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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : O-0007/2009

Eingereichte Texte :

O-0007/2009 (B6-0007/2009)

Aussprachen :

PV 03/02/2009 - 15
CRE 03/02/2009 - 15

Abstimmungen :

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 3. Februar 2009 - Straßburg Ausgabe im ABl.

15. Recht auf Teilnahme an den Kommunalwahlen für Nichtbürger in Lettland (Aussprache)
Video der Beiträge
Protokoll
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  Der Präsident. − Der nächste Punkt ist die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission zum Recht auf Teilnahme an den Kommunalwahlen für Nichtbürger in Lettland von David Hammerstein für die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz, Alexandra Dobolyi für die sozialistische Fraktion im Europäischen Parlament, Willy Meyer Pleite für die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke und Marian Harkin für die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (O-0007/2009 - B6-0007/2009).

 
  
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  David Hammerstein, Verfasser. (ES) Sehr geehrter Herr Präsident, es gibt einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, der das Konzept des „Nichtbürgers“ verwendet, um hunderttausende Menschen, die in diesem Land leben, so zu bezeichnen. Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen wurde in diesem Land geboren, arbeitet in diesem Land, und wird dennoch mit dem Beinamen „Nichtbürger“ versehen. Das ist eine Fehlentwicklung in der Europäischen Union.

Das ist eine Fehlentwicklung, weil die Europäische Union auf dem Konzept der Nichtdiskriminierung basiert, auf dem Gleichheitsprinzip, das in diesem Land heute negiert wird: es erkennt die Rechte dieser Menschen nicht an und unterwirft eine Gruppe allein aufgrund ihrer ethnischen Herkunft einer historischen Diskriminierung. Das ist inakzeptabel.

Wir haben im Petitionsausschuss einige Fälle untersucht. Der erste Fall war der eines Mannes, der kam und sagte: „Ich durfte zum ersten Mal wählen, als ich in Deutschland studierte. Ich durfte an den Kommunalwahlen in Deutschland teilnehmen, aber in meinem eigenen Land durfte ich nicht wählen, weil ich dort nicht anerkannt werde. Ich habe keinen anderen Pass. Ich habe kein anderes Land. Ich habe nur dieses Land und ich kann nicht wählen.“ Das ist eine Fehlentwicklung.

Wir haben im Petitionsausschuss einen weiteren Fall verhandelt. Er betraf einen Mann, der die Sprachprüfungen in Lettland bestanden hatte, der alle Gesetze kennt, und der dennoch nicht die Staatsbürgerschaft erhält, weil der Staat die Ansicht vertritt, dass – und ich wiederhole, was der Botschafter zu uns sagte – „dieser Mann dem Staat gegenüber nicht loyal ist“. Wie ist das möglich? Wie ist es möglich, dass diese Situation auf 20 bis 25 % der Bevölkerung eines Mitgliedslandes der Europäischen Union zutrifft?

Wir fordern, dass die Grundrechte der Menschen respektiert werden, und dass alle auf die Situation aufmerksam gemacht werden, angesichts der Tatsache, dass einige Länder der Europäischen Union beigetreten sind, ohne die Kopenhagen-Kriterien zu erfüllen. Wir fordern außerdem, auf die Kommission Druck auszuüben, da die Europäische Kommission bis jetzt nur Schwäche und vollkommenes Desinteresse oder fehlende Anteilnahme gezeigt hat.

 
  
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  Alexandra Dobolyi, Verfasser. − Sehr geehrter Herr Präsident, es ist traurig zu beobachten, dass Lettland heute, fast fünf Jahre nach der Erweiterung, keine Anzeichen dafür erkennen lässt, dass es seine größte Minderheit respektiert. Die Empfehlungen des Europäischen Parlaments und zahlreicher anderer institutioneller Organisationen wurden vollständig ignoriert.

Ein großer Teil der Bevölkerung Lettlands wurde dem Staat und seinen Institutionen entfremdet. Es ist nicht verwunderlich, dass die Einbürgerungsquote niedrig ist. Wenn Menschen zu Fremden gemacht werden und einen fremden Pass erhalten, entwickeln sie wohl kaum ein Gefühl der Verbundenheit mit dem Staat. Sie partizipieren nicht. Sie treffen keine Entscheidungen. Sie wählen nicht, nicht einmal in den Städten, in denen sie bis zu 40 % der Bevölkerung stellen und politische Entscheidungen sich direkt auf ihr Leben auswirken.

