Der Präsident. – Der nächste Punkt umfasst eine kurze Darstellung des Berichts (A6-0125/2009) von Hannu Takkula im Namen des Ausschusses für Kultur und Bildung in Bezug auf die Bildung für die Kinder von Migranten (2008/2328(INI)).
Hannu Takkula, Berichterstatter. − (FI) Herr Präsident, es ist die ethische Pflicht der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass jeder Mensch, auch die Kinder von Migranten, das Recht auf eine gute Bildung haben. Jedes Kind muss das Recht haben, eine Bildung zu genießen, die kostenlos und verpflichtend ist, zumindest auf der Primarstufe. Kinder müssen eine Allgemeinbildung erhalten können, die die Chancengleichheit zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten fördert – ihre individuelle Unterscheidungskraft und ihren Sinn für Moral und soziale Verantwortung – damit sie als ausgeglichene und verantwortliche Mitglieder der Gesellschaft heranwachsen können.
Diejenigen, die für die Bildung und Beaufsichtigung von Kindern verantwortlich sind, müssen das Wohl des Kindes als ihr Leitprinzip ansehen. Dies beginnt selbstverständlich bereits Zuhause in der Familie und bei den Eltern. Aber die Schule und die Gesellschaft an sich müssen ebenfalls eine unterstützende Rolle in der Kindeserziehung einnehmen, um es den Schülern somit zu ermöglichen, ihre eigene Persönlichkeit voll zu entwickeln.
Ich bin besorgt über die Studien, die vor kurzem über die Kinder von Migranten veröffentlicht worden sind. Diesen Studien ist zu entnehmen, dass den Kindern in einigen Fällen der Schulbesuch sehr schwer fällt, und dass in einigen Gegenden Vorstöße unternommen werden, Schulen ausschließlich für Migrantenkinder zu etablieren. Das Ergebnis sieht nun natürlich so aus, dass Familien ihre Kinder von Schulen mit hohem Migrantenanteil nehmen, weil ihnen solche Schulen als ungeeignet erscheinen. Dies ist eine bedauernswerte Situation und hat an den betroffenen Schulen zu sehr schlechten Bildungsstandards und schlechten Schülerleistungen unter den Migrantenkindern geführt. Eine weitere Folge dieses Phänomens ist eine sehr hohe Lehrerfluktuation an den Schulen mit hohem Migrantenanteil.
Dies ist nicht die Entwicklung, die wir uns erhofft hatten, und wir müssen nun Bedingungen schaffen, die es den Kindern von Migranten ermöglicht, sich bestmöglich in die Gesellschaft zu integrieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die Schulen über angemessene Ressourcen verfügen. Damit meine ich nicht nur quantitative Ressourcen hinsichtlich Lehrkräfte sondern auch finanzielle Mittel in ausreichendem Maß. Außerdem müssen wir uns um die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung, und weitergehend auch der Lehrerfortbildung, kümmern. Damit wir unser Augenmerk in integrierter und nachhaltiger Weise auf die Migrantenkinder richten können, brauchen wir eine umfassende Herangehensweise an die Problematik. Darüber hinaus sind besondere Investitionsanstrengungen und zusätzliche Ressourcen für die Lehrerausbildung und das gesamte Bildungssystem erforderlich.
Ich weiß, dass diese Angelegenheit in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt. Aber das Europäische Parlament und die Europäische Union sollten die Mitgliedstaaten durch eine transparente Koordination zum Handeln ermuntern, denn ich glaube, dass wir schließlich alle möchten, dass Migrantenkinder eine gute Erziehung erhalten und in der Lage sind, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Auf diese Weise können wir den bedauernswerten Trend zur sozialen Ausgrenzung vermeiden, den wir heute bei vielen Migrantenkindern beobachten müssen. Tatsache ist, dass dies oft in die Arbeitslosigkeit und schlimmer noch, neben einer Vielzahl weiterer unerwünschter Folgen, in die Kriminalität führt.
Ein weiterer Grund zur Besorgnis aus der Sicht des Prinzips des freien Personenverkehrs innerhalb der Europäischen Union ist es, dass Bürger aus den Mitgliedstaaten der EU nicht unbedingt den Wunsch verspüren, in ein anderes Land zu ziehen oder im Ausland zu arbeiten, wenn es unmöglich ist, für die Kinder im Zielland eine anständige und gute Schulausbildung und ein gut ausgebildetes pädagogisches Personal zur Verfügung zu haben. Daher müssen wir dieser Angelegenheit unsere Aufmerksamkeit widmen und sicherstellen, dass in jedem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein adäquates und qualitativ hochwertiges Bildungssystem für jedes Kind und jeden jungen Menschen vorhanden ist.
