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Verfahren : 2009/2503(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0028/2009

Aussprachen :

PV 14/01/2009 - 13
CRE 14/01/2009 - 13

Abstimmungen :

PV 15/01/2009 - 6.5
CRE 15/01/2009 - 6.5
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2009)0027

Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 14. Januar 2009 - Straßburg Ausgabe im ABl.

13. Strategie der Europäischen Union gegenüber Belarus (Aussprache)
Video der Beiträge
Protokoll
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Rat und Kommission zur Strategie der Europäischen Union hinsichtlich Belarus.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Die Lage in Belarus und die Frage, was wir unternehmen sollen und wie wir helfen können, wird während der tschechischen Präsidentschaft zweifellos im Mittelpunkt des Interesses des Rates stehen.

Lassen Sie mich zu Anfang über eine positive Feststellung sprechen. Wir haben mit Zufriedenheit die Schritte verfolgt, die Belarus in den letzten Wochen unternommen hat, einschließlich der Registrierung der Bewegung „Für die Freiheit“, des Drucks und des Vertriebs unabhängiger Zeitungen wie Narodnaya Volya oder Nasha Niva, des runden Tischs zur Regulierung des Internets mit dem OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit und der Ankündigung von Expertenberatungen, die mit OSZE/BDIMR zur Verbesserung der Wahlgesetze aufgenommen werden sollen.

Diese Schritte führen zur Erfüllung der Kriterien, die die EU als Bedingung für die weitere Aufhebung des Visaverbots über den anfänglichen Zeitraum von sechs Monaten hinaus formuliert hat. Die EU hat die Bedeutung einer Entwicklung dieser Fragen in ihren Gesprächen mit der Regierung von Belarus unterstrichen.

Für einer Überprüfung der Sanktion – bei der bis Anfang April eine Entscheidung getroffen werden muss – werden wir weiterhin alle politischen Kontakte einschließlich bilateraler Kontakte nutzen, um Belarus zu ermutigen, die Entwicklung hinsichtlich der problematischen Punkte voranzutreiben, die in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13. Oktober einschließlich weiterer grundlegender Schritte identifiziert wurden. Als weiteres Zeichen der Förderung möchte unsere Präsidentschaft ein erneutes Troika-Treffen der Außenminister mit Belarus organisieren, das am Rande des Rates für allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen im Januar stattfinden soll.

Zudem werden wir weiterhin die allgemeine Lage im Hinblick auf Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land überwachen, wobei das Hauptaugenmerk auf dem regulatorischen Umfeld für NRO und Medien liegen wird. Weiterhin führen wir enge Gespräche und tauschen Standpunkte und Informationen mit verschiedenen Oppositionsvertretern und anderen Personen in Belarus aus, Menschen wie Herrn Alexander Milinkiewitsch, Herrn Kosolin und anderen.

Belarus ist, wie wir wissen, eines der sechs Länder der Östlichen Partnerschaft, einer Bewegung, die positive Entwicklungsimpulse bei unseren Nachbarn im Osten schaffen soll. Die Teilnahme von Belarus wird von der inneren Entwicklung abhängen. Wir planen, die Östliche Partnerschaft auf dem Gipfel in Prag im Mai zu starten, und dieses Datum wurde so gewählt, dass die Frist von sechs Monaten dann gerade zu Ende ist und wir eine Bewertung vornehmen können. Dementsprechend wurde in der Frage, ob Herr Lukaschenko eingeladen wird, noch keine Entscheidung getroffen.

Wir sind der festen Ansicht, dass wir mit Minsk nun konstruktiv vorgehen müssen; man kann auch sagen, dies ist ein strategischer Imperativ. Natürlich bleiben wir realistisch und erwarten keine dramatischen Änderungen, wir sind jedoch überzeugt, dass der Versuch von Herrn Lukaschenko, ausgewogene Beziehungen zu Moskau herzustellen, eine Möglichkeit darstellt. Dabei sind wir jedoch eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Werten, und wir müssen die Hebel in unserer Hand lassen. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, diese Gelegenheit zu nutzen, um die positive Dynamik in Belarus in dieser Hinsicht weiter zu fördern.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Ich freue mich, dass ich zum Thema Belarus sprechen kann, da hier positive Fortschritte erreicht wurden, über die wir sehr zufrieden sind. Belarus steht ganz oben auf unserer Agenda, nicht nur, weil es eines der Länder ist, das unter der derzeitigen Finanzkrise in der Region sehr zu leiden hat. Für uns besteht außerdem eine einzigartige Gelegenheit, ein wirklich neues Kapitel in unserer Beziehung zu Belarus aufzuschlagen.

Inzwischen haben wir die Hälfte der sechsmonatigen Aufhebung der Sanktionen gegen Belarus hinter uns, die bei dem Treffen der EU-Außenminister am 13. Oktober 2008 beschlossen wurden. Die Aufhebung wird am 13. April 2009 enden, und daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die erste Beurteilung, ob Belarus in die richtige Richtung geht und wir daher die Aufhebung verlängern und weitere positive Schritte im Hinblick auf Belarus ergreifen können.

Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vom 13. Oktober gab sehr deutlich zu verstehen, dass der positive Fortschritt, der mit der Freilassung der restlichen politischen Gefangenen im August begonnen hat, fortgeführt werden muss, damit die Aufhebung verlängert wird. Die Bereiche, in denen wir weiteren und nachhaltigen Fortschritt erkennen müssen, sind: Keine politischen Festnahmen oder Inhaftierungen; Zusammenarbeit mit OSZE/BDIMR im Hinblick auf Reformen der Wahlgesetze; Fortschritt im Bereich Medienfreiheit; bessere operative Bedingungen für NRO und keine Belästigung der Zivilgesellschaft sowie ernsthafte Fortschritte im Bereich Versammlungsfreiheit.

In den letzten drei Monaten haben wir einige Fortschritte gesehen. So wurde das Verbot von zwei großen unabhängigen Zeitungen aufgehoben, die mittlerweile den Druck und den Vertrieb wieder aufgenommen haben. Zweitens wurde die Registrierung von „Für die Freiheit“, der Organisation von Herrn Milinkiewitsch, genehmigt, und drittens werden am 22. Januar Beratungen zwischen Belarus und dem BDIMR zur Wahlreform stattfinden. Dieser Fortschritt war die direkte Reaktion auf Anfragen der Kommission Anfang November, und wir halten die Entwicklung für ermutigend.

Dennoch benötigen wir noch weitere Fortschritte, wenn wir eine neue Ära in unseren Beziehungen beginnen möchten und die Aufhebung bestätigen sollen. Wir müssen Fortschritte im Bereich Medienfreiheit einschließlich der Freiheit des Internets und bei der Akkreditierung ausländischer Journalisten sehen. Auch müssen wir vereinfachte Registrierungsverfahren und Arbeitsbedingungen für NRO sehen, die Einschränkungen der Freiheit von NRO-Aktivisten – wie beispielsweise Herrn Barazenka – müssen aufgehoben werden, und wir benötigen weitere Beweise, dass friedliche Demonstrationen frei abgehalten werden können, ohne dass die Demonstranten ihre Verhaftung fürchten müssen.

