Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Trauer und Bestürzung muss ich Ihnen heute mitteilen, dass am letzten Wochenende mehr als 300 Menschen beim Untergang mehrerer Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer vor der libyschen Küste ertrunken sind. An Bord befanden sich Nordafrikaner und Menschen aus Ländern südlich der Sahara. Einige Flüchtlinge konnten von den ägyptischen und libyschen Behörden gerettet werden. Einige Tote wurden gefunden, aber Hunderte von Menschen gelten noch als vermisst. Im Namen des Europäischen Parlaments möchte ich unsere Betroffenheit und unsere Trauer zum Ausdruck bringen.
Die Europäische Union erlebt schon seit zwei Jahren eine zunehmende Einwanderung über das Mittelmeer. Wesentlich mehr Armutsflüchtlinge aus Afrika sind jetzt als Folge der Wirtschaftskrise zu erwarten.
Die große Zahl von Flüchtlingen, die bei ihren Versuchen, in die Europäische Union einzureisen, tragisch ums Leben kommen, droht das Mittelmeer in einen großen Friedhof unter offenem Himmel zu verwandeln. Wir alle bleiben aufgefordert, Lösungen zu finden, damit diese Tragödien beendet werden können.
In Erinnerung an die Verstorbenen bitte ich Sie jetzt um ein stilles Gedenken.
(Das Parlament erhebt sich zu einer Schweigeminute.)
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine große Freude, heute als Gast auf der Tribüne den Nobelpreisträger für Medizin 2008, Herrn Professor Luc Montagnier, zu begrüßen! Herzlich willkommen!
(Beifall)
Ich freue mich, heute eine Delegation der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS begrüßen zu dürfen. Die Delegation besteht aus 15 Mitgliedern ihres Ad-hoc-Ausschusses, der sich mit der Frage der Direktwahlen und der gestiegenen Befugnisse befasst. Sie befindet sich auf einer Studienreise und möchte von den diesbezüglichen Erfahrungen des Europäischen Parlaments lernen. Ich wünsche Ihnen einen hervorragenden Aufenthalt und hoffe, dass unsere Parlamente ihre Zusammenarbeit weiter vertiefen werden. Herzlich willkommen!
(Beifall)
4. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Janusz Onyskiewicz im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über das neue Abkommen EU-Russland (2008/2104(INI)) (A6-0140/2009).
Janusz Onyszkiewicz, Berichterstatter. − (PL) Herr Präsident, dieser Bericht beschreibt die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland als äußerst wichtig für die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Union. Er unterstreicht die Rolle, die Russland auf internationalem Parkett, insbesondere aber in unserer unmittelbaren Nachbarschaft spielen kann und sollte, wo das Land zur wirtschaftlichen und politischen Stabilität der Region beitragen kann.
Allerdings wird im Bericht auch auf die unverhältnismäßig heftige Reaktion Russlands auf die bewaffnete Intervention Georgiens in Südossetien und das in großem Maßstab erfolgte und unprovozierte Eingreifen russischer Truppen in Abchasien hingewiesen. Der Bericht betont die Notwendigkeit eines sinnvollen Dialogs über Sicherheitsangelegenheiten. Dieser Dialog sollte auf der Respektierung des internationalen Rechts und der territorialen Integrität der Staaten basieren. Darüber hinaus wird im Bericht herausgestellt, dass die Ereignisse im Kaukasus und die Anerkennung der Unabhängigkeit der beiden Enklaven Ossetien und Abchasien fraglich erscheinen lassen, ob Russland tatsächlich bereit und in der Lage ist, zusammen mit der Europäischen Union einen gemeinsamen Sicherheitsraum in Europa zu schaffen.
Es wird vorgeschlagen, zunächst die Gespräche über eine vollständige Erfüllung der Verpflichtungen und Vereinbarungen von Seiten Russlands, mit denen der Georgienkonflikt beigelegt wurde, zum Abschluss zu bringen, bevor ein ausgehandeltes Abkommen angenommen wird. Dies würde eine Einigung bezüglich des Status von Abchasien und Südossetien beinhalten. Des Weiteren wird Russland im Bericht dazu aufgefordert, verbindlich zuzusagen, nicht gewaltsam gegen seine Nachbarn vorzugehen.
Der Bericht betont auch, dass die jüngsten Ereignisse, darunter Russlands Angriff auf die territoriale Integrität Georgiens sowie die Rolle Russlands in der Gasversorgungskrise, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland gefährden.
Es wird für ratsam gehalten, das derzeitige Abkommen durch ein neues, umfassenderes zu ersetzen. Ein solches Abkommen sollte alle Aspekte unserer Zusammenarbeit abdecken und rechtsverbindlich sein. Darüber hinaus sollte es klare Verfahren zur Schlichtung von Streitigkeiten beinhalten.
Der Bericht geht ferner auf die Energiesicherheit und die Einbeziehung der wesentlichen Prinzipien der Energiecharta und des Transitprotokolls in das ausgehandelte Abkommen ein. Der Verweis erfolgt trotz des Umstands, dass dieser Vertrag derzeit rechtlich bindend ist, auch für Russland, wenngleich Russland vom Vertrag zurücktreten kann.
Der Bericht weist auf das erhebliche latente Potenzial möglicher gegenseitiger Wirtschaftsvereinbarungen basierend auf einer gleichberechtigten Partnerschaft beider Seiten hin. Solche Vereinbarungen könnten zu einer Interdependenz zu beiderseitigem Nutzen führen. Dem Bericht zufolge ist es äußerst wichtig, dass die Mitgliedstaaten und die Europäische Union als Ganze mit einer Stimme sprechen, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen mit Russland. Des Weiteren ist es wesentlich, dass sich die Mitgliedstaaten rechtzeitig vor dem Abschluss bilateraler Initiativen mit Russland gegenseitig beraten, wie es die diversen Verträge der Europäischen Union vorschreiben. Dies ist besonders in Fällen wichtig, die Auswirkungen auf andere Länder der Europäischen Union oder auf die Europäische Union als Ganzes haben könnten.
Im Bericht wird den Menschenrechten und Freiheiten in Russland viel Aufmerksamkeit gewidmet. Es wird unterstrichen, dass Russland als Mitglied des Europarats verpflichtet ist, sich an die Grundsätze zu halten, auf denen der Rat basiert. Es wird angeführt, dass die Einhaltung dieser Grundsätze für den Erfolg der Verhandlungen über eine Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Russland entscheidend ist. Die Weigerung Russlands, effektive Maßnahmen einzuführen, um sicherzustellen, dass sich die zahlreichen Fälle nicht wiederholen, in denen die russischen Behörden gegen die Menschenrechte verstoßen haben und vom Europäischen Gerichtshof verurteilt worden sind, wird bedauert.
Eine der vielen Empfehlungen im Bericht verdient besondere Beachtung: die Europäische Union sollte den Antrag Russlands auf eine Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation weiter unterstützen. Es wird als äußerst wichtig erachtet, dass Russland die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft erfüllt, bevor das Land formell als Mitglied aufgenommen wird. Dies beinhaltet insbesondere, dass Russland seine Taktik einstellt, bereits eingeführte Praktiken wieder aufzugeben. In diesem Kontext ist es sinnvoll, sich an die große Bedeutung zu erinnern, die dem wirksamen Schutz von geistigem, gewerblichem und industriellem Eigentum beigemessen wird.
Der Bericht enthält Empfehlungen in Bezug auf die Menschenrechte, die Freiheit der Medien, die Unabhängigkeit der Judikative und die allmähliche Einschränkung des zulässigen Aktionsradius für NRO in Russland. Des Weiteren deckt er eine Reihe von Wirtschaftsthemen ab, darunter den Schifffahrtsverkehr in der Ostsee und entlang der Nordküste Russlands, den Flugverkehr über Sibirien und gegenseitige Vereinbarungen über potentielle unbeschränkte Investitionen.
Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident, ich möchte dem Parlament dafür danken, dass wir die Gelegenheit erhalten haben, das Thema der Beziehungen mit Russland in dieser Sitzung anzusprechen. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat der Rat die Beziehungen mit Russland vor einiger Zeit eingehend erörtert, als wir die Grundlagen und die Argumentation für das neue Abkommen EU-Russland festlegten. Daher halten wir es für wichtig, die Verhandlungen über den neuen Vertrag wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Immerhin ist Russland unser größter Nachbar, einer unserer Hauptpartner und ein unentbehrlicher Akteur auf internationaler Ebene. Heute ist klar, dass Konfrontationen keinen von uns stärker machen, da wir gleichermaßen von der Wirtschaftskrise betroffen sind.
Eine konstruktive und vernünftige Zusammenarbeit zu beiderseitigem Nutzen und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen von Seiten Russlands könnte dies aber durchaus schaffen.
Darüber hinaus sind ein Dialog und ein konstruktives Engagement wichtige Mittel zur Verteidigung unserer Interessen gegenüber Russland und zur Werbung für unsere Werte.
Kurzum, dies war der Hauptimpuls für unsere Entscheidung, die Verhandlungen über das neue Abkommen EU-Russland trotz der Ereignisse in Georgien im vergangenen August wieder aufzunehmen. Die Krise und ihre Auswirkungen überschatten unsere Beziehungen zweifellos weiter. Die Verhandlungen rechtfertigen in keiner Weise das Verhalten Russlands in Georgien und in den Territorien von Abchasien und Südossetien, und die EU hat ihre Forderungen in dieser Hinsicht klar umrissen. Unsere Unterstützung der territorialen Integrität Georgiens ist in jedem Fall eine davon.
Wir erwarten weiterhin, dass sich Russland verantwortungsvoll verhält und alle eingegangenen Verpflichtungen einhält. Dies bedeutet insbesondere, dass wir während des gesamten Verhandlungszeitraums unser Augenmerk speziell auf unsere gemeinsame Nachbarschaft mit Russland richten werden. Die Krise in Georgien hat gezeigt, wie ungelöste Konflikte sogar noch nach Jahren schwelen können, und dass militärische Interventionen keine Lösung sind.
Wir müssen Russland daran erinnern, dass das Land stark von einem konstruktiven Verhalten gegenüber seinen Nachbarn profitieren kann und viel aufs Spiel setzt, wenn es seinen Konfrontationsweg fortsetzt. Russland hat nach allem bereits unter Beweis gestellt, dass es sich gegenüber seinen mitteleuropäischen Nachbarn gut zu verhalten weiß, die nun sowohl Mitglieder der EU als auch der NATO sind.
