Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache zur mündlichen Anfrage von Doris Pack im Namen der PPE-DE-Fraktion an die Kommission (O-0064/2009) über die Rolle der Kultur bei der Entwicklung europäischer Regionen (B6-0226/2009).
Doris Pack, Verfasserin. − Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Wir treffen uns zwar zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt, aber nichtsdestotrotz: Die mündliche Anfrage, die wir heute gestellt haben, wurde in der Intergruppe "Europa eine Seele geben" geboren. Wir glauben, diese Seele finden wir in unseren ältesten Einheiten, den Regionen, da, wo Menschen mit ihrem besonderen Akzent, einer besonderen Sprachfärbung oder sogar in einer Regionalsprache miteinander kommunizieren, wo die Küche ihren eigenen Geschmack hat, wo auf Marktplätzen wirklich einheimisches Obst und Gemüse verkauft wird, wo bestimmte Volkslieder beheimatet sind, wo bestimmte Erzählungen und Mythen ihren Ursprung haben, kurzum, wo man dazugehört, wo man daheim ist.
Im Laufe der Globalisierung droht vieles uniformiert zu werden und manches Einzigartige wird verschwinden. Nur die wunderbaren Regionen in Europa sind der Garant für den Erhalt der Besonderheit und müssen auf den Schutz der Europäischen Union vertrauen können. Den Reichtum und die Verschiedenartigkeit der europäischen Regionen – sie waren oft verfeindet, sie waren besetzt, sie waren geteilt, sie waren vom Krieg zerstört und wiedervereint – gilt es zu bewahren. Die Regionen sind so etwas wie unsere Stammzellen. Die Europäische Union hat sich so etwas wie eine Kultur des Kleinen bewahrt und ist auch hierin den Menschenrechten verpflichtet.
Unsere heutige kurze Debatte und die Entschließung sollen die Kommission anregen, Wege zu finden, wie der kulturelle Reichtum der Regionen noch sichtbarer gemacht werden könnte und wie die EU zu seinem Erhalt und seiner Fortentwicklung beitragen kann. Europas kulturelles Potenzial muss strategisch genutzt werden. Im Jahre 2009, dem Jahr der Kreativität und der Erneuerung, sollen Möglichkeiten der Einbindung von Ideen und Initiativen des öffentlichen und des zivilen Sektors auf lokaler und regionaler Ebene sinnvoll eingesetzt werden.
Und den Kollegen aus dem Regionalausschuss möchte ich gerne sagen: Wir wollen in keiner Weise die existierende Regionalpolitik beschneiden, wir wollen sie nur um die kulturelle Komponente bereichern. Wir bitten die Kommission das Ihrige dazu zu tun.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte Ihnen für die Gelegenheit danken, im Namen von Kommissar Figel‘, auf die Rolle der Kultur in unserer Politik und deren besonderen Beitrag zur Entwicklung europäischer Regionen und Städte eingehen zu können. Die Bedeutung der Kultur wird auf Gemeinschaftsebene auf unterschiedliche Art und Weise berücksichtigt.
Im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik haben regionale und lokale Strategien die Kultur erfolgreich zur Förderung von Kreativität und Innovation umgesetzt. Die Kohäsionspolitik unterstützt beispielsweise den Schutz unseres kulturellen Erbes, die Entwicklung kultureller Infrastrukturen und Dienstleistungen sowie die Entwicklung der regionalen Attraktivität und deren Verbindung mit nachhaltigem Tourismus; sie unterstützt aber auch die Regenerierung lokaler Volkswirtschaften und die Entwicklung grenzüberschreitender Strategien.
Im Jahr 2007 hat die Kommission die europäische Kulturagenda gestartet, die sich jetzt in den ersten Phasen der Durchführung befindet. Dieser neue strategische Ansatz hinsichtlich der Kultur bringt gemeinsame Ziele mit sich und soll die wirtschaftliche, soziale und politische Bedeutung von Kultur erhöhen, indem deren transversale Rolle gestärkt wird. In diesem Rahmen arbeiten die Kommission und die Mitgliedstaaten unter einer neuen, offenen Methode der Koordinierung zusammen, um die gemeinsamen Bemühungen in Bereichen mit direkter Auswirkung auf lokale und regionale Entwicklungsstrategien zu verstärken. Hierdurch kann beispielsweise das Potenzial der Kreativ- und Kulturwirtschaft – insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen – maximiert, der Zugang zu Kultur verbessert und die Mobilität von Kulturschaffenden gefördert werden.
Die Kommission wird außerdem bald eine unabhängige Studie über den Beitrag der Kultur zur lokalen und regionalen wirtschaftlichen Entwicklung als Teil der europäischen Regionalpolitik auf den Weg bringen. Die Ergebnisse dieser Studie werden die Wichtigkeit von Investitionen in kulturelle und kreative Bereiche sowie die Verbindungen zwischen solchen Investitionen, bestimmten regionalen Entwicklungszielen und der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung verdeutlichen. Die Studie wird außerdem dazu beitragen, ein Grünbuch zum Potenzial der Kreativ- und Kulturwirtschaft vorzulegen, das zurzeit vorbereitet wird und Anfang 2010 von der Kommission angenommen werden soll.
