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Verfahren : 2006/0084(COD)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0394/2008

Eingereichte Texte :

A6-0394/2008

Aussprachen :

PV 20/11/2008 - 4
CRE 20/11/2008 - 4

Abstimmungen :

PV 20/11/2008 - 6.1
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2008)0553

Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 20. November 2008 - Straßburg Ausgabe im ABl.

4. Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (Aussprache)
Video der Beiträge
Protokoll
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht (A6-0394/2008) von Frau Ingeborg Gräßle im Namen des Haushaltskontrollausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (KOM(2006)0244 – C6-0228/2006 – 2006/0084(COD)).

 
  
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  Ingeborg Gräßle, Berichterstatterin. – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird endlich gut. Als Berichterstatterin lege ich Ihnen heute 92 Änderungsanträge zur Revision der OLAF-Verordnung vor, mit der Bitte um Zustimmung. Es ist die erste Reform des Amtes seit seinem Bestehen und betrifft das Herzstück des Amtes, nämlich die Verordnung, die die wesentlichen Dinge innerhalb von OLAF regelt.

Das Europäische Parlament hat sich jetzt zwei Jahre Zeit gelassen, diese Verordnung zu bearbeiten, weil OLAF-Angelegenheiten auch bei uns immer ein schwieriges Terrain sind. Ich bin heute stolz darauf, dass wir uns im Europäischen Parlament und im Haushaltskontrollausschuss wirklich einig wurden, und dass wir einig sind. Wir haben uns nicht bei Detailfragen zerstritten oder im Großen und Ganzen verheddert, wie es der Rat ja gerne tut. Wir sind uns im Reformziel einig, dass wir ein effizienteres Amt brauchen, das seine wichtigen Aufgaben besser erfüllen kann.

Wir stehen zu diesem Amt. Wir wollen dieses Amt und wir wollen auch, dass es seine Aufgaben erfüllen kann. Ich möchte allen Mitarbeitern von OLAF – und auch dem Generaldirektor von OLAF – für ihre Arbeit danken und ihnen allen sagen, dass wir diese Arbeit brauchen. Ich danke auch allen Kolleginnen und Kollegen, den Schattenberichterstattern, den Beratern und dem Ausschusssekretariat und natürlich auch meinen eigenen Mitarbeitern, die sich in dieser Frage erheblich engagiert haben. Ich danke Ihnen allen für die breite Unterstützung dieser Arbeit, denn diese breite Unterstützung wird der Erfolg dieses Parlaments sein, und sie ist auch nötig, um Erfolg zu haben.

Wir haben gemeinsam den eigentlich bereits veralteten Kommissionsentwurf aus dem Jahre 2006 logisch weiterentwickelt und ihn um einige wirklich innovative Elemente angereichert, nämlich den Verfahrensprüfer nur für Beschwerden. Damit verhindern wir, dass OLAF lahmgelegt und mit internen Streitigkeiten blockiert wird. Wir haben uns die Verbesserung der Betrugsbekämpfung auf Mitgliedstaatenebene auf die Fahne geschrieben.

Liebe Freunde aus dem Rat, die Sie auch heute wieder mit Abwesenheit glänzen, ja, wir wollen Sie zu Ihrem Glück zwingen und wir werden Sie zu Ihrem Glück zwingen. Wir wollen, dass Betrugsbekämpfung ein gemeinsames Thema von uns wird, dass wir nicht einen Monolog führen, sondern dass wir einen Dialog haben. Wir wollen einmal im Jahr ein gemeinsames jährliches Treffen und wir wollen dort die wesentlichen Dinge besprechen, die die Betrugsbekämpfung und die Probleme in den Mitgliedstaaten betreffen.

Wir wollen den Rechtschutz der Verfahrensbetroffenen verbessern und ihn während der ganzen OLAF-Ermittlungen garantieren. Dafür haben wir die ganze Verantwortung OLAF und seinen Richtern und Staatsanwälten zugewiesen. Wir wollen, dass die Verwertbarkeit der OLAF-Ermittlungsergebnisse vor den Gerichten gegeben ist und verbessert wird. Wir wollen sichern, dass das jeweilige nationale Recht von Anfang an bei den Ermittlungen beachtet wird, dass die Beweise nach den Vorgaben des nationalen Rechts gesichert werden.

Wir sehen mit großem Bedauern, dass einzelne Mitgliedstaaten – etwa Luxemburg – noch nie eine OLAF-Ermittlung vor Gericht gebracht haben. Wer als Luxemburger mit EU-Geldern krumme Touren dreht, hat große Chancen, ungeschoren davonzukommen. Für das Rechtsbewusstsein ist das verheerend. Deshalb legen wir auch großen Wert auf die Gleichbehandlung aller, die von OLAF-Untersuchungen betroffen sind. EU-Beamte dürfen nicht anders behandelt werden als andere Bürger, und andere Bürger dürfen nicht anders behandelt werden als EU-Beamte.

Die Kommission ist gut beraten, sich nicht einmal den Anschein zu geben, dieses anzustreben. Verehrter Herr Kommissar, in diesem Punkt ziehe ich auf den Kriegspfad. Ich weiß, dass Sie diesen Punkt nachher als nicht akzeptabel zurückweisen und darauf bestehen werden. Schade eigentlich! Das Parlament wird Sie ganz sicher nicht der Versuchung aussetzen, Ermittlungsergebnisse gegen EU-Mitarbeiter unter den Kommissionsteppich kehren zu können.

Wir müssen jetzt den Rat bestürmen. Der Rat will mit uns über diese Verordnung nicht verhandeln, sondern eine Konsolidierung der drei Rechtsgrundlagen von OLAF anstreben. Das bedeutet, wir verlieren viel Zeit mit ungewissem Ausgang, wir verlieren die Chance, jetzt das Machbare zu tun und die Arbeitsbedingungen des Amtes zu verbessern, und auch das Amt aus der Kritik zu nehmen, was die Verfahrensbeteiligten betrifft.

Lieber Rat, bitte lassen Sie uns die Schritte machen, die wir jetzt miteinander tun können. Statt den dritten vor dem ersten Schritt zu machen, sollten wir mit dem ersten anfangen. Als Berichterstatterin bin ich bereit, mit der tschechischen Präsidentschaft zu einer frühzeitigen zweiten Lesung zu kommen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und ich bin mir sicher, dass wir eine gemeinsame Lösung finden können.

 
  
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  Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. − Herr Präsident! Ich möchte zunächst Frau Gräßle für ihr Engagement in dieser Angelegenheit danken. Mein Dank gilt ferner dem Haushaltskontrollausschuss, der die Debatte energisch vorangetrieben hat. Die Kommission weiß den Einsatz der Berichterstatterin zu schätzen. Dass dieser Vorschlag, der bereits seit 2006 im Raum stand, in Angriff genommen wurde, haben wir zu einem Großteil ihr zu verdanken. Genau genommen geht die Sache sogar auf einen ersten Vorschlag aus dem Jahr 2004 zurück.

Zwischen 2004 und 2006 aber hat sich einiges geändert. Der Tätigkeitsschwerpunkt von OLAF hat sich von den EU-Organen hin zu externen Akteuren verlagert. Untersuchungen im Zuge der Betrugsbekämpfung finden überall dort statt, wo in Europa und weltweit EU-Mittel ausgegeben werden. Die Erfolge des Amtes in diesem Bereich werden weithin anerkannt.