Wir werden weiterhin darauf bestehen, dass sich Russland an seine internationalen Verpflichtungen halten und die territoriale Integrität und Souveränität von Georgien und anderen osteuropäischen Ländern achten muss, die die gemeinsame Nachbarschaft der EU bilden. Auch wird im Hinblick auf die Genfer Gespräche von Russland und Georgien gleichermaßen eine uneingeschränkte Kooperation erwartet.
Ich beabsichtige nicht, detailliert auf den aktuellen Stand der Verhandlungen mit Russland über das neue Abkommen einzugehen. Die Kommission wird als Verhandlungsführer in Bezug auf das neue Abkommen sicherlich besser in der Lage sein, Sie über den Fortgang auf dem Laufenden zu halten.
Ich möchte ebenfalls daran erinnern, dass wir erst am Anfang des Prozesses stehen, der einige Zeit in Anspruch nehmen könnte. Wir sollten uns nicht davon entmutigen lassen, wenn es anfangs nur langsam vorangeht. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir gegen Ende unserer Präsidentschaft mehr Klarheit darüber haben werden, was das neue Abkommen auf Wunsch beider Seiten abdecken sollte.
Herzlichen Dank an Janusz Onyszkiewicz für seinen Bericht und die darin enthaltenen Empfehlungen. Im Großen und Ganzen teilen wir viele Ihrer Sorgen und Ziele.
Ich möchte nun ein paar Bemerkungen zum Abschnitt über die externe Sicherheit im neuen Abkommen machen. Auch in diesem Bereich spielt die Präsidentschaft eine Rolle in den Verhandlungen. Es ist von größter Wichtigkeit, dass das neue Abkommen eine Klausel zur Sicherstellung eines wirksamen Dialogs und einer effizienten Zusammenarbeit mit Russland enthält und auf gemeinsamen Werten, der Einhaltung der bestehenden internationalen Verpflichtungen, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Demokratie, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten basiert. Dies ist insbesondere hinsichtlich unserer gemeinsamen Nachbarschaft von Bedeutung. Gerade wenn wir eine Lösung für langfristige Konflikte erreichen wollen, ist dies vonnöten.
Die Konfliktprävention ist ein weiteres wichtiges Ziel. Dieses muss sowohl über einen politischen Dialog als auch über gemeinsame Initiativen verfolgt werden.
Es gibt bereits einige Fortschritte mit Russland hinsichtlich des Umfangs des politischen Dialogs und des Abschnitts über die externe Sicherheit im neuen Abkommen. Doch natürlich steckt der Teufel im Detail. Nun beginnt der interessanteste und schwierigste Teil der Verhandlungen mit Diskussionen über konkrete Textvorschläge.
Da die Verhandlungen noch im Gange sind, wäre es unangebracht, Ihnen bereits jetzt Einzelheiten darüber zu nennen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass wir versuchen werden, wesentliche Klauseln über die Verstärkung des Dialogs auf internationaler Ebene über den Kampf gegen den Terrorismus, Waffenkontrolle, Entwaffnung und Nichtverbreitung von Waffen, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Krisenmanagement und Zivilschutz zu erreichen.
Auf dem EU-Russland-Gipfel von Chanty-Mansijsk wurde vereinbart, dass unser gemeinsames Ziel darin liegt, ein strategisches Abkommen abzuschließen, das einen umfassenden Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und Russland in der vorhersehbaren Zukunft schafft und dazu beiträgt, das Potenzial unserer Beziehungen auszubauen. Dies bleibt unser Ziel, an dessen Erreichung die aktuelle Präsidentschaft und ihre Nachfolger weiter arbeiten werden.
Wir stehen gerne bereit, dieses Parlament über die Fortschritte auf dem Laufenden zu halten und sind für den von Ihnen eingebrachten Input dankbar, insbesondere was den Text Ihrer Entschließung anbelangt.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (DE) Herr Präsident, sehr verehrte Parlamentarierinnen und Parlamentarier! Zuerst einmal einen herzlichen Dank an Herrn Onyszkiewicz für diesen wertvollen Bericht.
Wir haben immer unterstrichen, dass wir die Meinung des Parlaments schätzen, und ich bin selbstverständlich bereit, Sie weiter über den Verlauf der Verhandlungen zu informieren.
Herr Präsident! Russland ist und bleibt ein wichtiger Partner. Unsere gemeinsamen Interessen sind vielfältig und überschneiden sich. Ob wir hier an die wirtschaftlichen Kontakte denken oder zum Beispiel an die gemeinsame Arbeit als Partner im Nahostquartett oder, wie gestern, bei Afghanistan und Pakistan. Natürlich haben wir auch – das wissen wir alle – gravierende Meinungsunterschiede, zum Beispiel über die territoriale Integrität Georgiens. Immer wieder erleben wir Spannungen über die Intensivierung unserer Rolle in der gemeinsamen Nachbarschaft. In diesem Kontext wird häufig zu Unrecht behauptet, wir wären von unserem großen Nachbarn abhängig. Was Handel und Energie betrifft, sind wir wohl gegenseitig voneinander abhängig oder – ich würde besser sagen – wir sind jeder für den anderen ein unentbehrlicher Partner geworden. Es sind also Zeiten, in denen unser Verhältnis zu Russland von großer Bedeutung ist und in denen eine einheitliche EU-Strategie, die von Visionen begleitet ist, unabdingbar ist.
Morgen wird Präsident Obama zum ersten Mal Präsident Medwedew treffen, um – wie er sagte – den „Reset Button“ für das Russland-Verhältnis zu drücken. Sicherlich ist dieser neue Ansatz zu begrüßen. Aber wir dürfen nicht wieder bei Null anfangen. Ein „Reset“ unserer Beziehungen ist nicht vonnöten, aber sehr wohl kontinuierliches Feintuning. Das steht ganz oben auf unserer Prioritätenliste.
Wie die Kommission in ihrer Mitteilung vom 5. November feststellt, bedingen die komplexe und umfangreiche Natur unserer Beziehungen und die vielen Bereiche der gegenseitigen Abhängigkeit ein konsequentes Engagement mit Russland. Ich würde sagen: nüchtern und ergebnisorientiert. Die Verhandlungen für ein neues Abkommen sind sicherlich der beste Weg, um eine gemeinsame EU-Position zu vertreten, die unsere Interessen verficht, mit dem Ziel, ein Übereinkommen zu den wichtigsten Bereichen zu haben. Während ich gerade in diesem Moment zu Ihnen spreche, ist die vierte Verhandlungsrunde in Moskau im Gange.
Wir haben uns inzwischen auf eine allgemeine Struktur des Abkommens geeinigt, die die rechtsverbindliche Basis für alle Bereiche unserer Beziehungen in absehbarer Zukunft bilden soll. Gleichzeitig haben wir uns in den Verhandlungen selbst keine künstlichen Fristen gesetzt. Wir sollten uns meiner Meinung nach so viel Zeit wie nötig nehmen, um ein zufriedenstellendes Resultat zu erreichen, denn das derzeitige Abkommen bleibt ja bis dahin in Kraft. So sind wir also nicht unbedingt genötigt, so schnell wie möglich voranzugehen. Daher brauchen wir nicht auf das neue Abkommen zu warten, um aktuelle Fragen zu behandeln. Derzeit sind die Fragen Politik, Justiz, Sicherheit so abgehandelt worden, dass ein besseres Verständnis für unsere gegenseitige Position vorhanden ist. Im Moment haben wir begonnen, über die Wirtschaftsfragen zu sprechen.
Es sollte uns allerdings nicht überraschen, dass beide Seiten zum Teil sehr unterschiedliche Ansätze haben. Während Russland zum Beispiel große Ambitionen für die außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit hat, ist es bei den wirtschaftlichen Themen derzeit weniger ehrgeizig. Natürlich haben wir als EU ein Interesse daran, dass rechtsverbindliche und umsetzbare Bestimmungen in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen enthalten sind, die dann sicherstellen sollen, dass Russland ein System annimmt, das auf klaren Regeln beruht. Das gilt vor allem für das Thema Energie, wo wir ja die Übernahme der Prinzipien der Energiecharta anstreben: Transparenz, Gegenseitigkeit und Nichtdiskriminierung als die wesentlichen.
Die Gaskrise zu Beginn des Jahres hat das Vertrauen in die Zuverlässigkeit unserer Energiebeziehungen beeinträchtigt. Das gilt es wieder herzustellen. Deshalb versuchen wir, parallel zu den Verhandlungen, das Frühwarnsystem, das Bestimmungen zum Monitoring, zur Beobachtung, im Falle einer Krise zur Konfliktvermeidung und Auflösung enthält, wirklich zu stärken.
Dieses Abkommen, das wir verhandeln, sollte natürlich auch auf der Einhaltung der Menschenrechte und der Demokratie basieren, und zwar – wie wir glauben – als essentieller Bestandteil. Schließlich sind Russland und die EU – so wie Kollege Vondra sagte – die gleichen Verpflichtungen in der UNO, der OSZE und dem Europarat eingegangen. Unser Vertrag sollte den Respekt für diese gemeinsamen Verpflichtungen und Interessen unterstreichen. Natürlich kann dieses Abkommen nicht von selbst die Konflikte in Europa lösen, aber es sollte doch einen Rahmen für Konfliktlösungen bieten.
Parallel zu unseren Verhandlungen werden wir weiter unsere Bemühungen in den vorhandenen Foren fortsetzen, für Georgien in den Genfer Gesprächen, im 5+2-Rahmen für Transnistrien und im Minsk-Prozess für Nagornij-Karabach, wo ich die Gelegenheit für ein stärkeres Mitwirken der EU wirklich begrüßen würde. In den Verhandlungen für beide Seiten relevante Bereiche sind – wie ich bereits sagte – Justiz und Inneres, und hier sehe ich ein großes Potential für eine gewinnbringende Zusammenarbeit, und zwar für beide Seiten, vor allem im Kampf gegen das organisierte Verbrechen sowie auch für eine Verbesserung der Verhältnisse für Bona-Fide-Reisende. Allerdings ist die Aussicht auf die von Russland geforderte Visaabschaffung natürlich nur im Zusammenhang mit weiteren Verbesserungen in anderen Bereichen möglich. So würde z. B. Russlands Implementierung von höheren Standards zum Schutz persönlicher Daten ebenfalls generell unsere gute Zusammenarbeit erleichtern. Auch Forschung, Bildung und Kultur bieten viele Möglichkeiten für die Kooperation im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger und sollten im neuen Abkommen berücksichtigt werden.
