Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt eine kurze Darstellung des Berichts (A6-0513/2008) von Herrn Schröder im Auftrag des Entwicklungsausschusses über die Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) (2008/2170(INI)).
Jürgen Schröder, Berichterstatter. – (DE) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen auf die Entwicklung. Das Wort „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ hat im Deutschen acht Silben. Es ist ein schreckliches Wort, und es werden sich sicherlich wenige Menschen in Deutschland mit diesem Thema beschäftigen, obwohl es eines der wichtigsten Themen für die nächsten Jahre sein wird. Worum geht es hierbei?
Im Vertrag von Cotonou wurde festgelegt, dass bis zum Ende des Jahres 2007 Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten abgeschlossen sein sollten. Der Hintergrund war der, dass sich Entwicklungsländer, die nicht zu den AKP-Staaten gehörten und gehören, bei der WTO beschwert hatten, dass die Europäische Union den AKP-Staaten besondere Vergünstigungen einräumte.
Es ist nunmehr gelungen, zumindest in einem Teil der Karibik ein solches Wirtschaftspartnerschaftsabkommen einzurichten, das, wie ich hoffe, ein Erfolg werden wird. In meinem Bericht heißt es, dass diese Abkommen eine neue Basis für die Entwicklungszusammenarbeit bilden werden. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht darum, die Bereiche Handel und Entwicklung, das heißt Handels- und Entwicklungspolitik, miteinander zu verknüpfen. Natürlich gibt es auch Friktionen, und die hat es insbesondere hier im Parlament zwischen unserem Ausschuss, dem Ausschuss für regionale Entwicklung und dem Ausschuss für internationalen Handel gegeben. Es ging insbesondere um die Vereinbarkeit dieser Abkommen mit den Regelungen der Welthandelsorganisation und insbesondere um die Frage der parlamentarischen Kontrolle.
Ich hatte ursprünglich zwei Absätze – die Absätze 5 und 17 – in meinem Bericht, die sich um die Frage der parlamentarischen Kontrolle drehten. Auf Wunsch, auf Bitten, auf Anraten des Vorsitzenden des Ausschusses für internationalen Handel habe ich diese beiden Absätze ersatzlos gestrichen und einen Alternativberichtsentwurf mit diesen Streichungen über den am Donnerstag abgestimmt wird. Abgesehen von den Streichungen ist mein Berichtsentwurf identisch mit dem ersten. Er schildert die Chancen und auch die Gefahren der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, aber insbesondere betont er das Potenzial der positiven Auswirkungen dieser Abkommen auf die Menschen in den Ländern.
Bevor ich zum Schluss komme, Herr Präsident, lassen Sie mich bitte noch eines sagen: Es wird von einigen Kollegen in diesem Haus immer wieder darauf hingewiesen, dass die Menschen in den AKP-Staaten zu wenig Zeit gehabt hätten, diese Abkommen abzuschließen. Das ist nicht wahr. Man hatte immerhin von 2000 bis 2007 Zeit, man hat auch noch ein Jahr länger Zeit gehabt bis 2008, wir haben immer noch Zeit. Es geht aber nicht darum, den Menschen in diesen Staaten zu sagen, sie können das irgendwann einmal machen, sondern die Zeit drängt. Es ist im Interesse der Menschen in den AKP-Staaten, und deshalb bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, am Donnerstag meinem Bericht zuzustimmen, auch die, die ursprünglich beabsichtigten, diesen Bericht abzulehnen. Es geht hier nicht um eine Kontroverse zwischen Rechts und Links, es geht darum, den Menschen in den AKP-Staaten zu helfen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, und sie in absehbarer Zeit zu gleichberechtigten Partnern im internationalen Handel zu machen.
Viviane Reding, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, die Kommission begrüßt den Bericht von Herrn Schroeder, der einen ausgewogenen Überblick über die diversen Meinungen zu den Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) auf die Entwicklung gibt.
Das Dossier wird weiter fortgeführt. Wir haben ein vollständiges Partnerschaftsabkommen mit dem Karibikraum unterzeichnet, während wir mit Ländern und Regionen in Afrika und dem Pazifikraum Interimsabkommen ausgehandelt haben. Diese Interims-WPA sehen ein Handelsregime vor, das mit den WTO-Vorschriften vereinbar ist, und sie wahren wichtige Handelspräferenzen für diese Länder. Die Interimsabkommen sind nur vorläufiger Natur, die durch vollständige regionale WPA ersetzt werden. Das Tempo dieser Verhandlungen wird von den betreffenden Regionen selbst bestimmt, um sicherzustellen, dass diese Ziele und die Abdeckung auf ihre eigenen Integrationsprozesse, Fähigkeiten, Bedürfnisse und politischen Prioritäten abgestimmt werden.
Parallel dazu gab es Fortschritte bei der Planung des 10. Europäischen Entwicklungsfonds. Die meisten der regionalen und nationalen Programme sind unterzeichnet. Im Vorgriff auf die WPA beinhalten diese Programme beträchtliche Unterstützungen, mit denen unseren afrikanischen, karibischen und pazifischen Partnern (AKP) geholfen werden soll, das meiste aus den Abkommen herauszuholen: direkte Unterstützungen bei der Umsetzung der Abkommen und indirekte Unterstützungen zum Aufbau der Infrastruktur und der Produktionskapazität.