Kinder und junge Menschen sind unsere Zukunft - sie sind unser höchstes Gut. Das Motto lautet „Heute“, nicht „Morgen“. Daher hoffe ich, dass wir in der Europäischen Union in der Lage sein werden, uns auf das gemeinsame Prinzip zu einigen, wonach jedes Kind das Recht auf ein integriertes, sicheres Morgen hat und auf eine gute Bildung.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. – (DE) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße diesen Initiativbericht und möchte mich vor allem auch im Namen meines Kollegen Ján Figel' bei dem Berichterstatter, Hannu Takkula, und dem Kulturausschuss für die Arbeit bedanken.
Die Europäische Kommission glaubt, wie Sie, Herr Abgeordneter, dass die Mehrheit unserer Mitgliedstaaten aufgrund der zunehmenden Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund vor erheblichen Herausforderungen hinsichtlich ihrer Bildungssysteme steht.
Bildung ist das zentrale Problem im Integrationsprozess. Die Aneignung von Qualifikationen ist unentbehrlich, will man die Zukunft unserer Bürger in einer Wissensgesellschaft sichern, einer Gesellschaft, die mehr und mehr dem Wettbewerb unterliegt. Aber ebenso wichtig ist es, dass die Schule als soziales Experiment die Grundlage für ein beidseitiges Wissen und ein gegenseitiges Verständnis bietet, die für die Verbesserung unseres Zusammenlebens von entscheidender Bedeutung ist.
Allerdings existieren im Moment große Probleme für Schüler mit Migrationshintergrund in Europa. Migrantenkinder begegnen häufig einer doppelten Herausforderung: einerseits die unzureichenden Sprachkenntnisse des Gastlandes, andererseits ein niedriger sozioökonomischer Status. Viele Migrantenkinder weisen verglichen mit einheimischen Schülern schlechtere Schulleistungen auf, höhere Schulabbrecherraten und niedrigere Einschreibungsraten bei Hochschulen.
Der Bericht betont deshalb mit Recht, wie wichtig es ist, das Erlernen der Sprache des Aufnahmelands angemessen zu unterstützen, aber gleichzeitig eben auch die Muttersprache und die Kultur des Migrantenkindes zu fördern. Die Teilnahme an Vorschulerziehung ist ebenso bedeutend, um eine erfolgreiche, frühe Integration in die Bildungssysteme zu erreichen und um sozio-ökonomische und sprachliche Nachteile abzubauen. Lehrer sollten auf jeden Fall über die notwendigen Qualifikationen verfügen, die für ein multikulturelles Umfeld von Bedeutung sind. Dabei sollte auch die Mobilität ein wesentlicher Bestandteil der Lehrerausbildung und -fortbildung sein.
Es freut mich sehr, dass hinsichtlich dieser Fragen eine so große Übereinstimmung besteht. Ich denke, wir stimmen auch darin überein, dass es jetzt darauf ankommt, die guten Absichten umzusetzen und tatsächlich die Bildungschancen von Migrantenkindern zu verbessern. Daher wollen wir die Mitgliedstaaten unterstützen, um eine hohe Bildungsqualität für alle zu sichern und gleichzeitig aktiv die sozio-ökonomische Segregation von Schülern zu verhindern. Wir wollen die Mitgliedstaaten unterstützen, damit sie die Schulen befähigen, die vielfältigen Anforderungen zu meistern, so dass die ursprüngliche Herausforderung von multikultureller Gesellschaft und Vielsprachigkeit zu einem Vorteil dieser Schulen wird.
Natürlich sind die Inhalte und die Organisation der Schulsysteme eine rein nationale Kompetenz und die Kommission hat auch nicht die Absicht, in diese Kompetenzen in irgendeiner Weise einzugreifen. Ich muss aber auch sagen, dass die erfolgreiche Integration von Migrantenkindern Europa insgesamt betrifft. Wir haben viel voneinander zu lernen, und wir können viel voneinander lernen. Wir sind sicher, dass Ihr Bericht einen wichtigen Schritt darstellt, um aufzuzeigen, was tatsächlich konkret geschehen kann, um die Mitgliedstaaten in diesem Bereich zu unterstützen.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Nicodim Bulzesc (PPE-DE), schriftlich. – Die Themen Bildung und Migration stehen in engem Bezug zueinander, denn sowohl die Migration innerhalb der Europäischen Union als auch die Einwanderung in die EU haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Dabei gibt es eine Reihe von Aspekten, die wir künftig aufmerksamer beachten sollten.
Ich pflichte auch der Ansicht bei, dass die Richtlinie 77/486/EG veraltet ist. Machen wir uns klar, dass diese Richtlinie aus dem Jahr 1977 stammt, und seither hat sich die Europäische Union stets weiter verändert. Als Beispiel sei lediglich angemerkt, dass mein Land (Rumänien) der EU mehr als 20 Jahre später beigetreten ist, und mein Eindruck ist, dass diese Richtlinie keine Lösung für unsere Probleme liefert. Die mit der Migration verbundenen Probleme haben sich im Verlauf der letzten Jahre dramatisch verschärft, und ich unterstütze die Anregung von Hannu Takkula zur Novellierung dieser Richtlinie. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und vorschlagen, eine neue Richtlinie zu erarbeiten, die sich mit der Bildung von Migrantenkindern befasst.