Ist diese Situation für die Europäische Union gut oder schlecht? Das ist eine Frage an die Kommission und an den Rat. Die Demokratie kann ohne Zivilgesellschaft nicht gedeihen, und es gibt keine Zivilgesellschaft ohne Teilhabe. Teilhabe beginnt auf lokaler Gemeinschaftsebene.

Diese Menschen wurden in dem Land geboren oder haben den größten Teil ihres Lebens hier verbracht, und die Rede ist hier von mehr als 15 % der Bevölkerung Lettlands, bzw. von ca. 372 000 Menschen. Die EU muss etwas für sie tun. Warum handelt die Kommission in dieser Sache nicht? Bürger aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die in Lettland leben, dürfen wählen und sich bei den Kommunalwahlen und bei der Wahl des Europäischen Parlaments selbst zur Wahl stellen, aber hunderttausende Menschen, die in diesem Land geboren wurden oder den größten Teil ihres Lebens dort verbracht haben, genießen dieses Recht nicht.

Ich möchte die Kommission und den Rat fragen, was sie unternommen haben, um mit den lettischen Behörden über dieses Thema zu sprechen, und sie bitten, ohne Verzögerung weitere Schritte einzuleiten.

 
  
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  Willy Meyer Pleite, Verfasser. (ES) Sehr geehrter Herr Präsident, meine Fraktion, die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke, hat nicht gezögert, diese Anfrage an die Kommission zu stellen, als wir während verschiedener Sitzungen im Petitionsausschuss auf die Situation aufmerksam wurden, in der sich viele Bürger in Lettland befinden.

Mitglieder der Kommission, Herr Kommissar, es ist inakzeptabel, dass wir im 21. Jahrhundert in der Europäischen Union noch Fälle der Segregation von Bürgern erleben. Das stimmt nicht mit der Europäischen Union, ihren Grundsätzen oder ihren Werten überein. In einem Staat, der seit 2004 zur Europäischen Union gehört und der über nur 2,5 Millionen Einwohner verfügt, ist derzeit ein Gesetz in Kraft, das eine halbe Million Menschen einfach an der Ausübung ihrer bürgerlichen Rechte hindert.

Diese Menschen werden als Nichtbürger bezeichnet. Sie haben einen schwarz gefärbten Pass und werden aus diesem Grund auch „Schwarze“ oder „Auberginen“ genannt. Sogar die Verwaltung selbst, der Staat, die Regierung bezeichnen sie so und als Bürger können sie ihr legitimes Recht zu wählen oder sich wählen zu lassen, nicht ausüben.

Wir glauben daher, dass die Europäische Kommission starken Druck auf die Regierung ausüben sollte, damit sie ihre Weigerung aufgibt, die zahlreichen Empfehlungen zu befolgen, die sie von verschiedenen Institutionen erhalten hat, wie zum Beispiel von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, vom Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung, von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, vom Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates, vom Kommissar für Menschenrechte des Europarates, und schließlich die Empfehlung, die dieses Parlament in seiner Aussprache zum Beitritt Lettlands in der Entschließung vom 11. März vorgebracht hat, in der eindeutig festgehalten wurde, dass für dieses Problem der Segregation und für das Problem der Bürger, die nachweisen müssen, ob sie vor 1940 geboren wurden, eine echte Lösung gefunden werden muss. Das ist ganz einfach nicht akzeptabel.

Ich glaube nicht, dass das toleriert werden sollte. Wir können in der Europäischen Union nicht koexistieren, solange diese Situation andauert. Daher halten wir es für sehr wichtig, dass die Kommission, die Behörden der Europäischen Union und wir alle Vorschläge im gleichen Sinne machen, um diese Situation zu beenden.

Zu diesem Zweck erwartet unsere Fraktion, dass die Kommission konkrete Vorschläge zu der Frage macht, die wir in dieser Aussprache gestellt haben. In Hinblick auf die Sprache bereitet uns außerdem die Tatsache Sorge, dass gemäß den neuen Vorschriften − und es gab Studentendemonstrationen letztes Jahr − 60 % des Lehrplans auf Lettisch zu halten sind, was eine eindeutige Diskriminierung der russischen Sprache darstellt.

