Der Präsident. – Sehr geehrter Hoher Beauftragter der Vereinten Nationen für die „Allianz der Zivilisationen“, lieber Herr Präsident Jorge Sampaio, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Ehre und große Freude, Sie, lieber Präsident Jorge Sampaio, hier im Europäischen Parlament begrüßen zu dürfen.
Sie haben bereits 1998 das Europäische Parlament besucht, damals als Präsident Portugals. Seitdem ist die Europäische Union nicht nur in der Anzahl ihrer Mitglieder gewachsen; zugleich sind auch ihr Ehrgeiz und ihre Verantwortungen gestiegen.
Über Ihre heutige Anwesenheit in Ihrer Aufgabe als Hoher Beauftragter für die „Allianz der Zivilisationen“, einer Initiative der Vereinten Nationen, freue ich mich ganz besonders, denn auf Grund des laufenden Europäischen Jahres des Interkulturellen Dialogs ist Ihr Besuch für uns alle von großer Bedeutung.
Durch die „Allianz“ der Vereinten Nationen leisten Sie einen wertvollen Beitrag zu mehr gegenseitiger Achtung und mehr gegenseitigem Verständnis der Nationen untereinander. Ich bin überzeugt, dass Ihre Begeisterung und Ihre lange Erfahrung den zahlreichen Initiativen zugute kommen werden, die Ihre Organisation in den Bereichen Jugend, Bildung, Medien und Migration fördert. Denn für den interkulturellen Dialog sind eben die Bildung sowie die Bereiche der Medien bzw. Unterhaltung von großer Bedeutung.
Der Abschlussbericht der „Allianz der Zivilisationen“ enthält zu beiden Themenbereichen detaillierte und nützliche Vorschläge. So wird festgestellt, dass mehr neues Lehrmaterial wie beispielsweise besser zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses geeignete Schulbücher entwickelt werden müssen.
Die erfolgreiche Entwicklung eines interkulturellen Dialogs sollte sich eben nicht nur auf publikumswirksame Einzelmaßnahmen wie Kolloquien, gemeinsame Erklärungen oder symbolische Gesten beschränken. Im Rahmen des Jahres des Dialogs der Kulturen haben sich die Europäische Union und das Europäische Parlament bemüht, über bloße Absichtserklärungen hinauszugehen und durch ganz konkrete Initiativen zu einem besseren Verständnis zwischen verschiedenen Kulturen beizutragen.
Wir haben viele bedeutende Persönlichkeiten hier ins Plenum eingeladen und Sie sind eine dieser bedeutenden Persönlichkeiten.
Jetzt ist es wichtig, dass wir diesen Dialog der Kulturen nicht nur auf dieses Jahr 2008 beschränken, sondern auch in den nächsten Jahren und in der Zukunft fortführen.
Herr Präsident Sampaio, wir sind dankbar dafür, dass Sie heute den Weg zu uns gefunden haben, in das Parlament, das 27 Länder vertritt und nahezu 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Es ist eine große Freude, Sie jetzt bitten zu dürfen, zu uns zu sprechen. Bitteschön, Jorge Sampaio!
Jorge Sampaio, Hoher Beauftragter der Vereinten Nationen für die „Allianz der Zivilisationen“. – (PT) Herr Präsident, Herr Generalsekretär, verehrte Mitglieder des Parlaments, meine Damen und Herren! Ich wollte diese Einführungsrede wirklich gerne in meiner Muttersprache Portugiesisch halten, aber Sie werden sicher alle verstehen, dass ich in meiner aktuellen Funktion eine andere Sprache verwenden muss.
Exzellenzen, lassen Sie mich gleich zu Beginn meinen aufrichtigen Dank an Präsident Pöttering richten für seine freundlichen Begrüßungsworte. Lassen Sie mich hinzufügen, dass es für mich sowohl im Namen seiner Exzellenz, des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, als auch in meiner Eigenschaft als Hoher Beauftragter der Vereinten Nationen für die „Allianz der Zivilisationen“ eine Ehre und eine große Freude ist, vor diesem wichtigen Publikum zu sprechen.
Der Generalsekretär erhielt die Einladung, vor diesem Parlamentsplenum zu sprechen. Leider war es ihm jedoch nicht möglich, heute hier bei uns zu sein. Er bat mich daher, dem Europäischen Parlament die folgende Botschaft zum Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs zu überbringen, und ich zitiere:
„Es ist mir eine große Freude, all die bedeutenden Teilnehmer dieser wichtigen Sitzung des Europäischen Parlaments zum interkulturellen Dialog zu grüßen.
