Der Präsident. – Der nächste Punkt sind die Erklärungen der Kommission zum kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren.
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, seit Anfang meines Mandats stand das Rechtsdurchsetzungsverfahren hoch oben auf meiner Prioritätenliste. Ich denke, dass substanzielle Rechte nur Sinn machen, wenn sie auch durchgesetzt werden und Verbraucher die Möglichkeit haben, Rechtsmittel einzulegen. Immer häufiger zahlen viele Verbraucher die Zeche für dieselben oder ähnliche illegale Praktiken seitens der Händler, und oftmals erhalten sie keine Entschädigung.
Die Kommission hat dieses Problem geprüft, auch im Zusammenhang mit Sammelklagen. Wir haben Studien in Auftrag gegeben, das Thema mit Interessengruppen diskutiert, Umfragen und eine Internetkonsultierung durchgeführt, und vor kurzem haben wir ein Grünbuch vorgelegt, zu dem wir mehr als 170 Antworten erhalten haben.
Obwohl die Beratung offiziell am 1. März 2009 auslief, gibt es immer noch Anmerkungen, die uns erreichen, und ich kann jetzt schon sagen, dass je mehr Beweise wir sammeln, desto mehr glauben wir, dass es ein Problem gibt. Deswegen brauchen wir eine Lösung im Sinne der Gerechtigkeit und im Sinne einer gesunden europäischen Volkswirtschaft.
Das Grünbuch zum Thema kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher schlug verschiedene Arten der Herangehensweise vor. Eine erste Analyse der eingegangenen Antworten deutet darauf hin, dass die Interessengruppen anerkennen, dass die derzeitige Lage in Bezug auf kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren unzufriedenstellend ist. Es gibt dahingehend einen Konsens, dass wir weiter gehende Maßnahmen brauchen, um effektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher in die Wege zu leiten, so dass die Verbraucher erneut Vertrauen in den Markt fassen können.
Verbraucherorganisationen sind für bindende Maßnahmen für ein Rechtssystem für kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren in allen Mitgliedstaaten in Verbindung mit anderen Optionen, wie beispielsweise die Verlängerung bestehender Mechanismen alternativer Streitbeilegungsverfahren für Sammelklagen. Die Geschäftswelt würde Mechanismen für alternative Streitbeilegungsverfahren begrüßen.
In wenigen Wochen, wenn wir alle Antworten gebührend analysiert haben, werden wir die Reaktionen zusammen mit einer Erklärung über das Feedback veröffentlichen, das wir erhalten haben, und noch vor dem Sommer werden wir die diversen Alternativen vorstellen, wie wir mit dem Problem der Sammelklagen umgehen wollen. Hier werden die vier Optionen aus dem Grünbuch nicht einfach wiederholt. Wir denken unter Berücksichtigung der Antworten auf die Grünbuchkonsultation weiter über dieses Thema nach. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Konsultationen wird die Kommission die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf die Interessengruppen sorgfältig prüfen, einschließlich der Kosten und Vorteile der möglichen Optionen. Am 29. Mai werden wir eine Anhörung mit allen Interessengruppen durchführen, auf der wir unsere vorläufigen Schlussfolgerungen mitteilen werden.
Ich möchte betonen, dass, welchen Weg wir auch einschlagen werden, es wird nicht der amerikanische sein. Stattdessen folgen wir unserer europäischen Rechtskultur und berücksichtigen dabei die bisherigen Erfahrungen unserer Mitgliedstaaten dabei. Sobald sich die Optionen dann klarer herausstellen, werden das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten und die Interessengruppen wie ich selbst davon überzeugt sein, dass es nicht nur ein Problem gibt, sondern dass eine effektive Lösung auf europäischer Ebene gefunden werden muss und kann.
Warum sollten renommierte Unternehmen unter unfairen Konkurrenten leiden, die profitieren, wenn die Verbraucher nicht entschädigt werden? Und eben um diese Entschädigung geht es uns ja. Dies ist der Kern des Rechtsdurchsetzungsverfahrens, das wir anstreben. Weshalb sollten Verbraucher ihre legitimen Ansprüche auf Entschädigung aufgeben, und warum sollte die Gesellschaft einfach hinnehmen, dass es hier eine Schutz- und Gerechtigkeitslücke gibt?
Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden, die den verbesserten Zugang der Verbraucher zur Rechtsdurchsetzung und die Vermeidung unbegründeter Klagen ins rechte Lot bringt. Ein wirksames Rechtsdurchsetzungsverfahren wird das Vertrauen in den Binnenmarkt und in das, was Europa für sie tun kann, erheblich stärken. Dies ist in den rauen Zeiten der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise ganz besonders wichtig. Sie wissen, dass es in den kommenden Monaten viele institutionelle Veränderungen geben wird. Dies kann auch auf die zeitliche Planung und unsere Arbeit bezüglich der kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren Einfluss haben.
Mit Hinblick auf die bereits von der Kommission ergriffenen Maßnahmen bei Schadenersatz im Zusammenhang mit Kartellabsprachen kann ich Ihnen versichern, dass die Kommission die Ansicht des Parlaments teilt, dass diese beiden Initiativen bezogen auf kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren aufeinander abgestimmt werden sollten. Konsequent zu sein bedeutet nicht, dass unterschiedliche politische Initiativen dieselben Instrumente verwenden müssen, um dieselben Ziele zu erreichen. Ich kann Ihnen ebenfalls versichern, dass ich mich persönlich weiterhin für dieses Thema engagieren und bis zum Ende meines Mandats mit derselben Energie und Hartnäckigkeit daran weiterarbeiten werde, die ich bislang aufgebracht habe, natürlich mit der freundlichen Hilfe und Unterstützung des Parlaments.
Malcolm Harbour, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, es ist mir ein Vergnügen, Frau Kommissarin Kuneva wieder im Hause willkommen zu heißen. Frau Kommissarin, ich brauche nur Ihre eigenen Worte über Ihre Energie und Hartnäckigkeit verwenden, um die Interessen der Verbraucher zu verfolgen, die wir – ich denke da an unsere Seite des Hauses und alle Mitglieder unseres Ausschusses – bewundert haben, und wir möchten Sie sehr dazu ermutigen, diese Arbeit fortzusetzen.
Was nun den Vorschlag zu kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren betrifft, haben Sie meiner Ansicht nach genau den richtigen Weg eingeschlagen. Wir haben immer wieder gesagt, dass dies ein äußerst kompliziertes Thema ist. Es umfasst nicht nur Maßnahmen auf rein europäischer Ebene, sondern auch sehr schwierige Fragen, die nationales und regionales Recht betreffen und, wie Sie bereits angedeutet haben, muss der Verbraucher im Zentrum stehen.
Sie haben wirklich nachhaltig betont, dass das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt und den grenzüberschreitenden Handel eines der fundamentalsten Themen ist, die wir behandeln müssen, da die Verbraucher andernfalls ihr Recht auf Zugang nicht erhalten und nicht in der Lage sind, grenzüberschreitend Wahlen zu treffen und auszuüben. Ich denke, dies bleibt das Kernstück unserer heutigen Diskussion.
Meiner Ansicht nach sind die Zeitplanung und die Komplexität der Lösungen wichtig, denn Sie haben hier eine breite Palette an Lösungen hervorgerufen, aber es ist recht eindeutig, dass Lösungen, die auf europäischer Ebene neue Rechtstraditionen bedeuten, zweifellos weitaus mehr Zeit in Anspruch nehmen werden und möglicherweise kontroverser sind, als einige der umstrittenen alternativen Schlichtungsverfahren oder auch die Verstärkung der Zusammenarbeit in Verbraucherfragen, die bereits beschlossen wurden. Ich denke, dass sich alle Mitglieder dieses Ausschusses daran erinnern werden, dass die verstärkte Zusammenarbeit in Verbraucherfragen in der Tat ein Aspekt war, der in der letzten Sitzung des Parlaments vorgeschlagen wurde, und wir würden gerne sehen, dass dies effizienter umgesetzt wird. Dies ist meiner Ansicht nach ein Mittel, das dazu verwendet werden kann, den Verbrauchern die Art von Rechtsdurchsetzungsverfahren an die Hand zu geben, nach dem wir suchen, nicht nur für Sammelklagen, sondern auch dafür, mit grenzüberschreitenden Klagen wesentlich effizienter umgehen zu können. Jetzt zu zeigen, dass das eine Priorität für uns ist und jetzt zu versuchen, möglichst rasch und rechtzeitig die besten Lösungen zu finden, ist, wie ich denke, der Weg, den ich empfehlen kann, um Fortschritte zu erzielen.