Ich glaube mich zu erinnern, dass es während der Diktatur Francos in meinem Heimatland Spanien verboten war, Baskisch, Katalanisch oder Galizisch zu sprechen. Diese Sprachen waren einfach verboten. Heute ist es so, dass sie neben dem Spanischen ebenfalls offizielle Sprachen sind. Ich glaube, dass dies eine Situation ist, die allgemein durchgesetzt werden sollte, so dass es schließlich keine Bürger der Europäischen Union mehr gibt, die daran gehindert werden, sich in ihrer Muttersprache zu artikulieren, in ihrer eigenen Sprache, die den gleichen offiziellen Status wie alle anderen Sprachen erhalten sollte, die in diesem Staat verwendet werden können.

Ich rufe daher die Kommission auf, ein für alle Mal dynamisch vorzugehen, um die Segregation zu beenden, die in diesem Mitgliedsland der Europäischen Union stattfindet.

 
  
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  Christopher Beazley (PPE-DE). – Sehr geehrter Herr Präsident, ein Hinweis zur Geschäftsordnung: Die Mitglieder dieses Hauses haben unterschiedliche Ansichten zu den debattierten Fragen, Sie als unser Präsident haben jedoch das Recht und in der Tat auch die Pflicht, Kollegen darin zu beraten, in welcher Art sie ihre Ansichten ausdrücken können, die auszudrücken sie das Recht haben.

Ich glaube, der letzte Beitrag enthielt Elemente, die einer Diffamierung einer Regierung der Europäischen Union ziemlich nahekommen. Dagegen möchte ich meine Einwände vortragen. Ich denke, wenn wir unsere Geschäftsordnung betrachten, ist den Mitgliedern bei einer ordnungsgemäßen Durchführung von Debatten in diesem Haus nicht gestattet, eine solche Ausdrucksweise zu verwenden, wie wir sie eben gehört haben.

 
  
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  Der Präsident. − Da ich die Rede des Mitglieds nicht so interpretiert habe, wie Sie eben, habe ich die Befugnisse, die mir gemäß der Geschäftsordnung übertragen sind, nicht ausgeübt.

 
  
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  Willy Meyer Pleite (GUE/NGL).(ES) Sehr geehrter Herr Präsident, da ich erwähnt worden bin, möchte ich betonen, dass ich zu jedem einzelnen Wort stehe, das ich gesagt habe.

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission.(FR) Sehr geehrter Herr Präsident, eben wurde das Beispiel Spaniens angesprochen, aber es ist in der Tat der spanische Staat, der sich dann wirklich mit dem Problem befasst hat.

Die Kommission ist sich der besonderen Umstände bewusst, in denen sich die russischsprachige Minderheit in Lettland befindet. Im Rahmen der Planungen vor dem Beitritt wurden große Anstrengungen unternommen, um die Einbürgerung und Integration dieser Menschen zu fördern, in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit Europa und des Europarates.

Die Kommission hat wiederholt betont, dass alle Beteiligten, einschließlich der Minderheit selbst, ihren Beitrag zu diesem komplexen Prozess leisten und Lösungen vorschlagen müssen.

In Hinblick auf das besondere Problem der Teilnahme an den Kommunalwahlen für Nichtbürger in Lettland muss gesagt werden, dass der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft an Wahlrechten lediglich die Teilnahme von EU-Bürgern an den Europäischen und an den Kommunalwahlen in dem Mitgliedstaat, in dem sie wohnhaft sind, garantiert, auch wenn sie keine Angehörigen dieses Staates sind.

Die Teilnahme an Wahlen von Personen, die keine Angehörigen eines EU-Landes und somit keine EU-Bürger sind, ist ein Thema, das vom Gemeinschaftsrecht nicht erfasst ist.

Die Kommission kann daher nicht mit Lettland über das Problem der Teilnahme dieser Menschen an den Kommunalwahlen sprechen. Die Entscheidung in solchen Fragen liegt bei den Mitgliedstaaten.

Ich verstehe durchaus die von den Mitverfassern der mündlichen Anfrage beschriebene Situation, aber ich kann ihnen leider keine andere Antwort geben. Wir müssen es Lettland selbst überlassen, sich um dieses Problem zu kümmern, für dessen Lösung die Union keine rechtliche Handhabe hat.