Fortschritt ist jedoch keine Einbahnstraße. Wenn Belarus diese wichtigen Fortschritte erreicht, dann ist es meiner Ansicht nach auch ausschlaggebend, dass wir darauf mit einem bedeutenden Maßnahmenpaket reagieren. Die Kommission hat Vorschläge für ein solches Paket erarbeitet, das Folgendes beinhalten könnte: Eine Ausweitung des technischen Dialogs, der vor einem Jahr zu den Themen Energie, Transport und Umwelt aufgenommen wurde, auf andere Themenbereiche; eine symbolische Anhebung der ENPI-Mittel für Belarus zur Untermauerung der Gespräche; die Unterstützung von Belarus bei der Anpassung an neue wirtschaftliche Herausforderungen, vor denen das Land derzeit steht, sowie eine Erweiterung des Anspruchs auf EIB- und EBWE-Darlehen seitens Belarus; eine Intensivierung der Kontakte: am 26. Januar trifft die Troika am Rande des Rats für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen auf Außenminister Martynov, wobei ich Herrn Martynov deutlich sagen möchte, was die EU genau von Belarus erwartet und was wir im Gegenzug bieten; und natürlich eine Intensivierung des zivilgesellschaftlichen Dialogs.

Ich bin überzeugt, dass an dieser Kreuzung eine gemeinsame Anstrengung erforderlich ist, und auch Treffen von Abgeordneten mit Parlamentariern aus Belarus in Minsk wären beispielsweise äußerst hilfreich.

Weiterhin wäre die Möglichkeit, Verhandlungen zur Erleichterungen bei der Erteilung von Visa zu eröffnen, und ein Rückübernahmeabkommen zu überdenken. In diesem Punkt ist nun der Rat am Zug, und es ist klar, dass Belarus noch weitere Fortschritte erreichen muss. Wir, die Kommission, stehen jedoch bereit, um die Arbeit schnell aufzunehmen und zu Verhandlungen beizutragen, sobald die Minister bestätigen, dass hinreichende Fortschritte erzielt wurden.

Wir stehen bereit, um das gesamte Angebot der ENP und der Östlichen Partnerschaft für Belarus zu entwickeln. Dies würde die Freigabe des PKA und eine erhebliche Zunahme unserer Unterstützung beinhalten.

Wenn die Minister befinden, dass ausreichende Fortschritte erreicht wurden, dann wird nach dem 13. April eine Entscheidung dahingehend getroffen, ob die Aufhebung der Sanktionen bestätigt wird oder nicht. Wenn die Fortschritte seitens Belarus ausreichen, um dies zu gewährleisten, dann sind wir in der Tat bereit, darauf zu reagieren, und ich hoffe, dass wir dann wirklich ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Belarus beginnen können.

 
  
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  Jacek Protasiewicz, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Der wichtigste Anlass für die heutige Aussprache ist die erste Hälfte der sechsmonatigen Aufhebung von Sanktionen gegen Belarus diese Woche. Unsere Halbzeitprüfung der Beziehungen zwischen diesem Land und der Europäischen Union wurde durch das Parlament mit positiver Zurückhaltung aufgenommen, wobei die Änderungen in Belarus geschätzt werden.

Insbesondere möchten wir unsere Zufriedenheit zum Ausdruck bringen, dass die Bewegung „Für die Freiheit“ unter der Leitung von Aleksander Milinkiewitsch legalisiert wurde, und dass die unabhängigen Zeitungen Narodnaya Volya und Nasha Niva ebenfalls legalisiert wurden und Zugang zum staatlichen Vertriebssystem haben. Gleichzeitig verurteilen wir nach wie vor die Tatsache, dass den politischen Gefangenen, welche in den letzten Jahren freigelassen wurden, noch immer nicht ihre vollen Rechte zuerkannt wurden, und dass ein protestierender Student während des Ermittlungsverfahrens unrechtmäßig festgehalten wurde.

Wir möchten betonen, dass die wesentlichen Bedingungen für eine dauerhafte Verbesserung und Normalisierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Belarus Änderungen des Wahlgesetzes, eine Aufhebung der restriktiven Mediengesetze und Änderungen des Strafgesetzbuches umfassen, um dessen Missbrauch gegen die demokratische Opposition und unabhängige Journalisten zu verhindern. In diesem Kontext möchten wir die Behörden in Belarus auffordern, eng mit der OSZE und dem Journalistenverband Belarus zusammenzuarbeiten. Wir schätzen die vorbereitenden Treffen, welche in diesen Angelegenheiten stattgefunden haben, verlangen jedoch eine dauerhafte Zusammenarbeit mit ausländischen Experten und Vertretern der Zivilgesellschaft in Belarus.

Mit der heute besprochenen Entschließung beabsichtigen wir zudem, die Behörden in Belarus aufzufordern, die Einschränkungen hinsichtlich der Aktivitäten von politischen Parteien und Nichtregierungsorganisationen aufzuheben und mehr unabhängige Medien zu legalisieren. Dies ist jedoch keine Einbahnstraße. Wir bitten auch die Europäische Kommission und den Rat, den Preis für EU-Einreisevisa schneller zu senken und die Investitionen der Europäischen Investitionsbank in Energieinfrastruktur, insbesondere die Transportinfrastruktur, in Belarus zu erhöhen. Ich möchte unterstreichen, dass das Europäische Parlament die Kommission nochmals bitten wird, finanzielle Mittel für Biełsat TV bereitzustellen, und die Behörden in Belarus auffordern wird, den Bund der Polen in Belarus unter der Leitung von Angelika Borys als einzigen rechtmäßigen Vertreter der größten ethnischen Minderheit des Landes anzuerkennen.

 
  
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  Der Präsident. − Sie scheinen sehr beschäftigt zu sein, aber Sie haben es doch geschafft, in letzter Minute das Wort zu ergreifen.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis, im Namen der PSE-Fraktion. – (LT) Gute Zäune dienen einer guten Nachbarschaft. Das ist ein altes englisches Sprichwort. Wenn man an Nachbarstaaten denkt, wäre es heutzutage jedoch passender, dass niedrige oder gar keine Zäune besser sind.

An der Schwelle des 20. zum 21. Jahrhundert wurde Belarus angesichts zunehmender Autoritarismus-Tendenzen der kranke alte Mann Europas. Das Land rutschte in Selbstisolation und Isolation ab, gleichzeitig wurden die Zäune an den Grenzen immer höher. Durch den Missbrauch der Menschenrechte gab es im Europäischen Rat keinen Platz für einen Staat in der Mitte Europas.

Das letzte Jahr hat uns Hoffnung gegeben, dass sich die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Belarus ändern können, und dass die Zäune, von denen ich gesprochen habe, niedriger werden können. Hier wurden die kleinen Schritte in die richtige Richtung erwähnt, die Minsk im Hinblick auf politische Gefangene, die Registrierung von Parteien und Zeitungen unternommen hat. Wir könnten in diesem Zusammenhang auch die künftige Eröffnung einer Vertretung der Europäischen Union anführen. Ich teile den vorsichtigen Optimismus der Mitglieder der Kommission und des Ministers, und ich habe den Eindruck, dass sich der Himmel aufklärt, obgleich es noch immer viele Wolken gibt. Unser Kollege, Herr Protasiewicz, hat hier bereits Medienfreiheit und echte Bedingungen erwähnt, die die Gründung politischer Parteien ermöglichen, und das Land befindet sich allgemein am Rande umfassender wirtschaftlicher und sozialer Änderungen. Reformen sollten auf die Zukunft ausgerichtet sein und das Leben der normalen Menschen einfacher gestalten.

Ich denke, dass die Europäische Union auch den Weg des gegenseitigen Verständnisses gehen sollte. Zuerst durch eine Beseitigung oder zumindest einen Abbau der finanziellen Zäune im Hinblick auf Visabestimmungen, die die Kommunikation der Menschen behindern.