Evelyne Gebhardt, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Frau Kommissarin, vielen Dank, dass Sie die Initiative der Sozialdemokratischen Fraktion aufgegriffen und dieses Thema angepackt haben, denn das ist ein wichtiges Thema für die Bürgerinnen und Bürger!
Ich habe hier mein Handy liegen. Von vielen jungen Leuten habe ich gehört, dass sie ganz große Probleme haben, weil für irgendwelche Verträge, die sie gar nicht bewusst eingegangen sind – für Klingeltöne zum Beispiel –, fünf, sechs, sieben, acht Monate lang jeden Monat ein Betrag abgebucht wird. Wegen fünf Euro geht niemand vor Gericht. Aber wenn eine Million Bürger das Gleiche erleben und ein Unternehmen ungerechtfertigt fünf Millionen Euro kassiert, dann ist das doch ein Fall von unfairem Wettbewerb gegenüber den Mitbewerbern in der Europäischen Union, die sich korrekt verhalten. Aus diesem Grund ist es ganz wichtig, dass dieses Thema angegangen wird.
Aber auch für die Menschen, für die jungen Leute, für die Eltern, die damit konfrontiert sind, ist es wichtig, dass man ihnen Rechtsinstrumente an die Hand gibt, damit sie auch wirklich zu ihrem Recht kommen können. In Zeiten, in denen Europa zusammenwächst, in denen man im Internet einkauft, ist es wichtig, dass wir diese Instrumente auch grenzüberschreitend einrichten, damit sie auch wirklich entsprechend eingesetzt werden können. Deswegen ist in den Augen meiner Fraktion gerade die Sammelklage eines dieser Instrumente, die ganz klar daraufhin überprüft werden müssen, ob wir sie in der Europäischen Union einsetzen können. Aber wir müssen diese Instrumente so gestalten – wie Sie, Frau Kommissarin, das auch gesagt haben –, dass sich die Übertreibungen, die es z. B. in den USA gibt, hier nicht einschleichen können, sondern dass sie unserem eigenen Rechtssystem entsprechen. Daran müssen wir arbeiten und das wollen wir in den nächsten Monaten auch weiter verfolgen.
Frau Kommissarin, Sie wissen uns an Ihrer Seite, was diese Fragen angeht. Wenn es darum geht, Rechte für die Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen, sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer dabei!
Andreas Schwab (PPE-DE). - Herr Präsident, Frau Kommissarin! Vielen Dank für die Möglichkeit, in dieser Diskussion das Wort zu ergreifen. Ich freue mich, Frau Kuneva, dass Sie auf Wunsch der EVP-ED-Fraktion dazu beigetragen haben, den Vorschlag der Generaldirektion Wettbewerb zu Sammelklagen, der zunächst vorsah, diese ähnlich zu regeln, wie es in den USA praktiziert wird, zu einem horizontalen Ansatz weiterzuentwickeln und tatsächlich alle in der Europäischen Union gleich zu behandeln – kleine und mittlere Unternehmen, Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmer. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne, den wir sehr konstruktiv und positiv begleiten wollen.
Es ist uns bewusst, dass in manchen Einzelfällen natürlich ein gemeinschaftlicher Durchsetzungsanspruch von kollektiven Rechten erfolgreicher erscheint als eine individuelle Durchsetzung. Allerdings bleiben wir bei der Überzeugung, dass der beste verbraucherschützende Weg, Bagatellklagen abzuschöpfen, nicht in Sammelklagen besteht, sondern in der öffentlich-rechtlichen Durchsetzung solcher Ansprüche, beispielsweise mittels – wie im deutschen UWG-Gesetz – eines Abschöpfungsanspruchs. Denn der einzelne Verbraucher wird sich sehr genau überlegen, ob er wegen 4,99 Euro tatsächlich eine Sammelklage bei einem Anwalt einreicht oder ob ihm nicht viel mehr geholfen wäre, wenn die öffentliche Hand beispielsweise diesen Anspruch durch einen Ombudsmann kontinuierlich überprüft und mit den entsprechenden Möglichkeiten durchsetzt. Deswegen glaube ich, dass wir uns bei der Frage, wie wir diese beiden Elemente verbinden, sehr genau überlegen müssen, wie wir den Verbrauchern am effektivsten helfen. Denn Verbraucher haben oft nicht die Zeit, zu einem Anwalt zu gehen, sondern sie wollen schnelle und einfache Hilfe.