Der Bericht, den wir heute debattieren, beinhaltet natürlich viele weitere Vorschläge, auf die ich hier im Augenblick aus Zeitgründen nicht eingehen kann, aber selbstverständlich dann in der Debatte. Ich möchte noch einmal betonen, dass ich die Linie von Herrn Onyszkiewicz in dem vorliegenden Bericht und dem zur Abstimmung gestellten Entschließungsentwurf ausdrücklich begrüße. Wenn über die heutige Debatte hinaus noch Informationsbedarf bestehen bleibt, würde ich es natürlich begrüßen, wenn meine Dienste zum Beispiel dem Auswärtigen Ausschuss, wie auch im letzten Jahr, jederzeit ein ausführliches Briefing geben könnten.
Abschließend möchte ich betonen, dass ein erfolgreicher Verlauf der Verhandlungen ein wichtiges Anliegen für mich ist, das ich voll unterstütze. Ein guter Vertrag wird die Beziehungen EU-Russland – so hoffe ich – auf eine solide und berechenbare Grundlage für die absehbare Zukunft stellen und damit wohl einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und zur Stabilität auf unserem Kontinent leisten!
Cristina Gutiérrez-Cortines, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. − (ES) Herr Präsident, es ist uns und Europa, dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie und uns in Europa klar, dass Energie zu einem Werkzeug der Außenpolitik geworden ist, zu einem Element des Wandels, das in der Lage ist, Konflikte zu schaffen oder uns zu einen. Genau das ist das Thema, das uns heute beschäftigt.
Traditionell bilden Europa und Russland eine Einheit. Unsere Geschichte lehrt uns, dass Weißrussland in seiner Entwicklung ohne Zweifel vom Westen beeinflusst wurde, und die russische Tradition ist, was Religion, alle Formen der Bildung und die meisten Wertesysteme anbelangt, einer europäischen Denkart gefolgt, die Russland bereichert hat. Auch unsere Kultur ist durch die Tradition der Wissenschaftler aus Russland und der großen Mathematiker aus Kazan und anderen Ecken bereichert worden. Dasselbe gilt auch für die russische Literatur.
Meiner Ansicht nach sollten wir die Spannungen in der Ära des Sozialismus als Unterbrechung betrachten, an die man sich zwar erinnern sollte, die aber keinen konstanten Faktor darstellen. Unsere durchgängige Erfahrung mit Russland war die einer Einheit. Darum sage ich, dass wir im Energiebereich, wo Europa Defizite hat, Russland wissen lassen müssen, dass unsere Freundschaft fortbestehen sollte, wenn auch mit klaren Regeln, wie dies bei Gentlemen und uns immer üblich war, nur diesmal in Schriftform.
Wir können nicht in der ständigen Ungewissheit darüber leben, ob die Versorgung unserer Bürger erneut gekappt wird, und Russland muss ebenfalls einsehen, dass es Energie nicht als Werkzeug missbrauchen darf, um die Souveränität von Nachbarstaaten nicht anerkennen zu müssen. Die gegenwärtige Situation wird von Menschen beherrscht, die Unabhängigkeit erlangt haben und die Demokratie in vollen Zügen ausüben. Diese sollten wir beschützen, und Russland hat die Pflicht, dasselbe zu tun, genauso wie es die Pflicht hat, klare Regeln für den Energieaustausch und die Einheit durch Energie aufzustellen.
Josef Zieleniec, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (CS) Herr Präsident, ich möchte Herrn Onyszkiewicz für die Erstellung dieses wichtigen, gut verfassten und ausgewogenen Berichts danken. Als Schattenberichterstatter der Fraktion der Konservativen begrüße ich, dass der Bericht auch unsere wichtigsten Prioritäten in Bezug auf Russland zum Ausdruck bringt, wie z. B. eine pragmatische Zusammenarbeit basierend auf einem gesunden Marktumfeld, den Schwerpunkt auf die Menschenrechte, ein funktionierender Rechtsstaat und Demokratie – allesamt fundamentale soziale Werte der EU – sowie die Unterstreichung der Achtung der Souveränität aller Nachbarstaaten und der EU als Einheit.
Das sich in Verhandlung befindliche neue Abkommen muss alle Aspekte der Kooperation beinhalten, rechtsverbindlich sein und die Qualität unserer Beziehungen mit Russland widerspiegeln. Wenn die Diskussionen jedoch unsere Positionen und Werte reflektieren sollen, dürfen wir die Rolle Russlands im Georgienkrieg letztes Jahr oder in der Gaskrise im Januar nicht vergessen. Wir dürfen die Schaffung neuer Einflussbereiche in Europa nicht zulassen. Wir können den Status quo oder besser die vollendeten Tatsachen im Kaukasus nicht akzeptieren. Daher die Forderung nach unzweideutigen Garantien, dass Russland keine Gewalt gegen seine Nachbarn anwenden und zusammen mit der EU mit Konflikten in unserer gemeinsamen Nachbarschaft umgehen wird. Unserer Ansicht nach ist es völlig natürlich, Russland dazu aufzufordern, den ersten direkten Schritt zur Vertrauensbildung zu tun.
Viele Kolleginnen und Kollegen betonen heute richtigerweise die Notwendigkeit der Einigkeit der EU in Bezug auf Russland. Allerdings können wir nur peu á peu eine wirklich einheitliche Position erreichen, weshalb ich vorschlage, einen Beratungsmechanismus innerhalb des Rahmens des Rates einzurichten, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, sich rechtzeitig vor allen bilateralen Themen, an denen Russland beteiligt ist und die Auswirkungen auf einen anderen Mitgliedstaat oder die EU als Ganzes haben, untereinander zu beraten. Nur auf diese Weise werden wir zu einer wirklich einheitlichen Position gegenüber Russland gelangen, und nur so werden wir unseren größten Trumpf, unsere Einigkeit, vollumfänglich gegenüber Russland ausspielen können.
Csaba Tabajdi, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Die SPE betrachtet Russland als wichtigen strategischen Partner. Die Europäische Union und Russland hängen voneinander ab, was auch Kommissarin Ferrero-Waldner bestätigt hat.
Ich möchte gerne erwähnen, dass wir in Bezug auf die Gasversorgung gegenseitig voneinander abhängig sind, da Russland sein Gas an keinen anderen verkaufen könnte. Wir sollten uns dessen bewusst sein. Es ist sehr wichtig, dass ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ausgearbeitet und abgeschlossen wird. Dieser Bericht hätte diesem Zweck dienen sollen, aber er hat es nicht.
Der Onyszkiewicz-Bericht, der im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten angenommen wurde und dessen Ton durchweg rüde ist, kann dem Beziehungsnetzwerk zwischen der EU und Russland ernsthaften Schaden zufügen. Die SPE stimmt zu, dass das Parlament seine berechtigte Kritik an Russland zum Ausdruck bringen sollte. Die SPE verurteilt Verstöße gegen die Menschenrechte aufs strengste. Wir fordern, dass die demokratischen Rechte und die fundamentalen Werte respektiert werden.
Wir appellieren an Russland, den Grundsatz der Unabhängigkeit der schriftlichen und elektronischen Medien zu achten. Wir appellieren ferner an die russische Regierung, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anschläge auf und die Attentate an Journalisten aufzuklären. Das russische Gesetz in Bezug auf NRO gefährdet den unabhängigen Betrieb dieser Organisationen.
Die SPE betrachtet die Art und Weise, in der die jüngste Duma-Wahl und die Präsidentschaftswahlen durchgeführt wurden, mit Sorge. Wir sind hinsichtlich der russischen Seite im Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie in Bezug auf den Konflikt zwischen diesen beiden Ländern kritisch. Gleichzeitig sind wir jedoch auch der Überzeugung, dass die Empfehlungen des Parlaments der Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und Russland und der Entwicklung einer neuen strategischen Partnerschaft dienen müssen. Dieser Bericht dient diesem Zweck nicht. Aus diesem Grund haben wir im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten dagegen gestimmt.
Die EVP-Fraktion und die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa steuern gegen die von der Kommission zum Ausdruck gebrachte Haltung. Sie ist mit der neuen Politik der Vereinigten Staaten nicht vereinbar, angesichts des Umstands, dass die Regierung Obama, insbesondere durch die Aussagen von Vizepräsident Joe Biden ihren Stil geändert hat. Die Europäische Union wäre dann im Hinblick auf die neue amerikanische Politik rückständig, was nicht in unserem Interesse wäre. Wir sind also nicht wegen der Kritik, sondern wegen des Stils besorgt.
Es bedarf keines Didaktizismus, sondern einer begründeten Kritik. Die Europäische Union darf sich nicht als Schulmeister aufspielen und Russland Lehren erteilen. Die SPE wird diesen Berichtsentwurf daher nur dann als annehmbar betrachten, wenn alle von uns eingereichten sechs Änderungsvorschläge vom Parlament abgesegnet werden. Andernfalls wird dieser Bericht kontraproduktiv sein und der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland nicht dienen. Es liegt jedoch im Interesse der Europäischen Union, eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU anzustreben.
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, die Außenpolitik erfordert Diplomatie und Grundsätze, und dieser Bericht bezüglich eines neuen Abkommens EU-Russland enthält beides. Meine Fraktion befürwortet dessen Inhalt und gratuliert Janusz Onyszkiewicz zu seiner Arbeit.
Die Geschichte lehrt uns, dass es die Russen am meisten ärgert, wenn wir ihnen den Rücken zukehren, weshalb es im Interesse beider Seiten liegt, in vertrauensbildender Weise miteinander zu kommunizieren, zusammenzuarbeiten und zu handeln. Gleichzeitig ist es unlauter zu behaupten, das Verhalten Russlands sei über jeden Zweifel erhaben. Es ist ein Land, das die Energieversorgung als Waffe benutzt, ein Land, dessen anmaßendes Verhalten im Kaukasus und im Baltikum die Nerven seiner Nachbarn bis aufs äußerste strapaziert, und ein Land, dessen Rechtsstaatlichkeit sich zugunsten derjenigen beugt, die dem Kreml wohlgesinnt sind, während diejenigen unter Druck gesetzt werden, die dies nicht sind, wie der neue Prozess heute gegen Michail Khodorkovsky bestätigt.