Belarus hat beschlossen, ein neues Kernkraftwerk zu errichten, das sich wahrscheinlich in der Nähe der litauischen Hauptstadt Vilnius befinden wird. Zahlreiche solcher Kernkraftwerke sind für die Region geplant, in Litauen, Estland und Polen. Zwischen all diesen und anderen Staaten muss es zu einem Dialog und zu ständigen Konsultationen kommen, so dass wir Missverständnisse, Umweltschäden und eine Missachtung der Interessen anderer Länder vermeiden. Brüssel sollte sorgfältig darauf achten, wie Minsk die Empfehlungen der IAEO, die Übereinkommen zur Atomsicherheit, umsetzt, und die Interessen der Länder der Europäischen Union verteidigen.

Ich denke nicht, dass Belarus echte Fortschritte macht, solange die Mauer zwischen offiziellen Institutionen und den Menschen vor Ort nicht eingerissen wird. Die Regierung sollte an Gesprächen und Verhandlungen mit der Opposition und den NRO, Gewerkschaften und Jugendorganisationen interessiert sein. In wenigen Monaten legt das Europäische Parlament Empfehlungen vor, ob wir mit der Beseitigung dieses Zauns fortfahren oder einen noch höheren Zaun errichten sollen. Wenn wir diese Chance nicht ergreifen, werden die Menschen auf beiden Seiten desillusioniert sein. Nun ist Minsk am Zug.

 
  
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  Janusz Onyszkiewicz, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Die Signale von Belarus sind nicht immer ganz klar. Politische Gefangene wurden freigelassen, zwei unabhängige Zeitungen wurden für das offizielle Vertriebsnetz zugelassen und die Bewegung „Für die Freiheit“ unter der Führung des Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Alexander Milinkiewitsch, wurde registriert. Die Kommissarin hat dies bereits erwähnt. Andererseits werden jedoch Mitglieder der Opposition erneut festgenommen, und viele der freigelassenen Gefangenen haben nur eingeschränkte Rechte. Es gibt Dutzende Zeitungen, die auf eine Genehmigung warten, wie sie den beiden erwähnten Zeitungen gewährt wurde, und viele Nichtregierungsorganisationen und politische Parteien haben noch immer Probleme mit der Registrierung oder sind von einem Entzug der Registrierung bedroht. Mönche und Nonnen werden vertrieben, und die Todesstrafe existiert noch immer.

Wir können Belarus nicht den Rücken zukehren. Ich denke jedoch nicht, dass die Zeit reif ist für den Beginn eines Dialogs zwischen diesem Parlament und dem Parlament von Belarus. Wir müssen die Verfahren für die Erteilung von Visa für die Bürger von Belarus deutlich reduzieren und vereinfachen, obgleich dies offensichtlich nicht für diejenigen gilt, die aus gutem Grund nicht in die Europäische Union einreisen sollten.

Auch müssen wir denjenigen Institutionen effektive Unterstützung, einschließlich finanzieller Unterstützung, bieten, die für die Errichtung und Entwicklung der Zivilgesellschaft wichtig sind, beispielsweise unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, politischen Parteien und der freien Presse. Wir müssen auch das Problem der Arbeiterrechte in Belarus ansprechen. Heute gibt es außerhalb der Regierungsstrukturen keine Dauerbeschäftigung – alle haben nur Einjahresverträge. Damit haben Arbeitgeber, und damit der Staat, erhebliche Macht über praktisch die gesamte Gesellschaft.

Die Initiative der Östlichen Partnerschaft bietet auch den derzeitigen Behörden in Belarus neue Möglichkeiten. Aber die Modernisierung des Landes und seine Anpassung an europäische politische Standards müssen im Kontext eines Dialogs zwischen den Behörden und der demokratischen Opposition in Belarus voranschreiten.

 
  
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  Ryszard Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Kommissarin, Herr Präsident! Kürzlich haben wir alle drei Monate Entschließungen zu Belarus verabschiedet. Das ist keine Inflation, sondern ein Beleg für die angemessene Beobachtung, was in diesem Land passiert, das ein Nachbar von Polen und damit der Europäischen Union ist.

Ist der Fortschritt bei der Demokratisierung in Belarus zufrieden stellend? Nein. Ist das ein Grund, um Minsk wieder den Rücken zuzukehren? Nein. Wir müssen weiterhin demokratische Freiheiten und Standards, die Meinungsfreiheit und demokratische Werte fordern und Belarus dabei gleichzeitig geduldig grünes Licht als Land und als Gesellschaft geben, die wir gerne immer enger in die Europäische Union einbinden möchten. Die Belarussen sind Europäer, und Belarus ist fester Bestandteil des alten Kontinents, die Kultur von Belarus ist Teil der europäischen Kultur.

Heute kämpfen die edelsten Belarussen für Menschenrechte, Demokratie und Religionsfreiheit. Aber wir sollten die weniger edlen Bürger nicht in die Hände Moskaus treiben. Dies wäre einfallslos und dumm, es wäre unverantwortlich und schlimmer als ein Verbrechen – es wäre eine Irreführung. Wir müssen zwei Schritte gleichzeitig unternehmen – ein Auge auf Lukaschenko werfen, so dass er beispielsweise keine katholischen Priester aus Polen verfolgt, Zeitungen verbietet oder Mitglieder der Opposition verfolgt, und gleichzeitig den belarussischen Staat als Staat unterstützen, um zu verhindern, dass er zunehmend unter politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss Russlands gerät.

 
  
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  Milan Horáček, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Zdravím české předsednictví pod vedením pana místopředsedy Alexandra Vondry. Mit der Zulassung der oppositionellen Demokratiebewegung für Freiheit von Alexander Milinkiewitsch sowie der Freilassung politischer Gefangener hat die belarussische Regierung Signale für eine Öffnung ausgesendet. Jetzt muss geprüft werden, ob hinter der Dialogbereitschaft ein echter Wille zur Änderung und zur Wiederaufnahme der Beziehungen mit der EU steht.

Wir wünschen, dass Belarus seinen Platz in Europa findet. Wir warten schon seit Langem darauf und sind bereit, die Beziehungen wiederaufzunehmen, aber nur unter klaren Bedingungen. Das ist vor allem die Einhaltung der Menschenrechte. Das gilt nicht nur für die Presse- und Meinungsfreiheit, sondern für das gesamte politische, soziale und private Leben jedes Einzelnen. Der Wahlbetrug und die Übergriffe auf die Opposition sind nicht vergessen, und wir verfolgen die Entwicklungen sehr genau.

Im Oktober haben wir beschlossen, das Einreiseverbot für Präsident Lukaschenko auszusetzen. Es ist notwendig, dass auch von belarussischer Seite die Einreise für europäische Delegationen zugelassen wird, um Debatten mit Oppositionellen zu ermöglichen.

Unsere Erfahrung lehrt: Jede Diktatur wird einmal enden!