Der zweite Punkt, der mir wichtig erscheint – und auch da hat Ihre Generaldirektion sehr gut gearbeitet: Das interessanteste Element war eine Diskussion in der bayrischen Landesvertretung in Brüssel, wo ein Vertreter Ihrer Generaldirektion auf die Frage, ob wir mit europäischen Rechtsmöglichkeiten Sammelklagen nach US-Modell wirklich ausschließen können, klar gesagt hat: „Nein, das können wir nicht.“ Das bedeutet aus unserer Sicht, dass man dieses Modell nicht komplett aus den Augen verlieren darf. Wir müssen weiter darüber diskutieren, aber wir müssen es mit großer Sorgfalt machen und die Mitgliedstaaten und deren rechtspolitische Möglichkeiten in die Diskussion mit einbinden, damit wir am Ende das erreichen, was wir alle wollen: Ein wirklich europäisches, besonders für die Verbraucher attraktives Modell, das auch den Mittelstand schützt.
Arlene McCarthy (PSE). – Herr Präsident, der Kommissarin ist es meines Wissens bekannt, dass morgen 4 000 Verbraucher im Vereinigten Königreich vor Gericht ziehen, um Entschädigungen für schwere allergische Reaktionen, stationäre Behandlungen in Krankenhäusern und Todesfälle infolge der Verwendung einer Chemikalie in Sofas und Haushaltswaren einzufordern, die nun in der EU verboten ist. Frankreich, Schweden und Polen haben über ähnliche Fälle und Verletzungen berichtet. In ganz Europa haben möglicherweise viele Tausende Verbraucher unter schweren Schäden als Reaktion auf diesen giftigen Stoff gelitten.
Ich denke, dass die Bürger die europäische Intervention gutheißen werden, wenn erkennbar wird, dass den Verbrauchern mit diesen Problemen tatsächlich geholfen wird. Eine echte Hilfe bedeutet in solchen Fällen, ihnen beim Erwerb von Produkten und Dienstleistungen generell das Recht auf eine Sammelklage einzuräumen. Unser Ausschuss hat daher eine Online-Konsultation zum Kommissionsvorschlag über Verbraucherrechte gestartet. Wir haben viele Antworten von Unternehmen und Verbrauchern erhalten, in denen häufig die Notwendigkeit der Ermöglichung grenzüberschreitender Rechtsmittel und Rechtsdurchsetzungsverfahren betont wurde.
Meiner Ansicht nach gibt es genug Fälle wie den der gesundheitsschädlichen Sofas, die ausreichend Belege dafür liefern, dass eine Reihe von Optionen für kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren erforderlich sind, nicht nur, um Zugang zu solchen Rechtsbehelfen zu bekommen, sondern auch, um illegalen oder unfairen Geschäftspraktiken Einhalt zu gebieten. Selbstverständlich wollen wir hier im Ausschuss erreichen, dass Verbrauchern günstige, erschwingliche Rechtsmittel zur Verfügung gestellt werden, wie beispielsweise alternative Streitbeilegungsverfahren, aber ich denke, dass es in der heutigen Aussprache zuallererst um die Ermittlung praktischer Möglichkeiten geht, mit denen wir unseren Verbrauchern und Bürgern wirklich dabei helfen können, sicherzustellen, dass sie eine faire Verhandlung, echte Rechtsdurchsetzungsverfahren und echte Rechtsmittel erhalten.
Klaus-Heiner Lehne (PPE-DE). - Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal begrüßen auch wir den Vorschlag der Europäischen Kommission und dieses Grünbuch vom Grundsatz her.