 
  
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  Rihards Pīks, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (LV) Ich danke Ihnen Herr Präsident, ich muss Sie darauf hinweisen, dass in meinem kleinen Land, Lettland, 2,3 Millionen Einwohner leben, von denen ca. 1,6 Millionen lettischer Herkunft sind. Ungeachtet dessen wird die Grundschulbildung in Lettland vom Staat und den lokalen Regierungen in den Sprachen von acht Minderheiten angeboten, von denen einige, wie die rumänische und die estnische, sehr klein sind. Wenn von russischsprachigen Nichtbürgern die Rede ist, so ist hier das Konzept einer „traditionellen Minderheit“ nicht zutreffend. Im Sinne der westeuropäischen Länder könnte man sie als Neuankömmlinge oder Einwanderer bezeichnen, die in der Zeit der sowjetischen Besatzung nach Lettland gekommen sind und zahlreiche Privilegien genossen haben. Zunächst hatten sie das Privileg, die Sprache und die Menschen des Landes, in das sie gekommen waren, nicht kennenlernen zu müssen, sie durften ausschließlich Russisch sprechen. Mein Land hat eines der großzügigsten Einbürgerungsgesetze in Europa, exakt aus dem Grund, weil wir diesen Menschen auf halbem Weg entgegenkommen möchten. Im Lauf des Zehnjahreszeitraums, den dieses Gesetz nun in Kraft ist, haben ca. 50 % der Nichtbürger die bürgerlichen Rechte erworben. Als kürzlich, Ende 2008, eine Umfrage stattfand, hatten von den Menschen, die nicht eingebürgert worden waren, 74 % gar nicht den Wunsch, die lettische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Zweitens hat nur ein Drittel der Nichtbürger von dem Recht Gebrauch gemacht, Kinder, die geboren wurden, nachdem Lettland seine Unabhängigkeit erlangt hat, als lettische Bürger zu registrieren – nur ein Drittel. Warum das so ist, weiß ich nicht. Frau Ždanoka, die von Lettland gewählt wurde, und die die lettischen Bürger russischer Herkunft repräsentiert, macht kein Hehl aus der Tatsache, dass der nächste Schritt nach dem Erhalt der Wahlrechte für lettische Bürger russischer Herkunft der Antrag wäre, der russischen Sprache den Status als zweite Staatssprache oder offizielle Sprache zu verleihen. Was hat das zu bedeuten? Zunächst bedeutet dies den Erhalt der Privilegien für die Menschen, die aus Russland nach Lettland gekommen sind, und zweitens wäre es die Unterzeichnung des [Todes]-Urteils für die lettische Sprache und Kultur, da hinter den russischsprachigen Einwohnern weitere 140 Millionen Menschen in Russland stehen, die zunehmend nationalistische Bestrebungen verfolgen. Für die lettische Sprache ist das nicht möglich, so klein, wie wir sind und so wenige, wie wir sind. Wir sind schließlich nicht der Europäischen Union beigetreten, um die durch die sowjetische Besatzung geschaffene geteilte Gesellschaft beizubehalten, sondern um diese zu überwinden und unsere eigene Identität zu bewahren. Danke.

 
  
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  Proinsias De Rossa, im Namen der PSE-Fraktion. – Sehr geehrter Herr Präsident, die Antwort von Kommissar Barrot war eine große Enttäuschung. Ich hätte eine positivere Antwort von ihm erwartet, trotz der rechtlichen Einschränkungen, denen er unterliegt. Ich dachte, er könnte gesagt haben, dass er tun würde, was in seiner Macht stehe, um im Sinne des Diversitätsprinzips der Europäischen Union einen Wechsel in Lettland anzuregen.

Ich komme aus Irland; ich spreche Englisch. Englisch ist meine Muttersprache, ich bin jedoch kein Engländer, sondern Ire. Die Realität ist, dass die Europäische Union aus vielen Staaten besteht. Praktisch alle unsere Staaten haben Minderheiten und Mehrheiten, deren Geschichte damit verbunden ist, dass sie Teil eines Reiches oder selbst ein Reich oder eine Kolonie sind. Wir müssen damit umgehen.