 
  
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  Věra Flasarová, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Belarus ist das letzte europäische Land, mit dem die Europäische Union kein Abkommen über die gegenseitigen Beziehungen geschlossen hat. Diese Anomalie könnte bald zu Ende sein, wie die von Rat und Kommission vorgeschlagene Belarus-Strategie zeigt. Zudem geht die mehrmonatige Testphase auf das Ende zu. Die belarussische Führung könnte Veränderungen vornehmen, die zu mehr Demokratie und Freiheit führen, und die europäische Union bietet dann Zusammenarbeit und eine Normalisierung der Beziehungen. Dies sollte das Ziel sein. Die Kunst der Diplomatie besteht jedoch darin, die Dinge in einem größeren Kontext zu sehen und seine Anforderungen entsprechend zu verpacken. Fast jede Veränderung der letzten Jahre erfolgte in einem globalen Kontext. Heute sehen wir eine wesentliche Änderung der Lage. Die zwei Jahrzehnte des Experiments der US-Vorherrschaft enden langsam, und an ihre Stelle tritt ein multipolares Konzept, das gleichermaßen zu Konflikten führen kann. Was wir um uns herum sehen sind Ereignisse, die mit einer Verlagerung der Machtverteilung einhergehen. Neue und wieder auflebende Zentren definieren sich selbst in Beziehung zu ihren Wettbewerbern und gestalten ihren Einflussbereich. Belarus bildet gemeinsam mit der Ukraine, Moldawien und dem Kaukasus ein Gebiet, das von Russland einerseits und den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union andererseits hart umkämpft ist. Es wäre absurd, dies zu negieren, auch wenn der Krieg im Zeichen wohlklingender Slogans wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte geführt wird. Die Werte, um die es hier wirklich geht, sind jedoch Energie, Geld und Militärstrategie. Wenn die wichtigsten Global Player einschließlich der Europäischen Union bereit sind, die neuen geopolitischen ...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Belarus sollte gegen die weltweite Finanzkrise immun sein. Diese übertrieben selbstbewusste Prognose kommt Herrn Lukaschenko Anfang 2009 nun teuer zu stehen. Seine Regierung hat ernsthafte finanzielle Probleme. Minsk hat beim IWF, in Moskau und sogar Washington angeklopft und um Kredite in Milliardenhöhe gebeten. Die Bedingung des IWF bestand in der Entwertung des Belarus-Rubel um nicht weniger als 20,5 % am 2. Januar. Heute haben die Einwohner von Belarus offensichtlich Angst, was auch verständlich ist, wenn man sich vor Augen führt, dass der durchschnittliche Monatslohn plötzlich von 400 US-Dollar auf 333 US-Dollar gesunken ist und der Dollar wie auch der Euro in Minsk sehr beliebt sind, und das weit über die heutigen Grenzen hinaus.

Könnte dieser Rückgang der wirtschaftlichen Lage in Belarus die Möglichkeit einer neuen nationalen und internationalen Ausrichtung der Regierung Lukaschenko vereiteln? Dies ist sicherlich kein eingebildetes Risiko, da abgesehen von den derzeitigen finanziellen Problemen eine kosmetische Kurskorrektur seitens Herrn Lukaschenko in Richtung Westen ebenso plausibel ist. In diesem Fall würde der mächtige Präsident seine Strategie der simulierten Integration mit Russland einfach durch eine simulierte Annäherung an die Europäische Union ersetzen. Die kommenden Gasverhandlungen mit Russland könnten dieser Simulation sehr gut zusätzliche Dynamik verleihen.

Die Europäische Union sollte eine ausgewogene Strategie verfolgen, um einem solchen unerwünschten politischen Szenario in Minsk zu widerstehen. Zu diesem Zweck müssen alle europäischen Institutionen mit allen belarussischen Institutionen in Kontakt treten, also mit staatlichen Stellen, Oppositionskräften, der Zivilgesellschaft und sogar der nicht arbeitenden Bevölkerung. Dies ist ein inspirierendes europäisches Ziel, das die Hoffnung verfolgt, Kontakte auf allen Ebenen der belarussischen Gesellschaft zu entwickeln und Brücken zu bauen.

 
  
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  Roberto Fiore (NI).(IT) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, dass es keinen Grund mehr für irgendwelche Sanktionen gegen Belarus gibt. Wir sehen ein Land, das zweifellos in einer Krise steckt, wie alle europäischen Länder, und in jedem Fall handelt es sich um ein Land, das Eigentumsrechte genehmigt, ein Land, das vor wenigen Monaten eine Wachstumsrate von 8 % verzeichnete und das Ausländer, auch Europäer, nicht daran hinderte, Grundstücke oder Häuser zu erwerben, auch wenn dies über belarussische Unternehmen erfolgte.

Im Hinblick auf Religionsfreiheit ging Kardinal Bertone vor einiger Zeit nach Belarus, und zwischen Belarus und dem Vatikan wurden zweifelsohne Beziehungen in gegenseitigem Respekt aufgebaut. Vor allem politische Freiheiten sind wichtig, und es war die Rede von einigen Gefangenen, was sich aber auf drei politische Häftlinge bezieht, die freigelassen wurden.

Wir sprechen auch über politische Wahlen, wo es sicherlich nicht die Freiheiten gibt, die bei westlichen Wahlen vorhanden sind, aber es ist richtig, dass der Staat allen Kandidaten Sendezeit und in einigen Fällen sogar Unterstützung gewährt hat. Wir wissen auch, dass in den kommenden Wochen einige Zeitungen – unabhängige Zeitungen – gedruckt und vertrieben werden können.

Ich denke, es liegt im strategischen Interesse Europas, sich gegenüber Belarus zu öffnen, gerade weil Belarus ein sehr wichtiges Element zwischen Europa und Russland ist. Wir sollten bedenken, dass es eine starke katholische Minderheit gibt, die das Land näher an das benachbarte Polen und den Rest Europas rückt und es zu einem strategischen Partner für die übrigen osteuropäischen Staaten macht. Es ist seltsam, dass heute von einem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union die Rede ist, während Belarus im Hinblick auf Europa eine deutlich stärkere und bedeutendere Partnerrolle spielt.

 
  
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  Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE). - (HU) Herr Präsident! Es ist schwierig, angesichts dieser Pattsituation in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Belarus voranzukommen. Der in letzter Zeit zunehmende externe Druck, die Schwächung der Freundschaft zwischen Russland und Belarus, die Furcht aufgrund des Konflikts zwischen Russland und Georgien und nicht zuletzt die Weltwirtschaftskrise tragen teilweise zu dieser Lage bei.

Das Land unter der Führung von Lukaschenko bittet Europa zum ersten Mal um etwas: Die Freilassung politischer Gefangener, die Registrierung einer Bewegung und die Aufnahme eines Dialogs mit unabhängigen Journalisten zeigt, dass Lukaschenko auf seine Art versucht, die Türen zu Europa zu öffnen. Neben diesen oberflächlichen Schritten muss Minsk noch mehr im Hinblick auf eine echte Annäherung bieten.

Die EU sollte die derzeitigen Chancen ergreifen, auch wenn es nicht viele sind. Die Europäische Union könnte zum ersten Mal in der Lage sein, die politische Lage in Belarus zu beeinflussen, und daher ist die Politik Brüssels alles andere als indifferent. Wir müssen den kritischen Ansatz und das System der Bedingungen, das wir derzeit nutzen, beibehalten. Wir müssen gut aufpassen, da es schwer vorstellbar ist, dass sich Lukaschenko und seine Regierung radikal ändern.

Die konkreten Schritte, die die EU ergreift und plant, sind wichtig. Unsere Aufgabe besteht darin, NRO und Opposition, die für den Wandel kämpfen, zu unterstützen und zu helfen, sie zusammenzubringen. Wir müssen auch bei der Gesetzgebung Reformen fordern, und ich denke hier an das Strafgesetzbuch und die Presse- und Wahlgesetze. Im Interesse der Qualität der Belarus-Politik der Europäischen Union und zur Sicherung des Demokratisierungsprozesses muss das Europäische Parlament die Überwachung durch Rat und Kommission fortführen.