Es gibt – das ist kein Thema – ein Massenphänomen, das ist von verschiedenen Vorrednern beschrieben worden, wo relativ kleine Schäden bei einer Vielzahl von Betroffenen auftreten. Bei den Betroffenen selbst ist der Schaden klein, aber insgesamt zusammengerechnet ist er groß. Es bedarf eines Instruments, um mit diesem Problem fertig zu werden. Es ist meines Erachtens richtig, dass über so etwas nachgedacht wird.
Ich begrüße auch außerordentlich – um beim Positiven zu bleiben –, dass die Generaldirektion Verbraucherschutz in ihrem Grünbuch einen ganz entscheidenden Schwerpunkt auch auf die Frage alternativer Streitbeilegungsmechanismen gelegt hat. Das ist ein großer Unterschied zu dem ebenfalls gestern hier im Haus diskutierten Weißbuch der Generaldirektion Wettbewerb, die diese Möglichkeit außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen bisher vollkommen ignoriert hat. Ich denke, hier ist die Generaldirektion Verbraucherschutz in ihrem Grünbuch weiter als die Kollegen in der Generaldirektion Wettbewerb.
Ich will aber noch zwei Dinge ganz deutlich machen, die meines Erachtens durchaus als kritische Anmerkungen zu verstehen sind. Das Parlament wird in wenigen Minuten, um 12.00 Uhr, meinen Bericht zum Weißbuch der Generaldirektion Wettbewerb annehmen. Wir werden mit übergroßer Mehrheit in diesem Hause von der Europäischen Kommission verlangen, dass bei der Behandlung dieser Frage ein horizontaler Ansatz gewählt wird.
Es kann nicht sein, dass wir am Ende sektorale Instrumente haben: eines für den Bereich Verbraucherschutz, eines für den Bereich Kartellrecht, ein anderes für den Kapitalmarkt, vielleicht noch eines für Umwelt, vielleicht noch eines für Soziales, und alle widersprechen einander, alle greifen in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ein und führen am Ende zu einem rechtspolitischen Durcheinander, das von keinem Praktiker mehr gehandhabt werden kann. Wir haben solche Beispiele in der Vergangenheit oftmals gehabt. Ich denke nur an die Debatte über die Berufsqualifikationsrichtlinie, die wir hinterher auch in einem Instrument zusammengefasst haben, weil diese Zersplitterung nicht mehr ging. Die Kommission sollte hier nicht den gleichen Fehler machen. Sie sollte von Anfang an den horizontalen Ansatz fördern. Das ist die klare Haltung des Parlaments. Das wird in wenigen Minuten hier deutlich werden.
Ein allerletzter Punkt: Ich begrüße es auch sehr, dass wir einen Konsens darüber erzielt haben, dass wir eine Klageindustrie nach amerikanischem Muster mit einem Umsatz von 240 Milliarden US-Dollar im Jahr, von dem am Ende nur Anwälte profitieren und die Verbraucher gar nichts haben, nicht wollen. Wir wollen echte Rechtsstaatlichkeit in Europa und wir wollen bei unserem traditionellen System, bei unserem Rechtsverständnis bleiben!
Martí Grau i Segú (PSE). – (ES) Herr Präsident, in einem grenzenlosen Markt wie Europa ist es wichtig, dass wir nicht nur für einen gesunden Wettbewerb sorgen, sondern uns gleichermaßen um den Verbraucherschutz kümmern.
Im Verlauf der letzten fünfzig Jahre sind die Handelsgrenzen für Produkte abgeschafft worden, aber die Grenzen für Verbraucher gibt es größtenteils nach wie vor.
Missbräuchliche Handelspraktiken werden von Verbrauchern und Verbraucherorganisationen häufig nicht angezeigt oder verfolgt, da man allgemein weiß, wie schwierig es ist, Schadenersatz zu erhalten.
Kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren sorgen für weniger Aufwand, wenn es viele Betroffene gibt, und sie bieten weitaus bessere Aussichten auf den Erhalt von Schadenersatz. Wegen der grenzüberschreitenden Natur eines Großteils der Handelsgeschäfte in der Europäischen Union darf dieses Recht auf Sammelklagen nicht auf nationale Grenzen beschränkt werden.