Wenn ich nach Lettland ziehen und dort für eine Weile leben und arbeiten würde, könnte ich an den Kommunalwahlen teilnehmen. Es gibt jedoch hunderttausende Menschen in Lettland, Menschen, die in Lettland geboren wurden, jedoch nicht an den Kommunalwahlen teilnehmen können. Das ist eine Ungerechtigkeit, aber – würde ich Herrn Pīks sagen – es ist auch selbstzerstörerisch, weil wir, um die Schwierigkeiten und Ängste zu überwinden, alle Menschen in unseren Staaten willkommen heißen müssen. Wir müssen sie dazu ermutigen, sich politisch zu beteiligen. Den Menschen die Teilnahme an den Kommunalwahlen zu ermöglichen, würde ihnen ermöglichen, sich als Teil ihrer Gemeinschaft zu fühlen und als Teil der Verwaltung ihrer eigenen lokalen Gemeinschaften. Dies würde dazu beitragen, wie ich meine, Schranken zu überwinden.

Eine der größten Migrantengemeinschaften in Irland ist britisch. Sie alle können an den Kommunalwahlen in Irland teilnehmen. Sie können nicht alle an den nationalen Wahlen teilnahmen, weil sie nicht alle über die irische Staatsbürgerschaft verfügen, aber sie alle nehmen an den irischen Kommunalwahlen teil und leisten damit einen sehr wichtigen Beitrag zum politischen Leben in Irland. Ich möchte daher an alle in diesem Haus appellieren, die aus Lettland kommen – und natürlich an alle aus unseren anderen Mitgliedstaaten, die Probleme mit Minderheiten oder mit Mehrheiten haben – stets zu bedenken, dass wir die Menschen, um diese Schwierigkeiten und die Furcht zu überwinden, willkommen heißen und sie in unsere politischen Prozesse einbinden nicht davon fernhalten müssen.

 
  
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  Georgs Andrejevs, im Namen der ALDE-Fraktion. – Sehr geehrter Herr Präsident, zuallererst sollten wir uns daran erinnern, dass nach 1945, als die Briten, Franzosen, Belgier und Niederländer ihre Kolonien verließen, die Russen begannen, dort hineinzuströmen. Auch 1949, als die Genfer Konvention verbot, Zivilisten in besetzten Gebieten anzusiedeln, wurde die Russifizierung Lettlands intensiviert, und die Sowjetbehörden organisierten einen Zustrom von zwei Millionen Einwanderern.

Daher kann gesagt werden, dass sich die Neuankömmlinge der Sowjetära im Jahr 1991, als die Republik Lettland ihre Unabhängigkeit wiedererlangte, illegal in Lettland aufhielten. So erhalten Russen heute ihre Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung als humanitären Akt der lettischen Regierung, nicht als Recht.

Gemäß der Charta der Vereinten Nationen gehören die Bürgerrechte in der Regel zu den inneren Angelegenheiten eines Landes und kein anderes Land kann sich da einmischen, nicht einmal die VN selbst. Daher ist die Position der lettischen Behörden in Hinblick auf die Gewährung des Stimmrechts für Nichtbürger fest und unveränderlich: das Recht zu wählen ist ein integraler Bestandteil der Staatsbürgerschaft.

Diese Position ist auch in Einklang mit dem internationalen Recht und der internationalen Praxis. Gleichzeitig hat Lettland mit beachtlicher finanzieller Unterstützung von anderen Ländern – ausgenommen Russland – erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Einbürgerungsprozess für Nichtbürger in Lettland zu vereinfachen und den Prozentsatz von Nichtbürgern Ende 2008 auf 16 % zu senken.

Unser Ziel ist, sicherzustellen, dass alle Einwohner von Lettland die Staatsbürgerschaft beantragen und ihre Rechte voll und effektiv ausüben können. Was Lettland anstrebt, sind Bürger mit vollen Rechten statt Nichtbürger mit vielen Rechten.

Ich verstehe, dass diese Position Lettlands der von Herrn Karaganov im Jahr 1992 in der russischen Publikation Diplomatic Herald veröffentlichten Strategie sowie seinen Unterstützern hier im Europäischen Parlament widerspricht, aber wir werden nie aufhören, unser Land vor diesen Kampagnen zur Fehlinformation zu schützen.