Die Kommission organisiert regelmäßig Konferenzen mit Vertretern lokaler und regionaler Behörden. Ich möchte hier nur auf die offenen Tage hinweisen, bei denen jedes Jahr viele Akteure in Brüssel zusammenkommen, um über zahlreiche Themen in Zusammenhang mit der Regional- und Kohäsionspolitik zu debattieren. Aspekte in Zusammenhang mit der Kultur sind regelmäßig im Rahmen dieser Workshops erörtert worden.
Außerdem strebt die Kommission im Kontext anderer europäischer Politikbereiche, beispielsweise der integrierten Meerespolitik der EU, die Einbindung von Akteuren der Zivilgesellschaft an, um das reiche europäische maritime Erbe deutlich zu machen. Daher werden die Akteure während der Feierlichkeiten zum Europäischen Tag der Meere im nächsten Mai unter anderem die Verbindungen zwischen dem maritimen Erbe und dem nachhaltigen regionalen Tourismus untersuchen.
Ich möchte abschließend noch das Europäische Kulturforum erwähnen, das zum ersten Mal – im Kontext der europäischen Kulturagenda in Brüssel am 29. und 30. September – durch die Kommission organisiert wird und bei dem Vertreter des Kulturbereichs und nationaler Behörden (einschließlich lokaler und regionaler Behörden) zusammenkommen.
Manolis Mavrommatis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte zunächst die Initiative bezüglich eines so interessanten Themas begrüßen, nämlich der Rolle der Kultur bei der Entwicklung der Regionen der Europäischen Union. Das kulturelle Erbe stellt ein wichtiges Element der Identität und der Geschichte der Entwicklung der Völker Europas dar. Der Schutz und die Erhaltung dieses kulturellen Erbes sind für die Bildung der neuen Generation und die Achtung der europäischen Identität von besonderer Bedeutung. Unabhängig von seiner europäischen, nationalen oder lokalen Dimension, ist das kulturelle Erbe für die europäischen Bürger von elementarem Wert. Wie wir alle wissen, stehen vornehmlich die Großstädte im Mittelpunkt, in denen sich die berühmtesten Museen und Denkmäler befinden.
Es ist jedoch eine Tatsache, dass der ländliche Raum in Europa, auf den 90 % des europäischen Hoheitsgebiets entfallen, von Landflucht und wirtschaftlicher Stagnation betroffen ist. Daher unterstützen europäische Programme mit kulturellem Inhalt die Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivität in diesen Regionen ganz besonders. Es geht dabei nicht nur um das Angebot von Arbeit und Beschäftigung, sondern vielmehr um die Schaffung von Anziehungspolen für Kultur- und Geschichtstourismus, der zur nachhaltigen Entwicklung dieser Gebiete beiträgt.
Daher sind wir der Auffassung, dass Kultur direkt zur Entwicklung der kulturellen Bildung von Europäern und indirekt zu wirtschaftlichem Wohlstand beiträgt, vor allem in den Regionen, die am meisten Aufmerksamkeit und Entwicklung benötigen.
Mary Honeyball, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich freue mich sehr über die Gelegenheit zu dieser Aussprache. Es ist nur schade, dass wir diese an einem Donnerstagnachmittag führen und daher nicht so viele Personen anwesend sind, wie es vielleicht wünschenswert wäre.
Ich denke, dass diese Aussprache aufgrund des aktuellen Wirtschaftsklimas von Wichtigkeit ist. Wir haben bereits die Diskussion über Kultur und Arbeitsplätze gehört sowie darüber, wie die Kultur- und Kreativwirtschaft und die im Bereich Kultur arbeitenden Personen einen Beitrag zur Wirtschaft leisten und eine wirkliche Hilfe darstellen können. In den schwierigen Zeiten, in denen wir uns derzeit befinden – und das haben wir im Parlament auch schon gehört – ist es wichtig, diese Themen so umfassend wie möglich zu diskutieren.
Ich bin auch deswegen hier, weil ich selbst eine der großen Städte vertrete, die der Vorredner erwähnt hat. London ist, wie Sie alle wissen, eines der kulturellen Zentren der EU, verfügt über eine beeindruckende Geschichte und hat sehr viel zu bieten. London ist sicherlich auch das Zentrum der britischen Kultur- und Kreativwirtschaft. Deshalb möchte ich hier für die Menschen sprechen, die ich vertrete, und mich für jene Arbeitsplätze einsetzen, die bei einer Verschlechterung der Lage sehr häufig zuerst in Gefahr sind. Aus diesem Grund begrüße ich das, was die Kommission bezüglich der Rolle der Kultur- und Kreativwirtschaft, der Erhaltung und Weiterentwicklung dieses Bereichs und der wirtschaftlichen Rolle der Kultur gesagt hat. Ich habe sehr häufig das Gefühl, dass die wirtschaftliche Rolle ignoriert wird und wir nicht darüber sprechen. Wir denken nicht einmal darüber nach und machen die Kultur zweitrangig. Dies ist nicht akzeptabel, vor allem dann nicht, wenn Kultur bei der nationalen und regionalen Entwicklung eine so wichtige Rolle einnehmen kann. Ich hoffe, dass in dieser Aussprache heute vor allem deutlich wird, dass es uns wichtig ist, wie diese regionale Entwicklung stattfindet, wie wir damit umgehen und welche Rolle die Kultur dabei spielen kann. Wir werden dies an unsere Mitgliedstaaten weitergeben, und auch die Kommission und der Rat werden dies aufnehmen.
