Zuständigkeiten geltenden Vorschriften vor.
Lena Ek (ALDE), schriftlich. – (SV) Der Bericht von Frau Gebhardt klärt die Zuständigkeit der nationalen Gerichte im Zusammenhang mit Ehesachen innerhalb der EU sowie die Frage, welches Gesetz als geeignet gilt. Damit soll die Gefahr vermieden werden, dass einer der Ehegatten versucht, die Scheidung zuerst einzureichen, damit der Fall dem Recht eines bestimmten Landes unterliegt, das die Interessen des betreffenden Ehegatten schützen würde. Dieses Ziel an sich ist selbstverständlich lobenswert. Allerdings wiegen meines Erachtens die Nachteile dieser Gesetzgebung schwerer als die Vorteile.
Das Eherecht von Schweden zählt weltweit zu den Liberalsten, worauf wir stolz sein sollten. Die mit dem ursprünglichen Vorschlag verbundene Gefahr besteht darin, dass die schwedischen Gerichte in verschiedenen Fällen dazu gezwungen sein könnten, ein Urteil nach maltesischem, irischem, deutschem und iranischem Recht zu sprechen, wenn eine Partei einen entsprechenden Scheidungsantrag stellt. Langfristig würde dies das in Schweden geltende bedingungslose Recht einer Person beschränken, einen Scheidungsantrag zu stellen und diesen genehmigt zu bekommen – ein Bereich, in dem ich niemals Zugeständnisse machen könnte. Daher war mein erster Gedanke, gegen den Bericht zu stimmen. Allerdings wurde im Verlauf der Abstimmung ein mündlicher Änderungsantrag angenommen, der sich im Wesentlichen auf den Rechtsgrundsatz der öffentlichen Ordnung bezieht. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass das schwedische Modell bewahrt werden sollte, aber um eine Verbesserung anzuregen, habe ich stattdessen beschlossen, mich zu enthalten.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. – (PT) Ich habe für den Gebhardt-Bericht über das geltende Recht in Ehesachen gestimmt. Angesichts der zunehmenden Mobilität der Bürger in der EU und der verschiedenen geltenden Rechtsvorschriften in den diversen Mitgliedstaaten im Fall einer Scheidung unterstütze ich die Möglichkeit der Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsbürgerschaft bzw. mit Wohnsitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten, das für ihre Scheidung geltende Recht wählen zu können.
Allerdings halte ich es für entscheidend, dass jeder Ehegatte umfassend informiert wird, damit sich beide voll und ganz der rechtlichen und sozialen Folgen bewusst sind, die sich aus der Wahl des geltenden Rechts ergeben.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Die neue Gesetzgebung, die uns vorgeschlagen wurde, betrifft die Scheidung von „internationalen“ Ehepaaren, also Ehepaaren, bei denen die Ehegatten eine unterschiedliche Staatsbürgerschaft haben oder in unterschiedlichen Mitgliedstaaten leben.
Wir diskutieren hier über die Festlegung der Vorschriften in Bezug auf die zuständige Rechtsprechung und das geltende Recht, um die rechtliche Unsicherheit in diesem Bereich zu beseitigen. Derzeit wird das geltende Recht im Einklang mit den nationalen Gesetzen in Bezug auf das Kollisionsrecht bestimmt, die in den diversen Mitgliedstaaten selbst stark voneinander abweichen und komplex sind. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten legt das geltende Recht nach Kriterien der Bindung oder des Wohnsitzes (lex loci) fest. Andere Mitgliedstaaten wenden systematisch ihr nationales Recht (lex fori) an, was offensichtlich dazu führen kann, dass ein Gesetzes Anwendung findet, mit dem die Ehegatten kaum verbunden sind, und dass ein Ergebnis erreicht wird, das keine Rechtssicherheit bedeutet.
Diese neue Gesetzgebung schlägt vor, dass wir die Kollisionsnormen harmonisieren. Wir befürworten dies, da so eine ohnehin dramatische Situation vorhersehbarer wird. Dabei geht es uns insbesondere um die Sicherheit, auf die Kinder, die allzu oft die Opfer der Trennung ihrer Eltern sind, Anspruch haben.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Wir von der Juniliste sind zutiefst enttäuscht über den Eifer des Berichterstatters, ein Thema zu verfolgen, das erst kürzlich vom Rat abgelehnt worden ist. Tatsache ist, dass die derzeitige Brüssel-IIa-Verordnung trotz ihrer Mängel für eine viel bessere Gesetzgebung sorgt als der Vorschlag des Berichterstatters. Die Einschränkung der Freiheit der Ehegatten, ein Gericht und eine Rechtsprechung zu wählen, deutet auf die arrogante Haltung der Kommission und speziell des Berichterstatters im Hinblick auf die gängige Praxis in allen Mitgliedstaaten hin.
Wir lehnen diesen schlecht durchdachten Bericht nicht nur ab, sondern appellieren an alle Mitgliedstaaten, sich für die Wahlfreiheit der Ehegatten im Fall einer Scheidung einzusetzen. Komplizierte EU-Vorschriften sind das Letzte, was diese Menschen in einer so schwierigen Situation brauchen.
Marian Harkin (ALDE), schriftlich. – Irland beteiligt sich nicht an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung, da wir nicht befürworten, dass irische Gerichte aufgrund einer Ausweitung des Anwendungsbereichs einem EU-Bürger eine Scheidung aussprechen, die auf dem deutlich anderen Recht desjenigen Staats basiert, aus dem er/sie stammt.
Wenn Irland diese Maßnahme umsetzen müsste, hätten EU-Bürger mit Wohnsitz in Irland die Möglichkeit, in Irland eine Scheidung auf einer wesentlich anderen und weniger strengen Grundlage zu erwirken, als dies in unserer Verfassung vorgesehen ist. Diese basiert auf dem Referendum zur Scheidung von 1995 und verlangt eine vierjährige Trennung der Ehegatten. Das würde auch bedeuten, dass in solchen Fällen nicht die derzeitige in der Verfassung verankerte Auflage gelten würde, die vorschreibt, dass irische Gerichte in Scheidungsverfahren nur dann eine Scheidung aussprechen dürfen, wenn die beteiligten Parteien und die minderjährigen Kinder angemessen versorgt sind. Wenngleich dieser Bericht auch positive Aspekte beinhaltet, habe ich mich aufgrund der Nichtbeteiligung Irlands für eine Enthaltung entschieden.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – (FI) Frau Präsidentin! Ich habe gegen den Bericht von Frau Gebhardt über Eheangelegenheiten gestimmt, da es meines Erachtens wichtig ist, dass an finnischen Gerichten auch künftig die finnischen Gesetze in Fällen gelten, in denen die Anwendung des Rechts eines anderen Landes mit den Grundlagen des finnischen Rechts deutlich kollidieren würde.
Des Weiteren habe ich auch große Bedenken in Bezug auf die vorgeschlagenen Schuldbeurteilungen in Scheidungsfällen. In Finnland haben wir es bereits vor 20 Jahren aufgegeben, in Scheidungsangelegenheiten Untreue oder Ähnliches nachzuweisen. Wenn diese Gesetzgebung eingeführt werden sollte, wäre dies ein enormer Rückschritt, der die alten Zeiten ein Stück weit wieder aufleben lassen würde.
Ona Juknevičienė (ALDE), schriftlich. – (LT) In der erweiterten Europäischen Union gibt es immer mehr internationale Familien, also Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsbürgerschaft. Leider enden zahlreiche solcher Ehen in der EU mit einer Scheidung, und das Scheidungsverfahren ist oft kompliziert und langwierig. Das liegt daran, dass die Bürger bis dato nur begrenzte Möglichkeiten zur Wahl des Gerichts hatten, das über ihren Scheidungsfall entscheiden soll. Nachdem sich die Ehegatten für eine Trennung entschieden haben, konnten sie sich nur an ein Gericht im Land ihres Wohnsitzes wenden. Dementsprechend konnten sie auch nicht die Gesetze anderer Mitgliedstaaten der Gemeinschaft wählen und diese auf ihre Scheidung anwenden. Ein Beispiel: Um sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen, musste sich eine Frau aus Litauen, die mit einem Deutschen verheiratet war und in Deutschland eine Familie hatte, an ein Gericht an ihrem Wohnsitz wenden. Über ihren Scheidungsfall musste nach deutschem Recht entschieden werden. Wenn die Verordnung angenommen worden ist, werden diese Beschränkungen ab dem 1. März 2009 nicht mehr gelten. Familien, die ein Scheidungsverfahren durchlaufen, werden entweder das Gericht je nach ihrem Wohnsitz oder das Recht wählen können, das von dem Land angewandt wird, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzen. Bei der Abstimmung habe ich die Änderungsanträge unterstützt, die vorsehen, dass das in Scheidungsfällen angewandte Recht nicht mit den Hauptgrundsätzen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union kollidieren darf. Dies ist besonders wichtig, da wir bei der Urteilsfindung in Scheidungsfällen eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vermeiden wollen.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Ich habe für Frau Gebhardts Bericht gestimmt, denn meines Erachtens ist der Kommissionsvorschlag zur Standardisierung der Kollisionsnormen bei Scheidungen internationaler Ehepaare sehr wichtig. Eine Scheidung ist für die Parteien und ihre Kinder eine menschliche Tragödie. Deshalb müssen die betroffenen Parteien so gut wie möglich über das anzuwendende Verfahren und den Inhalt des geltenden Rechts Bescheid wissen.
Die derzeitige Rechtslage, nach der die Ehegatten im Rahmen der Brüssel-IIa-Verordnung aus einer Reihe zuständiger Gerichte wählen können und die Zuständigkeit unter Verweis auf die Kollisionsnormen in dem Mitgliedstaat festgelegt wird, in dem das Gericht seinen Sitz hat, bietet nicht die erforderliche Rechtssicherheit. Die Auswahl des günstigsten Gerichtsstands und ein schneller Antrag auf Scheidung durch eine Partei mit der Absicht, ein günstiges Ergebnis zu erzielen, sind die unerwünschten Nebenwirkungen dieser Praxis.
Ich denke, dass das Recht der Ehepartner, das zuständige Gericht und die Zuständigkeit in beiderseitigem Einvernehmen zu wählen, auch dazu beitragen würden, dass sie sich mit dem Inhalt auseinander setzen. Eben aus diesem Grund ist es entscheidend, dass der Zugang zu Informationen über den Inhalt und die Verfahren erleichtert wird, wie es in Änderungsantrag 2 dargestellt ist. Änderungsantrag 1, der die Interessen der Kinder bei der Wahl des Rechts wahrt, ist ebenfalls äußerst wichtig.
Ich unterstütze den von meiner Fraktion vorgelegten Änderungsantrag 37, nach dem das Recht des Mitgliedstaats, in dem die Eheschließung erfolgte, auch für die Scheidung gelten muss. Das ist logisch und würde es noch einfacher machen, sich mit dem Inhalt des anzuwendenden Rechts auseinander zu setzen.
Astrid Lulling (PPE-DE), schriftlich. – (FR) In Europa haben wir generell zu viele Scheidungen, insbesondere in meinem Land. Immer mehr Scheidungen betreffen gemischte Ehepaare, also Ehepaare, deren Ehegatten unterschiedliche Staatsbürgerschaften besitzen.
Da die Freizügigkeit von Personen einen festen Bestandteil der europäischen Integration darstellt, ist die Schaffung eines klaren Rechtsrahmens ausschlaggebend.
Ich bin mir bewusst, dass die nationalen Regeln auf dem Gebiet der Scheidung sehr stark voneinander abweichen, und sehe daher die Gefahr, die sich aus einem „Scheidungstourismus“ ergeben könnte, wenn es möglich wäre, dass einer der Ehegatten die für einen der Partner vorteilhafteste und für den anderen Partner ungünstigste Zuständigkeit wählt.
Ich hätte für diesen Bericht gestimmt, denn die vorgeschlagene Verordnung hätte die bisherigen Mängel behoben und es möglich gemacht, dass zwei Ehegatten, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten leben, in beiderseitigem Einvernehmen und in voller Kenntnis der Fakten das für ihr Scheidungsverfahren zuständige Gericht wählen können, das sich in einem der beiden Mitgliedstaaten der Europäischen Union befinden sollte, in dem die Ehegatten ihren Wohnsitz haben.
Leider hat die Annahme eines mündlichen Änderungsantrags während der Abstimmung für so große Verwirrung gesorgt, dass es erforderlich gewesen wäre, den gesamten Bericht an den Ausschuss zurückzuverweisen. Da der Bericht nicht an den Ausschuss zurückverwiesen wurde, habe ich an der endgültigen Abstimmung nicht mehr teilgenommen.
Das Thema ist zu heikel, um darüber abzustimmen, solange Verwirrung herrscht.
Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich. – Ich habe nicht über diesen Bericht abgestimmt, da Irland beschlossen hat, nicht von seiner Option Gebrauch zu machen, sich an der Einführung und Anwendung der vorgeschlagenen Verordnung zu beteiligen, und bei den Verhandlungen auf Ratsebene keine aktive Rolle gespielt hat.
Irland war dagegen, dass irische Gerichte aufgrund dieser Ausweitung des Anwendungsbereichs einem EU-Bürger eine Scheidung auf der Grundlage eines Rechts gewähren, das sich wesentlich von dem Scheidungsrecht des Landes unterscheidet, aus dem dieser stammt.
Im Fall einer Umsetzung hätten EU-Bürger mit Wohnsitz in Irland die Möglichkeit, in Irland eine Scheidung auf einer wesentlich anderen und weniger strengen Grundlage zu erwirken, als dies in unserer Verfassung vorgesehen ist. Diese basiert auf dem Referendum zur Scheidung von 1995.
Angesichts dessen, dass sich Irland nicht an der Einführung und Anwendung dieser Verordnung beteiligt, habe ich beschlossen, nicht über diesen Bericht abzustimmen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Ich begrüße den Bericht meiner Kollegin Evelyne Gebhardt über die Wahl des Gerichts, die Anerkennung von Urteilen und die Vorschriften bezüglich des Rechts, über Ehesachen zu entscheiden. Ich bin fest davon überzeugt, dass es wichtig ist, einen eindeutigen, umfassenden und flexiblen Rechtsrahmen in diesem sensiblen Bereich zu schaffen.
Bei der heutigen Abstimmung habe ich für die Einführung des Rechts gestimmt, ein geeignetes Gericht für Scheidungsverfahren zu wählen. Ich habe einen Vorschlag unterstützt, nach dem ein so genanntes internationales Ehepaar das Recht hat, das Gericht am Ort seines gewöhnlichen Wohnsitzes oder in dem Rechtssystem des Landes zu wählen, in dem die Eheschließung erfolgte.
Ich stehe voll und ganz hinter der Ansicht, dass es wichtig ist, für beide Ehegatten einen ausreichenden Zugang zu Informationen sicherzustellen, ungeachtet ihrer finanziellen Lage oder ihres Bildungsniveaus. Beide Seiten sollten genau und umfassend über die Folgen ihrer Gerichtswahl und das Recht, in Scheidungsfällen zu entscheiden, aufgeklärt werden. Dies gilt ganz besonders im Fall internationaler Ehepaare, da die Gesetze der Mitgliedstaaten, die Scheidungsverfahren und die Bedingungen, unter denen Scheidungen abgewickelt werden, stark voneinander abweichen.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. – (DE) In grenzüberschreitenden Eheangelegenheiten ist es jedenfalls wichtig, dass es eine vereinheitlichte Rechtslage in Europa gibt. Gerade die Rechtssicherheit des Bürgers bei einem oft so emotional besetzten Thema wie Eheschließung und Ehescheidung ist von erhöhter Wichtigkeit in den Politikbereichen.
In einer mit immer größerer Geschwindigkeit immer kleiner werdenden Welt sind Regelungen, wie sie im Zivilrecht ja schon möglich sind, nämlich die freie Rechts- und Gerichtswahl der Parteien, wichtig für deren Beweglichkeit. In diesem Sinne schafft man also mit dieser Regelung einen „benutzerfreundlichen“ Zugang zu einem Teil des Familienrechts. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass die Parteien über die Rechtsfolgen, die ihre Entscheidung beinhaltet, auch gut informiert sind. Daher habe ich dem Bericht zugestimmt.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich habe für diesen Bericht gestimmt und dabei an die über 150 000 europäischen Männer und Frauen gedacht, die Jahr für Jahr an grenzübergreifenden Scheidungsverfahren beteiligt sind. Dazu zählen auch viele rumänische Männer oder Frauen, die im Ausland geheiratet haben. Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil ich fest von unserer Verpflichtung überzeugt bin, die Abschaffung all dieser bürokratischen Hindernisse und Schwierigkeiten zu unterstützen, die dazu führen, dass man sagt, die Union sei die Hölle für Bürger und ein Paradies für Anwälte.
Des Weiteren bin ich der Ansicht, dass wir gegenüber denen, die wir vertreten, die Pflicht haben, eine Reihe der Probleme zu beseitigen, die den Bürgern Europas das Leben schwer machen. Ich möchte hier nur zwei Beispiele nennen: Die Probleme in Verbindung mit der medizinischen Versorgung europäischer Bürger in einem anderen Land als ihrem Herkunftsland und die Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für die von Frau Gebhardt vorgelegte Arbeit über das geltende Recht in Eheangelegenheiten gestimmt. Sie hat ein lohnenswertes Ziel: die Schaffung eines klaren und umfangreichen Rechtsrahmens bezüglich der Gesetze über die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Umsetzung von Urteilen in Ehesachen und der Vorschriften zum geltenden Recht.
In der Tat kann in dem derzeitigen Szenario aufgrund von Konflikten zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht eine „internationale“ Scheidung eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwerfen. Wir müssen ferner die Gefahr berücksichtigen, dass derjenige Ehegatte belohnt wird, der zuerst versucht, eine Scheidung zu beantragen und das Recht zu wählen, das seinen oder ihren Interessen am ehesten dient.
Das ist absolut nicht hinnehmbar. Deshalb begrüße ich diesen Bericht, der das Ziel hat, den Ehegatten erhebliche Verantwortung zu übertragen, vor allem im Hinblick auf eine informierte Wahl des Gerichts und schließlich auch des geltenden Rechts.
Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) Als Abgeordneter, der für die Europäische Union ist, erkenne ich im Regelfall den Mehrwert der europäischen Gesetzgebung. Häufig werden bessere Lösungen gefunden, wenn mehrere Leute darüber nachgedacht haben. Dieser Bericht ist eine bedauernswerte Ausnahme dieser Regel. Wir können wirklich stolz sein auf eine Gesetzgebung, die den Menschen die Möglichkeit gibt, sich auf Wunsch zu trennen, und wir sollten daher das System, das wir derzeit in Schweden haben, bewahren. Wie die Regierung bin ich daher der Meinung, dass der Kommissionsvorschlag bezüglich der Harmonisierung in die falsche Richtung geht, wenn zum Beispiel die Praxis aus Malta berücksichtigt werden muss. Dem Vatikan darf es nicht erlaubt werden, einer aktiven Gleichstellungspolitik auf nationaler Ebene Steine in den Weg zu legen. Das Europäische Parlament vertrat einen anderen Standpunkt. Daher meine Absicht, gegen den Bericht zu stimmen. Der Änderungsantrag ist ebenfalls in das Protokoll eingegangen.
Anna Záborská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Ich habe gegen diese Maßnahme gestimmt, denn ich halte es für verantwortungslos von der EU, sich in Angelegenheiten einzumischen, die nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen. Dazu zählt auch das Familienrecht. Der Ministerrat sollte sorgfältig darüber nachdenken, ob er Vorschläge vom Parlament oder der Kommission annehmen sollte. Man sollte nicht wenige Problemfälle heranziehen, damit sich die EU weitere Befugnisse aneignet. Darum geht es bei der europäischen Integration sicher nicht.
Des Weiteren bezog sich das Europäische Parlament in seiner Stellungnahme auf die EU-Charta der Grundrechte. Dies stellt eine nicht hinnehmbare Manipulation von Seiten des Parlaments dar, da die EU-Charta der Grundrechte kein rechtlich bindendes Dokument, sondern ein politischer Kompromiss ist. Aus Artikel 9 der EU-Charta der Grundrechte geht Folgendes hervor: „Das Recht auf Eheschließung und das Recht auf Gründung einer Familie wird im Einklang mit den nationalen Gesetzen, die die Ausübung dieser Rechte regeln, garantiert.“ Weshalb brauchen wir ein paralleles europäisches Scheidungsrecht, wenn das Familienrecht auf nationaler Ebene geregelt wird? Das ermöglicht eine Manipulation. Daher ist nicht völlig klar, welche Richtung diese Gesetzgebung einschlägt, und die Kommission ist nicht imstande, die Unsicherheiten auszuräumen. Ich schlage eine Ablehnung dieser Maßnahme durch den Ministerrat vor.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Die Zahl der Ehepaare in der EU, deren Ehegatten Staatsbürger unterschiedlicher EU- oder Nicht-EU-Mitgliedstaaten sind, ist merklich gestiegen.
Dementsprechend taucht die Frage nach der Wahl des anwendbaren Rechts oder des zuständigen Gerichts für ein bestimmtes Problem immer häufiger auf.
Die Europäische Union braucht wirksame Konfliktlösungsmittel zur Festlegung der rechtlichen Zuständigkeit.
Da die Zahl der Scheidungen zunimmt, steigt auch die Zahl der Diskriminierungsfälle bei Scheidungen oder rechtlichen Trennungen. Der am besten informierte Ehegatte ergreift die Initiative und wendet sich an das Gericht, dessen Rechtsprechung seinen Interessen am ehesten dient. Dadurch präjudiziert dieser Ehegatte die Zuständigkeit des betreffenden Rechtssystems.
Im Fall von Ehen, bei denen einer der Ehegatten in einem Land außerhalb der EU lebt, kann es schwierig sein, ein in einem Nicht-EU-Mitgliedstaat gefälltes Scheidungsurteil gerichtlich anerkennen zu lassen.
Der Bericht, über den heute abgestimmt worden ist, soll den Zugang beider Ehegatten zu verlässlichen Informationen über Scheidungs- und Trennungsverfahren sowie über die wesentlichen Inhalte des nationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts sicherstellen. Es wurde zu Recht anerkannt, dass es für die Interessen betroffener Kinder entscheidend ist, dass diese bei der Wahl des anwendbaren Rechts immer berücksichtigt werden.
Lena Ek (ALDE), schriftlich. – (SV) Die von der EU verfolgte Fischereipolitik basierte und basiert nicht auf durchdachten gemeinsamen Entscheidungen. Die Fischbestände in Europa sind in den vergangenen Jahren drastisch geschrumpft, und es wird sehr wenig getan, um diese Situation zu ändern. Stattdessen bietet die EU Hilfsmittel als Gegenleistung für Fischfangrechte in Ländern der Dritten Welt an, mit denen sie dann auch deren Meere leer fischen will. Die lokale Bevölkerung an den Küstenstreifen wird ihrer Existenzgrundlage beraubt und von Hilfsgeldern abhängig gemacht, die zudem kaum eine angemessene Entschädigung für das entgangene Einkommen darstellen.
Stattdessen sollte die EU eine Fischereipolitik befürworten, die von langfristigem und nachhaltigem Denken geprägt ist. Ein solcher Prozess bietet keinen Raum für Hilfszahlungen zur Verbesserung und Modernisierung von Fischfangflotten, deren Ziel letztendlich darin besteht, die Fangmenge zu erhöhen. Allerdings würde ich gerne Maßnahmen unterstützen, mit denen der gefährdeten lokalen Bevölkerung in armen Küstenregionen geholfen werden soll, deren einzige Einkommensquelle der Fischfang ist und die enorm unter den rückläufigen Fischbeständen leidet, welche größtenteils eine direkte Folge der fehlgeleiteten Fischereipolitik darstellen. Die Vorschläge in Herrn Guerreiros Bericht enthalten jedoch keine derartigen Maßnahmen, daher habe ich gegen ihn gestimmt.
Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Die Verordnung (EG) Nr. 639/2004 zur Steuerung der Flottenkapazität der in Gebieten in äußerster Randlage registrierten Fangflotten sieht eine Reihe von Ausnahmeregelungen in Bezug auf die Zu- und Abgänge von Schiffen vor, die in Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik festgelegt sind.
Allerdings hat es die verspätete Annahme des Rechtsinstruments der Kommission, das die betroffenen Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, staatliche Beihilfen und eine begrenzte Werftkapazität zuzuteilen, unmöglich gemacht, die Frist hinsichtlich des Zugangs zu der Fischfangflotte, die staatliche Beihilfen für Renovierungen bis zum 31. Dezember 2008 nutzen kann, gemäß Verordnung (EG) Nr. 639/2004 einzuhalten.
In seinem Bericht hat der Fischereiausschuss die Verlängerung der Fristen für staatliche Beihilfen für die Renovierung und Registrierung von Schiffen sowohl in Bezug auf die derzeit geltende Verordnung als auch im Hinblick auf den von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag verteidigt, nach dem die Frist nur um ein Jahr verlängert werden sollte, sprich bis zum 31. Dezember 2009.
Die Verlängerung der staatlichen Beihilfen für die Renovierung der Flotten der äußersten Regionen bis zum 31. Dezember 2009 und die Möglichkeit der Registrierung von Schiffen bis zum 31. Dezember 2011 stellen angesichts der zuvor erwähnten Hindernisse eine entscheidende Unterstützung dar.
Daher habe ich für den Guerreiro-Bericht gestimmt.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Die Unterstützung für die Erneuerung und Modernisierung der Fischfangflotten in den äußersten Regionen ist angesichts der strategischen Natur des Fischereisektors in diesen Regionen äußerst wichtig. Mit dem Bericht, über den heute abgestimmt worden ist, soll der Finanzierungszeitraum für die Erneuerung und Modernisierung der Fischfangflotten in den äußersten Regionen um ein Jahr verlängert werden.
Es ist vertretbar, in Bezug auf die Verwaltung der Fischfangflotten die besondere strukturelle, soziale und wirtschaftliche Lage dieser Regionen zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sollten die Regelungen in Bezug auf die Verwaltung der Zu- und Abgänge von Flotten und die Zwangskürzung der Kapazität sowie die Regelungen über den Zugang zu staatlichen Beihilfen für die Erneuerung und Modernisierung von Fischereifahrzeugen an die Bedürfnisse dieser Regionen angepasst werden.
Zusammenfassend sollte die Unterstützung für die Erneuerung und Modernisierung der Fischfangflotten in den äußersten Regionen fortgesetzt werden, insbesondere im Fall von kleinen Flotten, da die Flotten dieser Regionen größtenteils aus veralteten Schiffen bestehen, die in manchen Regionen schon vor über 30 Jahren gebaut wurden. Diese Maßnahmen sind eine unabdingbare Voraussetzung für die Verbesserung der Lagerungsbedingungen der gefangenen Fische sowie der Arbeits- und Sicherheitsbedingungen der Fischer in diesen Regionen.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den von Herrn Guerreiro vorgelegten Bericht über die Verwaltung der Fischereiflotten, die in den äußersten Regionen der Gemeinschaft registriert sind, gestimmt. Die Kommission hat sich immer zur europäischen Integration bekannt, gleich in welchem Bereich, und ich teile diese Ansicht. In diesem Fall müssen wir jedoch alle zeitlichen Begrenzungen beiseite lassen, sodass diese Regionen ausreichend Zeit für eine geeignete Erneuerung und Modernisierung haben, damit sie besser für den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt gerüstet sind.
Ohne jede Frage ist eine weitere Unterstützung für diese Erneuerung eine unabdingbare Voraussetzung, ohne die es unmöglich sein wird, die Arbeits- und Sicherheitsbedingungen sowie die Erhaltung der Fischbestände angemessen sicherzustellen. Aus diesem Grund unterstütze ich diese Initiative, die darauf abzielt, die Flotten der äußersten Regionen komplett umzustrukturieren, damit sie den neuen europäischen Anforderungen im Fischereisektor gewachsen sind.
10. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 14.15 Uhr unterbrochen und um 15.10 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
11. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
Der Präsident. – Als erster Punkt der Tagesordnung folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den EU-Russland-Beziehungen.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Die Beziehung der Europäischen Union zu Russland zählt zu den schwierigsten unserer Zeit. Einerseits haben wir ein komplexes Netzwerk an gemeinsamen Aktivitäten und Interessenverflechtungen. Andererseits gibt es Rückschritte wie den Konflikt in Georgien.
Der Europäische Rat hat um eine Überprüfung der EU-Russland-Beziehungen gebeten, und diese findet im Kontext von Ereignissen statt, welche die EU-Russland-Beziehung überschatten. Die Verletzung der territorialen Integrität Georgiens unter Einsatz von Gewalt und die einseitige Anerkennung von Abchasien und Südossetien durchRussland bleiben inakzeptabel, und wir können die erst kürzlich in Moskau formulierten Grundsätze der Außenpolitik, darunter das erneute Auftreten von Einflussbereichen, nicht teilen.
Daher muss im Rahmen der laufenden Revision eine nüchterne Beurteilung der eigenen Interessen der EU an dieser Beziehung erfolgen. Gleichzeitig bestehen zwischen der Europäischen Union und Russland zunehmend stärkere Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Russland ist bereits unser drittwichtigster Handelspartner, und wir haben Wachstumsraten von bis zu 20 % pro Jahr. Energie ist ein wesentlicher Faktor, doch auch im Dienstleistungssektor ist ein beeindruckendes Wachstum zu verzeichnen.
Mit seinen jüngsten hohen Wachstumsraten und dem aufstrebenden Mittelstand ist Russland ein bedeutender Schwellenmarkt direkt vor unserer Haustür, der ungeachtet der Auswirkungen der derzeitigen Finanzkrise Chancen für europäische Unternehmen bietet. Die Europäische Union ist ein bedeutender Investor in Russland, der 80 % der gesamten Auslandsinvestitionen tätigt. Ein erheblicher Teil der russischen Devisenreserven besteht aus Euro. Damit hat Russland weltweit mit die größten auf Euro lautenden Währungsreserven.
Aus diesen Gründen sind wir an einem weiteren Wachstum der russischen Wirtschaft interessiert und wollen Russland in seinem Wunsch nach Modernisierung unterstützen, so beispielsweise auch bei der Entwicklung einer wirklich unabhängigen Justiz, die Verträge durchsetzen kann. Dies steht im Einklang mit der Bedeutung, die Präsident Medwedew der Rechtsstaatlichkeit in Russland beimisst.
Die Sicherheit der Energieversorgung und -nachfrage ist eine Schlüsselkomponente unserer Beziehung. Die EU-Mitgliedstaaten sind Großabnehmer russischer Energieerzeugnisse, und das wird sich kurz- bis mittelfristig wohl nicht ändern.
Die Beziehung ist durch eine gegenseitige, nicht eine einseitige Abhängigkeit geprägt. Die Ausfuhren in die Europäische Union haben einen wichtigen Beitrag zu den beeindruckenden Wachstumsraten geleistet, die Russland in den letzten fünf oder sechs Jahren erreicht hat. Dennoch muss noch viel getan werden, um eine echte Energiepartnerschaft aufzubauen, die auf den im Energiechartavertrag verankerten Grundsätzen beruht. Dazu zählen Transparenz, Gegenseitigkeit und Nichtdiskriminierung.
Noch wichtiger ist der Umstand, dass Russland ein geopolitischer Hauptakteur ist, dessen konstruktive Beteiligung an internationalen Angelegenheiten eine notwendige Voraussetzung für eine effektive internationale Gemeinschaft ist. Daher engagieren wir uns im Iran, im Nahen Osten, in Afghanistan, auf dem Balkan und andernorts sowie in multinationalen Foren. Zudem haben wir ein gemeinsames Interesse an der Verfolgung der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen. In all diesen Bereichen ist eine Zusammenarbeit nicht immer einfach, aber wir müssen daran festhalten. Eine stärkere Kooperation in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht trägt dazu bei, Bedrohungen wie den Terrorismus und das organisierte Verbrechen zu bekämpfen.
Durch den Dialog, den wir aufgebaut haben, können wir auch über Themen wie Menschenrechte diskutieren. In Paris finden heute Beratungen statt. Wir werden Russland nochmals an seine Pflichten als Mitglied des Europarats und der OSZE erinnern, insbesondere was zum Beispiel die Pressefreiheit und die Ereignisse in Inguschetien oder andere Menschenrechtsfragen betrifft.
Für uns ist klar: Europa vertritt Werte und etablierte Normen des internationalen Verhaltens, zu denen wir unter allen Umständen stehen. Dazu zählt die Achtung der territorialen Integrität und der friedlichen Konfliktlösung. Der Europarat hat zu seiner Zufriedenheit festgestellt, dass sich die russischen Truppen aus den Zonen zurückgezogen haben, die an Südossetien und Abchasien angrenzen, was ein wesentlicher Schritt zur Umsetzung des Sechs-Punkte-Plans ist. Letzte Woche begannen die Genfer Gespräche, was ein weiterer wichtiger Schritt nach vorn ist. Natürlich muss noch viel getan werden.
Morgen werde ich eine Geberkonferenz für Georgien abhalten, um Mittel für den Wiederaufbau der beschädigten Infrastruktur und die Wiedereingliederung der Vertriebenen zu mobilisieren und die wirtschaftliche Erholung Georgiens von diesem Konflikt zu beschleunigen. In Zusammenarbeit mit dem Parlament beabsichtige ich, bis zu 500 Millionen Euro für diesen Zweck zu verwenden, und ich möchte den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für außenpolitische Angelegenheiten danken, die mir in ihren Schreiben ihre Unterstützung für dieses Vorhaben zugesichert haben.
Die beantragte Überprüfung der EU-Russland-Beziehungen mit dem Europarat wird einen umfangreichen Überblick über die vielen Beziehungsstränge verschaffen, von unseren Anstrengungen zur Unterstützung des Beitritts Russlands zur WTO bis hin zu Erleichterungen von Visabestimmungen, Zollkooperation, Bildungsaustausch und Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung. Diese Überprüfung sollte uns im Hinblick auf alle laufenden Aktivitäten mit Russland und alle Aktivitäten, die derzeit auf Eis gelegt sind, leiten. Hierüber sollten wir auf der nächsten Sitzung des Rates für allgemeine Angelegenheiten am 10. November 2008 sprechen, auf der wir hoffentlich in der Lage sein werden, das richtige Verständnis zur Führung von Verhandlungen über ein neues EU-Russland-Abkommen zu finden.
Ich sage das, weil ich keinen besseren Weg kenne, um unsere eigenen Interessen zu verfolgen und unseren Sorgen Gehör zu verschaffen. Andererseits dürfen wir uns nicht verhalten, als wäre nichts passiert. Bei allem, was wir tun, müssen wir sicherstellen und klar machen, dass wir unsere Ziele sehr genau prüfen und dafür sorgen werden, dass die EU geschlossen hinter diesen Zielen steht.
Vielleicht ist es gut, dass wir diese Aussprache heute, am Vorabend der morgigen internationalen Geberkonferenz, führen, deren Vorsitz ich wie bereits gesagt gemeinsam mit der Weltbank und der derzeitigen französischen und künftigen tschechischen Präsidentschaft führen werde.
Die Europäische Union wird weiterhin ihre Rolle als konstruktiver, zuverlässiger Partner spielen, der durch seine Werte geleitet wird und einen entscheidenden Beitrag zu Stabilität und Frieden leistet, so wie wir es auch während dieser Krise getan haben.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Sie bitten, mir zu verzeihen, und ich danke Frau Ferrero-Waldner, dass sie vor mir gesprochen hat, da ich gerade von der Konferenz der Ausschussvorsitzenden komme. Die Gespräche haben etwas länger gedauert als erwartet, was auf die Debatte heute Morgen zurückzuführen ist, bei der der amtierende Ratspräsident das Wort hatte. Danach fand die Abstimmung statt. Bitte entschuldigen Sie mich.
Wie Frau Ferrero-Waldner herausgestellt hat, befinden wir uns mit den EU-Russland-Beziehungen tatsächlich an einem Scheideweg, insbesondere nach dem Georgien-Konflikt. Nach der außerordentlichen Sitzung des Europäischen Rates vom 1. September diskutierte der Rat am 13. Oktober darüber, wie Frau Ferrero-Waldner bereits sagte. Damals wurde gesagt, dass sich die Truppen nach Entsendung einer unabhängigen zivilen Beobachtermission der Europäischen Union nach Georgien aus den Gebieten zurückgezogen haben, die an Südossetien und Abchasien grenzen. Dies war ein wesentlicher zusätzlicher Schritt zur Umsetzung der Verträge vom 12. August und 8. September, die mit Vermittlung der Europäischen Union geschlossen wurden und die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität von Georgien zum Gegenstand hatten. Ich hatte bereits mehrfach Gelegenheit, dies Ihrem Ausschuss für außenpolitische Angelegenheiten mitzuteilen.
Die Europäische Union wird weiterhin an die Parteien appellieren, die Umsetzung ihrer Verpflichtungen im Rahmen der Gespräche einzuhalten, die in den Verträgen vom 12. August und 8. September dieses Jahres festgelegt sind.
Sie werden wissen, dass diese Gespräche am 15. Oktober unter der Federführung der Europäischen Union, der Vereinten Nationen und der OSZE in Genf begonnen haben. Zur Vorbereitung und zur Führung dieser Verhandlungen haben wir Pierre Morel, einen Sonderbeauftragten für die Krise in Georgien, der herausragende Arbeit geleistet hat. Die erste Konferenz am 15. Oktober gab den betroffenen Parteien Gelegenheit, direkt zusammenzukommen.
Offensichtlich wird all dies viel Zeit in Anspruch nehmen. Es ist ein langwieriger Prozess, doch wenn wir bedenken, worin die üblichen Friedensprozesse bestehen – erinnern wir uns nur an die Lage auf dem Balkan – dann ist schon die Tatsache an sich, dass es überhaupt eine Konferenz gab, bei der alle Parteien direkt zusammenzukommen konnten, ein wichtiger Schritt, auch wenn uns wie gesagt bewusst ist, dass der Weg sicherlich lang sein wird.
Die nächste Konferenz in diesem Prozess wird am 18. November in Genf stattfinden. Wir hoffen, dass sich die Parteien für eine pragmatische Lösung zur Fortsetzung der Gespräche einsetzen werden, um alle offenen Fragen zu besprechen. Hierzu zählen insbesondere die Vereinbarungen über Sicherheit und Stabilität, unter anderem im oberen Kodori-Tal und in der Region Akhalgori, und natürlich die dringliche Frage der Vertriebenen.
Die Union ist entschlossen, sich weiterhin für den Prozess zur Lösung der Konflikte in Georgien zu engagieren und eine umfassende Schlichtung auf Grundlage der Prinzipien des internationalen Rechts zu erreichen.
Vorerst und hat der Europäische Rat die Kommission und den Rat ganz allgemein gebeten, im Hinblick auf den nächsten Gipfel, der für den 14. November angesetzt ist, eine umfassende und gründliche Beurteilung der EU-Russland-Beziehungen durchzuführen. Wie der amtierende Ratspräsident, Präsident Sarkozy, heute Morgen sagte, ist es entscheidend, Gespräche mit Russland zu führen, denn dies liegt in unserem Interesse, da die Beziehungen zu Russland so wichtig sind.
Frau Ferrero-Waldner erinnerte uns daran, dass dies eine wesentliche Partnerschaft ist: Die Europäische Union und Russland sind voneinander abhängig, und gerade durch einen Dialog können wir sicherstellen, dass sich die Menschenrechtslage inRussland und der Region verbessert. Es liegt in unserem Interesse, an Russland zu appellieren, die Zusammenarbeit fortzusetzen, auf die beide Parteien angewiesen sind.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir Russland brauchen, um uns den globalen Herausforderungen wie dem Kampf gegen den Terrorismus, dem Klimawandel oder der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu stellen. Die Europäische Union hat sich so entschieden und wie denken, dass es im Interesse Russlands liegt, sich ebenso zu entscheiden. Aus diesem Grund möchten wir diesen Dialog fortsetzen.
Der bevorstehende Gipfel am 14. November wird uns Gelegenheit geben, die verschiedenen Dimensionen der notwendigen Beziehung zu Russland zu prüfen, und wir müssen konstruktiv untersuchen, ob Russland hofft, diesen Dialog vollumfänglich zu nutzen. Allerdings sollten wir diesen Dialog fortsetzen, wie es der amtierende Ratspräsident heute Morgen angesprochen hat, ohne bei den fundamentalen Grundsätzen Kompromisse einzugehen, die das Kernstück der europäischen Integration bilden.
Der Dialog mit Russland kann nur auf der Achtung der Souveränität der Staaten, der Rechtsstaatlichkeit und der gemeinsamen Regelungen basieren. In diesem Zusammenhang liegt der Beitritt Russlands zu einer Organisation wie der Welthandelsorganisation in unserem gegenseitigen Interesse. Tatsächlich würde dies die Schlichtung zahlreicher strittiger Fragen ermöglichen, von denen einige Mitgliedstaaten betroffen sind.
Ich denke an das Gesetz über Holzexporte und sibirische Überflugsteuern. Wir glauben zudem, dass unser Engagement für engere Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Russland wichtig ist. Dies steht in Einklang mit den Gesprächen, die ebenfalls heute Morgen stattgefunden haben. Auch hier müssen wir einen gemeinsamen Raum mit Russland haben, der auf Wirtschafts- und Handelsebene klarer definiert ist, und wir müssen, wenn möglich, dazu beitragen, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum für die Europäische Union und Russland zu schaffen.
In dieser Hinsicht werden wir gegenüber Russland natürlich weiterhin die Bedeutung der Transparenz, der Gegenseitigkeit und der Nichtdiskriminierung im Bereich Energie betonen. Dies gilt auch in weiterem Sinne für das Thema Investitionen, da Unternehmen der Europäischen Union, die in Russland aktiv sind, häufig mit echten Problemen konfrontiert sind, für die es derzeit noch keine zufrieden stellende Lösung gibt.
Selbstverständlich sollten wir während des Gipfels mit Russland über die Auswirklungen der Finanzkrise sprechen. Dies ist ein neues Thema, das für die Europäische Union sehr wichtig ist. Auch für Russland ist es wichtig, und zwar in puncto Investitionspolitik und europäisch-russische Handelspolitik.
Wir möchten weiterhin, wie bereits erwähnt, erneut unsere Besorgnis über die Einhaltung der Verpflichtungen in den Bereichen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zum Ausdruck bringen. Auf internationaler Ebene sollten wir alle Kooperationsfragen in Bezug auf unsere gemeinsame Nachbarschaft und natürlich die Themen angehen, die aktuell nach dem Georgien-Konflikt von Interesse sind. Allerdings sollten wir uns auch mit internationalen Themen befassen, an denen ein beiderseitiges Interesse besteht, wie beispielsweise dem Nahen Osten, Iran und Afghanistan.
Zum Schluss möchte ich sagen, dass es in unserem Interesse liegt, den Dialog mit Russland fortzusetzen und noch auszubauen. Unseres Erachtens ist dies der einzige Weg, der es Russland ermöglichen wird, Fortschritte zu machen und der dafür sorgt, dass wir in Zukunft immer mehr Werte gemeinsam haben. Wir müssen aus den Ereignissen in Georgien lernen, wir müssen den Aufbau konstruktiver, ausgewogener Beziehungen mit Russland anstreben und versuchen, eine langfristige strategische Partnerschaft mit diesem Land zu entwickeln. Statt uns von diesem Ziel abzubringen, sollte der Georgien-Konflikt dieses Ziel vielmehr erneut im Kontext dessen stärken, was die Identität der Europäischen Union in Bezug auf andere Partner ausmacht, die in ihren Beziehungen zu Russland nicht immer dieselben Interessen verfolgen wie wir.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Ich möchte meine Rede mit dem Zitat einiger Worte beginnen, die der amtierende Präsident Herr Sarkozy in der Aussprache heute Morgen sagte. Er sagte, dass sich die Europäische Union nicht an einem erneuten Kalten Krieg mitschuldig machen und in unverantwortlicher Weise einen Anstieg der Spannungen fördern darf, die eine Krise zwischen uns und Russland zur Folge haben. Russland wird tatsächlich dazu angehalten, ein positiver und konstruktiver Partner der Europäischen Union zu sein: aufgrund seiner strategischen Bedeutung, seiner Rohstoffe, seiner militärischen und atomaren Stärke, des umfangreichen Handels mit Russland – wie es uns die Kommissarin ins Gedächtnis gerufen hat – und auch einfach, weil es ein Hauptenergielieferant der EU ist.
Allerdings haben wir nicht nur als Wirtschafts- und Handelsunion aufgestellt, sondern auch als Union der Werte. Wir dürfen diese Werte daher nicht danach auswählen, wer am mächtigsten oder am wichtigsten ist.
Meiner Ansicht nach müssen Werte wie Freiheit, Achtung der demokratischen Werte, der Menschenrechte und der Souveränität und territorialen Integrität von Staaten berücksichtigt werden. Wir können uns nicht wegdrehen und so tun, als ob diesen Sommer nichts passiert wäre, obgleich wir Zeugen der Invasion und der nachfolgenden gewaltsamen Besatzung eines souveränen Staates waren.
Wir müssen unsere Nachbarschaftspolitik stärken und uns dabei an die Werte halten, für die wir stehen.
Es müssen noch viele Dinge geschehen: Die Evaluierung durch die Kommissarin und ihre Abteilungen in der Kommission, die Genfer Gespräche und die Geberkonferenz, die diese Woche in Brüssel stattfindet. Das alles halte ich für wichtig.
Ich möchte schließen, indem ich nochmals den amtierenden Ratspräsidenten zitiere, der sagte, dass die Europäische Union mit einer festen Stimme sprechen muss. Wir werden nicht imstande sein, mit einer festen Stimme zu sprechen – sondern vielmehr Zeichen der Schwäche zeigen –, wenn die Europäische Union auf dem nächsten Gipfel, der am 14. November in Nizza stattfinden soll, Verhandlungen mit dem Ziel aufnimmt, ein Abkommen oder eine Partnerschaft mit Russland abzuschließen, ohne dass dieses Land die Verträge voll umsetzt und einhält, die es am 12. August und am 8. September mit der Europäischen Union unterzeichnet hat.
Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Wie Herr Salafranca möchte auch ich darauf eingehen, was Präsident Sarkozy heute Morgen gesagt hat: Wir müssen versuchen, die Probleme mit Russland über einen Dialog und nicht über eine Konfrontation zu lösen. Wir müssen versuchen, Beziehungen in Europa aufzubauen, die auf einer Partnerschaft beruhen, aber auch auf dem Grundsatz der Gleichheit der Partner, jedoch nicht ohne gesunde Kritik zu üben, sofern dies erforderlich ist.
In diesem Zusammenhang müssen wir nach Lösungen für die Probleme um Georgien suchen, und wir müssen in Bezug auf zahlreiche entscheidende Themen, die bereits angesprochen worden sind – darunter internationale Themen wie die Zukunft des Atomwaffensperrvertrags, die Probleme rund um Iran und die Weiterverfolgung des Kyoto-Protokolls – mit Russland zusammenarbeiten. Unsere eigenen Umweltambitionen können kein Erfolg werden, solange wir uns nicht mit anderen wichtigen Partnern weltweit darüber einigen können.
Des Weiteren muss mit Russland eine Kooperation in Bezug auf die Finanzkrise und die Rolle Russlands in den G8 angestrebt werden. Die Finanzkrise zeigt einmal mehr, wie stark wir von Russland abhängig sind, aber auch, wie sehr Russland auf die internationale Wirtschaft angewiesen ist. Verglichen mit der Lage von vor 30 oder 40 Jahren hat sich die Welt komplett gewandelt. Das ist ein weiterer Grund, warum eine Rückkehr zu der Taktik des Kalten Krieges keine Option darstellt.
Zweitens begrüßen wir das Verhalten der französischen Präsidentschaft und die Geschlossenheit der Europäischen Union bei der Herangehensweise an den Georgien-Konflikt. Es ist äußerst wichtig, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten weiterhin so geschlossen handeln. Dies gilt insbesondere für die aufgenommenen Genfer Gespräche, die im November fortgesetzt werden. Bedauerlicherweise kam es nicht zu einer sofortigen Einigung auf eine Formel zur Lösung des Georgien-Konflikts.
Dieses Thema könnte tatsächlich schwierig zu lösen sein, denn es gibt erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und Russland. Unserer Ansicht nach sollte die territoriale Integrität Georgiens bewahrt werden, und die Tatsache, dass Südossetien und Abchasien als unabhängige Länder anerkannt worden sind, ist für uns inakzeptabel. Die Gespräche über diese Angelegenheiten dürften hart werden.
In dieser Hinsicht kann es wichtig sein, uns an die Notwendigkeit einer breiter angelegten Debatte über die in Europa bestehenden Sicherheitsstrukturen und Regelungen im Namen des Helsinki-Prozesses zu erinnern. Die Russen haben vorgeschlagen, dies zu ändern und zu verbessern, aber der Rat und die Kommission haben möglicherweise auch noch etwas zu dieser Angelegenheit beizutragen.
Im Rahmen dieser Diskussion ist wichtig, Russland unmissverständlich klar zu machen, dass wir uns nicht um Einflussbereiche streiten wollen und diese nicht akzeptieren, auch nicht in Regionen, die sowohl an Russland als auch an die Europäische Union grenzen. Ich bin nicht dafür, die NATO in diese Richtung zu erweitern.
Was ich jedoch befürworte, ist eine aktive EU-Politik zur Gewährleistung der Unabhängigkeit von Ländern wie der Ukraine, Georgien und Moldawien, und ich hoffe, dass die Vorschläge, die die Kommission diesen Herbst zur Östlichen Partnerschaft vorlegen wird, dazu beitragen werden, die Beziehungen mit den besagten Nachbarstaaten zu festigen, damit wir sie dabei unterstützen können, ihre eigene Entwicklung und Unabhängigkeit zu gewährleisten.
Annemie Neyts-Uyttebroeck, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Jouyet, Frau Ferrero-Waldner! Zunächst möchte ich Ihnen, wenn ich darf, ein gutes Buch für Ihren Weihnachtsurlaub empfehlen: die wundervolle Biografie der Gräfin von Ségur. Wie Sie sicherlich wissen, war der echte Name der Gräfin von Ségur Sophie Rostopchine – ja, Rostopchine –, und ihr Vater war der Mann, der dem Einmarsch Napoleons in Russland ein Ende setzte. Das Buch bietet eine herrliche Beschreibung der Umstände, die dazu geführt haben. Einige der Lektionen, die es uns lehrt, haben auch heute noch Gültigkeit. In jedem Fall war dies nur eine Einleitung.
Zunächst möchte ich etwas klarstellen: Als ich heute Morgen das Wort ergriffen habe, wollte ich unter keinen Umständen andeuten, dass der EU-Moskau-Gipfel nicht stattfinden sollte. Natürlich nicht. Er muss stattfinden. Da ich nur eineinhalb Minuten hatte, habe ich mich möglicherweise nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich wollte lediglich sagen, dass ich aus den Beschlüssen des Rates abgeleitet hatte, dass bereits entschieden worden sei, die Partnerschaftsverhandlungen bzw. die Verhandlungen über einen Assoziierungsvertrag erneut aufzunehmen und zu verfolgen, und dass – egal, was passiert – der Ausgang des wohl schwierigen Gipfels vom 14. November kaum Auswirkungen haben werde, da die Gespräche ohnehin fortgesetzt werden. Natürlich würde die Evaluierung der Kommission und des Rats berücksichtigt werden, und das durchaus zu Recht. Ich wollte dies nur noch einmal klarstellen.
Ich weiß nicht, ob Herr Sarkozy mich absichtlich missverstanden hat oder nicht. So oder so hat er mir nicht geantwortet, aber ich würde mich über eine Antwort wirklich sehr freuen, Herr Jouyet, denn ich persönlich fände es schade, wenn bereits entschieden worden wäre, die Verhandlungen in jedem Fall wieder aufzunehmen. Ich unterstütze einen Dialog mit Russland voll und ganz. Es ist eindeutig ein großes Land. Es ist ein großes und sehr stolzes Land, ein Land, das nicht viel Mitleid zeigt und es meines Erachtens auch nicht schätzt, wenn andere sich selbst in eine schwache Position bringen.
Nun, die möglicherweise bereits getroffene Entscheidung, die Verhandlungen in jedem Fall wieder aufzunehmen, noch bevor der Gipfel überhaupt stattgefunden hat, zeugt von keinem großen diplomatischen Geschick. Mir läuft die Zeit davon. Ich hoffe also vor allem, dass Sie, Herr Jouyet, mir eine klare Antwort geben werden, ganz gleich, wie sie ausfällt. Vielen Dank.
Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Jouyet, Frau Ferrero-Waldner, meine Damen und Herren! Über den Konflikt zwischen Russland und Georgien kann man eine Menge sagen, und er ist sicherlich ein entscheidender Faktor in unseren derzeitigen Beziehungen zu Russland.
Was man jedoch in jedem Fall sagen kann: Sowohl Russland als auch Georgien sind gescheitert. Es ist nicht hinnehmbar, dass Länder militärische Mittel einsetzen, um ihre Konflikte zu lösen. In der Politikwissenschaft gibt es eine Theorie, die besagt, dass demokratische Länder ihre Konflikte im Prinzip auf demokratische Weise lösen, nämlich über den Dialog und nicht mit militärischen Mitteln. Da dies hier nicht der Fall war, stimmt mit der Demokratie in Georgien und Russland etwas nicht. Andernfalls wären die Dinge nicht so gekommen, wie es dann der Fall war.
Die heutige Aussprache befasst sich schwerpunktmäßig mit unserer Beziehung zu Russland. Im Hinblick auf die Demokratie, die Achtung der Menschenrechte, die Presse- und Versammlungsfreiheit, die Lage in Tschetschenien – die zwar nicht mehr in den Schlagzeilen ist, aber von der jeder, der die Entwicklungen in diesem Land genauer verfolgt, weiß, dass sie nach wie vor sehr kritisch ist – und auch im Hinblick auf die Probleme mit den Vorbereitungen auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi ist die Lage Russlands nach wie vor sehr kritisch, um es gelinde auszudrücken. All diese Dinge verursachen zahlreiche Probleme.
Es gibt meines Erachtens, wie bereits angeführt worden ist, eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen der Europäischen Union und Russland. Das ist richtig. Ich denke, dass wir immer dann, wenn wir über die gegenseitige Abhängigkeit und diese Probleme sprechen, auch die anderen Werte anführen sollten, die Werte der Demokratie, die typisch europäischen Werte, andere Formen der Konfliktlösung, die Verfolgung von mehr Demokratie und den Einsatz weicherer Kräfte.
Die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz ist für den Dialog, der meiner Ansicht nach eines der Markenzeichen der Europäischen Union ist. Die Europäische Union hat wirklich viel Übung in der friedlichen Konfliktlösung und -prävention. Daher können wir, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind und der Rat, die Kommission und das Europäische Parlament geschlossen für diese Werte eintreten, ruhigen Gewissens, entschlossen und mit dem Willen zum Erfolg in einen Dialog mit Russland eintreten, der auch die Partnerschafts- und Kooperationsverträge umfasst.
Adam Bielan, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Aktionen der russischen Armee in Georgien sind ein besonders aufschlussreicher Test hinsichtlich der derzeitigen Absichten Russlands. Sie stellen auch die politische Macht und die Grundprinzipien der Europäischen Union auf die Probe. Bedauerlicherweise verhalten sich die Regierungschefs einiger Mitgliedstaaten so, als hätte die Invasion Russlands in das souveräne und demokratische Georgien niemals stattgefunden.
Meine Damen und Herren! Russland demütigt die Europäische Union erneut, indem es behauptet, es hätte seine Truppen auf die Positionen von vor der Invasion zurückgezogen. Was sollen wir dann davon halten, dass georgische Dörfer in der Region Südossetien und in der Umgebung ständig Gegenstand brutaler ethnischer Säuberungsaktionen sind? Wie sollen wir damit umgehen, dass den zweihundert von der Union entsandten Beobachtern der Zugang zu den Konfliktschauplätzen verweigert wird? Eine derartige Situation ist Lichtjahre von einer Rückkehr zum Status quo vom 7. August entfernt, was eine Voraussetzung für Gespräche mit Russland ist. Einer der Zwecke des russischen Einmarsches in Georgien war die Terrorisierung der Nachbarstaaten in der Region, um das Nabucco-Projekt zu torpedieren, das für die Energiesicherheit der Union von entscheidender Bedeutung ist. Es scheint, dass derzeit kein Gedanke an den Erdgas- und Erdöltransportweg verschwendet wird, der durch Georgien verläuft. Dieser ist für uns lebenswichtig und der einzige, der nicht unter der Kontrolle des Kremls steht.