 
  
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  Ģirts Valdis Kristovskis, im Namen der UEN-Fraktion.(LV) Herr Kommissar, meine Damen und Herren, die liberale Gesetzgebung Lettlands ermöglicht es allen, ihre Loyalität zum lettischen Staat und zu den westlichen demokratischen Werten zu bezeugen. Als Ergebnis ist die Anzahl der Nichtbürger seit 1993 um 59 % zurückgegangen. Die Mehrheit der Firmen in Lettland gehört russischen Unternehmern. Dies sind Argumente, die es uns erlauben, die Beschwerden gegen den lettischen Staat zurückzuweisen. Zusätzlich muss einmal erwähnt werden, dass in Lettland Menschen leben, die als Mitglieder der Interfront-Gruppe gegen die Unabhängigkeit Lettlands gekämpft haben. Sie haben den Fortbestand der schlimmen Herrschaft der UDSSR gefordert, sie leugnen nach wie vor die Tatsache der Besatzung Lettlands, sie entschuldigen immer noch die Verbrechen des totalitären Sowjetregimes in den baltischen Staaten und sie haben gegen die Mitgliedschaft Lettlands bei der Europäischen Union und der NATO gestimmt. Möglicherweise verhindern diese Überzeugungen ihrerseits nachhaltig jeglichen Wunsch, die lettische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wir sollten sie daher nicht daran hindern, weiterhin in ihrer Welt der vergangenen Werte zu leben!

 
  
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  Tatjana Ždanoka, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Sehr geehrter Herr Präsident, wir diskutieren hier den Fall Lettlands, eben, weil er einzigartig ist. Die lettischen Nichtbürger sind keine Angehörigen irgendeines Staates und sie haben kein Recht, an irgendwelchen Wahlen teilzunehmen. Alle Erwachsenen, die den Status eines Nichtbürgers von Lettland haben, hatten Anfang der neunziger Jahre ihren ständigen Wohnsitz in dem Land. Das letzte Mal, dass sie Gelegenheit hatten, ihr Stimmrecht auszuüben, war vor 19 Jahren, im März 1990, als der Oberste Rat von Lettland gewählt wurde. Eineinhalb Jahre später beraubte dieser selbe Oberste Rat ein Drittel seiner eigenen Wähler ihrer Stimmrechte. Dies ist in der parlamentarischen Geschichte ein einzigartiger Fall.

Der Kommissar sprach nur von der Integration von Nichtbürgern in die Gesellschaft und von ihrer Einbürgerung. Ein solcher Ansatz bringt die Dinge jedoch in die verkehrte Reihenfolge: Nichtbürger sind bereits ein Teil der Gesellschaft – 32 % sind im Land geboren – und für viele stellt die Prozedur der Beantragung der Staatsbürgerschaft in ihrem eigenen Land eine Erniedrigung dar, und sie lassen sich aus Prinzip nicht einbürgern.

Für die politische Elite Lettlands ist es ein Instrument des Macherhalts, diesem Großteil der Minderheitsbevölkerung die Grundrechte zu entziehen. Sie verwendet die alte Methode des Teilens und Herrschens, daher muss die Europäische Union etwas für Lettlands Nichtbürger tun.

Ich bin davon überzeugt, dass die fundamentalen Werte der EU, wie die Nichtdiskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft und die partizipatorische Demokratie Vorrang vor den nationalen Kompetenzen haben müssen.

 
  
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  Christopher Beazley (PPE-DE). – Sehr geehrter Herr Präsident, wir haben in dieser Aussprache gehört, wie Lettlands Demokratie, Unabhängigkeit und alle Standards des gesellschaftlichen Anstands von den beiden kriminellen Diktatoren des letzten Jahrhunderts zerstört wurden. Lettland wurde von Stalin überfallen, anschließend von Hitler, und dann wieder von Stalin. Die lettische Bevölkerung wurde verhaftet, deportiert und exekutiert. Stalin importierte dann nicht nur russischsprachige sondern auch Ukrainisch und Belarussisch sprechende Zuwanderer.

Wir alle, einschließlich Frau Ždanoka, würden Stalin und sein Tun heute verurteilen, aber was machen wir nun damit, Herr Kommissar? Würden Sie nun öffentlich bestätigen, nicht nur, dass Sie über keine gesetzliche Handhabe zur Intervention verfügen, sondern dass alle Mitgliedstaaten der Union ihre gesetzlichen Anforderungen im vollen Umfang erfüllen sollten, soweit das Wahlrecht betroffen ist? Ich glaube, das ist wichtig, nicht nur für Lettland, sondern für alle Länder.