Über seine lange Geschichte hinweg war Europa Schauplatz fürchterlicher kriegerischer Auseinandersetzungen, die ihre Ursachen oft in Vorurteilen und Hass hatten. Der europäische Kontinent war aber ebenfalls immer schon ein fruchtbarer Boden für einige der bemerkenswertesten Innovationen, für künstlerische Kreationen und für wissenschaftlichen Fortschritt weltweit. Die unglaubliche Vielfalt Europas und seine strategische geografische Lage im Zentrum der alten und neuen Migrationsrouten haben den Kontinent zu einem bedeutenden Schauplatz kulturübergreifender Interaktionen und des Dialogs unterschiedlicher Glaubensrichtungen gemacht. Insbesondere die engen Beziehungen zu seinen Nachbarn im Mittelmeerraum machen Europa zu einer bedeutenden Brücke zwischen den Zivilisationen.
Ebenso wie viele andere Weltregionen ist auch Europa mit einer Vielfalt an Herausforderungen bei der Förderung des interkulturellen Dialogs konfrontiert. Migrationsströme, wirtschaftliche Unsicherheit und politische Spannungen belasten die Beziehungen zwischen verschiedenen kulturellen, ethnischen und religiösen Gruppen. Allerdings ist es genau in Ihrer Region, in der es konstruktive Kontakte der Menschheit über die Jahrhunderte hinweg erlaubt haben, große Fortschrittssprünge zu machen, in der die Potenziale für Aussöhnung und Zusammenarbeit liegen.
Die heutige Sondersitzung birgt eine große Chance. Ich bitte Sie eindringlich, diese Chance optimal zu nutzen und gemeinsame wirtschaftliche Projekte durchzuführen, den Austausch im Bildungswesen voranzubringen und andere Initiativen zu verfolgen, die das Leben der Menschen verbessern und ein Bollwerk gegen Intoleranz, religiösen Fundamentalismus und Extremismus schaffen.
Die Vereinten Nationen werden ihren Teil dazu beitragen und Ihre Bemühungen innerhalb Europas aber auch darüber hinaus unterstützen und ergänzen.
Dabei ist die „Allianz der Zivilisationen“ einer unserer wichtigsten Vermittler dieser Arbeit. Sie versucht, der wachsenden Kluft zwischen den Gesellschaften entgegenzuwirken, indem sie das Paradigma des gegenseitigen Respekts der Völker betont. Sie strebt außerdem die Mobilisierung des gemeinsamen Handelns zu diesem Zweck an. Zu den Hauptinitiativen der Allianz zählen ein Jugendsolidaritätsfonds zur Förderung des Dialogs und ein sogenannter Global Expert Finder. Letzterer stellt eine Quelle von Kommentatoren dar, die potenziell konfliktbeladene Themen erklären sollen.
„Wenn ich noch einmal ganz von vorne anfangen müsste, dann würde ich mit der Kultur beginnen.“ Diese berühmten Worte, mit denen Jean Monnet, der sich unermüdlich für die europäische Einigung einsetzte, am häufigsten in Verbindung gebracht wird, sind heute noch genauso relevant wie zu seiner Zeit.
Kulturübergreifende Toleranz, Dialog, Respekt und Verständnis müssen die tragenden Säulen einer besseren Welt sein, die wir aufbauen möchten. Es ist sehr ermutigend zu wissen, dass Sie in diesem Parlament sich ebenfalls ganz entschieden für dieses Ziel engagieren.
Um der unzähligen Menschen willen, die zwischen den Extremen leben und sich nach Würde und Frieden sehnen: Lassen Sie uns zusammenarbeiten, damit der interkulturelle Dialog Früchte tragen kann. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen Erfolg bei Ihren Debatten.“
Mit diesen Worten endet die Botschaft seiner Exzellenz an das Europäische Parlament.
(Beifall)
Als ehemaliges Mitglied des Parlaments weiß ich, dass das Parlament die Heimstatt der Demokratie ist und dies immer sein wird. Die Parlamentarier haben die manchmal undankbare Aufgabe, den Menschen, die sie vertreten, eine nachhaltige Sicht der Zukunft zu garantieren.
Was Europa angeht, so wissen wir alle, wie langsam die Entwicklung der parlamentarischen Institution vonstatten gegangen ist und wie groß die Herausforderungen bei der Verwirklichung eines spezifisch europäischen Demokratiemodells sind.