Des Weiteren möchte ich Ihnen ins Gedächtnis rufen, dass in Nachbarländern der Union viele russische Staatsbürger leben. Als Beispiele könnte ich die Ukraine, Belarus und das Baltikum anführen. Wir müssen also bedenken, dass der Kreml jederzeit behaupten könnte, dass diese Menschen seinen so genannten Schutz benötigen. Genau das ist in Südossetien passiert. Ich muss nochmals betonen, dass die Mitgliedstaaten der Union und ihre nächsten Nachbarn direkt von einer russischen Aggression bedroht sind.
Derzeit bedroht Russland EU-Mitgliedstaaten und deren nächste Nachbarn militärisch, und das zusätzlich zu der Erpressung bei der Energieversorgung. Die Situation in Georgien ist ein besonders deutliches Beispiel. Unter solchen Umständen kommt eine Partnerschaft zwischen der EU und Russland nicht in Frage. Gespräche auf dem Gipfel in Nizza am 14. November würden erneut die völlige Hilflosigkeit der EU-Führung gegenüber Russland demonstrieren.
Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die Aktienmärkte in den Vereinigten Staaten, in den EU-Mitgliedstaaten und in Russland sind zusammengebrochen. Wir stecken alle in derselben Krise, die durch den Turbokapitalismus ausgelöst wurde. Dessen ungeachtet bemühen sich einige EU-Mitgliedstaaten – allen voran die baltischen Staaten, deren Präsidenten in den USA studiert haben, und insbesondere Polen –, Russland von der Europäischen Gemeinschaft zu isolieren. Zunächst wurde der Beginn der Gespräche über das Partnerschaftsabkommen hinausgezögert, heute wird dann der Konflikt Georgiens und Abchasiens mit Russland als Grund angeführt.
In den Medien zahlreicher westlicher Länder wurde Russland als Angreifer hingestellt. Dieses Bild entspricht nicht den Tatsachen. Saakaschwilis Armee war es, die in die Offensive ging und damit den globalen Konflikt vom Zaun brach. Dafür sollte er nicht belohnt werden. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten im Europäischen Parlament ist in dieser Angelegenheit leider ein Gefangener ihrer eigenen extremistischen Elemente.
Natürlich hat Russland Saakaschwilis Armee besiegt, die von den Amerikanern und Israelis ausgebildet und von den Ukrainern ausgestattet wurde. Die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens als unabhängige Staaten war eine politische Überreaktion, deren politische Konsequenzen Russland jetzt zu tragen hat. Eine Isolierung Russlands sollte nach Meinung unserer Fraktion jedoch nicht zu diesen Folgen gehören. Der europäische Kapitalismus ist auf Russlands Rohstoffe angewiesen – ebenso wie Russland auf Europas politische Erfahrung mit Demokratie, bürgerlichen Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit.
Nicht politische Gewalt wird uns hier weiterbringen, sondern Zusammenarbeit und Dialog. In diesem Zeichen stehen wohl auch die heutigen Gespräche zwischen den beiden Generalstabschefs, Mike Mullen und Nikolai Makarow, in Helsinki. Die EU sollte diesen Dialog nicht boykottieren.
Die positiven Vorschläge der Ratspräsidentschaft finden unsere volle Unterstützung.
Paul Marie Coûteaux, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Jouyet! Die heutige Stimmung zeigt, dass die Zeit reif ist für Reue – oder zumindest reif, um Dogmen und reflexartige Reaktionen zu überdenken. Ich danke Herrn Sarkozy, dass er uns heute Morgen mit einem allem Anschein nach aufrichtigen Beispiel vorangegangen ist. Lassen Sie uns daher auch unser altes, unser uraltes, Misstrauen gegen Russland überdenken – ein Land, das zu unseren Partnern zählt, ob wir nun wollen oder nicht.
In diesem Sinne kann ich mich Frau Neyts-Uyttebroeck nur anschließen und Ihnen eine Biografie der Gräfin von Ségur ans Herz legen. Besonders empfehlenswert ist das Werk von Marie-José Strich aus dem vorzüglichen Hause Bartillat. Das Leben dieser Frau zeigt die wahre Bedeutung eines Wortes, das, wenn ich es recht verstanden habe, zweimal gefallen ist: „Interdependenz“.
Ja, wir hängen in der Tat voneinander ab – aber eben nicht nur bei der Bekämpfung des Terrorismus und der Eindämmung von Massenvernichtungswaffen, sondern in jeder Hinsicht und auf unterschiedliche Weise: ganz klar bei der Energieversorgung, aber auch in Forschung, Industrie und Politik.
Malen wir uns nur einmal aus, wie das Europa des 21. Jahrhunderts aussehen wird – je nachdem, ob wir uns weiterhin an der Erschließung der immensen Ressourcen Sibiriens beteiligen oder nicht. Wir sollten also keine Konflikte mehr zu Eigen machen, die nicht die unseren sind, sondern Dritte betreffen, die Europa spalten wollen, um es zu dominieren. Glauben Sie mir: In dieser Angelegenheit liegt mir Europa am Herzen, sofern Sie mir zugestehen, dass auch französische Souveränisten hiervon betroffen sind.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Meine Damen und Herren! Ich halte die Entscheidung des Rates, die Gespräche mit Russland über eine strategische Partnerschaft nicht wieder aufzunehmen, für unklug, kurzsichtig und den Interessen der EU-Bürgerinnen und -Bürger abträglich. Wir sollten uns klarmachen, dass wir es hier mit einem Partner zu tun haben, von dessen Rohstoffen Europa abhängt. Hier geht es nicht nur um Gas und Öl. Ohne Titan aus Russland, um nur ein Beispiel zu nennen, könnten wir keinen einzigen Airbus produzieren. Schlimmer noch: Unsere gegenwärtige Russlandphobie stützt sich nicht auf Fakten, sondern auf die Darstellung in der Politik und den Medien. Es war Georgien, nicht Russland, das den Kaukasus-Konflikt ohne Rücksicht auf die Folgen vom Zaun brach. Hinzu kommt: Ich kenne keinen konkreten Grund, warum die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien nicht respektiert werden sollte. Schließlich waren mehrere EU-Mitgliedstaaten begeisterte Befürworter der Unabhängigkeit der Republik Kosovo. Daher freut es mich, dass Václav Klaus – der Präsident meines Landes, der Tschechischen Republik – in einer realistischen Einschätzung der Lage sagte, es gehe nicht darum, dass Georgien auf der Seite des Guten und Russland auf der Seite des Bösen stehe. Leider stand er mit dieser Auffassung allein auf weiter Flur. Wenn die EU ernsthaft ein strategischer Partner und globaler Akteur sein möchte, muss sie Russland auf Augenhöhe begegnen. Eine Politik der Konfrontation wird niemandem nutzen.
Elmar Brok (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Einer der Vorredner sagte, die Überschrift über allem ist: Keine Gewalt! Keine Gewalt von beiden Seiten, wie das im internationalen Völkerrecht immer zu sein hat. Wir müssen darauf bestehen, dass das Völkerrecht eingehalten wird, territoriale Integrität, Nichteinmischung in die inneren Entscheidungen eines Landes, keine Einflussnahme und Einhaltung der Abmachungen vom August und September. Ich hoffe, dass das in Genf auch im Weiteren gehen wird.
Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass die entsprechenden Entscheidungen des Europäischen Rates vom 1. September sowie die Beschlüsse, die von der Kommission verhandelt werden über Assoziierungsabkommen, Freihandelsabkommen, osteuropäische Partnerschaft, europäischer Wirtschaftsraum plus oder wie immer man das nennt, eingehalten werden, um so die Länder ohne Provokation eines anderen zu stärken, zu stabilisieren, sie einzubeziehen und dafür auch auf der Geberkonferenz das Notwendige zu tun.
Gleichzeitig müssen wir unseren eigenen östlichen Mitgliedstaaten das Gefühl geben, dass ihre Sicherheit solidarisch im Rahmen der Europäischen Union und der NATO aufgehoben ist. Ich glaube, dies ist auch aus psychologischen Gründen wichtig.
Frau Kommissarin, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie auf die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit hingewiesen haben. Das ist die beste Sicherheitspolitik. Je mehr diese Interdependenz jedoch verstärkt wird, in die Interessenssphären beider hineingeht und miteinander verkoppelt wird, desto weniger kann man mit nichtfriedlichen Mitteln aus dieser Abhängigkeit herausgehen. Hier sollten wir noch besonders vorangehen. Dies sollte auch unterstützt werden durch rechtliche Verpflichtungen, in die wir Russland hineinholen, WTO, Partnerschafts-kooperationsabkommen mit den entsprechenden Verpflichtungen. Wenn diese wirtschaftliche Interdependenz auf diese Art und Weise rechtlich und vertraglich untermauert wird, kommen wir weiter.
Dies muss auch im Rahmen unserer Interessen laufen. Energiesicherheit ist ein Punkt. Hier gibt es auch weltweite Herausforderungen. Nicht umsonst haben sich die 5+1 zum Iran bereits wieder getroffen und sind zur normalen Arbeit übergangen. Auch auf anderen Ebenen passiert dies. Ich habe gehört, dass ein Ausschuss des Europäischen Parlaments schon wieder in Moskau war. Iran, Naher Osten, Klimawandel, Terrorismus und was auch immer: Es geht nicht ohne Russland!
Wir müssen zur Gesprächsbereitschaft zurückkehren. Eine Sicherheitspartnerschaft mit Russland funktioniert nur, wenn es nicht um den Preis bestehender Allianzen geht und nicht um den Preis, die USA aus Europa herauszuhalten. Das ist eine Bedingung für eine solche Partnerschaft.
Reino Paasilinna (PSE). - (FI) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Beide Seiten haben Unrecht begangen und internationale Vereinbarungen gebrochen. Jetzt muss die Frage lauten: Wie schnell kommen wir weiter und können die Lage wieder stabilisieren?
Dafür ist die Zusammenarbeit mit Russland eine wesentliche Voraussetzung. Genau genommen decken sich zahlreiche Ziele Russlands mit unseren Zielen in dem Vertrag von Lissabon. Präsident Medwedew hat von der Notwendigkeit institutioneller Reformen gesprochen. Wie wahr. Der zweite Punkt, den er anführt, sind infrastrukturelle Reformen, der dritte Punkt betrifft Investitionen. All diese Themen sind uns durchaus vertraut. Hinzu kommt Innovation, ein Thema, über das wir – wenn man so sagen darf – erheblich mehr wissen. All das haben wir gemeinsam. Russland möchte eine Rolle bei der Überwindung der internationalen Finanzkrise übernehmen, es fehlt ihm jedoch an den nötigen Mitteln. Daher möchte es natürlich nicht ausgegrenzt werden. Wir müssen darauf mit Zusammenarbeit reagieren, denn so können wir Russland in unsere Richtung lenken.
Russland möchte nicht über ideologische Fragen sprechen, welche die Europäische Union heute jedoch angeht. Wir wünschen uns Demokratie in Russland – das ist die Ideologie, für die wir stehen. Russland seinerseits wünscht praktische Lösungen. Wenn wir diese beiden Ziele in Einklang bringen, können wir wahrscheinlich Fortschritte erzielen. Zu Medwedews vier „I“s sollte daher noch ein weiteres hinzukommen: Integration. Dann können wir Russlands Zukunft aus unserer Sicht erfolgreich beeinflussen und für mehr Stabilität sorgen.
Janusz Onyszkiewicz (ALDE). – (PL) Bei Diskussionen über den Konflikt zwischen Russland und Georgien spricht alle Welt von Ossetien. Die bedeutenden Ereignisse in Abchasien werden indessen häufig übersehen. Beteuerungen Russlands, sein – freilich überzogenes – Eingreifen sei eine Reaktion auf Versuche, das Problem in Ossetien mit militärischen Mitteln zu lösen, sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Was aber Abchasien anbelangt, so greifen solche Argumente nicht. Der massenhafte Einfall russischer Truppen, die Flotte vor der georgischen Küste und die militärische Eroberung der von den georgischen Behörden kontrollierten Gebiete sprechen eine klare Sprache: Russland ist bereit, seine Kampfverbände unter dem Deckmantel der Prävention ins Feld zu führen. Wir haben es also mit einer jener Aktionen zu tun, die sich ausschließlich durch eine einseitige Beurteilung der Außenpolitik rechtfertigen lassen.
Präsident Medwedew brachte in seiner Erklärung erneut die Idee einer gemeinsamen Zone der Sicherheit von Vancouver bis Wladiwostok aufs Tapet. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie kann man sich auf gemeinsame Maßnahmen in einer solchen Zone verlassen, wenn sich Russland selbst als Bedrohung erweist? Bezüglich der weiteren Punkte, die Medwedew für ein mögliches Abkommen vorschlug, sei daran erinnert, dass hierzu bereits ein Übereinkommen besteht: die 1990 angenommene Charta von Paris für ein neues Europa. Oder geht es hier etwa weniger um einen Dialog als um ein Vetorecht im Hinblick auf die Aktionen der NATO?
(Beifall)
Rebecca Harms (Verts/ALE). – (DE) Herr Präsident! Ich möchte an die Rede meines Kollegen Bart Staes anknüpfen, der andere Konflikte, die es im Kaukasus noch gibt, angesprochen hat.
Wenn man jetzt mit Russland die Gespräche wieder aufnimmt – was wir befürworten –, ist es aus unserer Sicht sehr wichtig, dass man dabei nicht vernachlässigt, dass es auch noch Karabach, Tschetschenien, Moldova und Transnistrien gibt und dass wir auch im nächsten Jahrzehnt eine sehr schwierige Auseinandersetzung in der Ukraine bewältigen müssen, nämlich auf der Krim. Die Europäische Union darf nicht wieder denselben Fehler machen wie vor dem Krieg in Georgien, nämlich diese Konflikte nicht ernst genug zu nehmen.
Es müssen also unserer Meinung nach alle diese Konflikte bearbeitet werden. Der Kaukasus und andere benachbarte Regionen sind sehr schwierige Regionen. Sie liegen alle in Europa und müssen deshalb von Europa, von der Europäischen Union, mit viel größerer Priorität – auch in Zusammenarbeit mit Russland – bearbeitet werden.
Ob wir das, was es da an Konflikten gibt, gut lösen können, bin ich mir heute nicht sicher. Aber ich bin heute eigentlich ganz optimistisch, dass dieses Gefühl von Kaltem Frieden, das durch Europa gekrochen ist – und zwar durch die ganze Europäische Union –, das auch in Russland erschreckt hat, ausreichend Warnung war und dass die verschiedenen Seiten jetzt wieder ernsthafter zu den Verhandlungen zurückkehren.
Aus der Sicht des Westens ist es ja auch sehr interessant, dass Russland in der Finanzkrise ganze Staaten rettet, um selber in dieser Krise zurechtzukommen. Die Verwobenheit in Zeiten der Globalisierung ist viel weitergehend, als wir das bei den Energiethemen bisher diskutiert haben.
Wenn man einen besseren Ton findet und der Westen vielleicht nicht immer darauf besteht, dass seit Ende der Achtziger Jahre sein System das Siegersystem gewesen ist, können wir auch wieder in bessere Auseinandersetzungspositionen kommen.
Konrad Szymański (UEN). - (PL) Herr Präsident! Russland ist möglicherweise der größte Gewinner der Finanzkrise. Warum? Weil wir unsere Aufmerksamkeit stärker auf die Probleme unserer Banken gerichtet haben, anstatt Russlands Aggression gegen Georgien zu verfolgen. In unserer heutigen Aussprache hat sich dies deutlich gezeigt.
Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Russland nach wie vor über 7 000 Soldaten in Ossetien und Abchasien stationiert hat – mehr als dreimal so viel wie am 7. August. Russland hält sich also nicht so an das Friedensabkommen, wie wir es uns wünschen würden. Das bedeutet, dass die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland noch immer in einer Sackgasse stecken. Das bedeutet auch, dass es schlichtweg an den Voraussetzungen fehlt, um den politischen Dialog im Rahmen gemeinsamer europäischer und russischer Organe wieder aufzunehmen. Neuerliche Verhandlungen über das Partnerschaftsabkommen haben derzeit keine Grundlage. Zuletzt sei noch unsere Enttäuschung über die Haltung einiger Mitgliedstaaten zum Ausdruck gebracht, die sagen, man könne die russische Aggression gegen Georgien ignorieren und die Angelegenheit sei einfach eine Frage der Zeit. Diese Vogel-Strauß-Haltung könnte die EU-Außenpolitik als Ganzes am Ende teuer zu stehen kommen.
Vittorio Agnoletto (GUE/NGL). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir müssen anerkennen, dass der Rat die Beziehungen zu Russland wesentlich ausgewogener gehandhabt als wir, das Europäische Parlament, in unserer Entschließung zu den Vorkommnissen in Georgien. In dieser Entschließung suchen wir die Schuld ausschließlich bei Russland und rechtfertigen sogar noch die georgische Offensive vom 7. und 8. August.
Wenn uns jedoch wirklich an einem stabilen Frieden gelegen ist, müssen wir uns klar gegen einen NATO-Beitritt Georgiens oder der Ukraine aussprechen. Dies würde – wie wir nur zu gut wissen – die gesamte Region destabilisieren und das Risiko weiterer Kriege drastisch erhöhen. Nicht nur aus wirtschaftlichen Motiven sollten wir die Verhandlungen mit Russland wieder aufnehmen, sondern auch, weil die Probleme erst gelöst werden, wenn man darüber spricht, und dies ist immer der beste Weg.
Gleichzeitig müssen wir bedingungslos für Menschenrechte, Informationsfreiheit und politische Freiheiten einstehen, die ganz sicher in Russland nicht die Norm sind. Die beste Möglichkeit, für diese Belange eintreten zu können, besteht darin, unsere Abhängigkeit von russischer Energie abzubauen. Hierzu müssen wir nicht nur unsere Energiequellen diversifizieren, sondern auch in alternative, saubere Energien investieren.
Eine Überlegung zum Schluss: Sowohl die Kommission als auch der Rat haben sich überaus zuversichtlich über einen Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation geäußert. Ich möchte daran erinnern, dass beim Beitritt Chinas ganz ähnliche Töne zu hören waren – und was ist daraus geworden? Die Folgen für die europäische Wirtschaft und die europäischen Arbeitnehmer sind fatal. Möglicherweise sollten wir also nach völlig neuen Lösungen suchen und den gesamten WTO-Mechanismus infrage stellen.
Gerard Batten (IND/DEM). - Herr Präsident! Präsident Sarkozy hat dem Kreml genau nach der Pfeife getanzt. Präsident Sarkozys „Frieden für unsere Zeit“ beschert ihnen das, was sie wollten, und hat ein diplomatisches Schlupfloch eröffnet. Seit dem Zweiten Weltkrieg galt für internationale Beziehungen der Grundsatz, dass sich Aggression nicht lohnen darf und Aggressoren keine politischen Zugeständnisse gemacht werden dürfen. In dieser Sache aber hat Moskau triumphiert, die NATO hat eine Schlappe erlitten und die EU hat ein doppeltes Spiel gespielt.
Die EU als Institution steht in diesem neuen Kalten Krieg einfach nicht auf der Seite der westlichen Demokratien. Die EU gehört nicht zur freien Welt. Sie ist antidemokratisch, undemokratisch und imperialistisch. Aus institutioneller Sicht tendiert sie daher nicht zu den freien Nationen, sondern zu anderen antidemokratischen Imperien zu. Nicht Recht, sondern Ideologie ist ihr oberstes Prinzip.
Leider folgen die Regierungen Europas – als gute Europäer – in der Russlandpolitik nicht ihrem kollektiven nationalen Interesse, sondern der fatalen Haltung der EU.
Sylwester Chruszcz (NI). - (PL) Neben den Vereinigten Staaten zählt die Russische Föderation zu den wichtigsten Partnern der Europäischen Union. Russland ist uns nicht nur ein strategischer Partner, sondern auch ein wichtiger Rohstofflieferant für die Energiegewinnung in den EU-Mitgliedstaaten – so auch in meinem Land, Polen. Kurz: Die Zusammenarbeit mit Russland ist eine Tatsache, und ihr Erfolg liegt im beiderseitigen Interesse. Georgiens Angriff auf Südossetien und die anschließende Eskalation des Konflikts haben die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau schwer belastet.
Das heißt jedoch nicht – wie manche europäische Politiker es wünschen würden – dass wir uns von Russland abwenden oder gar sämtliche Beziehungen auf Eis legen sollten. Russland hat in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um in den Kreis der europäischen Demokratien einzutreten. Obwohl natürlich noch viel zu tun bleibt, besteht an der Unterstützung der Bevölkerung für den amtierenden Präsidenten und seine Vorgänger nicht der geringste Zweifel. So bleibt mir nur zu hoffen, dass die Europäische Union und Russland gewissen Schwierigkeiten zum Trotz ihre erfolgreiche Zusammenarbeit im beiderseitigen Interesse fortsetzen werden.
VORSITZ: MIGUEL ÁNGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE). - (NL) Herr Präsident, Herr Jouyet, Frau Ferrero-Waldner, meine Damen und Herren! Man kann nicht bestreiten, dass sich die Beziehungen zu Russland in letzter Zeit geändert haben. Um es gleich zu sagen: Eine Isolation Russlands kommt meines Erachtens nicht in Betracht. Gleichzeitig aber ist es angesichts des enormen Misstrauens der Mitgliedstaaten gegen Russland schwierig, über eine Partnerschaft zu sprechen.
Für mich als Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zu Russland aber besteht kein Zweifel: Wir müssen den Dialog fortführen. Der Rat und die Kommission tun das ohnehin, und das Parlament sollte sich ihnen anschließen. Genau dieses Thema war in unserer Delegation – im Zusammenhang mit dem geplanten Moskaubesuch Ende dieser Woche – Gegenstand heftiger Diskussionen. Schließlich kamen wir zu dem Schluss, dass wir im Gespräch bleiben müssen – unseren Partnern jedoch verdeutlichen sollten, dass wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Wir müssen die Probleme offen ansprechen und einen konstruktiven Meinungsaustausch suchen.
Unsere Erwartungen an Russland sind noch längst nicht erfüllt. Der Abzug der Truppen aus der Pufferzone war nur ein erster Schritt. Die Lage wird sich erst dann entspannen, wenn die in Abchasien und Südossetien stationierten Truppen reduziert oder komplett abgezogen werden. Dies ist der Geist der Vereinbarungen, wenn auch nicht der wörtliche Inhalt. Herrn Jouyets Meinung dazu würde mich interessieren.
Die EU – und insbesondere die Ratspräsidentschaft – hat in den vergangen Monaten eine klare Sprache gesprochen und entschlossen gehandelt. Diese Dynamik gilt es aufrechtzuerhalten.
Abschließend möchte ich drei Fragen stellen. Erstens: Welche Signale und Maßnahmen halten Sie vor dem Gipfel für erforderlich, damit die Verhandlungen wieder aufgenommen werden können? Zweitens: Welche Rolle haben Sie dabei dem Parlament zugedacht? Drittens: Lassen Sie mich etwas ausholen. Russland beteiligt sich nicht an dem Übereinkommen über Streumunition, das dieser Tage in Oslo unterzeichnet wird. Nun hört man jedoch, dass der niederländische Journalist durch eine russische Streubombe zu Tode kam. Wie, Frau Ferrero-Waldner, können wir Russland doch noch in dieses Übereinkommen einbeziehen?
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). - (HU) Herr Präsident! Die französische Ratspräsidentschaft hat vorbildlich auf die Krise in Georgien reagiert. Keine Frage: Wir können mit Krisen umgehen, sind jedoch noch nicht in der Lage, sie zu verhindern. Erlauben Sie mir, dieses Haus daran zu erinnern, dass der Außenminister eines EU-Mitgliedstaats, Herr Steinmeier aus Deutschland, einen sehr soliden Friedensplan vorgelegt hat, der von allen Seiten – bis auf Tiflis – angenommen wurde. Dies ist eine historische Tatsache, und zwar eine äußerst bedauerliche. Möglicherweise hätte der Krieg damit sogar verhindert werden können. Meiner Überzeugung nach könnte der Steinmeier-Plan jedoch noch als wichtigste Ausgangsbasis für Friedensverhandlungen dienen, auch wenn die geänderte Haltung Abchasiens und Südossetiens die Lage deutlich verkompliziert hat. Lassen Sie mich gleich hinzufügen, dass Verhandlungen nur unter Einbeziehung der beiden betroffenen Völker, der Abchasen und Südossetien, möglich sind. Ihre Meinung ist in Bezug auf ihre künftigen Beziehungen zu Russland ausschlaggebend.
Eines ist sicher: Wir können nicht einfach zum Tagesgeschäft zurückkehren, als wäre nichts geschehen. Russland bleibt ein strategischer Partner, den wir nicht einfach isolieren können, doch unser Vertrauen ist beschädigt. Nicht nur Russland, sondern auch wir müssen aus den Vorfällen lernen. Insbesondere müssen wir verstehen, warum Russland einer EU-Annäherung der Ukraine und Georgiens wesentlich aufgeschlossener gegenübersteht als einer NATO-Annäherung. Sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für uns Europäer ist dieser Punkt von entscheidender Bedeutung, wenn wir die strategische Partnerschaft zwischen Russland und der EU normalisieren möchten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Henrik Lax (ALDE). - (SV) Herr Präsident! Russlands Angriff auf Georgien kann nicht isoliert betrachtet werden. Was wir hier erleben, ist ein Paradigmenwechsel in Russlands Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten – ein Paradigmenwechsel mit möglicherweise ernsten Folgen, wenn die EU nicht klug handelt. Wie Herr Jouyet bereits sagte: Wir stehen an einem Scheideweg. Mich erfüllt mit Sorge, dass zahlreiche führende EU-Politiker bereits wieder von einer Rückkehr zur Tagesordnung in den Beziehungen zu Russland reden. Sie tun gerade so, als hätte es niemals einen Krieg in Georgien gegeben – dabei sind immerhin noch 8 000 russische Soldaten in den besetzten Gebieten stationiert, und von einer Einstellung der ethnischen Säuberungen kann keine Rede sein.
Die EU muss ein klares Signal aussenden und Russlands imperialistische Politik auf das Schärfste verurteilen, da es sich anmaßt, zum Schutz „seiner“ Bürger souveräne Staaten zu besetzen. Heute Georgien, morgen die Ukraine und Belarus. Diese Äußerungen werde ich beim Treffen mit der russischen Delegation am kommenden Freitag in Moskau zu wiederholen. Die bedingungslose Aufnahme von Verhandlungen mit Russland unter den derzeitigen Gegebenheiten würde bedeuten, dass wir Russlands Vorgehen in Georgien gutheißen und Russland einen Freibrief für die Fortführung seiner imperialistischen Politik ausstellen. Die EU hat die Pflicht, den Opfern und nicht den Angreifern beizustehen. In diesem Sinne begrüße ich den Vorschlag von Frau Ferrero-Waldner, 500 Millionen Euro aufzubringen. Es bleibt zu hoffen, dass die morgige Geberkonferenz erfolgreich verläuft.
Tatjana Ždanoka (Verts/ALE). - Herr Präsident! Ich spreche heute nicht nur als Vertreterin meiner Fraktion und Mitglied der EU-Russland-Delegation, sondern auch als einzige russische Muttersprachlerin in diesem Parlament.
Einige Politiker scheinen zu vergessen, dass Russland das bevölkerungsreichste Land Europas ist und Bürger mit russischer Sprache mit bis zu 10 Millionen Menschen die größte Minderheit der EU darstellen. Wenn von Russlands Ressourcen die Rede ist, haben viele leider nur Rohstoffe im Auge und lassen die menschliche Dimension außer Acht. Dabei sind es doch Menschen, die das Fundament der EU-Russland-Beziehungen bilden! Den russischsprachigen EU-Bürgern ist sehr an einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland gelegen. Dabei geht es uns nicht nur um den gemeinsamen Markt, von dem Präsident Sarkozy heute gesprochen hat, sondern auch um mehr Freizügigkeit. Auch wir treten für die – ebenfalls von Herrn Sarkozy erwähnten – Menschenrechte ein. Aber wir sind gegen die Doppelmoral, mit der die EU-Organe die Augen verschließen, wenn die Rechte der russischsprachigen Bürger in den baltischen Staaten verletzt werden.
Ģirts Valdis Kristovskis (UEN) . – (LV) Haben wir es nun mit Konkurrenten oder Partnern, ausgebufften Spielern oder einem Sanierungsfall zu tun? Ich rede vom Verhältnis zwischen der westlichen Demokratie und der russischen Autokratie. Man möchte meinen, hier würde Katz und Maus gespielt. Fast schon grotesk mutet es an, wenn Herr Medwedew gerade einmal zwei Monate nach der Militäraktion in Georgien ein neues europäisches Sicherheitsabkommen vorschlägt. Herr Sarkozy scheint in seiner Beflissenheit nicht zu bemerken, dass Russland seine Militärpräsenz in Südossetien und Abchasien ausgebaut hat. Haben wir Grund, Russland zu vertrauen? Aus dem politischen Prozess in Kosovo und dem Konflikt in Georgien hätten wir einiges lernen können. Warum nur sind Europas Politiker so optimistisch? Russland – immer bestrebt, dem Westen eins auszuwischen – wird unsere Gutgläubigkeit gnadenlos ausnutzen. Die Ausländerpolitik, die Russland in Ossetien, Abchasien und der Ukraine verfolgt, ist mit erheblichen Risiken behaftet. Es findet ein wahrer Kampf im Cyberspace statt. Nicht ohne Grund haben die russische Bevölkerung und ihre Massenmedien – auch in den baltischen Staaten – den russischen Einmarsch in Georgien befürwortet. Wir sollten weit reichende Gespräche mit Russland jetzt nicht zu schnell wieder aufnehmen. Zuerst muss Russland den Friedensplan für den Kaukasus umsetzen.
Roberto Fiore (NI). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie wäre es, wenn wir die Idee, Russland habe Georgien angegriffen, erst einmal ad acta legen? Ich meine, wir sollten den Vorschlag Russlands aufgreifen, das seinerzeit anregte, die Kriegsschuld durch ein Gericht prüfen zu lassen.
Hinzu kommt: Jetzt, wo die „kreativen Buchführung“ nicht mehr funktioniert, sollten wir unseren Blick auf die Realwirtschaft der Zukunft richten – auf eine Wirtschaft mit Rohstoffen, Land und Arbeitskräften, die für uns Europäer auch Russland einschließt. Doch die Wirtschaft ist nicht alles. Tatsächlich steht auf der einen Seite ein katholisch geprägtes Westeuropa und auf der anderen ein orthodox geprägtes Osteuropa. Wenn wir diese Teile zusammenführen, können wir auch auf sakraler Ebene zu einer neuen Einheit finden.
Die Zusammenarbeit mit Russland liegt daher im europäischen und die Zusammenarbeit mit Europa im russischen Interesse.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (FR) Herr Minister! Ich möchte auf Polnisch einige Bemerkungen zu den Worten von Herrn Sarkozy machen, der heute Vormittag sagte, Europa müsse mit einer starken Stimme sprechen.
- (PL) Bis vor kurzem sahen die Beziehungen zu Russland noch ganz anders aus. Europa war gespalten, es sprach nicht mit einer Stimme. Kommissar Mandelson bezeichnete die Einfuhrsperre für polnisches Fleisch als bilaterale Angelegenheit. Das ist nicht das Europa, das ich mir wünsche. Einem solchen Europa sollten wir keinen Raum lassen.
Die Krise in Georgien hat Westeuropa – und insbesondere einigen sozialdemokratischen Kollegen – Russlands wahres Gesicht gezeigt. Es hat seine attraktiven, faszinierenden Seiten, aber es ist auch unberechenbar und achtet nicht unbedingt seine vertraglichen Verpflichtungen. Seine Einstellung zu einem möglichen Beitritt zur WTO kann wohl kaum als enthusiastisch bezeichnet werden. Russland möchte auch weiterhin nach seinen eigenen Regeln spielen, um jeweils zu seinem Vorteil entscheiden zu können. Solange wir das nicht verstehen, werden wir niemals die friedlichen Vereinbarungen erreichen, auf die wir angewiesen sind. Russland ist unser nächster Nachbar – eine Nation mit erheblichem Potenzial und einem reichen Kulturerbe – eine stolze Nation, stolz auf ihr Land von der Ostsee bis zur Beringstraße. Wir müssen einen Dialog mit Russland suchen, in dem wir einerseits die russische Bevölkerung achten und andererseits aber geschlossen und resolut gegenüber den Herren Medwedew und Putin auftreten – ohne Angst, dass die Russen den Gashahn jederzeit zudrehen könnten.
Russland ist zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards in hohem Maße auf Importe aus der Europäischen Union angewiesen. Dieses Wissen sollte uns in den Verhandlungen mit diesem mächtigen Partner Stärke und Selbstbewusstsein verleihen. Wir sollten nicht katzbuckeln, sondern unseren Platz als gleichberechtigte Verhandlungspartner im Kreml einnehmen. Und schließlich, Signora Commissaria: Die amtierenden Ratspräsidenten wollen uns Russlands Abzug aus der Pufferzone als Erfolg, als positives Signal, verkaufen. Handelt es sich hier nicht eher um einen Rückschritt, der nur dem Anschein nach ein Zugeständnis ist, da Russland keinerlei Absicht zeigt, sich aus Ossetien oder Abchasien zurückzuziehen? Seien wir realistisch und versuchen wir, den nächsten Schritt vorherzusehen.
Hannes Swoboda (PSE). – (DE) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, liebe Frau Kommissarin! Es gibt sehr viele Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland. Vor allem würde ich mir in Russland eine so freie Präsidentschaftswahl wünschen, wie ich sie jetzt in Amerika zumindest erwarte.
Großmächte haben aber auch gewisse Ähnlichkeiten, und ich hoffe, dass vielleicht manche von Ihnen vor kurzem die Sendung im Sender ARTE über das Porträt von Henry Kissinger gesehen haben. Kissinger und General Alexander Haig haben zur Intervention in Chile bzw. zu den fortlaufenden Interventionen in Lateinamerika Folgendes gesagt: Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika etwas stört, dann werden sie intervenieren und einen Regimewechsel herbeiführen. Sie haben sich dazu völlig gerechtfertigt bekannt. Ähnliches kann man vielleicht auch von Russland sagen – obwohl wahrscheinlich in weniger Fällen als in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Auch das Verhältnis zum internationalen Recht ist bei beiden Großmächten etwas gespalten. Gerade was die Interventionen in Lateinamerika betrifft, waren diese eindeutig gegen das internationale Recht. Der Irak-Krieg war eindeutig gegen das internationale Recht. Und Russlands Vorgehen in Abchasien und Südossetien war auch gegen das internationale Recht. Beim Kosovo-Problem werden wir erst sehen, ob der Internationale Gerichtshof feststellt, dass das Vorgehen gegen das internationale Recht war.
In beiden Fällen, Kollege Zaleski – und ich sage das deshalb, weil ich Sie sehr schätze –, haben Sie mit dem Satz völlig Recht: Es handelt sich um ein faszinierendes und starkes Land, aber unberechenbar. Das gilt für die USA genauso wie für Russland, und wir müssen darauf reagieren.
In beiden Fällen aber halte ich es für falsch, den Dialog abzubrechen. Wir haben auch nach der eindeutigen Verletzung des internationalen Rechts im Irak-Krieg – und zwar einer massiven Verletzung mit Tausenden von Toten – nicht gesagt: Jetzt brechen wir den Dialog mit den USA ab. Wir haben natürlich weiter mit den USA geredet.
Ich vergleiche nicht die innere Struktur der USA und Russlands. Es geht nur um das internationale Verhalten. Präsident Sarkozy hat völlig Recht – und ich danke ihm sehr für seine pragmatische, klare Politik: Wir müssen diesen Dialog führen!
Zweitens, wir müssen die Nachbarn stärken, insbesondere wenn es gleichzeitig unsere Nachbarn sind. Wir müssen der Ukraine und Georgien Stärke geben, damit sie auch mit dem schwierigen Großnachbarn Russland zurechtkommen. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass das Verhalten rational ist, und das Verhalten von Saakaschwili war nicht rational! Und auch das Verhalten von Herrn Juschtschenko gegenüber Frau Timoschenko z. B. ist nicht rational! Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Nachbarn sich rational verhalten. Wenn sie das tun und unsere Stärke im Rücken haben, dann werden sich die Nachbarn auch gegen ein Russland wehren, das wieder versucht, Großmacht zu spielen.
Andrzej Wielowieyski (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Minister! Es ist ja erfreulich, dass Herr Swoboda den Dialog mit den Vereinigten Staaten fortführen möchte, aber kehren wir doch zum Thema zurück. Es steht außer Frage, dass beide Seiten, die Europäische Union und Russland, auf eine verlässliche, effektive Zusammenarbeit angewiesen sind – insbesondere im Bereich der Energieversorgung.
Ohne unsere technische Hilfe wäre Russland zur zweifelsohne gar nicht in der Lage, seine Ressourcen zu erschließen. Wir unsererseits benötigen die gemeinsame und effektive Energiepolitik, die uns bislang, wie in dieser Aussprache bereits gesagt wurde, gefehlt hat.
Was die Friedensbemühungen im Kaukasus anbelangt, ist es nicht minder wichtig, dass wir alle am gleichen Strang ziehen. Die Vereinbarungen zwischen den Präsidenten Sarkozy und Medwedew müssen nun – als unverzichtbares Zeichen des guten Willens und einer loyalen, glaubwürdigen Zusammenarbeit – umgesetzt werden, und zwar auch in Bezug auf den Truppenabzug aus Abchasien und Ossetien, wo sich die Zahl der russischen Soldaten in den vergangenen drei Monaten verdreifacht hat.
Die Verantwortung Russlands für die Lage in der Kaukasusrepublik liegt auf der Hand. Ganz offensichtlich hat seine militärische Präsenz in den vergangenen 16 Jahren nicht zu einer Entschärfung der Konflikte beigetragen. Vielmehr handelt es sich um ein Instrument der imperialistischen Politik dieser großen Nation, die versucht hat, aus diesen Konflikten Nutzen zu ziehen. Demnach sollte, wie einige meiner Kollegen bereits sagten, eine Verringerung der russischen Truppen in Abchasien und Ossetien auf die Stärke von vor dem Konfliktausbruch im August den Weg für effektive Verhandlungen frei machen.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). - (PL) Herr Präsident! Präsident Sarkozy sagte heute in diesem Haus, Russland sei seiner Verpflichtung nachgekommen, seine Truppen auf die Positionen von vor dem 7. August zurückzuziehen, und man könne die Beziehungen nun wieder normalisieren. Nichts wäre verheerender! Wir würden der Regierung der Russischen Föderation damit de facto die Gewissheit verschaffen, dass wir ihr so alles durchgehen lassen.
Es sei daran erinnert, dass derzeit noch 8 000 russische Soldaten in Abchasien und Südossetien stationiert sind – auch dort, wo sie bereits vor Konfliktausbruch waren. In grenznahen Dörfern ist es zu brutalen ethnischen Säuberungen gekommen, und abchasische Truppen halten den georgischen Teil des Kodori-Tals besetzt. Über 200 EU-Beobachtern wird bislang der Zugang zu den beiden Republiken verweigert, die Russland als souveräne Staaten anerkannt hat. Es scheint mir doch, dass all dies nur wenig mit der Lage vom 7. August 2008 zu tun hat.
Eine Normalisierung der Beziehungen steht außer Frage, solange sich Russland über seine Verpflichtungen hinwegsetzt. Andernfalls würde die EU zum Gespött der Weltöffentlichkeit und würde zeigen, dass sie früher oder später selbst die abenteuerlichsten russischen Aktionen legitimiert.
Bastiaan Belder (IND/DEM). - (NL) Herr Präsident! Angesichts der unilateral von Russland betriebenen Zerteilung Georgiens haben die EU-Mitgliedstaaten mangelnde Geschlossenheit an den Tag gelegt. Von einer konzertierten – geschweige denn entschlossenen – Reaktion auf die Machtspiele des Kremls kann keine Rede sein. Bleibt die grundlegende Frage: Was genau stellt sich die EU unter einer strategischen Partnerschaft mit der Russischen Föderation eigentlich vor? Mit anderen Worten: Ist Moskau für Brüssel wirklich ein unentbehrlicher Partner, oder treffe ich mit dieser Frage etwa einen wunden Punkt der EU-Politik?
Fakt ist, dass Russland bis heute eine effektive internationale Reaktion auf die Nuklearprogramme Irans und Nordkoreas sabotiert. Auch in dem blutigen Kampf gegen den islamistischen Terror, beispielsweise in Afghanistan, hat sich Moskau nicht eben als unabkömmlich erwiesen.
Allein im Bereich der Energieversorgung lassen die nackten Zahlen auf eine strategische, vielleicht sogar unentbehrliche, Partnerschaft zwischen der EU und Russland schließen: Derzeit beziehen die 27 EU-Mitgliedstaaten ihr Erdöl und Erdgas zu rund 70 % aus Russland. In ihrem eigenen Interesse sollte die EU diese eklatante Abhängigkeit so schnell wie möglich reduzieren. Schließlich räumt Moskau selbst ein, dass seine Energiereserven in 10 bis 15 Jahre erschöpft sein werden.
Den Rat und die Kommission möchte ich daher fragen: Wie sieht Ihre Strategie zur Diversifizierung der Energieversorgung aus? Bleibt zu hoffen, dass die jüngsten Erdgasfunde in Turkmenistan für etwas Dynamik sorgen.
Josef Zieleniec (PPE-DE). – (CS) Auf einem Sondergipfel am 1. September erklärte sich die Europäische Union bereit, die Verhandlungen mit Russland über ein neues Partnerschaftsabkommen fortzuführen, sobald die russischen Einheiten aus Georgien auf ihre Positionen vom 7. August zurückgezogen werden. Wenn sich die EU als konsequenter Partner zeigen möchte, der zu seinem Wort steht, kann es daher nur ein Kriterium für die Wiederaufnahme von Gesprächen geben: die Frage, ob die russischen Truppen hinter die Linien vom 7. August zurückgekehrt sind. Diese Bedingung hat Russland bislang nicht erfüllt. Wenn die Gespräche wieder aufgenommen werden, darf unter keinen Umständen der Eindruck entstehen, die EU billige Russlands Kaukasuspolitik oder seine De-facto-Blockade von Gesprächen über künftige Vereinbarungen für die Region. Daher müssen wir zwischen dem Beginn und der Fortführung der Gespräche eine klare Trennlinie ziehen.
Das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit ist von zentraler Bedeutung für die Festigung unserer Beziehungen zu Russland. Die EU und – meiner Meinung nach – mehr noch Russland ist auf das neue Partnerschaftsabkommen dringend angewiesen. Ein neues Abkommen, das den bestehenden Text qualitativ und quantitativ verbessert, ist sowohl Voraussetzung für solide Beziehungen zu Russland als auch ein Zeichen für die Qualität dieser Beziehungen. Daher müssen wir alles daran setzen, unseren Standpunkt und unsere Werte in den Verhandlungen zu verdeutlichen. Meines Erachtens sollte die Europäische Union wie zugesagt in Verhandlungen eintreten, sobald eine objektive, einhellige Feststellung vorliegt, dass Russland auf seine Positionen vom 7. August zurückgekehrt ist. Der weitere Verlauf der Gespräche muss dann jedoch zumindest von einer klaren Zusage Russland abhängen, dass es weder gegen Georgien noch gegen andere Nachbarstaaten Gewalt anwenden wird und Probleme im Hinblick auf unsere gemeinsamen Nachbarstaaten im Einvernehmen mit der Europäischen Union gelöst werden. Der Lackmustest für die Fortführung der Gespräche muss Russlands Bereitschaft sein, die Probleme des Kaukasus, der Ukraine und der Republik Moldau gemeinsam anzugehen, und nicht auf unilateraler Basis Gewalt einzusetzen.
Libor Rouček (PSE). – (CS) Wie auch der Rest der Welt steht Europa vor einer Reihe schwerwiegender globaler Probleme. Die Verbreitung von Kernwaffen, der internationale Terrorismus, die globale Erwärmung, ungelöste Konflikte in Nahost und Afghanistan sowie die weltweite Finanzkrise sind hier nur einige Beispiele. Keines dieser Probleme kann die Europäische Union im Alleingang lösen. Hierzu ist die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren – darunter Russland – erforderlich. Doch auch Russland ist auf Zusammenarbeit und Dialog angewiesen. Es benötigt Absatzmärkte für seine mineralischen Rohstoffe, muss aber im Gegenzug Technologie, Know-how, Konsumgüter und vieles andere aus dem Westen erwerben. Nur so hat Russland eine Chance, seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu modernisieren und allmählich umzugestalten. Kurz: Durch eine Zusammenarbeit eröffnen wir der Europäischen Union und der Russischen Föderation eine gemeinsame Zukunft. Dies erfordert jedoch einen Dialog, und zwar einen Dialog auf allen Ebenen – von der Energiepolitik über gegenseitige Investitionen hin zu Menschenrechten, Bürgerrechten und Demokratie.
Die Entscheidung der EU, die EU-Russland-Beziehungen im Vorfeld des Gipfels von Nizza noch weiter zu beobachten, halte ich für sinnvoll. Die EU hat klar ihre Bereitschaft signalisiert, die Gespräche mit Russland über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen wieder aufzunehmen. Voraussetzung dafür ist und bleibt jedoch, dass Russland die Vereinbarungen vom 12. August und 8. September erfüllt.
István Szent-Iványi (ALDE). – (HU) Herr Präsident! Die EU strebt eine Partnerschaft und Kooperation mit Russland an – doch wir können nur über eine Partnerschaft sprechen, wenn diese auf Gegenseitigkeit, Völkerrecht und der Einhaltung getroffener Vereinbarungen beruht. Russlands Vorgehen in Georgien hat die wichtigste psychologische Grundlage einer Partnerschaft zerstört: Vertrauen. Nur die vollständige Umsetzung des Sechs-Punkte-Plans kann dieses Vertrauen wiederherstellen. Hier sind keine Schritte nach vorn oder Fortschritte in die richtige Richtung gefragt, sondern eine konkrete, uneingeschränkte Erfüllung der Absprachen. Russland wird sich nun entscheiden müssen: Betrachtet es Europa als Partner, als Rivalen oder als Gegner? Wie immer Moskau diese Frage beantwortet, eines muss es wissen: Die Zukunft und Unabhängigkeit der Ukraine, Georgiens und anderer Nachbarstaaten darf nicht Gegenstand machtpolitischer Absprachen sein. Europa kann niemals einer erneuten Aufteilung des Kontinents wie seinerzeit bei der Konferenz von Jalta zustimmen. Uns ist es ernst mit einer Partnerschaft – allerdings mit einer Partnerschaft, die sich auf Gegenseitigkeit und beiderseitige Wertschätzung stützt. Ich danke Ihnen.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – Herr Präsident! Wie Frau Kommissarin Ferrero-Waldner vorhin zu Recht sagte, zeigen der russisch-georgische Krieg und seine Folgen die politische Notwendigkeit, die EU-Russland-Beziehungen einer ernsten Prüfung zu unterziehen. Zudem stehen einige wichtige Fragen im Raum, die Russland klar beantworten sollte, bevor wir zur politischen Tagesordnung zurückkehren können.
Europa muss gegenüber Russland eine neue, stärkere Stimme finden, denn Russland ist zu dem Ansatz der „Interessensphären“ aus dem 19. Jahrhundert – zu einer Doktrin der „Realpolitik“, um es auf den Punkt zu bringen – zurückgekehrt, wie die Erwähnung von „privilegierten Interessen“ in seiner Nachbarschaft bezeugen. Treibende Kräfte dieser Machtpolitik sind ein aggressiver Nationalismus in Russland und die Suche nach Feindbildern in Nachbarländern. Angesichts dessen muss Europa härtere Mittel einsetzen.
Europa ist in seiner Antwort auf den russisch-georgischen Konflikts und seine Folgen gespalten. Einige befürworten, in den Beziehungen zwischen der EU und Russland nun wieder den Alltag einkehren zu lassen, obwohl Moskau seinen Verpflichtungen zum Truppenabzug noch nicht in vollem Umfang nachgekommen ist und, was noch schwerer wiegt, Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten anerkannt hat. Zur Tagesordnung zurückzukehren, bevor Moskau seine Zusagen erfüllt hat, wäre fast schon Appeasement-Politik. Europa kommt an Russland nicht vorbei, doch wir müssen uns prinzipientreu und konsequent zeigen.
Unser Einfluss auf Moskau ist begrenzt. Dennoch wäre es Russland nicht gleichgültig, wenn der Weste geschlossen auftritt. Wie wichtig ihm internationales Ansehen ist, zeigt beispielsweise die Kontroverse um die G7/G8. Auch hat Moskau Interesse an technologischen Forschungsprogrammen, Handelsabkommen und Kernbrennstoffen gezeigt.
Schließlich muss die EU ihre Vision im Hinblick auf die Entwicklung der Partnerschaft mit Russland kraftvoll und konsequent vertreten.
Ioan Mircea Paşcu (PSE). – Herr Präsident, Herr Minister, Frau Kommissarin! Schon vor den Vorfällen in Georgien war es an der Zeit, die EU-Russland-Beziehungen zu überdenken. Fragen der Energieversorgung, der Sicherheit und der gemeinsamen Nachbarschaft müssen gemeinsam angegangen werden, was heute noch nicht der Fall ist. Die EU neigt nach wie vor dazu, bilateral statt multilateral zu handeln. Dies steht der Wirksamkeit unserer Ansätze entgegen. Hinzu kommt, dass sich Ost- und Westeuropa aufgrund unterschiedlicher historischer Erfahrungen nur schwer auf ein gemeinsames Russlandbild einigen können, was aber die Voraussetzung für einen gemeinsamen Standpunkt wäre. Um es ganz deutlich zu sagen: Uns Osteuropäern ist am wenigsten an einer Konfrontation mit Russland gelegen, da wir als Erste darunter zu leiden hätten. Dabei sind wir jedoch weniger bereit, russisches Fehlverhalten einfach zu ignorieren, weil wir unter einer Wiederholung wiederum als Erste zu leiden hätten.
Verallgemeinerungen sind falsch – gleich, in welcher Richtung. Einerseits wäre es falsch, unsere Beziehungen zu Russland nur noch im Licht des Georgien-Konflikts zu sehen. Andererseits aber sollten wir aus Sorge um die bilateralen Beziehungen auch nicht einfach über die Vorfälle in Georgien hinweggehen. Es besteht kein Grund, die Beziehungen zu Russland abzubrechen. Schließlich haben wir schon viel Schlimmeres erlebt. Wir brauchen einen ehrlichen Dialog auf der Basis unserer Stärken – wohl die einzige Sprache, die Russland versteht –, in dem wir Russland deutliche Grenzen setzen und Russland uns im Gegenzug endlich sagt, was es von uns erwartet. Ich hoffe, damit können beide Seiten leben.
Alexander Graf Lambsdorff (ALDE). – (DE) Herr Präsident! Es gibt eine Tradition europäischer Außenpolitik, die maßgeblich mitgeprägt worden ist von Hans-Dietrich Genscher, der selbst in den schwierigsten Zeiten des Kalten Kriegs noch einen Dialog mit der Sowjetunion führte, aber immer auf der Grundlage einer nüchternen Analyse der russischen Interessen. Für die Sowjetunion galt damals die Verteidigung des Status quo als oberstes Ziel, für Russland gilt heute als oberstes Ziel, den Status quo zu seinen Gunsten zu verändern. Das ist eine ganz andere Interessenlage. Es gibt ein objektives Interesse an eingefrorenen Konflikten, an Kritik an der Charta von Paris durch die Anerkennung von Abchasien und Südossetien. Es gibt ein Interesse daran. Es gibt ein Interesse an einer instabilen Ukraine.
Das ist alles nicht schön. Es ist eine Herausforderung für uns. Aber es ist viel weniger schlimm als die existenzielle Bedrohung durch die Sowjetunion, und selbst da hatten wir einen Dialog mit den Russen. Deswegen gilt für uns ganz klar: Wir wollen keine Rhetorik des Kalten Kriegs, aber wir wollen auch keine Naivität. Wir wollen einen kritischen Dialog mit Moskau. Wir sagen Ja zum langfristigen Ziel der strategischen Partnerschaft, aber Nein zur naiven Annahme, wir seien an diesem Ziel bereits angekommen.
Im Übrigen würde ich mich freuen, wenn wir diese Debatte in Brüssel führen würden und nicht in Straßburg.
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Russland ist ein wichtiger globaler Akteur und ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats. Es verfügt über ein gewaltiges Kernwaffenarsenal, ein enormes Staatsgebiet und reiche Bodenschätze, darunter Erdgas und Erdöl. Nur gemeinsam mit Russland können wir uns globalen Herausforderungen wie dem Friedensprozess in Nahost, der iranischen Nuklearfrage, der organisierten Kriminalität, dem Terrorismus, dem Klimawandel oder der Verbreitung von Kernwaffen stellen.
Daher dürfen wir, so meine ich, Russland nicht isolieren, sondern müssen uns vielmehr um Dialog und Zusammenarbeit bemühen. Doch auch Beziehungen auf einer ambitionierteren Ebene sind nicht ausgeschlossen. Schließlich ist die Russische Föderation ein europäischer Nachbarstaat, der sich nach langen Jahren des Totalitarismus und der Zentralwirtschaft im vergangenen Jahrzehnt auf den Weg der Demokratie, der Menschenrechte und der Marktwirtschaft begeben hat.
Wenn sich Russland weiterhin zu diesen Idealen bekennt, können wir enge, wahrhaft nachbarschaftliche und partnerschaftliche Beziehungen auf der Basis gemeinsamer Grundwerte ins Auge fassen. Die Krise in Georgien war in der Tat schwer wiegend. Wir als Europäische Union haben uns den Grundsätzen der Gewaltlosigkeit, der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität von Staaten sowie der Einhaltung internationaler Abkommen nach Treu und Glauben verschrieben.
Russlands Verhalten im vergangenen Sommer widersprach diesen Grundsätzen. Ferner hat Russland, so scheint mir, die Vereinbarungen vom 12. August und vom 8. September nicht vollkommen zufrieden stellend umgesetzt – möglicherweise unter Ausnutzung einiger unklarer Formulierungen.
Auch die Genfer Konferenz lässt sich bisher nicht allzu gut an. Wenn Russland an einer vertrauensvollen Beziehung mit einer echten Zusammenarbeit mit uns, der EU, gelegen ist, muss es sein Verhalten der letzten Monate ändern. Zudem muss es auch im eigenen Land Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit wahren – Grundsätze, für die Präsident Medwedew selbst in seiner Antrittsrede eingetreten ist.
Meine Damen und Herren! Wir stehen meines Erachtens an einem Wendepunkt. Wir müssen wachsam sein und uns bemühen, Russland zu überzeugen, dass eine enge, vertrauensvolle Beziehung zwischen echten Partnern und europäischen Nachbarn gemeinsame Grundsätze und Regeln erfordert.
Kristian Vigenin (PSE). - (BG) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Allein die Häufigkeit, mit der wir uns hier in diesem Haus mit den Beziehungen zu Russland befassen, zeigt die Bedeutung dieses Themas – nicht nur für die Organe, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union. Ich begrüße Ihre Sichtweise, Frau Kommissarin, denn wir müssen uns den Tatsachen stellen. Wir müssen uns bewusst sein, dass eine offene Konfrontation mit Russland mit erheblichen Risiken verbunden wäre. In jedem Konflikt steckt auch eine Chance, denn wir können daraus für die Zukunft lernen. Dabei unterschätzen wir jedoch keineswegs die Schwere der Militäroperation in Georgien. Eine Politik der Prävention ist die einzige Möglichkeit, ähnliche Entwicklungen in benachbarten Staaten zu verhindern.