Schizophren bleibt jedoch, wenn Sie mir diesen analytischen Ausdruck gestatten, dass OLAF einerseits als „normale“ Generaldirektion voll und ganz der Kommission untersteht und andererseits bei der Ausübung seiner Untersuchungsbefugnisse völlige operative Unabhängigkeit genießt – wobei jedoch zu erwähnen bleibt, dass die Kommission auch hier zur Verantwortung gezogen wird. Wie verlaufen in einer solchen Konstellation die Grenzen? Wo liegt das Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht?

Wir sind der Auffassung, dass der für eine glaubwürdige Betrugsbekämpfungsstelle erforderliche Schutz vor Einmischung von außen Hand in Hand gehen muss mit einer konsequenten, effektiven politischen Steuerung. Operative Unabhängigkeit ist die eine Seite der Medaille, eindeutige Regelungen für Untersuchungen und eine wirksame Rechenschaftspflicht sind die andere.

Im Wesentlichen stehen wir vor zwei Möglichkeiten: Wir können OLAF als Teil der Kommission fortführen – allerdings mit klar definierten und abgegrenzten Zuständigkeiten –, oder wir können es als eine von den EU-Organen völlig unabhängige Stelle einer separaten Aufsicht und Rechenschaftspflicht unterstellen.

Die Leitlinien des Vorschlags der Kommission aus dem Jahr 2006 waren die Festigung des bestehenden Rechtsrahmens von OLAF durch Klärung der Strukturen für die politische Steuerung, Stärkung der Rechenschaftspflicht und Aufsicht, Verbesserung des Schutzes von Personen, die von Untersuchungen betroffen sind, sowie Ausbau des Rahmens für Untersuchungen und Folgemaßnahmen.

In diesem Sinne kann die Kommission in dem Berichtsentwurf, der Ihnen heute zur Abstimmung vorliegt, den Änderungsanträgen, die den wesentlichen Reformzielen entsprechen, ihre volle Unterstützung aussprechen und Ihnen für die Ausarbeitung einiger Punkte danken.

Andererseits sei jedoch gesagt, dass einige Änderungsanträge, wie die Kommission bereits während der redaktionellen Arbeit betonte, momentan nicht berücksichtigt werden können – aus dem einfachen Grund, dass die derzeitige Rechtsstellung von OLAF als Generaldirektion der Kommission solche Änderungen ausschließt.

Dies betrifft beispielsweise die Berechtigung von OLAF zum eigenständigen Abschluss von Kooperationsabkommen, sein eigenverantwortliches Auftreten vor dem Europäischen Gerichtshof sowie Ernennungen zur Generaldirektion durch das Europäische Parlament und den Rat.

Des Weiteren muss die Kommission, wie ebenfalls bereits betont wurde, einer begrenzten Anzahl von Vorschlägen ihre Zustimmung verweigern, da sie im derzeitigen Wortlaut der angestrebten Verbesserung der politischen Steuerung zuwiderlaufen oder rechtliche Garantien der bestehenden Verordnung außer Kraft setzen würden.

Beispiele sind das Ausmaß der politischen Steuerung, die Verfahrensrechte der Betroffenen und Verbesserungen bei der Weiterverfolgung geringfügiger Delikte.

Die Kommission hat jedoch aufmerksam zur Kenntnis genommen, dass sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat parallel zu den Gesprächen über den anstehenden Reformvorschlag wiederholt – und mit besonderem Nachdruck – für eine weitere Vereinfachung und Konsolidierung des gesamten Rechtsrahmens für die Betrugsbekämpfung eingetreten sind. In diesem Zusammenhang hat die Tschechische Republik, die demnächst die Ratspräsidentschaft übernehmen wird, die Kommission ersucht, ein einschlägiges Konzeptpapier als Grundlage für Arbeitsgespräche in der zweiten Hälfte der Präsidentschaft zu erarbeiten.

Das gewünschte weit gefasste Diskussionspapier plant die Kommission Anfang 2009 vorzulegen. Erfahrungen mit den bestehenden Strukturen zur Betrugsbekämpfung werden darin ebenso einfließen wie Beiträge aus der gegenwärtigen Reformdebatte und weitere relevante Aspekte, von denen einige bereits umrissen wurden. Das Europäische Parlament wird in vollem Umfang einbezogen.

Lassen Sie mich abschließend noch einmal betonen, dass die Kommission die Unterstützung durch das Europäische Parlament zu schätzen weiß. Wir scheuen nicht davor zurück, die unseres Erachtens bestehenden Grenzen aufzuzeigen, doch sind und bleiben wir bereit, sämtliche Fragen, die für den Aufbau eines soliden, glaubwürdigen Rahmens für das künftige OLAF und eine wirksame Betrugsbekämpfung von Bedeutung sind, im Geist uneingeschränkter Transparenz und Zusammenarbeit zu erörtern.

 
  
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  Paul Rübig, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich ausdrücklich beim Kollegen Bösch bedanken. Er war einer, der die Gründung von OLAF mit ermöglicht hat, und er war sehr weitsichtig in seiner Beurteilung, dass eine derartige Behörde natürlich auch für die Reputation der europäischen Institutionen eine Garantie darstellt. Das ist das, was wir nach draußen brauchen. Wir brauchen auch eine klare, transparente und für die Bürgerinnen und Bürger vorhandene Institution, die klarstellt, was im Bereich Desinformation, die meistens von außerhalb Europas kommt und nicht für die europäischen Interessen steht, gemacht wird, und dass auf der anderen Seite, wo es Missstände gibt, klar und deutlich eingegriffen wird und dass diese auch entsprechend beseitigt werden.

Deshalb ist es auch wichtig, dass der Überwachungsausschuss die Unabhängigkeit in OLAF sichert und hier insbesondere das Amt des Generaldirektors in Zukunft auch vom Gerichtshof garantiert werden kann. Das ermöglicht die unabhängige und objektive Arbeit. Außerdem ist es wichtig, dass die Rechte jener Personen, die von OLAF vorgeladen oder beschuldigt werden, klar und deutlich manifestiert werden. Das gilt auch für unser Haus. Im Europäischen Parlament ist es auch notwendig, dass man die Rechte der Personen dementsprechend festzurrt. Dann muss man natürlich auch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, aber auch mit anderen Institutionen der europäischen Mitgliedstaaten, insbesondere mit den Rechnungshöfen auf nationaler aber auch auf regionaler Ebene, so sicherstellen, dass die Mittel, die von Europa eingesetzt werden, zweckorientiert und optimal eingesetzt werden.

Insofern möchte ich auch der Kollegin Gräßle gratulieren, dass sie dieses äußerst schwierige Dossier mit Kompetenz und starkem Willen zum Erfolg führen will. Ich wünsche ihr alles Gute und hoffe, dass das bald umgesetzt wird!

 
  
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  Herbert Bösch, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Dankeschön, Kollege Rübig, für die Blumen! Ein bisschen stolz dürfen wir wirklich sein. Es war dieser Ausschuss – und ich möchte auch noch an jemand anderen erinnern –, es war dieser Haushaltskontrollausschuss dieses Parlaments unter der Führung der sehr geschätzten Kollegin Diemut Theato, der dieses „window of opportunity“ im Frühjahr 1999 genutzt hat, um dieses Amt zu schaffen. Wir müssen auch daran erinnern, was die Grundprinzipien waren. Natürlich die Unabhängigkeit der Untersuchungen und natürlich auch, dass OLAF immer als ein Provisorium vorgesehen war. Wir warten darauf, dass wir eines Tages einen europäischen Staatsanwalt haben, und dann wird OLAF nicht mehr das sein, was es heute ist. Wir haben deshalb immer wieder Wert auf einen starken Überwachungsausschuss und eine starke Unabhängigkeit gelegt. Wir haben vor einiger Zeit ein Seminar darüber gehabt und konnten feststellen, dass diese Unabhängigkeit tatsächlich nicht gefährdet war.