Corina Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Die steigenden Migrationszahlen in der EU, auch EU-intern, haben unter kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten eine Reihe bedeutender Auswirkungen. In dieser Hinsicht ist es von erheblicher Bedeutung, Migranten Chancengleichheit zu garantieren und eine größere Aufmerksamkeit auf die Bekämpfung der Diskriminierung der Migranten zu richten. Diesbezüglich spricht die Situation der Roma, deren Probleme einen Fall für sich darstellen und deren Ausmaß eigene Dimensionen erreicht, für sich selbst.
Ich möchte auch die Aufmerksamkeit auf die Implikationen der Arbeitskräftemobilität richten. Die Kinder derjenigen, die eine Arbeit im Ausland aufnehmen, erfahren oftmals Schwierigkeiten bei der Integration in das ausländische Bildungswesen.
Aus diesem Grund kann die Förderung einer frühestmöglichen Integration der Kinder ausschlaggebend sein zur Verhinderung der Gettoisierung von Migranten. Dies um so mehr als bereits festgestellt wurde, dass das Bildungsniveau und die soziale und wirtschaftliche Situation von Migrantenkindern schlechter sind als bei anderen Kindern. Daher wäre ein Impuls in diesem Bereich wichtig. Je besser die Bedingungen sind, die Migrantenkindern geboten werden, um sich so schnell wie möglich in die ausländische Bildungsumgebung zu integrieren, desto größer sind ihre Erfolgschancen auf ihrem Bildungsweg und auf dem Arbeitsmarkt.
Dies bedeutet zugleich jedoch nicht, dass diese Kinder durch das Erlernen der Sprache des Gastlandes und das Anpassen an die örtlichen Gegebenheiten ihr eigenes kulturelles Erbe aufgeben müssen.
Gabriela Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Eines der Grundprinzipien der Europäischen Union ist die Personenfreizügigkeit, die es den Bürgern erlaubt, in einem anderen Land zu arbeiten, zu studieren oder in ein anderes Land zu reisen. Es ist wichtig für uns, die soziale Integration interner Migranten als eine Verantwortung aufzufassen, die die Gesellschaft als Ganzes betrifft. Die Bildung von Migrantenkindern ist ein Schritt in diese Richtung.
Die Thematik der Bildung von Migrantenkindern muss unter dem Blickwinkel betrachtet werden, wie das alltägliche Funktionieren der europäischen Gesellschaft und ihre kulturelle Bereicherung weiter verbessert werden können. Mit dieser Vorstellung im Kopf denke ich muss eine Kooperation zwischen Gastland und Herkunftsland etabliert werden, wobei das Herkunftsland aktiv in den Erhalt der Muttersprache und der Heimatkultur einzubeziehen ist.
Wir unterstützen die Einführung der Muttersprache der Einwanderer als zweite Fremdsprache in die Lehrpläne des Gastlandes dort, wo unter der Bevölkerung ein hoher Einwandereranteil besteht. Eine Möglichkeit sicherzustellen, dass Migrantenkinder mit der Kultur ihres Herkunftslandes in Kontakt bleiben und die Erfahrungen aus der Einwanderungssituation weitervermittelt werden, besteht in der Rekrutierung von Lehrpersonal aus den Reihen der betreffenden Einwandererbevölkerung.
Ioan Lucian Hămbăşan (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Das Grünbuch der Kommission gab Anlass zu einer Reihe von Fragen über eines der Hauptprobleme, mit denen Mitgliedstaaten derzeit konfrontiert sind: die Bildung der Kinder von Migranten. Es gibt eine große Anzahl rumänischer Kinder, die mit ihren Familien in anderen Mitgliedstaaten leben. Dabei ist es wichtig für sie, ihre Identität bewahren zu können und die Chance zu erhalten, sowohl die Sprache des Landes in dem sie leben zu erlernen als auch die Muttersprache weiterzuentwickeln. Wir müssen Toleranz und gegenseitiges Verständnis fördern, und gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, dass Bildung auch in der Muttersprache der Migranten stattfinden kann. Diese Kinder müssen die gleichen Rechte haben wie andere Kinder. Es ist wohl bekannt, dass ihre prekäre wirtschaftliche Situation in die Isolation, zum Abbrechen der Schule und zu Gewalt führen kann. Genau deshalb müssen wir die Mitgliedstaaten bei der Suche nach Lösungen unterstützen. Kinder sind unsere wertvollste Ressource. Sie verkörpern die Zukunft unserer Gesellschaft, ganz egal welcher Herkunft sie sind.