Wie Frau Pack schon gesagt hat, geht es hier um die kulturelle Vielfalt. Ich denke, dass eine der größten Stärken der EU – und des Europäischen Parlaments – gerade darin liegt, dass wir nunmehr aus 27 Mitgliedstaaten zusammenkommen und tatsächlich in vielerlei Hinsicht unterschiedlich sind: unterschiedliche Herkünfte und Kulturen und ganz offensichtlich unterschiedliche Sprachen. Dies ist nur ein Anfang. Obwohl die Welt kleiner wird und die Menschen mehr und mehr zusammenrücken, gibt es dennoch diese erheblichen Unterschiede. Wir sollten diese Unterschiede zelebrieren, da sie das Kernstück dessen sind, worüber wir sprechen. Wir alle möchten unsere Identität wahren und wir selbst bleiben – und das soll auch so sein.
Wir müssen meiner Meinung nach in diesem Kontext auch berücksichtigen, dass andere Menschen auf unseren Kontinent kommen. Es kommen Menschen aus anderen Teilen der Welt zu uns, von denen viele in einigen unserer Mitgliedstaaten bereits in zweiter oder dritter Generation leben und anderer Herkunft sind. Wir sollten auch bedenken, dass sie ihre eigene Kultur, Tradition und Sprache mitbringen. Obwohl wir sie integrieren und sie unsere Sprachen lernen, haben sie dennoch auch ihre eigene Identität. Dies ist ein – wie ich finde – wichtiges Thema, das bei dieser Aussprache nicht erwähnt wurde und das wir hoffentlich insbesondere dann einbauen können, wenn es um Themen wie Mehrsprachigkeit geht – etwas, worüber wir bereits gute Aussprachen geführt haben. Es handelt sich dabei um ein wichtiges Thema, dem wir vielleicht noch mehr Bedeutung beimessen sollten als bisher, aber im Kontext eines sich verändernden Europas. Wir müssen daher unsere bestehenden Kulturen und unsere Vielfalt bewahren und dabei die zu unserem Kontinent neu hinzugekommene und auch weiterhin hinzukommende Vielfalt aufnehmen. Aus diesen Gründen begrüße ich es, dass wir die Kultur, die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen, die – meiner Meinung nach – im aktuellen Wirtschaftsklima möglicherweise das Rückgrat dessen bilden werden, was wir erreichen möchten. Wenn große Unternehmen Mitarbeiter entlassen und ihnen kündigen, dann kann es die Aufgabe der kleinen und mittleren Unternehmen sein, hier einzugreifen und Beschäftigung für jene zu schaffen, die in diesem Sektor arbeiten können.
Daher hoffe ich, dass wir alle die Wichtigkeit der Rolle der Kultur auf unserem Kontinent und in unserer Gesellschaft anerkennen, und wir, die hier an dieser Aussprache teilnehmen, die Botschaft an unsere Mitgliedstaaten, an die Regionen und an die Menschen weitergeben werden, die wir vertreten. Ich weiß, dass es sich hierbei um eine gute Botschaft handelt. Lassen Sie sie uns also verbreiten!
Grażyna Staniszewska, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin, die Regionen sind für die Entwicklung der Kultur überaus wichtig. Die meisten langlebigen Austauschprogramme und gemeinsamen Projekte zwischen Gebieten mit unterschiedlichen Traditionen, Bräuchen und Errungenschaften kommen genau dort zustande. Die Regionen fördern die Entwicklung der Kultur, und Kultur – wichtige, attraktive Projekte und Veranstaltungen – entwickelt sich zu einem Magneten, der wirtschaftliche Investitionen anzieht. Dies ist die klassische Anstoßwirkung, die sich am besten in den Auswirkungen des großartigen Programms „Kulturhauptstadt Europas“ zeigt. Auf ein Jahr kultureller Veranstaltungen folgt immer wirtschaftlicher Wiederaufschwung. Dies wissen auch die zahlreichen europäischen Städte, die an dem Projekt teilnehmen möchten.
Die Kultur ist eine großartige Chance, insbesondere für unterentwickelte Gebiete, die jedoch aufgrund ihrer geografischen Lage über viele natürliche Ressourcen, Touristenattraktionen und Erholungsmöglichkeiten verfügen. Daher ist es besonders wichtig, sich der bedeutenden Rolle regionaler Behörden bewusst zu sein und ihre Aktivität durch spezielle Programme der Europäischen Union zu fördern. Ich erwarte in Kürze die Vorlage eines Grünbuchs durch die Kommission, in dem ein umfangreiches Konzept mit Maßnahmen im Bereich der Kultur vorgestellt wird, einschließlich der Schlüsselrolle der Regionen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss noch auf die Initiative aufmerksam machen, das Jahr 2013 als „Europäisches Jahr des Erlernens der Sprachen unserer Nachbarn“ festzulegen. Die dynamische Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit in Europa wird häufig durch fehlende Kenntnisse der Sprache und Kultur der Nachbarländer und -regionen sowie durch die mangelnde Fähigkeit zur vollen Kommunikation erschwert. Das Erlernen der Sprache eines direkten Nachbars kann einen großen Sprung vorwärts bedeuten, wenn es um gegenseitiges Verstehen und Kommunikation und somit um die Stärkung der kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie der Konsolidierung der gesamten Europäischen Gemeinschaft geht.