Ich kann die bereits geleistete Arbeit für den Aufbau eines partizipativeren, pluralistischeren – und letztendlich wahrhaft bürgernäheren – Europas nur loben. Dies ist das Ergebnis Ihrer harten Arbeit, und ich möchte daher meine ganz herzlichen Grüße ausdrücklich an alle Mitglieder dieses Hauses richten. Sie sind die legitimen Vertreter einer Gemeinschaft von Nationen, die sich einem historisch einmaligen und einzigartigen Projekt verschrieben haben – einem Projekt, in welches das vergangene Jahrhundert so viel Hoffnung gesetzt hat und das in diesem Jahrhundert mit so vielen Erwartungen konfrontiert ist.
Ich bin heute hierher gekommen, um Ihnen von der „Allianz der Zivilisationen“ zu berichten, einem Vorhaben, das vielleicht auf den ersten Blick etwas abgehoben von unserem Alltag erscheint, in Wirklichkeit aber sehr viel damit zu tun hat. Die Sache begann mit einem Akademikerstreit. Es wurden das Ende der Geschichte und der Kampf der Kulturen proklamiert. Daraus wurde dann allerdings ein großes, brandaktuelles soziales Thema, eine Herausforderung für die Demokratie und ein zentrales Thema für die internationale Politik vor dem Hintergrund der Globalisierung, anschwellender Migrationsströme und den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Den Vereinten Nationen gelang es schließlich, dieses Problem ganz oben auf die globale Tagesordnung zu setzen.
Von was spreche ich? Ich spreche von der immensen – ethnischen, kulturellen und religiösen – Vielfalt unserer Gesellschaften und von den zunehmenden Schwierigkeiten, mit denen wir in unserem täglichen Zusammenleben konfrontiert sind. Ich spreche von den zunehmenden Klüften jeder Art, von der Erosion des sozialen Zusammenhalts und der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft. Ich spreche auch von dem verbreiteten Unbehagen, das sich in zunehmenden Spannungen innerhalb von und zwischen Gemeinschaften niederschlägt, in gegenseitigem Misstrauen, in polarisierten Wahrnehmungen und Sichtweisen auf die Welt, in hartnäckigen, in hartnäckigen identitätsmotivierten Konflikten – und selbstverständlich auch im Anstieg des Extremismus.
Ich spreche außerdem von dem Phänomen, dass Religion von allen möglichen Leuten für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert und missbraucht wird. Ich spreche auch von einer gewissen Desorientierung politischer Kräfte, die mit den Schwächen rein sicherheitspolitischer beziehungsweise repressiver Ansätze konfrontiert sind, und dem Fehlen geeigneter Politikinstrumente für einen angemessenen Umgang staatlicher Instanzen mit kultureller Vielfalt.
All diese Beispiele belegen, was meiner Ansicht nach unabweisbar offenkundig ist: Kulturelle Vielfalt ist zu einem Hauptpolitikum für die modernen Demokratien, für den Pluralismus, die Bürgergesellschaft, den sozialen Zusammenhalt sowie für Frieden und Stabilität unter den Nationen geworden.
Für mich ist dieser Sachverhalt ein klarer Fall. Und auch wenn aktuelle ernste Probleme wie die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise unsere gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, können wir es uns meiner Ansicht nach nicht erlauben, unseren Blick auf die tiefer liegenden Probleme unserer Zeit und die Notwendigkeit der Abwendung kommender Krisen durch die aktuellen Notlagen verstellen zu lassen.
Welche Folgerungen – ganz einfacher, praktischer Art – haben wir, die Europäische Union, aus dieser Erkenntnis zu ziehen? Nun, die praktische Frage lautet: Wie schaffen wir die Integration von Minderheiten, sämtlichen Minderheiten, aber insbesondere die Integration der Muslime in Europa? Wie gestalten wir unsere Beziehungen zum Mittelmeerraum? Wo sind die Grenzen des europäischen Projekts zu ziehen? Wie entwickeln wir die europäische Außenpolitik weiter, um das, was wir als unsere universellen Werte ansehen, der Welt zu vermitteln?
Meiner Ansicht nach geht es hier ganz wesentlich um grundlegende Fragen über Werte, Glauben, Einstellungen und Verhalten. Es geht um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und die Achtung kultureller Vielfalt, es geht um Gerechtigkeit, sozialen Zusammenhalt und integrative Gesellschaften, um Staaten, Säkularisierung und Säkularismus oder auch laicité; um den öffentlichen Raum, die Privatsphäre und religiöses Wiedererwachen. Es geht hier um europäische Identität und Werte. So sehe ich dies.