Das ist auch ein Kompliment an die Kommission. Ich habe vollstes Verständnis für das, was Herr Kallas gesagt hat. Es ist nicht einfach – diese Hybridfunktion ist ein bisschen unabhängig, ein bisschen abhängig –, so etwas umzusetzen, und ich bin deshalb auch sehr gespannt, was in einem Konsultationspapier drinstehen wird. Es ist natürlich nicht statthaft, dass ein Teil dieser Garanten der Unabhängigkeit – das ist der Rat – an dieser Debatte überhaupt nicht teilnimmt. So wird es nicht funktionieren. Wenn man nichts Unabhängiges schaffen kann, dann kann man die Unabhängigkeit nur so garantieren, dass möglichst viele das Netz spannen, dass jeder ein bisschen zieht. Denn sonst hängt OLAF auf einmal nur noch an einem Faden und ist nicht mehr unabhängig. Die drei, die da ziehen müssen, in kritischer Distanz zu OLAF – denn nicht alles, was OLAF macht, ist wunderbar –, sind Rat, Kommission und Parlament. Wenn wir diese Prinzipien nicht beachten, dann wird der Erfolg von OLAF gefährdet sein. Ich danke der Berichterstatterin für ihre Arbeit und hoffe, dass wir – so wie der Vorredner gesagt hat – in guter Zeit vorankommen.

 
  
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  Jorgo Chatzimarkakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar Kallas! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin wirklich herzlich gratulieren. Sie hat sich enorm reingekniet, das habe ich so selten erlebt!

Die EU hat mit OLAF ja auch etwas ganz Besonderes: nämlich eine unabhängige Antikorruptionsbehörde. Andere internationale Organisationen beneiden uns darum. Es war gerade das Parlament hier – Herr Bösch und Herr Rübig haben es gesagt –, dass 1999 nach den schlechten Erfahrungen mit OLAFs Vorgänger auf der Unabhängigkeit des neuen Amtes bestanden hat. Nur aus pragmatischen Gründen wurde damals – wir erinnern uns – OLAF der Kommission zugeschlagen oder an sie angekoppelt.

Leider sind die Erinnerungen an die Skandale von 1999 bei manchen schon verblasst und damit auch der Respekt vor der notwendigen Unabhängigkeit einer Antikorruptionsbehörde. Aus heutiger Sicht reichen die vorhandenen Sicherungen nicht mehr aus, um OLAF gegen Einflussnahmen und vor allem gegen zunehmende Blockaden zu schützen. Machen wir uns eines zuallererst klar: OLAF ist dazu da, um Betrug zu bekämpfen. Es ist eine Behörde, die dafür sorgt, dass die Gelder der Steuerzahler sachgemäß verwendet werden. Daher fünf Punkte, die wir mit diesem Bericht unterstützen, für OLAFs Unabhängigkeit:

Zum ersten, das Recht des Generaldirektors in Prozessen vor dem Europäischen Gerichtshof zu intervenieren. Dieses Recht stellt sicher, dass OLAF seine Untersuchungsergebnisse konsequent verteidigen kann. Die zweite wichtige Garantie ist das Recht des Überwachungsausschusses, die Kommission oder ein anderes Organ vor dem Gerichtshof zu verklagen, wenn OLAFs Unabhängigkeit in Gefahr ist. Dieses scharfe Schwert ist notwendig, denn in der Vergangenheit wurden Warnrufe des Überwachungsausschusses schlichtweg ignoriert.

Drittens, liegt eine Garantie für die Unabhängigkeit auch in OLAFs Verpflichtung, Sachverhalte, die einen Straftatbestand erfüllen könnten, an die Justiz weiterzuleiten.

Der vierte Punkt ist, dass es auch auf die Qualifikation und Charakterstärke der verantwortlichen Personen ankommt. Fünftens freue ich mich, dass der OLAF-Generaldirektor wiederbenannt werden kann. Es kommt also auf Erfahrung und auf Leistung an.

Wir sollten uns also davor hüten, OLAF schlecht zu reden. Das hat die Erfahrung mit anderen Antikorruptionsbehörden gezeigt, das hilft niemandem. Allerdings stimme ich mit dem Kollegen Bösch absolut darin überein, dass der Rat mitmachen muss. Es fehlt eine französische oder eine tschechische Erklärung dazu. Die sind noch nicht einmal anwesend – so funktioniert das am Ende nicht!

 
  
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  Ryszard Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Unsere Debatte findet am Vorabend des zehnjährigen Jubiläums von OLAF statt. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung ist aus den Trümmern der kompromittierten Europäischen Kommission von Jacques Santer hervorgegangen, die sich Vorwürfen der Korruption und Vetternwirtschaft ausgesetzt sah. Die Erfahrung hat gezeigt, dass OLAF für das effiziente Funktionieren der EU-Verwaltung unerlässlich ist. Gleichzeitig signalisiert das Amt durch seine Tätigkeit und seine bloße Existenz den Mitgliedstaaten, dass die EU-Organe einer ständigen Überwachung, Kontrolle und Prüfung unterliegen. Auf diese Weise hebt es nicht zuletzt auch das Ansehen der EU-Organe.

Unser gegenwärtiges Vorhaben ist bereits weit gediehen, und mein Dank gilt an dieser Stelle der Berichterstatterin. Unser Ziel ist die Stärkung von OLAF, indem wir erstens die Bedingungen für eine rationellere Arbeitsweise schaffen, zweitens die Qualität seiner Arbeit verbessern und drittens, wie bereits mehrere Vorredner sagten, seine Unabhängigkeit festigen. Diese Arbeit hat vor nahezu vier Jahren begonnen. Den Anstoß gab die Europäische Kommission eingedenk der bedauerlichen Umstände, die sie – mittlerweile ist es neun Jahre her – zum Rücktritt gezwungen hatten. Der Vorschlag eines neuen Rechtsrahmens für OLAF wurde nicht nur dem Rat der Europäischen Union, dem Rechnungshof und dem Europäischen Datenschutzbeauftragten vorgelegt, sondern – und dieser Punkt ist besonders wichtig – es wurde auch die Öffentlichkeit angehört. Anregungen aus der öffentlichen Anhörung und einem Sonderbericht des Rechnungshofs führten zu wesentlichen Änderungen des ursprünglichen Vorschlags von vor vier Jahren. Beispielsweise erwies es sich als nötig, die Zusammenarbeit zwischen OLAF und den Mitgliedstaaten und den Organen, Einrichtungen und Organisationen der EU im Detail zu regeln.

Ein zentrales Anliegen ist, die Unabhängigkeit von OLAF deutlich zu stärken. Die Mitarbeiter des Amtes müssen ohne jede Einmischung ihrer Tätigkeit nachgehen können. In Untersuchungen über die Verwendung von EU-Mitteln – ob in EU-Mitgliedstaaten oder im Rahmen der Außenhilfe – sind beteiligte Drittstaaten wie auch internationale Organisationen einzubeziehen. Die Rationalisierung der Tätigkeit von OLAF verlangt überdies, dass die einschlägigen Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der EU OLAF direkt und unkompliziert Zugang zu Datenbanken der EU-Mittelverwaltung sowie zu weiteren erforderlichen Datenbanken und Informationen gewähren – im klaren Gegensatz zu der bisher unter solchen Stellen verbreiteten Unsitte, sich vor Kontrollen zu verschanzen.