Ryszard Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin, ich denke, dass es sich in dieser Aussprache lohnt, an die charakteristischen Worte von Jacques Delors zu erinnern, dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission. Als er nach Ende seiner Amtszeit als Präsident der Kommission gefragt wurde, ob er etwas bedauere oder es an etwas gemangelt habe, räumte er ein, dass die Europäische Union und die Kommission dem Thema der Kultur zu wenig Zeit gewidmet hätten. Ich denke, dass diese charakteristische Selbstkritik ein Wegweiser für uns sein könnte.
Ich schließe mich der Rednerin an, die gesagt hat, dass die Prioritäten unseres Parlaments befremdlich sind. Wir sagen immer, dass Kultur ebenfalls wichtig ist, nicht nur Prioritäten wie Institutionen, die Verwaltung und Verordnungen. Dann aber sprechen wir Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstagmorgen über diese Dinge. Nur bei der Aussprache am Donnerstagnachmittag geht es um wesentliche Themen – nämlich um Kultur, weil Kultur in der Tat das Fundament der europäischen Einheit ist. Dabei geht es nicht nur um die Kultur von Regionen, sondern auch um die nationale Kultur, weil das Erbe von Europa in Wirklichkeit das Erbe der europäischen Nationen ist. Und dies gilt vielleicht insbesondere für unser kulturelles Erbe.
Ich bin froh, dass dieses Thema angesprochen wurde. Ich bin aus dem Grund froh, weil ich vermute, dass es bei der Arbeit des Parlaments und auch der EU-Exekutive, insbesondere der Kommission und des Rats, eine zunehmend wichtigere Rolle einnehmen wird.
Věra Flasarová, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich stimme meiner Kollegin Doris Pack bezüglich der formulierten Fragen zu. Meiner Ansicht nach ist die multilaterale Unterstützung der europäischen Regionen sehr wichtig. Früher gab es in Europa Grenzen, die Staaten und Nationen jahrhundertlang voneinander trennten und dadurch eine Art psychologisches Niemandland schafften. Glücklicherweise haben wir diese Grenzen jetzt durch das Schengen-Abkommen beseitigen können. Dennoch bleiben Regionen gespalten, Städte sind zweigeteilt. Dadurch bleiben vor allem psychologische Probleme bestehen, weil ein Teil des Gebiets zu hier oder zu dort und der andere Teil des Gebiets zu woanders gehört. Durch die zunehmende Integration Europas heilen diese aus vergangenen Zeiten stammenden und auf der Karte und in den Köpfen der Menschen vorhandenen Wunden zwar sicher, aber langsam. Am schnellsten – viel effektiver und besser als alle Top-down-Maßnahmen – können diese Wunden durch die Unterstützung von Bürgerinitiativen und Aktivitäten kultureller Organisationen und regionaler Institutionen heilen. Die regionalen Institutionen und die in diesen Gebieten lebenden Menschen wissen am besten, welche Maßnahmen zur Wiederbelebung ihrer Region unternommen werden müssen.
Es gibt viele Projekte, deren Implementierung einen Schritt vorwärts und einen Impuls für weitere Maßnahmen darstellen würde. Ich komme aus der Region Nordmähren, aus Schlesien, wo das tschechische, polnische und slowakische Gebiet aufeinander treffen. Und genau dort – in der historischen Region Těšín, die heute die tschechische Stadt Český Těší und die polnische Stadt Cieszyn einschließt – wurde ein Projekt mit dem Namen „Ein Garten an beiden Flussufern“ geschaffen, da ein Fluss zwischen den beiden Städten verläuft, die einst eine Stadteinheit bildeten. Mit dem Projekt sollen zwischen den zwei Flussufern nicht nur Verbindungen städtischer, sondern auch architektonischer und vor allem kultureller Art geschaffen werden. Die zwei getrennten Teile des ehemals Ganzen müssen durch die kulturellen Aktivitäten der Einwohner verbunden werden. Der Fluss zwischen den beiden Städten und ihre Umgebungen müssen zu einem Ort des kulturellen Austauschs und der kulturellen Überschneidung werden. Ein wichtiger Aspekt solcher Projekte sind jedoch die neuen Beschäftigungsmöglichkeiten, die nicht nur während der Implementierung der Arbeit, sondern auch danach geschaffen werden. Der Dienstleistungssektor wird sich sicherlich noch ausweiten und somit die Attraktivität des Gebiets erhöhen und das Potenzial des Tourismus sowie anderer damit verknüpfter Unternehmen fördern. Die Initiatoren des Projekts „Ein Garten an beiden Flussufern“ ließen sich vom Beispiel Straßburgs (Frankreich) und Kehls (Deutschland) inspirieren, die ebenfalls so enge Nachbarn waren, dass sie eine natürliche städtische Struktur bildeten. Zwischen den beiden Städten fließt der Rhein. Was in Frankreich und Deutschland möglich ist, ist auch in der Tschechischen Republik und Polen bzw. überall in Europa möglich. Es gibt in Mitteleuropa zahlreiche solcher Beispiele. Wenn wir über den Beitrag der Kultur zur Entwicklung der Regionen Europas sprechen, dann fallen uns genau diese Projekte ein.