(Beifall)
Da die Zeit sehr knapp ist, kann ich selbstverständlich nicht alle diese Punkte ansprechen. Ich werde mich daher auf das Thema der muslimischen Minderheiten in Europa konzentrieren.
Warum gibt es eine wachsende Sorge über die Integration von Muslimen in Europa? Liegt es daran, dass wir es mit einem demografischen Phänomen zu tun haben? Ja, selbstverständlich! Dass wir es mit einem Integrationsproblem zu tun haben? Keine Frage! Meiner Ansicht nach ist die Präsenz von Muslimen in Europa keine Frage des Islam und des Westens, sondern ein akutes Integrationsproblem.
Mein Eindruck ist allerdings, dass da noch etwas anderes ist: es geht um die Frage der Identität. Die Ankunft von Einwanderern in einer Gesellschaft hat Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung des Gastlandes. Der Punkt hier ist allerdings, wie jemand es ausgedrückt hat, dass „der Damm, der das christliche Europa vom muslimischen Osten trennt, undicht geworden ist, was zu einer Veränderung der Kultur Europas führt“.
Warum beispielsweise haben die Diskussionen um die Präambel der früheren europäischen Verfassung zu so scharfen Polemiken geführt? Warum löst der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union solch leidenschaftliche und verbissene Debatten aus? Alle diese Fragen stehen zueinander in Beziehung, und sie zielen alle auf die sogenannten europäischen Werte und die europäische Identität ab.
Um diese europäische Identität zu stärken, muss sie individuelle Bindungen einbeziehen und kulturelle Hintergründe annehmen.
(Beifall)
Europa als ein Ort, an dem wir als Gleiche zusammenleben können, erfordert in zunehmendem Maß ein integratives Bürgerverständnis und einen optimaleren Umgang gesellschaftlicher Instanzen mit kultureller Vielfalt.
Um die Integration der Muslime in Europa und in unsere europäischen Gesellschaften schaffen zu können, sind neue Politikansätze auf sämtlichen Ebenen erforderlich. Wir benötigen ein konzertiertes europäisches Vorgehen, aber auch nationalstaatliche Initiativen und Maßnahmen auf lokaler Ebene. Wir brauchen einen demokratischen Umgang mit der kulturellen Vielfalt. Wir brauchen integrierte Perspektiven und politische Konzepte in Bezug auf Bildung, Jugend und die Integration von Migranten.
Um passende kulturpolitische Konzepte entwickeln zu können, müssen kulturbezogene Statistiken und Indikatoren aufgestellt werden, auf die die Entscheidungsträger zugreifen können, die den Entscheidungsfindungsprozess unterstützen und die die Kontrolle und Bewertung umgesetzter Konzepte ermöglichen. Wir müssen ein demokratisches Bürgerverständnis und Teilhabe entwickeln.
Wir brauchen Bildung für Menschenrechte, Bildung für Bürgerschaft und Respekt für andere, Bildung für interkulturelles Verständnis und für Dialog, Bildung für Medienkompetenz, Bildung zu Religionen und Glaubensrichtungen sowie außerdem sowohl interreligiösen Dialog wie auch eine Dialogkultur innerhalb der Religionen. Wir müssen interkulturelle Kompetenz lernen und diese unseren Bürgern vermitteln.
Wir müssen Strategien und Politikkonzepte für den interkulturellen Dialog speziell für den städtischen Raum entwickeln. Wir brauchen eine Jugendpolitik auf der Grundlage von Chancengleichheit. Wir müssen auf breiter Ebene die Zivilgesellschaft mobilisieren, die Jugend, die religiösen Führer und die Medien. Wir müssen das Thema interkultureller Dialog aber auch in den internationalen Beziehungen weiter ausbauen und entwickeln – und ihm die gebührende Priorität einräumen.
Wie können wir in unserer globalisierten Welt zusammenleben, in der Konfrontationen irgendwo auf der Welt Konfrontationen überall auf der Welt auslösen können, und in der kulturelle und religiöse Verwerfungen unsere Gesellschaften spalten? Dies ist die globale Herausforderung, mit der die „Allianz der Zivilisationen“ konfrontiert ist und die sie konkret angehen muss.