Wir brauchen echte europäische Initiativen, was bedeutet, dass es ein bestimmtes Maß der Harmonisierung oder Abstimmung der bestehenden nationalen Systeme geben muss, damit diese effektiv sein können. Das Ziel muss sein, den Zugang der Verbraucher zu diesem System zu erleichtern und übertriebene Kosten und Bürokratie zu vermeiden.
Daher denke ich, dass alternative Konfliktlösungsverfahren vorzuziehen sind, da diese mehr Flexibilität bieten, sowie vereinfachte und weniger kostspielige Gerichtsverfahren.
Reinhard Rack (PPE-DE). - Herr Präsident! Es gibt großen Konsens im Haus, dass wir die Konsumenten vor allem dann besser schützen müssen, wenn bei kleinen Schadensbeträgen für den Einzelnen große Schadensmengen insgesamt zu einem Problem führen, weil sie die Möglichkeit einer sinnvollen Einzelklage nicht wahrnehmen können. Die Frage ist, wie der Konsumentenschutz und seine Verbesserung organisiert werden sollen. Hier halte ich es für sehr wichtig – und ich bedanke mich ausdrücklich bei der Kommissarin dafür –, dass ganz bewusst gesagt wurde: Wir wollen uns möglichst mit allen Alternativen und allen Perspektiven dieser komplexen Materie auseinandersetzen und erst nach reiflicher Überlegung zu Lösungen kommen.
Einen Aspekt in diesem Kontext möchte ich gerne ansprechen, der bisher noch nicht erwähnt wurde. Wir haben schon jetzt die Erfahrung gemacht – und in Zukunft wird dies möglicherweise noch in verstärktem Maß der Fall sein –, dass für manche Nichtregierungsorganisationen, für manche Konsumentenschutzvereine die Möglichkeit, Massenklagen zu organisieren, zum Werbemittel werden wird. Diese Gefahr sollten wir ganz bewusst in unsere Überlegungen mit einbeziehen, damit wir letztlich nicht jenen helfen, die keine Hilfe brauchen, und die, die Hilfe brauchen, im Regen stehen lassen.
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, ich bedanke mich vielmals für Ihre wertvollen Beiträge. In gewisser Weise bin ich mit den meisten davon vertraut, da wir bereits Punkt für Punkt über Ihre größten Bedenken und Hoffnungen in Bezug auf kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren in Europa diskutiert haben.
Ich möchte nochmals unterstreichen, dass ich mit Ihnen völlig einer Meinung bin, dass wir nicht zulassen wollen, dass Sammelklagen im US-amerikanischen Stil in die europäische Kultur Einzug halten. Ich weiß, dass dies eine Ihrer größten Sorgen ist. Wie Frau McCarthy bereits erwähnt hat, geht es hier um Schadenersatz. Im Vereinigten Königreich zeigt sich dies bereits, aber dies hat nichts mit dem zu tun, worüber wir hier sprechen und was ich als künftige Schritte in diese Richtung vorschlage.
Diesbezüglich möchte ich nochmals auf Folgendes hinweisen: Wir werden prüfen, ob es tatsächlich eine Notwendigkeit für kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren gibt und diese Prüfung nach dem Grünbuch weiter fortsetzen. Ja, wir werden verfassungsrechtliche Beschränkungen berücksichtigen. Ja, wir werden Sammelklagen im Stil der Vereinigten Staaten vermeiden. Wir werden sicherstellen, dass der Schadenersatz auch alle Kosten einschließt, die dem Verbraucher entstehen, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass strafrechtliche Verfolgungen ausgeschlossen werden. Unbegründete Klagen, wie sie von Herrn Rack angesprochen wurden, werden wir erschweren. Alternative Streitbeilegungsverfahren werden wir natürlich fördern, da diese mit weniger Zeitaufwand verbunden, erschwinglicher und einfacher sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen sind und außerdem das Subsidiaritätsprinzip berücksichtigen.