Die EU, die Kommission und das Europäische Parlament sollten kulturelle Projekte dieser Art sogar noch mehr als bisher unterstützen. Die Initiatoren von Bürgerinitiativen beklagen sich häufig darüber, dass solche Aktivitäten allzu sehr durch komplizierte Bürokratie oder zu komplizierte Strukturen in den jeweiligen Ministerien und Ämtern behindert werden.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – Frau Präsidentin, ich habe zwei Fragen an den Kommissar. Erstens: Was ist Kultur? Und zweitens: Was in aller Welt hat sie mit der Europäischen Union zu tun?
In meiner Region befindet sich die historische Grafschaft Northamptonshire. Ein Teil der kulturellen Identität, der Geschichte und der Struktur dieser Grafschaft ergibt sich aus deren geschichtlicher Verbundenheit mit der Schuhindustrie. Die Schuhmacherei gibt es dort bereits seit 1202, als Peter the Cordwainer (Peter der Schuhmacher) innerhalb der Grafschaft schon fast berühmt war. 1452 legte das Gericht die Preise und Gewichte für verschiedene Händler fest – auch für die Schuhmacher (Cordwainers). Northampton selbst war während der gesamten Zeit Heimat der Schuhindustrie.
1841 gab es, der Volkszählungsliste zufolge, innerhalb der Grafschaft 1 821 Schuhmacher. Das Fußballteam der Grafschaft, Northampton Football Club, wird immer noch als „the Clobbers“ bezeichnet. Wir haben heute in Northamptonshire 34 noch offene Schuhfabriken, die alle über 100 Jahre alt sind. Ich trage heute ein Paar Barker-Schuhe aus einem Dorf namens Earls Barton, das im wunderbaren Westminster-Wahlkreis Daventry liegt. Wir haben ein Museum und kulturelle Veranstaltungen rund um die Schuhindustrie – und dies alles gab es schon vor der Europäischen Union.
Obwohl ich die Rolle der Kultur in den Regionen unserer Länder gänzlich nachvollziehen kann, frage ich mich, wie die Europäische Union uns dabei helfen kann. Und was sind die Regionen Europas? Ich denke, wir sollten die Kultur in den Regionen Europas sich einfach so entwickeln lassen wie bisher auch – lokal, natürlich und nicht durch eine zentrale Regierung geführt.
Vittorio Prodi (ALDE). – (IT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Möglichkeit zu dieser Aussprache. Ich möchte gern unseren Blick etwas erweitern und auch die Zukunft berücksichtigen, nicht nur die Vergangenheit. Wir befinden uns in einer Situation, in der wir feststellen, dass das Wachstum nicht immer so weitergeführt werden kann, sondern dass es durch die begrenzten natürlichen Ressourcen und die begrenzte Fähigkeit der Erde, unsere Abfälle aufzunehmen und zu verarbeiten, beschränkt ist. Wir können uns nicht länger nur auf das materielle Wachstum – unsere Auffassung von Entwicklung – stützen, sondern müssen eine Entwicklung planen, die sich stärker auf die Lebensqualität bezieht: Wir müssen im Prinzip unsere Gesellschaft entmaterialisieren.
So gesehen sind die Regionen für ihr eigenes kulturelles Reichtum, d. h. ihre Lebensqualität, ebenso wichtig – etwas, das in einer Zeit wie der heutigen, in der sich unsere Lebensweise komplett ändern muss, extrem wichtig ist. Im Kontext der Entmaterialisierung ist der Reichtum einer Region – im Sinne von deren Lebensqualität – daher von großer Bedeutung. Ich würde sogar sagen, dass es absolut unerlässlich ist.
Ich möchte daher sowohl die Aufmerksamkeit der Kommission als auch des Parlaments auf eine von uns zu bewirkende Änderung unserer Lebensweise richten, auf eine Entmaterialisierung unserer Gesellschaften und daher auf eine Kulturarbeit, die unersetzbar sein wird, wenn wir materielle Güter durch nicht materielles Reichtum ersetzen. Diese regionale Erfahrung gilt es daher nachzuvollziehen und zu bewahren, bevor sie durch eine Reihe von Versehen vertrieben wird.
Aus diesem Grund möchte ich dazu aufrufen, diese Aussprache fortzusetzen, weil sie so wichtig ist und weil wir unsere Lebensweise einfach ändern müssen.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, die Schönheit von Kultur kommt durch die regionale und lokale Vielfalt zustande, die sich mit der Entwicklung der Gesellschaft verändert. Regionale Kulturen, die stark in Traditionen verankert sind, bilden eine starke Grundlage für nationale Kulturen und ihre vielen Variationen. Durch die Vielfältigkeit ihrer Form und ihres Ausdrucks haben sie eine große Wirkung. Sie fördern Kunst, bringen Erfahrung und Emotionen mit sich und stärken die Bindung der lokalen Gesellschaft.