Vor zwei Monaten fragte ich Herrn Solana, welche Entwicklung Russlands Verhalten wohl nach dem Georgien-Konflikt nehmen wird: aufgeschlossener und kompromissbereiter oder noch provokativer und rücksichtsloser? Natürlich blieb er mir die Antwort schuldig, aber heute kann ich selbst den Schluss ziehen, dass das negative Szenario nicht eintreten wird. Viel hängt jedoch auch von unserem eigenen Verhalten ab. Unsere gegenwärtige Herausforderung sehe ich darin, neue, pragmatische Beziehungen mit Russland aufzubauen, ohne die Grundwerte der EU zu kompromittieren. Dazu benötigen wir eine klare Strategie, die dafür sorgt, dass jedem Schritt zur Vertiefung der wirtschaftlichen, energiepolitischen und außenpolitischen Zusammenarbeit, jedem Schritt zur Bewältigung anstehender Herausforderungen ein Schritt zur Förderung der Menschenrechte und zur Demokratisierung in Russland folgt.
Abschließend möchte ich sagen, dass wir uns vorrangig mit Themen befassen sollten, die geeignet sind, Russland für Politikbereiche von beiderseitigem Interesse – eine Aufzählung würde hier zu weit führen – zu gewinnen. Der gegenwärtige Ansatz der Kommission und des Rates erscheint mir aussichtsreich, und ich rechne damit, dass er fortgesetzt wird.
Ich danke Ihnen.
Toomas Savi (ALDE). - Herr Präsident! Das Europäische Parlament ist das einzige EU-Organ, das direkt von den Bürgerinnen und Bürgern Europas gewählt wird. Aus diesem Grund wird es auch als das Gewissen Europas bezeichnet. Dieses Gewissen wurde im Lauf der Jahre durch die von Russland provozierten Konflikte jedoch stark strapaziert. Denken wir nur einmal an den Krieg in Tschetschenien, die Vorfälle in der Ukraine, die Lkws, die wochenlang an den finnischen, estnischen und lettischen Grenzen blockiert waren, den eingefrorenen Konflikt in Transnistrien, die Cyber-Angriffe auf Estland oder das Einfuhrverbot für polnisches Fleisch. Zu alldem kommt jetzt noch Russlands Angriff auf Georgien.
Ich bin besorgt über die Zurückhaltung der EU. Statt Sanktionen aufs Tapet zu bringen, redet man um den heißen Brei herum. Damit ermutigen wir Russland, sich auch weiterhin verantwortungslos zu verhalten. Ich finde, ein reines Gewissen in Bezug auf Russland ist kein Luxus, den sich die EU nicht leisten kann.
Ari Vatanen (PPE-DE). - Herr Präsident! Nächste Woche beginnt der Bau einer Formel-1-Strecke in Moskau. Bei solchen Projekten gibt es kein Wenn und Aber: Man muss sich an den Bauplan halten. Auch wir hier in diesem Haus haben ein großes Vorhaben: Wir gelten als Erbauer der Demokratie. Vielleicht sollten wir weniger von den EU-Russland-Beziehungen als von den Beziehungen zwischen der EU und dem Kreml reden, denn die Führung im Kreml wird sich eines Tages ändern – und zwar hoffentlich zum Guten.
Selbstverständlich möchten wir Russland – und den Kreml – einbeziehen. Das steht nicht zur Debatte, doch die Frage muss lauten: zu wessen Bedingungen? Sicherlich nicht zu denen der anderen Seite! Vielmehr muss sich die Zusammenarbeit auf gemeinsame Bedingungen und universelle Werte stützen. Unser Auftrag ist, die Grundfesten der EU zu verteidigen. Jeder Pfadfinder weiß, dass er sich an die Pfadfinderregeln zu halten hat. Wenn wir die momentanen – wie soll ich sagen – Gepflogenheiten des Kreml-Regimes hinnehmen, berauben wir die EU gewissermaßen ihrer Existenzberechtigung. Zudem lassen wir das russische Volk im Stich, denn wir müssen demokratische Kräfte auf der ganzen Welt unterstützen. Keine Doppelmoral! Wir müssen den Menschen, die für die Grundwerte kämpfen, Hoffnung geben. Das ist unsere Pflicht und Schuldigkeit.
Sollte Russland eines Tages demokratisch werden, müssen ihm sämtliche internationale Strukturen offen stehen. Wie bereits unsere Vorväter müssen wir unseren Blick weit in die Zukunft richten. Warum sollte Russland nicht eines Tages einer reformierten EU oder NATO angehören? Man weiß ja nie. Die Herren Monnet und Schuman handelten überaus weitsichtig. Das ist der richtige Weg. Damit es nicht gar zu ernst wird, möchte ich unsere Beziehungen mit einer russischen Anekdote auf den Punkt bringen: Sagt das Huhn zum Schwein: „Lass uns ein Unternehmen gründen: Machen wir einen Frühstücksservice auf! Ich bringe die Eier, du den Schinken.“
Katrin Saks (PSE). - (ET) Eines ist klar: Von einer Wiederherstellung oder Verbesserung der Beziehungen zu Russland kann keine Rede sein, solange es an gegenseitigem Vertrauen mangelt. Vertrauen aber kann nur entstehen, wenn der Friedensplan vollständig umgesetzt wird. Ich sehe die Beziehungen zu Moskau aus zwei Perspektiven. Aus der Sicht der Mitgliedstaaten leuchtet es mir durchaus ein, dass es sinnvoller ist, strittige Themen auszudiskutieren, als den Kontakt abzubrechen. Auf EU-Ebene aber sollten auch die Wünsche und Ängste von uns kleineren Staaten, die wir eine andere Geschichte haben, berücksichtigt werden. Russland sollte nicht ausschließlich im Spiegel von Menschenrechtsverletzungen oder einer aggressiven Außenpolitik gesehen werden. Ebenso falsch wäre es jedoch, bei den Interessen der Europäischen Union die schwächeren, also die osteuropäischen Länder, außer Acht zu lassen.
Mir hat gefallen, wie der konservative französische Präsident Nicolas Sarkozy heute Vormittag die Notwendigkeit eines Dialogs – im Gegensatz zu einem Gegenangriff – betont hat. Er erinnerte uns daran, dass erst der Besuch in Moskau, den viele zunächst für unnütz hielten, den russischen Vormarsch gestoppt hat. Gewiss brauchen wir keinen neuen Kalten Krieg, doch wir müssen unsere europäischen Prinzipien der Souveränität, der territorialen Integrität, der Grundwerte und der Demokratie verteidigen.
Ich rufe die Europäische Union auf, auch weiterhin eine nachhaltige Außenpolitik gegenüber Russland zu verfolgen und die Kontakte nicht abzubrechen. Als Abgeordnete ist es unsere Pflicht, Spannungen abzubauen. Wir benötigen Diplomatie, und zwar auch eine Diplomatie an der Basis. Das sehr erfolgreiche russische Theaterfestival, das soeben in meinem Land, Estland, zu Ende ging, ist hier ein hervorragendes Beispiel. Gleichzeitig aber möchte ich an die politische Führung Europas, die Präsidentschaft der EU und die Fraktionschefs des Europäischen Parlaments appellieren, nicht die Ängste und Schrecken zu vergessen, die Russlands aggressive Politik in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor auslöst. Ganz offensichtlich fehlt es in den EU-Russland-Beziehungen derzeit an Vertrauen und gegenseitiger Achtung. Der Grund ist ...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Jerzy Buzek (PPE-DE). - (PL) Vielen Dank für die Gelegenheit zu dieser Aussprache! Ich bin überzeugt, dass wir alle in diesem Parlament letztlich das Gleiche wollen. Wir suchen die Zusammenarbeit mit Russland, und wir wünschen eine stabile, berechenbare politische Lage in Europa. Auch Russland ist auf uns, die Europäische Union, angewiesen – nicht nur als Absatzmarkt für Erdgas und Erdöl, sondern vor allem auch angesichts seiner innen- und außenpolitischen Probleme. Russland braucht unsere Stabilität, unser Verantwortungsbewusstsein und unsere Stärke. Was also unterscheidet uns in der heutigen Aussprache? Ganz einfach: die Art und Weise, wie wir in unseren Beziehungen zu Russland auf die Ziele der Europäischen Union hinarbeiten möchten – nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf die Achtung unserer Grundsätze und unseres Wertesystems.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung erzählen. 2001 stand in den russisch-polnischen Beziehungen alles zum Besten, und der polnische Außenminister wurde mit militärischen Ehren in Moskau empfangen. Bei einem Besuch des russischen Ministerpräsidenten in Warschau standen wichtige Aspekte unserer gegenseitigen Beziehungen – insbesondere im Energiebereich – auf der Tagesordnung. Schließlich wurde sein Aufenthalt sogar um einen Tag verlängert – ein wirklich ungewöhnlicher Schritt. All dies geschah, obwohl Polen noch nicht einmal zwei Jahre zuvor, 1999, etwa ein Dutzend russische Diplomaten, die in verschiedene wenig diplomatische Machenschaften verstrickt gewesen waren, des Landes verwiesen hatte. Es folgte eine kurze Verstimmung, bis Russland schließlich einsah, dass Gespräche und gemeinsame Maßnahmen mit uns der Mühe wert sind. Warum? Weil uns das Bewusstsein, im Recht zu sein, die Kraft gibt, uns zu behaupten.
Die Russen sind ein stolzes Volk mit großen Traditionen. Bei ihrem Gegenüber schätzen sie Entschlossenheit und Stärke mehr als ausschweifende Begründungen nach dem Motto „Schwarz ist nicht ganz Schwarz“. Wenn wir also eindeutig im Recht sind, kommt nur eine harte, entschlossene Linie infrage.
Maria-Eleni Koppa (PSE). - (EL) Herr Präsident! Heute steht die Europäische Union vor der Herausforderung, ihre Beziehungen zu Russland wiederherzustellen. Die Achtung der Menschenrechte und die Wahrung des Völkerrechts müssen das Fundament dieser Beziehungen bilden. Angesichts der internationalen Entwicklungen müssen wir eine neue strategische Partnerschaft mit Russland eingehen. Ein geeintes Europa ohne die Trennlinien der Vergangenheit – das ist unser oberstes Ziel.
Im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik gilt es, in enger Zusammenarbeit auf eine Stabilisierung der Region hinzuwirken – denn ohne Russland besteht keine realistische Aussicht, auch nur einen der eingefrorenen Konflikte im Kaukasus beizulegen. Wir wollen gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme, eine schnellstmögliche Fortsetzung der Partnerschaftsverhandlungen und einen Dialog im Geiste des gegenseitigen Verständnisses und Respekts. Nur so besteht Hoffnung, unsere Probleme – auch die schwierigsten – in beiderseitigem Interesse zu lösen. Auch für die innere Stabilität in Europa als Ganzes ist dies eine Voraussetzung.
Den Ländern des Kaukasus und den Vereinigten Staaten müssen wir vermitteln, dass die transatlantischen Beziehungen Europas im weiteren Sinn einhergehen mit einer Normalisierung der Beziehungen zu Moskau. Wenn es uns mit kollektiver Sicherheit ernst ist, so ist die Zusammenarbeit und Mitwirkung aller gefragt. Andernfalls werden wir unweigerlich zu einer Mentalität des Kalten Krieges zurückkehren.
Gunnar Hökmark (PPE-DE). - (SV) Herr Präsident! Immer wieder mussten die europäischen Grenzen infolge von Kriegen und bewaffneten Angriffen neu gezogen werden. Mit der jüngsten Aktion hat Russland gezeigt, dass es nicht davor zurückschreckt, seine politischen Ziele mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Vergessen wir in unserer heutigen Aussprache nicht diesen Punkt, der sich sowohl auf unser Russlandbild als auch auf die diversen Voraussetzungen für eine künftige Zusammenarbeit auswirken muss. Was Vergleiche mit anderen Tatbeständen anbelangt, ist meiner Meinung nach Zurückhaltung geboten. Herr Swoboda, bitte ziehen Sie nicht den Irak heran! Das war eine Diktatur der übelsten Sorte, die mit der Völkergemeinschaft in Konflikt stand. Wir können über die Vorfälle unterschiedlicher Meinung sein, aber ein Vergleich zwischen Irak und einer souveränen europäischen Demokratie ist unangebracht.
Das Vorgehen gegen Georgien ist unentschuldbar. Versuchen wir also besser gar nicht erst, es zu rechtfertigen. Weder Russland noch irgendjemand sonst hat berechtigte Sicherheitsinteressen in einem anderen europäischen Land. Dies muss der Ausgangspunkt jeder europäischen Zusammenarbeit sein. Andernfalls fehlt es an einer gemeinsamen Basis für eine Kooperation, und weiterer Gewalt ist Tür und Tor geöffnet.
In einer Reihe von wichtigen Bereichen der Zusammenarbeit muss Russland einbezogen werden, beispielsweise der Energiesektor, der Iran und der Klimawandel. Europa und die Europäische Union sollten meines Erachtens offen für eine Kooperation sein, jedoch keinen Zweifel an den entsprechenden Voraussetzungen lassen. Bereitschaft zur Zusammenarbeit und eine klare Linie bezüglich der Vorbedingungen müssen Hand in Hand gehen. Auf diese Weise können wir Russland zudem helfen, die Akzeptanz für demokratische Werte und die Achtung der Grundrechte zu entwickeln. Dies muss das Fundament der europäischen Russlandpolitik bilden.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). - (EL) Herr Präsident, Herr Minister, Frau Kommissarin! Ich verstehe, warum so viele Kolleginnen und Kollegen gegen Russland Stellung beziehen. Der Grund ist eine leidvolle Geschichte. In Griechenland wütete ganze vier Jahre lang ein Bürgerkrieg, der zahlreiche Todesopfer forderte.
Wir können also nicht nur zurückblicken. Wir müssen auch sehen, in welchen Punkten Russland im Recht ist. Haben wir Putins Warnung vergessen, dass die Anerkennung des Kosovo Gegenreaktionen auslösen würde? Haben wir vergessen, dass Bush das Versprechen der Vereinigten Staaten an Russland brach, es werde nicht zu einer weiteren Osterweiterung der NATO kommen?
Nur eine Strategie kann für uns in Betracht kommen, nämlich diejenige, die Präsident Sarkozy heute formuliert hat, als er sagte, es sei unverantwortlich, eine Krise in den EU-Russland-Beziehungen zuzulassen.
Adrian Severin (PSE). - Herr Präsident! Russland ist nicht mehr der sowjetische Gegenspieler des freien, demokratischen Europas, doch es ist auch noch nicht der strategische Partner der Europäischen Union. Diesen Zwiespalt müssen wir überwinden. Russland ist zu groß, um isoliert zu werden, und zu bedeutend, als dass wir ihm die kalte Schulter zeigen könnten. Die EU muss sich diesen Tatsachen stellen.
Die geopolitischen Krisen im Südkaukasus und auf dem Westbalkan haben die Neigung Russlands und der euro-atlantischen Demokratien gezeigt, jeweils im Alleingang und ohne Rücksicht auf die Interessen des anderen unilateral vorzugehen.
Andererseits hat die derzeitige weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise die gegenseitige Abhängigkeit von Russland und der EU hervorgehoben. Daher ist es an der Zeit für eine neue Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im größeren Europa – nun von Vancouver bis Schanghai. Es gilt, die Grundsätze und Regeln der internationalen Beziehungen und das Völkerrecht der zwischenstaatlichen Einrichtungen umzugestalten ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Bogusław Rogalski (UEN). - (PL) Schritt für Schritt erlangt Russland wieder die Kontrolle über seine Nachbarn und setzt seine außenpolitischen Ziele um. Die Welt wird vor vollendete Tatsachen gestellt, während Europas Politiker ein Bild der Heuchelei und Schwäche liefern. Der französische Präsident überstürzte sich geradezu in seinem Lob für Russland – das derweil noch immer in den abtrünnigen Gebieten Georgiens militärisch präsent ist und diese zudem als unabhängige Staaten anerkannt hat. Die deutsche Bundeskanzlerin wiederum ließ es sich bei einem Besuch in Tiflis nicht nehmen, Georgien einen Beitritt zur NATO in Aussicht zu stellen. Wenige Wochen später versicherte sie Präsident Medwedew jedoch, dass es keinen Grund zur Eile gebe.
So viel Loyalität wurde von Russland umgehend belohnt. Die deutsche Firma E.ON erhielt Zugang zu den sibirischen Erdgasreserven und dem Energiemarkt, und die beiden Länder einigten sich auf den gemeinsamen Bau einer Pipeline zum Transport von Erdgas durch die Ostsee. Der französische Präsident war auch nicht eben zurückhaltend und unterzeichnete in Moskau Milliardenverträge über die Modernisierung des russischen Eisenbahnnetzes. Der absolute Tiefpunkt des europäischen Verhaltens war erreicht, als Präsident Sarkozy sagte, man müsse Russland den Schutz seiner eigenen Staatsbürger zugestehen.
Weiß der Ratspräsident etwa nicht, dass Russland diesen Trick bereits mehrfach angewendet hat? Wir haben es mit einem neuen Jalta zu tun ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Der Präsident. – Meine Damen und Herren! Ich muss schon sagen, wenn alle so schnell sprächen wie der Vorredner, müssten wir auf die Verdolmetschung verzichten, denn mit diesem Tempo kann natürlich kein Dolmetscher Schritt halten. „Catch the eye“ ist nicht als cleveres Mittel gedacht, sich Gehör zu verschaffen, wenn Ihnen keine Redezeit zugeteilt wurde. Wir werden das Verfahren vor das Präsidium bringen, weil es zu sehr überhand nimmt. Bei 14 oder 15 derartigen Wortmeldungen bleibt einfach nicht genug Zeit für alle. In jedem Fall möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie bei einem zu schnellen Sprechtempo nur noch für sich selbst und Ihre Landsleute reden. Kein Dolmetscher kann da noch mithalten.
Christopher Beazley (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte der Frau Kommissarin drei Fragen stellen. Erstens: Nach Herrn Hökmark hat sie sich für die Wiederaufnahme der Verhandlungen ausgesprochen. Welche EU-Interessen wird sie genau bei diesen Gesprächen verfolgen? Wird sie verlangen, dass sich die russischen Truppen – 8 000 Soldaten befinden sich noch auf georgischem Gebiet – zurückziehen, insbesondere aus dem Kodori-Tal, das reguläre abchasische Truppen Georgien völkerrechtswidrig abgerungen haben?
Zweitens: Wird Russland einen finanziellen Beitrag zur Wiedergutmachung der Schäden leisten, die seine Truppen der georgischen Zivilbevölkerung und Infrastruktur zugefügt haben?
Und schließlich: Während Saakaschwili Unmäßigkeit vorgeworfen wird, liegen ihr auch Informationen vor, wonach 400 russische Panzer ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Miloš Koterec (PSE). – (SK) Wir sehen diese Angelegenheit unter den falschen Vorzeichen – als wäre Russland unser Gegner. Wie bereits wiederholt gesagt wurde, haben wir mit Russland zahlreiche strategische Interessen gemeinsam. Die Globalisierung ist eine Tatsache. Wir sollten uns einmal das Ausmaß der realen Risiken für die Zukunft, für Frieden, Entwicklung und letztlich unseren Fortbestand vor Augen führen.
Ich stimme zu: Verurteilen wir die Überreaktion in Georgien und ein solches Verhalten im Allgemeinen. Was aber war denn eigentlich zu erwarten? Wir kritisieren und reagieren, aber wir sollten auch mit Russland als gleichwertigem und möglicherweise strategischem Partner zusammenarbeiten. Lassen Sie uns auf dem Gipfel im November konkrete Vorschläge unterbreiten. Wenigstens setzen wir uns so für unsere eigenen Interessen ein.
Reinhard Rack (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! Die bisherige Debatte hat sehr deutlich gezeigt, dass wir jede Menge Berührungspunkte mit Russland haben, und viele dieser Berührungspunkte haben sich wohl auch als Konfliktpunkte dargestellt: die Situation im Kaukasus, Georgien, die Frage des Energiethemas ist mehrfach angesprochen worden, und zuletzt auch hier wieder und zu Recht die Frage der gemeinsamen Interessen in der Finanzkrise.
Mein Anliegen an die Kommission, an den Rat wäre es – und ein bisschen ist das ja auch bei Präsident Sarkozy angesprochen worden –, dass Europa ein bisschen aus der Rolle der permanenten Reaktion herauskommt und versucht, aktiv und proaktiv von sich aus eine Reihe für uns wichtiger Themen in das Gespräch einzubringen. Ein konstruktiver Dialog mit Russland ist angesagt, aber er sollte nicht nur immer durch Aktionen der einen Seite vorherbestimmt sein.
Tunne Kelam (PPE-DE). - Herr Präsident! Das Hauptproblem ist für mich nicht Russland, sondern die gespaltene Persönlichkeit der EU – ihre Differenzen im Hinblick auf Werte, Verlockungen und der Notwendigkeit, zum Tagesgeschäft überzugehen. Die Lösung besteht darin, überzeugend zu zeigen, dass es der EU mit der Umsetzung ihrer universellen Werte ernst ist – denn es geht hier nicht um Werte der EU oder Russlands – und sicherzustellen, dass es in Europa nie wieder zu Invasionen wie der in Georgien kommt. Georgien ist ein Teil Europas.
Wie können wir dies erreichen? Ganz sicher nicht, indem wir um den heißen Brei herumreden, wie Herr Savi bereits sagte, sondern nur, indem wir unmissverständlich darlegen, wie wir Dinge dieser Art künftig vermeiden wollen.
Meine Frage bezieht sich auf die Geberkonferenz. Sollten wir von Russland einen finanziellen Beitrag verlangen ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). - (PL) Die Verbesserung der Beziehungen zur Russischen Föderation ist für die Europäische Union eine enorme Herausforderung. Russland zählt zu unseren mächtigsten Partnern in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht.
Die jüngsten Vorfälle in Georgien haben unserem Vertrauen in unseren östlichen Nachbarn erheblich geschadet. Die russische Außenpolitik lässt keinen Zweifel an den Absichten des Kremls. Ziel ist die Wiedergewinnung eines kolossalen Weltreichs – wenn nötig unter Missachtung internationaler Abkommen. Moskau hat seine Einflusssphäre klar abgesteckt, was die EU in eine überaus heikle Lage gebracht hat. Erfreulicherweise gelang es ihr, mit einer – wenn auch einer eher gedämpften – Stimme zu sprechen.
In der Folge des Georgien-Konflikts sollten wir uns überlegen, wie wir gegenüber Russland auch weiterhin Konsequenz zeigen können. Die Sicherheitspolitik ist ein Bereich mit dringendem Handlungsbedarf.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Charles Tannock (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte Herrn Sarkozy meine besondere Anerkennung aussprechen. Im Namen der französischen Ratspräsidentschaft hat er dafür gesorgt, dass mit dem Truppenabzug aus Georgien 90 % des Sechs-Punkte-Plans umgesetzt wurden. Ich habe den Eindruck, dass die russische Führung unter Putin und Medwedew ihre Überreaktion in Georgien nun doch noch als Fehler erkennt, denn ohne gute Beziehungen zum Westen droht Russland ein wirtschaftlicher Zusammenbruch. Hinzu kommt: Nur Venezuela, Nicaragua und die Terrororganisation Hamas haben sich zur Anerkennung von Südossetien und Abchasien bereitgefunden – nicht eben ein Ruhmesblatt für die Regierung. Selbst engste Verbündete, wie etwa Belarus und Usbekistan, haben sich dem Druck widersetzt und Russlands neu entdeckter Begeisterung für das Prinzip der Selbstbestimmung – in Tschetschenien konnte davon noch keine Rede sein – die Unterstützung verweigert.
Russland wird erkennen müssen, dass die Einflusssphären des 19. Jahrhunderts in der modernen Welt ausgedient haben. Konkret heißt das: Hände weg von der Ukraine – und insbesondere von der Krim –, von der Republik Moldau und den Republiken des Südkaukasus! Moskau muss die territoriale Integrität dieser Staaten respektieren ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Dass wir hier in diesem Haus unterschiedlichste Standpunkte zu hören bekommen, liegt in der Natur der Europäischen Union. Diese Aussprache – und es freut mich, das sagen zu können – war von hoher Qualität, mit Ausnahme des Beitrags von Herrn Batten, der mich persönlich bestürzt hat. Alle übrigen Wortmeldungen waren jedoch völlig angebracht. Mein Dank gilt nicht zuletzt Frau Neyts und Herrn Couteaux für ihre Lektüreempfehlung – eine interessante Möglichkeit, die Beziehungen zwischen Napoleon und Russland von einer neuen Warte zu betrachten und, insbesondere für Frau Ferrero-Waldner und mich, uns auch über jene zwischen Österreich und Russland fortzubilden.
Um nun zu dem Konflikt und seinen Ursachen zu kommen, möchte ich in Bezug auf die EU-Präsidentschaft drei Bemerkungen machen. Erstens: Natürlich war die Anwendung von Gewalt ein Fehler. Zweitens: Russland hat überreagiert. Wie aber einige von Ihnen bereits sagten: Eine Reaktion setzt eine vorhergehende, wie auch immer geartete Aktion voraus. An der Unverhältnismäßigkeit der Reaktion ändert dies jedoch nichts. Und drittens: Die Europäische Union tritt für eine unabhängige internationale Untersuchung des Konflikts und seiner Ursachen ein.
Zum Ausmaß des russischen Truppenabzugs und der Stabilität im Kaukasus möchte ich zudem sagen, dass wir wiederum auch nicht so tun sollten, als hätte es gar keine Fortschritte gegeben. Es wurde gesagt, die Präsidentschaft verhalte sich so, als seien die Beziehungen normal. Ich meine, es hat seit August durchaus Fortschritte gegeben. Vor zwei Monaten hatten wir es mit einem bewaffneten Konflikt zu tun, und am 10. Oktober wurden wir Zeugen des russischen Abzugs aus den angrenzenden Gebieten – in der Tat ein entscheidender zusätzlicher Schritt, wie ich bereits sagte.
Dass Russland damit noch nicht all seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, ist uns voll und ganz bewusst – das sage ich insbesondere denjenigen unter Ihnen, die die Probleme in der Region Achalgori angesprochen haben. In dieser Phase ist es jedoch das Wichtigste, einen politischen Prozess einzuleiten, wie es momentan bei den Verhandlungen in Genf versucht wird. Die Botschaft der Europäischen Union lautet: Es darf auf diesem Kontinent keine Einflusszonen mehr geben. Die EU und Russland haben eine gemeinsame Nachbarschaft. Schon in deren Interesse müssen wir unsere Gegensätze überwinden und uns um Zusammenarbeit bemühen.
Was die Wiederaufnahme der Partnerschaftsverhandlungen anbelangt, so möchte ich anmerken, dass die Gespräche nicht ausgesetzt, sondern vertagt wurden – und zwar aus den rechtlichen Gründen, die heute Vormittag bereits genannt wurden. Wie der Europäische Rat am 15. Oktober erklärte, wird die Einschätzung, um die die Kommission und der Rat ersucht wurden, bei der Fortführung der Verhandlungen berücksichtigt werden – ein, wie im Übrigen auch Frau Neyts sagte, völlig logisches Vorgehen. Dabei ist es wichtig, zwischen der Wiederaufnahme der Verhandlungen und dem EU-Russland-Gipfel am 14. November zu unterscheiden. Letzterer wird stattfinden – und das ist, wie nicht zuletzt diese Aussprache gezeigt hat, wichtiger denn je. Verhandlungen über das Partnerschaftsabkommen sind auf dem Gipfel selbst jedoch nicht vorgesehen.
Nun einige Worte zu der mehrfach angesprochenen Interdependenz. Es ist völlig richtig, diesen Begriff weit zu fassen. Eine Verflechtung besteht in allen Bereichen. In der Energiepolitik würde ich bei einigen Mitgliedstaaten sogar von einer Abhängigkeit sprechen, die wir durch eine Diversifizierung der Energieversorgung abbauen müssen. Auch im Bereich der internationalen Sicherheit sind wir voneinander abhängig – und aus eben diesem Grund muss die Europäische Union auf die Vorschläge des russischen Präsidenten, Herrn Medwedew, zu einem neuen europäischen Sicherheitsrahmen eingehen, auch wenn die Europäische Union nicht unbedingt den Standpunkt Russlands teilt.
In diesem Zusammenhang möchte ich, wie das einige von Ihnen bereits getan haben, unser Festhalten an der Schlussakte von Helsinki und der Charta von Paris unterstreichen – Dokumente, die Russland, Herr Onyszkiewicz hat es völlig zu Recht betont, ebenfalls unterzeichnet hat. Eine nüchterne Analyse unserer Beziehungen zu Russland – auch in diesem Punkt kann ich mich vielen meiner Vorredner nur anschließen – ist in diesem Kontext dringend erforderlich. Von einer Rückkehr zum Kalten Krieg kann ebenso wenig die Rede sein wie von Zugeständnissen, was unsere Werte und Grundsätze anbelangt. Für diese Gratwanderung aber ist ein Dialog mit Russland wichtiger denn je.
Mein Dank gilt all jenen, die die Arbeit der französischen EU-Präsidentschaft anerkannt haben – insbesondere Herrn Wielowieyski und Herrn Tannock. Die Präsidentschaft hätte niemals so wirkungsvoll agieren können – und dies soll mein letzter Punkt sein –, wenn nicht alle Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und dieses Parlament hinter ihr gestanden hätten. Für Russland gäbe es wohl keine bessere Möglichkeit zur Schwächung der Europäischen Union, als ihren Zusammenhalt zu untergraben.
Angesichts der starken Polarisierung zwischen den neueren und den älteren Mitgliedstaaten muss betont werden, dass es – und diese Aussprache hat es deutlich gezeigt – im Umgang mit dem Georgien-Konflikt und im Dialog mit Russland heute mehr denn je auf die Geschlossenheit der EU ankommt: Geschlossenheit hinsichtlich der Verurteilung der Gewalt der Konfliktparteien und der Verletzung der territorialen Integrität, Geschlossenheit bei unseren Maßnahmen – d. h. der Stationierung ziviler Beobachter vor Ort – und schließlich auch Geschlossenheit bei der Bestimmung unserer Interessen – insbesondere in den Bereichen Energie und internationale Sicherheit. Diese Geschlossenheit ist es auch, in der wir zu gegebener Zeit die Verhandlungen über ein Abkommen mit Russland wieder aufnehmen werden.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Dies war eine hochinteressante Aussprache, die jedoch – ähnlich wie auch die Gespräche im Rat – durch ein breites Spektrum von Standpunkten und Aspekten gekennzeichnet war. Dass Allerwichtigste ist, darin kann ich unserem Ratspräsidenten und Freund nur zustimmen, mit einer – und zwar mit einer starken – Stimme zu sprechen. Dies sollten wir auch beim nächsten europäischen Gipfeltreffen mit Russland beherzigen.
Wo liegen unsere Interessen? Ich denke, ich habe dies bereits in meiner ersten Rede dargelegt. Angesichts unserer starken gegenseitigen Abhängigkeit stellen Wirtschaft und Energieversorgung wichtige Interessenbereiche dar, doch auch globale Herausforderungen sind von Bedeutung. Sie wurden bereits genannt: Klimawandel, Energiesicherheit und die Vorbereitung einer Übereinkunft in Kopenhagen, außerdem Iran und Nahost. An all diesen Bereichen – dies sei noch einmal betont – besteht ein klares Interesse.
Die kommende Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ am 10. November ist von zentraler Bedeutung. Ich hoffe, dass wir uns auf die Fortführung der Verhandlungen über das neue EU-Russland-Abkommen, die ja nur vertagt wurden, verständigen werden. Der Präsident hat sich diesbezüglich klar geäußert. Ich halte Verhandlungen tatsächlich für den besten Weg, wobei wir allerdings auch Härte zeigen müssen. Klar ist zudem: Wir müssen Russland so nehmen, wie es ist, und nicht, wie wir es gerne hätten. Das bedeutet, dass auch Menschenrechte, wie heute erwähnt, und all unsere Differenzen zur Sprache kommen müssen. Dies war der Fall auf den vergangenen Gipfeltreffen, bei denen auch ich anwesend war.
Was nun Ihre Fragen zu den 8 000 Soldaten anbelangt, liegt eine deutliche Äußerung des Europäischen Rates vor. Dieser begrüßte den russischen Rückzug aus den an Südossetien und Abchasien angrenzenden Gebieten als wichtigen zusätzlichen Schritt bei der Umsetzung der Vereinbarungen vom 12. August und 8. September. Auch die Aufnahme internationaler Gespräche in Genf, wie in diesen Vereinbarungen vorgesehen, fand seine Zustimmung. Genf sollte meiner Meinung nach den Rahmen für weitere Gespräche über eine politische Lösung bieten. Nach Anfangsschwierigkeiten ist der Prozess nun in Gang gekommen, und wir sind entschlossen, ihn fortzuführen. So viel zum ersten Punkt.
Zweitens: Nein, Russland wird an der Geberkonferenz nicht teilnehmen, um die Frage klar zu beantworten. Ich denke jedoch, dass das Thema Entschädigung zu gegebener Zeit zur Sprache kommen dürfte. Eine internationale Untersuchung könnte sich dann als nötig erweisen. Der Rat hat dieses Thema bereits erörtert und sich für internationale Gespräche ausgesprochen.
Mein nächstes Thema sind die Menschenrechte. Wie ich bereits sagte: Verschiedene Entwicklungen innerhalb Russlands geben uns Anlass zu Besorgnis, so etwa der gewaltsame Tod von Journalisten, die Behinderung von Nichtregierungsorganisationen sowie die Lage im Nordkaukasus im Allgemeinen und in Inguschetien im Besonderen. Im Hinblick auf Todesfälle wie den von Anna Politkowskaja oder – erst unlängst – Magomed Jewlojew im Anschluss an eine Verhaftung haben wir zu umfassenden Ermittlungen aufgerufen. Gerade heute finden, wie ich bereits erwähnte, wieder Gespräche im Rahmen der Menschenrechtskonsultationen statt – eine ausgezeichnete Gelegenheit, solche Belange zu thematisieren.
Auch die Notwendigkeit einer umfassenden Zusammenarbeit mit dem Europarat haben wir Russland deutlich gemacht und es zur Ratifizierung des Protokolls 14 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und des Protokolls 6 zur Todesstrafe aufgerufen.
Nun einige Worte zu einem WTO-Beitritt: Wir, die Europäische Union, treten entschieden für einen Beitritt Russlands ein, da wir uns davon die für unsere Wirtschaftsgemeinschaft so wichtigen einheitlichen „Spielregeln“ versprechen. Als einer der wichtigsten Handelspartner Russlands kann sein Beitritt zu einem regelbasierten System nur in unserem Interesse sein. Auch unsere bilateralen Beziehungen dürften dadurch wesentliche Impulse erhalten. Es ist somit äußerst wichtig, dass wir weiterhin den Beitritt Russlands unterstützen. Im Rahmen dieses bedeutenden Prozesses müssen wir uns zwar offen mit der russischen Seite auseinandersetzen, aber auch innerhalb eines angemessenen Zeitraums Lösungen mit und für Russland finden.
Erwähnt wurden auch Energiesicherheit und saubere Energien. Lassen Sie mich hierzu nur sagen, dass sowohl ein energie- als auch ein umweltpolitischer Dialog besteht. In diesem Rahmen wurden Themen wie Energieeffizienz oder umweltverträgliche Energien bereits auf mehreren G8- und EU-Gipfeln angesprochen. Zweifellos werden solche Fragen im Zuge der Vorbereitung auf Kopenhagen – bei der wir ebenfalls auf die Zusammenarbeit mit Russland angewiesen sind – noch an Bedeutung gewinnen. Die Kommission misst diesem Bereich einen hohen Stellenwert bei. In diesem Sinne hat sie bereits mehrere „Joint-Implementation“-Projekte nach dem Kyoto-Protokoll gefördert und ist zu weiteren Maßnahmen bereit.
Eine Bemerkung zur europäischen Sicherheitsarchitektur: Präsident Medwedew unterbreitete seinen Vorschlag bereits auf dem EU-Russland-Gipfel in Chanty-Mansijsk – also im Juni, noch vor der Krise in Georgien. Ich selbst nahm an dem Gipfel teil und kann diesen Punkt daher klarstellen. Es handelt sich hier um eine alte Idee Russlands, die nun wieder ins Blickfeld gerät. Interessanterweise hat Präsident Sarkozy vorgeschlagen, diese anlässlich eines OSZE-Gipfels 2009 zur Sprache zu bringen. Bis dahin kann natürlich noch viel passieren. Lassen Sie mich heute nur sagen, dass die Debatte über eine Sicherheitspartnerschaft von größter Bedeutung ist – allerdings immer unter Berücksichtigung aller bestehenden Sicherheitsbeziehungen. Hier müssen wir eine klare Grenze ziehen.
Lassen Sie mich zudem hervorheben, wie wichtig uns Fortschritte bei den eingefrorenen Konflikten sind. In diesem Sinne werde ich in Kürze – Ende November oder Anfang Dezember – eine Mitteilung zur Östlichen Partnerschaft anregen. Auch im Rat kam dieses Thema, das eng mit der Sicherheitspolitik verwoben ist, bereits zur Sprache. Bei unseren Anstrengungen dürfen wir jedoch andere institutionelle Mechanismen, wie etwa die Minsk-Gruppe, nicht außer Acht lassen.
Abschließend noch einige Worte zu den ebenfalls erwähnten Streubomben. Auch wir bedauern zutiefst den beiderseitigen Einsatz von Streumunition, der nun die Rückkehr der Binnenflüchtlinge in ihre Heimat erheblich erschwert. Daher wollen wir nicht nur – in Zusammenarbeit mit einschlägigen internationalen Organisationen – die Räumung der betroffenen Gebiete veranlassen, sondern uns auch für ein künftiges Verbot einsetzen.
Der Präsident. - Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Alexandra Dobolyi (PSE), schriftlich. – Die jüngsten Vorfälle haben uns veranlasst, die Natur unserer Beziehungen sowohl kurz- als auch langfristig zu hinterfragen. Nun gilt es, unseren Blick in die Zukunft zu richten. Die Verhandlungen zwischen der EU und Russland über ein neues strategisches Partnerschaftsabkommen müssen fortgesetzt werden, denn ein solches Abkommen liegt im beiderseitigen Interesse. Von einer echten strategischen Partnerschaft mit Moskau würde die EU enorm profitieren. Wir müssen pragmatisch und realistisch vorgehen und eine ergebnisorientierte Politik verfolgen. Im Hinblick auf Themen wie die anstehenden Herausforderungen in der Weltwirtschaft, Energie, wirtschaftliche Verflechtungen, Nichtverbreitung, Terrorismus und Klimawandel, die grundlegende Interessen beider Seiten berühren, muss die EU den besten gemeinsamen Ansatz gegenüber Russland finden. Wir können es uns nicht leisten, Russland auszugrenzen. Wir müssen eine konstruktive Beziehung aufbauen. Mehr denn je kommt es auf Dialog und eine langfristige Zusammenarbeit an. Eine Isolierung Russlands würde niemandem helfen. Die Beziehungen müssen in verschiedenen Bereichen gemeinsamer Interessen gestärkt werden, insbesondere im Hinblick auf die derzeitige Finanzkrise und die Entwicklung einer neuen globalen Finanzarchitektur. Hier ist eine Kooperation mit Russland und auch China und Indien absolut erforderlich. Zudem gilt es, in den gemeinsamen Nachbarländern der EU und Russlands für Stabilität und Sicherheit zu sorgen.
Lasse Lehtinen (PSE), schriftlich. – (FI) Einmal mehr hat sich der Westen in seinen Hoffnungen für Russland getäuscht. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bestand große Zuversicht, dass sich Russland – endlich befreit von den ideologischen Fesseln des Kommunismus – nun auch von Totalitarismus, Autoritarismus und der Verfolgung Andersdenkender abwenden würde. Nicht zum ersten Mal erwartete man, Russland werde sich nun Europa und seinen Werten annähern. Heute aber haben wir es nicht mit einer demokratischen Marktwirtschaft, sondern mit einer Art Diktatur der kapitalistischen Ausbeutung zu tun, in der die Bürgerrechte dem Recht des Stärkeren anheim fallen.
In den Gesprächen ist es nicht immer leicht, zwischen naivem Wunschdenken und kühlem Pragmatismus zu unterscheiden. Die Reaktionen der EU-Mitgliedstaaten auf den Krieg in Georgien fielen äußerst unterschiedlich aus. Wir müssen uns jedoch fragen, ob wir nicht unser gemeinsames Wertesystem aufs Spiel setzen, wenn wir gegenüber Russland eine selektive Haltung einnehmen, die insbesondere auf wirtschaftlichen Werten beruht. Die EU stützt sich auf gemeinsame Werte und das Prinzip, sämtliche praktische Probleme durch Verhandlungen – nicht durch militärische Gewalt – zu lösen. Wir müssen diese Institution am Leben erhalten, um den Fortbestand der kleineren EU-Mitgliedstaaten wie auch möglicher künftiger Mitglieder zu sichern. Unsere gemeinsamen Überzeugungen dürfen nicht den bilateralen Beziehungen einiger Mitgliedstaaten zu Russland geopfert werden.
Andres Tarand (PSE), schriftlich. – (ET) Herr Präsident! Mehrere Mitglieder dieses Hauses nannten Gier als Ursache der gegenwärtigen Finanzkrise. In einem Artikel aus diesem Frühjahr sagt Herr Schöpflin, dass dieses uralte Phänomen auch in den Beziehungen zwischen der EU und Russland ein bedeutender Faktor ist. Ich selbst war bei der Veröffentlichung dieses Artikels bereits zu dem gleichen Schluss gekommen – nicht zuletzt in Anbetracht der energiepolitischen Beziehungen mehrerer EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren. Seit einigen Wochen – nach den ersten Vorfällen im August – ist dasselbe Phänomen nun auch in der Georgien-Krise zu beobachten. Einem bestimmten Kreis von Politikern – bemüht, sich das kollektive Gewissen zu erleichtern – gelang es, sich gegenseitig von der Hauptschuld Saakaschwilis zu überzeugen. War es vielleicht auch Saakaschwili, der vor zwei Jahren Georgier aus Moskau vertrieb oder die Fallschirmjägerdivision aus Pskow am Vorabend der Kampfhandlungen in die Region verlegte? Ich meine, dass wir es hier vielmehr mit einem Ergebnis der gefährlichen Politik Russlands zu tun haben, das seine Interessensphären wiedergewinnen möchte. Entsprechend sollten wir reagieren.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) In wirtschaftlicher Hinsicht ist Russland auf Investitionen und Technologien aus der Europäischen Union angewiesen, die EU dagegen auf Russlands Rohstoffe. 2001 stammten 79 % der ausländischen Investitionen in Russland in Höhe von knapp 30 Milliarden US-Dollar aus Mitgliedstaaten der EU. Im Mai 2004 hatten die damals 25 Mitgliedstaaten einen Anteil von 55 % am russischen Außenhandel.
Eine Verschlechterung der Beziehungen zu Russland liegt daher nicht im Interesse der EU-Mitgliedstaaten. Die Union muss ihre Erdöl- und Erdgasversorgung diversifizieren. Russland ist für die Europäische Union aufgrund seines politischen und wirtschaftlichen Potenzials ein wertvoller Partner. Wenn die Europäische Union auf internationaler Ebene Alternativen zur Politik der Vereinigten Staaten aufzeigen möchten, könnte die politische Unterstützung durch Russland ausschlaggebend sein. Nur ein Beispiel: Das Kyoto-Protokoll trat nach der Ratifizierung durch Russland in Kraft. Im Gegenzug befürwortete die EU den russischen WTO-Beitritt.
13. Demokratie, Menschenrechte und das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen EU/Vietnam (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über:
– die mündliche Anfrage von Marco Cappato im Namen der ALDE-Fraktion an den Rat zum Thema Demokratie, Menschenrechte und das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Vietnam (O-0095/2008 – B6-0473/2008) und
– die mündliche Anfrage von Marco Pannella im Namen der ALDE-Fraktion an die Kommission zum Thema Demokratie, Menschenrechte und das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Vietnam (O-0096/2008 – B6-0474/2008).
Marco Cappato, Verfasser. – (IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Vertreterinnen und Vertreter des Rates, meine Damen und Herren! Es laufen Verhandlungen über ein neues Kooperationsabkommen mit Vietnam. Ich halte es für wichtig, dass das Parlament über die Inhalte dieser Verhandlungen informiert wird – insbesondere was Menschenrechte und Demokratie anbelangt.
Natürlich sind Kooperationsabkommen keine Wunderwaffe, die auf Knopfdruck für die Einhaltung von Demokratie und Menschenrechten – in Vietnam oder anderswo – sorgt. Wenn es aber um schwer wiegende, systematische Verstöße gegen Menschenrechte und Demokratie geht, dürfen wir nach europäischem Recht nicht einfach die Augen verschließen. Selbstverständlich wissen wir, dass unsere Mittel zur Durchsetzung dieser Grundsätze begrenzt sind. Wir wissen aber auch, dass die Neuverhandlung von Kooperationsabkommen einen guten Rahmen bilden kann, um bei den schwersten und systematischsten Verstößen zumindest gewisse Fortschritte zu erzielen.
Ich hoffe daher, dass dieses Haus in seiner morgigen Entschließung die Kommission und den Rat auf einige besonders problematische Punkte hinweisen wird, die auch bei der Anhörung des Unterausschusses für Menschenrechte zur Sprache kamen – unter anderem im Zusammenhang mit Kok Ksor, Vo Van Ai und Mitgliedern der gewaltlos agierenden radikalen Partei.
Besonders Besorgnis erregend ist die Lage der Degar – einer christlichen Minderheit im vietnamesischen Hochland in der Landesmitte, deren Mitglieder nach wie vor zu Hunderten verhaftet werden. Internationale Beobachter, insbesondere von den Vereinten Nationen, haben noch immer keinen ungehinderten Zugang zu dieser Region. Jetzt, wo Vietnam dem UN-Sicherheitsrat angehört, ist dies völlig unannehmbar. Die politischen Gefangenen – ihre Zahl geht in die Hunderte – müssen freigelassen werden.
Religionsfreiheit ist ein gewaltiges Problem. Eine entsprechende Erklärung Vietnams – insbesondere zur immer noch ausstehenden Anerkennung der Vereinigten Buddhistischen Kirche – muss die Voraussetzung für die Unterzeichnung eines neuen Abkommens sein. Nach wie vor steht Thich Quang Do, das Oberhaupt dieser Kirche, unter Arrest, und Land der katholischen Kirche ist konfisziert. Es ist höchste Zeit, dass Vietnam die Gesetze aufhebt, nach denen abweichende Meinungen und religiöse Aktivitäten strafrechtlich verfolgt werden können.
Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Wir möchten Ihnen daher eine ganz konkrete Frage stellen: Ist gewährleistet, dass diese Probleme – zumindest die eklatanten Menschenrechtsverstöße – vor dem Abschluss eines neuen Kooperationsabkommens gelöst werden?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. –(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, Herr Cappato! Ich freue mich, heute wieder in Ihrer Mitte zu sein.
Wir verfolgen die Lage der Menschenrechte in Vietnam sehr genau. Erst kürzlich – anlässlich der Verurteilung zweier Journalisten, die über Korruptionsfälle berichtet hatten – hatte die Präsidentschaft erneut Gelegenheit, ihre Sorge zum Ausdruck zu bringen. Im Rahmen eines regelmäßigen Dialogs führen der Rat und die Kommission zweimal jährlich Gespräche mit Vietnam zu Menschenrechtsfragen. Bei der letzten derartigen Unterredung am 10. Juni 2008 in Hanoi wurden – neben der allgemeinen Lage der Menschenrechte – insbesondere Meinungsfreiheit, die Lage der Minderheiten, die Todesstrafe und eine Reihe von Einzelfällen thematisiert.
Ergänzend zu diesem Dialog ergreifen wir verschiedene gezieltere Maßnahmen in Einzelfällen, beispielsweise bei Verhaftungen oder Verurteilungen, die unseres Erachtens den bürgerlichen Freiheiten und internationalen Verpflichtungen – insbesondere aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Vietnam ratifiziert hat – zuwiderlaufen.
Ferner nahmen wir am 10. Oktober den Europäischen Tag gegen die Todesstrafe zum Anlass, um unseren klaren Standpunkt in dieser Frage gegenüber den vietnamesischen Behörden erneut zu erläutern. Sie zeigten sich aufgeschlossen und kamen auf die gegenwärtige Reform des Strafrechts zu sprechen. Die Zahl der Verbrechen, auf die die Todesstrafe steht, soll dadurch reduziert werden – das Mindeste, was wir erwarten können.
Meine Damen und Herren! Sie sehen selbst: Menschenrechte sind ein zentrales Element unserer Beziehungen zu Vietnam. Dies ist ein heikles Thema. Ich danke Ihnen, Herr Cappato, für die Erwähnung der christlichen Minderheit in Mittelvietnam – einer Angelegenheit, die uns besonders am Herzen liegt. Wir können wohl sagen, dass in diesem Bereich kein anderer Akteur eine so umfassende und gezielte Politik wie die EU verfolgt. Mitunter setzt uns dies der Kritik unseres Partners aus, doch – das sei betont – unserer Entschlossenheit tut dies keinen Abbruch.
Nun einige Worte zu dem künftigen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Die Verhandlungen sind in vollem Gange. Die aktuelle Gesprächsrunde in Hanoi endet am 22. Oktober. Wie jedes Abkommen der EU mit einem Drittstaat muss es als wesentlichen Bestandteil eine Klausel zur Achtung der Menschenrechte enthalten. Bei Missachtung dieser Klausel durch eine Vertragspartei – dieser Punkt ist wichtig – kann das gesamte Abkommen ausgesetzt oder sogar aufgehoben werden. Im bisherigen Verhandlungsverlauf hat Vietnam keine grundlegenden Einwände gegen eine solche Klausel vorgebracht – wiederum das Mindeste, was wir erwarten können. Dies ist ein positives Signal Vietnams – Zeichen eines konkreten Engagements für Menschenrechte. Sobald das Abkommen ratifiziert ist, wird der EU ein wirksames Rechtsinstrument zur Wahrung der Menschenrechte zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, Herr Cappato! Wir können Ihnen nur zustimmen: Mit der Menschenrechtslage in Vietnam steht es nicht zum Besten. Die Maßnahmen, die wir seit einigen Jahren ergreifen, scheinen mittlerweile Wirkung zu zeigen. Doch erst mit der Unterzeichnung eines Partnerschafts- und Kooperationsabkommens werden wir die entsprechende Menschenrechtsklausel – wie bereits im Fall zahlreicher anderer Länder – als bestmöglichen Rahmen für die Thematisierung derartiger Fragen mit Vietnam nutzen können. Die Verhandlungen – ich wiederhole es – sind bereits im Gange. Selbstverständlich werden wir dieses Haus in vollem Umfang über ihren Verlauf unterrichten.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (ES) Herr Präsident! Ich bitte um Entschuldigung für die Störung. Ich habe einen Moment lang einigen Parlamentsmitgliedern zugehört.
Der Präsident. – Frau Kommissarin, es ist nicht Ihre Schuld, wenn Mitglieder dieses Hauses mit Nebensächlichkeiten an Sie herantreten – im Übrigen eine Respektlosigkeit gegenüber dem Redner. Ihnen gilt daher kein Vorwurf. Die Kolleginnen und Kollegen aber muss ich auffordern, sich während einer Aussprache nicht an den amtierenden Ratspräsidenten oder geladene Vertreter der Kommission zu wenden. Bitte fahren Sie fort.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (FR) Herr Präsident, Vertreterinnen und Vertreter des Rates, meine Damen und Herren, Herr Cappato! Die Kommission begrüßt die Aufmerksamkeit, die das Europäische Parlament den Verhandlungen über das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Vietnam sowie der Menschenrechtslage in diesem Land widmet.
Der Zeitpunkt unserer Aussprache ist gut gewählt, denn – wie der Präsident bereits sagte – wird in Hanoi gerade über dieses Abkommen verhandelt. Ich kann Ihnen versichern, dass die Lage der Menschenrechte ein zentrales Anliegen der EU in ihren Beziehungen zu Vietnam ist. Gewisse Fortschritte sind trotz allem unbestreitbar. Ich denke etwa an jüngste Bemühungen um die Eindämmung der Todesstrafe, um die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Ausübung der Religionsfreiheit und um eine geordnetere Rückkehr von Angehörigen ethnischer Minderheiten, die nach Kambodscha geflohen sind.
Andererseits – und in diesem Punkt muss ich Ihnen Recht geben – geben einige Entwicklungen der vergangenen Monate, insbesondere hinsichtlich der Religions- und Meinungsfreiheit, Anlass zur Sorge. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: die Schikanen gegen die katholische Gemeinde in Hanoi und, erst letzte Woche, die Verurteilung zweier Journalisten aufgrund ihrer Recherchen in Korruptionsfällen.
Wie ich dem stellvertretenden Premierminister Herrn Khiêm erst kürzlich, anlässlich seines Besuchs am 17. September in Brüssel sagte: Für die langfristige Stabilität und internationale Glaubwürdigkeit Vietnams wäre es verheerend, wenn die gegenwärtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten einen instinktiven Rückfall in Autoritarismus und Unterdrückung nach sich zögen.
Mehr denn je benötigt Vietnam dagegen Mechanismen zur friedlichen Artikulation von Spannungen und sozialen Problemen, die in dem Land zu spüren sind. Diese Botschaft wird Kommissionspräsident Barroso diese Woche wiederholen, wenn er mit Premierminister Dung am Rande des ASEM-Gipfels in Beijing zusammentrifft, und auch die kommende Runde des EU-Vietnam-Menschenrechtsdialogs, die im Dezember in Hanoi stattfindet, wird in diesem Zeichen stehen. Mit dem Entwurf eines Partnerschafts- und Kooperationsabkommens, den die EU vorgelegt hat, untermauert sie die Bedeutung der Menschenrechte in ihren Beziehungen zu Vietnam.
Wie der Präsident bereits betonte, enthält der derzeitige Abkommensentwurf eine Vorbehaltsklausel zur Achtung der Menschenrechte. Weitere wichtige Punkte sind die Schaffung einer Rechtsgrundlage für den regelmäßigen EU-Vietnam-Menschenrechtsdialog und die Unterstützung Vietnams bei der Formulierung eines nationalen Aktionsplans für Menschenrechte. Eine ganze Reihe detaillierter Bestimmungen bezieht sich auf die Einhaltung des Arbeitsrechts, verantwortungsbewusste Regierungsführung und die Förderung der Rechtsstaatlichkeit. Dem Internationalen Strafgerichtshof gilt eine eigene Klausel. Ich meine, dass uns das Abkommen genau die rechtliche und politische Handhabe geben wird, die wir zum Ausbau unseres Engagements für Menschenrechte und Demokratisierung benötigen.
Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich muss – mit einigem Bedauern – sagen, dass ich skeptisch bin, ob die Menschenrechtsklausel im EU-Vietnam-Kooperationsabkommen wirklich das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben steht.
In bester Absicht bringt sie unsere gemeinsamen europäischen Werte zum Ausdruck – und ist doch, so meine ich, kaum mehr als Augenwischerei und ein verständliches Zugeständnis an die mächtige Menschenrechtslobby in der EU. Lassen Sie mich daran erinnern, dass China mittlerweile zum zweitgrößten Handelspartner der EU aufgestiegen ist, während unsere Bedenken im Hinblick auf die Menschenrechte bei der kommunistischen Diktatur in Beijing auf taube Ohren stoßen. Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob das Thema überhaupt noch der Mühe wert ist.
Politische Verfolgung und Menschenrechtsverstöße in China lenken uns mitunter von der Lage im benachbarten Vietnam ab, das nicht minder brutal vorgeht. Prodemokratische Dissidenten und Angehörige religiöser Minderheiten werden inhaftiert, Journalisten werden durch Einschüchterung zum Schweigen gebracht, und von Freiheiten, die uns in Europa selbstverständlich sind – etwa einem unzensierten Internet – kann schlicht keine Rede sein.
Deshalb schlug ich vergangenes Jahr mit Herrn Cappato und einigen Gleichgesinnten Thich Quang Do für den Friedensnobelpreis vor – einen buddhistischen Mönch, dessen unerschrockener Einsatz für Religionsfreiheit und Menschenrechte ihm Jahre der Verfolgung und Haft einbrachte.