Sicher lautet die Antwort, dass alle, die in dieser Beziehung so starke Gefühle hegen, ebenso wie diese zahlreichen Russisch sprechenden Letten, die die Staatsbürgerschaft erworben haben, die Staatsbürgerschaft des Landes annehmen sollten, auf das sie stolz sind, in dem sie geboren wurden und in dem sie leben. Sie sollten sie nicht zurückweisen. Sie sollten keine Privilegien fordern, wenn sie nicht bereit sind, ihr Teil dazu beizutragen. Sie können die Staatsbürgerschaft annehmen.

Da gab es einen Exilpalästinenser, der die lettische Staatsbürgerschaft annahm. Ich bin sicher: Wenn er die Sprache lernen konnte, können dies auch die Russisch sprechenden Letten. Natürlich werden wir daran erinnert, dass die große Mehrheit die Staatsbürgerschaft angenommen hat. Wer Teil eines Landes ist, hat meiner Meinung nach Rechte und Pflichten.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE). (HU) Ich möchte Alexandra Dobolyi und ihren Koautoren gratulieren. Dies ist heute eines der wichtigsten Menschenrechtsprobleme in der Europäischen Union. Ich verstehe alle historischen Verletzungen unserer lettischen Freunde, da sie während der stalinistischen Sowjetära einer schrecklichen Assimilation unterzogen wurden. Ich kenne diese Praxis gut, aber historische Rache ist durch nichts zu rechtfertigen. Ich würde meinen lettischen Freunden raten, dem Beispiel Finnlands zu folgen, das jahrhundertelang von Schweden unterdrückt wurde. Dennoch hat sich Finnland niemals an den Schwedisch sprechenden finnischen Bürgern gerächt. Es ist unmöglich, mehrere hunderttausend Menschen zu deportieren oder zu assimilieren, daher müssen sie ihre EU-Rechte erhalten. Ich bin sehr betrübt über die Worte von Kommissar Barrot, weil er, anstatt für die EU klar zu signalisieren, dass die Situation unhaltbar ist und im Gegensatz zu den Grundwerten der EU steht, nur die Schultern zuckt und sagt, dass die Europäische Union nichts tun kann. Nun, das ist ziemlich traurig. Es muss zwischen der lettischen Mehrheit und der russischen Minderheit ein historischer Kompromiss gefunden werden. Das ist die einzige Lösung, eine andere gibt es nicht. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Inese Vaidere (UEN).(LV) Sehr geehrte Damen und Herren, im letzten Herbst stellte ich eine schriftliche Anfrage an Kommissarin Ferrero-Waldner, in der ich meine Befürchtungen zum Ausdruck brachte, dass sich das Privileg, das Russland den Nichtbürgern aus Lettland und Estland gewährt, nämlich ohne Visa nach Russland einzureisen, negativ auf ihren Wunsch, die Staatsbürgerschaft zu erlangen, ausgewirkt habe. Frau Ferrero-Waldner stimmte mir zu, aber heute zeigen gewisse Mitglieder – Verfasser von Anfragen – einen vollständigen Mangel an Verständnis für die Situation Lettlands. Wenn wir den Rechten von Nichtbürgern noch weitere hinzufügen und auch das Recht auf Teilnahme an den Kommunalwahlen aufnehmen, wird die Anzahl der Nichtbürger, die sich seit 1995 halbiert hat, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht weiter sinken. Lettlands Recht in Bezug auf Staatsbürgerschaft ist eines der großzügigsten in Europa. Alle Nichtbürger können die vollen Rechte erwerben, einschließlich des Stimmrechts, wenn sie Staatsbürger werden. Lettlands Nichtbürger sind als direktes Ergebnis der 50 Jahre dauernden sowjetischen Besatzung ins Land gekommen. Gewisse politische Kräfte, die die sogenannte Politik zum Schutz der Landsleute des Kremls unterstützen, wirken durch diese Menschen weiter, um ihr eigenes politisches Kapital zu mehren. Danke.