Auch die EU-Mitgliedstaaten dürfen OLAF nicht länger als Gegner oder unnützen Störenfried betrachten. Jedes Land der EU sollte eine Stelle für die tägliche Zusammenarbeit mit OLAF benennen. Wie weithin bekannt ist, haben noch nicht alle 27 Mitgliedstaaten nationale Ämter für eine koordinierte Bekämpfung des Missbrauchs von EU-Mitteln eingerichtet. Ferner ist eine enge Zusammenarbeit zwischen OLAF und Europol sowie OLAF und Eurojust erforderlich.

OLAF wiederum muss bei seinen Untersuchungsverfahren und Verfahrensgarantien, bei der Rechtmäßigkeitskontrolle seiner Untersuchungen sowie bei Beschwerdemöglichkeiten für Personen, gegen die ein Verdacht erhoben wurde oder demnächst erhoben werden könnte, für Transparenz sorgen. Bei Untersuchungen, die Mitgliedstaaten betreffen, könnten Prüfungen von Vertretern des jeweiligen Landes vorgenommen werden. Justizbehörden und insbesondere auch nationale OLAF-Strukturen kämen für eine solche Zusammenarbeit in Betracht. So viel zum Tenor der Änderungsanträge.

Gleichzeitig möchte ich mich dagegen aussprechen, gegen EU-Beamte, die im Zusammenhang mit bestimmten Ämtern oder möglicher korrupter Praktiken unberechtigt Informationen offenlegen, allzu hart vorzugehen. Der Fall eines Kollegen – Herr van Buitenen, heute Mitglied des Europäischen Parlaments, ehemals Beamter der Europäischen Kommission – legt nahe, dass bis dato weniger die Missetäter selbst als die Whistleblower – also diejenigen, die auf Verdachtsfälle hinwiesen, diese verfolgten und offenlegten – an den Pranger gestellt wurden. Lassen wir uns solche Erfahrungen eine Lehre sein, wenn wir Strafen und Sanktionen gegen Hinweisgeber ins Auge fassen.

Ich möchte noch einen letzten Punkt zur Sprache bringen. Die Bürgerinnen und Bürger der EU bringen die EU-Organe oftmals voreilig mit Korruption und Amtsmissbrauch in Verbindung. Dem können wir entgegenwirken, indem wir mehr Licht auf die Arbeitsweise der EU-Organe werfen und indem wir insbesondere die Öffentlichkeit besser über Untersuchungen und Verfahren der EU zur Bekämpfung von Korruption unterrichten. Wir begehen einen gewaltigen Fehler, wenn wir meinen, das Ansehen der EU zu schützen, indem wir solche Informationen unter Verschluss halten. Ganz im Gegenteil: Wir müssen an die Öffentlichkeit gehen, um bei den Bürgern und Steuerzahlern nicht etwa den Eindruck zu erwecken, wir wollten Fälle von Unterschlagung verschämt unter den Teppich kehren.

 
  
  

VORSITZ: LUISA MORGANTINI
Vizepräsidentin

 
  
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  Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (NL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass der uns vorliegende Vorschlag unter das Mitentscheidungsverfahren fällt. Das bedeutet, dass Parlament und Rat zusammenarbeiten, doch Letzterer ist weit und breit nicht zu sehen. Sagen wir es offen: Die französische Präsidentschaft ist abwesend, weil sie nicht das geringste Interesse hat. Natürlich hoffe auch ich, dass Frau Gräßle mit der tschechischen Präsidentschaft in der ersten Lesung eine Einigung erzielt, doch Zweifel erscheinen mir angebracht. Die Tschechen dürften kaum mehr Engagement als die Franzosen an den Tag legen.

Den fünf von Herrn Chatzimarkakis angeführten Punkten stimme ich uneingeschränkt zu. Ich möchte sie um weitere zehn Punkte ergänzen, die uns hier im Haushaltskontrollausschuss für die Zusammenarbeit mit Frau Gräßle unerlässlich erscheinen.

Erstens: Wir befürworten eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen OLAF und Eurojust zum Zweck des Informationsaustauschs bei grenzüberschreitenden Verbrechen, die mehr als zwei Mitgliedstaaten betreffen. In dieser Hinsicht ist das Kooperationsabkommen zwischen OLAF, Eurojust und Europol von größter Wichtigkeit.

Zweitens: Aufgaben und Pflichten des Generaldirektors von OLAF, dem Amt für Betrugsbekämpfung, müssen klarer abgesteckt werden – gerade auch hinsichtlich der Möglichkeit, ihn zur Verantwortung zu ziehen.

Drittens: Auch bei den Zuständigkeiten der OLAF-Mitarbeiter besteht Klärungsbedarf. Insbesondere sollte die Dauer von Untersuchungen auf 12 Monate – mit einer Verlängerung um maximal 6 Monate – beschränkt werden. Bei Untersuchungen, die 18 Monate überschreiten, sollte der Überwachungsausschuss verständigt werden.

Viertens: Die Verteidigungsrechte müssen nachhaltig gestärkt werden. Fünftens: Journalistische Quellen bedürfen eines besonderen, garantierten Schutzes. Sechstens: Zu den Beziehungen von OLAF mit dem Parlament und Haushaltskontrollausschuss müssen klarere Übereinkünfte getroffen werden.

Siebtens: Wir benötigen eindeutige Bestimmungen darüber, welche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Achtens: Die Rolle des Überwachungsausschusses muss gestärkt werden. Dabei sollten wir nicht zuletzt an die Mitarbeiter und an die Zusammensetzung des Ausschusses selbst denken. Die Ausschussmitglieder sollten Experten mit Ermittlungserfahrung in der Rechtspflege sein, die für einen Zeitraum von 5 Jahren ernannt werden.

Neuntens: Das Verfahren zur Ernennung des Generaldirektors muss verbessert werden. Zehntens: Hinweisgeber und von Untersuchungen betroffene Personen bedürfen eines besseren Schutzes.

 
  
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  Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (NL) Frau Präsidentin! Die Geldströme der EU fordern den Missbrauch geradezu heraus. Angesichts des enormen Anteils der Ausgaben, die in die Gemeinsame Agrarpolitik und in Regionalfonds fließen, verkommt die EU zu einem bloßen Mittler. Damit gibt sie einen Teil der Verantwortung ab – oftmals an Akteure, die das Geld als ihr eigenes betrachten. Kurz: Die Praxis, Mittel erst zentral zu sammeln und dann an Akteure oder Projekte auf kommunaler oder regionaler Ebene weiterzugeben, erschwert die Kontrolle.

Diese Woche haben wir den Rat ersucht, die Ausgaben für Schulobst zu erhöhen. Keine Frage: Obst ist gut für Kinder – aber ließe sich ein solches Vorhaben nicht besser auf kommunaler Ebene verwirklichen als auf der höchsten, die wir in Europa kennen? Möglicherweise wären wir wesentlich weniger anfällig für Betrug, wenn wir uns mehr auf Budgethilfe und Ausgleichszahlungen an ärmere Regionen konzentrieren würden – mit der alleinigen Maßgabe, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben und dort ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Indem wir Einkommensunterschiede abbauen, Arbeitsplätze schaffen und insgesamt die Lage vor Ort verbessern, können wir die Arbeitsmigration – und alle sich daraus ergebenden Probleme – deutlich reduzieren.