Vietnam versinnbildlicht das Dilemma der EU. Wie viel Wert sollten wir in unseren Wirtschaftsbeziehungen zu Drittstaaten auf die Einhaltung förmlicher Menschenrechtsklauseln in Handels- und Partnerschaftsabkommen legen? Und können allein schon engere Wirtschaftsbeziehungen Anreize zur Demokratisierung sowie zur Wahrung politischer und bürgerlicher Rechte schaffen?
Harte Fragen, die der neuen britischen Handelskommissarin, Baroness Ashton, noch einiges Kopfzerbrechen bereiten dürften. Ich meine: Unsere gemeinsamen Werte dürfen nicht zur Debatte stehen. Daher appelliere ich an die Kommission und den Rat, entweder diese Farce zu beenden und die Menschenrechts- und Demokratieklausel abzuschaffen oder Drittstaaten wirklich und ehrlich für die mutwillige Missachtung der uns heiligen Ideale zur Verantwortung zu ziehen. Herrn Cappato und seiner ausgezeichneten Arbeit in dieser Sache gilt meine ganz besondere Anerkennung.
Barbara Weiler, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Europäer haben großes Verständnis, viel Interesse und viel Sympathie für das vietnamesische Volk. Meine Fraktion erinnert sich noch sehr genau an das schreckliche Leid und die Verwüstungen, die die Kriege und die Besatzungen in Vietnam verursacht haben, nicht nur durch die USA, sondern auch durch europäische Staaten.
Jetzt entwickelt sich Vietnam in einer ganz besonders dynamischen und aufregenden Region in Südostasien. Die zehn Mitgliedstaaten der ASEAN-Länder sind alle keine Demokratien nach unserem europäischen Verständnis, aber ein Wandel ist erkennbar. Die neue Charta der ASEAN-Länder ist ein Beispiel dafür, dass Menschenrechtsverstöße eben nicht verschwiegen werden können, Herr Tannock, und auch die Verhandlungen beweisen, dass Menschenrechtsverstöße auf jeden Fall auf die Tagesordnung kommen.
Gerade jetzt ist ein guter Zeitpunkt, weil die Verhandlungen neu aufgerollt werden; das Kooperationsabkommen von 1995 wird neu verhandelt. Es ist richtig, die Europäische Union ist nach China der zweitwichtigste Handelspartner Vietnams, und gerade darum können wir auch etwas erreichen. Partnerschaftsabkommen sind nicht sinnlos!
Die PSE fordert die Kommission auf, darauf hinzuwirken, dass Freiheiten für die Presse in Vietnam, für Minderheiten, für demokratische Aktivisten, zur Religionsausübung und natürlich zur Beteiligung von UNO-Beobachtern gewährleistet werden. Dann werden wir noch mehr Sympathien als bisher für dieses wunderschöne Land entwickeln.
Athanasios Pafilis, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Dass die Anhänger des Imperialismus – allen voran die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und ihr Gefolge – Vietnam nicht vergessen können, leuchtet ein. Sowohl gegen den französischen als auch gegen den amerikanischen Imperialismus hat sich das vietnamesische Volk behauptet und seine Unabhängigkeit erkämpft. Das hat weltweit Symbolcharakter.
Die beiden identischen Entschließungen, die uns heute vorliegen, sind unannehmbar. Wir versuchen damit, Vietnam den Willen der EU aufzuzwingen. Wo Waffengewalt versagte, muss nun wirtschaftliche Erpressung herhalten. Das ist die wahre Intention, die sich hinter der so genannten Menschenrechts- und Demokratieklausel verbirgt.
Wo wir einmal beim Thema Menschenrechte sind, frage ich Sie alle – auch Sie, Herr Cappato: Zehntausende Menschen in Vietnam leiden unter den Folgen von Agent Orange, einer heimtückischen chemischen und biologischen Waffe, die die Vereinigten Staaten von Amerika einsetzten. Die Zahl der missgebildeten Neugeborenen und Krebstoten geht in die Tausende, und ganze Landstriche sind verwüstet – alles eine Folge dieses von der bekannten Firma Monsanto produzierten Giftes.
Haben diese Kranken und Sterbenden keine Menschenrechte – und insbesondere nicht das oberste Menschenrecht auf Leben? Warum unterstützen Sie nicht die Forderung der vietnamesischen Regierung und der Opfer nach Entschädigung und nach einer Auseinandersetzung mit den Folgen dieses durch nichts zu rechtfertigenden biologisch-chemischen Krieges? Warum befürworten Sie stattdessen vermeintliche Menschenrechte, wie etwa die Rückgabe kirchlichen Besitzes, dessen rechtmäßiger Eigentümer das Volk ist?
Vor diesem Hintergrund ist die Berufung auf Menschenrechte heuchlerisch. Allein die Menschen in Vietnam sind für die Lösung ihrer Probleme verantwortlich – ganz sicher nicht diejenigen, die sich noch immer nicht für die Ermordung von einer Million Menschen in einem von ihnen entfachten Krieg entschuldigt haben. Was wir benötigen, ist eine ausgewogene wirtschaftliche Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen – ohne politische oder wirtschaftliche Erpressung.
VORSITZ: EDWARD McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Jim Allister (NI). - Herr Präsident! Die vietnamesische Regierung kann noch so lange von Achtung der Religionsfreiheit reden, und mein Vorredner kann sich noch so lange in Schönfärberei üben: Die Lage vor Ort, zumal für isolierte christliche Gruppen, sieht ganz anders aus. Die Beschlagnahmung kirchlichen Eigentums ist weit verbreitet. Besonders eklatant ist die staatliche Verfolgung der Mitglieder nicht anerkannter protestantischer Hauskirchen. Erst vor wenigen Monaten erlag ein junger Stammesangehöriger Verletzungen, die ihm während eines offiziellen Verhörs zugefügt worden waren – nur weil er sich geweigert hatte, seinem christlichen Glauben abzuschwören. Hunderte sind aus Glaubensgründen in Haft, wo Misshandlungen an der Tagesordnung sind. Ich bewundere ihren Mut, ich verurteile ihre Verfolger, vor allem aber appelliere ich an die EU: Geben wir nicht Handelsinteressen und besseren Beziehungen zu Vietnam Vorrang vor den elementaren Menschenrechten dieser verfolgten Gläubigen. Die Menschenrechtsverstöße in Vietnam schreien zum Himmel. Bemühen wir uns nicht, Hanoi zu Gunsten des Handels oder kurzfristiger Gewinne reinzuwaschen.
Bernd Posselt (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident! Vietnam ist ein Land, das sich immer mehr zur Europäischen Union öffnet. Es gibt einen ernsthaften Prüfstein für Vietnam, und dieser Prüfstein sind die Menschenrechte und die elementaren Grundfreiheiten. Hier möchte ich das Augenmerk besonders auf die Religionsfreiheit lenken, wie es dankenswerterweise auch die vorliegende Entschließung tut. In Vietnam werden Christen verfolgt, und heute ist der Bischof von Augsburg hier, der sich besonders um verfolgte Christen kümmert, um mit uns Gespräche darüber zu führen. Ferner werden Buddhisten und andere Religionsgemeinschaften an der Ausübung ihrer Religion gehindert und verfolgt.
Man kann ganz klar sagen, dass es unsere Aufgabe ist, darauf hinzuwirken, dass Vietnam ein gleichberechtigter Partner wird, dass es sich öffnet, dass es sich uns zunehmend annähert. Dies darf aber nicht auf Kosten der elementaren Menschen- und Grundrechte geschehen, sondern muss auf der Basis einer fairen, auf den Grund- und Menschenrechten basierenden Partnerschaft erfolgen.
Richard Howitt (PSE). - Herr Präsident! In unserer heutigen Entschließung geht es uns nicht nur darum, unsere Besorgnis über Meinungsfreiheit, Unterdrückung Andersdenkender und religiöse Diskriminierung in Vietnam zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr fordern wir die Europäische Union auf, über die Fortschritte des Menschenrechtsdialogs Rechenschaft abzulegen und auf dem Weg zu einem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Vietnam klare Verbesserungsziele festzulegen.
Wenn sich ein Journalist, der Hinweise auf Unterschlagungen in Höhe von 750 000 US-Dollar im Verkehrsministerium aufdeckt – Gelder, die wohl teilweise in Fußballwetten in der englischen Erstliga geflossen sind –, hinter Gittern wieder findet, können wir das nicht hinnehmen.
Inakzeptabel ist für uns auch, dass auf 29 verschiedene Straftaten die Todesstrafe steht. Schon eine wäre zu viel. Hinrichtungen, so heißt es, finden ohne Warnung um 4 Uhr morgens statt. Die Folge ist, dass die Häftlinge aus Angst, sie könnten an der Reihe sein, vor 6 Uhr morgens kein Auge zutun.
Und inakzeptabel ist schließlich die Bedrohung und Einschüchterung der katholischen Kirche, wie erst im vergangenen Monat nach den friedlichen Massenprotesten in Hanoi. Nach Angaben von Amnesty International sah sich eine Frau beim Verlassen einer Kirche einem Mob gegenüber, der „Tod dem Erzbischof“ und „Tod den Priestern“ skandierte.
Vietnam gehört seit 1982 dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte an. Die aktuelle Lage stellt einen klaren Verstoß gegen die Artikel 2 und 18 dar. Hinzu kommt: Im Juli übernahm Vietnam den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Wir fordern die europäischen Verhandlungsführer auf, der vietnamesischen Regierung klar zu sagen: Wer das Völkerrecht in zwischenstaatlichen Einrichtungen hochhalten will, muss es auch im eigenen Land respektieren.
Konrad Szymański (UEN). - (PL) Aus der Liste der Menschenrechtsverletzungen in Vietnam bedarf meines Erachtens die staatliche Gewalt gegen Katholiken besonderer Aufmerksamkeit. Die Güter der katholischen Kirche befinden sich – anders lautender Vereinbarungen zum Trotz – unter alleiniger Kontrolle der Regierung in Hanoi. Katholiken, die gegen die Beschlagnahmung von Gebäuden der Apostolischen Nuntiatur in der Hauptstadt protestieren, werden von Schlägertrupps angegriffen. Die Zahl der politischen Gefangenen wächst. Unlängst kam es auf dem Gelände eines Redemptoristenklosters in Thai Ha zu weiteren Verhaftungen. Der Erzbischof von Hanoi, Quang Kiêt, der um sein Leben fürchten muss, steht unter Hausarrest und Bewachung. Der relativen Öffnung Vietnams in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht steht eine verschärfte Verfolgung von Christen gegenüber. Daher muss das Thema Religionsfreiheit Teil des künftigen Abkommens zwischen der Europäischen Union und Vietnam sein. Andernfalls darf es nicht zur Unterzeichnung kommen.
Marco Cappato (ALDE). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herrn Pafilis möchte ich entgegnen, dass heute in Vietnam wieder Krieg herrscht. Das Regime führt Krieg gegen sein eigenes Volk, gegen die Menschen Vietnams, die Khmer Krom und die Degar.
Die Menschenrechtsklausel des neuen Abkommens ist natürlich zu begrüßen. Doch auch das bestehende Abkommen enthält eine solche Klausel, aber wir schaffen es nicht, diese auch durchzusetzen. Unser Anliegen – ein, wie ich meine, sehr wichtiges – ist es daher, die Unterzeichnung des neuen Abkommens an Zugeständnisse in den wichtigsten Bereichen zu knüpfen, in denen ein systematischer Verstoß gegen die Menschenrechte erfolgt: Zugang zum Hochland in Mittelvietnam, Freilassung der politischen Gefangenen, Anerkennung der buddhistischen Kirche und des Eigentums der katholischen Kirche. Wenn wir dies vor der Unterzeichnung nicht erreichen, ist es später unmöglich, Achtung des europäischen Rechts und des Völkerrechts einzufordern.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Cappato! Wir sollten meiner Meinung nach nicht zwei Dinge verwechseln: Opfer des Imperialismus gewesen zu sein ist eine Sache – heute zu wissen, was die Achtung der Menschenrechte bedeutet, eine ganz andere. Ich jedenfalls würde Opfer biologisch-chemischer Waffen nicht mit religiös Verfolgten vergleichen. All diese Aspekte bilden ein absolut unteilbares Ganzes.
Herrn Tannock – in gewissem Maße aber auch Herrn Cappato – sei erwidert, dass wir den Wert der Vorbehaltsklausel für Menschenrechte nicht unterschätzen sollten. Denken wir nur an die schleppenden Verhandlungen mit anderen Staatengruppen, insbesondere den Golfstaaten. Einige Abkommen konnten erst nach fast 20 Jahren unterzeichnet werden. Denken wir ferner an die Bedeutung dieser Klausel im Umgang mit bestimmten Ländern im Rahmen des Abkommens von Cotonou. Dies zeigt, dass unsere Vertragspartner den Einsatz der Europäischen Union für Menschenrechte hier durchaus ernst nehmen.
Was nun die von Herrn Cappato verlangten weiteren Zugeständnisse anbelangt, möchte ich Folgendes sagen: Gerade die von der Kommission geführten Verhandlungen sind es, die – wie Frau Ferrero-Waldner betonte – zeigen sollen, ob die vietnamesische Regierung in diesen Bereichen Fortschritte erzielt hat. Solche Fortschritte werden im Ganzen zu prüfen sein. Noch einmal sei gesagt: Ich meine, dass wir gerade durch den Dialog Fortschritte in den Beziehungen zu diesen Ländern erzielen können und dass Abkommen und Klauseln dieser Art noch immer unser wirksamstes Mittel zur Verbreitung der Werte sind, an denen uns und Ihnen – Herrn Cappato und anderen Mitgliedern dieses Hauses – so viel gelegen ist.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich denke, es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir alle bemüht sind, die Frage der Menschenrechte wann und wo immer möglich zu thematisieren. Ich selbst habe das, wie ich bereits sagte, vor wenigen Wochen und auch bei einem Besuch vor zwei Jahren getan. Damals konnte ich sogar die Freilassung einiger politischer Gefangener erwirken. Es besteht also Hoffnung. Wir legen bisweilen auch Listen vor und sagen: „Hier, hier und hier muss etwas getan werden.“
Ich halte diese Aussprache daher für wichtig, weil sie unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Frage der Glaubensgemeinschaften – in diesem Fall der Christen und Katholiken – gerichtet hat. Wir dürfen diesen Bereich nicht aus den Augen lassen. Gleichzeitig sind auch die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme Vietnams von Bedeutung. Wenn Hanoi nicht die nötige Umsicht zeigt, könnten ausländische Investitionen – insbesondere aus Europa – ausbleiben. Für uns ist das ein wirksames Druckmittel als Ergänzung zu dem reinen Dialog.
Nur ein Beispiel: Wir werden sicherlich um ein Zeichen der Gnade gegenüber den beiden inhaftierten Journalisten bitten, die unlängst in Hanoi verurteilt wurden, weil sie ihre Meinung frei geäußert hatten. Dieses Thema werden wir ganz bestimmt erneut ansprechen.
Abschließend sei erwähnt, dass für Vietnam demnächst eine umfassende periodische Prüfung der Lage der Menschenrechte in Genf ansteht – auch dies eine ausgezeichnete Gelegenheit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und in aller Deutlichkeit die nötigen Fragen zu stellen.
Der Präsident. - Die Aussprache ist geschlossen.
Ich habe vier Entschließungsanträge(1) erhalten, die gemäß Regel 108(5) der Geschäftsordnung eingebracht wurden.
Der Präsident. - Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0475/2008).
Folgende Anfragen werden an den Rat gerichtet.
Leider wird die Zeit knapp, aber ich beabsichtige, die Sitzung wie geplant um 19.00 Uhr zu unterbrechen. Herr Jouyet und Frau Ferrero-Waldner sind schon den ganzen Nachmittag hier.
Anfrage Nr. 1 von Claude Moraes (H-0703/08)
Betrifft: Fortschritte bei der Blue Card
Über welche Fortschritte kann der Rat zur Halbzeit des französischen Ratsvorsitzes im Zusammenhang mit der Blue Card und den damit verbundenen Prioritäten, wie etwa Migration von Fachkräften und zirkuläre Migration, berichten?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Moraes sagen, dass der Vorschlag für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung – die so genannte Blue-Card-Richtlinie – dem Rat von der Kommission im Oktober 2007 vorgelegt wurde.
Ziel dieses Vorschlags ist, hoch qualifizierter Drittstaatsangehörige zu ermutigen, in die Europäische Union zu ziehen. Der Vorschlag sieht gemeinsame Aufnahmekriterien, Gleichbehandlung mit EU-Staatsangehörigen in verschiedenen Bereichen und Möglichkeiten für Blue Card-Inhaber vor, innerhalb der EU umzuziehen, um so die Attraktivität der EU zu steigern.
Wie Sie wissen, bildet dieser Vorschlag eine der Prioritäten der französischen Präsidentschaft im Rahmen des Europäischen Paktes zu Einwanderung und Asyl. Am 25. September sprach sich der Rat auf der Basis eines von der Präsidentschaft vorgeschlagenen Kompromisses für diese Initiative aus. Schwerpunkte dieses Kompromisses sind erstens die Bestimmung der Begriffe „höherer beruflicher Bildungsabschluss“ und „höherer Bildungsabschluss“, zweitens die Beziehung zum einzelstaatlichen Recht sowie drittens der Mindestlohn und entsprechende Ausnahmeregelungen bei besonderem Bedarf in bestimmten Berufen.
Mittlerweile hat der Rat den Ausschuss der Ständigen Vertreter mit der abschließenden Prüfung des Textes beauftragt. Unsere Absicht ist, in Kürze einen Vorschlag zu formulieren, der dann nach Annahme einer Stellungnahme dieses Hauses verabschiedet werden kann. Ich denke, dies sollte im Rahmen der Plenartagung im November möglich sein.
Claude Moraes (PSE). - Ich danke Ihnen für diese ausführliche Antwort. Die Blue Card könnte in der Tat ein großer Fortschritt sein, wenn wir sie umfassend, gerecht und ausgewogen gestalten. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine weitere Frage an den Rat: Wie können wir das als „Braindrain“ bekannte Phänomen ausschließen – die Gefahr, dass wir nicht nur Entwicklungs-, sondern auch Schwellenländer gezielt ihrer besten Kräfte berauben? Sind Verbindungen zwischen den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, der Kommission und den Regierungen – insbesondere den Arbeitsministerien – der Drittstaaten vorgesehen, um zu verhindern, dass wir im Wettbewerb um die besten Kräfte den Entwicklungs- und Schwellenländern einige ihrer leistungsfähigsten Leute entziehen? Wurde an diesbezügliche Überwachungsmechanismen gedacht? Wie ist es um die Entscheidungsfreiheit bestellt? Wenn alle Aspekte stimmen, könnte die Blue Card für Europa von großem Nutzen sein.
Reinhard Rack (PPE-DE). – (DE) Ich möchte hier nur in einem Punkt konkret nachfragen. Wir hatten ja in der Vergangenheit immer wieder das Problem, dass wir zwar auf der einen Seite aus europäischer Sicht darauf hinweisen, dass wir qualifizierte Zuwanderung brauchen, auf der anderen Seite dann aber doch immer wieder sehr restriktiv waren.
Gibt es seriöse Vergleiche der Attraktivität der amerikanischen Greencard und vergleichbarer Systeme mit dem, was wir in Europa machen wollen?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Genau darum, so meine ich, geht es uns auch: Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Europa auf Zuwanderung angewiesen ist. Im Vergleich zu anderen Regionen dieser Welt kommen hinsichtlich der Altersstruktur und der Attraktivität erhebliche Nachteile auf uns zu. Umso wichtiger ist eine Politik der Offenheit – sowohl innerhalb der EU als auch gegenüber Schwellenländern. Auf dieser Grundlage gilt es dann, einerseits einen Rechtsrahmen für Wirtschaftsmigranten zu schaffen und andererseits ausgewogene Vereinbarungen mit Drittstaaten zu treffen, welche einerseits unsere Aufnahmefähigkeit und andererseits die Vermeidung eines Braindrain in den jeweiligen Ländern berücksichtigen.
Einer der innovativsten Aspekte des Europäischen Paktes zu Einwanderung und Asyl, der von den 27 Mitgliedstaaten angenommen wurde, besteht meines Erachtens darin, dass wir neuen Phänomenen im Zusammenhang mit der Wirtschaftsmigration Rechnung tragen und einen entsprechenden Rechtsrahmen schaffen. Um auf die Frage des Herrn Abgeordneten zurückzukommen: Ja, wir werden versuchen, in diesem Bereich in gewissem Umfang dem Beispiel der Vereinigten Staaten zu folgen, wobei wir durchdacht und effizient vorgehen müssen.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 2 von Liam Aylward (H-0705/08)
Betrifft: Auswirkungen eines risikobasierten Ansatzes auf Nahrungsmittelpreise und Schädlingsresistenz
Wenn man davon ausgeht, dass sich durch einen risikobasierten Ansatz die Anzahl der Pestizide auf dem Markt verringert, wie wird sich dies dann nach Ansicht des Rates künftig auf die Schädlingsresistenz und demzufolge auch auf die landwirtschaftliche Erzeugung in der EU auswirken? Welche Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise und die Nahrungsmittelsicherheit und welche Folgen für die Entwicklungsländer sind zu erwarten? (Nach Ansicht einiger Experten wird die EU mehr Nahrungsmittel aus den Entwicklungsländern beziehen, wodurch die Nahrungsmittelpreise in diesen Ländern steigen werden, was wiederum Auswirkungen auf die am Rande der Armut lebenden Menschen haben wird.)
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Hinsichtlich Pflanzenschutzmitteln liegt dem Rat ein „Pestizidpaket“ vor, mit dem Regelungen über das Inverkehrbringen dieser Produkte überarbeitet und eine Richtlinie über ihre nachhaltige Verwendung eingeführt werden sollen.
Ziel ist, den Einsatz von Pestiziden mit dem Umwelt- und Gesundheitsschutz zu vereinbaren, wobei selbstverständlich auch die Auswirkungen des Pakets auf die Schädlingsresistenz zu berücksichtigen sind. Auf dieser Grundlage einigte sich der Rat am 15. September auf einen Gemeinsamen Standpunkt.
Dieser Standpunkt sieht vor, dass Wirkstoffe von Pestiziden erst nach einer Bewertung der Gefahren und Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt zugelassen werden dürfen.
Dies ist eine enorme Herausforderung. Letztendlich geht es um den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger. Gefährliche Stoffe, die als karzinogen, mutagen oder reprotoxisch sind oder das Hormonsystem stören können, müssen wir daher aus dem Verkehr ziehen. Andererseits aber behält der Rat auch die Folgen für die Agrarproduktion im Auge und ist entschlossen, nachteilige Auswirkungen der neuen Rechtsvorschrift auf die Kosten und das Angebot von Nahrungsmitteln in Europa oder in anderen Regionen der Welt zu verhindern.
Ganz im Gegenteil: Die Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Pestizide und Pflanzenschutz soll den freien Warenverkehr begünstigen. Diesem Zweck dienen die gegenseitige Anerkennung von Produktzulassungen innerhalb bestimmter Zonen und rationellere Zulassungsverfahren für Wirkstoffe auf europäischer Ebene – Maßnahmen, die die europäische Landwirtschaft modernisieren und den Verbraucherschutz verbessern sollen.
Liam Aylward (UEN). - Ich möchte dem Herrn Minister versichern, dass die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und der Umweltschutz uns allen am Herzen liegen. Wie aber steht der Rat zu einer Folgenabschätzung durch die Kommission, um die Auswirkungen dieser Rechtsvorschriften auf die Nahrungsmittelproduktion und Nahrungsmittelversorgung in den einzelnen Mitgliedstaaten zu bestimmen? Dass die Europäische Kommission diese noch nicht durchgeführt hat, ist nicht akzeptabel.
Teilt der Rat die Auffassung, dass wir ohne angemessene, aktuelle Informationen auch keine fundierten Entscheidungen treffen können?
Jim Allister (NI). - Zu der letzten Frage: Was befürchtet der Rat von einer ordnungsgemäßen Folgenabschätzung, die uns ein Bild der Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion in Europa verschaffen würde? Hier geht es nicht nur um die Erzeuger, sondern auch um die Verbraucher. Beide haben viel zu verlieren, wenn Pestizide – derzeit im Pflanzenbau unerlässlich – verboten werden, ohne dass ein geeigneter Ersatz verfügbar ist. Was zum Beispiel sollen Kartoffelproduzenten im feuchten Nordeuropa machen, wenn es kein anderes Mittel gegen Kartoffelfäule gibt? Sollen wir ihnen sagen: „Pech gehabt!“? Und die Verbraucher sollen wir damit beruhigen, dass wir ja auch aus anderen Ländern importieren können, die es mit den Pestiziden weniger genau nehmen? Ganz im Ernst: Ist es nicht an der Zeit, die Sache noch einmal zu überdenken und eine gründliche Folgenabschätzung vorzunehmen?
Mairead McGuinness (PPE-DE). - Darf ich mich meinen beiden Vorrednern bezüglich der Folgenabschätzung anschließen? Wenn die Kommission und der Rat tatsächlich über stichhaltige Argumente verfügen, ist eine Folgenabschätzung meiner Ansicht nach doch eigentlich in ihrem eigenen Interesse. Ich weiß, die irische Kartoffelfäule ist eine abgedroschene Geschichte. Doch letztendlich geht es um ein schwer wiegendes Problem, dem Sie sich stellen sollten – nicht nur aus Erzeugersicht. Zu bedenken sind auch die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise, das Nahrungsmittelangebot und die Notwendigkeit, Waren einzuführen, die mit in Europa verbotenen Chemikalien produziert werden.
Wenn das einen Sinn ergeben soll, müssen Sie ihn mir erklären.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Ich danke Herrn Aylward, Herrn Allister und Frau McGuinness für ihre Fragen. Unser Ziel ist, in dieser schwierigen Angelegenheit noch vor Jahresende zu einer Einigung in zweiter Lesung zu kommen. Die formelle Annahme durch das Europäische Parlament wäre dann auf der Tagung im Dezember möglich. Zur Zusammenführung der unterschiedlichen Standpunkte ist ein Trilog zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament vorgesehen. In diesem Rahmen erscheint es mir absolut logisch, durch Folgenabschätzungen die Auswirkungen der Regelungen auf die Produktionsverfahren und den Verbraucherschutz zu prüfen. Zweifellos wird uns dies einen besseren Überblick über die Konsequenzen dieser Richtlinien verschaffen.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 3 von Seán Ó Neachtain (H-0707/08)
Betrifft: Zugang zu Mitteln im Rahmen des EU-Programms für Forschung, Technologie und Entwicklung
Welche Initiativen ergreift der Rat, um sicherzustellen, dass europäische Unternehmen uneingeschränkt Kenntnis davon haben, wie sie Mittel im Rahmen des EU-Programms für Forschung, Technologie und Entwicklung beantragen können, die sich für die Unternehmen in der EU zwischen 2007 und 2013 auf über 55 Milliarden Euro belaufen?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Herrn Ó Neachtain möchte ich antworten, dass der Rat seit Annahme des ersten Rahmenprogramms für Forschung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, um den Informationszugang für Unternehmen zu verbessern. Diese Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, den Unternehmen einen vollständigen Überblick über die Fördermöglichkeiten zu verschaffen, die ihnen unter den europäischen Rahmenprogrammen für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen.
Ein Beispiel ist die Cordis-Website – eine elektronische Ressource, die Anträge für europäische Projekte im Bereich der Technologieforschung und -entwicklung erleichtern soll. Unternehmen erfahren dort alles, was sie über europäische Programme wissen müssen, und können sich über die wichtigsten Akteure auf nationaler und regionaler Ebene in den einzelnen Mitgliedstaaten informieren. Zudem bietet die Website einen praktischen Leitfaden über Finanzierungsmöglichkeiten für Forschung und Innovation.
Auch das Netzwerk nationaler Kontaktstellen, das in das siebte Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung sowie das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation eingebunden ist, verbessert den Informationszugang für Unternehmen. Ziel dieses Netzwerks ist es, durch die Herstellung von Kontakten zu verschiedenen Stellen – seien es nationale Ministerien, Hochschulen, Forschungszentren oder private Beraterfirmen – möglichst maßgeschneiderte, ortsnahe Informationen bereitzustellen.
Hinweisen möchte ich schließlich noch auf die von uns veröffentlichten Leitlinien über die Finanzierungsmöglichkeiten des siebten Rahmenprogramms und über die Nutzung der Strukturfonds in der Forschung – ebenfalls eine wertvolle Ressource für Unternehmen. Wir wissen, wie wichtig die Bereitstellung vielfältiger Informationsquellen ist, um unsere Firmen im Wettbewerb um die Förderinstrumente der Europäischen Union zu unterstützen.
Seán Ó Neachtain (UEN). - (GA) Herr amtierender Ratspräsident! Ich danke Ihnen für Ihre ausführliche Antwort. Ich wüsste jedoch gerne, welche Möglichkeiten der Rat sieht, Anträge im Rahmen des Entwicklungsprogramms effektiver zu bearbeiten. Bestehen Pläne zur Verkürzung der Bearbeitungszeiten? Welche Vorschläge haben Sie hierzu?
Teresa Riera Madurell (PSE). – (ES) Herr Präsident! Eines der Ziele sowohl des siebten Rahmenprogramms als auch des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation bestand darin, kleine und mittlere Unternehmen besser einzubeziehen.
Zwei Jahre sind seit der Annahme dieser Programme vergangen. Könnten wir vom Rat erfahren, ob in den Mitgliedstaaten tatsächlich Fortschritte bezüglich der Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen festzustellen sind – beispielsweise im Vergleich zu vorherigen Rahmenprogrammen?
Avril Doyle (PPE-DE). - Ein Ziel des siebten Rahmenprogramms war es, das gesamte Antragsverfahren wesentlich zu vereinfachen. Könnte der Rat bitte bestätigen, dass dies auch geschehen ist und dass es transparent ist, sodass den Unternehmen im Allgemeinen bekannt ist, wie sie Mittel beantragen und auf Ausschreibungen für Fördermittel unter dem RP7 antworten?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herrn Ó Neachtain möchte ich eine ehrliche Antwort geben: Es handelt sich um ein wichtiges Thema, doch angesichts der umfangreichen Tagesordnung des Europäischen Rates im Dezember denke ich nicht, dass es dort zur Sprache kommen wird. Es müsste bei Tagungen des Rates „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Forschung“ angesprochen werden. Mein Eindruck ist, dass für die Verbesserung des Informationssystems bereits einiges getan wurde.
Nun zu Frau Riera. Meines Erachtens besteht hier nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf. Morgen werden die Kommission, der Rat und das Parlament eine politische Einigung zum Thema Kommunikation annehmen mit dem Ziel, europäische Maßnahmen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Dies ist sicherlich ein wichtiger Schritt, doch darüber hinaus – und hier bin ich mit Frau Doyle wie auch Frau Riera völlig einer Meinung – müssen wir die Zahl der Informationsstellen weiter erhöhen. Ich denke, dieses Parlament hat eine sehr wichtige Kontrollfunktion, wenn es darum geht, diese Informationsstellen im Hinblick auf Zielgruppen und Verfahren weiterzuentwickeln.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 4 von Brian Crowley (H-0709/08)
Betrifft: Soforthilfe nach Naturkatastrophen
Welche Vorschläge hat die Ratspräsidentschaft vorgelegt, um die Durchführung von Soforthilfemaßnahmen in der EU nach Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Bränden usw. auszuweiten und zu verbessern?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Zu Herrn Crowleys Frage: Europa musste in den vergangenen Jahren eine Zunahme von Katastrophen und schweren Krisen verzeichnen. Waldbrände und Hochwasser in mehreren europäischen Ländern haben jüngst gezeigt, wie dringend wir die Kapazitäten der EU für eine effiziente Reaktion auf Notsituationen ausbauen müssen. Auch hier kommt es auf Solidarität und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger an. Wir müssen solidarisch und geschlossen vorgehen, und wir müssen die Menschen in der Europäischen Union und darüber hinaus schützen. Daher hat es die Präsidentschaft zu einer ihrer Prioritäten gemacht, die Reaktionsfähigkeit der EU auf Katastrophen und Krisen zu verbessern.
Ausgehend von bestehenden Gemeinschaftsinstrumenten – namentlich dem Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz – müssen wir uns mit verschiedenen Stufen des Katastrophenschutzes befassen. Zunächst einmal wird es um Verhütung, Forschung und Information gehen. Insbesondere muss die Einrichtung von Frühwarnsystemen vorangetrieben werden. Andererseits müssen wir uns auch auf mögliche Krisensituationen vorbereiten, indem wir unsere Krisenmanagement- und Reaktionsfähigkeiten ausbauen und die Koordination zwischen den verschiedenen Stellen auf gemeinschaftlicher und internationaler Ebene verbessern. Durch diese Maßnahmen hoffen wir, Europas Leistungsvermögen im Bereich der humanitären Hilfe und des Katastrophenschutzes zu verbessern und dadurch auch das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz rund um ein handlungsfähigeres Zentrum zu stärken.
Derzeit befassen sich im Rahmen des Rates mehrere Arbeitsgruppen mit diesen Themen. Noch vor Jahresende werden sie den Rat von ihrer Arbeit in Kenntnis setzen. Ferner sei der Herr Abgeordnete darauf hingewiesen, dass die Präsidentschaft am 4. und 6. November eine großflächige Katastrophenschutzübung unter Einbeziehung aller Katastrophenschutzverantwortlichen der Mitgliedstaaten veranstalten wird. So können wir vor Ort den Verbesserungsbedarf in diesem äußerst wichtigen Bereich bestimmen.
Brian Crowley (UEN). - Die Koordination der Maßnahmen ist ganz offensichtlich der wichtigste Aspekt, wie wir vergangenes Jahr gesehen haben, als sich Waldbrände von Griechenland nach Italien und in Teile Sloweniens ausbreiteten oder als wiederholte Hochwasser der Donau nicht nur Österreich, sondern auch anderen Donauländern zu schaffen machten.
Besteht ein Vorschlag zur Einrichtung eines ständigen Koordinationsbüros in zentraler Lage, um sich bei Naturkatastrophen, die mehrere EU-Mitgliedstaaten betreffen, besser abstimmen zu können?
Reinhard Rack (PPE-DE). – (DE) Herr Ratspräsident! Koordinierung von Hilfsmaßnahmen ist die eine Seite, die andere Seite ist, ob für die europäischen Bürger sichtbar bleibt, dass sich hier die Europäische Union engagiert, dass es nicht nur die Mitgliedstaaten sind, sondern dass Europa hier tatsächlich für die einzelnen Menschen vor Ort etwas tut.
Jim Allister (NI). - Herr Minister! Ich möchte den Schwellenwert für die Inanspruchnahme des EU-Solidaritätsfonds ansprechen. Derzeit liegt er nach meinen Kenntnissen bei rund 3 Milliarden Euro. Die Größe des Landes oder der Region ist dabei unerheblich. Die Folge ist, dass es in einer Region zu verheerenden Zerstörungen kommen kann – wie diesen Sommer bei den Überschwemmungen in Nordirland –, ohne dass Hilfe vom Solidaritätsfonds zu erwarten ist, ganz einfach weil nicht das ganze Land betroffen ist und der Schwellenwert nicht erreicht wird. Ist das vielleicht gerecht? Sollte diese Regelung nicht noch einmal überdacht werden – ebenso wie die absurden bürokratischen Hürden, die insbesondere landwirtschaftliche Erzeuger bei der Inanspruchnahme dieses Fonds überwinden müssen?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Zunächst zu Herrn Crowleys Frage: Ich denke, die Präsidentschaft verfolgt in der Tat das Ziel, ein Koordinationszentrum mit möglichst weit reichenden Kompetenzen einzurichten. Das ist unser Wunsch, doch es gilt einen Kompromiss zu finden, denn nicht alle Mitgliedstaaten möchten wie die Präsidentschaft eine stärkere Koordination. Einige räumen auch in diesem Bereich der Subsidiarität einen höheren Stellenwert ein. Es sei jedoch klar gesagt: Die Präsidentschaft setzt sich im Rahmen des Rates für eine bessere und – um Herrn Racks Frage zu beantworten – auch eine stärker sichtbare Koordination ein. Wie Herr Rack völlig zu Recht sagte: Wir müssen dafür sorgen, dass die Leistungen der EU auch wahrgenommen werden.
Was nun den Europäischen Solidaritätsfonds anbelangt, Herr Allister, bin ich mir der Probleme Nordirlands im Zusammenhang mit verschiedenen Naturkatastrophen durchaus bewusst. Hinweise auf eine Diskriminierung liegen mir nicht vor, doch selbstverständlich werde ich in Zusammenarbeit mit den zuständigen Dienststellen des Rates dafür sorgen, dass die Mittel des Solidaritätsfonds je nach den Region so zeitnah und gerecht wie möglich eingesetzt werden – sowohl auf Ebene der EU als auch der Mitgliedstaaten.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 5 von Eoin Ryan (H-0711/08)
Betrifft: Lebensmittelsicherheit im Rahmen einer ungleichen Partnerschaft
Was unternimmt der Rat angesichts der Appelle der EU, Initiativen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit in den Entwicklungsländern fortzusetzen, aufgrund der Anschuldigungen der Entwicklungsländer, dass die EU eine ungleiche Partnerschaft ausnutzt, und zwar erstens durch die Aushandlung von Handelsabkommen, die der UN-Wirtschaftskommission für Afrika zufolge „nicht genug Einbeziehung“ bieten, „Transparenz vermissen lassen“ und es der EU ermöglichen, von der mangelnden Fähigkeit der afrikanischen Länder im Umgang mit komplexen rechtlichen Phänomenen zu profitieren, und zweitens durch Gewährleistung der europäischen Lebensmittelsicherheit auf Kosten u.a. der westafrikanischen Fischerei?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Wie Ihnen bekannt ist, Herr Ryan, wurde mit dem Abkommen von Cotonou vom 23. Juni 2000 der Grundstein für eine neue Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und den 78 AKP-Staaten gelegt. Mit diesen Abkommen soll ein globaler Ansatz im Hinblick auf die Beziehungen zwischen der EU und diesen Staaten gefördert werden. Die Grundlage hierfür bilden handelspolitische Maßnahmen für Waren und Dienstleistungen, flankierende Maßnahmen und Maßnahmen zur Förderung der regionalen Integration, wobei die handelspolitischen Maßnahmen den Vorschriften der Welthandelsorganisation entsprechen müssen. Auf dieser Basis wurden Ende 2007 mehrere vorläufige Abkommen paraphiert, die, wie der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom Mai 2008 hervorhob, drohende Störungen im Handelsverkehr abwendeten – ein damals wichtiges Anliegen.
Es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass die Aushandlung vollwertiger regionaler Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu den obersten Prioritäten des Rates zählt. Im Übrigen hat der Rat in einer Reihe neuer Schlussfolgerungen zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen – den vierten seit 2006 – bekräftigt, dass der Zweck dieser WTO-konformen Vereinbarungen in der Förderung der Entwicklung besteht. Somit kann ich sagen, dass in dieser wichtigen Frage nach wie vor ein Konsens im Rat besteht. Unser gemeinsames Ziel ist klar: vollwertige regionale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die eine nachhaltige Entwicklung in den AKP-Staaten fördern.
Das Thema Ernährungssicherheit bildet nach Angaben des für die Verhandlungen zuständigen Ausschusses einen Schwerpunkt der Gespräche. Auf regionaler Ebene werden kontinuierliche Fortschritte verzeichnet, die uns in unserem Ziel bestärken, möglichst schnell zu umfassenden regionalen Vereinbarungen zu kommen.
Hinsichtlich der partnerschaftlichen Fischereiabkommen möchte ich das Parlament an die neuen bilateralen Abkommen erinnern, die die Gemeinschaft aufgrund der Schlussfolgerungen des Rates vom Juli 2004 ins Leben gerufen hat. Zwei Punkte sind in diesem Zusammenhang für mich von Bedeutung: Erstens müssen den Schiffen der Gemeinschaft Fangmöglichkeiten aufgrund transparenter wissenschaftlicher Gutachten eingeräumt werden – und ich hoffe, dass dies der Fall sein wird –, zweitens muss ein Teil des von der Gemeinschaft im Rahmen der so genannten sektorspezifischen Förderabkommen aufzubringenden Finanzbeitrags für die Entwicklung des Fischereisektors des betreffenden Küstenstaats eingesetzt werden – mit dem Ziel einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Fischereiwirtschaft.
Mein wichtigster Punkt aber ist: Ohne vorläufige Abkommen geht es nicht, doch wir müssen so schnell wie möglich vollwertige Wirtschaftspartnerschaftsabkommen abschließen. Alle Mitglieder des Rates ziehen in dieser Hinsicht am gleichen Strang.
Eoin Ryan (UEN). - Mit welchen Mitteln kann der Rat für Transparenz sorgen, damit nicht nur Handelsabkommen, sondern auch Hilfsmaßnahmen für Entwicklungsländer maximale Wirkung zeigen?
Es ist nicht gerade einfach, die Äußerungen der Kommission über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der heftigen Kritik der Nichtregierungsorganisationen an diesen Abkommen in Einklang zu bringen. Wer ist hier im Recht? Wer ist der wahre Nutznießer? Eines ist jedoch klar: Diese Abkommen stehen ständig in der Kritik und lassen es an Transparenz fehlen. Dürfte ich Sie dazu um eine Äußerung bitten?
Avril Doyle (PPE-DE). - Eine Bemerkung an die Präsidentschaft zur Fischerei in Westafrika. Meine Meinung ist: Diese Fischereiabkommen – obgleich bilateral – müssten durch die EU und die Kommission deutlich intensiver überwacht und auch überdacht werden, um zu verhindern, dass extreme Armut und Verschuldung für Druck im Hinblick auf den Abschluss dieser lukrativen Abkommen sorgen, die dann oft, allzu oft, zu einem nicht nachhaltigen und unverantwortlichen Raubbau an den Ressourcen führen. Für mich ist dieses Vorgehen Europas extrem fragwürdig. Könnte die Präsidentschaft dies bitte kommentieren?
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte die Frage von Frau Doyle wiederholen, allerdings mit etwas anderen Worten.
Die Verwaltung der Fischereigebiete der Westsahara wurde vor über zwanzig Jahren an Marokko übertragen. Dabei wurde kein Druck ausgeübt. Die Europäische Union hat in diesem Gebiet nur in geringem Maßstab Fischerei betrieben, allerdings gab es Probleme mit der schlechten Verwaltung der Fischereigebiete.
Meine Frage lautet wie folgt: Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um die für die Fischereigebiete verantwortlichen Länder bei der Gewährleistung einer effektiven Überwachung zu unterstützen? Das Unterzeichnen von Fischereivereinbarungen allein reicht nicht aus. Wenn die Fischereigebiete nicht effektiv überwacht werden, wird es immer Probleme geben.
Kann die Europäische Union etwas zur Unterstützung dieser Länder bei der effektiven Überwachung ihrer Fischereigebiete beitragen, sodass die derzeitige Dezimierung der Fischbestände eingedämmt wird?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Nach meiner Überzeugung sollten diese Verträge extrem transparent sein. Ich persönlich kann mich zu einem Mangel an Transparenz nicht äußern. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns in Bezug auf diese Zwischenvereinbarungen in einer Übergangsphase befinden. Sie sind nicht ganz zufrieden stellend, doch angesichts der WTO-Regeln können wir nicht anders handeln.
Zweitens stimme ich dem Herrn Abgeordneten zu: Die Unterzeichnerstaaten sehen solche Vereinbarungen kritisch. Die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe wird immer kritisiert. Gemeinsam mit der Kommission arbeiten wir daran, dass diese Hilfs- und Unterstützungsmechanismen transparenter werden, das ist klar.
Drittens streben wir globale Vereinbarungen an, in die alle interessierten Seiten und Vertreter der Zivilgesellschaft in den Partnerstaaten einbezogen werden.
Viertens: Was die Fischerei entlang der Küste von Westafrika betrifft, so hat Frau Doyle meines Erachtens Recht. Wir müssen offensichtlich eine permanente nachhaltige Entwicklung gewährleisten und unter allen Umständen dafür sorgen, dass von Vereinbarungen, die bilateral bleiben, kein übermäßiger Druck ausgeht. Wie die Frau Abgeordnete hervorgehoben hat, müssen wir auch weiterhin effektive Maßnahmen zur Kontrolle der Bestände in den Fischereigebieten nutzen. Das ist nicht leicht. Natürlich müssen wir das Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung berücksichtigen und diese Länder bei einer stärkeren Integration in internationale Handelszonen unterstützen.
Der Präsident. - Die Frage Nr. 6 wurde als unzulässig eingestuft, da sie einer Frage ähnelt, die bereits auf der Tagung II im September beantwortet wurde.
Anfrage Nr. 7 von Manuel Medina Ortega (H-0719/08)
Betrifft: Sicherheit im Flugverkehr
Hält der Rat angesichts der jüngsten Zunahme von Unfällen im Flugverkehr in verschiedenen Teilen der Welt die internationalen Standards und Verfahren im Bereich der Flugsicherheit für ausreichend, oder erachtet er es für erforderlich, neue Initiativen vorzulegen, mit denen die Sicherheit der Bürger sowohl im innereuropäischen Verkehr als auch außerhalb des europäischen Luftraums gewährleistet werden kann?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Herrn Medina Ortega möchte ich antworten, dass der Luftverkehr noch immer eines der sichersten Verkehrsmittel ist. Aber es stimmt – und dabei verstehe ich die allgemeine Gefühlslage –, dass uns bestimmte Unfälle, insbesondere derjenige, der sich in diesem Sommer in Spanien ereignet hat, an die extrem tragischen Folgen solcher Unfälle erinnern.
Die Verbesserung der Sicherheit der Fluggäste gehört nach wie vor zu den wichtigsten Prioritäten des Rates. Ich möchte dieses Haus daran erinnern, dass im Rahmen einer vom Parlament und vom Rat verabschiedeten Verordnung eine Schwarze Liste von Fluggesellschaften definiert wurde, die ein besonderes Risiko darstellen. Dank dieser Verordnung ist es möglich, Flugzeugen, die als unsicher gelten, die Nutzung des Luftraums der Gemeinschaft zu untersagen. Damit ist diese Verordnung ein effektives Instrument, um die Anwendung internationaler Sicherheitsstandards auch in jenen Ländern zu verbessern, in denen die minimalen Sicherheitsvorschriften nach Meinung der Kommission nicht respektiert werden. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert.
In diesem grundlegenden Sektor der Luftverkehrssicherheit bildet die EASA ein weiteres wichtiges Element. Aufgabe dieser Behörde ist die Förderung der größtmöglichen Sicherheit und des Umweltschutzes in der zivilen Luftfahrt. Die Institutionen der Gemeinschaft haben auch jene Fälle berücksichtigt, in denen Flugzeuge in der Gemeinschaft von Gesellschaften aus Drittstaaten außerhalb der Gemeinschaft betrieben werden, und es wurden Regeln für die Gewährung von Lizenzen für diese Crews, für den Betrieb dieser Flugzeuge und für Sicherheitsstandards definiert.
Offensichtlich müssen diese Regeln, wie der Herr Abgeordnete richtigerweise sagte, ergänzt und verstärkt werden. Ich hoffe, dass die Kommission schnellstmöglich einige Vorschläge vorlegt. Diese Vorschläge werden von Rat und Parlament im Rahmen des Ihnen vertrauten Regulierungsverfahrens überprüft.
Wir müssen auch mit der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation zusammenarbeiten, die selbstverständlich ein wichtiger Partner auf diesem Gebiet ist. Die französische Präsidentschaft ist entschlossen, die Luftverkehrssicherheit weiter voranzutreiben. Sie hat bereits damit begonnen, neue Vorschläge der Kommission zu prüfen, die im Juni dieses Jahres verabschiedet wurden und mit denen für die Gemeinschaft geltende Sicherheitsbestimmungen für Flughäfen, die Flugsicherung und Luftfahrt-Services formuliert werden.
Manuel Medina Ortega (PSE). - (ES) Herr amtierender Ratspräsident! Vielen Dank für Ihre ausführliche und umfassende Antwort.
Meine Nachfrage basiert auf der verschiedentlich geäußerten Behauptung, dass die Zunahme der Unfälle in Zusammenhang steht mit den Bemühungen der Fluggesellschaften, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Billigflüge zu steigern. Die Verbraucher sind froh, wenn sie günstigere Flüge finden. Ich weiß jedoch nicht, ob der Kommission Studien vorliegen, die einen Zusammenhang zwischen Billigflügen und einer Zunahme von Unfällen im Luftverkehr herstellen.
Robert Evans (PSE). - Mein Anliegen betrifft die gesamte Frage der Sicherheit im Luftverkehr. Es wurde von einer Vielzahl von Vorfällen berichtet, in denen Passagiere, teilweise Briten, teilweise Passagiere anderer Nationalitäten, während des Flugs zu viel Alkohol konsumiert haben und deshalb eine Gefahr für die anderen Passagiere und sogar das gesamte Flugzeug darstellten.
Können Sie sich vorstellen, Personen, die Alkohol mit sich führen, das Betreten eines Flugzeugs zu verwehren?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Ich denke, die Kommission sollte im Rahmen ihrer Vorschläge alle Gefahrenquellen prüfen. Um die letzte Frage von Herrn Evans zu beantworten: Wenn es den Anschein hat, dass von einer solchen Person eine Gefahr ausgehen könnte, was sehr gut möglich ist, dann stimme ich Ihnen zu. Wir müssen in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der Fluggäste berücksichtigen. Das gibt mir die Möglichkeit, Herrn Ortega zu antworten: Vorfälle dieser Art ereignen sich nicht auf Billigflügen, denn der Verkauf zweifellos stärker beschränkt ist.
Um Herrn Ortega weiter zu antworten, so ist mir kein direkter Zusammenhang zwischen Billigflügen und der Anzahl der Unfälle bekannt, falls das Ihre Frage war. Wahr ist jedoch auch, dass es einen Zusammenhang zwischen den Kostensenkungsbemühungen der Unternehmen einerseits, insbesondere in Bezug auf Wartung, Sicherheit und die Lebensdauer der Flugzeuge, und der Anzahl der Unfälle andererseits gibt. Hier müssen wir kämpfen und durch bereits bestehende Ausschüsse sowie – noch wichtiger – das Projekt CESAR sicherstellen, dass die Abläufe dieser Unternehmen besser kontrolliert werden. Das betrifft insbesondere auch die Wartungsarbeiten, die, wie diese Anfrage zeigen wird, in bestimmten Fällen Ursache der Unglücke waren, zu deren Opfern leider auch Sie zählen. Nach meiner Überzeugung sollten wir diesem Phänomen unsere ganz besondere Aufmerksamkeit widmen.
Avril Doyle (PPE-DE). - Vielen Dank, selbst wenn ich Sie unterbreche. Alles, was wir wollen, sind Zusicherungen. Wir schweifen damit zwar etwas vom Thema ab und strapazieren möglicherweise die Großzügigkeit des Vorsitzenden über Gebühr, doch würden Sie bitte etwas unternehmen, um die Erreichbarkeit von Straßburg zu erleichtern, sodass wir den Flughafen Straßburg anfliegen können, um in dieses Parlament zu gelangen? Straßburg ist eine wunderschöne Stadt, aber für uns fast unerreichbar. Deshalb sind wir immer so unzufrieden, wenn hier Parlamentssitzungen stattfinden.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Ich freue mich, Frau Doyle antworten zu können, die ich sehr mag und für die ich große Sympathie empfinde. Ich möchte betonen, dass wir große Anstrengungen unternehmen, um die Erreichbarkeit von Straßburg zu verbessern, und dass wir, wie Sie wissen, fünf Fluggesellschaften bezuschussen. Übrigens gibt die französische Regierung – und hier spreche ich im Moment in meiner anderen Funktion – mehr als 22 Millionen Euro aus, damit diese Fluggesellschaften Straßburg anfliegen. Wir haben auch versucht, die Zugverbindung zwischen Brüssel und Straßburg mit dem Umweg über Roissy und einer Verbindung zwischen dem Thalys und dem TGV zu verbessern. Wir müssen eindeutig noch mehr tun. Wir werden uns auch weiterhin darum bemühen. Derzeit führen wir Gespräche, um die Verbindung zu dieser, wie Sie sagten, schönen Stadt zu verbessern – eine Einschätzung, in der ich Ihnen übrigens zustimme.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 8 von Robert Evans (H-0721/08)
Betrifft: Elektronische Pässe
Wenn keine Sichtkontrollen durch zuständiges Personal vorgenommen werden, welche Gewähr kann der Rat dann dafür bieten, dass die Verwendung elektronischer Pässe an einigen Flughäfen nicht zu einer Verschlechterung der Sicherheit führt bzw. bestimmten Personen mehr Gelegenheiten bietet, sich für jemand anderen auszugeben?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! In Beantwortung der Frage von Herrn Evans möchte ich sagen, dass der Rat einer Verstärkung der Kontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union tatsächlich eine große Bedeutung beimisst. Diese Tatsache wurde heute Vormittag erneut hervorgehoben.
Wir möchten keine Festung Europa errichten, müssen aber daran denken, dass der Schengen-Raum vergrößert wurde und Schengen absolut effektiv funktionieren muss. Wir alle sind für den Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität und die vollständige Vermeidung von Illegalität verantwortlich.
Der Rat setzt sich deshalb dafür ein, dass bei der Verwaltung unserer Außengrenzen neue Technologien besser genutzt werden. Die Kommission hat eine sehr begrüßenswerte Mitteilung mit dem Titel „Weiterentwicklung der Grenzverwaltung in der Europäischen Union“ veröffentlicht, die nach unserer Auffassung einen hervorragenden Vorschlag darstellt.
Wichtig ist auch, dass durch Kontrollen an den Grenzübergängen, und in dieser Frage kann ich Herrn Evans beruhigen, die Integrität und Sicherheit des Schengen-Raums nicht infrage gestellt wird. Die automatische Kontrolle der Identität von Reisenden darf die Sicherheit an den Grenzen nicht beeinträchtigen.
Wie Sie wissen, enthält die Verordnung 2252/04 Garantien. Mit diesem Dokument werden präzise Standards für biometrische Daten formuliert, die in Reisepässe und -dokumente der Mitgliedstaaten zu integrieren sind. Durch diese Bestimmungen werden die Pässe sicherer, sodass eine zuverlässigere Verbindung zwischen Dokument und Eigentümer besteht, wodurch wir die Fälschung von Dokumenten effektiv bekämpfen können. Die in dieser Verordnung enthaltenen Garantien müssen verstärkt werden, und wir müssen diese Initiative fortsetzen. Das ist der Grundgedanke des Pakts zu Einwanderung und Asyl, den Präsident Sarkozy in der Sitzung am heutigen Vormittag recht ausführlich beschrieben hat.
Wichtig ist, dass wir über die rechtliche Rahmenbedingungen für Maßnahmen verfügen. Wichtig ist auch, Herr Evans, dass wir nun dank des Pakts auch die gemeinsame politische Bereitschaft zeigen, jenes Maß an Sicherheit zu gewährleisten, das im Kontext eines größeren Gebiets der Freizügigkeit erforderlich ist.
Robert Evans (PSE). - Wie der Herr Minister, möchte auch ich Europa nicht zu einer Festung machen, und auch ich wünsche mir wirkungsvolle Sicherheitskontrollen und den Einsatz moderner Technologien. Doch ich habe bereits gesehen, wie diese Pässe funktionieren. Herr Minister, bitte sagen Sie es mir, falls ich mich irre, doch das Szenario sieht doch wie folgt aus: Eine Person, die im Besitz eines elektronischen Passes ist, tritt an ein Gerät heran, legt den Pass auf die Leseeinheit und geht dann weiter, sofern der Pass in Ordnung ist. Ich kann nicht erkennen, wo hier mehr getan wird als zu überprüfen, ob sich die Person im Besitz eines gültigen Passes befindet.
Dabei wird nicht kontrolliert, ob das von dieser Person vorgelegte Dokument tatsächlich in ihrem Namen ausgestellt wurde. Deshalb kann mich nach meinem Verständnis doch nichts daran hindern, Ihren Pass, Herr Minister, zu nutzen – sofern Sie ihn mir leihen –, um durch eine Kontrolle zu gehen. Schließlich überprüft niemand, ob das Foto mit der Person übereinstimmt. Folglich könnte ich ebenso gut den Pass einer anderen Person verwenden, beispielsweise den von Herrn McMillan-Scott.