 
  
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  Roberts Zīle (UEN).(LV) Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Kommissar, wie sehr diese Aussprache die Verfasser der Anfrage interessiert, wird aus der Tatsache sichtbar, dass keiner von ihnen mehr in der Kammer ist, daher werden sie nicht gehört haben, was Inese Vaidere eben sagte – dass die reale Visapolitik Russlands eine Waffe war, die es nicht eingesetzt hat, um den Einbürgerungsprozess in Lettland zu fördern, sondern um vielmehr das Gegenteil zu erreichen. Leider bestätigen öffentliche Meinungsumfragen, dass die Mehrheit dieser Menschen niemals lettische Patrioten werden, sondern dass die Mehrheit bereits zu den Patrioten eines anderen Landes gehört. Wenn sie nun in der lokalen Regierung Macht erhielten, wäre der nächste Schritt natürlich die Forderung nach Autonomie und einem offiziellen Status für ihre Sprache. Wir können jetzt schon sehen, wie die nächsten Schritte aussehen könnten, wie die Entwicklung einer langfristigen Situation in Gebieten wie Abchasien und Südossetien zeigt – in diesen selbstregierten Gebieten würden russische Pässe ausgehändigt werden. Danke.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). - (LT) Unter normalen Umständen könnte vorgeschlagen werden, dass Einwohner mit ständigem Wohnsitz an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen: Wir alle wissen jedoch nur zu gut, dass von der Mehrheit der Nichtbürger Lettlands nur schwer gesagt werden kann, sie seien unter normalen Umständen ins Land gekommen. Ihre Ankunft ist eine direkte Folge der Besatzung Lettlands durch die Sowjetunion. Sie ist auch ein Ergebnis des Russifizierungsprozesses, der fünf Jahrzehnte lang unter Verletzung der internationalen Rechtsvorschriften betrieben wurde. Wir alle haben das Recht zu wählen – Bürger zu sein oder loyal zu unserem Staat zu sein, oder etwa nicht? Wie auch immer, jede Wahl hat auch ihre Konsequenzen und aus diesem Grund können wir nur uns selbst dafür verantwortlich machen, nicht den Staat, der diese Wahlfreiheit garantiert.

 
  
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  Henrik Lax (ALDE). – (SV) Welches sind die Konsequenzen für die lettische Bevölkerung nach fünfzig Jahren sowjetischer Besatzung? Weshalb möchte ein großer Teil der Russisch sprechenden Bevölkerung die Staatsbürgerschaft nicht beantragen? Welche Rolle spielt Russland bei alledem? Lettland braucht unsere Unterstützung, nicht unseren Schuldspruch, um seine Nichtbürger zur Beantragung der Staatsbürgerschaft ermutigen zu können. Herrn Tabajdi würde ich gerne diese Frage stellen: warum würde Finnland sich an Schweden rächen wollen, und was hat das mit diesem Problem zu tun?

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE).(DE) Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Es ist eigentlich üblich, dass in Europa jeder eine Pflichtschule absolvieren muss. Pflichtschule heißt, dass man sich mit den Gebräuchen und dem Wissen des Landes, in dem man lebt, ganz einfach vertraut machen muss, um dort auch leben zu können. Die Pflichtschule vermittelt unter anderem die Landessprache und eventuelle andere Sprachen. Sie vermittelt eine Grundlage für eine Berufsausbildung, sie zeigt, wo sich die Kultur des Landes her entwickelt hat und wo es hingehen wird. Man lernt über die Geschichte. So, wie wir die Pflichtschule kennen, dient das auch einem guten Zusammenleben. Wenn man in einem Land lebt, ist es klar und eindeutig, dass man auch die Landessprache gut verstehen kann und muss. Dazu dient ein gutes Pflichtschulwesen. In diesem Sinne möchte ich aufrufen, dass viele Probleme in Europa gelöst werden könnten, wenn wir hier eine Pflichtschule für alle, die in einem Land leben, auch dementsprechend effizient umsetzen.

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Sehr geehrter Herr Präsident, ich habe beiden Seiten sehr genau zugehört.

Es ist in diesem Kontext sehr schwierig für die Kommission, dem lettischen Staat die Sorge um dieses Problem abzunehmen. Alles, was ich in dieser Situation tun kann, ist, Lettland zu ermutigen, einen internen Dialog zu führen; das wäre, denke ich, wünschenswert. Leider kann ich nicht mehr dazu sagen.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

 
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