Regionale Kulturen werden von professionellen Künstlern verdrängt, die sich von ihnen inspirieren lassen. Häufig wird geglaubt, dass die regionale Kultur eine Amateurbewegung sein muss, wohingegen eine professionelle Bewegung starke finanzielle Unterstützung erhalten sollte. Möglicherweise ist dies der Ursprung der Tendenz, die es auch in der EU gibt, große und teure Projekte zu finanzieren, einschließlich internationaler Projekte, die professionelle Künstler aus unterschiedlichen Ländern einbeziehen. Regionale und lokale Kulturen sterben allmählich aus, und ihre zahlreichen Ausdrucksformen, Disziplinen und kreativen Fähigkeiten gehen verloren.
Wir können heute von der traditionellen Kultur und Volkskultur in geschichtlich unterentwickelten Regionen reden, aber wir können nicht sehr viel über ihr Vorhandensein in sich entwickelten Regionen sagen. Daher ist es dringend erforderlich, ein Forschungsprogramm zu entwickeln, um den Schutz und die Entwicklung der regionalen Kultur in ihren gesamten spirituellen und künstlerischen Ausdrucksformen zu dokumentieren. Diese Ausdrucksformen sind in meinem Änderungsantrag zu der zur Diskussion stehenden Entschließung ausführlicher dargelegt. Ich hoffe, dass er von den Abgeordneten unterstützt wird.
Pál Schmitt (PPE-DE). - (HU) Kultur schafft intellektuelle und materielle Werte. Millionen von Menschen in ganz Europa sind in der Kultur- und Kreativwirtschaft beschäftigt, und zwar in den Bereichen Film, Buchveröffentlichung sowie Musikkomposition und -veröffentlichung. Letzteres wird häufig als Musikindustrie bezeichnet und ist einer der am dynamischsten wachsenden Sektoren.
Es ist kein Zufall, dass die erfolgreichsten und beliebtesten Initiativen der EU eng mit Kultur verknüpft sind. Innerhalb des Austauschprogramms für europäische Kunstsammlungen kann sich die Öffentlichkeit in Budapest derzeit in einem bedeutenden Museum an einer unvergleichlichen Ausstellung mit Kunstwerken von Gustave Moreau und Alfons Mucha erfreuen.
Eine weitere solche Initiative ist das Programm „Kulturhauptstadt Europas“, bei dem nicht nur Städte herausgestellt und gefördert werden, sondern ganze Regionen. In weniger als einem Jahr, im Jahr 2010, wird eine wenig bekannte, kleine Stadt im Süden Ungarns, Pécs, diesen stolzen Titel tragen. Die Hunderttausende von der Stadt angezogenen Besucher werden das Wachstum der gesamten Region fördern.
Ich bin überzeugt davon, dass es Kultur ist, durch die die EU weiter mit ihren Bürgern zusammenwachsen wird und durch die Bürger einander näher gebracht werden. Wenn wir von regionaler Identität in der Europäischen Union sprechen, dann ist es selbstverständlich, dass wir uns auf die Kultur berufen. Ich hoffe, dass es in dem Zeitraum nach der Lissabon-Strategie noch mehr Initiativen und Ressourcen für die Kultur und Bildung geben wird als jetzt. Der Wirtschaftsmotor der modernen, wissensbasierten Gesellschaft ist Erfindungsgeist und Originalität, das heißt: Innovation und Kreativität.
Bernd Posselt (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich war vor dreißig Jahren dabei, als hier in Straßburg zum ersten Mal ein direkt gewähltes Europaparlament zusammengetreten ist. Die Alterspräsidentin war Louise Weiss, nach der dieses herrliche Gebäude, selbst ein großartiges Stück europäischer Kultur, benannt ist. Ihre Rede war das geistige Gründungsdokument des Europaparlaments. Sie sprach damals von den europäischen Menschen, die wir brauchen, auf der Basis der gemeinsamen europäischen Kultur.
Diese europäische Kultur ist nicht eine Neuerfindung, wie manche glauben, sondern eine Wiederentdeckung von etwas, das viel älter ist als die Nationalstaaten, Herr Kollege Heaton-Harris. Grenzen sind zumindest auf dem Kontinent meistens etwas sehr Künstliches. Die Kultur wurzelt tief in Regionen, die oft von künstlichen Grenzen durchschnitten sind. Die regionale Kultur ist von überragender Bedeutung als Bindeglied zwischen den Nationen. Eine der großen kulturellen Persönlichkeiten war der Böhmerwalddichter Adalbert Stifter, der in Bayern, Oberösterreich und Böhmen gewirkt hat, der Tschechen und Deutsche verbunden hat. Diese Tradition muss am Leben erhalten werden, die Kultur, die zerstört wurde durch Nationalismus und Vertreibung, die Kultur der Minderheiten, die Kultur der Regionen, die Kultur der grenzüberschreitenden Euroregionen, und nicht zuletzt die Vielfalt, die wir nur gemeinsam bewahren können.
Franz Josef Strauß, der große bayerische Europäer, hat gesagt: Wir werden nur dann Bayern und Basken, Deutsche und Briten bleiben können, wenn wir rechtzeitig Europäer werden – Europa nicht als zentralisierender Faktor, sondern als gemeinsames Dach gegen den Regen einer Globalisierung und Uniformierung.