Können Sie mir versichern, dass neben dem Besitz des Passes auch die tatsächliche Identität der Person, die ihn vorlegt, überprüft wird?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Das ist eine leicht zu beantwortende Frage, für die ich Ihnen, Herr Evans, dankbar bin. Nein, wenn es bei der Identitätskontrolle ein Schlupfloch gibt – was ich überprüfen muss – dann müssen wir für einen Identitätsnachweis sorgen. Das ist für mich völlig klar. Es darf nicht dazu kommen, dass Pässe untereinander getauscht werden.
Ich werde Ihre Anmerkungen daher berücksichtigen. Wir müssen Ihre Anregungen überprüfen. Sie können sicher sein, dass wir im Kontext der Maßnahmen, die dem Rat zur Verfügung stehen, und der Arbeiten bei der Umsetzung des Pakts zu Einwanderung und Asyl nochmals genau überprüfen werden, ob es ratsam ist, diesem Punkt im Rahmen der Schengen-Thematik eine stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. Das ist definitiv notwendig.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 9 von Marian Harkin (H-0723/08)
Betrifft: Ehrenamtliche Tätigkeit
Würde der amtierende französische Ratsvorsitz eine Aufforderung an Eurostat zur Abgabe einer Empfehlung zur Umsetzung des UN-Handbuchs über gemeinnützige Organisationen im System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen unterstützen, in Anbetracht der Tatsache, dass dies ein Bereich des statistischen Systems ist, der die Bürgerinnen und Bürger Europas unmittelbar betrifft und ihrem Engagement in ehrenamtlichen Tätigkeiten zum erstem Mal in den Statistiken sichtbar Ausdruck verleiht und somit honoriert?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Wie Frau Harkin weiß, hat die Kommission im Ausschuss für Währungs-, Finanz- und Zahlungsbilanzstatistiken, also wohl Eurostat, Diskussionen geführt. Am Ende dieser Diskussionen hat der Ausschuss festgestellt, dass weitere wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich sind, um harmonisierte Kriterien zur Charakterisierung gemeinnütziger Einrichtungen zu definieren, sodass zuverlässige zeitliche und räumliche Vergleiche dieser Institutionen möglich sind. Dementsprechend ist die Frage der Statistik wichtig, denn die Strukturen im Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeit sind in der Tat sehr vielfältig, und wir müssen diese besser verstehen. Dabei ist wichtig, und das möchte ich der Frau Abgeordneten an diesem Punkt versichern, dass wir im Rat großes Interesse an einer Weiterentwicklung des Sektors der ehrenamtlichen Tätigkeit haben. Die Bürger selbst sollen sich die europäische Sache zu Eigen machen, insbesondere die jüngeren Menschen. Aus den neuesten Studien haben wir kürzlich entnommen, dass die jungen Menschen nicht zwangsläufig am europafreundlichsten sind, trotz der Möglichkeiten, die ihnen offen stehen.
Deshalb sollte im November im Rahmen des Programms „Jugend, Bildung und Kultur“ des Rates eine Empfehlung zur Mobilität junger Ehrenamtlicher in Europa verabschiedet werden, um das Ehrenamt auf europäischer Ebene zu fördern und dadurch ein klares Bild von Europa zu vermitteln, insbesondere für unsere jüngeren Mitbürger.
Marian Harkin (ALDE). - Zunächst möchte ich der französischen Präsidentschaft für ihre Antwort danken, insbesondere aber ihre Initiative zur Förderung der Mobilität hervorheben. Allerdings zitieren Sie in Ihrer Antwort ein Schreiben der Europäischen Kommission, das nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver ist, denn in diesem Schreiben heißt es, dass der Schwerpunkt auf den Unterschieden des rechtlichen Status und dem Mangel an harmonisierten Kriterien zur Charakterisierung gemeinnütziger Aktivitäten in den verschiedenen Ländern lag. Herr Minister, Sie wissen sehr gut, dass in 32 Ländern diese Einrichtungen ohne Gewinnzweck bereits erfasst werden, darunter auch, und es freut mich besonders, das sagen zu können, in Frankreich und der Tschechischen Republik, die ab Januar die Ratspräsidentschaft innehaben wird. Deshalb bin ich, wie gesagt, der Meinung, dass die Kommission ein Ablenkungsmanöver betreibt und Entscheidungen in dieser Frage in die Länge zieht. Angesichts der Tatsache, dass Frankreich selbst diese Einrichtungen erfasst, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie zumindest Eurostat empfehlen, allen EU-Ländern eine solche Erfassung zu empfehlen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Mehr als 100 Millionen Europäer unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten und unterschiedlicher Nationalitäten gehen einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Das soziale Kapital dieser aktiven Ehrenamtlichen spielt für die Demokratie vor Ort eine bedeutende Rolle, weil eine Partnerschaft auf vielen Ebenen geschaffen wird. Deshalb unterstütze ich den Plan, 2011 zum Europäischen Freiwilligenjahr zu erklären. Glaubt der Rat nicht, dass wir auf diesem Gebiet bis 2011 wesentlich mehr tun könnten und sollten, als dies bisher der Fall ist?
Paul Rübig (PPE-DE). – (DE) Meine Frage bezieht sich auf die Aufbereitung dieser Statistiken. Wir stellen immer wieder fest, dass in Europa bei Statistiken die verschiedenen Länder angeführt werden wie Deutschland, Spanien, Polen usw., aber nie oder sehr selten Gesamteuropa, das Europa der 27, dass dann aber mit Amerika, Indien oder China verglichen wird. Hier sollte man auch darauf hinwirken, dass das Europa der 27 in diesen Statistiken sichtbar wird, weil gerade der Freiwilligendienst für uns eine besondere Bedeutung hat.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Gestatten Sie mir, dass ich zuerst Frau Pleštinská und dann Frau Harkin und Herrn Rübig antworte. Meines Erachtens ist es in der Tat wichtig, dass der Sektor der ehrenamtlichen Tätigkeit ein Symbol erhält und 2011 daher zum Freiwilligenjahr erklärt wird. Daher möchte sich die französische Präsidentschaft darauf vorbereiten. Sie will die Mobilität jüngerer Menschen wirklich fördern und dafür sorgen, dass bei der Entwicklung ehrenamtlicher Tätigkeiten in ganz Europa Fortschritte erzielt werden.
Was die Frage der Statistik betrifft, so möchte ich auf ein Gespräch mit Frau Doyle zurückkommen. Wie Herr Rübig bin ich der Meinung, dass wir das Wissen um das gemeinschaftliche und karitative Engagement in Europa verbessern und auch eine größere Transparenz schaffen müssen. Wir können jedoch auch die Ausdehnung der europäischen humanistischen Tradition in Bezug auf andere Regionen dieser Welt erkennen. Das gilt insbesondere für die Vereinigten Staaten, aber auch andere Gebiete, beispielsweise Asien.
Ich bin jedoch kein Experte auf diesem Gebiet. Wir müssen also sicherstellen, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den statistischen Anforderungen und einer stärkeren Vereinfachung besteht, und wir müssen versuchen, die Belastungen für jene Strukturen zu verringern, die mitunter nur über wenige Ressourcen verfügen. Ich persönlich bin für solide statistische Informationen. Das entspricht auch der von Ihnen empfohlenen Richtung. Ich bin jedoch gegen Einheitlichkeit in diesem Bereich: Meines Erachtens ist es wichtig, eine gewisse Vielfalt zu wahren, und ich sehe nicht, dass dies in irgendeiner Form in Widerspruch steht zu diesem guten statistischen Ansatz. Andererseits halte ich es für wichtig, dass die Anforderungen – deren Nützlichkeit ich verstehe und die erforderlich sind – im richtigen Verhältnis zu unserem Ziel stehen. Dieses Ziel besteht in einer Vereinfachung der Belastungen, und zwar insbesondere für jene Strukturen, bei denen in administrativer Hinsicht die größten Mängel bestehen.
Der Präsident. - Die Fragen 10 und 11 ähneln sich stark und wurden deshalb zusammengefasst. Ihre Verfasser erhalten jedoch die Möglichkeit, dem Minister ergänzende Fragen zu stellen.
Anfrage Nr. 10 von Avril Doyle (H-0725/08)
Betrifft: EU-Politik im Bereich genetisch veränderte Produkte
Die Einfuhr in der EU nicht zugelassener Produkte, die zufällig oder in geringen Mengen GVO enthalten, ist verboten. Trifft es nach Auffassung des Rates und seines Vorsitzes zu, dass diese gegenwärtige „Nulltoleranz“-Politik der EU bei auf Getreide- und Futtermittelimporte angewiesenen landwirtschaftlichen Betrieben in der EU zu größeren Versorgungsproblemen führt?
Die Produkte enthalten oft in der EU bereits zugelassene genetisch veränderte Arten – sobald jedoch die geringste Spur nicht zugelassener, genetisch veränderter Inhaltsstoffe festgestellt wird, werden sie verboten und vernichtet. Diese Verfahrensweise ist weder wissenschaftlich fundiert, noch entsprechend festgelegt.
Das Fazit eines aktuellen Berichts der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Kommission lautet, dass für gesundheitliche Schäden durch die zu bewertenden genetisch veränderten Lebensmittelprodukte bisher kein Nachweis erbracht wurde.
Wie gedenkt der Ratsvorsitz angesichts des Ergebnisses des GFS-Berichts und der ungebührlichen Verzögerung bei der Bewertung von genetisch veränderten Arten dafür zu sorgen, dass genetisch veränderte Produkte in der Europäischen Union umgehend auf ihre Unbedenklichkeit geprüft werden?
Anfrage Nr. 11 von Mairead McGuinness (H-0730/08)
Betrifft: Gespräche über die strategischen Aspekte von GVO
Der Kommissionspräsident hat die Mitgliedstaaten unlängst ersucht, hochrangige Beamte für die Teilnahme an Gesprächen über die strategischen Aspekte von GVO zu ernennen. Die Gruppe soll sich Themen wie dem Ablauf der Genehmigungsverfahren, den Folgen zeitversetzter GVO-Zulassungsverfahren und der öffentlichen Debatte über GVO widmen. Nachdem die erste Gesprächsrunde der hochrangigen Gruppe am 17. Juli stattgefunden hat, ist ein weiteres Treffen für diesen Monat angesetzt.
Kann der Rat angeben, welche Fortschritte im Rahmen der Gespräche erzielt wurden und wann ein Bericht der hochrangigen Gruppe zu erwarten ist?
Kann der Rat sich dazu äußern, inwiefern sich die Ziele und Empfehlungen der hochrangigen Gruppe möglicherweise von denen der vom Rat „Umwelt“ eingesetzten GVO-Arbeitsgruppe unterscheiden?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Ich freue mich feststellen zu können, dass ich Frau Doyle und Frau McGuinness gleichermaßen antworten kann. Die französische Präsidentschaft hat sich dafür entschieden, die komplexe und politisch hoch sensible Debatte über GVO fortzusetzen – eine Debatte, die bereits von der vorhergehenden Präsidentschaft eingeleitet wurde, um noch vor Jahresende zu einer Schlussfolgerung zu diesem Thema zu gelangen.
Gestern führten Frau Doyle, Frau McGuinness und der Rat der Umweltminister einen Meinungsaustausch zu GVO, der wie Sie wissen an ein informelles Treffen der Umweltminister im vergangenen Juli in Celle Saint-Cloud anknüpfte. Diese Diskussion wird mit der Perspektive fortgesetzt, auf der Ratstagung im Dezember, am Ende der französischen Präsidentschaft, operationelle Schlussfolgerungen zu erreichen.
In welche Richtung gehen die Debatten in dieser Phase? Die erste Richtung besteht in einer Stärkung der Instrumente für Umweltinspektionen und -bewertungen, indem wir diese auf europäischer Ebene harmonisieren. Ich werde die Gelegenheit im Dezember nutzen, um erneut über die Ergebnisse dieser Überlegungen zu berichten.
Im Kontext dieser Überlegungen müssen wir im Hinblick auf die Risiken im Zusammenhang mit GVO auch die sozioökonomischen Kriterien berücksichtigen und prüfen, wie wir die Anwendung wissenschaftlicher Kenntnisse verbessern, harmonisierte Schwellenwerte für die Kennzeichnung aufstellen und schließlich die Fragilität bestimmter sensibler oder geschützter Bereiche berücksichtigen können.
Wie Sie wissen, hat Präsident Barroso eine hochrangige Gruppe zur Lösung dieser Frage eingesetzt. Ich glaube, Sie und die Kommission sollten sich über den Stand der Arbeit dieser Gruppe informieren. Derzeit wurde kein Bericht veröffentlicht. Die Gruppe prüft derzeit den legislativen Rahmen und die damit verbundenen Probleme zwischen Handel und Umwelt sowie den Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Produkte und dessen Auswirkungen auf die Thematik der GVO.
Entscheidend ist, wie ich bereits gesagt habe, was vor dem Rat kommt. Es muss sichergestellt werden, dass schnell neue Richtlinien zu ökologischen Bewertungen angenommen werden, sodass die langfristigen Umweltrisiken von GVO Berücksichtigung finden. Das wollte ich nochmals hervorheben.
Avril Doyle (PPE-DE). - Ich danke der Präsidentschaft für ihre Antwort, doch ungeachtet des erwarteten Berichts der hochrangigen Gruppe muss ich auf Folgendes hinweisen: Wenn die Welthandelshandelsorganisation irgendeine Bedeutung hat, sollte sie dann nicht zumindest eine vereinheitlichte Verfahrensanweisung für die Bewertung der Sicherheit und die Zulassung von genetisch veränderten Produkten erarbeiten, die weltweit gehandelt werden? Denn wir sagen sicherlich nicht, dass Verbraucher in den USA, Australien oder Japan aufgrund ihrer Bewertungs- und Zulassungsverfahren, die im Übrigen extrem effizient sind, einem größeren Risiko ausgesetzt sind. Und schließlich: Ist die Präsidentschaft nicht auch der Meinung, dass nicht von Experten im Rahmen von Peer Reviews begutachtete Sicherheitsbewertungs- und Zulassungsverfahren für GVO, die nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, keine ausreichende Integrität aufweisen und den Ruf dieses Hauses schädigen würden?
Mairead McGuinness (PPE-DE). - Mit Verlaub, da Sie die zwei Fragen zu einer zusammengefasst haben, wurde meine Frage, die sehr konkret war, nicht richtig beantwortet. Zunächst bin ich nicht sicher, ob es eine umfassende Zusammenarbeit mit dieser hochrangigen Gruppe gab. Ich möchte jedoch gern wissen, welche Fortschritte – wenn überhaupt – erreicht wurden und wann ein Bericht vorgelegt wird. Ich habe den Eindruck, dass es Europa in Zusammenhang mit genetisch veränderten Produkten mehr um Aktivitäten als um konkrete Maßnahmen geht. Wir brauchen jedoch Maßnahmen, da sehr große Länder wie die USA und andere sehr zufrieden mit der Art und Weise sind, wie sie genetisch veränderte Produkte bewerten. Europa wünscht sich jedoch andere Kriterien. Ich höre aus Ihrer Antwort, dass Sie nach einer wesentlich „strengeren“ Lösung suchen – was immer das bedeuten mag – und uns deshalb mit eben diesem Problem im Regen stehen lassen.
Der Präsident. - Tatsächlich hat der Rat darum gebeten, dass die beiden Fragen zusammengefasst werden.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Ich räume meine Verantwortung ein. Herr Präsident! Ich kann Ihnen versichern, dass Sie nicht umsonst hier sind. Ich räume meine gesamte Verantwortung in diesem Zusammenhang ein und möchte mich bei Frau McGuinness entschuldigen.
Um Frau Doyle zu antworten: Was die Frage von Überprüfungen, insbesondere Peer Reviews betrifft, so ist der Rat einen sehr fruchtbaren Meinungsaustausch mit Experten der EFSA eingetreten. Das gilt insbesondere für die Bewertung von Umweltrisiken. Durch diese Diskussionen wurde insbesondere im Zusammenhang mit einer intensiveren Bewertung von Umweltfragen, der besseren Anwendung von technologischem Wissen – wie ich Ihnen bereits gesagt habe – und der Berücksichtigung bestimmter besonders wichtiger Bereiche ein positiver Beitrag geleistet.
Peer Reviews sind meines Erachtens tatsächlich ein Schritt in die richtige Richtung. Ich denke, das wäre eine positive Entwicklung. Was die von Frau McGuinness zum Ausdruck gebrachten Bedenken betrifft, so bin ich der Meinung, dass wir nicht auf eine strenge Bewertung der langfristigen ökologischen Auswirkungen des Einsatzes von GVO verzichten können. Die in Amerika in dieser Hinsicht bestehenden Tendenzen sind mir bekannt. Was die europäischen Bedenken betrifft, so müssen wir auch an die langfristigen Auswirkungen denken und deshalb extrem strikte Bewertungen vornehmen.
Der Präsident. – Anfrage Nr. 12 von Jim Higgins (H-0728/08)
Betrifft: Lage in Simbabwe
Zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Zeilen verfasst werden, sind die Bemühungen von Thabo Mbeki um die Vermittlung eines Abkommens gescheitert und leidet das Volk von Simbabwe nach wie vor Not, während die Europäische Union weiterhin als Zuschauerin das Scheitern der Verhandlungen beobachtet. Kann der Rat deshalb mitteilen, ob er seine Haltung zur Lage in Simbabwe überdacht hat?
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Frau Higgins antworten, dass wir die Situation in Simbabwe weiterhin sehr genau beobachten und sehr besorgt sind. Deshalb haben wir die Gewalt seit Anfang April verurteilt. Wir haben die Art der Durchführung der Wahlen verurteilt, doch ich möchte nicht noch einmal auf dieses Thema eingehen. Wir als Europäische Union haben versucht, den Sicherheitsrat zur Annahme einer sehr deutlichen Resolution zu Simbabwe zu bewegen.
Nachdem unter der Schirmherrschaft der SADC am 15. September eine Vereinbarung unterzeichnet wurde, die eine Einheitsregierung vorsieht, ist die Europäische Union an ihre Partner herangetreten, um schnellstmöglich eine glaubwürdige Einheitsregierung zu bilden – also dem am 29. März zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes von Simbabwe Geltung zu verschaffen.
Die Verhandlungen dauern noch an, doch nach Präsident Mugabes Plan, die wichtigsten Ministerien für seine Partei zu reservieren (und ich möchte Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass er die Wahl verloren hat, wobei die zweite Runde von Betrug geprägt war), sind diese Vermittlungsbemühungen gescheitert. Der Rat hat angekündigt, dass er die Situation auch weiterhin sehr genau beobachten wird.
Er hat darüber hinaus die Vermittlungsbemühungen der SADC unter der Führung von Präsident Mbeki unterstützt, um angesichts der vom Volk Simbabwes am 29. März getroffenen Entscheidung eine bessere Lösung zu erreichen. Wenn diese Bemühungen auch weiterhin blockiert werden, sind wir bereit, zusätzliche Maßnahmen in Form von Sanktionen zu ergreifen, die sich gegen die simbabwischen Behörden richten.
Die humanitäre Lage ist ernst, und wir möchten nicht, dass die Bevölkerung ein Opfer dieser Lage wird. Deshalb hat die Kommission soeben einen weiteren Betrag in Höhe von 10 Millionen Euro freigegeben, um die Situation des Volks von Simbabwe zu verbessern.
Was den ökonomischen und sozialen Aspekt betrifft, möchte ich das Parlament abschließend daran erinnern, dass die Union nach Einsetzung einer glaubwürdigen Einheitsregierung bereit ist, Maßnahmen zu ergreifen, die zur Festigung der Demokratie und zum wirtschaftlichen Wiederaufbau in diesem Land beitragen.
Ich möchte Sie daher auch daran erinnern, dass wir weiterhin wachsam sind und dass die Europäische Union auf allen Ebenen – auf der politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen und humanitären Ebene – aktiv bleiben wird, um sicherzustellen, dass dem Volk von Simbabwe Gerechtigkeit widerfährt.
Der Präsident. - Mir liegen zu dieser Frage zwei Zusatzfragen vor, doch dies wird die letzte Frage sein. Leider muss ich die Dinge jetzt zum Abschluss bringen. Ich möchte dem Minister für seine wirklich ausführlichen Antworten danken. Jeder, der in diesem Haus eine Frage eingereicht hat, erhält eine schriftliche Antwort.
(Zwischenruf aus dem Plenum von Gay Mitchell)
Ich erkenne Ihr Problem, Herr Mitchell. Ich halte die zeitlichen Vorgaben ein. Wenn andere das nicht tun, dann ist das ihr Problem, ich kann nur für mich selbst sprechen. Ich habe Sie zu Beginn der Fragestunde darüber informiert, dass wir sie um 19.00 Uhr beenden werden.
(Zwischenruf aus dem Plenum von Gay Mitchell)
Wir versuchen, hier eine gewisse Ordnung zu wahren, ich weiß aber auch die von Ihnen geäußerten Bedenken zu würdigen.
(Zwischenruf aus dem Plenum von Gay Mitchell)
Ich nehme Ihre Bemerkungen zur Kenntnis, doch ich denke nicht, dass ich dafür verantwortlich bin.
Jim Higgins (PPE-DE). - (GA) Herr amtierender Ratspräsident! Dem Rat ist bekannt, dass die NDC (die National Democratic Conference) Neuwahlen anstrebt und die Pläne zur Organisation von Gesprächen über die Machtverteilung in Swasiland um eine Woche verschoben wurden.
Grund für diese Verschiebung ist, dass dem Oppositionsführer Morgan Tsvangirai die Ausstellung eines Passes verweigert wurde. Glauben Sie, Herr Minister, dass eine solche Vorgehensweise korrekt oder hilfreich ist? Denken Sie nun, dass eine nachhaltige, langfristige Vereinbarung erreicht werden kann?
Colm Burke (PPE-DE). - Ich frage mich, ob die Europäische Union direkt mit den am politischen Prozess in Simbabwe Beteiligten in Kontakt stand. Selbst wenn das Land seine politischen Probleme löst, wird viel Unterstützung erforderlich sein, und das gilt sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in Bezug auf den Aufbau neuer Handelsbeziehungen. Ich frage mich, ob die Europäische Union mit den Beteiligten in Kontakt stand.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Zunächst möchte ich das von Herrn Higgins Gesagte bestätigen: Die Situation gibt weiterhin Anlass zu großer Sorge. Wir verstehen auch, warum die vorgeschlagenen Lösungen für die Oppositionsführer inakzeptabel sind. Doch ich glaube, dass am 27. Oktober in Harare ein Dreiparteientreffen der politischen Organe der SADC, das heißt, von Swasiland, Angola und Mosambik, stattfinden wird.
Herrn Burke möchte ich antworten, dass es angesichts der Vielzahl der Belastungen, denen Herr Tsvangirai ausgesetzt ist, schwierig ist, den Kontakt zu halten. Ihm wurde sein Pass entzogen und bisher auch nicht zurückgegeben; er kam nicht nach Swasiland. Die Kommission und auch der Ratspräsident Bernard Kouchner halten einander auf dem Laufenden und stehen in sehr engen Kontakt mit den Vertretern der SADC und Herrn Mbeki. Wir können unsererseits nur dafür sorgen, dass die Beziehungen zu Simbabwe wiederhergestellt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Rechtsstaatlichkeit garantiert und eine zufriedenstellende Lösung gefunden wird. Die Kontakte sowohl zu Louis Michel, als auch zu Bernard Kouchner sind so intensiv, wie in der aktuellen Situation möglich.
Der Präsident. - Damit ist die Fragestunde beendet.
Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).
(Die Sitzung wird um19.00 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: LUISA MORGANTINI Vizepräsidentin
15. Schutz der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll
16. Reformprogramm für polnische Werften (Aussprache)
Die Präsidentin. - Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zum Reformprogramm für polnische Werften.
Marek Siwiec (PSE). - (PL) Frau Präsidentin! Ich möchte Sie darüber informieren, dass auf der Tribüne eine polnische Gewerkschaftsdelegation Platz genommen hat. Sie werden unsere Debatte verfolgen. Dieser Delegation gehören Vertreter der Werften in Danzig, Gdynia und Stettin an. Ich möchte Sie bitten, unsere Freunde aus Polen zu begrüßen.
Die Präsidentin. - Vielen Dank, Herr Siwiec! Die Delegation ist sehr willkommen.
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Die Kommission kennt die historische Bedeutung der polnischen Werften. Deshalb arbeiten wir seit einiger Zeit sehr intensiv an einer Lösung, um diese Branche so umzustrukturieren, dass die Lebensfähigkeit der betroffenen Regionen gewährleistet ist. Bei der Suche nach einer tragfähigen Lösung sind wir jedoch von der Kooperation der polnischen Behörden abhängig. Um es einmal klar zu sagen: Die Überprüfung staatlicher Beihilfen in diesen Fällen ist seit ca. vier Jahren anhängig.
Diese Überprüfung betrifft einen erheblichen Betrag der betrieblichen Beihilfen für die Werften in Stettin, Gdynia und Danzig. Ohne Berücksichtigung der staatlichen Garantien, die von 2002 bis jetzt gewährt wurden, erhielt die Werft Gdynia vom polnischen Staat – das heißt von den polnischen Steuerzahlern – Beihilfen in Höhe von insgesamt ca. 167 000 Euro je Mitarbeiter. Das sind ca. 24 000 Euro je Mitarbeiter und Jahr, und das entspricht mindestens dem Doppelten des durchschnittlichen Jahresgehalts eines polnischen Arbeitnehmers.
Selbst wenn die staatlichen Garantien unberücksichtigt bleiben, summieren sich die Beihilfen, die seit 2002 den Werften in Gdynia und Stettin gewährt wurden, auf ca. 700 Millionen Euro bzw. 1 Milliarde Euro.
Trotz aller dieser Gelder bleiben die Werften und damit die Zukunft der Beschäftigten anfällig. Ich möchte betonen, dass mir dieser Umstand wirklich Angst macht. Ich denke, dass auch die Zukunft der Arbeitnehmer berücksichtigt werden muss. In Polen wurden die schmerzlichen, aber notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen vermieden, die beispielsweise von den deutschen und spanischen Werften unternommen wurden und auf die man sich in Malta derzeit vorbereitet.
In den letzten vier Jahren stand die Tür der Kommission für die jeweiligen polnischen Regierungen immer offen. Ich habe mich mit einigen Ministern und Premierministern polnischer Regierungen getroffen. Immer wieder haben wir versucht, eine Vereinbarung zu erreichen, doch leider – und diesen Umstand bedaure ich wirklich aus tiefstem Herzen – haben die polnischen Behörden diese Möglichkeiten nicht genutzt.
Im Juli dieses Jahres kam die Kommission zu dem Schluss, dass die neuesten Umstrukturierungspläne die Lebensfähigkeit der Werften nicht gewährleisten können. Angesichts der Bedeutung dieses Problems für die polnische Wirtschaft und für die polnische Gesellschaft haben wir, die Kommission, Flexibilität gezeigt und zwei weitere Monate Zeit für die Erarbeitung neuer endgültiger Pläne eingeräumt, die bis zum 12. September präsentiert werden sollten.
Während des Sommers blieben Beamte der Kommission immer erreichbar und haben den polnischen Behörden ihr Feedback zu den vorgelegten Entwürfen vermittelt. Ich habe nun die von den polnischen Behörden am 12. September vorgelegten Umstrukturierungspläne gründlich ausgewertet. Leider kann ich nicht erkennen, wie man zu dem Schluss kommen kann, dass diese überarbeiteten endgültigen Pläne die Lebensfähigkeit der Werften sicherstellen. Tatsächlich wird in den Plänen verlangt, zukünftig noch mehr öffentliche Gelder in die Werften zu pumpen, darunter auch in Form von Beihilfen für den täglichen Betrieb.
Betont werden sollte auch, dass die am 12. September vorgelegten Umstrukturierungspläne – und ich spreche hier über die Pläne der polnischen Regierung – einen Stellenabbau um ca. 40 % vorsehen. Diese Opfer würden jedoch erbracht, ohne dass die übrigen Arbeitnehmer irgendeine Aussicht auf eine nachhaltige Beschäftigung hätten, da eine Lebensfähigkeit der Werften sehr wahrscheinlich nicht herzustellen ist und sie auch weiterhin staatliche Unterstützungen zulasten der polnischen Steuerzahler benötigen.
Das ist kein akzeptables Ergebnis. Dieses Ergebnis ist aus der Perspektive des EU-Wettbewerbsrechts inakzeptabel, es ist aber auch für die Zukunft der Werften nicht zu akzeptieren. Es ist inakzeptabel für die Arbeitnehmer und allgemein für die gesamte polnische Wirtschaft. Deshalb sehe ich in der aktuellen Situation keine Möglichkeit, wie man die Verabschiedung negativer Positionen zu den Werften in Gdynia und Stettin vermeiden könnte.
Die Kommission sagt jedoch nicht einfach „Nein“. Wir haben aktiv daran gearbeitet, um die polnischen Behörden bei der Vorlage einer Lösung zu unterstützen, die den wirtschaftlichen Zentren von Danzig, Gdynia und Stettin eine realistische Zukunft und nachhaltige Jobs sichert.
Gemäß diesem Szenario werden die Vermögenswerte der Werften in Gdynia und Stettin in mehreren Paketen zu Marktpreisen verkauft. An diese Bündelung der Vermögenswerte schließt sich eine offene, bedingungslose, diskriminierungsfreie Ausschreibung an. Der verbleibende Mantel des Unternehmens könnte die Erlöse aus dem Verkauf der Vermögenswerte zur Rückzahlung der im Laufe der Jahre erhaltenden Beihilfen nutzen und würde dann liquidiert werden. Die Käufer der Vermögenswerte wären dann in der Lage, auf den Werftgeländen schnell wieder wirtschaftliche Aktivitäten aufzunehmen, und zwar frei von der Verpflichtung, die großen Summen staatlicher Beihilfen, die die Werften im Laufe der Jahre erhielten, zurückzuzahlen. Möglicherweise könnten dann sogar mehr Leute beschäftigt werden als im Falle einer Umsetzung der Umstrukturierungspläne vom 12. Dezember.
Ich kann nur annehmen, dass ein Investor, der zur Übernahme der Werften oder zumindest eines Teils ihrer aktuellen Verbindlichkeiten bereit ist, die wichtigsten produktiven Vermögenswerte lieber schuldenfrei übernehmen würde, um sie wettbewerbsfähig und nachhaltig entwickeln zu können. Ein solches Endergebnis wäre wahrscheinlich in zweierlei Hinsicht positiv: Erstens wäre die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer niedriger, als in dem von den polnischen Behörden vorgelegten Umstrukturierungsplan vorgesehen, und zweitens hätten die von den Käufern der Vermögenswerte der Werften neu eingestellten Arbeitnehmer wesentlich stabilere Arbeitsperspektiven in lebensfähigen Unternehmen, die frei von der Last früherer Verbindlichkeiten sind.
Diese Lösung entspräche dem kürzlich realisierten Beispiel von Olympic Airways. Sie würde einen Neustart der wirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Werftgelände ermöglichen und damit auch den dort beschäftigten Arbeitnehmern zugutekommen.
Die Kommission hat diese Möglichkeit gegenüber den polnischen Behörden erwähnt, und zwar nicht nur einmal, sondern mehrmals. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass sie unsere Flexibilität nutzen und einen konkreten Vorschlag vorlegen werden. Derzeit werden zwischen den polnischen Behörden und Beamten der Kommission technische Gespräche über eine mögliche Umsetzung der „Olympic-Airways-Lösung“ für die Werften in Gdynia und Stettin geführt.
Was Danzig betrifft, so glaube ich, dass eine gute Chance für ein positives Ergebnis besteht, wenn beide Seiten auch weiterhin flexibel bleiben und guten Willen zeigen. Sie werden mich natürlich fragen, wie ich zu dieser Einschätzung der Lage der Werft in Danzig gelange. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens wurde Danzig bereits an einen privaten Betreiber verkauft, der frisches Geld investiert hat, und zweitens sind die Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit bei dieser Werft im Vergleich zu den Werften in Gdynia und Stettin wesentlich geringer.
Wir auf der Kommissionsseite haben gegenüber den polnischen Behörden bereits unsere Position zur Bewertung der Kompensationsmaßnahmen dargelegt, die erforderlich sind, damit die EU-Regelungen für staatliche Beihilfen eingehalten werden. Da die Werft in der Vergangenheit weniger Beihilfen erhalten hat, können wir in dieser Hinsicht auch weniger verlangen. Das quid pro quo für die Aufgeschlossenheit der Kommission besteht darin, dass die polnischen Behörden nun den Entwurf eines Umstrukturierungsplans für Danzig vorlegen müssen, damit offene Fragen diskutiert werden können. Bisher liegt uns kein solcher Plan vor, was ich ausdrücklich bedaure. Es ist notwendig, dass die polnischen Behörden schnell einen solchen Plan vorlegen.
Darüber hinaus kann die polnische Regierung Unterstützung aus dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung anfordern. Ein entsprechender Antrag hätte Aussicht auf Erfolg. Dabei hinge die Größenordnung der Intervention davon ab, welchen Betrag die polnische Regierung kofinanzieren würde, da der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung maximal 50 % der Kosten kofinanziert.
Analysen der Kommission gehen bisher davon aus, dass der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung Unterstützungen im Bereich zwischen 500 Euro und 10 000 Euro pro Person leistet. Dieser Betrag muss durch einen gleich großen Betrag der Mitgliedstaaten kofinanziert werden.
Abschließend kann ich sagen, dass die Kommission bei der Bewertung dieser Fälle sehr entgegenkommend war und eine erhebliche Flexibilität gezeigt hat. Wir haben alles getan, was in unserer Macht steht, und werden auch weiterhin mit den polnischen Behörden zusammenarbeiten, um eine wirtschaftlich sinnvolle und sozial nachhaltige Lösung zu finden, die dem EU-Wettbewerbsrecht und einschlägigen Präzedenzfällen in Bezug auf die Vorgehensweise der Kommission entspricht.
Der Ball liegt nun im Feld der polnischen Behörden. Die Zukunft der Werften und ihrer Mitarbeiter hängt davon ab, inwiefern die polnischen Behörden bereit sind, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um schnell eine positive Lösung innerhalb des von mir bereits skizzierten Rahmens zu finden.
Die Präsidentin. - Ich möchte an die Mitglieder und ihren Sinn für Disziplin und Verantwortung appellieren, denn wir haben sehr enge Termine. Heute Abend stehen viele Punkte auf der Tagesordnung, weshalb ich Sie bitten möchte, die Zeitbegrenzungen sehr genau einzuhalten.
Jerzy Buzek, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin Kroes! Vielen Dank dafür, dass Sie heute hier anwesend sind und das Thema der Werften ansprechen, und vielen Dank auch für die positive Note am Ende Ihrer Rede.
Selbstverständlich erkennen wir das Prinzip des Wettbewerbs an und möchten, dass die europäischen Unternehmen Gewinne erwirtschaften und ihren Arbeitnehmern ehrliche Löhne und Gehälter zahlen. Die polnischen Werften sind bereits seit langer Zeit mit Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Grundsätze konfrontiert. Allerdings führt die negative Entscheidung der Kommission bezüglich der Werften nun zu deren Konkurs, und diese Situation ist nur schwer zu akzeptieren.
Wir akzeptieren, dass die ökonomischen und sozialen Rückwirkungen eines solchen Konkurses regionaler oder maximal nationaler Art sein werden und dass die Europäische Union derzeit auch eine globale Krise zu bewältigen hat. Es hat jedoch keinen Sinn, die Notlage der polnischen Werften und der polnischen Werftarbeiter auf den allgemeinen wirtschaftlichen Abschwung zurückzuführen. Die europäische und die polnische Werftindustrie haben es verdient, erhalten zu bleiben. Deshalb kann ich eine negative Entscheidung nicht akzeptieren und bitte um einen Aufschub dieser Entscheidung, um der polnischen Regierung und den Investoren Zeit zum Handeln zu lassen. Deshalb erwarten wir ein positives Signal von der Europäischen Kommission. Dies böte vor allem in der Umstrukturierungszeit Gelegenheit, sicherzustellen, dass die betreffenden Unternehmen aktive Werften bleiben. Wenn die Werftenstruktur im Ergebnis der Privatisierung aufgesplittert wird, wäre eine Neubelebung der Werftindustrie unmöglich. Zweitens hätte ein positives Ergebnis auch die Konsequenz, dass die Werftarbeiter ihre Arbeitsplätze behalten oder geeignete neue Arbeitsplätze für sie gefunden werden, während gleichzeitig in Bezug auf Produktion und Beschäftigung die Kontinuität gewahrt bleibt.
Drittens sind innerhalb dieses Zeitraums gewisse Schutzmaßnahmen erforderlich, um die Produktion aufrechtzuerhalten und die Nachhaltigkeit der Veränderungen zu gewährleisten. Es wäre lohnenswert, die optimalen Lösungen für diese Situation zu finden. Ich bin der festen Überzeugung, dass Frau Kommissarin Kroes und die Kommission solchen Lösungen zustimmen werden.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Frau Präsidentin! Meine Fraktion hat diese Debatte mit Ihnen, Frau Kommissarin, gefordert, weil wir praktisch in keinem einzigen Punkt Ihrer Meinung sind. In der weltwirtschaftlichen Situation, in der wir uns befinden, können Sie nicht hingehen und sagen: Weil bestimmte ordnungspolitische Voraussetzungen nicht erfüllt sind, müssen die Werften geschlossen werden. Wenn Sie die Werften jetzt in dieser wirtschaftlichen Situation schließen, so wie Sie das gerade angekündigt haben, stürzen Sie ganze Regionen in ein ökonomisches Desaster. Das geht nicht! Deshalb braucht die polnische Regierung – so wie Sie als Kommission und wir als Parlament – mehr Zeit. Sie können nicht in einer Situation, die ökonomisch so angespannt ist, sagen: Bestimmte Punkte sind nicht erfüllt – Schluss!
Zweitens: Das Argument, da fließen 24 000 Euro in jeden Arbeitsplatz, ist ja gut und schön. Aber ich will Ihnen etwas sagen: Ich war Bürgermeister einer Stadt in Deutschland, in der ein Steinkohlebergbau betrieben wurde – da stand ein Bergwerk –, und da wurde uns gesagt: In jeden Arbeitsplatz fließt zu viel Geld. Dann wurde das Bergwerk geschlossen. Zwanzig Jahre hat es gedauert – zwanzig Jahre! –, bis wir die Hälfte der Arbeitsplätze, die verlorengegangen waren, wieder zurückgewonnen haben. Das wird in den polnischen Werftstandorten nicht anders sein. Wenn Sie heute sagen, wir machen da Schluss, werden Sie mindestens zwei Jahrzehnte brauchen, bis Sie in dieser Region umstrukturiert haben!
Deshalb müssen die konzentrierten Kräfte aufgewandt werden, um die Standorte zu erhalten, nicht um sie zu schließen! Ich erwarte von der Kommission ebenso wie von der polnischen Regierung – und das tun meine Kollegen in meiner Fraktion auch –, dass alle Versuche unternommen werden, einen eigenen Werftenstandort Polen, und zwar an allen drei Standorten, zu erhalten. Das ist einer der entscheidenden Punkte, die wir von Ihnen verlangen.
Wenn die polnischen Behörden nicht schnell genug gearbeitet haben, wenn die Aktionspläne, die Geschäftspläne, von denen Sie gesprochen haben, Frau Kommissarin Kroes, jetzt nicht vorliegen, dann muss ich Sie fragen: Müssen denn die Arbeiter auf den polnischen Werften bestraft werden, weil bestimmte Behörden oder die Regierung ihre Arbeit nicht machen? Das ist doch mehr oder minder das, was Sie uns sagen. Die Arbeiter zahlen die Zeche für die Defizite der Regierung oder der Verwaltung. Das ist absolut unzulässig!
Deshalb: Den Globalisierungsfonds zu mobilisieren, das ist gut. Aber Sie müssen ihn mobilisieren, damit wir vor Ort helfen können, damit wir den Standort erhalten können, damit es dort einen wettbewerbsfähigen polnischen Schiffsbau gibt.
Das ist auch für uns als Sozialdemokraten, die nicht aus Polen kommen – das ist auch für mich der Grund, warum ich hier das Wort ergreife –, ein wichtiger Punkt: Die polnische Werftindustrie, die Standorte, z. B. Danzig, z. B. Stettin, waren für uns alle das Symbol des demokratischen Kampfes des polnischen Volkes gegen die Diktatur. Auch aus diesem Grund müssen diese Standorte erhalten bleiben!
Janusz Onyszkiewicz im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Das Problem der polnischen Werften ist nicht neu. Es hat sich über eine ganze Reihe von Jahren entwickelt. Leider ist es gleich mehreren Regierungen nacheinander nicht gelungen, das Problem auf eine angemessene Art und Weise zu lösen. Wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen? Hier ist weder der Ort noch die Zeit, um über diese Frage zu diskutieren. Die Verantwortlichen werden dazu aufgefordert werden, entsprechend den in Polen geltenden demokratischen Regeln Rechenschaft abzulegen.
Die aktuelle Situation ist jedoch schwierig. Es ist verständlich, dass die Kommission diese Tatenlosigkeit nicht ignorieren konnte. Andererseits müssen wir auch die Tatsache betonen, dass unterschiedliche Szenarien mit unterschiedlichen Kosten verbunden sind. Die Option, die Situation dadurch zu verbessern, dass man de facto erklärt, dass die Werften geschlossen werden sollten, hätte eindeutig schwerwiegende Konsequenzen zur Folge. Vor allem wird es zu Stellenstreichungen kommen. Die betroffenen Arbeitnehmer werden zwar später möglicherweise wieder eingestellt, doch bis dahin sind sie mit großer Unsicherheit und schwerwiegenden Problemen konfrontiert.
Darüber hinaus müssen wir einen weiteren Aspekt berücksichtigen. Ich möchte an dieser Stelle nicht noch einmal auf Probleme eingehen, die bereits erwähnt wurden, doch die gesamte Angelegenheit der Schließung der polnischen Werften sowie möglicherweise der uns bevorstehenden schwierigen Zeiten wurde vor dem Hintergrund der Wahlen zum Europäischen Parlament aufgeworfen. Es wäre extrem unglücklich, wenn diese Entscheidungen gerade jenen Personen in Polen Munition liefern würden, die noch immer gegen die Mitgliedschaft unseres Landes in der Europäischen Union eintreten, und das sind leider nicht wenige.
Deshalb möchte ich an die Kommission appellieren, in Bezug auf Danzig größtmögliche Flexibilität zu zeigen. Selbstverständlich werden auch wir in Polen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass auch die polnische Regierung mit Konsequenz und Flexibilität handelt.
(Beifall)
Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Kommissarin, im Namen der Grünen-Fraktion fordere ich die Kommission auf mitzuhelfen, dass die Zukunft der Werften sichergestellt wird!
Es handelt sich ja hier nicht um eine kurzfristige Umstrukturierung, wie es häufig in westlichen Ländern der Fall ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Werften eine vielfache Last der Vergangenheit zu tragen haben, nicht nur die Last der realsozialistischen Staatswirtschaft, sondern auch die Last der Fehler des Beitrittsprozesses, in dem Sie als Kommission nicht berücksichtigt haben, dass in diesem Land ein schwieriger Transformationsprozess stattfindet, und damals Anforderungen gestellt haben, die nicht realistisch waren und die nicht auf eine sozioökonomisch sinnvolle Entwicklung hingewirkt haben. Das sind auch Fehler dieses Prozesses, den Sie mitzuverantworten haben!
Es macht deswegen überhaupt keinen Sinn, jetzt staatliche Beihilfen zu verweigern und Arbeitsplätze zu vernichten und dann die entlassenen Arbeitnehmer aus dem Globalisation Adjustment Fund zu fördern. Was nützt es denn an dieser Stelle, Arbeitslose zu subventionieren? Das wäre eine riesige Enttäuschung vor Ort, die die EU dann zu verantworten hätte. Es macht Sinn, jetzt eine sinnvolle Entwicklung für diese Werften einzuleiten und damit den drei Städten Szczecin, Gdańsk und Gdynia Aussichten mit Nachhaltigkeit zu bieten. Das ist eine Chance, die wir unterstützen sollten, nicht hinterher reagieren. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich hier sehe.
Die Möglichkeit, die wir haben, ist gerade, dass die Kommission sagt: Es gibt staatliche Beihilfen, aber im Rahmen dieser staatlichen Beihilfen wollen wir eine ökologische Modernisierung dieser Arbeitsplätze, damit eine langfristige Zukunft für diese Standorte sichergestellt ist und die Arbeitnehmer dort langfristig gute Arbeit finden.
Adam Bielan, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Der Sitz des Europäischen Parlaments, an dem wir heute zusammenkommen, gilt als Symbol der französisch-deutschen Versöhnung. Nur aus diesem Grund unterhält das Europäische Parlament zwei Sitze, an denen Plenarsitzungen veranstaltet werden können, nämlich in Brüssel und in Straßburg. Zu diesem Zweck bezahlen die europäischen Steuerzahler jährlich mehrere Hundert Millionen Euro.
Die polnischen Werften, insbesondere die Werft in Danzig, sind ein Symbol für den Kampf gegen die kommunistische Regierung. Sie symbolisieren den Fall des Eisernen Vorhangs, der Europa zweigeteilt hatte. Deshalb wurden die Fahnenmasten, die außerhalb der Gebäude des Europäischen Parlaments stehen und an denen die Flaggen der Mitgliedstaaten wehen, in den Werften von Danzig hergestellt. Es ist den heroischen Aktionen der polnischen Werftarbeiter, die für ein wiedervereintes Europa kämpften, zu verdanken, dass wir heute hier zusammenkommen können. Diese Menschen verdienen unseren Respekt, und sie verdienen ein würdevolles Leben in angemessenen Verhältnissen.
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Schließung der Werften wird zur brutalen Entlassung mehrerer Tausend qualifizierter Arbeitskräfte führen, und weitere 80 000 Menschen werden ihren Lebensunterhalt verlieren. Eine solche Entwicklung könnte zu einer massenhaften, wirtschaftlich bedingten Migration führen. Die polnischen Werftarbeiter wünschen nicht, dass es zu einer solchen Entwicklung kommt. Sie möchten in ihrer Heimat bleiben und auf modernen, profitablen Werften arbeiten.
Deshalb appelliere ich an die Frau Kommissarin Kroes: Lassen Sie uns dieses riesige Potenzial nicht zerstören. Geben wir den polnischen Werften eine Chance, sich von ihrem finanziellen Ruin zu erholen. Frau Präsidentin! Ich weiß, dass die aktuelle polnische Regierung und insbesondere der Finanzminister im letzten Jahr viele Fehler gemacht haben. Allerdings sollten nicht Zehntausende die Zeche für die Inkompetenz von Aleksander Grad bezahlen müssen. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der westeuropäische Staaten Dutzende Millionen Euro in ihre Bankensysteme pumpen, ohne an die Grundsätze des freien Wettbewerbs zu denken, würde eine negative Entscheidung der Kommission in Polen als Zeichen negativer Absichten gewertet.
(Beifall)
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Frau Präsidentin! Die Zeit ist reif, dass die Kommission ihre in Bezug auf die Werften in der Europäischen Union verfolgte Strategie überprüft. Die Schiffbauindustrie unserer Länder wurde auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert. Es besteht das ernsthafte Risiko, dass selbst die Reste dieser Industrie noch zerstört werden, sei es in Polen oder in Portugal.
Es ist nun klar, dass die von der Europäischen Kommission verfolgte globale Strategie in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schiffbaubranche der Gemeinschaft unzureichend ist. In einigen Ländern erholt sich die Schiffbauindustrie, in anderen hingegen nicht. Portugal musste die Liquidation seiner bedeutendsten Werften mit ansehen, beispielsweise der Werft Lisnave in Almada, auf der Tausende von Menschen arbeiteten. Bisher wurden in dieser Region keinerlei Maßnahmen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau ergriffen. Wir haben noch die Werften von Viana do Castelo, die von strategischer Bedeutung für die gesamte Region sind und deren Modernisierung unterstützt werden muss, um schwerwiegende neue Probleme zu vermeiden.
Deshalb müssen wir unsere Solidarität mit den Arbeitnehmern in der Schiffbauindustrie zum Ausdruck bringen, sei es in Polen, Portugal oder einem anderen Mitgliedstaat, und wir müssen auf Lösungen bestehen, die die Lebensfähigkeit dieser Branche sichern. Wenn für die Finanzkrise besondere Maßnahmen ergriffen werden können, warum werden dann der Schiffbauindustrie vergleichbare Maßnahmen verwehrt? Das ist meine Frage an Sie, Frau Kommissarin.
Witold Tomczak, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Solidarität setzt voraus, dass man miteinander und nicht gegeneinander arbeitet. Das Problem der polnischen Werften wirft eine grundlegende Frage auf: Dienen wir der Wirtschaft, oder dient die Wirtschaft uns? Im Falle der Banken, deren gierige und inkompetente Manager die Finanzkrise ausgelöst haben, wurde mit dem Finger auf Personen, genauer auf die Banker, gezeigt. Das heißt, die Welt verwendet das Geld der Steuerzahler zur Rettung des Finanzsystems, obwohl es bei Anwendung der reinen wirtschaftlichen Lehre erforderlich wäre, die schuldigen Parteien zu verurteilen und die Banken kollabieren zu lassen. Leider wurde im Fall der polnischen Werften eine andere Philosophie umgesetzt. Ist ein Banker ein besserer Mensch als ein Werftarbeiter?
Die polnischen Werften symbolisieren Veränderungen, die zum Fall der Berliner Mauer und zur Schaffung eines neuen Europa führten. Einen solchen Beitrag zu unserer Geschichte haben die Banken nicht geleistet. Dennoch helfen wir den Banken, während wir in Bezug auf die Werften eine Entscheidung hinausschieben. Dass die polnischen Werften mit einer schwierigen Situation konfrontiert sind, ist nicht die Schuld der Arbeitnehmer und auch nicht auf mangelnde Fertigkeiten beim Bauen von Schiffen zurückzuführen. Missmanagement, politische Spielereien und dubiose finanzielle Interessen sind als Ursachen für den Zusammenbruch der Werften zu benennen.
Während viele Werften in den alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union staatliche Hilfe erhalten haben, wurde die Werft in Danzig, ein Symbol für den Kampf für Freiheit und Menschenrechte, aus politischen Gründen zerstört. Der finanzielle Ruin der polnischen Werften liegt im Interesse jener Kreise, die sich von der Übernahme der Vermögenswerte der Werften sowie der attraktiven Grundstücke, auf denen sie stehen, große Profite erwarten. Der Zusammenbruch der Werften wird eindeutig auch den Wettbewerbern zugutekommen, darunter auch denen außerhalb Europas. An dieser Stelle sollte einmal hervorgehoben werden, dass der Anteil der Europäischen Union an der weltweiten Schiffbauindustrie nur ein Drittel jenes Anteils beträgt, der allein auf Südkorea entfällt – ein Land, das seine Schiffbauindustrie subventioniert.
Meine Damen und Herren! Es zeigt sich, dass ein erheblicher Anteil der für die Werften vorgesehenen staatlichen Hilfen zweckentfremdet verwendet wurde. Diese Angelegenheit sollte gründlich überprüft werden. Frau Kommissarin Kroes! Die Schaffung von Entwicklungsmöglichkeiten für die polnischen Werften würde nicht nur den Lebensunterhalt Tausender polnischer Werftarbeiter und ihrer Familien sowie der Beschäftigten in angrenzenden Branchen sichern, sondern böte auch die Möglichkeit zur Entwicklung einer modernen polnischen Volkswirtschaft. Das ist im langfristigen Interesse der Europäischen Union, die ihre Schiffbauindustrie unterstützen sollte. Jeder Schlag gegen die polnischen Werften stellt einen Widerspruch gegen die Strategie von Lissabon dar.
(Beifall)
Sylwester Chruszcz (NI). - (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Die Situation, mit der die polnischen Werften heute konfrontiert sind, erfordert sofortige Maßnahmen seitens der Regierung, der gesamten Schiffbaubranche und der Europäischen Kommission. Die Werften sollten nicht privatisiert, sondern mit dem Ziel verstaatlicht werden, ein umfassendes Restrukturierungsprogramm umzusetzen. Welchen Sinn hat es, jegliche Art von Unterstützung zu gewähren, wenn Privatisierung die einzige Lösung ist und die Werften künftig Eigentum von außerhalb der Europäischen Union ansässigen Rechtspersonen sind? Das wäre nicht nur ein Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsregeln, sondern würde auch zum Verlust einer Branche führen, die für die polnische Volkswirtschaft eine strategische Bedeutung hat. Schließlich arbeiten derzeit mehr als 100 000 Personen im Schiffbau und in angrenzenden Branchen.
Die vor dem Hintergrund der weltweiten wirtschaftlichen Krise kürzlich den Banken angebotene Unterstützung führt de facto zu deren Verstaatlichung und damit zur Übernahme der Kontrolle des Staates über diese Banken. Staatshilfen werden gewährt, um durch Restrukturierung ein Unternehmen wieder profitabel zu machen. Solche Maßnahmen beispielsweise könnten die polnische Schiffbauindustrie retten. Seit 2005 fragt die Kommission nach, wofür die den polnischen Werften gewährten staatlichen Beihilfen verwendet wurden. Es wäre gut, wenn die Kommission bei ähnlichen Aktivitäten von Werften in anderen Teilen der Europäischen Union äquivalente Kriterien anlegen würde.
Anstatt Werften ohne langes Nachdenken über einen solchen Schritt zu schließen, sollte Polen die Verantwortlichen für das Missmanagement in diesen Unternehmen zur Rechenschaft ziehen, und zwar von der Unternehmensleitung bis zur Zentralverwaltung. Die Verantwortlichen für falsche Entscheidungen auf den Werften sollten benannt werden, anstatt die polnischen Steuerzahler zu bestrafen, mit deren Mitteln die gewährten staatlichen Beihilfen finanziert werden. Sie, Frau Kommissarin, möchte ich bitten, mit Bedacht zu handeln. Wir brauchen Zeit, um angemessene und effektive Maßnahmen ergreifen zu können. Ich bin sicher, das wird keine vergeudete Zeit sein.
(Beifall)
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). - (PL) Frau Präsidentin! Jeder in meinem Land erwartet von der Kommission eine positive Entscheidung. Wir sollten daran arbeiten, ein positives Ergebnis zu gewährleisten. Wir sollten die Restrukturierung und Modernisierung der polnischen Werften unterstützen, anstatt mit ihrer Schließung zu drohen. Die Schließung der Werften in Gdynia, Danzig und Stettin wird zum Zusammenbruch eines ganzen Wirtschaftssektors führen. Hunderttausende werden ihre Jobs verlieren, und das Volk wird auf die Straße gehen. Wollen wir das?
Es gibt viele Argumente für eine Rettung der polnischen Schiffbauindustrie. Erstens stimmen die Experten darin überein, dass die weltweite Nachfrage nach Schiffen rapide steigen wird. Zweitens sind die Auftragsbücher der Werften für die nächsten Jahre voll, was ihre Profitabilität in diesem Zeitraum garantiert. Drittens verfügen die polnischen Werften über qualifizierte Mitarbeiter und eine hervorragende technische Ausstattung, was ein Erfolgsrezept für den Wettbewerb mit asiatischen Werften ist. Viertens würden ein Zusammenbruch der Werften und die darauf folgenden Massenentlassungen dem polnischen Sozialsystem eine größere Last auferlegen.
Die Inflexibilität der Kommissarin sollte uns möglicherweise Anlass zum Nachdenken geben, insbesondere wenn wir berücksichtigen, welch enorme Summen bestimmte europäische Länder für die Rettung von Banken, die von der Finanzkrise bedroht sind, aufgewendet haben. Unterscheiden sich diese beiden Fälle wirklich so deutlich voneinander? Oder fehlt es vielleicht nur an gutem Willen seitens der Kommission?
Lassen Sie es mich noch einmal wiederholen: Ich bitte um eine positive Lösung des Problems der polnischen Werften.