Die Wahlen bilden hier, wie wir wissen, keine Ausnahme. Herr Tabajdi – körperlicher Missbrauch, die Einschüchterung von Verfechtern der Menschenrechte, die Ermordung unabhängiger Journalisten – das ist heute Realität in Russland.
(Beifalll)
Wir bedauern, dass einige Kolleginnen und Kollegen bezüglich der Kritik der Menschenrechtspolitik in Russland Abstriche gemacht haben. Ich bin überrascht, dass einige darauf bestehen, das neue Abkommen als strategisch zu bezeichnen, nur weil Moskau dies so möchte. Ja, wir sollten Brücken bauen, aber wir dürfen unsäglichen Dingen gegenüber nicht unkritisch werden.
Es gibt drei Gründe, die erklären, warum einige von uns dazu tendieren, Herrn Putin nachzugeben. Erstens sind da diejenigen, die einst mit den Sowjets sympathisiert haben und deren sentimentale Verbundenheit mit dem Kreml noch immer fortbesteht. Zweitens gibt es Kolleginnen und Kollegen, die denken, Russland unterscheide sich in gewisser Hinsicht von anderen Ländern, weshalb man nicht dieselben Maßstäbe ansetzen könne, und drittens denken einige, Russland sei einfach zu mächtig, um kritisiert zu werden. Keines dieser Argumente ist stichhaltig. Europas extreme Linke hat in ihrer Geschichte die Menschenrechtslage in der Ära der Sowjetunion bewusst ignoriert. Es ist nicht nur moralisch falsch, sondern auch politisch widersprüchlich, Russland jetzt in Schutz zu nehmen, das nun Züge eines Obrigkeitsstaats annimmt. Darüber hinaus sind die Menschenrechte allgemeingültig und unteilbar. Andernfalls bedeuten sie nichts. Daher sollte die Union das Selbstvertrauen haben, unsere Werte innerhalb und außerhalb unserer Grenzen zu verteidigen.
Abschließend liegt die aktuelle Bevölkerungszahl Europas dreieinhalb Mal über der Russlands. Unsere Militärausgaben sind zehn Mal höher, und unsere Wirtschaft übertrifft die Russlands um das Fünfzehnfache. Wir haben keinen Grund dazu, uns vor dem Kreml zu ducken. Vielmehr sollten wir für unsere Werte eintreten. Daher unterstützen wir ein neues Abkommen, aber Europa sollte diese Beziehung geeint, stark und mit offenen Augen eingehen.
Adam Bielan, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, der Kreml benutzt die Energieversorgung als politisches Instrument nach dem Grundsatz „Teile und herrsche“, um jedes Land in Europa von Zypern bis zu den Niederlanden nach und nach zu korrumpieren. Dieses Konzept erweist sich als erstaunlich erfolgreich. Im Gegensatz dazu blieb die Europäische Union während des Angriffs auf das souveräne Georgien überraschend passiv. Die Führungskräfte der EU glänzten durch ihre Abwesenheit. Herr Solana und Kommissarin Ferrero-Waldner waren nirgends zu sehen. Unterdessen wurde Frankreichs Präsident Herr Sarkozy ordentlich gedemütigt, als die Russen den von ihm ausgehandelten Friedensvertrag völlig ignorierten. Daraus folgt, dass die Schwäche Europas in seinen Beziehungen mit Russland seiner eigene Naivität und Kurzsichtigkeit zuzuschreiben ist.
Österreichische, deutsche und italienische Energiegesellschaften machen auf bilateraler Basis Geschäfte mit dem Kreml. Dies führt direkt zu politischem Druck von Seiten Moskaus auf einzelne Mitgliedstaaten. Deutschland baut eine Erdgasleitung durch die Ostsee, um Polen zu umgehen, da Russland bereits mehr als einmal die Energieversorgung Litauens, der Tschechischen Republik und anderer EU-Staaten unterbrochen hat. Sobald die Nord-Stream-Pipeline zum Einsatz kommt, kann auch mein Land Polen dieses Schicksal ereilen. Die Politik der EU gegenüber Russland muss auf den Prinzipien der Einigkeit und Solidarität basieren. Wenn unsere Beziehungen mit Russland also effizient sein sollen, ist es absolut unabdingbar, sich vor dem Abschluss bilateraler Verträge mit dem Kreml mit anderen Mitgliedstaaten zu beraten, die sich dadurch möglicherweise negativen Auswirkungen ausgesetzt sehen.
Marie Anne Isler Béguin, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, ich möchte dem Berichterstatter ebenfalls meinen Dank für die Annahme unserer Änderungen aussprechen sowie dafür, das Thema Menschenrechte in den Mittelpunkt der Verhandlungen mit Russland gerückt zu haben. Ich möchte den Rat und die Kommission bitten, in diesem Bereich nicht nachzugeben, und vom Berichterstatter würde ich mir wünschen, unsere anderen Änderungen bezüglich der Rechte von Minderheiten und von Tschetschenien, die im Bericht so gut wie nicht angesprochen wurden, zu unterstützen.
Auch wir unterstützen die kritische Haltung gegenüber Russland, da das Land trotz der inzwischen positiven Signale, insbesondere hinsichtlich seiner Bereitschaft, ein internationales Abkommen über den Abbau von Atomwaffen zu unterzeichnen, die in diesen Krisenzeiten ohne Zweifel zu kostspielig sind, in anderen Bereichen völlig kompromisslos bleibt, speziell bezüglich seiner Nachbarschaftspolitik. So wirft Russland der Europäischen Union vor, sich in seinen Einflussbereich einzumischen. Ich möchte Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen, dass Herr Lawrov unlängst in Brüssel die Ostpartnerschaft kritisiert hat, die wir im Rahmen des Frühjahrsgipfels in die Wege geleitet haben. Des Weiteren hat Herr Putin negativ auf das Gasabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine reagiert.
Wie Sie wissen – und wie jeder zum Ausdruck gebracht hat – hat das Thema Georgien nichts an seiner Aktualität eingebüßt und bleibt nach wie vor ein Zankapfel zwischen uns und Russland, das ständig von seinem Vetorecht Gebrauch macht, um den Einsatz internationaler Friedenstruppen und sogar den Zugang unserer zivilen Beobachter zu den von ihm besetzten und kontrollierten Territorien zu verhindern. Es hat damit gegen die sechs Punkte der Vereinbarungen verstoßen, die die EU am 12. August mit Russland getroffen hat, und dem Land ist es nicht gelungen, die täglichen Gewaltakte entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Ossetien zu stoppen.
Des Weiteren wird niemand durch die Energieabhängigkeit der Mitgliedstaaten von Russland oder den politischen Preis, den wir zu zahlen haben, hintergangen, wie dies erwähnt worden ist.
Herr Präsident, abschließend würde ich mir angesichts der globalen Krise, die vor keinem Halt macht, auch vor Russland nicht, unkonventionelle Lösungen wünschen, die Russland dazu prädisponieren, eine konstruktive Partnerschaft einzugehen, und die EU, als geeinigter Partner mehr Gewicht in die Wagschale zu legen.
Vladimír Remek, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Herr Präsident, geschätzte Kollegen! Wir debattieren über unsere Empfehlungen für den Rat im Hinblick auf das neue Abkommen mit Russland. Allerdings macht mir der Berichtstext nicht den Eindruck, als würde es sich um Empfehlungen für diplomatische Verhandlungen handeln. Über weite Strecken des Dokuments wird die Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht und unterstrichen, zu fordern, zu insistieren, darauf zu drängen, usw. Es wird von vorn bis hinten diktiert, und ich bin sehr froh, nicht mit den Verhandlungen betraut zu sein, die sich an diesen Empfehlungen orientieren sollen. Gleichzeitig räumen wir ein, dass die EU neben anderen Dingen ein Viertel seiner Erdöl- und Gasversorgung von Russland erhält. Manchmal denke ich, dass wir versuchen, um eine sichere, stabile Versorgung mit extrem wichtigen Rohstoffen bitten, während wir gleichzeitig die Keule schwingen. Was bringen denn wir, die EU, zum Verhandlungstisch mit? Wo ist unsere Haltung den Menschenrechten gegenüber, hinter der wir uns verstecken, wenn es zum Beispiel um russischsprachige Minderheiten geht, die im Territorium von EU-Mitgliedstaaten leben? Wo ist unsere Meinung über die Versammlungen und Aktivitäten ehemaliger Mitglieder der SS in EU-Ländern? Ist es nicht so, dass wir nichts dagegen unternehmen, sondern sie vielmehr unterstützen und damit zum Beispiel mit UN-Urteilen in Konflikt geraten? Wie kann es ferner sein, dass der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) beide Länder, die Ukraine und Russland, für die Probleme mit der Erdgasversorgung der EU verantwortlich macht, unsere Empfehlungen aber nur für Russland gelten? Alles in allem entsteht der Eindruck, wir versuchen, mit nur einem Tor Fußball zu spielen. Dies ist, wie Sie sicher zugeben werden, ein unfaires Spiel. Wir können daher auch nicht mit spektakulären Ergebnissen rechnen.
Ich habe daher persönlich ein Problem damit, das Dokument in seiner derzeitigen Form zu unterstützen. Selbst im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten war ein Drittel der Abgeordneten mit dem Entwurf nicht glücklich. Unterdessen verfolgt der Ausschuss für internationalen Handel in seinen Beziehungen mit Russland einen weitaus realistischeren Ansatz unter Berücksichtigung dessen, was Europa tatsächlich benötigt.
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, zweifellos hat Russland nun seinen gerechten Anteil an der weltweiten Wirtschaftskrise bekommen. Gerade heute Morgen habe ich im Radio eine eindringliche Reportage von St. Petersburg über unbezahlbare Medikamente gehört, die somit für den russischen Durchschnittsbürger nicht verfügbar sind. Die jüngsten Prognosen der Weltbank deuten auf noch stärkeren Gegenwind für die russische Wirtschaft hin. Was sollen wir angesichts der düsteren Vorhersage tun, dass gegen Ende dieses Jahres mehr als 20 Millionen Russen unter die Armutsgrenze von 4 600 Rubel (rund 185 US-Dollar) fallen können?