Noch aber sind wir nicht so weit. Solange unsere Ausgaben einem erheblichen Betrugsrisiko unterliegen, können wir auf umfassende Kontrollen und Betrugsbekämpfungsmaßnahmen nicht verzichten. Mit Geld und Personal allein ist es nicht getan: Damit OLAF, das Amt für Betrugsbekämpfung, wirkungsvoll arbeiten kann, muss es völlig unabhängig von der Kommission und dem Rat agieren und sich gegebenenfalls auch kritisch mit ihnen auseinandersetzen können. Bei der Ernennung des derzeitigen Generaldirektors wurden sieben von einem unabhängigen Auswahlgremium empfohlene Anwärter abserviert. Ganz offensichtlich hatte die Kommission von Anfang an ihr Auge auf den heutigen Amtsinhaber geworfen. Heute heißt es hinter vorgehaltener Hand, der Generaldirektor wolle allzu viel bei der Personalauswahl mitreden, wodurch er die Mitarbeiter von sich abhängig macht. Solche Mauscheleien stiften natürlich nicht eben Vertrauen in die Wirksamkeit der Betrugsbekämpfung. Ganz im Gegenteil: In den Augen vieler Wählerinnen und Wähler nimmt sich unser chaotisches Europa als wahres Paradies für Betrüger aus.

Des Weiteren scheint es, dass Menschen, die interne Missstände aufdecken – die sogenannten Whistleblower –, nicht einfach unbesorgt an OLAF herantreten können. Falls ihre Rolle als Hinweisgeber bekannt wird, droht ihnen Entlassung wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Hinzu kommt: Allzu oft geschieht erst dann etwas, wenn die Presse einen Skandal an die Öffentlichkeit gezerrt hat – und bis dahin sind eventuelle Delikte längst verjährt. Unzureichend sind auch die Bestimmungen zur Anhörung beider Seiten, und viel zu viele Untersuchungen verlaufen schleppend oder ganz im Sande.

Mit dem Bericht Gräßle unternehmen wir erste kleine Schritte in die richtige Richtung. Wir können damit die Unabhängigkeit OLAFs stärken, die Kontrolle der Kommission über seine Arbeitsweise verringern und die Beteiligten besser schützen. Daher befürwortet meine Fraktion den Bericht, ohne sich jedoch der Illusion hinzugeben, mit diesen ersten Schritten seien alle Probleme bereits gelöst. Die Rolle des Überwachungsausschusses wird noch weiter auszubauen sein, und es bleibt zu hoffen, dass es im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens mit der Änderung der Verordnung Nr. 1073/1999 zügig vorangeht.

 
  
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  Nils Lundgren, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (SV) Frau Präsidentin! In der Geschichte der EU wimmelt es von Skandalen wegen Korruption, Betrug und Unregelmäßigkeiten. Kein Wunder, dass ihr die Öffentlichkeit nur wenig Vertrauen entgegenbringt. In Schweden wird jährlich das Vertrauen der Menschen in bestimmte öffentliche Einrichtungen gemessen. An der Spitze stehen beispielsweise das Gesundheitswesen, die Polizei und die Königsfamilie. Die Politiker, Gewerkschaften und Boulevardzeitungen sind schon etwas abgeschlagen, aber wer kommt ganz zuletzt? Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament. Dieses Bild ist seit Jahren unverändert.

Die EU benötigt also dringend ein glaubwürdiges Amt für Betrugsbekämpfung. Leider aber steht mit OLAF nicht alles zum Besten: Mangelnde Unabhängigkeit und Transparenz sowie Mauscheleien bei der Ernennung des Generaldirektors und Überwachungsausschusses machen von sich reden.

Unsere Berichterstatterin, Frau Gräßle, hat sich resolut für Unabhängigkeit, Transparenz und die strenge Einhaltung der Regeln eingesetzt. Ich appelliere an das Plenum, ihren Vorschlag in vollem Umfang zu unterstützen. Er ist ein wichtiger erster Schritt auf dem langen Weg der EU, wenn irgend möglich das Vertrauen ihrer Bürger zu erlangen.

Gestatten Sie mir zuletzt, mit besonderem Nachdruck für einen von mir selbst eingebrachten Änderungsantrag einzutreten. Es handelt sich um eine Bestimmung, die sämtliche EU-Organe zum Schutz journalistischer Quellen verpflichtet.

Die himmelschreiende Tillack-Affäre, in der sich die OLAF-Führung höchst fragwürdig verhielt, hat gezeigt, wie nötig eine solche Reform ist. Erst vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hier in Straßburg wurde Herrn Tillack letztes Jahr in allen Punkten Recht gegeben. Weder OLAF noch das Europäische Parlament, noch der Europäische Gerichtshof haben sich je zu ihrer Verantwortung bekannt.

 
  
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  Philip Claeys (NI). - (NL) Frau Präsidentin! Die Europäische Union benötigt dringend ein handlungsfähiges, glaubwürdiges Amt für Betrugsbekämpfung. Die Haushalte wachsen, die Außenhilfe schießt in die Höhe, ohne dass wir immer überprüfen können, ob das Geld sinnvoll ausgegeben wird. Letzteres wird nach meinem Eindruck in der Öffentlichkeit – mit anderen Worten: von den Steuerzahlern – oftmals bezweifelt, und zwar aus gutem Grund.

Der Bericht enthält eine ganze Reihe fundierter Vorschläge, und ich für meinen Teil kann ihm meine Unterstützung aussprechen. Dabei meine ich allerdings, dass wir Fragen der Unabhängigkeit OLAFs noch mehr Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Als Generaldirektion der Europäischen Kommission untersteht OLAF der politischen Kontrolle des Vizepräsidenten der Kommission. Der operative Bereich und die Untersuchungen sind zwar unabhängig, doch diese Zweiteilung könnte sich, gelinde gesagt, als problematisch erweisen. Meiner Überzeugung nach würde völlige Unabhängigkeit die Handlungsfähigkeit des Amtes wesentlich verbessern.

 
  
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  Antonio De Blasio (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich möchte Frau Doktor Gräßle meinen Glückwunsch aussprechen. Im Bemühen, einen Ausgleich zwischen allen Seiten zu schaffen, hat unsere Berichterstatterin anstehende Probleme identifiziert, praktische Lösungen gefunden und einen Konsens hergestellt.

Die aktuelle Lage ist alles andere als befriedigend. Zum vierzehnten Mal in Folge musste der Rechnungshof dem Jahresabschluss der EU seine Zustimmung verweigern. Ursache sind die hohe Zahl von Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen zu Lasten des EU-Haushalts. Es ist also höchste Zeit, gegen den Missbrauch von EU-Mitteln eine härtere Gangart einzulegen. Da aus der Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft vorerst nichts zu werden scheint, ist es umso wichtiger, die Betrugsbekämpfung wenigstens dadurch voranzubringen, dass wir die Unabhängigkeit des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung und die Untersuchungsbefugnisse von OLAF stärken.

Ein besonders wichtiger Punkt im Bericht Gräßle scheint mir der Ausbau der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten. Gemäß der Verordnung müssen zwar alle nationalen und internationalen Partner OLAF die nötige Unterstützung gewähren, es fehlt jedoch an einer detaillierten Rechtsgrundlage für eine solche Zusammenarbeit. Noch schlechter ist es um die grenzüberschreitende Betrugsbekämpfung bestellt. Entsprechend groß ist daher der Bedarf an der geänderten Verordnung, die Verbesserungen bei der Zusammenarbeit zwischen OLAF und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vorsieht. Das einzige Organ aber, das die finanziellen Interessen der EU wirkungsvoll wahren kann, ist das Europäische Parlament. Wenn wir uns nicht den Kampf gegen Korruption und Betrug auf die Fahnen schreiben, wird niemand an unsere Stelle treten.