(Beifall)
Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Als Abgeordneter dieses Parlaments vertrete ich die Wojewodschaft Westpommern. Wie Danzig und Gdynia betrachtet auch Stettin als regionale Hauptstadt ihre Werft als eines ihrer Symbole. Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Wir führen derzeit den harten Kampf gegen die Finanzkrise, gegen die Krise der Kreditinstitute sowie gegen die Krise in Zusammenhang mit der Ratifizierung des Reformvertrags. Das Zeitalter des Liberalismus neigt sich dem Ende zu, und deshalb muss die Kommission auch in Bezug auf staatliche Beihilfen eine größere Flexibilität zeigen, nicht nur gegenüber den Banken. Es hat den Anschein, als sei ein Bankangestellter wesentlich mehr staatliche Beihilfen wert als ein polnischer Werftarbeiter.
Ich beantrage, die staatlichen Beihilfen für die polnischen Werften anzuerkennen. Als staatliche Beihilfen sollten diese Mittel nicht rückzahlbar sein. Bei der Reformierung der Schiffbauindustrie kam es zu Verzögerungen. Wie der Vorsitzende, Herr Martin Schulz, bereits sagte, sollte die Kommission nicht 100 000 Menschen in Polen für die Fahrlässigkeit und Dickfelligkeit von drei Regierungen bestrafen.
Wie ist der Stand der Dinge? Die Werften haben Investoren, und diese warten auf eine positive Entscheidung. Die Werften verfügen über Restrukturierungsprogramme. Falls diese verbessert werden müssen, ist das Aufgabe der Kommission und der polnischen Regierung. Wir wissen, welche Schiffe gebaut und welche anderen Produkte außer Schiffen hergestellt werden können. Die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften sind ungewöhnlich kooperativ. Lassen Sie uns also die Werften ohne Erschütterungen, ohne Insolvenzen, ohne Entlassungen und ohne Kündigung der mit Lieferanten und Kunden abgeschlossenen Verträge reformieren.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Werften effizient und wettbewerbsfähig werden. Das kann nicht in einigen Wochen passieren. Das dauert mindestens ein Jahr, und darauf zielt mein Vorschlag ab. Frau Kommissarin! Sie wissen, dass Zeit erforderlich ist. Die von Ihnen gezogene Parallele zu Olympic Airways ist angesichts der Situation, in der sich die Werften befinden, unangemessen. Ein Jahr ist nicht viel, wenn es um das Schicksal von fast 100 000 Familien geht.
(Beifall)
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). - (PL) Frau Präsidentin! Die Verbitterung und Verärgerung in Polen nehmen zu. Die Öffentlichkeit versteht nicht, warum die Europäische Kommission die polnische Schiffbauindustrie in den Konkurs treiben möchte. Immer mehr Menschen stellen die Frage, wer am meisten von einer solchen Entscheidung profitiert. Stellt die Zerstörung dieser Industrie tatsächlich einen weiteren Schritt in der Entwicklung Europas dar? Ist es angesichts einer weltweiten Krise, vor deren Hintergrund der Finanzsektor Beihilfen in der Größenordnung von Hunderten Milliarden Euro erhält, angemessen oder vernünftig, die Rückzahlung von lediglich einigen Dutzend Millionen Euro staatlicher Beihilfen verlangen, die die Werften in den zurückliegenden Jahren erhielten? Ist es in diesen Zeiten angemessen, Arbeitsplätze zu vernichten und Zulieferer ihrer wichtigsten Kunden zu berauben? Sind wir tatsächlich auf den Dominoeffekt vorbereitet, der angesichts der aktuellen Krise möglicherweise katastrophale Konsequenzen hat?
Ich hoffe, dass die Gerüchte über den Einfluss von Lobbyisten auf die harte Linie der Kommission in dieser Frage jeglicher Grundlage entbehren. Der nach Auffassung des polnischen Volkes auf den Werften geborene Gedanke der Solidarität bedeutet einfach ausgedrückt, dass wir uns umeinander kümmern sollten. Oder ist die Kommission der gleichen Meinung wie einige Kreaturen in Orwells Farm der Tiere, dass alle Europäer zwar gleich, aber einige doch gleicher sind?
Filip Kaczmarek (PPE-DE). - (PL) Frau Präsidentin! Ich bitte die Europäische Kommission, die Restrukturierungspläne für die kombinierten Werften in Gdynia und Danzig sowie für die Werft in Stettin zu akzeptieren. Die Kommission sollte diese Pläne allerdings nicht deshalb akzeptieren, weil die Werft in Danzig ein Symbol ist. Ein Symbol zu sein, ist wichtig, besonders, wenn es vom Rang der Werft in Danzig ist. Doch das bedeutet nicht, auf die Respektierung des Rechts und allgemeiner Grundsätze verzichten zu können. Die Restrukturierungspläne sollten aus anderen Gründen verabschiedet werden, denn sie sind stimmig und stellen wahrscheinlich die einzig mögliche Lösung dar. Sie entsprechen der Notwendigkeit, die Schiffbauindustrie zu modernisieren. Eine Umsetzung dieser Pläne verstößt nicht gegen die Prinzipien des freien Wettbewerbs, denn diese Pläne bedeuten Privatisierung. Danach werden die Werften in der Lage sein, unabhängig unter Marktbedingungen zu agieren.
Wir sollten darüber erfreut sein, dass die derzeitige polnische Regierung seit vielen Jahren die erste ist, die wirklich versucht, der Schiffbauindustrie aus ihrer schwierigen Situation zu helfen. Herr Bielan irrt sich gründlich, denn es ist dem Minister Gradów zu verdanken, dass wir nun die Chance haben, eine dauerhafte Lösung dieser Probleme so finden.
Heute Vormittag sagte Präsident Sarkozy in diesem Hause, dass er sich ein einiges Europa wünsche. Eine solche Einigkeit beinhaltet jedoch auch ein Verständnis dafür, dass es sich lohnt, an einer Möglichkeit zur Rettung der polnischen Werften zu arbeiten. Die Verabschiedung der Restrukturierungspläne würde eine solche Möglichkeit bieten. Präsident Sarkozy sagte auch, dass Europa eine starke Industrie brauche. Europa müsse Autos und Schiffe produzieren. Falls die Europäische Union die Restrukturierungspläne ablehnt, bedeutet dies, dass in einem weiteren europäischen Land der Schiffbau eingestellt wird.
Eine logische Konsequenz des heutigen Appells der französischen Präsidentschaft sollte darin bestehen, die Restrukturierungspläne für die polnischen Werften anzunehmen. Dann haben wir die Chance, in dieser Frage einen europäischen Konsens zu erreichen, wobei das Parlament, die Kommission und der Rat gemeinsam zur Rettung der polnischen Werften beitragen.
Andrzej Jan Szejna (PSE). (PL) – Frau Kommissarin! Ich kann mich mit keinem einzigen Wort mit den von Ihnen geäußerten liberalen Ansichten einverstanden erklären. Sie haben vorgeschlagen, die Vermögenswerte der polnischen Werften in vier gleich große Pakete zu teilen, diese im Rahmen einer bedingungslosen Ausschreibung zu verkaufen und sie dann in die Hände privater Investoren zu geben. Ich frage mich, in wessen Interesse dieser Vorschlag liegt. Er liegt definitiv nicht im Interesse der Werftarbeiter, auch nicht im Interesse der Werften selbst, sondern er liegt im Interesse der Investoren.
Ich möchte Ihnen auch sagen, dass der von ihnen vorgelegte Vorschlag nach dem polnischen Recht leider nicht umgesetzt werden kann, denn er führt einfach in die Insolvenz. Warum haben Sie und die Kommission nicht vorgeschlagen, die Vermögenswerte der europäischen Banken in vier gleich große Pakete aufzuteilen und diese im Rahmen einer bedingungslosen Ausschreibung zu verkaufen? Heute schlagen die Regierungen Garantien in Höhe von 10 Milliarden für die Niederlande, 10,5 Milliarden für Frankreich und 400 Milliarden für Deutschland vor, denn Europa ist ein Ort der sozialen Werte und der Solidarität.
Ich weiß, dass einige polnische Regierungen viele Fehler begangen haben. Diese Fehler müssen nun leider behoben werden, und dafür braucht die polnische Regierung Zeit, und zwar mindestens ein Jahr, um sicherzustellen, dass die polnischen Arbeitnehmer nicht Opfer dieser Fehler werden. Ich appelliere an Sie, mehr Zeit einzuräumen. Ich appelliere an Ihr soziales Empfinden und Ihren gesunden wirtschaftlichen Verstand. Die polnischen Werften sind europäische Werften.
Ryszard Czarnecki (UEN). - (PL) Frau Präsidentin! Ich erinnere mich noch daran, wie mich vor mehr als 15 Jahren Vertreter der Stettiner Werft darüber informiert haben, mit welch enormen Subventionen die EU und Deutschland die deutsche Schiffbauindustrie im Wettbewerb mit den Stettiner Werften unterstützt haben. Ich sage das jetzt, weil es nicht etwa ein plötzliches Phänomen ist, dass in Brüssel mit zweierlei Maß gemessen wird, dass es in der EU bessere und schlechtere Werften gibt, dass es gleiche und gleichere Werften gibt, dass es Werften gibt, die das Wohlwollen der Kommission verdienen, und Werften, die nicht mehr Wert sind, als Gegenstand von Spitzfindigkeiten zu sein.
Zunächst haben die Führer der vier größten Mitgliedstaaten, dann die Länder der Eurozone und schließlich alle 25 Mitgliedstaaten ungeniert entschieden, zur Rettung von Banken, in denen einige Hundert Leute arbeiten, unbekümmert Millionen von Euro auszugeben, während gleichzeitig die Unterstützung von Werften, die Tausende, ja, Zehntausende Menschen – wenn Sie die Lieferanten mit einberechnen – beschäftigen, in die andere Waagschale geworfen wird. Die polnischen Werftarbeiter sollten im Ergebnis des seltsamen Tauziehens zwischen der Europäischen Kommission und der aktuellen polnischen Regierung nicht den hohen Preis der Entlassung bezahlen. Es ist sehr einfach für die Kommission, zu entscheiden, ob die Werften in Stettin und Gdynia sinken oder schwimmen. Wenn die Kommission kontroverse Entscheidungen dieser Art treffen muss, sollte sie wenigstens den Parteien dieser Auseinandersetzung eine gewisse Zeit einräumen. Akzeptieren Sie die Bildung eines Expertenausschusses, und zeigen Sie nicht den polnischen Schiffbauern und ihren Familien Ihre kalte Schulter.
Urszula Gacek (PPE-DE). - (PL) Frau Präsidentin! Ich habe die Debatten zu den polnischen Werften mit Zufriedenheit verfolgt und bin der Auffassung, dass sich die Mehrheit der polnischen Delegation der Aufgabe gewachsen gezeigt und wasserdichte Argumente vorgebracht hat, gleichzeitig aber darauf verzichtete, irgendjemanden die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Wir können einer Liquidierung nicht zustimmen, die dazu führt, dass die Vermögenswerte der Werften aufgeteilt werden. Sie haben das Beispiel der griechischen Fluggesellschaft angeführt, wo die Liquidierung eine Entschuldung und die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs ermöglichte. Leider gestattet das polnische Insolvenzrecht nicht, dass sich ein Unternehmen einer solchen Therapie unterzieht und aus ihr schlanker und fitter hervorgeht. Eine solche Therapie würde den polnischen Werften den Todesstoß versetzen. Doch die Last der Verschuldung wird es den Werften auch nicht gestatten, jemals wieder profitabel zu arbeiten. Sie sagten in einem Interview mit einer polnischen Tageszeitung, dass die Rettung stark verschuldeter Banken etwas völlig anderes als die Rettung stark verschuldeter Werften sei. Möglicherweise wurden die Werften schlecht geführt, und möglicherweise wurden schwierige Restrukturierungsmaßnahmen immer wieder aufgeschoben. Eines steht jedoch fest: Diese Werften haben sich niemals solcher geradezu verantwortungsloser und dubioser Geschäfte wie der Bankensektor bedient. Der polnische Steuerzahler hat für die Fehler der polnischen Werften bezahlt, während für die Fehler der europäischen Banken wir alle bezahlen und auch weiterhin bezahlen werden.
Diese Debatte hat gezeigt, dass es eine Übereinstimmung darüber gibt, die Werften so zu reformieren, dass eine reale Hoffnung besteht, sie zukünftig profitabel betreiben zu können. Wir alle wissen eines: Wenn die Kommission unserer Argumentation zustimmt und Polen diese Chance nicht nutzt, wird es mit Sicherheit keine weitere geben.
Marek Siwiec (PSE). - (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ist es nicht an der Zeit, anzuerkennen, dass sich in Europa und in der Welt etwas Neues ereignet? Ist es nicht an der Zeit, dass wir das Paradigma unserer Empfindlichkeiten und unseres Denkens ein wenig verschieben? Ist es nicht an der Zeit, zuzugeben, dass es in diesem Konflikt keine zwei Seiten gibt, sondern nur eine? Stehen wir auf dieser einen Seite nicht alle gemeinsam, vereint in dem Willen, etwas Gutes zu tun? Ist es nicht an der Zeit, den polnischen Arbeitnehmern und dem polnischen Volk zu zeigen, dass die Europäische Union in dieser konkreten Situation tatsächlich etwas Gutes tun kann?
Ich möchte Sie ermutigen, auf die Seite der Wohlwollenden zu wechseln. Ich möchte Sie ermutigen, Ihre Sensibilität und Ihre Vorstellungskraft zu schärfen und sich auf diese neue Seite zu begeben, denn just in diesem Moment nimmt die Geschichte einen neuen Kurs auf, und Sie haben die Chance, auf der richtigen Seite zu stehen.
(Beifall)
Dariusz Maciej Grabowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Den Banken und Kreditinstituten wurden sofort Hunderte Milliarden von Euro zur Verfügung gestellt, um den freien Markt und die Europäische Union zu schützen. Den polnischen Werften wurde nicht einmal ein symbolischer Betrag zur Verfügung gestellt. Dabei waren es doch die Finanzinstitute, deren Spekulationen zur weltweiten Krise geführt haben, und der Kursanstieg der polnischen Währung um mehr als 30 % führte zum Zusammenbruch der Schiffbauindustrie des Landes.
Heute verteilt die Union aus den Taschen ihrer Bürger Beihilfen an die Verantwortlichen der Krise, während die Opfer liquidiert werden. Der Urteilsspruch für die polnischen Werften ist gleichzeitig ein Geschenk für die Werften in Deutschland, die 1989 Hunderte Milliarden D-Mark nicht rückzahlbarer Subventionen erhielten. Der Verlust von mehr als 100 000 Arbeitsplätzen, die Mehrzahl davon in Polen, ist ein Preis, den das polnische Volk und nicht die Europäische Union bezahlt.
Sollten die Menschen und die Orte, an denen die Gewerkschaftsbewegung Solidarität, der Fall der Berliner Mauer und die Befreiung Europas ihren Anfang nahmen, willkürlichen Entscheidungen aus Brüssel zum Opfer fallen, welche im Interesse von Spekulanten getroffen wurden, die mit dem Schutt und den Trümmern der Werften ein Riesengeschäft machen möchten? Wir fordern Entscheidungen der Kommission, die dazu beitragen, die Schiffbauindustrie zu retten und weiterzuentwickeln.
Janusz Lewandowski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Gestatten Sie mir nach so vielen zumeist polnischen Redebeiträgen nur zwei Bemerkungen. Erstens nehme ich Bezug auf den Brief, den die polnische Delegation innerhalb der PPE-DE-Fraktion an Präsident Barroso gesandt hatte, um ihn daran zu erinnern, dass der Schiffbau hinter dem Eisernen Vorhang als ein Gewerbe galt, das die Polen besonders gut beherrschten. Daher das relativ hohe technische Niveau und die gute Qualität des Humankapitals. Das war eine Art Mitgift, die wir in das vereinte Europa einbrachten, und diese Mitgift ist in den kleinen und mittleren Unternehmen zu sehen, die heute gute Arbeit leisten. In den drei Werften, über die wir heute diskutieren, bleibt diese Mitgift jedoch im Potenzial, darunter auch im Humanpotenzial, verborgen. Heute wird die Glaubwürdigkeit der Pläne für die Werften durch die Interessen der aktuellen und potenziellen privaten Investoren bestimmt, die für die Zukunft dieser Standorte ihr eigenes Geld riskieren möchten.
Meine zweite Bemerkung betrifft die Weisheit der Wettbewerbspolitik in den aktuell unruhigen Zeiten. Dieser Weisheit letzter Schluss kann nicht einfach darin bestehen, dass zwischen den Wettbewerbern in Europa faire Beziehungen sichergestellt werden. Sie sollte auch die globale Situation berücksichtigen. Sie muss an die Wettbewerber denken, die mitunter ein anderes Spiel spielen. Wir hier in Europa spielen Fußball, sie spielen Rugby. Die Tatsache, dass die Ergebnisse nicht immer gut sind, wird an einem vom polnischen Hinterhof weit entfernten Beispiel deutlich. Sie haben wahrscheinlich schon von der Aker Group gehört, dem leistungsstärksten Schiffbaukonzern des modernen Europa, der den skandinavischen, französischen, deutschen und sogar brasilianischen Schiffbau zusammenführte, vermutlich, um gegen die Wettbewerber aus dem Fernen Osten bestehen zu können. Doch die Aker Group ist längst Geschichte. Sie wurde zu STX Korea. Irgendetwas lief hier falsch. Umso wichtiger ist es in diesen unruhigen Zeiten, Entscheidungen zu treffen, die für Stabilität und nicht für Gefahr sorgen. Das gilt auch für die polnischen Werften.
(Beifall)
Dariusz Rosati (PSE). - (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Sie haben einen Plan vorgelegt, der tatsächlich eine Grundlage für die erfolgreiche Restrukturierung der polnischen Werften werden kann. Die polnische Regierung hat bereits damit begonnen, diesen Plan intensiv abzuarbeiten, der wichtigste Faktor ist jedoch die Zeit. Wir appellieren an Sie, dass die Kommission ihre Entscheidung zu den Werften aussetzt. Wir appellieren, den polnischen Behörden mehr Zeit für die Erarbeitung eines Programms einzuräumen, das Erfolg versprechend ist und in Polen 100 000 Jobs sichert. Dieser Plan trägt auch dazu bei, dass in Europa eine wichtige Branche erhalten bleibt, die international wettbewerbsfähig ist. Aus mindestens zwei Gründen bitte ich um mehr Zeit. Erstens erfordert der von Ihnen vorgeschlagene Plan erhebliche Veränderungen in der polnischen Gesetzgebung, und diese Veränderungen sind keine Sache von Wochen, sondern nehmen mehrere Monate in Anspruch. Zweitens betrifft die aktuelle Situation uns alle. Die Finanzkrise droht sich zu einer allgemeinen europäischen Krise auszuweiten. Das Letzte, Frau Kommissarin, was Europa in diesen Zeiten brauchen kann, ist der Zusammenbruch einer ganzen Branche.
(Beifall)
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Drei Aspekte möchte ich in dieser Debatte hervorheben. Erstens handelt es sich bei den Finanzhilfen, die den polnischen Werften gewährt wurden, um zielgerichtete Hilfen. Demzufolge sollte die Europäische Kommission nicht ihre Rückzahlung verlangen. Zweitens ist die Unterstützung der polnischen Werften eine Unterstützung des europäischen Schiffsbaus, wie es auch bei der Unterstützung der ostdeutschen Schiffbauindustrie der Fall war. Die Europäische Union braucht eine moderne, produktive Schiffbauindustrie, bei der die europäischen Reeder Schiffe bestellen. Drittens ist das Niveau der staatlichen Beihilfen, die die polnischen Werften bisher erhalten haben, sowie das für die Zukunft prognostizierte Niveau im Vergleich zu den fast zwei Milliarden Euro Beihilfe, die dem privaten Bankensektor Europas zur Verfügung gestellt wurden, geradezu symbolisch. Hinzu kommt, dass die Regierungen einiger Mitgliedstaaten in dieser Angelegenheit so hastige Entscheidungen treffen, dass sie nicht einmal Zeit haben, die Europäische Kommission darüber zu informieren.
Die Vorschläge der Europäischen Kommission besagen, dass die beste Lösung für die polnischen Werften darin bestehe, sie durch Gründung separater Produktionsgesellschaften zu restrukturieren. Vorschläge dieser Art sind inakzeptabel, denn sie hätten eine Aufspaltung der Vermögenswerte der Werften zur Folge, die damit ihre Fähigkeit zum Bau von Schiffen verlieren würden.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (PL) Frau Kommissarin! Einerseits begrüße ich Ihr Verständnis für die historischen und moralischen Dimensionen dieser Werften. Andererseits vermute ich, dass Sie zu intelligent sind, um nicht zu verstehen, dass das wirtschaftliche Argument nicht mehr stichhaltig ist. Was wir einerseits für die Banken tun und andererseits für die Werften nicht tun, hält meines Erachtens keiner näheren Überprüfung stand. Ich glaube auch, dass wir in einer schwierigen Situation mutige Entscheidungen treffen müssen. Vielleicht bietet sich nun Gelegenheit dazu.
Drittens möchte ich mir einmal das düstere Szenario einer Insolvenz der Werften und des Ausverkaufs ihrer Vermögenswerte an Investoren vor Augen führen, die wahrscheinlich nicht aus Polen stammen, denn in unserem Land gibt es keine. Ich glaube, das wäre dasselbe, als würde Siemens oder Airbus von Koreanern geführt. Die Frage ist nur, ob Polen und Europa davon profitieren würden, wenn eine solch große nationale Industrie wie der Schiffbau in den Händen anderer wäre?
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Da ich im Juli und im September eine Frage gestellt habe, auf die ich bisher noch keine schriftliche Antwort erhalten habe, möchte ich sie jetzt mündlich stellen. Ich wollte wissen, ob es stimmt, dass am 20. Juni beim Treffen der Europäischen Kommission und einer Delegation der Ulstein Group (einer der Investoren) Karl Soukup als Vertreter der Kommission – und hier zitierte ich aus den Aufzeichnungen der Europäischen Kommission – auf die Frage, welcher Verkaufspreis für die neue Stettiner Werft empfohlen wird, meinte, dass dieser Preis aufgrund der hohen Schulden und Verluste wohl nicht hoch sein wird. In diesem Zusammenhang fragte er, weshalb es die Ulstein Group nicht in Erwägung zieht, die Vermögenswerte nach dem späteren Insolvenzverfahren zu erwerben, das eingeleitet werden wird, sobald die Entscheidung über die Rückzahlung der Beihilfen getroffen worden ist. Er betonte, dass man bei der Übernahme der Konkursmasse zwar keine Unterstützung für die Umstrukturierung erhalten könnte, es aber möglich wäre, Beihilfen für neue Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Rahmen der regionalen Unterstützung zu bekommen. Als erfahrener Geschäftsmann kommt mir dies so vor, als ob man einem Investor vorschlägt, abzuwarten und gegen die Interessen des Unternehmens zu handeln. War dies der Fall, Frau Kommissarin?
Ewa Tomaszewska (UEN). - (PL) Für die Danziger Werft, die als Wiege der Gewerkschaft Solidarität gilt, der im Kampf gegen den Kommunismus eine entscheidende Rolle zukam, in der Diskriminierung herrschte und deren schlechte finanzielle Lage auf die politischen Entscheidungen der Kommunisten zurückzuführen ist, wartet man heute auf eine positive Entscheidung der Europäischen Kommission. Dasselbe könnte man über die ganze Schiffbauindustrie sagen. Nicht nur der polnische Schiffbau hängt von dieser Entscheidung ab, sondern sie wird sich auf die Rolle der Schiffbauindustrie der Europäischen Union in der Welt auswirken. Wir sind der Konkurrenz aus Korea und aus Ländern ausgesetzt, in denen man nicht nur öffentliche Beihilfen bewilligt, sondern auch die Beschäftigungsstandards senkt und die Rechte der Arbeitnehmer missachtet. Bei uns wird der Wettbewerb unfair sein, wenn die Werften schlechter behandelt werden als die Banken, die Menschen auf ungerechte Weise dazu ermutigt haben, Hypotheken abzuschließen.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). - (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Der Untergang der polnischen Schiffbauindustrie ist weder für Polen noch für die Europäische Union notwendig. Wir müssen daher gemeinsam eine Lösung finden.
Zuerst muss die Europäische Kommission ihre Forderungen zurücknehmen, dass die öffentlichen Mittel zurückgezahlt werden, vor allem, weil ein Großteil dieser Mittel durch staatliche Bürgschaften an Kreditnehmer gesichert wurde. Zweitens: Es ist unfair und untergräbt den Vorsatz der Europäischen Union, die Werften zu einem Zeitpunkt aufzufordern, die Gelder zurückzuzahlen, zu dem sich die Europäische Union aus der Marktwirtschaft zurückzieht und die Banken verstaatlicht.
Drittens: Die Wirtschaft muss in der Europäischen Union und in Polen ausgebaut werden. Entwicklung kann nicht ausschließlich darauf basieren, die Produktion einzelner Branchen einzuschränken oder gar einzustellen. Viertens: Der Wunsch, die Werften zu schließen, in denen die Bewegung der Gewerkschaft Solidarität und die Veränderungen in Europa ihren Anfang nahmen, könnte zu einer defensiven Reaktion der Öffentlichkeit führen, die ihre Unzufriedenheit in großem Stil zum Ausdruck bringen möchte. Dies braucht momentan wirklich niemand. Und fünftens: In der Europäischen Union leben bereits fast 100 Millionen Menschen am Rande des Existenzminimums. Weshalb sollte man noch viel mehr Armut zulassen?
Marcin Libicki (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Wir erleben zweifelsohne eine Vertrauenskrise, und zwar hinsichtlich des Vertrauens, das man den europäischen Institutionen schenkt. Dies ist in Irland, Holland und Frankreich der Fall, nicht jedoch in Polen — zumindest noch nicht. In Polen vertraut man den europäischen Institutionen. Wenn man letztendlich verhindert, dass die Werften in Betrieb bleiben und nach und nach reformiert werden, könnte man leider auch in Polen eine Vertrauenskrise hinsichtlich der Institutionen der Europäischen Union erleben, weil es für jeden offensichtlich wäre, dass zwei Maßstäbe, ja zwei Standards, angewandt werden. Im früheren Ostdeutschland und bei den Banken ging man nämlich anders vor. Wir könnten sagen, dass die Größenordnung anders war, aber diejenigen, die ihre Arbeitsplätze verlieren, werden dafür kein Verständnis aufbringen. Als ich die Ehre hatte, zusammen mit der Kommissarin die polnischen Schiffbauer zu besuchen, hatte ich den wohl realistischen Eindruck, dass Sie an einer guten Lösung interessiert sind. Ich bitte Sie daher, die bestmögliche Lösung zu finden und diesen Werften eine Chance zu geben. Vielen Dank!
Die Präsidentin. - Ich möchte mich bei den Herren Mieczysław Edmund Janowski, Bernard Wojciechowski und Bogdan Pęk entschuldigen, aber wir müssen hier leider abbrechen. Ich war 30 Jahre lang in der Gewerkschaftsbewegung aktiv und verstehe die Tragödie und das Drama, die mit diesem Thema verbunden sind, aber ich muss das Wort nun Kommissarin Neelie Kroes übergeben.
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Ich bin von den Beiträgen der Abgeordneten zu diesem Dossier beeindruckt und habe mir die heute Abend gemachten Äußerungen genau angehört.
Ich möchte mich bemühen, Ihnen eine Antwort zu geben, und werde – wenn Sie mir dies gestatten – etwas Zeit dafür aufwenden, um zu versuchen, Ihnen die aktuelle Lage zu erklären.
Herr Jerzy Buzek erklärte gleich zu Beginn, wie die Situation in Polen derzeit aussieht, und er erwähnte zu Recht, dass wir bereit sein sollten, eine positive Lösung anzubieten, durch die sich die Geschäftsaktivität aufrechterhalten lässt. Wir bieten tatsächlich eine positive Lösung an, durch die sich die Geschäftsaktivität aufrechterhalten lässt. Wenn Investoren am Schiffbau interessiert sind, und dies wurde nicht nur von einem Mitglied der Regierung, sondern von unterschiedlichen Seiten bestätigt, dann können sie Gebote für Vermögenswerte abgeben, und dies ist der Punkt, den ich betonen wollte. Denken Sie bitte daran, dass die Kommission daran interessiert ist, dass die Lösung in Polen zu rentablen Wirtschaftsaktivitäten führen kann. Wir müssen von rentablen Wirtschaftsaktivitäten sprechen, weil ich den beteiligten Arbeitnehmern nichts vorschlagen möchte, dass nicht realisierbar ist.
Dafür haben wir zu viel Zeit damit verbracht. All diese Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, was los ist und wie ihre Zukunft aussehen wird, und niemand geht davon aus, dass wir einfach Folgendes sagen: Lasst uns einfach so weitermachen, denn schließlich können wir jetzt nichts unternehmen. Lasst uns weiterhin das tun, was wir auch bisher getan haben. Wir wissen, dass dies nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig muss aber auch gesagt werden, dass wir, die Kommission, alles getan haben, um eine Lösung zu finden.
Deshalb wäre es für Danzig zuallererst wichtig, und das habe ich bereits gesagt, dass uns die polnische Regierung einen Geschäftsplan vorlegt, der aufzeigt, dass die Werft in Zukunft rentabel geführt werden kann. Die dort arbeitenden Handwerker sind extrem gut und führen bereits Tätigkeiten aus, von denen man annehmen kann, dass sie sich in Zukunft noch ausweiten lassen, denn schließlich ist die Werft privatisiert, die Eigentümer haben Investitionen getätigt und es besteht die Möglichkeit, dass dies auch so weitergehen kann. Wir brauchen jedoch dringend einen Geschäftsplan, und darum bitte ich Sie. Diejenigen von Ihnen, die mit der Situation in Polen so vertraut sind, sollten sich einfach an die polnische Regierung wenden und sagen: „Jungs und Mädels, es ist an der Zeit, Ergebnisse vorzuweisen. Wir, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, geben uns nicht mehr damit zufrieden, dass keine Erfolge zu erkennen sind.“ Oder anders ausgedrückt: Sie geben Ihnen keine Antwort auf die Frage, die Sie sich stellen.
Wenn wir davon ausgehen, dass die Aspekte des Problems, die mit Danzig zu tun haben, auf die von mir vorgeschlagene Weise angegangen werden, dann bleiben uns noch die anderen beiden Werften. Ich habe Ihnen gerade beschrieben, wie für Gdingen und Stettin ein Ansatz verfolgt werden könnten, der in Zukunft Beschäftigungsmöglichkeiten bieten würde. Und genau darum geht es uns, weshalb ich auch das Beispiel der Olympic Airways angeführt habe. Natürlich geht es hier um zwei unterschiedliche Dinge: Schiffbau und Luftfahrt. Dennoch dachte man bei der Lösung für Olympic Airways ursprünglich nur an eines: Liquidation und dann Vermögenswerte, ohne diese großen Geldbeträge zurückzahlen zu müssen. Anschließend wollte man den neuen Investoren die Möglichkeit geben, aus diesen Vorhaben ein überlebensfähiges Unternehmen zu machen.
Herr Schulz, wir haben nicht gesagt, dass die Werften geschlossen werden sollten. Wir suchen nach einer Lösung, die sie stark genug macht, um der bevorstehenden Rezession trotzen zu können, und durch die ihnen Aktivitäten übertragen werden, die an diesen Orten mit größter Wahrscheinlichkeit rentabel sein werden. Und hier liegt nach der Bündelung der Vermögenswerte die Chance beider Werften, wobei zu berücksichtigen ist, dass es einige potenzielle Investoren gibt, die daran interessiert sind, für eine existenzfähige Zukunft zu sorgen.
Frau Schroedter, die Transition der polnischen Werften hat länger gedauert als die der ostdeutschen Werften, und zudem hat sie während des Wirtschaftsbooms stattgefunden. Und zu den Beiträgen der Herren Sylwester Chruszcz und Ryszard Czarnecki: Wenn Sie diese Werften mit der Situation in den deutschen Werften vergleichen, und es stimmt natürlich, dass zu den deutschen Werften eine Parallele gezogen werden kann, dann muss ich zwei allgemeine Bemerkungen machen.
Erstens: Wir müssen anerkennen, dass die Schiffbauindustrie in anderen Ländern, wie in Dänemark oder im Vereinigten Königreich, in denen die Vergabe öffentlicher Mittel weniger großzügig war, beträchtlich verkleinert oder gar stillgelegt wurde. Und darüber weiß ich mit guten Grund Bescheid: In meinem eigenen Land wurden recht viele Werften stillgelegt. Wenn wir also von Gleichbehandlung sprechen, dann müssen wir auch berücksichtigen, dass in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union immer wieder Werften, die nicht mehr rentabel sind, stillgelegt werden.
Einige Abgeordnete haben einen Vergleich mit der Situation in Deutschland aufgestellt. Die drei polnischen Werften – Gdingen, Danzig und Stettin – sind insgesamt mit der Größe der deutschen Werften vor ihrer Umstrukturierung vergleichbar, und auch die Beihilfen, die den polnischen Werften zwischen 2002 und 2008 gewährt wurden, ist mit den Mitteln vergleichbar, die Deutschland in seine Werften steckte, nämlich etwa 3 Milliarden Euro. Hier haben wir also eine Vergleichsgrundlage.
Sowohl im Hinblick auf die Wettbewerbsverzerrung als auch die Garantie der Beschäftigungssicherheit ist die Dauer der Umstrukturierung in Polen jedoch ein erschwerender Umstand. Die deutschen Werften wurden 1993 privatisiert, und ihre Umstrukturierung wurde zwischen 1995 und 1996 abgeschlossen. Der Betrieb der polnischen Werften wurde hingegen sehr lange subventioniert, und zwar schon lange vor dem Beitritt Polens zur EU, und sie wurden seitdem mehrmals finanziell ausgelöst.
Ich habe bereits erwähnt, dass jetzt, im Jahr 2008, mehr als vier Jahre vergangen sind, seit Polen der EU beigetreten ist, und vor acht Jahren, im Jahr 2000, wurden in Polen gemäß dem Assoziierungsabkommen aus dem Jahr 1994 die ersten Regeln für staatliche Beihilfen eingeführt. Darüber hinaus hat die Schiffbauindustrie in den letzten fünf Jahren von einem Boom noch nie da gewesener Intensität profitiert. Auch dies sollte berücksichtigt werden: Selbst als die Branche boomte, konnte in den polnischen Werften nicht dafür gesorgt werden, dass man rentabel wirtschaftet. Dieser Punkt darf wirklich nicht vernachlässigt werden. Selbst während dieser Zeit konnten keine Betriebsergebnisse erzielt werden, die mit denen anderer Werften vergleichbar wären.
Wenn wir berücksichtigen, dass der Boom mit seinen sicheren Auftragseingängen und ständig steigenden Preisen für günstige Bedingungen sorgte, in Polen eine tiefgreifende Umstrukturierung vorzunehmen, dann wurde diese Chance in Polen nicht genutzt. Branchenexperten haben bereits prognostiziert, dass es in zwei bis drei Jahren zu einer Abschwächung, zu einer Überkapazität auf dem Weltmarkt kommen wird.
Abschließend ist zu sagen, dass der Vergleich mit Deutschland aussagekräftig sein könnte. Ja, dort sah es ähnlich aus, und es handelt sich um eine nahezu vergleichbare Situation. Dies zeigt, dass die polnischen Werften genauso behandelt werden wie die deutschen. Bei der Bewertung staatlicher Beihilfen werden dieselben Kriterien angewandt, wobei die Rentabilität der wichtigste Gesichtspunkt ist.
Es sollten aber auch Parallelen zu Fällen gezogen werden, in denen die Kommission keine staatlichen Beihilfen genehmigt oder, wie in einigen anderen Mitgliedstaaten, die Rückzahlung rechtswidrig bewilligter staatlicher Beihilfen angeordnet hat. Im Schiffbausektor denke ich an negative Entscheidungen über die Rückerstattung von Beihilfen. Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht an die Weft IZAR, die in Händen des spanischen Staates war, an die griechischen Werften oder an einige andere Fälle.
Wenn Herr Adam Bielan sagt – und auch ich habe dies bei meinen Kommentaren getan –, dass wir Jahre dafür gebraucht haben, dann ist dies deshalb der Fall, weil die Werften aus wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und symbolischer Sicht so wichtig sind. Ja, es stimmt. Ich wage es, diesen Punkt zu verteidigen, aber das Beste, was wir diesen Helden der Werft anbieten können, ist eine solide Zukunft. Und genau darum bitte ich Sie: um einen realistischen Ansatz, denn den haben diese Helden verdient.
Es wurde eine Frage zum europäischen Schiffbau gestellt. Die Kommission setzt sich zusammen mit der europäischen Schiffbauindustrie für die aktive Implementierung einer integrierten Strategie ein, und wir nennen diese Strategie „LeaderSHIP 2015“. Bei ihr wird das Ziel verfolgt, die Schiffbauindustrie in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wettbewerbsfähiger zu machen. In diesem Zusammenhang setzt man sich weiterhin dafür ein, die Branche in Polen und in anderen Ländern dahingehend zu unterstützen, dass man den wichtigsten Herausforderungen gewachsen ist. Dazu fördert man beispielsweise Innovation und sorgt für einen besseren Schutz von geistigen Eigentumsrechten. Kontinuierliche Subventionierung kann nicht die Antwort auf Probleme sein, die sich hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit stellen.
Wie Sie selbst, so ist auch die Kommission daran interessiert, dass diese Branche eine Zukunft hat und ganz ohne staatliche Intervention und staatliche Beihilfen überlebensfähig ist. Dies ist bei vielen Werften Europas der Fall, besonders im Sektor der technologisch fortschrittlichen Schiffe.
Herr Witold Tomczak und einige andere Abgeordnete haben die derzeitige Situation im Finanzsektor mit der Lage der Banken verglichen. Und wem dient die Wirtschaft? Der Niedergang des weltweiten Anteils der EU am Schiffbau lässt sich nicht dadurch rückgängig machen, dass man Werften weiter betreibt, die nicht rentabel sind. Und Herr Sylwester Chruszcz und Herr Witold Tomczak sind im Allgemeinen auf die Finanzkrise eingegangen. Ich habe versucht, dies im Rahmen meiner ersten Aussage zu erklären. Ich möchte etwas näher auf die Fragen eingehen, die einige von Ihnen gestellt haben.
Es wurde eine Frage gestellt, bei der es darum ging, ob die für staatliche Beihilfen geltenden Regeln angesichts der Tatsache, dass Finanzinstitutionen von der Kommission nun staatliche Beihilfen genehmigt worden sind, nicht weniger streng angewandt werden sollten. Dies ist eine interessante Frage, und dies nicht nur in Bezug auf Ihre heute stattfindende Sitzung. Es ist aber auch eine Tatsache, dass wir untersuchen müssen, weshalb die Kommission in den Fällen der polnischen Werften strenger vorzugehen scheint und gleichzeitig europäischen Banken riesige Hilfspakete bewilligt.
Die Situation der polnischen Werften unterscheidet sich, wenn Sie mir erlauben, dies zu sagen, völlig von der des Bankensektors. Dafür gibt es zwei Gründe, die ich Ihnen erklären möchte. Nr. 1: Der Konkurs einer wichtigen europäischen Bank könnte den Niedergang einiger anderer Finanzinstitutionen auslösen und so die ganze Wirtschaft eines oder mehrerer Mitgliedstaaten auf systematische Weise in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb denken wir zurzeit daran, Banken kurzfristige Nothilfe zu gewähren anstatt jahrelang Mittel in die Umstrukturierung der polnischen Werften zu investieren. Sollten Banken übrigens auf längerfristige Hilfe angewiesen sein, würden für sie ähnliche Voraussetzungen gelten wie für die polnischen Werften. Sie müssen einen glaubwürdigen Umstrukturierungsplan vorlegen. Sie müssen ihren Anspruchsberechtigten gegenüber langfristige Zukunftsfähigkeit gewährleisten. Es ist also wirklich so, dass wir im Bankensektor genauso handeln. Wir wenden uns derzeit an Banken und fordern sie auf, uns Pläne vorzulegen, aus denen hervorgeht, wie umstrukturiert und in Zukunft wirtschaftlich gehandelt werden soll.
Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb sich einige von Ihnen über die Staatsbürgerschaft derjenigen Gedanken machen, die die Vermögenswerte der Werften erwerben. Wenn sie echte Unternehmer sind und an diesen Vermögenswerten Interesse haben, dann sollten wir verkaufen. Wir schulden den in den Werften tätigen Arbeitnehmern eine Lösung, und Staatsbürgerschaft oder Protektionismus sollten dabei keine Rolle spielen. Dies ist nicht die Antwort, die ich den Arbeitnehmern geben möchte, die am Erhalt ihrer Arbeitsplätze, ihrer zukunftsfähigen Arbeitsplätze, interessiert sind.
Ich bin sehr froh darüber, dass einige Abgeordnete erkannt haben, dass man auf den Werften flexibel ist und dass wir hieraus keine Religion machen wollen. Wenn wir als einzige Chance die Produktion von Schiffen sehen, dann gehen wir in diesen Fällen meiner Meinung nach nicht professionell vor. Man könnte dort ein beliebiges Produkt herstellen, für das das handwerkliche Können dieser Menschen erforderlich ist und das zukunftsfähig ist. Wenn die Nachfrage zunimmt, die Arbeitnehmer qualifiziert sind und die Werften entsprechend genutzt werden können, was Ihrer Aussage nach ja der Fall ist, dann können wir ihnen eine Chance geben, indem wir sie von der Last früherer staatlicher Beihilfen befreien.
Ich werde versuchen, meine Punkte zusammenzufassen, denn diesen Wunsch kann ich an Ihrer Körpersprache erkennen. Ich hatte folgende Hauptprobleme: Können Sie uns nicht mehr Zeit geben? Sollten wir bei diesem äußerst schwierigen Thema wirklich so vorgehen? Ich denke, dass all diese Arbeitnehmer das Recht haben, uns um eine tragbare Lösung für ihre Zukunft zu bitten. Was wir, die Kommission, präsentieren und um was wir die polnische Regierung bitten – und dabei sind wir dringend auf Ihre Unterstützung angewiesen –, ist, dass man sich einer Sache bewusst ist. Legen Sie den Geschäftsplan für Danzig vor. Bitte tun Sie dies. Und denken Sie daran, dass Gdingen und Stettin eine Chance haben.
Es gibt eine Zukunft, aber wir müssen so handeln, dass die Last all der staatlichen Beihilfe, die in den letzten Jahren zurückzuerstatten war, von den Vermögenswerten genommen wird und dass nach dem Bündeln der Vermögenswerte in beiden Werften und Gegenden bzw. Regionen eine neue Chance für Aktivitäten entsteht.
Es ist absolut wichtig, dass die Vermögenswerte von dieser Last befreit werden, weil Investoren sonst weniger stark an ihnen interessiert wären. Dies ist praktisch das Gesetz, das gilt, wenn man die Lösung überdenkt. Wenn es zur Liquidation kommt, dann kann sie parallel durchgeführt werden, was weniger Zeit in Anspruch nimmt.
Wenn ich mit diesen Arbeitnehmern sprechen müsste, würde ich ihnen lieber sagen, dass sie sich dieser Lösung, die von der Kommission angeboten wird, anschließen sollten. Wenn Sie diese Lösung annehmen, dann kann sie schnell umgesetzt werden. Und sagen Sie mir nicht, dass Sie keine rechtlichen Änderungen vornehmen können, weil das Gesetz in Polen nun mal so ist, wie es ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Lösung rechtlich möglich ist, aber falls dies so ist, können Sie einfach als Regierung handeln. Die Erfahrung, die ich vor der Jahrhundertwende in einer anderen Position machen konnte, lehrte mich, dass es immer einen Ausweg gibt, wenn man an einer Lösung interessiert ist. Ich bitte Sie von ganzem Herzen und für diese Arbeitnehmer, dass Sie sich an die polnische Regierung wenden.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN), schriftlich. – (PL) Frau Präsidentin! Wenn ich mir ansehe, wie die Kommission derzeit mit den polnischen Werften umgeht, fühle ich mich in meiner Überzeugung bestätigt, dass Polen der EU unter den vor einigen Jahren angebotenen Bedingungen nicht hätte beitreten sollen. Millionen meiner Landsleute vertraten eine ähnliche Auffassung, aber der Mehrheit gaukelte man vor, dass die EU Polen helfen würde, den Entwicklungsstand der „alten“ EU zu erreichen. Dies gilt nicht nur für die Werften, sondern auch für viele andere Bereiche wie die Landwirtschaft. Ich bin dafür, dass sich mein Land an der Europäischen Gemeinschaft beteiligt, aber ich bin dagegen, dass Polen aus wirtschaftlicher Sicht als erobertes Gebiet betrachtet wird, und wehre mich gegen diese Einstellung. Ich kann beobachten, dass für das frühere kommunistische Ostdeutschland und auch für den Bankensektor andere Kriterien gelten. Sie kommen in den Genuss staatlicher Beihilfen.
Das Schicksal des Vertrags von Lissabon steht noch in den Sternen, und ich bin davon überzeugt, dass er Polen völlig von der Bürokratie in Brüssel abhängig machen wird. Bei den bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament müssen die Menschen Europas daher Politiker unterstützen, die diesen Vertrag ablehnen.
Die Präsidentin. - Als nächster Punkt folgt die Aussprache über den Bericht (A6-0291/2008) von Dan Jørgensen im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den überarbeiteten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (KOM(2007)0817).
Dan Jørgensen, Berichterstatter. – (DA) Frau Präsidentin! Jeden Tag erkranken in Europa Menschen aufgrund von Luftverschmutzung. Jeden Tag kommt es in Europa zu Todesfällen, die auf die durch den europäischen Verkehr entstehende Luftverschmutzung zurückzuführen sind. Wir wissen auch, dass wir extremen klimatischen Veränderungen ausgesetzt sind, die unter anderem durch die übermäßige Nutzung von Kraftstoff im Transportsektor hervorgerufen werden. Dies sind zwei Gründe dafür, weshalb die Gesetzgebung, die wir heute Nachmittag hier besprechen, extrem wichtig ist. Auch der Kompromiss, den wir zwischen dem Parlament und dem Ministerrat aushandeln konnten und der hoffentlich morgen angenommen wird, ist daher von entscheidender Bedeutung.
Wir würden seitens der europäischen Behörden eine Verpflichtung eingehen, beim Kampf gegen die Luftverschmutzung eine wesentlich wichtigere Rolle zu übernehmen. Diese Verpflichtung würde bedeuten, dass Behörden beim Kauf eines Fahrzeugs nicht nur an den Preis in Pfund und Pence oder Euro und Cent denken, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Müllabfuhrwagen, einen Bus oder ein anderes Fahrzeug, mit dem öffentliche Aufgaben ausgeführt werden, handelt. Es muss auch der Nachteil berücksichtigt werden, der aus gesundheitlicher, ökologischer und klimatischer Sicht entsteht, da Fahrzeuge unterschiedliche Arten von Partikeln ausstoßen und durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe die Verschmutzung höher ausfällt, was wiederum zu einer stärkeren globalen Erwärmung führt.
Wir zwingen lokale Behörden nicht, sich für die umweltfreundlichste Lösung zu entscheiden, aber dazu, bei ihren Berechnungen die gesundheitlichen und ökologischen Folgen zu berücksichtigen. Darüber hinaus sorgen wir dafür, dass bei Entscheidungen offen und transparent gehandelt wird. Ich bin mir daher auch sicher, dass wesentlich mehr Behörden in Europa die richtigen, also die umweltfreundlicheren, Entscheidungen treffen werden anstatt kurzfristig zu denken und sich dabei vielleicht für die preiswerteren Optionen entscheiden, weil sie bei ihrer Berechnung nur an Pfund und Pence dachten. Und dies ist ja auch der Zweck dieses Vorschlags.
Und was noch wichtiger ist: Der Vorschlag sollte, zumindest hoffe ich dies, eine direkte Auswirkung auf die Umwelt haben, weil ein großer Anteil der verkauften Fahrzeuge unterschiedlicher Arten an den öffentlichen Sektor geliefert wird. Bei den Bussen gehen in Europa beispielsweise etwa ein Drittel der Verkäufe auf Behörden zurück. Abgesehen von dieser sehr direkten ökologischen Auswirkung wird dieser Vorschlag aber auch noch eine Nebenwirkung haben: Wir wollen eine Nachfrage nach speziellen umweltfreundlichen Fahrzeugen schaffen, und zwar eine Nachfrage, durch die Bewegung in den Markt kommt und es für Unternehmen bereits rentabel ist, neue, bessere und umweltfreundlichere Fahrzeuge zu entwickeln, bevor sie gesetzlich dazu verpflichtet werden.
Ich denke, dass man darauf hinweisen sollte, dass dies keine sehr bürokratische Vereinbarung ist. Hier geht es nicht darum, den lokalen Behörden viele lästige Regeln vorzuschreiben. Es sollen auch nicht viele bürokratische Hürden geschaffen werden. Im Gegenteil: Wir sind zu einer Vereinbarung gekommen, die sich sehr leicht einführen und umsetzen lässt. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung, die im Bedarfsfall auch Ausnahmen zulässt und die vor allem sicherstellt, dass ein Land, in dem man bereits ein effizientes System verwendet, bei dem die gesundheitlichen und ökologischen Folgen des Fahrzeugkaufs berücksichtigt werden, dieses System beibehalten kann.
Wie Sie bereits erwähnt haben, ist es uns gelungen, eine Vereinbarung, ja einen Kompromiss, auszuhandeln. Ich denke, dass wir dabei auch ein wichtiges Signal ausgegeben haben, und zwar dass wir hier im Parlament im Hinblick auf diesen wichtigen Rechtsakt an einem Strang ziehen. Ich möchte allen Schattenberichterstattern und der Kommission für die konstruktive Zusammenarbeit danken. Auch der französischen Präsidentschaft möchte ich dafür danken, dass man sich so sehr darauf konzentriert hat, einen Kompromiss möglich zu machen. Ich bin stolz darauf, dass wir morgen für einen Rechtsakt stimmen können, durch den sich die Verschmutzung in Europa reduzieren lässt und bei dem die lokalen Behörden im Hinblick auf den Kampf gegen die globale Erwärmung und die Luftverschmutzung, die jedes Jahr mehr Europäer erkranken lässt, Einfluss nehmen können.
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Antonio Tajani, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, zielt der Vorschlag darauf ab, den Anteil energieeffizienter Fahrzeuge, die nur wenig zur Verschmutzung beitragen, auf dem europäischen Markt zu steigern. Dadurch sollen sowohl der Energieverbrauch als auch die Emission von CO2 und anderen Schadstoffen gesenkt werden. Von diesen Maßnahmen werden Bürger profitieren, die in Städten leben, und dies trifft inzwischen auf die Mehrheit der europäischen Bevölkerung zu.
Zuerst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Dan Jørgensen, und den Schattenberichterstattern für ihr Engagement, ihre konstruktiven Beiträge und die enge Zusammenarbeit, die den ganzen Sommer über beim interinstitutionellen Dialog spürbar war, danken. Durch diese Zusammenarbeit konnten wir den Text eines Kompromisses ausarbeiten, der in erster Lesung großen Anklang fand.
Aus den Vorschriften des Vorschlags für eine Richtlinie geht hervor, dass öffentliche Einrichtungen und Unternehmen, zu denen auch Unternehmen zählen, die den öffentlichen Transport von Personen anbieten, unter anderem den Energieverbrauch sowie die Emission von CO2 und anderen Schadstoffen berücksichtigen müssen, wenn sie sich für Fahrzeuge entscheiden, für die die Auftragsvergabe durch Ausschreibung erfolgt. Die Beschaffungsentscheidung würde daher in Zukunft nicht nur auf dem Preis des Fahrzeugs basieren, sondern auch auf den Kosten, die im Laufe der Nutzungsdauer des Fahrzeugs für die Umwelt entstehen. Gleichzeitig enthält der Vorschlag aber eine Option, aufgrund der lokale Behörden entscheiden können, wie die Vorschriften im Einzelnen umgesetzt werden sollen. Das Subsidiaritätsprinzip wird daher in jeglicher Hinsicht eingehalten. Der Gesetzestext, den wir genehmigen, bringt keine neuen Verwaltungsverfahren. Der Vorschlag steht daher völlig im Einklang mit Verordnungen, die für die Auftragsvergabe und für öffentliche Dienste bereits vorhanden sind, und alle in ihnen enthaltenen Vorschriften, wie die Grenzwerte für Ausnahmeregelungen, bleiben weiterhin gültig.
Außerdem stellt der Vorschlag einen wichtigen Fortschritt dar, was die Gemeinschaftspolitik für Energie, Klima und Umwelt betrifft. Durch die Richtlinie werden bei der Auftragsvergabe durch Ausschreibung allgemeine Parameter für den Energieverbrauch und für die Emissionen von CO2 und anderen Schadstoffen berücksichtigt. Der öffentliche Sektor Europas wird daher als Beispiel dienen, indem fortschrittlichere innovative Technologien gefördert werden, durch die uns in Zukunft nachhaltige Transportsysteme zur Verfügung stehen werden. Meiner Ansicht nach ist dies eine ganz klare Aussage, die sich durch die Unternehmen vor Ort oder durch diejenigen, die lokale Dienstleistungen anbieten, im Hinblick auf das äußerst wichtige Thema der Verschmutzungsreduzierung vermitteln lässt.
Darüber hinaus wird durch den Vorschlag das Konzept der nachhaltigen Wirtschaft bei öffentlichen Ausschreibungen für die Bereitstellung von Fahrzeugen eingeführt, ohne dass dadurch höhere Kosten entstehen. Stattdessen werden die Folgen, die die Fahrzeuge während ihrer Nutzungsdauer haben werden, im Voraus auf transparente Weise vorhergesehen und bekanntgegeben. Beim Erwerb von öffentlichen Transportressourcen wird man daher rational vorgehen, damit höhere Kosten sowohl für die Betreiber als auch für die öffentlichen Transportunternehmen vermieden werden können.
Die Richtlinie – und hiermit komme ich zum Schluss, Herr Präsident, – wird Folgen haben, von denen man ausgeht, dass sie weit über den direkten Anwendungsbereich hinausgehen. Im öffentlichen Auftragswesen angewandte Verfahren schaffen einen wichtigen Markt mit großer Transparenz, wodurch auf die Entscheidungen Einfluss genommen werden kann, die von Unternehmen und Privatpersonen getroffen werden. Es ist anzunehmen, dass dank dieser Richtlinie langfristig gesehen mehr umweltfreundliche, energieeffiziente Fahrzeuge auf den Markt kommen werden, was durch die Massenproduktion zu einer Kostensenkung führen wird. Infolgedessen wird die Energieeffizienz ansteigen und werden die Emissionen von CO2 und anderen Schadstoffen für alle in Europa betriebenen Fahrzeuge abnehmen.
Jetzt würde ich gern hören, was die an dieser Aussprache teilnehmenden Abgeordneten zu sagen haben, damit ich am Ende entsprechende Erklärungen geben kann. Ich hoffe, dass wir durch diese Aussprache zu einem positiven Ergebnis kommen und der überarbeitete Vorschlag für eine Richtlinie angenommen werden kann.
Andreas Schwab, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass an diesem Berichtsentwurf deutlich wird, dass Umwelt- und Klimaschutz ein Anliegen des gesamten Europäischen Parlaments, aller Ausschüsse dieses Hauses, aber auch der Kommission und des Rates ist.
Deswegen glaube ich, dass man Herrn Jørgensen durchaus zustimmen kann, wenn er sagt, dass alle in Europa darauf achten sollten, dass der Schadstoffausstoß begrenzt wird und dass bei der Beschaffung von Fahrzeugen Umweltschutz und Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen. Aber Umwelt- und Klimaschutz muss ein Anliegen der Menschen, der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union selbst sein, es muss ein autonomes Anliegen sein, also auch ein Anliegen derer, die Autos oder Busse in der Europäischen Union einkaufen. Deswegen frage ich mich nach wie vor, ob diese Vorschriften, die wir hier vorsehen, am Ende dieses Gewissen der Bürger wirklich stärken oder ob sie nicht eher zu dessen Schwächung beitragen und ob diese Richtlinie überhaupt dem Ziel dient, das wir mit ihr erreichen wollen, oder ob sie nicht mehr Frust über angebliche Bürokratie aus Brüssel entstehen lässt.