In der Tat sehen sich sowohl Europa als auch Russland der dringenden Notwendigkeit gegenüber, zur Bewältigung der Krise resolut zu handeln. Gemeinsame Anstrengungen zur Verbesserung des Weltwirtschaftsklimas verdienen daher Priorität. Gerade für diese ist gegenseitiges Vertrauen wichtig. Das möchte ich unterstreichen, da die Außenpolitik des Kremls dem bedauerlicherweise erheblich im Weg steht. Denken Sie an die anhaltende Krise in Moldawien, die sich derzeit weiter zuspitzt. Igor Smirnow macht dabei keine gute Figur. Denken Sie auch an die erneutenVerwicklungen in der Ukraine, zu denen es in der vergangenen Woche kam. Kurzum, das fehlende gegenseitige Vertrauen steht den gemeinsamen Anstrengungen im Weg.
Mit diesem Bericht sendet das Parlament diese ehrliche, klare Botschaft an den Rat und die Kommission für die Verhandlungen mit Moskau, und ich hoffe aufrichtig, dass sie in Russland richtig ankommt.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Kolleginnen und Kollegen, im Entwurf der Empfehlungen dieses Parlaments an den Rat bezüglich des neuen Abkommens EU-Russland, über den wir heute debattieren, gibt es möglicherweise nur zwei Fakten, denen zugestimmt werden kann. Erstens: Russland spielt für die Stabilität und den Wohlstand in Europa und der Welt eine enorm wichtige Rolle, und zweitens müssen wir eine strategische Partnerschaft mit Russland anstreben, die auf demokratischen Werten basiert. Ansonsten muss ich sagen, dass der Text im Stil einer Siegermacht aus der Ära des Kalten Kriegs verfasst ist und allen Grundregeln der Diplomatie und der internationalen Beziehungen widerspricht. Diese Regeln beziehen sich auf Umgangsformen wie Kompromiss, Höflichkeit, Ausgeglichenheit und Respekt für die andere Seite am Verhandlungstisch. Diktatorische Forderungen und harsche Verurteilungen sind hingegen nicht enthalten. Die Terminologie und die Formulierung des Berichts erinnern an den Brief des aufgeblasenen Sultans an die Saporoger-Kosaken, die diesem dann eine geeignete Antwort zukommen ließen. Die unangebrachte Russophobie im Text wird durch die objektive Aussage des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie teilweise abgemildert, die als Leitfaden für die Formulierung eines neuen Dokuments herangezogen werden sollte. Meiner Ansicht nach schadet der derzeitige Bericht sowohl der EU als auch der Russischen Föderation und damit den Interessen aller Bürger im Europäisch-Asiatischen Raum.
Geschätzte Kollegen und Kolleginnen, ich hoffe, dass auf dem unter der tschechischen Präsidentschaft vom tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus abgehaltenen EU-Russland-Gipfel diese russophobische Rhetorik definitiv nicht verwendet wird. nicht zuletzt aus dem Grund, dass der tschechische Präsident die generelle Sichtweise des Russland-Georgien-Konflikts der EU nicht teilt. Ich möchte den Rat dazu auffordern, sich im Interesse unserer Bürger vor Augen zu halten, dass Russland ein notwendiger, nützlicher und gleichberechtigter Partner in unserem geografischen Raum ist und dies auch künftig bleiben wird. Wie bereits erwähnt wurde, stammt ein Viertel der Öl- und Gasversorgung der EU aus Russland, und die Hälfte des russischen Erdöls und Erdgases geht an die EU. Diese Tatsache allein ist ein ausreichendes Argument für den Versuch, gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen der EU und der Russischen Förderation zu pflegen.
Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident, in den vergangenen zweieinhalb Jahren habe ich mich als Vorsitzende der Delegation für Beziehungen mit Russland sehr intensiv mit Russland und Europa beschäftigt. Ich habe nicht nur an Vorfällen gearbeitet, sondern mir auch Unvoreingenommenheit im Hinblick auf die langfristige Strategie bewahrt. Ich verstehe daher nicht, was Herr Watson, der Vorsitzende der ALDE-Fraktion eben gesagt hat. In keiner dieser Debatten habe ich einen einseitigen Standpunkt vertreten, und meine Kollegen und Kolleginnen ebenfalls nicht. Wir haben über die zahlreichen Probleme mit Russland diskutiert.
Lassen Sie uns jedoch nicht vergessen, dass der Abschluss eines Partnerschaftsvertrags auch bedeutet, dass wir unsererseits Partner sind. Dies bedingt jedoch, dass sich beide Seiten über schwierige Themen beraten. Tatsächlich kann ein Partnerschaftsvertrag nur im Geiste gegenseitigen Vertrauens zustande kommen. Wenn eine Seite nur Probleme sieht, gelingt dies nicht. Die Vereinigten Staaten verfolgen derzeit eine andere Strategie. Müssen wir denn wirklich in die eisige Stimmung zurückfallen, während die Vereinigten Staaten eine Öffnung anbieten? Das ist keine sensible Vorgehensweise.
Wir brauchen einen Partnerschaftsvertrag, eine strategische Partnerschaft, denn wir haben nur einen großen Nachbarn. Wir hängen hinsichtlich unserer Energieversorgung von diesem Nachbarn ab, und Russland braucht uns, um finanzielle Mittel zu erhalten. Da wir in Europa jedoch Werte zu verteidigen haben, diskutieren wir mit diesem Nachbarn auch über gemeinsame Werte und Menschenrechte. Eine Diskussion rein über die negativen Aspekte ist kein guter Start für die neue Strategie, die wir gegenüber unserem großen Nachbarn wirklich brauchen. Daher möchte ich der Kommissarin für ihre Antwort danken, da diese positive Elemente beinhaltet, die uns wirklich dabei helfen, für 500 Millionen europäische Bürger einen Nutzen zu erzielen.
Jan Marinus Wiersma (PSE). – (NL) Herr Präsident, ich möchte damit beginnen, Frau Oomen-Ruijten für ihre Worte zu danken. Ich stimme ihren Argumenten von ganzem Herzen zu und hoffe auch, dass sie Einfluss auf ihre Fraktion haben werden, die morgen über unsere Änderungen des Berichts abstimmen wird. Ich wünsche ihr viel Erfolg dabei.
Meine Fraktion hat große Schwierigkeiten mit diesem Bericht von Herrn Onyszkiewicz, weshalb wir im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten gegen ihn gestimmt haben. Er ist umfangreich, und das ist gut so. Die Agenda für Beziehungen zwischen der EU und Russland ist wirklich umfassend. Es ist richtig, dass sich der Berichterstatter darum bemüht hat, in seinem Bericht alle diese Themen anzusprechen, wofür ich ihm meine Anerkennung ausspreche. Es ist der Tonfall des Berichts, der nicht stimmt. Man kann nicht einfach sagen, dass diese Beziehungen entscheidend sind, wie der Berichterstatter dies tut, und dann nur Beispiele von allem anführen, was in Russland schlecht ist oder schief läuft, ohne gleichzeitig die von uns in der Vergangenheit – in den letzten 20 Jahren – begangenen Fehler in Bezug auf die Russische Föderation zu nennen.
Russland ist kein Beitrittskandidat, sondern vielmehr ein strategischer Partner, der in Bereichen des gemeinsamen Interesses eine Kooperation wünscht. Hierfür bedarf es eines konstruktiven, rationalen Verhaltens, und ich bin mit Herrn Vondra vollkommen einig, dass dies die Grundlage unseres Ansatzes sein muss. Im Gegensatz zum erweckten Eindruck gelten die Kriterien für Kopenhagen hier nicht. Ich bin für einen pragmatischen Ansatz, der auf Interdependenz basiert. Sie brauchen uns und wir brauchen sie. Sei es im Bereich des Handels, der Energiekooperation, des Klimaschutzes oder der Nichtverbreitung von Kernwaffen – wir können nur dann Lösungen finden, wenn wir zusammenarbeiten. Dies ist das strategische Interesse – wir bestehen auf der Verwendung des Wortes ‘strategisch’ in dieser Debatte – hinter den Verhandlungen über ein neues Abkommen. Wir müssen diese in gutem Glauben führen und auch die Interessen Russlands respektieren.
Unser Berichterstatter widmet den Nachbarn, die die Europäische Union gemeinsam mit Russland hat, richtigerweise große Aufmerksamkeit. Auch hier gilt der Grundsatz, dass Zusammenarbeit produktiver ist als Konfrontation. Wir möchten es vermeiden, um Einflussbereiche zu kämpfen, koste es, was es wolle. Besser wäre es, wenn sich die Europäische Union auf die Wiederbelebung der geschwächten Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) konzentrieren würde. In diesem Rahmen können wir uns dann vornehmen, den Ansatz bezüglich der festgefahrenen Konflikte zu verbessern, die wir nach wie vor in Europa haben, ganz gleich, ob in Georgien, Aserbeidschan oder Moldawien.
Natürlich ist in den Beziehungen der EU mit Russland nicht alles in Butter. Der Bericht erörtert dies korrekt. Wir haben die Invasion Russlands in Georgien verurteilt und tun dies auch weiterhin. Wir sind über autoritäre Tendenzen in Russland besorgt. Daher kann der Dialog nicht nur positiv sein, und als Mitglied des Europarats kann es Russland besser machen. Dennoch, mit allem nötigen Respekt für den Berichterstatter, er wäre gut beraten, den Reset-Knopf zu drücken. Weiterhin eine polarisierende Haltung einzunehmen, nun da die Regierung der Vereinigten Staaten einen anderen Ansatz in Bezug auf Russland gewählt hat, ist kontraproduktiv. Unsere Probleme sind globaler Natur, und es ist die Beteiligung aller nötig, um sie zu lösen.
István Szent-Iványi (ALDE). – (HU) In seiner Antrittsrede erklärte Präsident Medwedew, dass seine wichtigste Aufgabe darin bestünde, die Freiheit zu schützen und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Bedauerlicherweise muss er dieses Versprechen erst noch erfüllen. Es ist unsere Pflicht, ihn an sein Versprechen zu erinnern und den unabhängigen Medien, der Zivilgesellschaft und den Opfern von Verstößen gegen die Menschenrechte den Rücken zu stärken.