Die Hauptaufgabe der Allianz besteht demnach in der Übertragung dieser globalen Herausforderung in „glokale“ Handlungsansätze. Mit „glokal“ meine ich, dass diese Handlungsansätze auf breiter Front von einer globalen Herangehensweise getragen, aber auf lokaler Ebene umgesetzt werden müssen.
Dies bedeutet, dass die Allianz im Wesentlichen darauf baut, dass die Europäische Union eine politische Agenda des verantwortungsvollen staatlichen Handelns im Sinne der Förderung kultureller Vielfalt im europäischen Raum umsetzt. Damit meine ich nicht nur die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern darüber hinaus ihre Anrainerstaaten, insbesondere die Mittelmeerländer.
Daher bin ich auch so glücklich darüber, dass sich die Europäische Union und die „Allianz der Zivilisationen“ auf einen Aktionsplan zur Zusammenarbeit einigen konnten. Dieser Aktionsplan wird eine solide Basis für die Verfolgung konkreter Ziele und die Umsetzung praktischer Projekte bieten.
Lassen Sie mich diesbezüglich betonen, wie wichtig und bedeutsam es wäre, wenn das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs zu einem langfristigen und nachhaltigen Rahmenprogramm zur Förderung verantwortungsvollen staatlichen Handelns im Sinne interkultureller Vielfalt ausgebaut werden könnte. Ich habe diesbezügliche Äußerungen seiner Exzellenz des Präsidenten mit großer Freude vernommen.
Ich bin sicher, dies würde den nationalen Strategien für einen interkulturellen Dialog enormen Auftrieb geben: Dieser Rahmen könnte Maßnahmen und Programme zu Bildung, Medien, Migration und Jugend umfassen, um deren Entwicklung und Umsetzung ich verschiedene Länder gebeten habe. Einen entsprechenden Vorschlag, auf den ich Sie hiermit gerne aufmerksam machen möchte, habe ich letzten April vorgelegt, und ich möchte die ehrenwerten Mitglieder dieses Parlaments um deren freundliche Unterstützung dieses Projekts bitten.
Ein anderer Bereich, in dem die Allianz an einer Zusammenarbeit interessiert ist, ist die Union für den Mittelmeerraum. Hier geht es darum, dazu beizutragen, die interkulturelle Vielfalt und den interkulturellen Dialog, einschließlich die Probleme zwischen den Glaubensrichtungen und zwischen den europäischen und muslimischen Gesellschaften und Gemeinschaften zu verbessern und in den Griff zu bekommen.
Um es deutlich zu sagen: Die aktuellen internationalen Probleme und das wachsende Unbehagen, das wir alle im Zusammenleben in gegenseitigem Respekt empfinden, haben der fehlgeleiteten Ansicht Auftrieb gegeben, dass sich die unterschiedlichen Kulturen auf einem unvermeidlichen Kollisionskurs befinden und die Verhältnisse sich auf einen Kampf der Kulturen zubewegen.
Wir haben es mit zunehmenden Polarisierungen zu tun, die sich vor dem Hintergrund wachsender Spannungen hinsichtlich einer Reihe politischer Fragen und wachsender kultureller Stereotypen auftun. Es versteht sich von selbst, dass sich politische Konflikte nur durch politische Verhandlungen lösen lassen. Eine dauerhafte Lösung der Spannungen zwischen muslimischen und westlichen Gesellschaften beispielsweise kann es so lange nicht geben, wie einige der bekannten Quellen von Feindseligkeiten nicht erfolgreich angegangen werden.
Es ist jedoch gleichermaßen zutreffend, dass Friedensvereinbarungen selten von Dauer sind, wenn die betreffenden Gemeinschaften nicht entschlossen dahinterstehen. In der Vergangenheit haben sich viele Friedensvereinbarungen als instabil erwiesen, weil zwischen den Menschen tief sitzender Argwohn und feindselige Haltungen entlang kultureller und religiöser Gräben nicht überwunden werden konnten.
Nun haben jedoch sämtliche diesbezüglich angestellten Analysen zu der Erkenntnis geführt, dass das Bild, das westliche und muslimische Menschen voneinander haben, eine große Spaltung offenbart – wobei der Westen von den Muslimen als bevormundend und anmaßend gesehen wird, während der Westen die Muslime als fanatisch und intolerant ansieht. Hinzu kommt, dass sozioökonomische Marginalisierung und Diskriminierung Unzufriedenheit und Intoleranz hervorrufen und die Kluft zwischen der muslimischen und westlichen Öffentlichkeit vertiefen.