Denn aus meiner Sicht gibt es eine ganze Reihe von Beispielen in vielen europäischen Staaten, in denen schon heute ohne diese Richtlinie wasserstoffbetriebene Fahrzeuge und CO2-arme Fahrzeuge angeschafft werden, das heißt, es gibt bereits heute ein Umweltbewusstsein. Ob wir das mit einer Richtlinie wirklich stärken, mag ich zu bezweifeln, denn aus meiner Sicht bringt die Richtlinie kaum etwas. Und es ist nicht so, Herr Jørgensen, wie Sie sagen, dass der Umwelteffekt besonders groß sein wird.
Unser Ziel müsste sein, das Bewusstsein der Käufer zu stärken und nicht unbedingt 1 % des Pkw-Markts und 6 % des Lkw-Markts mit dieser Richtlinie zu beeinflussen. Ich glaube, dass der Effekt relativ gering sein wird. Der Effekt wird sein, dass die Bedingungen für die Ausschreibungen relativ umfangreich sein werden und dass am Ende bei der Vergabe aber die nationale Umsetzung dominieren wird. Es ist durchaus möglich – so jedenfalls der Juristische Dienst des Rates –, dass die Gewichtung der Umwelteffekte mit nur einem Prozent angenommen wird und damit der Effekt für die Umwelt relativ gering ist.
Aber die Richtlinie schadet auch nicht, weil am Ende alle Beteiligten mehr oder weniger so weitermachen können wie bisher. Und das ist ein Verdienst des Rates und auch des Schattenberichterstatters im Umweltausschuss, meines Freundes Karsten Hoppenstedt. Auch der Binnenmarktausschuss hat mit seiner Stellungnahme, als deren Verfasser ich in Erscheinung treten durfte, eine Position in dieser Richtung eingenommen, und die Richtlinie konnte im Trilog erheblich verbessert werden.
Deswegen glaube ich, dass es durchaus einige Punkte gibt, die man positiv hervorheben konnte, denn es sind einige bürokratische Zähne gezogen worden. Die Richtlinie sieht nun die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten für die Ausschreibung technische Anforderungen festsetzen können. Damit ist ein großes Element an Flexibilität gegeben. Es sieht auch vor, dass Sonderfahrzeuge generell vom Anwendungsbereich ausgenommen werden.
Allerdings bleibt das Risiko der Nullgewichtung, und deswegen möchte ich als Fazit sagen, dass die Richtlinie versucht, ein richtiges Ziel mit den falschen Mitteln zu erreichen. Durch die Änderungen aufgrund des Kompromisses im Trilog wird sie – eine beschaffungsstellenfreundliche nationale Umsetzung vorausgesetzt – aller Voraussicht nach in vielen Mitgliedstaaten kaum Wirkung entfalten.
In der vorliegenden Form müssen sich Beteiligte in EU-Institutionen fragen lassen, ob diese Richtlinie am Ende – nach dem zugegebenermaßen schwierigen Kompromiss im Trilog – noch wirklich dem Ziel dient, für das sie gedacht war. Die Qualität der Vorschriften hängt fast ausschließlich von der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten ab, und dann ist eine gemeinschaftsrechtliche Regelung eigentlich nicht mehr notwendig.
Ich erinnere nochmals daran, dass diese Richtlinie am Ende bedauerlicherweise nur 1 % der Pkw- und 6 % der Lkw-Stückzahlen betrifft und damit für die Umwelt leider keinen allzu großen Gewinn bringt.
Silvia-Adriana Ţicău, Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr. – (RO) Durch die Richtlinie werden umweltfreundliche Kriterien aufgenommen, die beim Erwerb sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge unter anderem zu berücksichtigen sind. Die Mitgliedstaaten werden die Auftraggeber und diejenigen, die öffentliche Transportdienste für Passagiere anbieten, über die Vorschriften informieren, die beim Erwerb von umweltfreundlichen Fahrzeugen einzuhalten sind.
Der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr schlägt vor, dass es die Mitgliedstaaten und die Kommission in Erwägung ziehen sollten, im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der nationalen strategischen Referenzstrukturen sowie der nationalen und regionalen operationellen Programme Projekte für innerstädtische Mobilität finanziell zu unterstützen und umweltfreundliche Fahrzeuge zu fördern. Gleichzeitig müssen die Initiativen für innerstädtischen Transport sowie das CIVITAS-Programm und das Programm „Intelligente Energie — Europa“ fortgeführt werden.
Der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr hat vorgeschlagen, dass die Behörden, die im Jahresdurchschnitt überwiegend umweltfreundliche Fahrzeuge erwerben, die Kennzeichnung „sauberer und energieeffizienter Straßenverkehr“ verwenden sollten. Ich möchte dem Berichterstatter gratulieren und bin mir sicher, dass sich die Haltung der lokalen Behörden durch dieses Dokument verändern und künftig umweltfreundlicher gehandelt wird.
Karsten Friedrich Hoppenstedt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (DE) Frau Präsidentin! Der vorliegende Kommissionsvorschlag zur Förderung energieeffizienter Fahrzeuge ist eine Neuauflage des ursprünglichen Vorschlags, den wir vor zwei Jahren abgelehnt haben. Der neue Kommissionsvorschlag stellt eine erhebliche Verbesserung dar. Allerdings muss festgestellt werden, dass auch dieser Text zahlreiche Kritikpunkte aufweist, wie das Fehlen einer Gesetzesfolgenabschätzung, die relativ geringen Marktanteile der betroffenen Fahrzeuge – dies wurde bereits gesagt – und nicht zuletzt die gegen EuGH-Rechtsprechung verstoßende zwingende Einbindung von Umweltkriterien in das Vergabeverfahren.
Verschärft wurden diese Mängel durch die Abstimmung im federführenden Ausschuss, die ein starres und bürokratisches Regelwerk hervorgebracht hätte. Dieses Ergebnis wäre für mich inakzeptabel gewesen. Im Rahmen der Kompromissförderung – das ist positiv zu vermerken – ist ja mit Rat und Kommission der Inhalt komplett verändert worden, so dass nun ein Text zur Abstimmung im Plenum vorliegt, der unterstützt werden kann.
Im Mittelpunkt steht dabei die Flexibilität für die Kommunen. Die Mitgliedstaaten haben die Freiheit, eigene Richtwerte zu setzen, die die standardisierte Methodologie des Kommissionsvorschlags ersetzen. Allein aus Deutschland sind mir zahlreiche Standards zur Anschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge bekannt, die auch heute schon erfolgreich angewandt werden und nach Angaben unserer kommunalen Verbände auch in Zukunft in dieser Form bestehen bleiben sollten. In diesen Fällen sind also keine neuen Verpflichtungen zu erwarten.
Für Mitgliedstaaten ohne entsprechende Regeln bedeutet der Text hingegen das Aufzeigen von Leitlinien für eine umweltfreundliche Beschaffungspolitik. Falls sich Mitgliedstaaten allerdings für das von der Kommission entwickelte Modell entscheiden sollten, können sie nun mit vereinfachten Verfahren rechnen. Bei Beschaffungen bis zu 249 000 Euro muss kein förmliches Vergabeverfahren in Gang gesetzt werden. Es gelten die De-minimis-Schwellenwerte. Auch Spezialfahrzeuge – wir haben es bereits gehört – sind ausgenommen.
Der Kompromisstext wird vom Rat und von der Kommission unterstützt und von den kommunalen Verbänden sowie der Automobilindustrie akzeptiert. Auch wenn man auf den gesamten Gesetzestext hätte möglicherweise verzichten können, gibt es praktisch keine gegenläufigen Interessen mehr. Insgesamt empfehle ich, die Kompromisslinie mitzutragen.
Inés Ayala Sender, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Zuerst möchte ich dem Berichterstatter dafür danken, dass er so hartnäckig war, als das Parlament dieses Thema zu Beginn ablehnte. Auch der Europäischen Kommission möchte ich aus diesem Grund danken, da sie einen überarbeiteten Text vorlegte, was von elementarer Bedeutung ist, weil dabei ein bereits vorhandenes Instrument verwendet wird, nämlich die Fähigkeit lokaler Behörden, beispielhaftes Verhalten im öffentlichen Beschaffungswesen zu fördern, vor allem in einem Bereich wie dem sauberer Straßenfahrzeuge, denen jetzt eine entscheidende Rolle zukommt.
Ich begrüße auch die Tatsache, dass beim Beschleunigen des Verfahrens ein Risiko eingegangen wurde, und hoffe, dass wir jetzt genauso weitermachen können, wie dies beim Pakt und bei der Vermittlung der Fall war.
Darüber hinaus begrüße ich die Unterstützung für Initiativen wie CIVITAS (CIty-VITAlity-Sustainability) und „Intelligente Energie — Europa“, die die Grundlage dieser Art von Programmen darstellen, und die Anerkennung dieser Initiativen. Wir hoffen, dass man diese Programme auch in Zukunft unterstützen und die Beteiligung aller Interessenvertreter anerkennen wird, und dies gilt auch für Wasserstoff, denn es wurde bereits zum Ausdruck gebracht, dass man die Nutzung dieser Substanz unterstützen möchte.
Im Hinblick auf die Versorgungsinfrastrukturen muss ich jedoch leider sagen, dass wir letztendlich nicht in der Lage waren, ein Instrument aus dem Transportbereich zu nutzen, da es vom Parlament in gewissem Maße abgelehnt wurde. Dabei handelt es sich um die transeuropäischen Energienetze, die erst vorgeschlagen, dann aber nicht angenommen wurden.
Es wurde über die vielen Mittel und die umfangreiche staatliche Beihilfe gesprochen, aber man hat keinen speziellen Fonds oder kein spezielles Programm für transeuropäische Energienetze bestimmt. Diesbezüglich ist man in den letzten Jahren etwas langsam gewesen, obwohl sie für die Bereitstellung neuer alternativer Brennstoffe wie Gas oder Wasserstoff jetzt von entscheidender Bedeutung sind.
Ich möchte daher Kommissar Tajani fragen, ob er uns in Zukunft, wenn dieser Text überarbeitet wird oder vielleicht sogar schon früher, einen Vorschlag zu diesem Thema vorlegen könnte. Und zwar sollte es dabei um die Nutzung dieses Instruments der transeuropäischen Energienetze gehen, durch die gewährleistet werden soll, dass diese neuen Brennstoffe in einem der Bereiche zur Verfügung stehen, in denen man sie am stärksten benötigt: bei den wichtigen Infrastrukturen für neue Brennstoffe.
Vittorio Prodi, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Dan Jørgensen für den Bericht danken. Meiner Meinung nach ist dies wirklich eine Maßnahme, die mit dem ganzen Klima- und Energiepaket, das wir gerade besprechen, in Einklang steht. Sie wird sich sicherlich auf die im öffentlichen Beschaffungswesen angewandten Verfahren auswirken und dabei zweifelsohne auf die Entscheidungen der Institutionen Einfluss nehmen, an erster Stelle wird sie aber die Entscheidungen beeinflussen, die Hersteller treffen.
Dies entspricht wirklich der Präsentation eines kohärenten Spezifikationsrahmens, der von Fahrzeugen sowohl im Hinblick auf die Parameter zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen als auch andere Parameter, die einen direkten Einfluss auf Verschmutzung und Gesundheit haben, einzuhalten ist.
Eine finanzielle Bewertung wäre ebenfalls von Interesse. Kohlendioxid ist bereits ein Thema, das für das Kyoto-Protokoll im Hinblick auf den Emissionshandel von Bedeutung ist. In anderen Bereichen würde dies genau genommen auch eine Monetarisierung von Gesundheit oder eine finanzielle Bewertung der Gesundheit bedeuten. Es ist hier aber klar, dass das spezifische Ziel darin besteht, Vergleichspunkte zu finden, um Emissionen zu senken anstatt sie zu erhöhen, und dazu zählen auch die Emissionen, die gesundheitsschädlich sind. Aus diesem Grund gelten technische Spezifikationen für Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit.
Dies ist die bedeutendste Chance, die uns diese Richtlinie bietet. Die Situation ist daher klar, aber die Optionen, die Institutionen zur Auswahl stehen, werden dadurch nicht eingeschränkt. Ich bin von dem zum Ausdruck gebrachten Widerstand ziemlich überrascht, und mir kommt es so vor, als ob viele Vorteile vorhanden sind. Durch diese Richtlinie unterbreitet man den Institutionen zwar einen direkten Vorschlag, meiner Ansicht nach richtet sie sich aber vorwiegend an Automobilhersteller.
Margrete Auken, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank auch an Herrn Dan Jørgensen für seine aufrichtige und konstruktive Zusammenarbeit. Das Gesetz, das wir hoffentlich morgen annehmen, ist wichtig. Auf alle Fälle hat uns die Erfahrung, die wir in Dänemark – wo Herr Dan Jørgensen und ich herkommen – sammeln konnten, gelehrt, dass wir ohne angemessene Rahmenbedingungen für den Erwerb umweltfreundlicher Produkte niemals den Übergang vom Reden zum Handeln schaffen. Behörden entscheiden sich für die kostengünstigste Option, nicht für die umweltfreundlichste. Es ist daher richtig, dass europäische Behörden dazu verpflichtet werden, beispielsweise CO2 und Partikelemissionen zu berücksichtigen, wenn sie in neue Fahrzeuge investieren. Im Idealfall hätten wir es gern gesehen, dass von allen Behörden dieselbe Methode verwendet wird, um die ökologischen Auswirkungen bei der Verteilung der Ausschreibungen zu berücksichtigen, damit es deutlich wird, dass der Verursacher zahlt. Wir alle sind an der Internalisierung externer Kosten – wie wir dieses Prinzip nennen – interessiert. Außerdem würde dies den Herstellern auch ein Maß an Sicherheit im Hinblick auf die verwendeten Verteilungskriterien geben. Wir sind mit der Lösung, die wir hier in diesem Parlament ausgearbeitet haben, jedoch zufrieden. Dabei können lokale Behörden und der Staat entscheiden, ob sie in Verbindung mit dem Treibstoffverbrauch und den Partikelemissionen bei Ausschreibungen bestimmte Auflagen machen wollen oder ob sie ein Modell anwenden möchten, bei dem der Umweltbelastung des Fahrzeugs ein Wert zugewiesen wird, der dann Teil der Vertragsbasis wird. In diesem Zusammenhang sind wir damit zufrieden, dass der Preis, der in dem Vorschlag pro Kilogramm an CO2 veranschlagt wird, dem erwarteten Marktpreis näher kommt. Nur so lässt sich ein starker Anreiz geben, umweltfreundliche Busse, Lastkraftwagen und PKWs zu entwickeln. Es ist eine Schande, dass wir im Ausschuss nicht in der Lage waren, eine Mehrheit zu erzielen, damit dieselben Anforderungen für den Handel mit Gebrauchtwagen gelten. Es gibt keine technischen Gründe dafür, sie nicht für diesen Zweck anzuwenden. Gelten sie nur für neue Autos, wird es zu lange dauern, bis die Vorzüge des Vorschlags wirksam werden, und wir haben wirklich nicht genug Zeit, um auf diese vollkommen notwendigen Verbesserungen zu warten. Dennoch stellen die Rechtsvorschriften einen wichtigen Schritt dar, was die Nutzung der riesigen Kaufkraft des öffentlichen Sektors betrifft, durch die ganz allgemein umweltfreundliche Lösungen gefördert werden können.
Bairbre de Brún, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Ich begrüße die Empfehlungen, die im Schlichtungsverfahren, das von Vertretern des Parlaments, des Rates und der Kommission im Hinblick auf saubere Straßenfahrzeuge beschlossen wurde, enthalten sind.
Lokale Behörden und andere öffentliche Einrichtungen müssen gezwungen werden, in nachhaltigen, umweltfreundlichen Transport zu investieren.
Wenn – vor allem in unseren Städten – umweltfreundliche, effiziente Optionen gewählt werden, kommt dies der Gesundheit unserer Bürger und der Umwelt zugute. So können wir unseren Klimaverpflichtungen gerecht werden und, was noch wichtiger ist, diese Behörden können als Marktkatalysator für umweltfreundliche Transportoptionen dienen. Diejenigen, die im öffentlichen Beschaffungswesen tätig sind, sollten langfristige Vorzüge in Erwägung ziehen.
Bei den Berechnungen sollten sämtliche Kosten berücksichtigt werden, die bei den ausgewählten Maßnahmen anfallen.
Die größten Schwierigkeiten entstehen in Europa im Transportsektor.
Ich hoffe, dass diese Richtlinie so bald wie möglich angenommen wird, damit sie bis 2010 als Unterstützung der lokalen Behörden und öffentlichen Einrichtungen, denen die Umwelt wichtig ist, umgesetzt werden kann.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Die Bedeutung einer nachhaltigen Gesellschaft wird im Rahmen der Klima- und Energiedebatte, die gerade hier im Parlament geführt wird, stets betont, und hierzu gehört ein nachhaltiger Transportsektor. In den vergangenen Monaten haben wir versucht, strengere Normen für den Güterverkehr (Euro 6) und für Autos einzuführen. Dabei haben wir das Problem an der Wurzel gepackt. Wir könnten den Transport auch zu einem späteren Zeitpunkt nachhaltiger gestalten, indem wir Ausschreibungen veröffentlichen, bei denen der Umweltschutz im Vordergrund steht. Diese Idee ist in dem Vorschlag enthalten, den wir gerade besprechen.
Ich unterstütze das Prinzip, energetische und ökologische Auswirkungen bei Ausschreibungen für Fahrzeuge zu berücksichtigen, von ganzem Herzen. Dies wird dazu führen, dass nachhaltige Fahrzeuge entwickelt werden, weil die Nachfrage nach diesen Fahrzeugen gefördert wird, was bei den Herstellern wiederum zu mehr Innovation führt. Wichtige Aspekte, die in Erwägung gezogen werden sollten, sind der Treibstoffverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen, aber auch der Ausstoß giftiger und anderweitig schädlicher Partikel wie Kohlendioxid und Feinstaub.
Um eine wirksame Politik betreiben zu können, muss ein wertvoller Austausch von Wissen und Informationen zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet sein. So können bewährte Verfahren ausgetauscht und infolgedessen das „grüne“ Beschaffungswesen optimiert werden.
Ich möchte dem Berichterstatter, Dan Jørgensen, für den Kompromiss danken, den er bei diesem Thema im Hinblick auf den Rat zustande gebracht hat. In einer vorherigen Phase war es schwer, dieses Thema zu diskutieren, aber in zweiter Lesung konnte – zumindest meiner Ansicht nach – eine angemessene Übereinkunft ausgehandelt werden, unter die ich meinen Namen setzen konnte.
Luís Queiró (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Gerade heute Morgen hat Präsident Sarkozy in diesem Parlament über die Unterschiede zwischen Protektionismus und intelligenter Marktintervention gesprochen. Wenn wir die unzähligen Situationen hinzufügen, in denen die europäische Industrie mit Regeln und Einschränkungen überlastet wird, die zwar erforderlich sind, die Wettbewerbsfähigkeit aber dennoch mindern, können wir leicht nachvollziehen, weshalb man den zurzeit besprochenen Vorschlag lobt und für ihn stimmt.
Es ist wohlbekannt, dass die Europäische Union über mehrere Instrumente verfügt, mit denen sich die vorgeschlagenen „3-mal-20“-Ziele erreichen lassen: Einer der geläufigsten Ansätze besteht darin, die europäische Industrie zu zwingen, Kriterien einzuhalten, die dem Umweltschutz und der Emissionskontrolle dienen. Eine Alternative wäre es, und darüber diskutieren wir ja gerade, vorzuschlagen, dass Behörden als Marktkatalysatoren dienen sollten. Dies ist in jeglicher Hinsicht sinnvoll. Regt man wichtige öffentliche Käufer an, den Markt zu beeinflussen, indem sie für eine stärkere Nachfrage nach umweltfreundlichen, energieeffizienten Fahrzeugen sorgen, deren Produktion zwar vielleicht kostspieliger, aber auf alle Fälle für die Umwelt besser ist, dann ist dies eine legitime, angemessene und vertretbare Art der Marktintervention.
Selbstverständlich darf diese Intervention nicht gegen die Interessen der Steuerzahler gehen. Diese Interessen müssen jedoch sowohl im Hinblick auf sofort entstehende Kosten als auch in Bezug auf potenzielle ökologische Vorteile, die die Bürger im Alltag spüren, beurteilt werden. Im Rahmen der Verpflichtung, über die wir heute sprechen, sollen Behörden aufgefordert werden, beim Erwerb von Straßenfahrzeugen nicht nur den Kaufpreis zu berücksichtigen, sondern auch die während der Nutzungsdauer des jeweiligen Fahrzeugs im Hinblick auf Treibstoff, CO2-Emissionen und Luftverschmutzung anfallenden Kosten. Diese Kosten müssen letztendlich als Beschaffungskriterium betrachtet werden.
Behörden sollen daher in Zukunft die Gelegenheit haben, ein Zeichen zu setzen und für die Automobilbranche als Katalysator zu dienen, damit umweltfreundliche Fahrzeuge mit immer geringeren CO2-Emissionen und niedrigerer Schadstoffbelastung entwickelt werden und man in deren Produktion investiert. Abschließend gratuliere ich Herrn Dan Jørgensen und den Verfassern für die von ihnen geleistete Arbeit, durch die wir dieses Dokument heute in der Erwartung besprechen können, dass es einen Beitrag dazu leisten wird, Gewohnheiten so zu ändern, dass dies positive Folgen hat und unserer Gesellschaft eine nachhaltige Zukunft ermöglicht.
Holger Krahmer (ALDE). – (DE) Herr Präsident! Auch wenn wir jetzt Kompromisse gefunden haben oder vielleicht gerade weil wir jetzt Kompromisse gefunden haben, die – wie das Herr Schwab gerade formulierte – diesem Gesetzestext die Zähne gezogen haben, stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Richtlinie.
Angesichts des geringen Marktanteils der öffentlich gekauften Fahrzeuge – wir reden von 1 % der Pkw und 6 % der Lkw – kann von einem sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz keine Rede sein. Es ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Aufwand, den wir hier betreiben, rechtfertigt den Nutzen nicht.
Vor allem halte ich es für fragwürdig, das Vergaberecht als Instrument zu benutzen. Das Vergaberecht ist als Instrument eines wirtschaftlichen Einkaufs der öffentlichen Hand rein produktbezogen, eignungsbezogen und leistungsbezogen ausgestaltet. Zusätzliche Umweltkriterien gehören hier schlicht nicht aufgenommen.
Ich möchte auch daran erinnern, dass wir in Brüssel Produktnormen diskutieren. Wir diskutieren Abgasnormen für Lkw, für Pkw, wir diskutieren auch demnächst CO2-Grenzwerte für Pkw und Lkw. Zusätzliche europäische Regeln zum Erwerb der Produkte brauchen wird nicht. Wir erzeugen hier wieder einmal zusätzliche Bürokratie, unnütze Bürokratie, und wir verletzen einmal mehr das Subsidiaritätsprinzip.
Pierre Pribetich (PSE). - (FR) Herr Präsident! Zu einem Zeitpunkt, zu dem sich unsere Debatten unaufhaltsam – wie tanzende Derwische – um die Krise drehen, kann ich der Verlockung nicht widerstehen, den Ansatz meines Kollegen Dan Jørgensen als Kreislauf zu beschreiben. Diesmal handelt es sich jedoch um einen positiven Kreislauf, was sogar in Bezug auf seine Transparenz der Fall ist.
Im öffentlichen Beschaffungswesen stellt man die Wirtschaft in den Dienst der Umwelt, wenn man Anreize bietet, damit alte Fahrzeuge durch neue ausgetauscht werden. Senkt man die CO2-Emissionen, um so eine Nachfrage hervorzurufen, stellt man die Umwelt in den Dienst der Wirtschaft. Dies ist ein perfektes Gleichgewicht, durch das dieser positive Kreislauf auf den Ebenen Haushalt, Umwelt und Transparenz stattfindet. Dies ist der Preis, der für echten Fortschritt zu zahlen ist.
Hierzu müssen wir uns von zwei Prinzipien leiten lassen: eine realistische Einschätzung der Kosten eines Fahrzeugs, die während der ganzen Nutzungsdauer anfallen, und transparente, vor Ort getroffene Entscheidungen, damit zugunsten der Umwelt eine sozialverträgliche Prüfung der Folgen durchgeführt werden kann. Ohne Transparenz entsteht auch ein Kreislauf, aber positiv wird er bei weitem nicht sein. Ich möchte der Arbeit unseres Kollegen Tribut zollen, durch die diese Transparenz gefestigt wurde. Berücksichtigt man bei seinem Kauf nach und nach alle Fakten und verweist man auf eine Bilanz der Erfolge, wobei die echte Bereitschaft von Behörden, umweltfreundliche Fahrzeuge zu erwerben, betont wird, wird bald jeder Bürger dieselben Überlegungen anstellen und die Realität dieser Verpflichtungen öffentlich und tatsächlich auswerten — jenseits jeder Rhetorik.
In diesem Sinn können wir nichts Besseres tun, als uns für die Einführung einer ökologischen Kennzeichnung auszusprechen, das auf sichtbare, erkennbare und aussagekräftige Weise für ökologische Qualität steht. In dieser Zeit der Krise wird die europäische Automobilindustrie feststellen, dass diese neue Nachfrage nach umweltfreundlichen, ökologisch gekennzeichneten Fahrzeugen bei weitem nicht als Bremse wirkt, sondern als Entwicklungsanreiz, und auf diese Herausforderung wird man reagieren. Die Wirtschaftskrise darf keinesfalls als Vorwand genutzt werden, um Rückschritte zuzulassen, denn wir wollen unsere Gepflogenheiten so ändern, dass sich die schädlichen ökologischen Auswirkungen reduzieren lassen.
Im Gegenteil: Wir haben hier eine Chance, die wir nutzen können. Wir müssen dies verstehen und neue positive Kreisläufe erzeugen, indem wir jetzt und hier an unseren Planeten und vor allem an künftige Generationen denken.
Avril Doyle (PPE-DE). - Herr Präsident! Vielen Dank für Ihre Nachsicht. Nachdem der erste Bericht der Kommission intensiv diskutiert worden ist, legte man im Januar einen überarbeiteten Vorschlag vor, der darauf abzielt, in der EU durch die Förderung umweltfreundlicher, energieeffizienter Fahrzeuge für eine Wirtschaft zu sorgen, die sich durch hohe Energieeffizienz und niedrige Treibhausgasemissionen auszeichnet. Diese Politik steht in Einklang mit einigen anderen Vorschlägen, zu denen auch das Klima- und Energiepaket zählt. Meiner Ansicht nach würde die Richtlinie die Nachfrage nach umweltfreundlicheren, effizienteren Fahrzeugen steigern und gleichzeitig eine Marktdynamik schaffen, die für diese Fahrzeuge von Vorteil wäre.
Der Rat hat den Empfehlungsentwurf abgeändert und den Umfang neu definiert, damit sich die Kohärenz mit den Richtlinien für das öffentliche Beschaffungswesen gewährleisten lässt. Darüber hinaus wurde mehr Flexibilität hinsichtlich der Optionen eingeführt. Der Richtlinienentwurf gilt jetzt für den Erwerb von Fahrzeugen durch öffentliche Auftragsgeber sowie unterschiedliche Parteien und Betreiber für die Zwecke der Richtlinien für das öffentliche Beschaffungswesen und durch Betreiber öffentlicher Transportdienste im Rahmen der Verordnung über die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen. Zuständige Behörden werden aufgefordert, entweder die Anforderungen, die an den Energieverbrauch, die CO2-Emissionen und an Emissionen anderer Schadstoffe gestellt werden, bei den Ausschreibungen in das Leistungsverzeichnis aufzunehmen oder diese Folgen den Kriterien hinzuzufügen, die für die Auftragsvergabe ausschlaggebend sind.
Ich unterstütze den allgemeinen Ansatz, bei dem verschiedene Optionen zur Auswahl stehen, wenn es darum geht, die während der Nutzungsdauer entstehenden Kosten zu berücksichtigen. Zudem kann man flexibel entscheiden, welche Gewichtung man diesen Kosten bei den Vergabekriterien zuweist. Darüber hinaus passt diese Richtlinie hervorragend zur Nachhaltigkeitsagenda, bei der stets die umweltfreundlichsten Fahrzeuge gefordert werden. Darf ich vorschlagen, dass diese Richtlinie ein wichtiger Zusatz für die Nichthandelsagenda der Mitgliedstaaten sein könnte? Dabei sollen die CO2-Emissionen bei unserem allgemeinen Vorstoß durch das Klima- und Energiepaket reduziert werden.
Die Richtlinie wird für alle Fahrzeuge gelten, die von Ministerien, lokalen Behörden und staatlichen Organen erworben werden, wobei Einsatzfahrzeuge sowie Rettungs- und Militärfahrzeuge natürlich eine Ausnahme darstellen. Mir wurde versichert, dass viele dieser Institutionen die während der Nutzungsdauer entstehenden Kosten – einschließlich Treibstoffkosten – bereits in die Beschaffungskriterien aufgenommen haben. Die tatsächlich anfallenden Kosten einschließlich der Emissionen wären im Vergleich zu den Gesamtkosten schätzungsweise gering. Ich bin kein Fan von Bürokratie, und durch diesen Vorschlag werden – wenn ich den Kommissar Tajani selbst zitiere – keine neuen administrativen Hürden errichtet. Wenn wir unsere Volkswirtschaften jedoch so kohlendioxidarm machen wollen, wie es dringend erforderlich ist, dann muss auf allen Ebenen gehandelt werden. Aus diesen Gründen unterstütze ich den Vorschlag.
Paweł Bartłomiej Piskorski (ALDE). - (PL) Herr Präsident! Wie Sie sehen, vereint uns das heute besprochene Thema im Europäischen Parlament eher, als dass es uns trennt. Wir diskutieren darüber, wie wir unseren Bürgerinnen und Bürgern einen Gefallen tun und die Fahrzeuge so umweltfreundlich wie möglich machen können.
Das Dokument, das die Grundlage unserer Debatte ist, ist keinesfalls perfekt. Es steckt voller Kompromisse, was sich in dieser Phase der Debatte wohl nicht vermeiden lässt. Es stellt aber zweifelsohne einen Schritt in die richtige Richtung dar. Vor allem hält es die Nutzer öffentlicher Fahrzeuge, also die lokalen und nationalen Behörden, dazu an, umweltfreundliche Fahrzeuge zu erwerben. Dies ist der Hauptvorteil dieser Richtlinie, aber wahrscheinlich ist dies erst der Beginn und noch nicht das Ende dieser Debatte, denn so war es bereits bei vielen Themen, die im Parlament im Hinblick auf die Sicherheit im Straßenverkehr und beim Transport besprochen worden sind.
Horst Schnellhardt (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf einer Richtlinie zur Förderung sauberer Straßenfahrzeuge in öffentlichen Einrichtungen ist im höchsten Maße bürokratisch und wenig praxistauglich. Von einer spürbaren Wirkung auf die Umwelt kann doch wohl nicht ausgegangen werden. Die Zielsetzung ist sicherlich richtig, und wir unterstützen sie auch. Wir wollen doch alle Versuche unternehmen, damit wir ein ordentliches Klima in Europa haben!
Aber auf diesem Wege der Bürokratie, die eigentlich mehr Belastungen bringt als Entlastung und Verbesserung, kann ich nicht mitgehen. Wenn 1 % der Pkw und 6 % der Lkw betroffen sind – das wurde ja heute bereits mehrfach gesagt –, dann ist doch von einer Wirkung nicht auszugehen! Wenn die Kommunen ständig berechnen müssen, was ein Fahrzeug eigentlich in seiner Lebensleistung bringt, welche Kosten es erzeugt, und danach dann ihre Kaufentscheidung treffen müssen – und deswegen der Vorwurf, die Richtlinie bringe noch mehr Bürokratie –, dann negieren wir doch das Vergaberecht en gros. Wir sagen doch ganz einfach: Jetzt wird anders entschieden! Kommunen haben nach dem Preis zu entscheiden, das ist Vorgabe!
Weil das jetzt doppeltes Recht ist, schaffen wir Rechtsunsicherheit. Das ist eine sehr verwerfliche Angelegenheit, der ich nicht folgen kann. Selbst der entschärfende Kompromiss bringt doch keine Verbesserung! Wir haben keine Verbesserung beim Klima, und wir haben auch in der nächsten Zeit keine Verbesserung beim Abbau der Bürokratie zu erwarten.
Und das, meine Damen und Herren, ein halbes Jahr vor der Europawahl! Diese Diskussionen müssen nicht Sie führen, Herr Kommissar, sondern die müssen wir im Wahlkampf führen!
Wenn ich in zwei Jahren wieder hier sein sollte und die Kommission ihren Bericht vorlegt, dann kann ich jetzt schon vorhersagen, dass sie sagen wird: Das hat keinen Erfolg gebracht, wir müssen die Bestimmungen noch verschärfen. Sie wird ihren Fehler nicht einsehen – so wie sie vor zwei Jahren auch die Ablehnung nicht eingesehen hat –, sondern sie wird noch weitergehen: Wie bereits in den Erwägungen angekündigt wird, sollen jetzt auch die Personentransporte von Privaten einbezogen werden. Das ist die Zielsetzung, und da kann ich einfach nicht mitgehen. Wir müssen an der Basis diskutieren, und da muss die Kommission auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass sie hier dem Parlament und den Abgeordneten mehr zuhören muss!
Gábor Harangozó (PSE). - (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Bei der heute Morgen geführten Debatte waren wir uns bereits in einem Punkt einig: Der Welt steht eine Umweltkatastrophe bevor. Wir können den Kurs noch ändern, und in Europa möchte man Veränderungen herbeiführen. Weder die Finanzkrise noch andere Aspekte können uns zwingen, unsere Führungsrolle in Sachen nachhaltigerer Entwicklung aufzugeben. Wenn wir dieses Thema ernst nehmen, müssen radikale Veränderungen stattfinden, damit die Automobilbranche ein stärkeres Bewusstsein für ökologische Aspekte entwickelt.
Verbraucher lassen sich nur schwer davon überzeugen, sich für umweltfreundliche Fahrzeuge zu entscheiden, wenn sie derzeit noch teurer sind. Durch gute Verordnungen können wir aber viel tun, damit der Fahrzeugbestand umweltfreundlicher wird. Andererseits können wir ökologischen Aspekten beim Erwerb von Fahrzeugen, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, mehr Aufmerksamkeit schenken, wodurch der öffentliche Sektor ein Zeichen setzt. So lässt sich auch die Nachfrage in einem Maß steigern, das dazu führt, dass die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien kostengünstiger wird. Da diese Verordnung nicht nur für den Umweltschutz wichtig ist, sondern auch, weil sie eine große Chance bietet, dafür zu sorgen, dass die europäische Automobilbranche auch in Zukunft widerstandsfähig ist, müssen wir sie so bald und so umfangreich wie möglich einführen. Vielen Dank.
Fiona Hall (ALDE). - Herr Präsident! Diese Richtlinie ist äußerst willkommen, weil durch sie die rechtlichen Aspekte spezifiziert werden, die bei bisherigen Vorschlägen, die im Rahmen der Richtlinie von 2006 und beim Aktionsplan der Kommission für Energieeffizienz unterbreitet wurden, noch unklar waren.
Dem öffentlichen Beschaffungswesen kommt hierbei eine wichtige Rolle zu, und zwar nicht nur, weil es als Vorbild dienen soll, sondern auch, weil sich Massenproduktion durch Großaufträge auslösen lässt und sich die Kosten energieeffizienter Fahrzeuge so senken lassen. Auch aus technischer Sicht ist die Zeit reif für diese Richtlinie. Die Reichweite und Geschwindigkeit elektrischer Fahrzeuge ließ sich durch innovative Batterietechnologie transformieren. Viele der Fahrzeuge, die von öffentlichen Auftraggebern erworben werden, sind Teil eines Fuhrparks. Sie kehren daher nachts an einen festen Ort zurück, wo sie problemlos an die Stromversorgung angeschlossen und aufgeladen werden können. Für diese Fahrzeuge müssen daher nicht erst Lademöglichkeiten an Tankstellen eingerichtet werden.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich hoffe, dass diese Richtlinie als Sprungbrett dienen wird, das uns letztendlich einen umfassenden Vorschlag beschert, durch den sich die CO2-Emissionen kommerzieller Fahrzeuge senken lassen.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). - (FI) Herr Präsident! Die Fakten sprechen für sich: 26 % des gesamten Energieverbrauchs und 24 % der CO2-Emissionen. Der Energieverbrauch und die Emissionen steigen jährlich um etwa 2 % an.
Durch die Emissionen verschlechtert sich in vielen europäischen Städten die Luftqualität, und in vielen Gegenden wird man Probleme haben, die Ziele zu erreichen, die man sich in der Gemeinschaft für die Luftqualität gesteckt hat. Aufgrund der hohen Entwicklungskosten hat sich das Wachstum bei der Nachfrage nach emissionsarmen Fahrzeugen verlangsamt, was wiederum dazu führt, dass auch die Anschaffungskosten langsamer fallen, obwohl man angesichts der Beurteilung der Auswirkungen darauf schließen würde, dass sich die höheren Anschaffungskosten, die für emissionsarme Fahrzeuge anfallen, durch die Regeln für niedrigere Treibstoffkosten kompensieren lassen.
Diese Fakten über den Straßentransport sind allen bekannt, und es ist endlich an der Zeit, dass gehandelt wird. Man schätzt, dass sich durch diesen von uns untersuchten Vorschlag, eine Richtlinie aufzustellen, Kosten in Höhe von etwa 21,5 Milliarden Euro einsparen lassen, wobei die ökologischen Vorzüge noch nicht einmal berücksichtigt worden sind. Nichtsdestotrotz muss man sich fragen, wie die festgelegten Ziele erreicht werden sollen.
Wir alle können uns an viele Beispiele erinnern, bei denen wir aufgrund sich überschneidender Gesetzgebung doppelt getroffen wurden. In diesen Fällen führte ideologischer Ehrgeiz letztendlich dazu, dass eine bürokratische Tretmühle entstanden ist. Beispielsweise würden durch die Annahme der vom Berichterstatter unterbreiteten Vorschläge, eine Kennzeichnung für umweltfreundliche Beschaffung einzuführen oder bereits im Umlauf befindliche Fahrzeuge anhand der Kriterien zu verbessern, die für neue Fahrzeuge angewandt werden sollen, aufgrund der zusätzlich entstehenden Kosten die Kostenvorteile ausgehöhlt werden, die man durch die Gesetzgebung erzielen würde. Genau deshalb sollten wir uns nicht so übermäßig beeilen, wenn wir ökologische Probleme lösen wollen.
Man muss jedoch sagen, dass Herr Dan Jørgensen gute Absichten hat und in vielen Bereichen Erfolge erzielen konnte. Wir sollten uns jedoch für mehr Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen stark machen. Dabei müssen wir nur sicherstellen, dass diese Informationen nicht zu populistischen Zwecken missbraucht werden. Zugleich ist die Rolle des öffentlichen Beschaffungswesens als Katalysator für den Markt der umweltfreundlichen Fahrzeuge wahrscheinlich unabdingbar.
Dennoch verstehe ich diejenigen, die beabsichtigen, morgen gegen diesen Legislativvorschlag zu stimmen. Geht man in erster Lesung einen Kompromiss ein, werden die demokratischen Kriterien selten erfüllt. Dies wurde uns bereits klar, als wir im Parlament das Klima- und Energiepaket diskutierten, wenn nicht sogar schon früher.
Thomas Ulmer (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz ist unser aller Ziel. Die Wege sind allerdings unterschiedlich und nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Ich habe nichts gegen ein grünes Beschaffungswesen dort, wo es sinnvoll ist. Diese Richtlinie lehne ich allerdings ab. Das wird am Gesamtergebnis im Parlament wenig ändern, dessen bin ich mir bewusst. Trotzdem will ich meine Gründe für diese Entscheidung hier aufführen.
Ein „first reading agreement“ in dieser wichtigen Mitentscheidungsfrage, in der es um mehr als um technische Anpassung geht, ist eine Aushöhlung der Demokratie. Der Berichterstatter, dessen Arbeit ich sehr schätze, hat allerdings kein Votum des Parlaments, sondern nur eines Ausschusses, und verhandelt auf dieser Basis mit Rat und Kommission. Das Parlament ist letzten Endes außen vor.
Zweitens wurde die Richtlinie durch die Kompromisse so verändert, dass sie mehr oder minder inhaltslos ist, aber für Kommunen einen erheblichen bürokratischen Aufwand bedeutet. Bürokratie ist nicht umsonst, aber oft vergebens. Wir tragen hier ohne Not zu einer weiteren Europaverdrossenheit unserer Bürger und Kommunen bei.
Nachdem die Richtlinie in vielen substantiellen Teilen entschärft wurde, hätte ich mir gewünscht, dass Rat und Kommission die gesamte Angelegenheit zurückziehen. Alle noch relevanten Fragestellungen sind bereits im europäischen Kontext geregelt oder es ist keine Regelung notwendig oder diese ist in der Subsidiarität besser aufgehoben. Die Rücknahme hätte ein Signal gesetzt, dass wir gemeinsam die Entbürokratisierung ernst nehmen.
Es gibt z. B. in meinem Bereich sehr viele Kommunen, die die entsprechenden Entscheidungen bereits jetzt über das EMAS-System treffen. Die Kosten, die jetzt auf diesem Weg entstehen, hätten bei einer Verwendung der Mittel für die Isolierung öffentlicher Gebäude sicher den hundertfachen Erfolg für den Klimaschutz gebracht.
Es stellt sich für mich an dieser Stelle die Frage, ob die Richtlinie um der Richtlinie willen oder um Aktion zu beweisen, weiterverfolgt wird. Die meisten Bürger Europas werden beides nicht verstehen!
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Ich begrüße den Bericht von Herrn Dan Jørgensen, bei dem das Ziel verfolgt wird, den Einsatz umweltfreundlicher, kostengünstiger und energieeffizienter Fahrzeuge auf Europas Straßen zu fördern. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir durch die Einführung in ganz Europa geltender Regeln mehr für die Umwelt tun können. Lokale Behörden spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Kriterien festzulegen, die für den Straßenverkehr im öffentlichen Beschaffungswesen gelten sollen. Ich unterstütze daher den Vorschlag, durch den im öffentlichen Beschaffungswesen nicht nur die Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind, sondern auch die Verbrauchskosten, die CO2-Emissionen und Informationen über die Luftverschmutzung für die gesamte Nutzungsdauer des Fahrzeugs. Ein klarer Satz an Umweltkriterien kann meiner Meinung nach definitiv dazu beitragen, dass der Markt für umweltfreundliche Fahrzeuge unterstützt wird.
Auch schließe ich mich der Meinung an, dass Informationen über den Erwerb von Fahrzeugen, die für den städtischen Massentransport eingesetzt werden, transparent und öffentlich zugänglich sein müssen. Der intensive und offene Dialog zwischen lokalen Behörden, Umweltschutzgruppen und Bürgern wird sicherlich dazu beitragen, dass Umweltfaktoren beim Erwerb neuer Fahrzeuge ein höherer Stellenwert eingeräumt wird.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Es ist ein wichtiges und völlig legitimes Ziel, die Nutzung umweltfreundlicher Fahrzeuge anzustreben, aber lokale Behörden haben bereits die Wahl, bei der Auftragsvergabe für öffentliche Transportdienste Umweltaspekte zu berücksichtigen. Und diese Möglichkeit wird auch wahrgenommen. Durch die Richtlinie werden aus ökologischer Sicht keine weiteren Vorteile erzielt, und sie stellt für lokale und regionale Behörden eine unnötige administrative Belastung dar. Die Mitgliedstaaten haben sich dazu verpflichtet, die Emissionen um 20 % zu senken, und man sollte es ihnen wohl lieber selbst überlassen, ob sie in die Heizung von Privathaushalten oder in andere Bereiche investieren möchten. Überlassen Sie dies einfach den Regionen. In dieser Runde hat niemand die Wahrheit gesagt. Hier geht es in Wirklichkeit darum, wie man einen Absatzmarkt für die europäische Automobilbranche schaffen könnte, und wir sehen diese Chance darin, die Senkung der Emissionen zu fordern. Das heißt, dass man überlegt, wer in einer Zeit, in der die Nachfrage fällt und uns eine Rezession bevorsteht, teure Fahrzeuge kaufen würde. Und dennoch bürden wir durch diese Richtlinie lokalen und regionalen Behörden eine weitere Last auf. Dem kann ich einfach nicht zustimmen. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, diejenigen von uns zu unterstützen, die der Meinung sind, dass dieser Vorschlag schlichtweg abgelehnt werden muss.
Oldřich Vlasák (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Erlauben Sie mir als früherem Gemeinderat, meine Ablehnung dieses von uns besprochenen Vorschlags zum Ausdruck zu bringen. Die Richtlinie ist überflüssig, und dafür gibt es mehrere Gründe: erstens widerspricht sie den Regeln des freien Marktes, zweitens beeinträchtigt sie die Subsidiarität der lokalen Behörden, die ihre Prioritäten selbst festlegen sollten, drittens werden ökologische Anforderungen bei den Bedingungen, die für öffentliche Ausschreibungen gelten, bereits berücksichtigt und dabei werden die Fahrzeugemissionen streng überwacht, und viertens werden wir für einen sehr hohen Preis einen geringen Erfolg erzielen und dabei den lokalen Behörden mehr administrative Last aufbürden und dazu beitragen, dass die Bürokratie zunimmt. Die bereits knappen Finanzmittel der lokalen Behörden sollte man lieber für die Gebäudebeheizung, eine bessere Fensterisolierung und den Austausch alter Glühbirnen durch moderne aufwenden. Dadurch würden wir mehr erreichen und größere Einsparungen erzielen und gleichzeitig auch mehr für den Schutz der Umwelt und des Klimas tun.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). - (RO) Durch diese Richtlinie wird man sich in lokalen Behörden stärker darüber bewusst werden, welche Auswirkung der Nahverkehr auf die Umwelt hat. Die Mitgliedstaaten können beim Erwerb umweltfreundlicher, energieeffizienter Fahrzeuge Vergabekriterien anwenden, die noch strenger als die in der Richtlinie empfohlenen Kriterien sind. Sie haben auch die Wahl, überholte Fahrzeuge zu erwerben oder bereits im Umlauf befindliche Fahrzeuge modernisieren zu lassen, indem sie mit speziellen Abscheidern ausgestattet werden oder ihr Motor an den Antrieb mit umweltfreundlicheren Treibstoffen angepasst wird.
Ich persönlich meine, dass es möglich sein sollte, umweltfreundliche, energieeffiziente Straßenfahrzeuge zu erwerben und diese mit Motoren und Ersatzteilen nachzurüsten, wenn sie maximal 75 % der während ihrer Nutzungsdauer erwarteten Kilometerzahl erreicht haben. In der derzeitigen Richtlinie ist das Nachrüsten mit Motoren und Ersatzteilen von Straßenfahrzeugen, die 75 % der während ihrer Nutzungsdauer erwarteten Kilometerzahl bereits erreicht haben, nicht vorgesehen. Diese Aspekte sind meiner Ansicht nach notwendig, wenn es um Investitionen geht, die nachhaltig sein sollten.
Paul Rübig (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar! Was uns fehlt, ist ganz einfach ein Anreizsystem, und hier wäre eigentlich Kommissar Kovács gefragt. Wäre es nicht sinnvoll, in diesem Bereich auch darüber nachzudenken, Abschreibungsfristen zu verkürzen oder Freibeträge zu gewähren oder Prämien zu zahlen?
Von Seiten der Europäischen Union könnte ich mir vorstellen, dass wir auch Förderungen in diesem Bereich unterstützen, zum Beispiel im Rahmen des CIP-Programms – also des Competition and Innovation Programme. Wir haben das Programm „Intelligente Energie“, wir haben auch das Siebte Forschungsrahmenprogramm.
Mein Vorschlag wäre, hier aktiv zu werden, einerseits im Bereich der steuerlichen Entlastung und andererseits im Bereich der Förderung. Hier könnte man Enormes erreichen, und ich würde anregen, dass wir hier eine neue Initiative starten.
Antonio Tajani, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident! Zuerst möchte ich Herrn Paul Rübig und Frau Inés Ayala Sender mitteilen, dass ich die zuständigen Kommissare bitten werde, auf die von ihnen angesprochenen Punkte einzugehen. Ich möchte all den anderen Abgeordneten danken, die sich an dieser Aussprache beteiligt haben, die keineswegs langweilig, sondern lebhaft war und sowohl fundierte Beobachtungen als auch Kontroverse enthielt, was immer gut ist.
Herr Präsident! Drei Punkte möchte ich bei meiner Antwort jedoch betonen. Beim ersten Punkt handelt es sich darum, dass eine Kosten-Nutzen-Analyse, die im Hinblick auf die Beurteilung der Auswirkungen des Vorschlags durchgeführt wurde, aufgezeigt hat, dass potentiell beträchtliche Vorteile erzielt werden können, weil die wahrscheinlich höheren Kosten, die bei der Investition in Fahrzeuge anfangs anfallen, durch Einsparungen kompensiert werden, die durch einen niedrigeren Energieverbrauch sowie niedrigere Emissionen von CO2 und anderen Schadstoffen erzielt werden.
Zweitens: Nimmt man die Auswirkungen, die Fahrzeuge während der ganzen Nutzungsdauer haben, in die Bewertungskriterien auf, so führt dies nicht nur zu höheren Kosten, sondern es kann auch beträchtliche Einsparungen nach sich ziehen – sowohl für Betreiber als auch für die Öffentlichkeit.
Drittens: Schon allein die Einsparungen, die bei den Treibstoffkosten gemacht werden und von denen die Betreiber direkt profitieren, werden die höheren Kosten, die zum Zeitpunkt des Erwerbs anfallen, größtenteils ausgeglichen.
Dan Jørgensen, Berichterstatter. – (DA) Herr Präsident! Ich denke, dass man in Europa in zehn bis zwanzig Jahren eine ganz andere Vorstellung von Umweltschutz haben wird als jetzt. Ich bin mir vollkommen sicher, dass es dann unvorstellbar ist, mit dem Geld der Steuerzahler, also den Münzen und Scheinen der Bürgerinnen und Bürger, etwas zu kaufen, das nicht umweltfreundlich ist. Zu diesem Zeitpunkt werden vielleicht diejenigen von uns, die den Kompromiss, über den morgen abgestimmt wird, befürwortet haben, stolz darauf zurückblicken, einen Beitrag zu einigen der ersten Schritte geleistet haben, die den Weg in die richtige Richtung konsolidierten. Ich möchte daher erneut den Schattenberichterstattern danken, die am Kompromiss beteiligt waren. Auch für die zahlreichen positiven Kommentare, die heute hier im Parlament über die geführten Verhandlungen abgegeben worden sind, möchte ich meinen Dank aussprechen.
Ich muss aber auch etwas zu den kritischen Stimmen sagen – und davon gab es einige –, die zu Wort kamen. Ich denke, dass Herr Thomas Ulmer die schärfste Kritik geübt hat. Beispielsweise sagte er, die ganze Sache sei zu bürokratisch. Nicht wirklich, sie ist nicht sonderlich bürokratisch. Die Methode ist in der Tat sehr einfach und äußerst flexibel. Diese Aspekte wurden wirklich so ausgearbeitet, dass man in der kleinsten lokalen Behörde oder gar in der kleinsten Stadt oder Region recht leicht damit umgehen kann. In Bereichen, in denen sich dies rechtfertigen lässt, wurden außerdem Ausnahmen gemacht. Er hat auch gesagt, dass unsere Maßnahmen keinerlei Einfluss haben werden. Meine Damen und Herren, jedes Jahr werden in Europa von Behörden 100 000 Personenkraftwagen erworben. 100 000. In zehn Jahren macht dies eine Million. Sie können nicht sagen, dass umweltfreundlichere Einkäufe keine Auswirkungen haben werden. Natürlich werden sie Auswirkungen haben. Für Lastkraftwagen beträgt die Zahl 35 000 pro Jahr und für Busse 17 000 pro Jahr. 17 000 Busse entsprechen einem Drittel der Busse, die in einem Jahr in Europa erworben werden. Offensichtlich werden unsere Handlungen einschneidende Auswirkungen haben. Für ein Argument aus der Rede von Herrn Thomas Ulmer konnte ich jedoch mehr Verständnis aufbringen. Er meinte, dass seine Haltung auf die morgen stattfindende Abstimmung wohl kaum eine Auswirkung hat. Ich denke, dass er damit glücklicherweise recht hat.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt am Mittwoch, den 22. Oktober.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Ivo Belet (PPE-DE), schriftlich. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn wir eine glaubwürdige Klimapolitik einleiten wollen – und in dieser Hinsicht stehen uns einige entscheidende Wochen bevor –, dann sollte die Regierung an erster Stelle ein Vorbild sein.
Aus diesem Grund halte ich diese Richtlinie für gut und finde, dass wir sie so bald wie möglich einführen sollten. Niemand hält die nationalen Regierungen davon ab, sie in einem Jahr umzusetzen. Es gibt keine Gründe, weshalb dies nicht möglich sein sollte.
Obwohl auf europäischer Ebene eine Kennzeichnung momentan nicht zu erwarten ist, hält uns nichts davon ab, auf nationaler Ebene Initiativen einzuleiten, durch die sich die Bevölkerung sensibilisieren lässt und durch die man die öffentliche Meinung positiv beeinflussen kann.
Und darum geht es letztendlich. Die Verbraucher, also wir alle, sollen davon überzeugt werden, dass umweltfreundliche Autos auf dem Markt sind und nicht mehr kosten müssen als Modelle, die hohe Verschmutzungswerte aufweisen.
Deshalb ist es wichtig, dass beim Kauf dieser neuen Fahrzeuge maximale Offenheit herrscht, damit jeder Einzelne, vor allem auf lokaler Ebene, selbst analysieren und Vergleiche anstellen kann.
Auch wir können mit gutem Beispiel vorangehen, indem wir uns beispielsweise entscheiden, nicht mit unseren Allradfahrzeugen nach Straßburg oder Brüssel zu fahren, sondern mit einem umweltfreundlichen Fahrzeug, also einem Fahrzeug, das weniger Staub, Ruß und CO2 ausstößt, ohne dass dies unseren Fahrkomfort beeinträchtigt.
Krzysztof Hołowczyc (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Durch all die Initiativen, die ergriffen worden sind, um die vom Europarat im März 2007 erläuterten und in Schlussfolgerungen der gegenwärtigen Präsidentschaft wiederholten Klimawandelkriterien zu erfüllen, wird sich die Position der EU als weltweit führende Region im Kampf gegen den Klimawandel deutlich stärken lassen.
In diesem Sinne trägt der derzeitige Bericht ebenfalls zu der Richtung bei, die im Rahmen unserer gegenwärtigen Debatte verfolgt wird, da man versucht, wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der schädlichen CO2-Emissionen zu finden.
Es scheint, dass der neue Impuls, der von öffentlichen Einrichtungen an die Kraftfahrzeughersteller gesendet wird, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass wir einen Mittelweg zwischen dem Fördern von Innovation in der Wirtschaft der EU und dem Beibehalten eines offenen Wettbewerbs zwischen den europäischen Unternehmen finden müssen. Lassen Sie uns hoffen, dass die Automobilbranche dies als Anreiz sieht, um intensiver zu forschen, wodurch schneller neue, umweltfreundliche und energiesparende Technologien eingeführt werden könnten.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – Der Klimawandel und die zur Neige gehenden Ressourcen sind Themen, die in der Welt von heute wichtig sind. Dieses Initiative ist ein hervorragender Beginn, um dazu beizutragen, dass unsere Umwelt sauberer und Europa in Zukunft nachhaltiger wird. Diese Rechtsvorschrift ist von entscheidender Bedeutung, wenn man in der EU das Ziel erreichen möchte, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 % zu reduzieren, die Energieeffizienz um 20 % zu steigern und für mindestens 20 % des Gesamtverbrauchs erneuerbare Energien zu nutzen.