Die Länder in der Region einschließlich der Ukraine haben auch gezeigt, dass ohne klare Kriterien und deren Erfüllung eine demokratische Entwicklung nicht möglich ist, weil alles andere lediglich die Illusion einer Demokratie schaffen würde. Die vorgeschlagene EU-Strategie ist kritisch und konstruktiv, und ich unterstütze sie daher voll und ganz.

 
  
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  Józef Pinior (PSE). - (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte insbesondere die Tatsache positiv hervorheben, dass Minister Alexandr Vondra an der Aussprache in diesem Parlament heute Abend teilnimmt. Ich denke, dies zeigt die Bedeutung, die die tschechische Präsidentschaft der Außenpolitik der Europäischen Union beimisst.

Heute analysieren wir die Strategie der Europäischen Union im Hinblick auf Belarus und die Strategie der Offenheit, die wir in den vergangenen Monaten verfolgt haben. Ich denke, dass die Ergebnisse dieser Strategie positiv sind, wie der Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments zeigt.

Demzufolge wurde in Minsk eine Ständige Vertretung der Europäischen Kommission eingerichtet. Wir erhalten positive Signale im Hinblick auf eine zunehmende Freiheit in Belarus, wie beispielsweise die Registrierung der Bewegung „Für die Freiheit“ von Alexander Milinkiewitsch und die Publikation und Registrierung der zwei unabhängigen Zeitungen Narodnaya Volya und Nasha Niva. Zudem gibt es die Erklärung des belarussischen Außenministers Syarhei Martynau hinsichtlich der positiven Einstellung des Landes gegenüber der Initiative der Östlichen Partnerschaft seitens der EU. Auch möchte ich hervorheben, dass die Regierung von Belarus die selbst erklärte Souveränität der Regierungen von Südossetien und Abchasien nicht anerkennt. Dies sind positive Signale, die zweifelsohne auch das Ergebnis der Einstellung der Europäischen Union gegenüber Belarus sind.

Und darum geht es in unserem Entschließungsantrag: Wir haben es in Belarus noch immer mit Einschränkungen der Menschenrechte und der persönlichen Freiheit zu tun. Wir haben hier keine liberale Demokratie im europäischen Sinn. Ich stimme voll mit dem heute durch Kommissarin Ferrero-Waldner vorgestellten Szenario überein, dass eine dauerhafte Aufhebung der Sanktionen möglich ist, wenn Belarus Freiheit und Bürgerrechte ausweitet und seine Wirtschaft liberalisiert. Die zunehmende Präsenz der Europäischen Union in Belarus garantiert meiner Meinung nach eine stärkere Liberalisierung und Demokratisierung des Landes.

 
  
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  Der Präsident. − Ich möchte dem Abgeordneten mitteilen, dass an diesen Aussprachen immer ein Vertreter des Rats teilnimmt, dies ist also keine Besonderheit, auch wenn wir die Anwesenheit des stellvertretenden Premierministers Vondra selbstverständlich schätzen.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). - (PL) Herr Präsident! Die Beziehungen zwischen der EU und Belarus hängen von beiden Seiten ab. Dialoge, eine echte Politik der Nachbarschaft und eine Östliche Partnerschaft werden für beide Seiten Vorteile bringen. Eine Partnerschaft kann nicht auf Verboten und Sanktionen aufgebaut werden, daher stelle ich mit Freude fest, dass die jüngste Initiative der Europäischen Kommission auf eine Verbesserung der Beziehungen mit Belarus abzielte. Objektiv ist festzustellen, dass Belarus auch viel im Hinblick auf eine Annäherung unternommen hat. Dies beweist die Registrierung der Bewegung „Für die Freiheit“, die Zulassung von Druck und Vertrieb oppositioneller Zeitungen und die Öffnung des Landes für die Initiative der Östlichen Partnerschaft.

Die Erwartungen der Europäischen Union gehen noch weiter, und dafür gibt es klare Gründe, wie es auch Gründe für die zahlreichen Erwartungen seitens Belarus gibt. Wenn beispielsweise die Behörden in Belarus aufgefordert werden, die Praxis der Ausreisevisa für ihre Bürger, insbesondere Kinder und Studenten, zu beenden, warum vereinfacht und liberalisiert die Europäische Union dann nicht die Visaverfahren für die Bürger von Belarus? Diese Fragen sind besonders wichtig für die Einwohner von Grenzgebieten, die kulturelle und familiäre Verbindungen haben (...)

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Esther de Lange (PPE-DE). - (NL) Herr Präsident! Heute Abend sprechen wir über die EU-Politik im Hinblick auf Belarus, eine Politik, bei der die Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Ich möchte mich auf einen spezifischen Bereich konzentrieren, nämlich das Reiseverbot für Kinder, ohne jedoch die anderen relevanten Aspekte zu vernachlässigen, die heute Abend bereits erwähnt wurden. Wahrscheinlich wissen Sie, dass Kinder, Opfer des Unglücks von Tschernobyl, die Niederlande und andere EU-Länder über Jahre regelmäßig besucht haben, um sich von den Auswirkungen der Katastrophe zu erholen. Natürlich handelt es sich bei den Betroffenen um Kinder, die lange nach der Katastrophe geboren wurden – sie sind heute ungefähr so alt, wie ich war, als sich das Unglück vor 22 Jahren ereignete –, aber sie leiden noch immer tagtäglich an den Auswirkungen, wie die Statistiken für Schilddrüsenkrankheiten, Krebs usw. zeigen. Jahr für Jahr werden rund 30 000 belarussische Kinder in 21 Ländern von Gastfamilien, gemeinnützigen Organisationen und Kirchen empfangen.

Im Oktober 2008 wurde berichtet, dass Belarus die Reisen dieser Kinder mit einer Verordnung stoppen und Auslandsreisen dieser Kinder untersagen würde, was somit das Ende für die Weihnachtsferien bedeutet hätte. Teilweise unter dem Druck der Europäischen Union, des Europarates und verschiedener Außenminister, einschließlich unseres niederländischen Ministers Verhagen, wurde diese Verordnung für die Dauer vom 20. Dezember bis zum 20. Januar aufgehoben, so dass überhaupt einige Kinder Urlaub bei uns machen konnten, doch für die Zeit nach dem 20. Januar wurden keine Vorkehrungen getroffen. Es ist daher höchste Zeit, dass wir diese befristete Aufhebung in eine strukturelle, EU-weite Lösung überführen, damit belarussische Kinder und die europäischen Gastfamilien nicht mehr in Ungewissheit darüber gehalten werden, ob die Reisen fortgeführt werden können oder nicht. Idealerweise möchten wir dies im Namen aller Mitgliedstaaten auf einen Schlag legalisieren und nicht über 27 bilaterale Verhandlungen, wie es derzeit der Fall ist.

Mit unserer Entschließung möchten wir daher die tschechische Präsidentschaft auffordern, mit den belarussischen Behörden über eine EU-weite Lösung zu verhandeln.

 
  
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  Marianne Mikko (PSE). - (ET) Sehr geehrte Damen und Herren! Der Weg von Belarus in Richtung Europa muss von Dialogen und Kompromissen geprägt sein.

Die Belarus-Entschließung, die letztes Jahr verabschiedet wurde, betont die Notwendigkeit einer festen und an Bedingungen geknüpften, dabei aber positiven Politik. Die Fortschritte, die im Bereich Energie, Umwelt und Transport erzielt wurden, sind das Ergebnis dieser Arbeit.