Eine Überlegung zum Schluss: Die europäischen Länder tummeln sich im internationalen Korruptionswahrnehmungsindex 2008 zwar in der Spitzengruppe der am wenigsten belasteten Länder, doch jüngste Studien zeigen, dass die Industriestaaten unsauberen Machenschaften wie etwa Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr durchaus nicht abgeneigt sind. Ich möchte mich all jenen anschließen, denen eine solche Doppelmoral unerträglich ist.

 
  
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  Inés Ayala Sender (PSE).(ES) Frau Präsidentin! Zuallererst möchte ich Frau Gräßle gratulieren und ihr insbesondere für ihre Aufgeschlossenheit gegenüber Vorschlägen und Anregungen danken. Frau Gräßle, man kann sagen – und das ist sicher nicht wenig –, dass Sie ein dynamisches Arbeitsteam konsequent zu den bestmöglichen Ergebnissen geführt haben. Mein Glückwunsch!

Der für mich wichtigste Punkt, für den zumindest meine Fraktion eintrat und der auch Frau Gräßle am Herzen lag, ist die Garantie der Rechte der von Untersuchungen betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Die Grundsätze der Unschuldsvermutung, des Datenschutzes und der Vertraulichkeit, die Verfahrensgarantien und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden fortan die Eckpunkte des Verfahrenskodex für OLAF-Untersuchungen bilden. Wir drängen auf schnellstmögliche Veröffentlichung und Übermittlung an den für diese Zwecke eingesetzten Verfahrensprüfer, damit binnen 30 Werktagen eine Stellungnahme zu Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger abgegeben werden kann.

Gestärkt wurde auch die Rolle des Überwachungsausschusses, der die Unabhängigkeit von OLAF sicherzustellen hat, indem er die Ausübung der Untersuchungstätigkeit einer regelmäßigen Kontrolle unterzieht. Zudem kann er nun – und dieser Punkt ist mir, wie wohl auch Frau Gräßle, besonders wichtig – vor dem Europäischen Gerichtshof intervenieren – genau wie übrigens auch der Generaldirektor, der gegen die EU-Organe Klage erheben kann. Die Berichterstatterin hat sich für diese Bestimmung, die dem OLAF-Generaldirektor mehr Schutz und zusätzliche Garantien bietet, energisch eingesetzt.

Ferner erhält das Europäische Parlament eine bedeutendere Rolle im Rahmen des Verfahrens der Konzertierung zwischen den Organen – ein, wie ich meine, wichtiges und innovatives Element. Nur schweren Herzens haben wir der Ausdehnung des Verlängerungszeitraums für Untersuchungen zugestimmt, da uns auch zwei Jahre noch zu lang erscheinen. Wir sind uns jedoch über die Schwierigkeit und Komplexität mancher Untersuchungen im Klaren. Dabei hoffen wir allerdings – und an dieser Stelle möchte ich auch Herrn Kallas für seine Aufgeschlossenheit und Unterstützung danken –, dass die Kommission uns den Spielraum zur Verkürzung des Untersuchungszeitraums aufzeigen kann, wenn sie uns nach vier Jahren den Bericht über die Durchführung der Verordnung vorlegt.

Wir schließen uns der Berichterstatterin in der Hoffnung an, dass es eines Tages einen Europäischen Staatsanwalt geben wird. Vielen Dank, Frau Gräßle!

 
  
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  Paul van Buitenen (Verts/ALE). - (NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Heute ist für mich ein trauriger Tag. Es mag nicht unsere Absicht sein, aber mit Frau Gräßles Vorschlag erweitern wir die Befugnisse von OLAF, ohne für eine angemessene Aufsicht zu sorgen. 1999 sagte der damalige Ausschuss der Weisen voraus, dass OLAF als interne Dienststelle der Kommission mit einem machtlosen Überwachungsausschuss niemals funktionsfähig sein würde. Was daraus geworden ist, können wir heute alle sehen. Ohne jede Rechenschaftspflicht und Kontrolle treten die Führung und namentlich der Generaldirektor von OLAF in ein Fettnäpfchen nach dem anderen: Klüngeleien bei der Personalauswahl, Verletzung der Verteidigungsrechte, Unterschlagung von Beweismitteln und Weiterleitung strafrechtlich verjährter Vorgänge, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Glanzstück aber ist der fingierte Bestechungsverdacht, den OLAF gegen einen seines Erachtens etwas zu gut informierten Journalisten erhob. Das ging so weit, dass auf Betreiben von OLAF sogar dessen Wohnung durchsucht wurde, wobei es zur Beschlagnahmung persönlicher Gegenstände kam. In der Folge versuchte OLAF jahrelang, den wahren Sachverhalt gegenüber der Kommission, dem Parlament, den zuständigen Gerichten, dem Bürgerbeauftragten sowie der Staatsanwaltschaft in Belgien und Deutschland zu vertuschen. Selbst seine eigenen Ermittler schickte es mit falschen Informationen auf den Weg. Wie weit wird OLAF noch gehen?

Die Kommission ist über den Sachverhalt unterrichtet und möchte ihn unterbinden, sagt aber, sie sei nicht befugt, dagegen vorzugehen. Aus genau diesem Grund hat sie auch den bewussten Vorschlag wieder zurückgezogen. Wie bereits deutlich wurde, haben die Verfasser des Vorschlags die besten Absichten. Doch angesichts immer neuer Missstände, die uns zu Ohren kommen, gibt es nur einen Weg: Wir benötigen ein anderes Aufsichtsorgan für OLAF. Eine der Optionen, die bereits aufgezeigt wurden, neigt sich ihrem Ende zu. Die einzige annehmbare Lösung bis zur Einsetzung eines Europäischen Staatsanwalts ist ein Amt für Betrugsbekämpfung, das unabhängig von der Kommission unter kompetenter Aufsicht agiert und dessen Führung nicht von Politikern, sondern von Strafverfolgungsorganen der Mitgliedstaaten ernannt wird.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI).(DE) Frau Präsidentin! Dass die Europäische Union in den Augen der Öffentlichkeit so schlecht dasteht, hat leider auch viel mit OLAF zu tun. An meinen Vorredner kann ich anschließen: Dieses OLAF ist weder Fisch noch Fleisch, und es ist geprägt von Willkür. OLAF-Mitarbeiter wenden sich mittlerweile an mich und sagen, wie deprimierend die Situation sei, dass man mit zweierlei Maß misst, dass keine klaren Vorgaben gegeben werden. Sogar ein OLAF-Mitarbeiter selbst hat die Praktiken von OLAF mit der Geheimpolizei verglichen, also der Einrichtung einer nicht demokratischen Institution. Aktueller Anlass war natürlich wieder der so genannte Galvin-Bericht, dieser interne Bericht, in dem sehr viele Praktiken von Abgeordneten dargelegt werden, die, wenn OLAF mit gleichem Maß messen würde, zu massiven Untersuchungen hätten führen müssen, unter anderem gegen den, der sich als Vater von OLAF bezeichnet, Herbert Bösch.

Was passiert da, unter anderem gegen deutsche Abgeordnete? Was passiert da, unter anderem gegen sehr viele andere? Statt entsprechend vorzugehen und das zu tun, was bei mir gemacht worden ist, nämlich zu sagen, wir tun etwas aus eigener Initiative heraus. Dort, wo wirklich ein klarer Betrugserdacht vorliegt – auf Steuerhinterziehung, auf illegale Parteienfinanzierung –, lehnt sich OLAF zurück und tut nichts. Das hat natürlich auch viel mit der persönlichen Einstellung des derzeitigen Generaldirektors zu tun. Sie sind gefordert, Herr Kommissar. Was da abgeht, ist einer Demokratie nicht würdig. Bei mir hat man Formalfehler konstruiert und gesucht und gesucht. Und es war am Schluss nichts dran. Eine Peinlichkeit für OLAF.