Mit diesen wenigen Worten möchte ich sagen, dass wir uns der Herausforderungen voll bewusst sind und bereit sind, uns diesen zu stellen und einen guten Vorschlag vorzulegen. Wir werden dabei schrittweise vorgehen, um ein gemeinschaftliches Verständnis mit Ihnen zu erzielen.
Was ich heute wirklich schätze, ist der Umstand, dass wir alle anerkennen, dass ein Problem besteht, und wir bereit sind, dieses Problem anzugehen. Das ist schon einmal ein sehr guter Ausgangspunkt für die nächste Diskussionsphase. Da dies eine Herausforderung ist, der wir uns stellen müssen, möchte ich nochmals darauf eingehen, was Herr Lehne erwähnt hat: den gemeinsamen, horizontalen Ansatz mit Kommissarin Kroes. Kommissarin Kroes und ich sowie unsere jeweiligen Dienststellen arbeiten sehr eng zusammen, um zu gewährleisten, dass unsere Initiativen auf einer Linie liegen und Synergien ermöglichen.
Der Nachhaltigkeitsgrundsatz schließt nicht notwendigerweise aus, dass spezifische Situationen spezifische Lösungen erfordern. Jede der zwei Initiativen hat einen bestimmten Schwerpunkt. Während es im Grünbuch der Verbraucher um kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verstöße gegen das Verbraucherschutzgesetz geht, befasst sich das Weißbuch der Generaldirektion Wettbewerb ausschließlich mit Verletzungen des Wettbewerbsrechts. Ein weiterer großer Unterschied zwischen den beiden Initiativen besteht darin, dass im Grünbuch der Verbraucher nur Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher abgedeckt werden, während das im Weißbuch zum Wettbewerb vorgeschlagene Rechtsdurchsetzungsverfahren sowohl Verbrauchern als auch Unternehmen zugute kommen soll.
Meine Aufgabe ist es also, effektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für unsere Verbraucher zu erreichen und damit ihr Vertrauen in den Markt wiederherzustellen. Aus früheren Diskussionen weiß ich, dass uns das Europäische Parlament in unseren Anstrengungen unterstützt, dieses Ziel zu erreichen. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass das Parlament zusammen mit den Mitgliedstaaten und Interessengruppen nicht nur davon überzeugt sein werden, dass ein Problem besteht, sondern auch davon, dass eine effektive und ausgewogene Lösung auf europäischer Ebene gefunden werden muss und kann.
Ich möchte mich erneut für diese fruchtbare Diskussion und Ihre wertvollen Beiträge bedanken, und ich freue mich, in den kommenden Monaten weiter mit Ihnen an diesem Thema zu arbeiten.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Ioan Lucian Hămbăşan (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße die Anstrengungen der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Methoden, die Verbraucher nutzen können, um ihre Rechte in ganz Europa geltend zu machen. Über die im Grünbuch enthaltenen Stellungnahmen muss detailliert gesprochen werden. Allerdings ist eines bereits jetzt klar: Option Nr. 4, die eine Art von „Opt-out“-Klagen einführen würde, bei denen Verbraucherorganisationen einen Anteil an den Entschädigungszahlungen erhalten, ist nicht tragbar (gangbar).
Wenn wir das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt stärken wollen, müssen wir eine Kombination aus den Optionen 2 und 3 in Betracht ziehen. Mit anderen Worten, wir müssen ein europäisches Netzwerk aus nationalen Regierungsbehörden aufbauen, die mit mehr Befugnissen ausgestattet werden, um im Falle internationaler (grenzübergreifender) Klagen effizient intervenieren zu können. Des Weiteren müssen wir alternative Vorgehensweisen zur Schlichtung bestehender Dispute prüfen und, sofern erforderlich, einen neuen Mechanismus einführen, der es ermöglicht, dass Verbraucherrechte auch außergerichtlich effektiver durchgesetzt (ausgeübt) werden können.
Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass wir gewährleisten müssen, dass wir einen horizontalen Ansatz bezüglich der kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren annehmen, um dadurch die Fragmentierung der nationalen Gesetzgebungen zu vermeiden und ein einziges, gemeinsames Instrument für alle Mitgliedstaaten schaffen.
(Die Sitzung wird um 11.35 Uhr unterbrochen und um 12.05 Uhr wieder aufgenommen.)