Es gibt jedoch Probleme, die wir nicht übersehen dürfen. Demokratie ist entscheidend. Als Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen wir die Verfolgung der belarussischen Oppositionsführer, die Einschränkung der Pressefreiheit und der Redefreiheit und die Verletzung der Grundrechte der Bürger nicht hinnehmen. Ohne eine starke Zivilgesellschaft kann kein demokratisches Land funktionieren.

Daher müssen wir Organisationen umfassende Unterstützung bieten, die die Menschenrechte verteidigen, die Demokratie fördern und die Bürgerschaft des Landes mobilisieren.

Ich begrüße die Entscheidung der belarussischen Behörden, die Bürgervereinigung Für die Freiheit von Herrn Milinkewitsch zu registrieren. Dies ist jedoch erst der Anfang, da Naša Vjasna, die sich die Menschenrechte auf ihre Agenda geschrieben hat, und einige andere Organisationen, die sich der Entwicklung der Demokratie verschrieben haben, ebenfalls auf ihre Registrierung warten.

Und schließlich möchte ich über die Visaregelungen sprechen. Zwischen der Europäischen Union und Belarus muss ein Abkommen über Visaerleichterungen geschlossen werden. Die Straße nach Europa darf nicht versperrt sein. Teuere Visa und strenge Regulierungen bestrafen nicht das Regime, sondern die Bevölkerung. Ich habe dies wiederholt zum Ausdruck gebracht, und ich werde es heute erneut sagen. Lassen Sie uns als Europäer auf das belarussische Volk zugehen.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN). - (PL) Herr Präsident! Das Europäische Parlament hat wiederholt die Belarus-Frage angesprochen, wo es die letzte Diktatur des europäischen Kontinents gibt. Noch immer haben katholische Priester Probleme bei der Veranstaltung von Gottesdiensten, und die Rechte ethnischer Minderheiten werden nicht respektiert. Insbesondere wird die demokratisch gewählte Führung des Bundes der Polen in Belarus unter der Leitung von Angelika Borys nicht anerkannt. Festnahmen und Durchsuchungen der Büros von oppositionellen Aktivisten und Menschenrechtsaktivisten halten an. Unabhängige Journalisten werden noch immer verfolgt.

Dennoch finden Änderungen statt, wenn auch sehr langsam. Die Bewegung „Für die Freiheit“ wurde registriert, und zwei oppositionelle Zeitungen dürfen nun gedruckt und vertrieben werden. Der Außenminister von Belarus reagierte positiv auf die Initiative der Östlichen Partnerschaft und drückte sein Interesse an einer Teilnahme aus. Damit besteht für uns verhaltene Hoffnung auf eine Verbesserung des Klimas der gegenseitigen Beziehungen und die Erfüllung des Vorschlags der Kommissarin.

 
  
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  Colm Burke (PPE-DE). - Herr Präsident! Angesichts dessen, dass Außenbeziehungen eine der obersten Prioritäten für die tschechische Präsidentschaft darstellen, möchte ich die Präsidentschaft des Rates bitten, darzustellen, welche Schritte sie in Erwägung ziehen würde, um die belarussische Regierung dazu zu bringen, ihr internationales Reiseverbot für Kinder aufzuheben, die im Rahmen von Erholungsprogrammen in EU-Mitgliedstaaten reisen. Ich fordere die tschechische Präsidentschaft auf, eine europaweite Vereinbarung zu verhandeln, die es von dem Reaktorunglück in Tschernobyl betroffenen belarussischen Kindern erlaubt, in jeden beliebigen Mitgliedstaat der EU zu reisen.

Gemeinsam mit meinen Kollegen habe ich daher der aktuellen Entschließung des Europäischen Parlaments Ziffer 10 hinzugefügt. Im August letzten Jahres kündigte die belarussische Regierung an, Überseereisen zu verbieten, nachdem ein Kind sich weigerte, von einer Auslandsreise zurückzukehren.

Die irische Regierung schaffte es, eine Ausnahme zu erwirken, mit der Kinder dieses Jahr Weihnachten nach Irland reisen dürfen, doch viele andere Kinder benötigen noch immer Ausreisevisa, um Belarus zu verlassen und an Erholungsprogrammen teilzunehmen. Rund 1 000 irische Familien nehmen jeden Sommer und an Weihnachten belarussische Kinder auf, die oftmals auch einer medizinischen Begutachtung und in einigen Fällen einer medizinischen Behandlung unterzogen werden.

Zwar begrüße ich die Entscheidung der belarussischen Behörden, das Reiseverbot für verschiedene Opfer des Reaktorunglücks von Tschernobyl zeitweise aufzuheben, fordere die Präsidentschaft aber dennoch auf, den Druck aufrechtzuerhalten, so dass in naher Zukunft ein EU-weites Abkommen geschlossen werden kann, das belarussischen Kindern die Freiheit gibt, in jedes beliebige Land der EU zu reisen.

Ich habe Ihnen gegenüber, Frau Kommissarin, auch das internationale Reiseverbot angesprochen, und in Ihrer Antwort auf mein Schreiben sagten Sie, dass sowohl durch die Delegation der Europäischen Kommission in Minsk als auch kürzlich durch den stellvertretenden Generaldirektor der GD Außenbeziehungen im Rahmen des Besuchs in Minsk Anfang November Schritte unternommen worden sind. Ich möchte Sie fragen, ob Sie Neuigkeiten bezüglich des Standes der EU-Lobbyarbeit zur Aufhebung dieses repressiven Verbots haben.

 
  
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  Sylwester Chruszcz (UEN). - (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die schrittweise Wiederbelebung der Beziehungen zu Belarus und unsere Dialogbereitschaft gegenüber der Regierung sind ein Schritt in die richtige Richtung. Auch das heute von der tschechischen Präsidentschaft angekündigte Treffen des Rates mit einem Vertreter von Belarus im Rahmen eines diplomatischen Gipfels, der diesen Monat stattfinden wird, bewerte ich positiv.

Zudem bin ich erfreut über die Versuche, Belarus in die Initiative der Östlichen Partnerschaft einzubeziehen. Entscheidungen auf EU-Ebene sollten primär die Bürger von Belarus zu spüren bekommen, selbst wenn es sich um die Visapolitik handelt. Angesichts der derzeitigen Gaskrise in Europa muss hervorgehoben werden, dass sich Belarus im Hinblick auf den Gastransport in die Europäische Union als besonders stabiler Partner erwiesen hat. Ein konstruktiver Dialog und verbesserte bilaterale Beziehungen, die ganz klar auf den Prinzipien der Demokratie und des Respekts der Menschenrechte beruhen sollten, liegen im beiderseitigen Interesse.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Obgleich in Belarus positive Fortschritte erzielt wurden, müssen wir mit den Vertretern der belarussischen Opposition und mit unserem Freund Alexander Milinkewitsch in sehr engem Kontakt bleiben.

Europa sollte die wirtschaftliche Reform in Belarus unterstützen. Diese Unterstützung muss jedoch an spezifische Bedingungen und Anforderungen geknüpft sein. Hierzu zählt mehr Pressefreiheit. Die Medien müssen legal handeln und ihre Erzeugnisse im Land vertreiben können. Mehr Freiheit für die Gründung politischer Parteien und Nichtregierungsorganisationen ist für eine Demokratie von entscheidender Bedeutung.