Dort, wo etwas dran wäre, macht man nichts, schaut man weg. Gerade deshalb bin ich der Meinung, dass so, nicht nur wie OLAF aufgestellt ist, viele EU-Beamte arbeiten und man diese EU-Beamtenschaft in dieser Form nicht tragen kann, dass sogar viele EU-Beamte in Wirklichkeit vor Gericht gestellt gehören und dass wir tatsächlich auf europäischer Ebene endlich eine echte Demokratie brauchen, mit Gewaltenteilung, und nicht ein solches OLAF!

 
  
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  Herbert Bösch (PSE).(DE) Frau Präsidentin! Ich möchte schon gerne klarstellen, dass der Herr Martin, der jetzt hereinkommt, bei diesem einen Punkt praktisch feststellt, OLAF hätte gegen Bösch ermitteln sollen. So etwas gehört sich nicht, weil das heißt, dass hier ein Betrugsverdacht vorliegen würde, weil ich ja ganz genau weiß, dass OLAF ja nur bei Betrugsverdacht ermitteln kann.

Ich bitte, dass das Präsidium so etwas ausräumt. Ich weise so etwas zurück. So etwas geht nicht! Ich hoffe, dass entsprechende Maßnahmen gegen Herrn Martin ergriffen werden. Hier wird ohne jede Grundlage gesagt, OLAF hätte gegen den Kollegen Bösch und gegen andere deutsche Kollegen vorgehen müssen. So geht das nicht, und ich erwarte, dass hier Maßnahmen getroffen werden.

(Beifall)

 
  
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  Markus Pieper (PPE-DE).(DE) Frau Präsidentin! Die Mitgliedstaaten, Europol und Eurojust werden sich jetzt regelmäßig mit den Erkenntnissen von OLAF befassen müssen.

Die Informationen des Amtes für Betrugsbekämpfung fließen so unmittelbar in die polizeiliche Arbeit und auch in die Rechtsprechung ein, und zwar verpflichtend und verbindlich. Als Mitglied im Ausschuss für regionale Entwicklung begrüße ich diese Reform ausdrücklich. OLAF muss diese neu gewonnene Stärke nutzen, denn die Strukturfonds sind unser Sorgenkind. Die Zahl der Unregelmäßigkeiten ist dramatisch gewachsen, die Schadenssumme stieg dabei von 43 Millionen Euro im Jahr 1998 auf 828 Millionen Euro im Jahr 2007! Diese Entwicklung ist nicht hinnehmbar. Deshalb ist es gut, dass wir jetzt Kontrolle und Strafverfolgung verbessern. Wir müssen aber auch stärker darauf drängen, dass die Mitgliedstaaten ihre Fördermittelempfänger veröffentlichen.

Wir sollten an einer Ursache für den Missbrauch ansetzen. Ich bin der Meinung, dass wir bei der Vergabe der Gelder zu wenig auf Eigenverantwortung der Regionen setzen. Deshalb müssen wir die verpflichtende Mitfinanzierung der Regionen und Projektträger erhöhen und wir müssen mehr Programme auf Darlehensbasis anbieten. Wenn sich die Empfänger der Gelder mit der nachhaltigen Erfolgsaussicht ihrer Projekte stärker identifizieren, dann wird es auch weniger Missbrauch geben und weniger Arbeit für die OLAF-Betrugsbehörde.

 
  
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  Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Gestatten Sie mir zunächst einige Worte zu den Äußerungen meines Vorredners, Herrn Martin. Er hat einige sehr wichtige Argumente vorgebracht, doch sollte er seinen Ärger nicht an einem rechtschaffenen, achtbaren Kollegen auslassen – denn genauso kenne ich Herrn Bösch als Vorsitzenden des Haushaltskontrollausschusses, auch wenn wir natürlich längst nicht immer einer Meinung sind.

Das Hauptproblem von OLAF ist meines Erachtens ein gewaltiger Interessenkonflikt. Das liegt nicht unbedingt an OLAF selbst, sondern an seiner unklaren Rechtsstellung: Einerseits ist es Teil der Kommission, andererseits befugt, Missstände in der Kommission zu untersuchen. Deshalb bin ich besorgt darüber, dass OLAF, das aus dem Bericht des Ausschusses der Weisen aus dem Jahr 1999 hervorging – wo allerdings interessanterweise von Unabhängigkeit von der Kommission die Rede war –, dass dieses OLAF immer weniger Zeit für interne Untersuchungen in der Kommission aufwendet. Auch wenn einige seiner anderweitigen Untersuchungen dafür recht spektakulär ausfallen, bin ich nicht überzeugt, dass der Bericht Gräßle den Problemen im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit OLAFs gerecht wird.

Doch auch potenzielle Interessenkonflikte auf einer anderen Ebene bereiten mir Sorge. Sollten wir es zulassen, dass Familienmitglieder von OLAF-Mitarbeitern in EU-Organen an Stellen tätig sind, die eines Tages Gegenstand einer OLAF-Untersuchung werden könnten? Mehr noch: Sollten wir – wo es Mitgliedern dieses Parlaments untersagt ist, Ehepartner zu beschäftigen – nicht so weit gehen zu sagen, dass zur Vermeidung von Interessenkonflikten nur jeweils ein Angehöriger einer Familie bei der EU beschäftigt sein darf?

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE).(DE) Frau Präsidentin! Ich glaube, für OLAF ist ganz besonders wichtig, dass man unterscheidet zwischen der Desinformation – die teilweise stark von außerhalb von Europa gesteuert wird – und auf der anderen Seite der Bürokratie von Verträgen, die oft 50 bis 60 Seiten lang sind, und den Handbüchern, die über 600 Seiten haben, wo natürlich dementsprechend dann die meisten Fehler auftreten.

Wir sollten hier klarstellen, dass einfache und klare Vorschriften natürlich auch wesentlich leichter einzuhalten sind als komplexe und umfangreiche. Deshalb appelliere ich an den Rat, dass wir genau diese Verbesserung der Rahmenbedingungen so schnell wie möglich durchziehen. Wir brauchen OLAF für Transparenz und für Gerechtigkeit in Europa.

 
  
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  Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. − Frau Präsidentin! Ich bin dankbar für die vorgebrachten Bemerkungen, die deutlich zeigen, wie kontrovers dieses Thema ist.

Wie Frau Gräßle erwähnte, stammt der ursprüngliche Vorschlag aus dem Jahr 2004 – und zu dieser Zeit sah noch vieles anders aus.