Darüber hinaus kosten umweltfreundliche und energieeffiziente Autos gewöhnlich mehr. Wenn die Nachfrage nach umweltfreundlichen Fahrzeugen zunimmt, könnte dies zu fallenden Preisen führen, wodurch diese Fahrzeuge wettbewerbsfähig und für Verbraucher erschwinglicher wären. Wir müssen unbedingt alle Europäer dazu anhalten, ihren Beitrag zum Umweltschutz zu leisen.
Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. – Ich begrüße die im Kompromisspaket abgegebenen Empfehlungen.
Es ist richtig, dass man lokale Behörden und öffentliche Einrichtungen dazu auffordert, in Bezug auf nachhaltigen, umweltfreundlichen Transport eine Führungsrolle zu übernehmen. Das öffentliche Beschaffungswesen sollte auf Nachhaltigkeit basieren.
Vor allem, wenn man sich in unseren Städten für effiziente, umweltfreundliche Transportoptionen entscheidet, wird dies für die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger, die Umwelt und unsere Klimaverpflichtungen von Vorteil sein. Zudem kann dies als Marktkatalysator für umweltfreundliche Transportoptionen dienen. Diese langfristigen Vorteile sollten von denjenigen berücksichtigt werden, die im öffentlichen Beschaffungswesen tätig sind.
Wir wissen, dass der Transportsektor einer der Bereiche ist, in denen die CO2-Emissionen gesenkt werden müssen, und ich hoffe, dass die überarbeitete Version dieser Richtlinie so bald wie möglich genehmigt wird, damit wir sie bis 2010 umsetzen und dadurch umweltbewusste lokale Behörden und öffentliche Einrichtungen unterstützen können.
(GA) Meiner Ansicht nach ist es richtig, dass der Ausschuss lokale Behörden herausfordert. Wir alle wissen, dass unter anderem im Transportsektor die CO2-Emissionen reduziert werden müssen. Lokale Behörden und öffentliche Einrichtungen, denen ökologische Aspekte wichtig sind, würden durch diese Richtlinie unterstützt werden. Das öffentliche Beschaffungswesen sollte auf Nachhaltigkeit basieren, und man sollte nicht nur den Preis in Erwägung ziehen, sondern auch alle anderen Kosten, die im Hinblick auf Gesundheit, Umwelt und Kohlendioxidemissionen anfallen.
Daciana Octavia Sârbu (PSE), schriftlich. – (RO) Wenn umweltfreundliche, energieeffiziente Fahrzeuge auf dem Markt eingeführt werden, werden wir einen beträchtlichen Beitrag dazu leisten, dass die Umwelt geschützt, die Luftqualität verbessert und die Transportmittel durch die Senkung der Schadstoffemissionen energieeffizienter werden. Die Ziele der Richtlinie über die Luftqualität und die Ziele, die im Grünbuch zur Mobilität in der Stadt empfohlen werden, werden sich wirksamer umsetzen lassen, wenn man umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel fördert. Zugleich stellt die Kraftfahrzeugindustrie in Japan, wo man große Anstrengungen unternimmt, umweltfreundliche Fahrzeuge herzustellen, für den Markt der Europäischen Union eine Bedrohung dar, was bedeutet, dass mehr in die technologische Entwicklung von Fahrzeugen mit geringeren Kohlendioxidemissionen und in die Förderung alternativer Kraftstoffe investiert werden muss.
Möchte man Kraftfahrzeughersteller dazu bewegen, die Anzahl der umweltfreundlichen Fahrzeuge, die hergestellt werden, kontinuierlich zu steigern, müssen im Falle des öffentlichen Beschaffungswesens die Kosten, die während der gesamten Nutzungsdauer des jeweiligen Fahrzeugs anfallen, und die Auswirkungen, die es auf die Umwelt und die öffentliche Gesundheit hat, berücksichtigt werden. Diese Forderungen werden den Wettbewerb zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor jedoch nicht verzerren, da beim Bereitstellen öffentlicher Transportdienste letztendlich dieselben ökologischen Vorschriften und Kriterien gelten werden.
Richard Seeber (PPE-DE), schriftlich. – (DE) Der Vorschlag des Umweltausschusses für die verbindliche Festlegung von Energieeffizienz- und Emissionsstandards als Vergabekriterien für Straßenfahrzeuge durch kommunale und regionale Behörden vernachlässigt in einigen Punkten das Subsidiaritätsprinzip und bedeutet vor allen Dingen einen untragbaren bürokratischen Mehraufwand. So ist beispielsweise das Siegel „sauberer und energieeffizienter Straßenverkehr“ in der Etablierung und Handhabung zu komplex, als dass es von großem Nutzen sein könnte. Der vorgelegte Kompromiss bedeutet immerhin ein Stück weit eine Vereinfachung dieses bürokratisch überfrachteten Systems.
In diesem Zusammenhang besonders begrüßenswert ist, dass die Mitgliedstaaten in der Umsetzung wieder vermehrt Flexibilität erhalten. Aber auch das De-minimis-Prinzip, nach dem Fahrzeuge unter einem gewissen Schwellenwert nicht unter diesen Vergabeprozess fallen, entlastet kleine Gemeinden enorm. Insgesamt bleibt aber die Frage, ob die erhoffte Vorbildwirkung auf den privaten Automobilmarkt tatsächlich im erwarteten Umfang gegeben ist, wenn man bedenkt, dass der Marktanteil für öffentliche Beschaffung für Nutzfahrzeuge nur bei 6 % liegt.
18. Auswirkungen der Sicherheitsmaßnahmen im Flugverkehr und von Körperscannern auf die Menschenrechte, die Privatsphäre, den Datenschutz und die persönliche Würde (Aussprache)
Der Präsident. - Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission zur Auswirkungen der Sicherheitsmaßnahmen im Flugverkehr und von Körperscannern auf die Menschenrechte, die Privatsphäre, den Datenschutz und die persönliche Würde von Philip Bradbourn und Marco Cappato im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (O-0107/2008 – B6-0478/2008).
Philip Bradbourn, Verfasser. – Herr Präsident! Ich möchte die Aufmerksamkeit des Parlaments auf die jüngste Ankündigung der Kommission richten, gemäß der auf den europäischen Flughäfen bis 2010 Abbildungstechnologie für Ganzkörperscanner eingesetzt werden soll.
Diesbezüglich bitte ich die Kommission, viele der Punkte, die im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zur Sprache gebracht wurden, zu erläutern und zu rechtfertigen. Die wichtigste Frage ist die, weshalb dieser Schritt als eine rein technische Änderung der bereits vorhandenen Verordnung für Sicherheitsmaßnahmen im Flugverkehr betrachtet wird und man so die parlamentarische Kontrolle über fundamentale Themen wie die persönliche Privatsphäre und Würde umgeht.
Diese Technologie hat das Potenzial – und ich betone hier das Wort „Potenzial“ –, Flugpassagiere zu zwingen, sich einem Verfahren zu unterziehen, das man als würdelos bezeichnen könnte, und dies ist sicherlich kein kleiner technischer Schritt.
Wenn wir dies unseren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber rechtfertigen wollen, müssen wir zuerst wissen, weshalb dieses Verfahren erforderlich ist. Wollen wir einfach deshalb immer mehr Technologie einsetzen, weil sie zur Verfügung steht, und in welchem Ausmaß wird diese Technologie genutzt werden? Soweit ich weiß, soll dies in einigen Fällen eine sekundäre Maßnahme sein, die ergriffen wird, wenn sich eine Person nicht von einem Sicherheitsbeamten abtasten lassen will. Als primäre Methode der Überprüfung ist dies jedoch definitiv ein äußerst ernstzunehmender Verstoß gegen unsere Grundrechte auf eine Privatsphäre.
Wir haben bereits bei den Regeln für Flüssigkeiten gesehen, dass der Präzedenzfall dafür geschaffen wird, dass es die Norm wird, an Flughäfen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen. Wie unpraktisch diese Flüssigkeitsregeln für Reisende auch sein mögen, sie greifen nicht in ihre Privatsphäre ein.
Auch mit der Speicherung von Daten habe ich große Probleme. Ich verstehe es bisher so, dass an sich nicht beabsichtigt wird, Bilder zu speichern, aber das heißt nicht, dass dies nicht möglich ist. Könnte die Kommission daher bitte erläutern, was dazu führen könnte, dass diese Daten gespeichert werden, wie die Daten geschützt werden würden und ob (und wie) man heute entscheiden könnte, dass diese Möglichkeit nicht genutzt wird? Wenn wir diese Möglichkeit vollkommen ausschließen können, würden sich gesetzestreue Fluggäste wesentlich weniger Sorgen machen.
Auch würde ich es gern sehen, dass man Benutzergruppen ordnungsgemäß konsultiert. Es wurden tatsächlich an einigen Flughäfen – auch in meinem Land, und zwar am Flughafen London Heathrow – Tests an diesen Geräten durchgeführt, aber wie man hört, sind die Ergebnisse noch nicht von Fachkräften oder den zuständigen parlamentarischen Ausschüssen untersucht worden.
Abschließend möchte ich die Kommission auffordern, Menschen nicht zu zwingen, sich einer möglicherweise erniedrigenden Untersuchung zu unterziehen, ohne sich vorher die berechtigten Bedenken unschuldiger Reisenden anzuhören.
Natürlich sollten wir die Sicherheit ernst nehmen, aber dieser pauschale Ansatz in Sachen Technologie birgt die Gefahr, dass ein legitimes Sicherheitsbedenken zu einer nicht akzeptablen Peepshow für die Sicherheitsindustrien wird.
Antonio Tajani, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident! Ich danke dem Parlament dafür, dass es diese mündliche Anfrage vorgelegt hat, weil es mir die Möglichkeit gibt, ein Ereignis und ein Thema zu erläutern, die ich für wichtig halte. Im Hinblick auf die Rechte der Fluggäste – also ihr Recht auf Sicherheit und auch ihr Recht, keine allzu langen Warteschlangen in Kauf nehmen zu müssen, – sowie auf ein Kontrollsystem, das veraltet und nicht immer effektiv zu sein scheint, kann ich nur sagen, dass wir bereits entsprechende Kritik geübt haben, und dies tat ich auch, als ich Abgeordneter war. Stattdessen müssen wir uns dafür einsetzen, ein Kontrollsystem bereitzustellen, durch das die Bürgerinnen und Bürger so leicht und angenehm wie möglich reisen können. Vor einigen Wochen haben wir daher auch angekündigt, welche Gegenstände als Handgepäck befördert werden können und bei welchen Gegenständen dies nicht möglich ist.
Das Ziel dieser Maßnahme, die von der Kommission und der Generaldirektion Energie und Transport ergriffen wird, ist es, Veränderungen herbeizuführen, von denen die Bürger profitieren. Stets die Rechte der Bürger zu wahren, ist eine Verpflichtung, die ich vor diesem Parlament eingegangen bin und die ich auch in Zukunft einhalten möchte.
Das Ziel des Vorschlags – und das möchte ich ganz deutlich sagen, weshalb ich mich darüber freue, dass wir dieses Thema heute besprechen können, – ist es nicht, dass die Kommission entscheidet, ab 2010 Körperscanner einzuführen. Hier liegt offensichtlich ein Missverständnis vor. Die Kommission hat beim Parlament eine Frage eingereicht: Hält man es für sinnvoll, den Einsatz und die Nutzung von Körperscannern an Flughäfen als nicht obligatorisches Überprüfungssystem zu besprechen? Dies ist das Ziel des Vorschlags, und dies steht auch in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Regeln auf dem Gebiet der Sicherheit in der Zivilluftfahrt geschrieben. Die derzeit vom Europäischen Parlament im Rahmen des Ausschussverfahrens mit Kontrolle untersuchte Maßnahme beschränkt sich darauf, die Nutzung von Körperscannern zu ermöglichen, damit man im Flugverkehr Sicherheit gewährleisten kann.
Im Hinblick auf den Zeitablauf lässt sich sagen, dass wir erst dann in der Lage sein werden, eine Entscheidung darüber zu treffen, unter welchen Bedingungen diese Technologien zum Einsatz kommen können, wenn das Parlament seine Zustimmung erteilt hat und wir gewährleistet haben, dass diese Instrumente vor allem aus gesundheitlicher Sicht für die Bürgerinnen und Bürger sinnvoll sind.
In Bezug auf das Verfahren und unter Einhaltung des Ausschussverfahrens mit Kontrolle informierte ich am 4. September den Vorsitzenden des zuständigen parlamentarischen Ausschusses, wobei es sich in diesem Fall um den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr handelte. Paolo Costa antwortete mir am 26. September schriftlich und bat um weitere Informationen, vor allem hinsichtlich der Nutzung von Körperscannern, also dahingehend, wie die Kommission die Körperscanner einsetzen möchte, falls man sich positiv dazu äußert.
In meinem Antwortschreiben an Paolo Costa vom 7. Oktober betonte ich einige Punkte. Der erste Punkt war, dass man bei der in Erwägung gezogenen Maßnahme vielleicht an die Möglichkeit denken sollte, Körperscanner als Zusatzoptionen und nicht als obligatorische Methode einzusetzen. Kurz gesagt: Falls man Körperscanner für geeignet hält, hätten die Reisenden die Wahl, durch einen Körperscanner zu gehen oder sich – wie dies jetzt der Fall ist – einer manuellen Überprüfung zu unterziehen.
Ich habe angegeben, dass einige Aspekte, vor allem die Auswirkung auf die Gesundheit und auch die Privatsphäre der Fluggäste, erst genauer untersucht werden müssen, bevor im Hinblick auf Körperscanner eine Verordnung angenommen werden kann. Darüber hinaus würde man das Büro des Europäischen Datenschutzbeauftragten beteiligen, und hier geht es immer noch um den Inhalt des Briefes, den ich am 7. Oktober an Paolo Costa schickte. Unter anderem sind bereits der Datenschutzbeauftrage sowie nationale Experten, Branchenexperten und die Abgeordneten des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr eingeladen worden, sich am Workshop zu beteiligen, der am 6. November und natürlich vor dem Treffen einer Entscheidung mit dem Ziel abgehalten wird, Transparenz zu gewährleisten. Bei dieser Sitzung, die unter Umständen wiederholt wird, soll ermittelt werden, ob irgendwelche Gesundheitsrisiken vorhanden sind. Dieses Thema ist auch für mich eines der wichtigsten. Wir müssen herausfinden, ob diese Körperscanner für diejenigen, die sie freiwillig nutzen, gesundheitsschädlich sein können. Wir werden ihre Wirksamkeit dann genau auswerten, und dazu gehört es natürlich auch, dass wir uns alle Aspekte anhören werden, die mit den Rechten der Bürgerinnen und Bürger auf Privatsphäre in Verbindung stehen. In dieser Hinsicht, und das wiederhole ich hier, wird der Europäische Datenschutzbeauftragte zurate gezogen, und ich habe es auch vor, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hinzuzuziehen.
Wie könnten diese Geräte genutzt werden, falls das Parlament der Auffassung ist, dass die Idee der Körperscanner untersucht werden sollte? Meiner Ansicht nach würden sie nur auf freiwilliger Basis eingesetzt werden, und natürlich müsste man an Flughäfen stets eine Alternative anbieten. Es würde sich daher nicht um die einzige Option handeln, sondern um eine von mehreren Methoden.
Der zweite Punkt ist, dass man die Bilder nicht aufbewahren, sondern sofort löschen würde. Das heißt, dass es einen technischen Mechanismus geben sollte, durch den es verhindert wird, dass das Bild einer Person, die sich entscheidet, durch einen Körperscanner zu gehen, aufgezeichnet wird. Es würde daher sofort gelöscht und definitiv nicht aufgezeichnet werden. Man würde die Aufzeichnung gleich vermeiden.
Beim anderen Thema geht es um die Gesundheit, die für mich eine Priorität ist: Beim Workshop am 6. November werden wir all diejenigen, die für die Sicherheit im Flugverkehr zuständig sind, bitten, uns Informationen aus den unterschiedlichen Ländern der EU zukommen zu lassen, durch die über Gesundheitsschäden berichtet wird, die durch Körperscanner am Menschen hervorgerufen werden könnten. Hierbei handelt es sich um an Universitäten durchgeführte Studien, Untersuchungen der verschiedenen Gesundheitsministerien bzw. ähnlicher Institutionen oder Statistiken aus Ländern, in denen Körperscanner bereits eingesetzt werden wie im Vereinigten Königreich. So soll herausgefunden werden, ob derartige Risiken vorhanden sind.
Ich muss aber auch sagen, dass ich weder eine Entscheidung getroffen habe noch in dieser Hinsicht Druck ausüben möchte. Ich präsentiere dem Parlament lediglich ein Problem, über das man sich Gedanken machen sollte. Möchten wir diese Alternative, also das freiwillige Durchführen von Überprüfungen an Flughäfen, untersuchen oder nicht? Das ist die Frage. Wenn wir diesen Vorschlag untersuchen möchten, dann müssen wir herausfinden, ob er machbar ist, also, anders ausgedrückt, ob er in erster Linie aus gesundheitlichen Gründen durchführbar ist. Anschließend müssen wir andere Kriterien unter die Lupe nehmen, wobei wir mit der Einhaltung individueller Rechte anfangen sollten.
Darüber hinaus muss im Rahmen der Regulierungsauflagen, die daraufhin möglicherweise eingeführt werden, festgelegt werden, dass sich die Betreiber weit genug entfernt an einem speziellen geschlossenen Ort aufhalten müssen und nicht in der Lage sein dürfen, direkten Einblick zu haben. Anders ausgedrückt: Es muss in jeglicher Hinsicht garantiert werden, dass dieses Gerät nicht in die Privatsphäre eingreift, denn es ist lediglich dazu gedacht, das Verfahren für die Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern und ihnen mehr Sicherheit zu geben. Den Daten, die uns von Flughäfen zur Verfügung gestellt worden sind, in denen Körperscanner bereits eingesetzt werden, lässt sich entnehmen, dass die Mehrheit der Menschen sich für die Körperscanner und nicht für alternative Methoden der Überprüfung entscheidet.
Dies sind einige der Themen, die berücksichtigt werden müssen. Natürlich können wir regulieren, falls man sich im Parlament entscheidet, die Idee der Körperscanner zu untersuchen. In diesem Fall besteht auch die Möglichkeit, dass das Parlament weitere Untersuchungen durchführt. Wie ich immer wieder betone, ist es meine Absicht, das Parlament einzubeziehen, und das ist teilweise wohl deshalb der Fall, weil ich hier im Plenarsaal schon so viele Erfahrung sammeln konnte. Aus diesem Grund war ich heute auch sehr gern bereit, das Thema der Körperscanner hier im Plenarsaal zu besprechen. Ich möchte das Parlament einbeziehen und wünsche mir, dass wir gemeinsam zu einer Entscheidung kommen.
Sind wir an einer Gemeinschaftsverordnung interessiert, wenn bei der Untersuchung der Körperscanner alle Phasen durchlaufen sind, oder wollen wir das Fällen von Entscheidungen über die Nutzung dieses Geräts den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen? Ich denke, dass das Gemeinschaftsrecht für die Bürger Europas gerechter und besser wäre, falls man sich entscheidet, die Möglichkeit der Einführung von Körperscannern zu untersuchen und letztendlich zum Entschluss kommt, dass dies machbar ist. Meiner Auffassung nach wäre dies eine bessere Garantie für alle Bürgerinnen und Bürger, die sich freiwillig dazu entschließen, bei der Sicherheitsüberprüfung durch das Körperscanner-System zu gehen anstatt eine Alternative zu nutzen, nämlich den manuellen Körpercheck, den man weiterhin an allen Flughäfen anbieten würde.
Natürlich bin ich mir bewusst, dass alle Arten der Kontrolle in die Privatsphäre eingreifen. Ich persönlich finde ein manuelles Abtasten vielleicht aufdringlicher als die Überprüfung durch einen Körperscanner. In dieser Hinsicht kann jeder selbst eine Entscheidung treffen. Die Welt, in der wir leben, ist nicht perfekt. Leider sehen wir uns vielen unangenehmen Situationen ausgesetzt: Terrorismus, Kriminalität, Drogenhandel, Mafia und Camorra ... Und all dies in dem Land, das ich am besten kenne. Kontrollen sind daher leider unvermeidbar. Dies hat einige Folgen, auch für die einzelnen Menschen, und wir müssen dafür sorgen, dass diese Folgen so gering wie möglich ausfallen, indem gewährleistet wird, dass weder Aufzeichnungen noch Notizen angefertigt werden, nicht in die Privatsphäre eingegriffen wird und es nicht zu Verstößen gegen grundlegende Menschenrechte kommt.
Deshalb glaube ich, dass es richtig ist, dieses Thema zu besprechen. Natürlich füge ich mich den Wünschen des Parlaments, nachdem ich versucht habe zu erklären, weshalb ich seine Aufmerksamkeit auf diese Möglichkeit gezogen habe. Ich hoffe, dass man darauf eingehen kann und bei der Diskussion ausschließlich die Interessen der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt.
Luis de Grandes Pascual, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission und Herr Verkehrskommissar! Wir sind uns Ihrer Bemühungen, den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr durch Ihren Vorstand, Paolo Costa, und den Inhalt seines Briefwechsels zu informieren, sehr wohl bewusst. Ich muss Ihnen nun herzlich für die Informationen danken, die Sie dem ganzen Parlament erteilt haben.
Allerdings muss ich die Tatsache kritisieren, dass diese Entschließung jetzt vorgelegt wird, wo doch morgen um 10 Uhr entschieden werden muss. Dies ist nicht richtig. Oder anders gesagt, und dies meine ich ganz ehrlich: Dies ist weder Fisch noch Fleisch. Zugleich muss ich sagen, dass sich das Ausschussverfahren trotz des Konsensus selbst dann absolut nicht für ein solch sensibles Thema wie das der Körperscanner eignet, wenn man eine Überprüfung durchführt.
Meiner Meinung nach müssen wir die Auswirkung auf Grundrechte untersuchen. Auch die gesundheitliche Auswirkung müssen wir im Voraus untersuchen. Wir müssen zwischen dem Vorschlag und den sich ergebenden Vorschlägen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit anwenden.
In diesem Parlament ist man über das Thema der Mitnahme von Flüssigkeiten frustriert, und dies sagt jemand, der den spanischen Abgeordneten riet, nicht für die Ablehnung zu stimmen, weil wir der Meinung waren, dass es zu weit gehen würde, wenn man im Kampf gegen den Terrorismus Zugeständnisse hinsichtlich der Zweckmäßigkeit einer Maßnahme macht. Es stimmt, dass wir eine Vertrauensfrage gestellt haben, und auch mit dem Inhalt Ihres Briefes liegen Sie dahingehend richtig, dass man nicht einmal durch die gerade getesteten neuen Kontrollen für Flüssigkeiten in der Lage sein wird, in allen Fällen möglicherweise explosive Flüssigkeiten zu vermeiden.
Die Absicht, auch wenn sie freiwilliger Natur ist, hinsichtlich der Körperscanner erscheint mir jedoch bedauerlicherweise unangemessen.
Es stimmt, dass diese Maßnahme bei Verdacht auf Drogenhandel, also wenn etwas im Körper versteckt werden kann, auf freiwilliger Basis und als zusätzliche Methode – wie es bereits jetzt der Fall ist – ergriffen werden kann, aber nicht als Ersatz für eine völlig angemessene Kontrolle, die äußert nützlich sein kann und von allen akzeptiert wird.
Herr Vizepräsident! Auf alle Fälle muss dies dem Parlament und dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vorgelegt werden. Die Grundrechte und die persönliche Würde müssen aufrechterhalten werden. Sämtliche Maßnahmen, die im Kampf gegen Terrorismus ergriffen werden, genießen unsere Unterstützung, aber sie können nicht unter Verwendung veralteter Methoden präsentiert werden. Ich denke, dass Sie äußerst vorsichtig und taktvoll sein sollten, was die Art und Weise betrifft, in der Sie diese Ankündigung machen.
Claudio Fava, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auch dem Vizepräsidenten, Antonio Tajani, für einige der von ihm gegebenen Erläuterungen danken und sofort auf seine Frage eingehen. Er fragt dieses Parlament, ob wir den Vorschlag gemeinsam untersuchen wollen, und die Antwort lautet „Ja“. Die mündliche Frage geht auf unsere Forderung zurück. Wir möchten ihn untersuchen, wozu wir entsprechende Informationen benötigen, durch die wir – wie Sie sich bereits zu Recht gefragt haben – einschätzen können, ob diese Methode notwendig ist und vor allem ob sie sicher ist und ob bei ihrer Anwendung die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger gewahrt wird. Dies ist unsere Priorität.
Wir begrüßen den Brief, den Sie an Gérard Deprez, den Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, geschickt haben und in dem Sie eine Verpflichtung eingehen, die wir als offizielle Verpflichtung annehmen möchten. Und zwar handelt es sich dabei um die Verpflichtung, den Europäischen Datenschutzbeauftragten zu konsultieren. In unserer Fraktion haben wir im Hinblick auf die Körperscanner noch keinen offiziellen Standpunkt eingenommen. Wir benötigen weitere Informationen, um dieses Thema genauer untersuchen zu können. In der Zwischenzeit würden wir im Hinblick auf gesundheitliche Aspekte gern verstehen, wann eigentlich eine zu starke Belastung auftritt, vor allem bei Menschen, die häufig fliegen. In dieser Hinsicht müssen wir uns auf die Zuverlässigkeit der Informationen verlassen können, weil wir jahrelang gezwungen waren, auf die Mitnahme von Flüssigkeiten zu verzichten, und jetzt herausfinden, dass diese Vorsichtsmaßnahme wahrscheinlich übertrieben und die Informationen und Beurteilungen vermutlich unbegründet waren. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit muss beurteilt werden, und die vollständige Beteiligung des Europäischen Parlaments ist erforderlich.
Wir sind nicht der Meinung, dass diese Maßnahmen als rein technische Schritte betrachtet werden können. Es handelt sich hier um Maßnahmen, die sich direkt auf die Menschenrechte und die Privatsphäre auswirken können. Sicherheit, Privatsphäre und der Schutz der Gesundheit der Fluggäste lassen sich nur schwer vereinen, aber das Parlament hat sich dieser Aufgabe verschrieben und muss ihr Ihnen gegenüber auch gerecht werden. Wir hoffen, dass wir diese Informationen von Ihnen und vom Europäischen Datenschutzbeauftragten erhalten werden. Wir brauchen mehr Daten, um bei der Entscheidungen darüber, wie sinnvoll diese Körperscanner sind, zuversichtlich handeln zu können.
Marco Cappato, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Tajani, meine Damen und Herren! Es kommt mir so vor, als ob es sich hier vor allem um ein Verfahrensproblem handelt und nicht um ein Problem, das im Hinblick auf inhaltliche Aspekte auftritt, denn dabei scheint man recht leicht zu einer Übereinkunft zu kommen. Es ist also klar, dass man inhaltlich gesehen Sicherheitsgeräte daraufhin untersuchen muss, wie sicher sie für Menschen sind, inwiefern sie in die Privatsphäre eingreifen und wie wirksam die Maßnahme selbst ist. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist von Bedeutung, weil der Preis noch ein Problem ist, und ich glaube, dass dies der empfindlichste Aspekt sein wird.
Technologien wie diese können von gut organisierten terroristischen Gruppen gewöhnlich leicht umgangen werden, während sie auf die Bürgerinnen und Bürger angewandt werden. Dies trifft auf Fingerabdrücke, das Speichern von Telefondaten und das Abhören von Telefongesprächen zu. Gut organisierte Gruppen haben vor diesen Kontrollen keine Angst, andererseits werden sie durch die Bank auf Zehntausende von Menschen angewandt. Ich glaube daher, dass wir uns alle dahingehend einig sind, dass eine Kontrolle dieser Art nur von der Europäischen Union genehmigt werden kann, nachdem sämtliche Aspekte im Detail untersucht und für positiv befunden worden sind.
Hinsichtlich des Verfahrens hat man uns ein Dokument ausgehändigt, bei dem im Titel von Teil A des Anhangs zu Dokument 1258 erwähnt wird, dass die Überprüfung zulässig ist. Vielleicht war es die Bedeutung des im Titel verwendeten Wortes „zulässig“, die uns dazu veranlasst hat, im Hinblick auf das Verfahren Alarm zu schlagen, womit wir vielleicht etwas übertrieben haben. Wir bitten darum, dass zuerst eine technische Beurteilung vorausgehen muss und daher eine rein politische Entscheidung zu treffen ist. Dies ist die Aussage, die hinter der morgigen Entschließung steht.
In diesem Moment wird es Ihre Aufgabe sein, nach der von Ihnen eingegangenen politischen Verpflichtung den technischen Weg zu finden, durch den sich dieses Ziel erreichen lässt, und im Parlament werden Sie einen fairen Partner finden.
Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr haben wir das Angebot diskutiert, sich diese Maschinen anzuschauen. Dann gab es die ersten Fotos, die gezeigt haben, was wirklich als Bild herauskommt. Da wurde klar, dass das auf einem technischen Argument durch die Tür rutschen soll. Aber es gab kein „impact assessment“ – wie schon gesagt, das will ich jetzt nicht näher ausführen – wie z. B. bei den Rückspiegeln für Lkw, wo ja fast jeder Unternehmer in Europa gefragt worden ist, ob er wohl einverstanden sei, dass es hier eine andere Art von Rückspiegeln geben soll. Bei einer solchen Frage, die so wichtig ist, hingegen nichts! Das wurde nicht als notwendig erachtet.
Die Abbilder, die wir gesehen haben, ähneln einer leicht verwackelten Schwarz-Weiß-Fotografie eines nackten Körpers. Das ist völlig klar. Und es ist beileibe nicht Prüderie, wenn ich Ihnen heute sage, dass ich hier Bedenken habe. Denn ein Abbild des nackten Körpers ist eine sehr private Angelegenheit, und ich will, dass Menschen die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, ob man sie nackt sieht. Sie sagen, das ist ja alles freiwillig. Ja, das kennen wir schon! Wer dann ablehnt, ist schon von vornherein verdächtig. Der nächste Schritt ist dann die verpflichtende Einführung. Den übernächsten wage ich mir ja schon gar nicht mehr vorzustellen.
Ich glaube, das ist wirklich ein Rezept, das man so nicht gelten lassen kann. Es wird in wenigen Jahren verpflichtend sein, die Sicherheitsleute haben für so etwas immer Argumente gefunden. Und der übernächste Schritt ist dann garantiert die Speicherung, auch wenn das derzeit noch abgelehnt wird. Aber wir wissen, was für Sicherheitsleute technisch machbar ist, wird gemacht.
Herr Kommissar, auf diese Art und Weise schafft es die Europäische Union, sich noch unbeliebter zu machen und auf der Beliebtheitsskala noch ein Stück nach unten zu rutschen. Denn die Mitgliedstaaten werden der Union die Schuld geben und die Einführung nicht auf die eigene Kappe nehmen.
Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte Antonio Tajani danken und einige Kommentare machen. An erster Stelle möchte ich sagen, dass Flughäfen in den letzten Jahren zu den Orten geworden sind, an denen die Sicherheitsbesessenheit am stärksten ausgelebt wird. Es zieht sich ein roter Faden durch diesen Vorschlag und den Vorschlag für Fluggastdatensätze, denn mit diesen Datensätzen wurde willkürlich umgegangen, und hinsichtlich der Regulierung von Flüssigkeiten, die nach einem vor zwei Jahren stattgefunden angeblichen Anschlag eingeführt wurde, stellte sich nach Inkrafttreten dieser Regulierung letztendlich heraus, dass all diejenigen, die in Verdacht standen, terroristisch aktiv gewesen zu sein, freigesprochen wurden.
Der Körperscanner ist die letzte Hürde bei dieser modernen Folter, wie es Stefano Rodotà beschrieben hat. Die Manie, immer mehr Informationen zu erfassen, die im Kampf gegen Terrorismus nützlich sein könnten, fördert eine autoritäre Auslegung des Rechtsstaatsprinzips. Es liegt ein klarer Verstoß gegen die Privatsphäre, Menschenrechte und persönliche Würde vor. Die neue Anforderung der Totalüberwachung reproduziert den Apparat der sozialen Kontrolle. In der Gesellschaft wird der Kontrollmechanismus eines „Gefängnisses mit Totalüberwachung“ entwickelt, damit nach und nach alle Bürgerinnen und Bürger zu Verdächtigen werden, die man überwachen muss.
Die Einführung dieser Instrumente bestätigt Foucaults Theorien, und der Körperscanner scheint einer Seite des Buchs Überwachen und Strafen entnommen zu sein. Es ist kein Zufall, dass diese Strategie auf dem Körper basiert: Foucault meint, dass wir durch die politische Technologie des Körpers die gemeinsame Geschichte der Machtbeziehungen erkennen können. Aus diesen Gründen und in diesem Zusammenhang ist der autoritäre Charakter des Körperscanners offensichtlich, und aufgrund dieser politischen und philosophischen Gründe ist es meiner Ansicht nach nicht akzeptabel, dass dieses Gerät auf Körper angewandt wird, denn dies ist ein weiteres despotisches Zeichen der technologischen Macht.
Saïd El Khadraoui (PSE). - (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wir sind für einen europäischen Ansatz, und daran sollte kein Zweifel aufkommen. Es sollte aber auch klar sein, dass das Europäische Parlament im Rahmen der Machtübertragung von den Mitgliedstaaten auf Europa immer mehr Entscheidungen treffen und auf dem in Frage kommenden Gebiet Überprüfungen durchführen können sollten. In der Tat sind dies auch genau die Punkte, die wir vor einigen Monaten beim Ändern der Verordnung vereinbart haben.
Heute benötigen wir einen ersten Satz an Maßnahmen, die wir untersuchen müssen. In dieser Hinsicht sind zwei Aspekte wichtig. Zuerst soll das Verbot der Mitnahme von Flüssigkeiten bis April 2010 abgeschafft werden, und dies ist positiv, obwohl wir diesen Schritt gern noch früher umgesetzt sehen würden.
Beim zweiten Punkt handelt es sich um die Aufnahme der berüchtigten Körperscanner in die Liste möglicher Kontrollmethoden. In dieser Hinsicht haben Sie erwähnt, dass an einigen Flughäfen, zum Beispiel Heathrow und Schiphol, bereits Testprojekte durchgeführt werden und dass europäische Vereinbarungen erforderlich sind.
Wie ich es sehe, können die entsprechenden Mitgliedstaaten ihre Testprojekte nicht fortführen, wenn wir die Angelegenheit nicht auf europäischer Ebene regulieren. Die Begründung wurde daher auf den Kopf gestellt. Ich denke, dass wir als Europäisches Parlament dieser Sache auf den Grund gehen sollten, bevor wir unsere Zustimmung erteilen. Wir benötigen detaillierte Antworten auf Fragen, die an dieser und anderer Stelle gestellt worden sind.
In gewissem Maße haben Sie bereits eine Antwort gegeben, was mich sehr freut, aber ich denke, dass wir im Hinblick auf die Privatsphäre, und darauf wurde bereits hingewiesen, und die Auswirkungen systematischer vorgehen sollten. Welche Vorteile hat das neue System im Vergleich zu den bisherigen Kontrollmethoden? Wir erwarten von Ihnen strukturierte Antworten auf diese und andere Fragen, und wenn die Antworten zufriedenstellend ausfallen, können wir später grünes Licht geben.
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir sind heute Abend nicht hier, um über technische Maßnahmen im Hinblick auf den Transport zu sprechen und auch nicht, um zu diskutieren, ob ein Gerät bei der Sicherheitsüberprüfung effizienter oder kostengünstiger ist als ein anderes.
Wir haben diese Aussprache eingeleitet, weil es hier um Grundrechte geht, und zwar um das Recht auf Privatsphäre und die Möglichkeit, dass die verantwortungslose, bürokratische und unkontrollierte Installation eines Geräts einen ernsthaften Angriff auf die Rechte der Fluggäste darstellt.
Wir fordern daher, dass in dieser Angelegenheit erst eine Entscheidung getroffen wird, nachdem die Auswirkungen untersucht worden sind, der Europäische Datenschutzbeauftrage zurate gezogen worden ist, ein Rechtsrahmen festgelegt worden ist, aus dem hervorgeht, wer das Recht hat, uns nackt zu sehen, und unter welchen Umständen, sowie bestätigt wird, wie es sich in der Praxis garantieren lässt, dass die Nutzung an allen Flughäfen freiwilliger Natur ist und nicht vom Personal, das sich gerade im Dienst befindet, angeordnet wird. Bitte teilen Sie uns mit, wer solch persönliche Aufnahmen unserer Körper aufbewahren wird.
Ich war selbst an der Ausarbeitung des spanischen Gesetzes für den Einsatz von Videoüberwachungskameras an öffentlichen Orten beteiligt. Im Falle Spaniens wurde dieses Thema gesetzlich verankert. Dabei habe ich den Nutzen des Systems verteidigt, wobei jedoch sämtliche Zusicherungen gegeben werden mussten. Diese Zusicherungen hat man in diesem Fall nicht gegeben, und, Herr Kommissar, es würde schlichtweg einem Machtmissbrauch gleichkommen, wenn man diesen Vorschlag mittels des Ausschussverfahrens annähme, bevor Zusicherungen gegeben werden.
Willy Meyer Pleite (GUE/NGL). - (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! In Spanien sagen wir „llueve sobre mojado“, also „ein Unglück kommt selten allein“. Bis vor Kurzem wurde ein Teil der Sicherheitsverordnung geheim gehalten. Diese Geheimhaltung, also dieser Mangel an Transparenz, hat bei unseren Bürgern, die nicht wussten, was auf sie zukommt, starke Voreingenommenheit hervorgerufen. Jetzt ziehen wir durch ein völlig unangemessenes Verfahren die Schraube noch fester an, weil die in diesem Parlament vertretenen Auffassungen außer Acht gelassen werden. Es geht jedoch nicht nur darum, im Plenum diesem Parlament das Wort zu erteilen, sondern auch darum, eine öffentliche Debatte mit unseren Bürgern zu führen, damit sie ein für alle Mal ihre Meinung äußern können. Wir haben einen Punkt erreicht, ab dem das Recht auf Privatsphäre, Datenschutz und persönliche Würde in Frage gestellt werden kann.
Infolgedessen fordert dieses Parlament, dass wir eine Führungsrolle als Vertreter unserer Bürger einnehmen und endlich diese Aussprache über all diese Themen halten, damit dieser Punkt nicht überschritten wird. Oder anders ausgedrückt: Es geht um das Recht auf Privatsphäre, Datenschutz und persönliche Würde.
Wir zweifeln die Wirksamkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme an. Wir sind daher der Meinung, dass das Thema hier im Parlament im Plenum diskutiert werden muss und nicht mittels eines Ausschussverfahrens. Und natürlich muss auch eine öffentliche Aussprache mit den Bürgern Europas eingeleitet werden, denn schließlich werden sie diejenigen sein, an denen diese Kontrollen an allen Flughäfen der Europäischen Union vorgenommen werden. An einigen Flughäfen ist dies ja bereits jetzt schon der Fall.
Javier Moreno Sánchez (PSE). – (ES) Herr Präsident! Der Einsatz von Körperscannern an Flughäfen ist ein heikles Thema, das sich direkt auf die Sicherheit und Privatsphäre der Bürger auswirkt.
Unsere Bürger fordern, dass bei einem solch empfindlichen Thema transparent vorgegangen wird, und wir fordern wiederum Transparenz von der Kommission.
Dies ist nicht einfach ein technisches Thema, das mittels des Ausschussverfahrens gelöst werden kann. Wenn wir diesen Ansatz verfolgen, würde es an Rechtmäßigkeit und demokratischer Kontrolle mangeln. Menschen müssen über die Maßnahmen, die direkte Folgen für sie haben, in jeglicher Hinsicht informiert werden. Wir können es nicht zulassen, dass der Mangel an Transparenz, der bei den kürzlich durchgeführten Maßnahmen zur Flughafensicherheit zum Vorschein kam, erneut auftritt.
Hier im Parlament sind wir natürlich für Maßnahmen, durch die sich auf Reisen ein höheres Maß an Sicherheit gewährleisten lässt und sich die Kontrollen an Flughäfen beschleunigen lassen. Vor allem setzen wir uns aber dafür ein, dass unsere Gesundheit und Privatsphäre geschützt werden.
Wir wollen eine Technologie, die für unsere Gesundheit und Privatsphäre gut ist und die nicht mehr Probleme hervorruft, als sie löst.
Aus diesem Grund müssen zuvor – wie bereits gesagt wurde – medizinische und wissenschaftliche Studien über die direkten Folgen durchgeführt werden, die Millimeterwellen auf die Gesundheit von Reisenden haben, und dies gilt vor allem für die Menschen, die am anfälligsten sind, also schwangere Frauen, Kinder, kranke oder alte Menschen sowie Behinderte.
Wie schlägt die Kommission vor, die Vertraulichkeit und den Datenschutz der Bilder zu garantieren, die aufgenommen und verarbeitet werden? Wie Sie bereits erwähnt haben, müssen diese Bilder unbedingt sofort gelöscht werden, und es muss ausgeschlossen werden, dass sie gedruckt, gespeichert oder übertragen werden können.
Herr Tajani, können Reisende eine Wahl treffen, oder müssen sie es verweigern, durch den Scanner zu gehen? Dies ist offensichtlich nicht dasselbe. Ist es geplant, dass das Sicherheitspersonal, das diese neue Technologie bedient, speziell geschult wird? Sind das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Verhältnismäßigkeit einer Technologie, die als Option verwendet werden würde, überprüft worden?
Herr Kommissar, meine Damen und Herren, unser Ziel ist klar. Wir müssen sicherstellen, dass die Bürger informiert werden, dass bei sämtlichen Maßnahmen zur Flugsicherheit die Grundrechte eingehalten werden und dass diese Maßnahmen an allen Flughäfen gleichermaßen angewandt werden.
Hierbei, und damit komme ich zum Schluss, kann es sich nicht darum handeln, diese neue Technologie so einzusetzen, dass die Schraube sicherheitstechnisch immer mehr angezogen wird, darunter aber die Grundrechte leiden. Es geht hier darum, einen Mittelweg zu finden.
Adina-Ioana Vălean (ALDE). - Herr Präsident! Lassen Sie mich dies ganz deutlich sagen. Ich möchte mich im Kampf gegen Terrorismus und für die Sicherheit aller Bürger einsetzen, werde den Menschen in meinem Wahlkreis aber nicht erklären, wie elf MdEP mittels eines undurchsichtigen, bürokratischen Verfahrens entschieden haben, den Einsatz von Körperscannern, durch die man sie nackt sehen würde, an europäischen Flughäfen zuzulassen.
Dieses ganze Ausschussverfahren ist ein weiteres Beispiel dafür, wie man unter den europäischen Bürgern immer mehr Europaskepsis hervorruft. Die Kommission und auch diejenigen, die diese Technologie entwickelt haben, argumentieren, dass Körperscanner eine Alternative zu physischen Kontrollen sein sollen. Sobald wir diese Technologie jedoch zulassen, haben wir keinerlei Garantie, dass sie bei Kontrollen nicht primär eingesetzt wird. Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, die wir an Flughäfen gemacht haben, dass manchmal eine obligatorische physische Kontrolle stattfindet. Die Frage ist daher, ob wir Körperscanner zulassen oder nicht. Vielleicht sollten wir sie verbieten.
Ich bitte die Kommission daher, dieses Verfahren, das uns in so eine unklare Situation gebracht hat, einzustellen. Wir brauchen eine ausführliche demokratische Debatte, an der sich das Parlament und der europäische Datenschutzbeauftragte beteiligen. Hier handelt es sich um eine invasive Technologie, und die Bereiche Privatsphäre, Verhältnismäßigkeit und Effizienz müssen im Detail untersucht werden.
Inés Ayala Sender (PSE). – (ES) Herr Präsident! Wie schon mehrmals unter Beweis gestellt worden ist, ist der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr für maximale Sicherheit bei geringster Belästigung der Passagiere und Reisenden. Im Prinzip stimmen wir daher einer Reduzierung dieser Belästigung für Passagiere zu, wenn gleichzeitig ein hohes Maß an Kontrolle und Sicherheit beibehalten wird.
Im Falle von Flüssigkeiten hat man im Parlament bereits die Alternative des Einsatzes von Scannern vorgeschlagen, durch die sich speziell diese Probleme vermeiden lassen. Es stimmt, dass dieser Prozess durch fortschrittlichere Technologie leichter vonstatten gehen sollte.
In diesem Fall der Körperscanner sollte man denken, dass man bei Körperchecks diskreter vorgehen muss und ein Gerät den Vorgang möglicherweise erleichtern könnte. Außerdem sollten sich so diese außergewöhnlichen Situationen, in denen das Abtasten der Körperoberfläche allein nicht genügt, ganz speziell vermeiden lassen.
Ich stimme der Empfehlung des Ausschusses für Verkehr, dass sämtliche Arten von Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden müssen, jedoch in jeglicher Hinsicht zu. Dadurch soll den Reisenden und europäischen Bürgern gewährleistet werden, dass bei der Anwendung dieser Technologie – falls sie angewandt wird – absolute Sicherheit herrscht. Darüber hinaus müssen die derzeit durchgeführten Studien und Tests – bei denen es sich um nichts anderes handelt als Studien und Tests – positive Schlussfolgerungen aufweisen. Diese Kontrollen dürfen sich in keinster Weise negativ auf die Gesundheit auswirken, sie dürfen nicht in die Privatsphäre der jeweiligen Person eingreifen, sie dürfen die jeweilige Person nicht demütigen, und die erfassten Daten und Bilder müssen dem Datenschutz unterliegen.
Colm Burke (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich werde mich ganz kurz fassen. Ich möchte lediglich zwei Kommentare machen. Ich denke nicht, dass wir in dieser Angelegenheit alle Brücken abbrechen sollten. Beispielsweise haben sich bei einem Testlauf, der am Flughafen London Heathrow durchgeführt wurde, in einem Zeitraum von vier Jahren 98 % der Passagiere für die Kontrolle mit dem Körperscanner anstatt einer normalen physischen Kontrolle entschieden. Dies zeigt deutlich, dass man der Technologie vertraut. Zudem wird ein höheres Maß an Sicherheit gewährleistet. Ich weiß, dass diesbezüglich einige Personen heute Abend anderer Meinung waren, aber sie wirkt sich sicherheitssteigernd aus, weil man Keramik- und Plastikwaffen feststellen kann, was mit normalen Metallsuchgeräten nicht möglich ist.
Beim zweiten Punkt, den ich ansprechen möchte, geht es um Menschen, in deren Körpern sich aufgrund von Verletzungen oder Behinderungen Metallimplantate befinden. Diese Menschen sind ständig einer Demütigung ausgesetzt, weil sie an Flughäfen stets aufgefordert werden, sich weiteren Durchsuchungen zu unterziehen. Ich schlage ein System vor, bei dem die Reisepässe von Benutzern registriert werden, damit sie nicht ständig dieser Demütigung ausgesetzt werden. Ich bitte die Kommission, sich dieser Sache anzunehmen, weil sie derzeit für Menschen, die ein physisches Leiden und ein Implantat haben, ein echtes Problem darstellt. Ich bitte darum, dass man diesen Aspekt untersucht.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). - (RO) Ich mache unter der Annahme weiter, dass die Sicherheit der Passagiere in der Luftfahrt von größter Bedeutung ist. Beim Einsatz von Körperscannern geht es jedoch darum, dass detaillierte Aufnahmen eines menschlichen Körpers gemacht werden. Diese Aufnahmen greifen in die Privatsphäre einer Person ein. Ich möchte mich auf die Bedingungen beziehen, unter denen diese Aufnahmen genutzt werden können.
Herr Kommissar, wir gehen davon aus, dass diese Bilder nicht gespeichert werden. Werden bei ihrer Verwendung jedoch sämtliche Bedingungen berücksichtigt, die durch die Datenschutzgesetze auferlegt werden? Welche Maßnahmen beabsichtigen Sie zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass das Personal, von dem diese Scanner genutzt werden, mit den Vorschriften der Datenschutzgesetze vertraut ist und diese einhält? Herr Kommissar, ich hätte gern selbst für Situationen, in denen Passagiere dem Einsatz dieser Scanner zustimmen, die Garantie, dass die erzeugten Aufnahmen gelöscht werden. Leider werden wir erst in einigen Jahren wissen, welche gesundheitlichen Auswirkungen diese Scanner auf Menschen haben.
Erik Meijer (GUE/NGL). - (NL) Herr Präsident! Eine Maßnahme, die vertretbar zu sein scheint, weil sie im Hinblick auf Verkehrssicherheit und Terrorismus positiv ist, erscheint aus anderen Gesichtspunkten weniger überzeugend. Presseberichte über Körperscanner haben in der niederländischen Presse eine Lawine der Empörung ausgelöst. Wenn die Körperscanner sichere Geräte sind, dann werden sie falsch dargestellt. Solange ihre Auswirkungen auf Gesundheit und Privatsphäre noch unklar sind, können wir sie sicherlich nicht einsetzen. Gerade weil sich die Menschen durch alle Arten anderer neuer Entwicklungen bedroht fühlen, muss man auf alle Fälle außerordentlich große Vorsicht walten lassen.
Der Präsident. - Herr Kommissar! Da noch Erläuterungen und Nachforschungen erforderlich sind, haben Sie nun die Aufgabe, diese Aussprache auf Herz und Nieren zu überprüfen.
Antonio Tajani, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident! Ich denke, dass wir heute ein wichtiges Ziel erreicht haben, und zwar wurde eine Aussprache über Körperscanner in die Wege geleitet, damit wir herausfinden können, ob dieses Thema näher behandelt werden muss oder nicht. Die Aussprache hat wohl gezeigt, dass eindeutig ein Interesse daran besteht, das Thema zu diskutieren.
Im Hinblick auf die Methode, und teilweise aufgrund der Entscheidung hinsichtlich der Annahme des Vertrags von Lissabon, wobei ich hoffe, dass er zu späterem Zeitpunkt von allen EU-Ländern angenommen wird, stelle ich fest, dass das Parlament ein Sagen haben und das Gefühl haben möchte, in jeglicher Hinsicht eine gesetzgeberische Funktion zu erfüllen. Ich habe lediglich die derzeitigen Regeln eingehalten. Ich bin nicht dazu berechtigt, das Ausschussverfahren zu ändern. Dies liegt nicht in meiner Macht. Ich kann lediglich einen Bericht vorlegen und sicherstellen, dass das Parlament stets dann beteiligt ist, wenn eine Aussprache über ein wichtiges Thema stattfindet. Auch kann ich entscheiden, ob für eine Angelegenheit eine Aussprache stattfinden sollte.
Der Workshop, den wir für den 6. November anberaumt haben und an dem Vertreter der Mitgliedstaaten und MdEP teilnehmen, wird eine Chance sein – wenn auch vielleicht nicht die einzige, weil dies das erste einer Reihe spezifischer Treffen sein könnte –, sämtliche Aspekte der Nutzung von Körperscannern auszuwerten, und wir beginnen dabei mit dem Aspekt, den ich für am wichtigsten halte: die Gesundheit der Menschen. Anschließend werden wir all die anderen Probleme behandeln, die in Zusammenhang mit dem potenziellen, nicht obligatorischen Einsatz dieses Geräts auftreten können, wobei zum jeweiligen Zeitpunkt im Parlament ein Konsens herrschen muss. Ich möchte niemandem etwas aufzwingen, sondern lediglich die Möglichkeiten untersuchen.
Ich möchte noch einmal erwähnen, dass es meiner Meinung nach richtig ist, dabei mit dem Parlament zusammenzuarbeiten, und berufe mich auf die von mir eingegangene Verpflichtung. Im Rahmen der Schlussfolgerung dieser Aussprache möchte ich dies wiederholen: Wir sollten den europäischen Datenschutzbeauftragten offiziell konsultieren und uns die Ansichten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte anhören. Ich vertrete folgende Meinung: Wenn nach all den Auswertungen, über die ich dem Parlament berichten werde, entschieden wird, Körperscanner einzusetzen, verpflichte ich mich im Hinblick auf die Europäische Kommission dazu, und dies kann ich garantieren und möchte es an dieser Stelle wiederholen, dass der Einsatz von Körperscannern niemals obligatorisch sein wird und an Flughäfen stets eine Alternative angeboten werden muss.
Sollte es zu einer europäischen Verordnung kommen, dann müssen diese Bedingungen gelten. Kommt es dann aber zu einem Gesetzesverstoß, weiß man, dass dies Folgen haben wird. Wird eine Rechtsvorschrift angenommen und es kommt zu einer europäischen Verordnung, kann man in Bezug auf die Kommission zustimmen oder anderer Meinung sein, aber so ist es nun einmal. Ich gehe die Verpflichtung ein zu handeln, wobei jemand sagen kann, dass er mir nicht glaubt und denkt, dass dies nicht möglich sei. Ansonsten werden wir nichts tun.
Die Aufnahmen werden weder aufgezeichnet noch gespeichert werden. Es wird sich daher um ein Gerät handeln, durch das man nur durchgeht, wenn all die Maßnahmen, die zuerst ergriffen werden müssen, abgeschlossen sind. Sollte man sich entscheiden, Körperscanner als optionales Instrument einzusetzen, werden die Aufnahmen niemals aufgezeichnet oder gespeichert werden. Dieser Aspekt wird in den Text der Verordnung der Europäischen Kommission aufgenommen werden. Verstößt anschließend jemand gegen diese Regeln, dann wird die Europäische Kommission entsprechende Schritte ergreifen. Das Gleiche gilt für jede Vorschrift und jedes Strafgesetzbuch. Verstößt jemand gegen ein Gesetz, werden Strafen verhängt, die im Strafgesetzbuch verankert sind.
Derzeit wird man manuell durchsucht. Berührt ein Mitarbeiter einen Bürger auf unangemessene Weise, so greift er in dessen Privatsphäre ein und verstößt gegen die Regeln, was daher einem Gesetzesverstoß gleichkommt. Der Mitarbeiter würde sicherlich angeklagt und im Rahmen eines entsprechenden Rechtsverfahrens für schuldig befunden werden. In Bezug auf das Thema Gesundheit gebe ich mir große Mühe. Ich denke, dass all diese Garantien anschließend vom Parlament, das ich in späteren Phasen erneut konsultieren möchte, wobei der am 6. November stattfindende Workshop ein Beginn ist, beurteilt werden müssen und können. Dies wird eine Tagung sein, auf der MdEP Fragen stellen, ihre Meinung sagen und Probleme zur Sprache bringen können, auch technische. Ich kann politische Garantien geben, aber keine technischen. Dazu müssen uns technische Experten Antworten geben. Nach der technischen Beurteilung können wir auf diesen Punkt eingehen. Die MdEP, die zum Workshop eingeladen worden sind, werden sich ebenfalls an der Beurteilung beteiligen.
Aus diesem Grund glaube ich, dass ich diesbezüglich vor allem den Beiträgen von Claudio Fava und Marco Cappato zustimme. Ein allgemeiner Konsens ist möglich, und dabei wird es sich um eine gemeinsame Beurteilung der Frage handeln, ob es ratsam wäre, dieses technologische Instrument in Zukunft einzusetzen oder nicht. Sollte es sich herausstellen, dass die Nutzung nicht möglich ist, weil die relevanten Kriterien nicht erfüllt werden, dann würde man es nicht einmal in die Liste möglicher Instrumente aufnehmen. Sollten wir nach all den von mir angekündigten Schritten zu einem positiven Urteil kommen, dann würde der Text der Verordnung all die Garantien enthalten, deren Aufnahme ich versprochen habe, und dies habe ich bereits in meinen einleitenden Worten als Antwort auf die Frage und auch in meiner abschließenden Antwort gesagt. Dies ist eine Verpflichtung, und ich halte meine Verpflichtungen ein, vor allem die, die ich dem Parlament gegenüber eingehe, dem ich fast 15 Jahre lang angehörte.
Der Präsident. - Frau Lichtenberger, ich muss eine aktuelle Untersuchung unterbrechen, die extrem gefährlich ist, vor allem für die Gesundheit der Dolmetscher, denen wir für ihre Zusammenarbeit danken.
(1)Ich habe einen Entschließungsantrag1 erhalten, der von sechs Fraktionen eingereicht wurde.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt am Donnerstag, den 23. Oktober.