Diese vorgebliche Spaltung, die zwei fiktive monolithische Blöcke, den Islam und den Westen, gegeneinander stellt, heizt die bestehenden Stereotypen und die Polarisierung weiter an und bereitet den Boden für Extremismus. Lassen Sie mich aber betonen, dass die große Mehrheit der Völker den Extremismus in allen Gesellschaften ablehnt und die Achtung religiöser und kultureller Vielfalt gutheißt. Sowohl die Muslime als auch die Nichtmuslime sind von den Gefahren für die öffentliche Sicherheit und der drohenden sozialen Polarisierung betroffen. Millionen muslimischer Familien sorgen sich darum, dass ihre Kinder dem religiösen und politischen Extremismus verfallen könnten.
Um dieses Problem anzugehen, müssen im Rahmen der kulturellen Vielfalt neue Strategien zur Förderung des Dialogs zwischen den unterschiedlichen Glaubensrichtungen auf der Grundlage der universellen Menschenrechte entwickelt werden. Mit anderen Worten: Die Schaffung der nötigen Voraussetzungen für dauerhaften Frieden erfordert Bemühungen einer anderen Art, die auf einen Meinungsumschwung unter den gespaltenen Gemeinschaften abzielt. Dies ist meine erste Schlussfolgerung.
Meine zweite Schlussfolgerung betrifft die Notwendigkeit einer politischen Priorität für die Entwicklung eines demokratischen Umgangs mit der kulturellen Vielfalt.
In der Europäischen Union bedeutet dies die Schaffung einer kollektiven Identität unter den Bürgern – ungeachtet ihrer jeweiligen Herkunft und Volkszugehörigkeit, ihrer Muttersprache, philosophischen Überzeugung, politischen und religiösen Zugehörigkeit – mit dem Ziel der Herausbildung gemeinsamer Werte, Einstellungen und Projekte im Sinne einer gemeinsam aufzubauenden Zukunft. Aus diesem Grund muss kulturelle Vielfalt Hand in Hand gehen mit dem Schutz der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheitsrechte, mit Chancengleichheit für alle, wirtschaftlicher Solidarität und sozialem Zusammenhalt.
All diese Ziele sind nicht kurzfristig zu lösen – dies ist leider so. Deshalb sind langfristige Anstrengungen erforderlich. So ist die Versuchung, mangels Geduld das Handtuch zu werfen, immer präsent. Aber wir dürfen trotzdem in unseren Bemühungen nie nachlassen, denn schließlich können kleine Veränderungen der Verhältnisse große Änderungen im Verhalten der Menschen bewirken. Genau dies ist es, was wir erreichen müssen: die Bereitschaft, in gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wertschätzung unserer ethnischen, sprachlichen, kulturellen und religiösen Unterschiede zusammenzuleben.
Die Dringlichkeit dieser Aufgabe kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich bin allerdings sicher, dass wir es dank Ihrer Bemühungen und dank Ihres Engagements schaffen werden, in integrierten Gemeinschaften zusammenzuleben. Ich danke Ihnen sehr für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
(Das Parlament erhebt sich und spendet dem Redner Beifall.)
Der Präsident. − Präsident Sampaio! Im Namen des Europäischen Parlaments danke ich Ihnen für diese großartige Rede, und ich danke Ihnen für Ihr großartiges Engagement als Hoher Beauftragter der Vereinten Nationen für die „Allianz der Zivilisationen“ und Ihren Einsatz für den interkulturellen Dialog.
Da Sie die Union für den Mittelmeerraum erwähnten, möchte ich diese Gelegenheit nutzen, Sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer, die am 12. und 13. Oktober in Jordanien stattgefunden hat und die Vertreter aus Israel, Palästina, den arabischen Staaten, dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union umfasste, eine Erklärung zum Friedensprozess im Nahen Osten verabschiedete.
Im November werden mehrere hundert junge Leute aus all den Ländern, die die Union für den Mittelmeerraum bilden, hier im Plenarsaal des Europäischen Parlaments in Straßburg zusammenkommen und sich an einem Dialog der Zivilisationen – einem Dialog der Kulturen – beteiligen. Wir sind unseren Zielen verpflichtet, Herr Präsident, und wir wünschen Ihnen für Ihr großartiges Engagement für die „Allianz der Zivilisationen“ alles Gute. Das Europäische Parlament unterstützt Sie. Ihre Bestrebungen sind auch unsere Bestrebungen.
Haben Sie herzlichen Dank, Präsident Sampaio, für Ihren Besuch des Europäischen Parlaments. Obrigado.