Iosif Matula (PPE-DE) . – (RO) Das Projekt Europäische Union, das ursprünglich eigentlich als ein Mechanismus für wirtschaftliche Integration gedacht war, schuldet der europäischen Kultur – seiner Grundlage – sehr viel. Gleichzeitig ist die Förderung der Vielfalt eines der Ziele der während dieser Legislaturperiode auf den Weg gebrachten europäischen Kulturagenda – zusammen mit der Stärkung von Kultur als Mittel für wirtschaftliches Wachstum sowie ihrer Berücksichtigung in den Beziehungen mit Drittländern.
Kultur muss aus einer etwas anderen Perspektive betrachtet werden, wenn wir über die Tatsache nachdenken, dass dieser Sektor beispielsweise mehr Wohlstand generiert als die europäische chemische Industrie und Millionen von Menschen beschäftigt.
Dieser Sektor kann durch Zuschüsse für kulturelle Zusammenarbeitsprojekte im Bereich Kunst und Kultur zur Entwicklung benachteiligter Regionen beitragen. Rumänien hat beispielsweise durch das Programm Sibiu, Kulturhauptstadt Europas 2007, das große wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region hatte, bewiesen, dass das Land große Projekte in Partnerschaft mit europäischen Regionen implementieren kann.
Gleichzeitig müssen wir Programme unterstützen, die die grenzüberschreitende Mobilität jener fördern, die im Bereich Kultur arbeiten und kulturelle sowie künstlerische Veranstaltungen auf transnationaler Ebene organisieren.
Ich sage dies als Mitglied des Ausschusses für Kultur und Bildung und des Ausschusses für regionale Entwicklung, aber auch als ehemaliger Vorsitzender einer europäischen Grenzregion.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin, Menschen müssen essen, sich fortbewegen und Schutz vor Kälte oder Regen suchen. Dies sind die Elemente der Produktion und des Handels, die dazu dienen, die Grundbedürfnisse zu decken. Welche Art von Gabel wir jedoch zum Essen benutzen und wie unser Fahrrad oder das Dach unseres Hauses aussieht, hat nichts mit Wirtschaft zu tun, sondern ist Ausdruck von Kultur. Menschen haben das spirituelle Bedürfnis, etwas zu schaffen, einfach nur des Schaffens willen. Sie sind stolz auf ihre Arbeit, wenn andere, die sie sehen oder berühren, ihre Wertschätzung ausdrücken oder sich aufgrund ihrer Arbeit besser fühlen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Tatsache, dass kulturelle Vielfalt häufig mit Regionen verknüpft ist. Wir sollten nie diese Regionen und ihre Kultur vereinheitlichen, sondern ihre Vielfalt fördern. Die Kultur ist Ausdruck der Seele der Regionen. Die EU wäre ohne ihre heutige kulturelle Vielfalt höchst uninteressant. Die Bewahrung von Kultur ist teuer, und unsere Rolle ist es, Kultur zu unterstützen. Ohne sie gibt es in der Europäischen Union keine Wirtschaft oder zufriedenen Menschen.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, der kulturelle Reichtum Europas kommt durch die großartige Vielfalt der Regionen zustande. Diese Vielfalt muss geschützt werden. Die aus Koniaków stammende Spitze unterscheidet sich vollkommen von der Spitze aus Brügge. Die aus einer oberflächlichen Reproduktion von Ideen aus der Kultur geschaffene Mischung führt zu Verarmung. Wir müssen die Vielfalt aller Formen und Ausdrücke von Kultur bewahren, einschließlich der Mehrsprachigkeit und materiellen Kultur, weil unsere Vielfalt unsere Identität ist. Sie ist der Ursprung der kreativen Entwicklung und gegenseitigen Bereicherung. Sie gibt auch dem Kulturtourismus einen Sinn. Die Kultur der Regionen muss unterstützt und geschützt werden. Ich wende mich daher an die Europäische Kommission mit der Bitte, ein entsprechendes Programm zu entwickeln.
Janusz Onyszkiewicz (ALDE). – (PL) Frau Präsidentin, das Motto der Europäischen Union lautet „In Vielfalt geeint“. Diese Vielfalt macht die besondere Attraktivität der gesamten EU aus und bedeutet auch, dass wir uns von Ländern wie den Vereinigten Staaten sehr unterscheiden. Die kulturelle Vielfalt basiert unter anderem auf der enormen Vielfalt unserer regionalen Kulturen – eine Vielfalt, die diese Regionen und ganze Länder für Touristen sehr aktiv macht. Sie sind für uns Europäer attraktiv, und sie sind auch für andere äußerst attraktiv, die nach Europa kommen, um diese ungewöhnliche Vielfalt zu sehen, zu erleben und wertzuschätzen.
Die regionale Kultur sollte daher unterstützt werden – und wenn es nur aus diesem Grund ist. Wir sollten uns aber auch vor Augen halten, dass die regionale Kultur eine Brücke ist, die es den in den Regionen lebenden Menschen ermöglicht, an der Hochkultur teilzunehmen. Andernfalls ist es schwierig, von der Harmonisierung und Popularisierung bestimmter Kulturmodelle und ihrer Wahrnehmung zu sprechen.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin, der große Wert unserer Gemeinschaft liegt darin, die Einheit Europas zu erreichen und dabei die Vielfalt, die Identität und das kulturelle Erbe zu bewahren. Die einzelnen Nationen, Regionen und unterschiedlichen lokalen Gemeinden pflegen und entwickeln ihre Kultur und Tradition und bringen dieses Erbe in ein geeintes Europa ein. Sie teilen ihre Kultur mit anderen Regionen und lernen im Gegenzug etwas über die Errungenschaften und Leistungen der anderen. Sie geben den anderen etwas und bekommen dafür etwas von den anderen.