Wir streben eine pragmatische Partnerschaft mit Russland an, und ein Partnerschaftsvertrag ist in unserem Interesse. Dies kann jedoch nur realistisch sein, wenn Russland seinerseits ein konstruktives, verantwortungsbewusstes und kooperatives Verhalten an den Tag legt.
Im Januar wurde das Vertrauen in die Zuverlässigkeit Russlands als Energieversorger erschüttert. Daher muss das Kernelement des Abkommens eine Energiepartnerschaft sein. Es würde zur Vertrauensbildung beitragen, wenn Russland zumindest die Europäische Energiecharta und das Transitprotokoll ratifizieren würde. Wir erwarten von der Europäischen Union, dass sie bezüglich derjenigen Mitgliedstaaten, die zu einem großen Teil von der russischen Energieversorgung abhängen, geeinigt und entschlossen handelt.
Inese Vaidere (UEN). – (LV) HerrOnyszkiewicz, ich möchte mich für Ihren äußerst ausgewogenen Bericht bedanken. Russland ist ein äußerst wichtiger Partner für die Europäische Union. Gemeinsames Handeln kann sich positiv auf die Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise auswirken. Dies darf uns jedoch nicht veranlassen, uns von unseren Grundsätzen und Werten zu entfernen. Wir müssen verlangen, dass Russland die Menschenrechte in seinem Staatsgebiet wieder achtet und die Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit wiederherstellt. Wir müssen darauf bestehen, dass das Programm Russlands zur Unterstützung russischer Landsmänner nicht als Instrument zur Verstärkung seines politischen Einflusses in bestimmten EU-Mitgliedstaaten missbraucht wird. Damit ein neues Abkommen unterzeichnet werden kann, muss Russland seine Verpflichtung zum Schutz der territorialen Integrität Georgiens einhalten. Das umfangreiche Abkommen sollte eine Energiesicherheitsstrategie beinhalten, die auf der Ratifizierung der Energiecharta basiert. Wir müssen ferner ein adäquates Gutachten über die Auswirkung der Nordpipeline auf die Umwelt fordern. Ich danke Ihnen.
Milan Horáček (Verts/ALE). – (DE) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Janusz Onyszkiewicz fand klare Worte zu der Bedeutung von Menschenrechten in der Zusammenarbeit mit Russland. Vielen Dank! Ich halte es für besonders wichtig, unmissverständlich klar zu machen, dass Europa Wirtschaftsbeziehungen – sprich Gasbeziehungen – nicht über die Menschenrechte stellt. Normale Partnerschaften basieren auf zwei verlässlichen Seiten, die einander vertrauen. Strategische Partnerschaften bergen die Gefahr, nur bedingt verträglich und verlässlich zu sein. Deswegen muss sich die EU gegen Unzuverlässigkeiten absichern. Solange Russland die Menschenrechte so gravierend verletzt und nicht ein Mindestmaß an Demokratie und Rechtstaatlichkeit erreicht, wie z. B. die Fälle Anna Politkowskaja oder Chodorkowski/Lebedjew immer wieder zeigen, kann es zu keiner normalen, guten Partnerschaft kommen.
Jiří Maštálka (GUE/NGL). – (CS) Der Bericht von Herrn Onyszkiewicz ist zweifellos eines der wichtigsten Dokumente, die gegen Ende unseres Mandats veröffentlicht worden sind. Ich muss unterstreichen, dass ich über den Inhalt des Berichts sehr, sehr enttäuscht bin. Eines der unwesentlicheren Dinge, denen ich zustimmen kann, ist, dass wir guten Beziehungen zu Russland einen hohen Stellenwert einräumen. Das Konzept des Berichts ist meiner Meinung nach nicht ausgewogen, und ich bin der festen Überzeugung, dass er in dieser ursprünglichen Form nicht zur Verbesserung unserer gegenseitigen Beziehungen beitragen wird. Ich sehe es als Missverständnis an, um es höflich auszudrücken, dass der Bericht die Beratungskompetenzen einem EU-Hochkommissar anvertrauen will. Wenn dies dann Herr Solana wäre, hat der Mann, der vor zehn Jahren die sinnlose so genannte humanitäre Bombardierung von Jugoslawien angeordnet und in Verstoß gegen das internationale Recht die Abspaltung eines Teils eines souveränen Staats organisiert hat, soweit es mich angeht nicht mein Vertrauen. Ich sehe ferner eine mangelnde Ausgewogenheit gerade in dem Umstand, dass der Bericht Russland wegen seines Programms zur Unterstützung im Ausland lebender russischer Landsmänner kritisiert, während er gleichzeitig hinsichtlich der Position von russischsprachigen Nichtbürgern in der EU stumm bleibt. Meiner Ansicht nach schneidet der Bericht auch absichtlich das so genannte Polenkarten-Problem nicht an, das gegen internationales Recht verstößt.
Francisco Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Russland ist ein sehr wichtiger internationaler Akteur, ständiges Mitglied des Sicherheitsrats und der G8 und eine militärische Großmacht. Aus diesen einfachen Gründen sollte die Europäische Union versuchen, eine auf Dialog und Kooperation basierende Beziehung mit Russland aufzubauen. Darüber hinaus hängen zahlreiche Mitgliedstaaten hinsichtlich der Energieversorgung von Russland ab und treiben Handel in großem Stil mit dem Land.
Allerdings sollte die Beziehung darüber hinausgehen und ambitionierter sein. Russland ist ein europäisches Land und Mitglied des Europarats. Es ist Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte und der demokratischen Grundfreiheiten eingegangen und dürfte einige Werte und Grundsätze mit uns gemein haben, darunter die Achtung des internationalen Rechts und der Souveränität und territorialen Integrität von Staaten.
Dennoch, die jüngsten Ereignisse weisen auf einen besorgniserregenden Trend in Russland hin; zum Beispiel die Nutzung von Energieressourcen als Instrument zur Druckausübung, einschließlich der Einstellung der Versorgung, oder die Georgienkrise im vergangenen Sommer und die darauf folgenden Ereignisse.
All dies führte zu einem Verlust des Vertrauens in Russland als europäischer Partner. Wir müssen nun versuchen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Wir wünschen uns eine konstruktive Beziehung mit Russland als echte europäische Partner, aber damit dies gelingt, muss sich das Verhalten Russlands ändern.
In der Europäischen Union haben die Mitgliedstaaten aus zahlreichen Gründen, einige davon historisch bedingt, unterschiedliche Auffassungen über unsere Beziehungen mit Russland, weshalb es nicht einfach ist, eine gemeinsame Position zu erreichen. Dies ist eine unserer Schwächen und eines unserer Probleme. Allerdings gewinnt in diesem Parlament zusammen mit Ansätzen, die pragmatisch oder realistisch genannt werden können, zunehmend die Ansicht Zustimmung, dass sich die Partner, mit denen wir sehr enge Verbindungen haben wollen, im Einklang mit dem internationalen Recht verhalten und die Grundrechte und -freiheiten achten müssen, insbesondere dann, wenn es sich um Partner aus der großen europäischen Familie handelt.
Dieses Parlament begrüßte die Verpflichtung, die Präsident Medwedew zu Beginn seiner Amtszeit in Bezug auf die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit eingegangen ist, aber seinen Worten müssen nun Taten folgen.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich würde gerne daran glauben, dass die Europäische Union in Russland künftig einen dauerhaften, strukturierten Partner findet, der unsere Werte teilt, aber derzeit scheint mir eine solche Zukunft in weiter Ferne zu liegen.
Hannes Swoboda (PSE). – (DE) Frau Präsidentin! Ich möchte mich zuerst bei Herrn Minister Vondra und auch bei Frau Kommissarin Ferrero-Waldner für ihre Stellungnahmen herzlich bedanken, die weitaus realistischer und aus unserer Sicht zielführender waren als der Bericht des Kollegen Onyszkiewicz, wie er jetzt vorliegt, was mir Leid tut, weil ich den Kollegen Onyszkiewicz persönlich sehr schätze. Darum verstehe ich auch nicht ganz, warum hier ein Bericht vorgelegt wird, der nicht diese gemeinsame Basis – Kritik auf der einen Seite und Kooperationsbereitschaft auf der anderen Seite – auf einen Nenner bringt, wie das von Rat und Kommission getan worden ist.
Lassen Sie mich unsere Kritikpunkte nochmals sagen, nämlich unsere Kritikpunkte auch gegenüber Russland, damit das nicht unklar ist:
Die Nachbarschaft. Wir verstehen nicht und kritisieren das Verhalten Russlands gegenüber Georgien. Aber die Welt weiß längst, dass Russland nicht der Alleinschuldige ist. Nur in manchen Kreisen hier will man das nicht zur Kenntnis nehmen. Man muss schon beide Seiten sehen. Wenn ich mir anschaue von Surabischwili bis Burdschanadse, wie die ehemaligen Alliierten des Präsidenten Georgiens heute in Opposition zu Präsident Saakaschwili stehen und wie man auch dort die Menschenrechte nicht gerade sehr pfleglich behandelt, dann frage ich mich, warum nur Russland kritisiert wird, und nicht zum Beispiel auch Georgien. Oder bei der Energiekrise, wo es um die Ukraine geht. Wir wissen doch heute ganz genau – und Sie wissen es genau so wie wir –, dass auch die Ukraine eine Mitschuld trägt, die innenpolitische Situation in der Ukraine. Aber es wird immer nur Russland herangezogen.
Wenn Kollege Horáček, der jetzt anscheinend die Regierungskrise in der Tschechischen Republik lösen möchte, hier meint, wir sollten die Energiefrage nicht über die Menschenrechte stellen: Niemand tut das. Aber sagen Sie konkret: Sollen wir jetzt sagen „Wir wollen euer Gas nicht, solange ihr nicht die Menschenrechte achtet“? Da muss man offen, ehrlich und klar sagen, was man will, und darf nicht nur Schlagworte in die Diskussion werfen.
Drittens: Menschenrechte: Wir sind zutiefst enttäuscht über die Behandlung der Menschenrechte in Russland. Absolut. Das ist für uns inakzeptabel. Dazu werden wir nie schweigen, wo auch immer die Menschenrechte missachtet werden. Wie ich bereits sagte, ob in Georgien, ob in Russland, ob in einem unserer Mitgliedstaaten, dort, wo Menschenrechte verletzt werden, vielleicht in dem einen oder anderen Land gegenüber russischen Staatsbürgern oder Nichtstaatsbürgern – das haben wir leider auch in unserer Europäischen Union –, dort müssen wir klar dagegen angehen. Selbstverständlich. Aber bitte mit demselben Augenmaß! Mit demselben Maßstab und mit denselben Kriterien müssen wir das tun.