Die Formulierung „Interessenkonflikt“ gefällt mir. In der Tat besteht ein eklatanter, institutionalisierter Interessenkonflikt zwischen Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht. Daher müssen wir unsere Arbeit und diese Debatte energisch fortführen. Letztlich werden wir nur vorankommen, wenn sich Parlament, Rat und Kommission auf eine Lösung des Interessenkonflikts verständigen. Wie ich bereits sagte, gibt es vielleicht nicht viele, aber doch einige Möglichkeiten. Die meisten von Ihnen treten für mehr Unabhängigkeit ein, doch Unabhängigkeit geht Hand in Hand mit Verantwortung. Untersuchen wir einmal den Rahmen der Möglichkeiten. Der Kommission sind bestimmte, klare Grenzen gesetzt. Beispielsweise ist es im Rechtsrahmen der EU ganz einfach undenkbar, dass die Generaldirektion eigenverantwortlich die Gerichte anruft.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den viele von Ihnen erwähnt haben, ist das Recht, an die Mitgliedstaaten heranzutreten. Hier sieht es ähnlich aus: Nur die Kommission kann in den Mitgliedstaaten intervenieren – und dabei sind ihr im Rahmen des für die Mitgliedstaaten Zumutbaren enge Grenzen gesteckt. Die Kommission ist es, die hier in diesem Haus und in der Öffentlichkeit für die Tätigkeit von OLAF in der Verantwortung steht. Glauben Sie mir: Ein unabhängigeres OLAF, das selbst die Gerichte anrufen könnte, selbst zur Rechenschaft gezogen würde und selbst Entlastung erlangen müsste, wäre uns alles andere als unlieb. Neben all diesen Punkten würden wir auch eine wirksame Überwachung der Untersuchungen von OLAF und ihres Inhalts begrüßen.

Vorerst fehlt es uns an einem Europäischen Staatsanwalt. Wir erwarten ihn sehnlichst, doch in der Zwischenzeit werden wir andere Lösungen finden müssen. Lassen Sie uns diese Arbeit fortsetzen. Wie ich gesagt habe, werden wir auf der Grundlage dieser Diskussion ein Konzeptpapier formulieren. Ich freue mich auf ergiebige Aussprachen mit den Abgeordneten und den Berichterstattern zu diesem Thema.

 
  
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  Ingeborg Gräßle, Berichterstatterin. – (DE) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Herr Kommissar! Danke für die Debatte. Ich glaube, dass der Herr Kommissar jetzt gesehen hat, dass diesem Parlament die Unabhängigkeit von OLAF wirklich am Herzen liegt. Ich möchte auch, dass diese Debatte in die Gespräche, die wir jetzt zu führen haben, eingeht. Ich möchte darum bitten, dass wir diese Gespräche wirklich allmählich anfangen, dass wir uns über die Änderungsanträge austauschen und dass wir dann nicht auf eine Haltung treffen nach dem Motto „geht nicht, geht nicht, geht nicht“. Es ist der Wille des Parlaments. Wir sind in der Mitentscheidung und wir werden diese Mitentscheidung auch bei der EU-Kommission einfordern. Wir stützen sie ja, wir wollen, dass Sie auf OLAF Einfluss behalten, aber es muss ein Einfluss an der richtigen Stelle sein. Es muss ein Einfluss sein, der OLAF mehr unterstützt als bisher.

Wir sind nur in Teilen zufrieden, und das ist auch das Ergebnis der Arbeit der EU-Kommission. Wir haben viele Themen auf dem Tisch, die wir sehr ernsthaft besprechen müssen. Ich bin dazu bereit und ich freue mich auf die Debatte, aber ich möchte schon darum bitten, dass es in dieser Debatte zuerst eine Art Lockerungsübung für die Kommission gibt, denn sonst müssen wir uns erst gar nicht zusammensetzen, wenn das hier in Zement gegossen und in Stein gemeißelt ist, was Sie hier heute vorgetragen haben. Wir müssen uns ganz ernsthaft darüber unterhalten, was geht, und dann auch gerne, was nicht geht.

Ich möchte zwei Dinge zurückweisen: Zum ersten das Zerrbild, das einige Kollegen wirklich aus eigenem Interesse und aus kleingeistigem Interesse hier von OLAF malen. Es ist ein Zerrbild, das mit der Realität nichts zu tun hat. Dieses Zerrbild – und das bitte ich OLAF zur Kenntnis zu nehmen – ist nicht die Mehrheitsmeinung des Hauses. Wir glauben, dass OLAF eine wichtige Arbeit leistet, übrigens auch im Fall des Kollegen Martin. Es war ja nicht so, dass an dieser Geschichte nichts dran war, sondern es war so, dass die österreichische Staatsanwaltschaft diese Ermittlungsergebnisse von OLAF nicht aufgreifen wollte. Das erleben wir ja nun öfter.

Auch Sie, Herr Kollege Martin, dürfen in diesem Hause bei der Wahrheit bleiben! Auch Sie! Ich möchte dem Kollegen van Buitenen sagen, dass ich es sehr bedauert habe, dass Sie die Angebote zur Zusammenarbeit nicht wahrgenommen haben. Wir haben zweimal miteinander gesprochen, aber ich glaube, dass man OLAF nicht in Einzelfällen betrachten kann. Es geht bei Organisationen immer auch was schief, aber es gibt auch nicht das richtige Bild, wenn man aufgrund dieser Einzelfälle dann das Ganze betrachtet. Das habe versucht, nichts zu tun. Ich möchte das auch ausdrücklich anerkennen. Ich schätze Sie persönlich sehr, habe auch alle Ihre Bücher gelesen. Aber ich glaube, dass es unterschiedliche Arbeitsmethoden gibt, und in der Politik läuft man Gefahr, dass man nicht zum richtigen Ergebnis kommt, wenn man die Einzelfälle in den Vordergrund stellt.

Ich glaube, dass wir einen guten Bericht vorliegen haben!

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI).(DE) Frau Präsidentin! Ich beziehe mich auf Artikel 145 und 149, persönliche Bemerkungen, das sind dann drei Minuten. Es ist einfach ungeheuerlich, was hier passiert. OLAF macht aus ganz dünner Suppe, wo gar nichts war, aus eigenen Ermittlungen, einen Vorwurf gegen mich. Dieser hatte bei uns einen massiven Einfluss auf den Wahlerfolg in 2006. Die Staatsanwaltschaft stellte ein Jahr später fest, dass es sich allenfalls um irgendwelche Formalfehlerchen gehandelt haben mag, die in keiner Form irgendwelche Erhebungen rechtfertigten. Es kam zu keinerlei Verfahren, es wurde komplett eingestellt. Gar nichts ist passiert.

Was Frau Gräßle hier macht, das ist Verleumdung, das ist der fortgesetzte Versuch des Rufmords. Das ist genau die Instrumentalisierung von OLAF: Wenn OLAF zu einer Erkenntnis kommt und die Nationalstaaten nichts umsetzen, ist er trotzdem schuldig. Das ist eine wahre Schweinerei! Was ist die Doppelbödigkeit bei dieser Schweinerei, Frau Gräßle? Dass dort, wo es wirklich Verdachtsmomente gegen Abgeordnete, gegen andere gibt, überhaupt nicht ermittelt wird, gar nichts gemacht wird. Das untergräbt die Demokratie in Europa. Weil man da mit einem Geheiminstrument, das sehr unter politischer Kontrolle steht, gegen unliebsame Gegner auftritt, agiert, und dann immer nur versucht, irgendetwas dranzuhängen und bei wirklichen falschen Aussagen bleibt, obwohl sogar staatliche Institutionen – und da schätze ich wirklich die vergleichsweise unabhängige österreichische Justiz – sagen: Da war überhaupt nichts dran! Das ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden Wählers und ein Schlag ins Gesicht der Glaubwürdigkeit Europas. Wenn man mit 14 % der Wählerstimmen gewählt wurde und dann in dieser Form abgekanzelt wird, und man immer wieder falsche Tatsachen weitergibt, dann ruiniert das das, was man früher einmal als eine integrierbare und faire Möglichkeit gesehen hat. So machen Sie Europa kaputt, das ist Demokratiezerstörung, Kollegin Gräßle!

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt heute um 12.00 Uhr.

 
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