Zur Erhaltung des kulturellen Erbes in Regionen und kleineren Gebieten ist es außerdem wichtig, dass EU-Mittel zur Verfügung stehen. Alle diejenigen, die ihre Kultur und Identität nach der Integration zu verlieren fürchteten, begreifen allmählich, dass das Gegenteil der Fall ist – nämlich dass die EU die regionale Kultur, Volkskultur und lokale Kultur unterstützt.
Christopher Beazley (PPE-DE). – Frau Präsidentin, ich möchte meinen Kollegen Zbigniew Zaleski unterstützen.
Jemand hat mal gesagt: „Wenn ich das Wort ‚Kultur’ höre, entsichere ich meinen Revolver.“ Ich denke, dass das Europäische Parlament – wie unsere nationalen Parlamente und Regierungen auch – heute die Wichtigkeit von Bildung und Kultur unterschätzt. Wir befinden uns dabei stets unten.
Man sagt: „Die Hand, die die Wiege schaukelt, ist die Hand, die die Welt regiert.“ Ich denke, und dies ist nur meine persönliche Auffassung, dass Griechenland die Wiege der europäischen Zivilisation war. Ein oder zwei Engländer – Lord Byron und andere – haben auch etwas dazu geleistet. Vielleicht kann Kommissar Borg aus Malta, dem Land von George Cross, die folgende Frage beantworten: Warum können wir nicht ein bisschen mehr Geld für die Unterstützung der Zukunft unserer Kultur und unserer Zivilisation ausgeben? Ich will nicht wissen, wie viele Millionen oder Milliarden Euro wir für dieses und jenes ausgeben. Daher die Bitte im Namen von Musik, Dichtkunst, Geschichte und Harmonie: Geben Sie uns eine Chance!
Joe Borg, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin, ich möchte den verehrten Damen und Herren Abgeordneten für die vielen von ihnen angesprochenen Punkte danken. Ich werde diese Punkte und die geäußerten Sorgen natürlich an Kommissar Figeľ weiterleiten. Ich möchte jedoch einige allgemeine Punkte und Reaktionen formulieren.
Frau Pack sprach über die Harmonisierung der Bestimmungen auf europäischer Ebene und deren Auswirkung auf die regionale Vielfalt. Ich möchte darauf hinweisen, dass eine Harmonisierung auf europäischer Ebene erforderlich ist, um für alle in der Europäischen Union gleiche Ausgangsbedingungen zu gewährleisten, damit die Bürger den Binnenmarkt voll ausschöpfen können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Harmonisierung die kulturelle Vielfalt mindert. Dies war in der Tat auch das Ergebnis des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs.
Des Weiteren fördert die Kommission durch ihre Regionalpolitik die kulturelle Vielfalt und investiert – sowohl direkt als auch indirekt – in Kultur, indem sie regionale Behörden und Akteure einbezieht. In zahlreichen Politikbereichen versucht die Kommission, die Vielfalt zu fördern und die regionalen Besonderheiten innerhalb der Europäischen Union zu berücksichtigen.
Bezüglich des angesprochenen Punkts zum Thema Kultur und Wirtschaftskrise sowie dem Gesamtbeitrag zu Wachstum und Beschäftigung möchte ich daran erinnern, dass die Kommission dieses Jahr eine Studie durchführt, um zu untersuchen, wie die kulturelle Dimension in die regionalen Entwicklungsstrategien für 2007-2013 einbezogen wurde. Die Ergebnisse dieser Studie werden den Wert der Investitionen im Bereich Kultur, einschließlich der Kultur- und Kreativwirtschaft, und den Zusammenhang zwischen solchen Investitionen, den jeweiligen regionalen Entwicklungszielen und der Lissabon-Strategie deutlich machen.
Bezüglich des Grünbuchs möchte ich Sie – wie ich zu Beginn sagte – darüber in Kenntnis setzen, dass dieses politische Dokument im ersten Quartal 2010 herausgegeben wird und dazu dient, einen offenen Konsultationsprozess einzuleiten. Damit werden drei politische Hauptziele verfolgt. Erstens soll ein strategischerer Ansatz gefördert werden. Zweitens soll das Potenzial der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft freigelegt werden. Drittens soll schließlich ein Beitrag zur Entwicklung von Strategien geleistet werden, die die Förderung der besseren Verbindung zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und anderen wirtschaftlichen Sektoren zum Ziel haben, um somit Kultur und Kreativität mit Innovation und der Wirtschaft insgesamt zu verbinden. Die regionale Dimension wird in diesem Kontext natürlich vollständig berücksichtigt.
Ich möchte abschließend gern auf die Aussage von Herrn Posselt verweisen, dass Kultur häufig durch Nationalismus zerstört wird. Aber gewiss nicht durch die Europäische Union: Sie glaubt fest an Einheit und Vielfalt und hält diese Werte hoch.
Die Präsidentin. – Ich habe gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung drei Entschließungsanträge erhalten.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt während der nächsten Tagung.