Viertens: Ich bin sehr traurig darüber, dass Russland – und die führenden Kräfte in Russland – zu ihrer eigenen Geschichte nicht ein Verhältnis entwickeln, wie es viele unserer Länder entwickelt haben. Da beziehe ich mich auch auf die Debatte, die wir schon gehabt haben, und auf die morgige Abstimmung über die Entschließung zur Geschichte. Russland würde massiv an Image gewinnen, würde es mit der eigenen Geschichte kritischer umgehen, würde es den Stalinismus nämlich nicht als eine große vaterländische Leistung darstellen, sondern als ein Verbrechen, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Selbstverständlich, da gibt es ganz klare Worte auch von unserer Seite. Aber man muss das für alle Länder, für alle totalitären Regime gleichermaßen sagen, dass wir nicht bereit sind, totalitäre Regime zu akzeptieren und nicht bereit sind, dass man sich mit der Geschichte nicht auseinandersetzt.
Daher ist es vielleicht noch eine Möglichkeit, wenn wenigstens der eine oder andere Änderungsantrag von unserer Seite angenommen wird, der versucht, wieder eine Balance hineinzubringen und genau diese doppelte Strategie zu fahren: massive Kritik an Russland, aber auch Bereitschaft, eine Partnerschaft mit Russland einzugehen.
Henrik Lax (ALDE). – (SV) Frau Präsidentin, der Berichterstatter hat ganz recht, wenn er sagt, die EU muss in der Lage sein, über Angelegenheiten in Bezug auf Russland mit einer Stimme zu sprechen. Bedauerlicherweise scheint die russische Regierung die Beziehungen mit Drittstaaten inzwischen als Nullsummenspiel zu betrachten. Einfach gesagt: Wenn ich dich nicht ins Kinn kneife, kneifst du mich ins Kinn. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland wäre tatsächlich eine Win-Win-Situation, und wir müssen dafür sorgen, dass dies Russlands Führung ebenfalls so sieht. Es besteht die Gefahr, dass die schwere Wirtschaftskrise in Russland das Verhalten seiner Regierung in Bezug auf eine enge Kooperation mit der EU weiter verschärft. Daher ist es besonders wichtig, dass die EU mit einer Stimme spricht. Wann immer die EU klar und direkt gesprochen hat, hat die russische Führung innegehalten. Der Georgienkonflikt, die Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine zu Beginn des Jahres und die Provokationen im Zusammenhang mit der Statue des Broncesoldaten in Estland zeigen, dass eine geeinte EU die russische Führung dazu veranlassen kann, ihr Verhalten zu überdenken.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, der Bericht, über den wir debattieren, beinhaltet eine angemessen detaillierte Aufzählung der jüngsten Verstöße gegen die Menschenrechte im Territorium der Russischen Föderation. Diese Fälle belegen eindeutig, dass Russland alle Standards missachtet, die in der freien Welt gelten. Daher appelliere ich an den Rat und die Kommission, damit zu beginnen, Russland aufzufordern, zu seinen von ihm eingegangenen Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte zu stehen. Dies sollte eine Voraussetzung für das Führen weiterer Gespräche über ein Abkommen sein.
Bei gemeinsamen Treffen mit der russischen Seite habe ich häufig gehört, dass Mitglieder der russischen Duma in etwa sagten, es solle keine weitere Zeit mit Menschenrechten verschwendet werden; man solle sich vielmehr den wesentlichen Themen, nämlich dem Handel, zuwenden. Wir können einem solchen Ansatz nicht zustimmen. Es gibt nichts Wichtigeres als Freiheit, Gesundheit und das Leben selbst. Über diese Werte wird in Russland oftmals hinweggesehen, während der Wert des Geldes ausnahmslos anerkannt wird.
Tunne Kelam (PPE-DE). - Frau Präsidentin, ich möchte Herrn Onyszkiewicz zu seiner harten Arbeit und den Ergebnissen gratulieren, die zu würdigen sind.
Nebenbei, dies ist die letzte Aktion des scheidenden Europäischen Parlaments hinsichtlich der Beziehungen mit Russland, und die stärkste Botschaft dieses Parlaments basiert konsequent auf unseren gemeinsamen europäischen Werten.
Die Gelegenheit ist daher günstig, uns daran zu erinnern, dass die Grundlage für unsere Beziehungen mit Russland weiterhin der vor ein paar Jahren von unserem Kollegen Malmström verfasste Bericht ist, dessen Vorschläge nach wie vor nicht umgesetzt worden sind.
Seither befinden wir uns in einer Art Limbus und wiederholen immer wieder, wie wichtig die Beziehungen mit Russland sind. Das ist zwar richtig, aber man muss es nicht ständig wiederholen. Wir müssen Vertrauen in unsere eigene Stärke, unsere eigenen Werte und unser Potenzial fassen, wie es Graham Watson vorgeschlagen hat, und diese Werte leben.
Des Weiteren müssen wir feststellen, dass es in Russland zu einer qualitativen Veränderung zum Schlechten gekommen ist. Im vergangenen August hätte Russland beinahe einen souveränen Nachbarstaat besetzt. Es reicht nicht aus, nur Kritik an den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Russland zu üben oder diese zu bedauern. Die Frage ist nun, wie wir diese Menschenrechte und Werte mit unserem praktischen Verhalten in Einklang bringen. Andernfalls sind wir, zumindest indirekt, gemeinsam für die Verheizung der Menschenrechte und demokratischen Werte in Russland im Austausch gegen Gas aus russischen Pipelines verantwortlich.
Ioan Mircea Paşcu (PSE). - Frau Präsidentin, offensichtlich gibt es zwei Denkschulen in diesem Haus, wenn es um Russland geht, was das zwiespältige Verhalten der Mitgliedstaaten zum Ausdruck bringt.
Im Wesentlichen ist nicht Russland das Thema, denn viele sind sich darin einig, dass diese Großmacht unvermeidlich ein strategischer Partner von uns ist, es geht vielmehr darum, wie man auf das Verhalten dieses Landes reagieren sollte, das nicht immer unseren Standards entspricht. Während die erste Denkschule vorschlägt, Russland für jede Abweichung von diesen Standards zur Rechenschaft zu ziehen - der Bericht von Herrn Onyszkiewicz fällt wohl in diese Kategorie – ist die zweite kulanter und wird vor allem vom Pragmatismus geleitet.
Die Frage ist daher, welche dieser beiden Haltungen einen besseren Umgang mit unseren gemeinsamen Themen (Wirtschaft, Energie, Sicherheit, Forschung und Bildung) verspricht und unseren Interessen besser dient, ohne von unseren eigenen Standards abrücken zu müssen. Welche hat größere Auswirkungen auf das Verhalten Russlands? Wenngleich ich persönlich skeptisch bin, ob es irgendjemandem gelingen kann, das Verhalten Russlands wirklich auf die eine oder andere Weise zu beeinflussen, plädiere ich weiterhin für eine EU-Position, die Pragmatismus mit Integrität verbindet. Letztendlich betrifft der Bericht, der sich eigentlich mit Russland befasst, auch uns.
Andrzej Zapałowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, es ist allgemein bekannt, dass auf lange Sicht der Inhalt aller Verträge mit Russland mehr einer Wunschliste als rechtsverbindlichen Maßnahmen gleicht. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, unsere Anstrengungen zur Regulierung unserer Beziehungen mit Russland auf die bestmögliche Art fortzusetzen. Selbstverständlich kann dies nicht auf der Grundlage der aktuellen Bedingungen erreicht werden, denen zufolge die Bevölkerung der Europäischen Union, die sich auf annähernd 500 Millionen Bürger beläuft und für über 20 % des weltweiten BIP verantwortlich ist, einem weitaus schwächeren und bevölkerungsärmeren Partner nachgeben muss. Ich erwähne dies, weil die Interessen bestimmter EU-Mitgliedstaaten häufig mit der inneren Solidarität Europas in Konflikt geraten. Russland hat keinerlei Hemmungen, solche Situationen auszunutzen. Natürlich müssen wir unsere wirtschaftliche Kooperation mit Russland vertiefen, aber wir müssen unseren Partner auch dazu verpflichten, sich an dieselben Standards zu halten, die für alle EU-Mitgliedstaaten bindend sind. Man darf Menschenrechtsverletzungen nicht stillschweigend dulden.
György Schöpflin (PPE-DE). - Frau Präsidentin, ich gratuliere dem Berichterstatter. Meiner Meinung nach ist dies ein äußerst wichtiger Bericht.
Es scheint mir, dass das strategische Denken Russlands eines der größten Probleme ist, denen sich die Europäische Union derzeit gegenübersieht. Wenn wir nicht verstehen, wie Russland seine eigene Rolle in der Welt sieht, können wir keinen Sinn hinter dem erkennen, was der Kreml sagt und tut. Es gibt tatsächlich eine Logik für Russlands Handlungen, aber diese weicht von unserer ab. Während für die EU die friedliche Konfliktlösung ein zentrales Thema geworden ist, hat Russland keine Skrupel, Gewalt anzuwenden, wie man letztes Jahr in Georgien sehen konnte.
Der Knackpunkt liegt also darin, wie Russland mit der Macht umgeht. In der europäischen Tradition sollte die Macht von demokratischen Institutionen kontrolliert werden. Russland ist der Ansicht, dass Macht konzentriert werden muss, da sie durch eine solche Konzentration effektiver ist.
Dies ist für Staaten sehr gefährlich, die Russland als schwach ansieht. Sie werden automatisch zu Expansionszielen für die russische Macht. Der kürzlich heimlich durchgeführte Kauf einer großen Beteiligung an der ungarischen Energiegesellschaft MOL durch ein russisches Unternehmen ist daher mehr als eine rein kommerzielle Transaktion; er veranschaulicht, wie Russland in einen nicht besetzten Raum vorrückt.