Unsere heutige Aussprache zeigt auch, dass wir alle die Rückkehr eines demokratischen Belarus nach Europa wünschen, jedoch ohne Lukaschenko. Wenn die EU in die Förderung demokratischer Werte eingebunden wird, dann hat sie eine gute Chance, Belarus für sich zu gewinnen und von der russischen Umklammerung zu befreien.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach Jahren komplizierter Beziehungen sehen wir nun mit der Anerkennung der Bewegung unter der Führung von Herrn Milinkewitsch, der Genehmigung verschiedener nicht regierungstreuer Zeitungen und den ersten Zeichen der Bereitschaft, über die Empfehlungen von OSZE/BDIMR zu sprechen, einige vorsichtige Schritte in die richtige Richtung. Der verbleibende Weg ist jedoch nicht nur lang, sondern extrem lang.

Wir hoffen, dass in den Beziehungen zwischen der EU und Belarus eine neue Passage eröffnet werden kann; die Geschichte von Abgeordneten unserer Delegation, denen Visa verweigert wurden, ist sehr unangenehm, und wir hoffen auch, dass dies nunmehr nur noch eine unschöne Erinnerung ist. Wie Herr Burke fordere ich bei den kommenden gemeinsamen Treffen das Engagement von Kommission und Rat hinsichtlich eines Punktes: Einer klaren, gemeinsamen Definition von Regeln für Gesundheitsaufenthalte belarussischer Kinder in europäischen Familien. In den letzten Jahren hat Belarus dieses Thema oft, zu oft, oberflächlich oder inflexibel behandelt und damit den Gastfamilien und leider auch den Kindern und Jugendlichen, die an Hilfs- und Solidaritätsprojekten teilnehmen, einen Schlag ins Gesicht erteilt.

 
  
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  Călin Cătălin Chiriţă (PPE-DE) . – (RO) Ich begrüße die Erklärung von Rat und Kommission und stimme zu, dass das autoritäre Regime von Lukaschenko genau überwacht werden muss. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass wir eine langfristige Vision für die Zukunft von Belarus nach Lukaschenko benötigen, die auf Demokratie und Wohlstand basiert.

Die Europäische Union muss eine intelligente Strategie im Hinblick auf das belarussische Volk und die belarussische Gesellschaft verfolgen, nicht nur im Hinblick auf die vorübergehende Regierung in Minsk. Die Geschichte hat gezeigt, dass Isolation und externe Sanktionen dazu beitragen, Diktaturen zu stützen. Wir sollten das Gegenteil unternehmen: den Belarussen weitestgehende Möglichkeiten für ein Studium und kurzfristige Arbeitsaufenthalte in der Europäischen Union und für Reisen in die Europäische Union einräumen, um mit europäischen Werten und unseren wirtschaftlichen und kulturellen Errungenschaften in Kontakt zu kommen. Dies ist die einzige Möglichkeit, um den Appetit dieser Menschen auf unsere Werte anzuregen und den Übergangsprozess, den das Land durchschreiten wird, zu erleichtern.

Abschließend möchte ich Herrn Fiore mitteilen, dass das Erscheinen der Kandidaten während der Wahlkampagne im Fernsehen keine Bedeutung hat, da, wie schon Stalin sagte, allein die Person entscheidend ist, die die Stimmen auszählt.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). - (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Minister! Alle Teilnehmer dieser Plenarsitzung möchten, dass Belarus die Prinzipien der Demokratie, der Menschenrechte, der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit einhält und die gewaltsame Verfolgung eigener Bürger und ethnischer Minderheiten stoppt. Leider ist die Liste mit unseren Forderungen relativ lang, und es scheint unwahrscheinlich, dass diese in naher Zukunft alle erfüllt werden. Wir können den Kampf für die Werte, auf denen die Europäische Union basiert, nicht einstellen.

Die Politik der Sanktionen gegen Belarus hat als Fiasko begonnen. Hoffen wir, dass eine Änderung der politischen Strategie der EU gegenüber Minsk zum Erfolg führt. Angesichts der Tatsache, dass die Parlamentswahlen im Herbst 2008 durch Lukaschenko manipuliert wurden, wird das jedoch nicht einfach.

Der Hauptweg zur Demokratisierung der belarussischen Gesellschaft führt über Bildung, freie Presse und Kontakte zwischen Bürgern der EU und Bürgern aus Belarus. Wir müssen ein Sonderprogramm für Stipendien auflegen, mit denen junge Menschen aus Belarus in der Europäischen Union studieren können, was enormen Nutzen für die Zukunft bringen wird.

 
  
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  Flaviu Călin Rus (PPE-DE) . – (RO) Vor uns liegen drei Entschließungsanträge, nämlich vom 21. Mai, vom 9. Oktober und vom 7. Januar. Im Hinblick auf die Erklärungen der Mitglieder der Europäischen Union sind Fortschritte ersichtlich.

Natürlich berücksichtige und unterstütze ich jegliche Erklärung, die zu mehr Demokratie in einem beliebigen Land führt, umso mehr jedoch, wenn es sich um ein Nachbarland wie Belarus handelt. Ich denke, dass zwei sehr wichtige Dinge erforderlich sind, wie meine Kollegen bereits zuvor erwähnt haben. Wir könnten diese Schritte jedoch auch einfach zur Unterstützung des gegenseitigen Vertrauens und zur Steigerung der Transparenz ergreifen. Erstens müssen wir Reife zeigen und es den Bürgern aus Belarus leichter machen, in die Europäische Union zu reisen und mit den Werten der Europäischen Union in Kontakt zu kommen, mit dem, wofür die Europäische Union steht, mit der Politik der Europäischen Union und allem, was wir vertreten. Zweitens muss Belarus schnellstmöglich ein Staat werden, in dem es keine politischen Gefangenen mehr gibt. Dies ist eine absolut einfache Geste, die Präsident Lukaschenko zeigen könnte.

 
  
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  Der Präsident. − Es ist Zeit für eine Zusammenfassung der Aussprache. Ich bitte Vizepremierminister Vondra um eine Zusammenfassung.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Ich möchte versuchen, diese Aussprache im Namen des Rates zusammenzufassen.

Zunächst denke ich, dass wir eine inhaltlich sehr interessante Aussprache geführt haben, die bestimmt einen guten Beitrag für unsere gemeinsame Arbeit geleistet hat. Ich möchte betonen, dass wir im Rat das Interesse und das aktive Engagement des Europäischen Parlaments zum Thema Belarus schätzen. Ich denke, dass dies besonders hilfreich ist, um einerseits den Druck im Hinblick auf Menschenrechtsprobleme aufrechtzuerhalten und andererseits diesen strategischen Ansatz nicht zu verlieren. Besonders möchte ich den polnischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments für ihre Beiträge danken – sei es Jacek Protasiewicz, Janusz Onyszkiewicz oder Józef Pinior. Ich denke, dass wir aufmerksam zuhören.

Lassen Sie mich die Aussprache nun vielleicht in drei Punkten zusammenfassen. Erstens, zum Thema Visagebühren, die viele von Ihnen zur Sprache gebracht haben. Dies ist ein Problem, dessen wir uns besonders bewusst sind. Selbst wenn wir im letzten Jahr in unseren nationalen Funktionen gesprochen haben, hatten wir zu diesem Punkt immer viel zu sagen. Um es deutlich auszudrücken: Wir sehen Belarus als Teil von Europa, und wir sind uns der Probleme bewusst, die den Bürgern von Belarus durch die Erhöhung der Visagebühren entstehen. Um negative Folgen im Hinblick auf persönliche Kontakte zu vermeiden, wird die tschechische Präsidentschaft die Mitgliedstaaten weiterhin ermutigen, die Flexibilität zu nutzen, welche die jeweiligen Bestimmungen des Besitzstandes bieten. Die Präsidentschaft wird auch eine stärker kohärente Anwendung der bestehenden Regeln durch die Mitgliedstaaten fördern. Wenn die bestehende positive Dynamik beibehalten und durch weitere wesentliche Schritte seitens Belarus im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gestärkt wird, so dass das Land an der ENP und der künftigen Östlichen Partnerschaft teilnehmen kann, dann sollte schließlich auch ein Visadialog ins Auge gefasst werden.