Die Kommission erkennt die bedeutende Rolle der Entwicklungsfinanzierung an. Gleichzeitig begrüßen wir die Tatsache, dass der Bericht anerkennt, dass die Entwicklungsziele und die Ergebnisse der Abkommen ein weitaus breiteres Thema sind als eine reine Finanzierungsunterstützung. Auch erkennen wir die wichtige Rolle von Reformen in den AKP-Regionen für die Erreichung der Entwicklungsziele an, wie in Absatz 14 des Berichts beschrieben. Dies schließt Steuerreformen und Änderungen der Steuersysteme ein. Die Reformen gleichen Verschiebungen im Steueraufkommen aufgrund der Liberalisierung aus und sind selbst wichtige Schritte zur Sicherstellung einer nachhaltigen öffentlichen Finanzierung in den AKP-Ländern.
Ein weiteres wesentliches Ziel ist die Unterstützung einer regionalen wirtschaftlichen Integration in den AKP-Ländern. Die Interims-Abkommen decken noch nicht alle AKP-Länder ab. Eben darum sind diese Abkommen nur vorläufig, bis vollständige Abkommen abgeschlossen werden. Die vollständigen Abkommen werden flexibel und umfassend sein.
Der Aufbau der Kapazität auf der Anbieterseite für den Handel und das Engagement in den Güter- und Dienstleistungssektoren unterstreichen den wirtschaftlichen Wert eines Handelsabkommens. Die Kommission vertritt die Ansicht, dass Protektionismus nie eine akzeptable Option der Politik ist. Allerdings erkennen wir an, dass der Schutz – der rechtmäßige Einsatz von Maßnahmen zum Schutz anfälliger Sektoren und der aufstrebenden Industrie – durchaus ein akzeptables und wesentliches politisches Instrument ist. Aus diesem Grund beinhalten die WPA alle Formen der Flexibilität, insbesondere Ausschlüsse und asymmetrische Verpflichtungen für die AKP-Seite, wie sie im Bericht genannt werden. Auf EU-Seite sind unsere Märkte für AKP-Produkte uneingeschränkt offen und es gibt eine zunehmende Kooperation zur Erfüllung technischer und Gesundheitsstandards und zur Erleichterung des Handels. Die AKP-Länder werden ihre Märkte erst mit der Zeit öffnen, mit der Möglichkeit, Ausnahmen beizubehalten.
Die Kommission rechnet nicht damit, dass unser Engagement für den WPA-Prozess mit einer Ratifizierung endet. Dies ist der Beginn eines Prozesses eines verstärkten Dialogs sowie einer sorgfältigen Umsetzung, Überwachung und Beurteilung der Auswirkungen, insbesondere der Auswirkungen auf die Entwicklung. Für all dies werden die etablierten Institutionen in Anspruch genommen, um das Abkommen umzusetzen, damit Transparenz und die Beteiligung der Parlamentarier und der Zivilgesellschaft gewährleistet werden kann.
Daher begrüßt die Kommission den Bericht von Herrn Schröder, und sie wird in einem angemessenen Zeitrahmen detailliert auf die diversen Punkte reagieren.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Kader Arif (PSE), schriftlich. – (FR) Am Donnerstag wird das Parlament sein Urteil über Herrn Schröders Bericht über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) abgeben. Ich wäre extrem enttäuscht, wenn die erste Abstimmung unserer Institution über dieses äußerst technische und hochgradig politische Thema (seit die gesamte Zukunft unserer Beziehungen mit den AKP-Staaten auf dem Spiel steht) zur Annahme des Berichts von Herrn Schröder führen würde. Die PSE-Fraktion im Europäischen Parlament wird nicht für diesen Text stimmen, da er in keinster Weise die Bedenken der Europäer und unserer AKP-Partner über die WPA und die Art ihrer Aushandlung zum Ausdruck bringt.
Im Gegensatz zur Position des Berichterstatters hat die PSE-Fraktion einen Entschließungsantrag vorgelegt und wird für diesen stimmen, der die Entwicklung wieder in den Mittelpunkt der WPA-Prioritäten rücken wird, der die Liberalisierung der öffentlichen Dienste und Verhandlungen über die Singapur-Themen oder über Themen, die nicht den Wünschen der AKP-Staaten entsprechen, ablehnt, der die regionale Integration fördert, der für hohe finanzielle Unterstützungen plädiert, um die Wirtschaft der AKP-Staaten auf Standardniveau zu bringen, und der die speziellen Merkmale und Schwächen dieser Länder berücksichtigt, ganz gleich, ob es sich dabei um kaum entwickelte oder andere Länder handelt.
Dies sind die Konditionen, die die WPA zu akzeptablen Abkommen machen würden. Bedauerlicherweise sind wir noch sehr weit davon entfernt.