Im Hinblick auf die Tschernobyl-Kinder, die von einigen unter Ihnen angesprochen wurden, kann ich Ihnen versichern, dass wir den Druck aufrechterhalten werden. Wir haben die Maßnahmen unterstützt, die die französische Präsidentschaft in diesem Zusammenhang ergriffen hat, einschließlich der Demarche vom 3. Dezember letzten Jahres. Die Bemühungen der EU haben schlussendlich zu einer befristeten Aufhebung des Präsidialdekrets Nr. 555 geführt, das ein Verbot dieser Reisen vorsah. Das und auch die bilateralen Abkommen, die Anfang Dezember zwischen Irland und Belarus im Hinblick auf zukünftige Erholungsaufenthalte von Kindern geschlossen wurden, die von dem Reaktorunglück in Tschernobyl betroffen sind, waren eine willkommene Entwicklung. Wir sind uns dessen bewusst, dass das generelle Problem noch lange nicht gelöst ist. Die tschechische Präsidentschaft wird die Angelegenheit verfolgen und gegebenenfalls weitere erforderliche Schritte im Namen der EU ergreifen, und sie wird dieses Thema bei unseren Gesprächen mit den Behörden in Minsk weiterhin anschneiden.

Schließlich wird Belarus auch in den kommenden Monaten angesichts der Überprüfung der Sanktionen und im Kontext der zukünftigen Östlichen Partnerschaft ganz oben auf unserer Agenda stehen. Schon der Entschließungsantrag zum Thema Belarus, der nach den Wahlen vom 28. September angenommen wurde, hat zu Fortschritten geführt, und so hoffen wir, dass wir während unserer Wahlperiode auch weiterhin auf Ihre Unterstützung zählen können.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Ich habe festgestellt, dass eine breite Mehrheit die gleiche Meinung vertritt wie wir. Dies bedeutet, dass wir Belarus über die Europäische Nachbarschaftspolitik die Möglichkeit geboten haben, näher an die Europäische Union heranzurücken. Wir haben im Prinzip einen Schattenaktionsplan angeboten. Zudem haben wir die Möglichkeit geboten, zum richtigen Zeitpunkt der Östlichen Partnerschaft beizutreten – natürlich nur, wenn die Bedingungen dies zulassen.

Angesichts dessen möchte ich auf einige der konkreten Punkte eingehen, die Sie angesprochen haben. Zunächst zum Thema Finanzkrise: Belarus hat den Auswirkungen der Finanzkrise und der steigenden Gaspreise in den Jahren 2007 und 2008 bisher relativ gut standgehalten, was an der sehr begrenzten Integration in die Weltwirtschaft und den erheblichen Darlehen von Russland, China und Venezuela liegt. Jetzt musste das Land, wie ich glaube Herr Belder ganz richtig gesagt hat, den IWF um ein Bereitstellungsdarlehen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro bitten und im Rahmen dessen seine Währung abwerten, um den negativen Auswirkungen der Krise entgegenzuwirken. Da die Wirtschaft und die Industrie des Landes nach wie vor nicht reformiert wurden und unstrukturiert sind, erwarten wir ein Anhalten der negativen Tendenzen und infolgedessen negative gesellschaftliche Auswirkungen. Sie haben also Recht – dies ist ein wichtiger Faktor.

Im Hinblick auf das Kernkraftwerk und die Sicherheitsfragen möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir in unserem technischen Dialog zum Thema Energie, den wir mit Belarus führen, insbesondere auch sicherstellen, dass dieses Land die internationalen Sicherheitsnormen einhält. Wir könnten sagen, dass Belarus sehr aktiv mit der IAEO in Wien zusammenarbeitet und der Kommission mit bemerkenswerter Offenheit Informationen zu diesem Prozess vorgelegt hat.

Ich möchte jedoch auch noch auf die Frage der Visagebühren zu sprechen kommen. Wie ich in meiner ersten Anmerkung gesagt habe, wissen Sie, dass wir bereit wären, einen Beitrag zu der Verhandlung zu leisten, sobald der Rat ebenfalls seine Bereitschaft signalisiert, den Versuch zu unternehmen, alle Mitgliedstaaten von der Möglichkeit eines kompletten Visaabkommens und Rückübernahmeabkommens zu überzeugen. Nach dem Besuch meines stellvertretenden Generaldirektors, Herrn Mingarelli, in Minsk kann ich Ihnen mitteilen, dass es derzeit keine neuen Entwicklungen in dieser speziellen Frage gibt. Ich kann nur sagen, dass Visagebühren und die Visa für Kinder von dem jeweiligen Land abhängen. Derzeit gibt es noch kein allgemeingültiges Abkommen. Auch das müsste durch die Kommission verhandelt werden.

 
  
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  Der Präsident. − (PL) Ich habe fünf Entschließungsanträge erhalten(1), die gemäß Regel 103(2) der Geschäftsordnung eingebracht wurden.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt am Donnerstag, den 15. Januar 2009.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Wir haben kürzlich über das politische Tauwetter in Belarus gesprochen. Die Oppositionsbewegung „Für die Freiheit“ von Alexander Milinkewitsch wurde endlich registriert. Belarus hat seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, an der Östlichen Partnerschaft teilzunehmen. Selbst Washington hat gesagt, dass sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verbessert haben. Ist jetzt die Zeit, um die Beziehungen zu Belarus aufzuwärmen und das Eis zu brechen? Ich wünschte, es wäre so, doch wir müssen bedenken, dass Präsident Lukaschenko ein scharfer, hartgesottener Politiker ist.

Wir haben in Europa erst kürzlich ein „politisches Tauwetter“ verzeichnet, und ich möchte nur darauf hinweisen, dass dieser Wandel immer zu Enttäuschung geführt hat.

Die Art und Weise, wie wir die EU-Politik im Osten in den kommenden Monaten gestalten, wird außerordentlich wichtig sein. Lukaschenko hat klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich dem Druck des Westens nicht beugen wird, und in Verhandlungen mit Medwedew zu einer Senkung der Gaspreise hat er erklärt, dass sich Belarus gegenüber Russland nicht verpflichtet fühlen möchte.

Es ist offensichtlich, dass Belarus an zwei Fronten kämpft. Wir müssen weiterhin vorsichtige und überlegte Verhandlungen führen, so dass wir uns nicht von Änderungen täuschen lassen, die am Ende nur vorübergehend sind. In Angelegenheiten, die für die EU von strategischer Bedeutung sind, müssen wir unnachgiebig sein, indem wir eine zielgerichtete Politik der Unterstützung zur Entwicklung einer Zivilgesellschaft und einer Opposition in Belarus verfolgen, wo oppositionelle Aktivisten noch immer verfolgt und ausländische Kleriker noch immer ausgewiesen werden. Die EU kann die Tatsache, dass die Behörden in Belarus weiterhin Bürgerrechte und Menschenrechte verletzen, nicht ignorieren.

 
  

(1) Siehe Protokoll

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