Aus Sicht der Macht sind die Europäische Union und die europäische Integration unerklärliche, bedeutungslose Prozesse für Russland. In russischen Augen ist ein Souveränitätsverlust etwas Ungeheuerliches und keine Art, den Frieden zu sichern. Für Russland ist daher die Europäische Union das Problem – und es ist von entscheidender Bedeutung, dass uns dies bewusst ist. Ihr Erfolg ist dem Land ein Rätsel und vor allem ein Hindernis für die Maximierung der russischen Macht. Der zukünftige Erfolg der Europäischen Union hängt daher von unserem Wissen darüber ab, wie Russland über Macht denkt. Europa denkt in diesem Punkt völlig anders. Und machen Sie sich diesbezüglich keine Illusionen.
Richard Howitt (PSE). - Frau Präsident, letzten Monat besuchte ich im Auftrag des Parlaments die Verwaltungsgrenze in Georgien, die nach der russischen Militärintervention von den südossetischen Separatisten errichtet wurde. Beim Anblick des Checkpoints, an dem es auf beiden Seiten keine formelle Kommunikation gab, kam einem das sicherlich wie eine Szene aus dem Kalten Krieg vor. Wenn wir keine Rückschritte machen wollen, gäbe es eine konkrete Maßnahme, die die Russen ergreifen könnten: Sie könnten dazu beitragen, einen unbeschränkten Zugang der äußerst erfolgreichen europäischen Polizeimission zu beiden Seiten der Grenze zu ermöglichen, sodass die Mission ihre Aufgabe der Überwachung des Waffenstillstands ordentlich erfüllen kann. Es wäre ein kleiner, aber konkreter Schritt zur Vertrauensbildung, und ich appelliere an sie, dies zu tun.
Ich teile des Weiteren die Ansicht vieler in diesem Parlament, dass die Beziehungen zwischen Europa und Russland besser sein werden, je größer die Solidarität in Europa ist. Diese Tatsache wurde diese Woche erneut durch Russlands Versuch unterstrichen, separate Verträge mit EU-Staaten und nicht einen mit der Gesamt-EU über die Importstandards für Obst und Gemüse zu schließen. In dieser Hinsicht bedaure ich die heutige Rede des Fraktionsführers der Liberalen, der die Position der SPE im Hinblick auf die Menschenrechte als weich darzustellen versuchte. Wir werden dafür stimmen, Russland für die Verletzung internationaler Wahlstandards, die Unterminierung der freien Meinungsäußerung, die Inhaftierung politischer Gefangener und die Einschüchterung und Drangsalierung von Menschenrechtsverfechtern kritisieren, aber die Rede setzt einfach das vollkommen gleiche Punktwertverfahren in Bezug auf Russland an, das selbst ein Beispiel für die fehlende Solidarität ist, die uns zurückwirft.
Russland blieb – wie jedes Land – von der Wirtschaftskrise nicht verschont und litt unter dem einbrechenden Ölpreis, der Abwertung des Rubels um ein Drittel und dem 75%igen Kursverlust seines Aktienmarkts. Heute spielt Präsident Medwedew eine Hauptrolle auf dem G20-Gipfel in London. Ich denke, dass nun die Zeit reif ist, denn Russland ist auf unsere Kooperation angewiesen und könnte daher offener für Änderungen sein. Wir müssen nur die nötige Entschlossenheit und Einigkeit der Europäischen Union an den Tag legen, um dies zu erreichen.
Giulietto Chiesa (PSE). – (IT) Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, beim Lesen des Textes dieses Dokuments gewinnt man den Eindruck, dass wer immer dies auch geschrieben haben mag keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland anstrebt. Sollte sich Europa dies zum Ziel gesetzt haben, könnte es kein geeigneteres Dokument geben, wenn nicht, ist es entsetzlich. Ich für meinen Teil halte es für eine Ungeheuerlichkeit. Wie können wir eine künftige, von neuen Spannungen geprägte Atmosphäre mit einem Land heraufbeschwören, das wir, was unsere eigenen Interessen anbelangt, als unentbehrlich ansehen? In den kommenden 40 Jahren müssen wir uns auf die traditionellen Energiequellen verlassen, von denen Russland reichlich hat. Gibt es eine Alternative? Nein.
Der zweite Punkt ist die Art und Weise und der Tonfall. Auf diesen Seiten spricht Europa eine imperialistische Sprache, nicht die Sprache einer Person, die ihren Gesprächspartner respektiert. Dies widerspricht unserer Nachbarschaftspolitik, und es wäre nicht richtig, wenn wir gegenüber einem kleinen Land so auftreten würden. Noch weit weniger angebracht ist dies, wenn es sich um ein großes Land handelt, das mit Recht Respekt abverlangt. In erster Linie ist es eine Frage des Realitätssinns.
Das Europäische Parlament ist, wie ich befürchte, kurz davor, ein im Geiste des Kalten Krieges verfasstes altmodisches, gegenstandsloses, schädliches und kontraproduktives Dokument anzunehmen, und das zu einem Zeitpunkt an dem der neue Präsident der USA einen neuen Dialog mit Moskau eröffnet. Mit diesem Ansatz kann Europa keinen Führungsanspruch geltend machen. Ich hoffe, dass die Kommission diese Empfehlungen nicht annehmen wird.
Romana Cizelj (PPE-DE). – (SL) Im Verlauf dieser Debatte haben Sie viele politische Probleme angesprochen, aber ich möchte Ihre Aufmerksamkeit gerne auf ein anderes Thema lenken, das in unserem Bericht nicht erwähnt wurde. Es geht um das Thema des Klimawandels, das bislang fast nur von Wissenschaftlern angesprochen wurde. Wenn wir jedoch in diesem Bereich Erfolge erzielen wollen, müssen wir die Aktionen mit robusten und entschlossenen politischen Maßnahmen unterstützen.
Es ist eine globale Herausforderung, die gegenseitige Verantwortung erfordert. Daher denke ich, dass wir uns jede Gelegenheit zunutze machen sollten, um Russland dazu zu drängen, seinen Teil der Verantwortung sowohl für die Verlangsamung des Klimawandels als auch zur Anpassung daran zu übernehmen. Ferner sollten wir Russland dazu drängen, eine aktivere Rolle bei internationalen Verhandlungen zu ergreifen, jetzt, da wir kurz vor der Konferenz in Kopenhagen stehen.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie auch daran erinnern, dass die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels eine Art der Sicherstellung der Menschenrechte ist.
Monika Beňová (PSE). – (SK) Ich fasse mich sehr kurz, da das meiste, das ich sagen wollte, bereits von meinen Kollegen und Kolleginnen der sozialdemokratischen Partei Europas gesagt wurde.
Meiner Ansicht nach fehlt es dem Bericht an Ausgewogenheit und er ist russophobisch. Ich selbst komme aus einem Land, das viele Jahre lang unter einem Regime litt, das es den meisten Leuten nicht einfach machte, aber gerade deshalb verstehe ich nicht, warum vernünftige Männer und Frauen in dieser ehrwürdigen Kammer nun ein Dokument annehmen wollen, mit dem wir einmal mehr mit dem Finger auf jemanden zeigen und diesem die Schuld für etwas geben werden.
Ich nahm an, dass dieses Parlament in der Lage wäre, die derzeitige Situation, in der sich die Welt befindet, zu verstehen. Ich lehne den Gedanken absolut ab, dass jeder hier einen Erdgas- und Ölhandel gegen den Schutz der Menschenrechte abschließen will. Die Sozialdemokraten Europas wollen die Menschenrechte schützen, was sie bisher immer getan haben, aber andererseits können wir die offensichtliche Realität sehen, vor der wir, die EU, die USA, Russland und die ganze Welt stehen. Wir werden nur mithilfe der Grundlage guter gemeinsamer Verträge in der Lage sein, uns dieser Realität zu stellen.
Andrzej Wielowieyski (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin, Russland ist unser größter Nachbar, ein großartiges Land, das im vergangenen Jahrhundert imperialistische Anwandlungen hatte, aber auch durch einige tiefe Täler ging.
Die Bewältigung eines solchen Traumas braucht Zeit und Ausdauer, und auch wir müssen geduldig sein. Die Aushandlung eines neuen Abkommens wird daher mit Schwierigkeiten und Schmerzen verbunden sein. Der Bericht ist zwar fordernd, aber fair. Eine effiziente Partnerschaft mit unseren sechs Nachbarn im Osten und gute gegenseitige Beziehungen mit Russland unter einen Hut zu bringen, stellt die größte Herausforderung für europäische Politiker dar. Die diesbezüglichen Fortschritte werden davon abhängen, ob es uns gelingt, unsere Lebensart und unser Verständnis der Grundrechte, die nicht verraten werden dürfen, aufeinander abzustimmen.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, die größten Hindernisse, die unsere Kontakte mit Russland beeinträchtigen, sind dessen Missbrauch der Gasversorgung als Instrument zur politischen Erpressung, dessen Angriff auf die Unabhängigkeit Georgiens, der Völkermord in Tschetschenien und dessen Versäumnis, faire Gerichtsverhandlungen in Bezug auf die Morde von Anna Politkovskaya und Alexander Litwinenko zu führen. Bedauerlicherweise hat Russland keinen einzigen Schritt hin zur Etablierung der Demokratie und zur Achtung der Menschenrechte getan, was sich auf weitere Verhandlungen und Kooperationen ungünstig auswirkt. Wir müssen eine gemeinsame Politik der Solidarität vertreten, wenn wir wollen, dass unsere Verhandlungen erfolgreich verlaufen. Dies ist äußerst entscheidend im Fall eines so wichtigen Nachbarn der Europäischen Union.
Gerard Batten (IND/DEM). - Frau Präsidentin, wie kann sich Frau Ferrero-Waldner auf Russland als Partner beziehen und Herr Vondra Zusicherungen im Zusammenhang mit der Demokratie und den Menschenrechten anstreben?
Russland ist ein Schurkenstaat, in dem lästige politische Gegner, Andersdenkende und Journalisten einfach umgebracht werden. Die Russen haben sogar ein Gesetz, das es ihnen erlaubt, jeden beliebigen russischen oder ausländischen Bürger auf ausländischem Boden zu ermorden, wenn diese als Bedrohung oder Unruhestifter angesehen werden. Ein solcher Mord wurde 2006 an Alexander Litwinenko, der in meinem Wahlkreis lebte, in London im Rahmen eines staatlich gesponserten Terrorismus verübt. Seine Familie hofft nach wie vor auf Gerechtigkeit und darauf, dass seine Mörder in England vor Gericht kommen.
Ich persönlich möchte nicht, dass die Europäische Union Abkommen mit irgendjemandem schließt, ganz gleich, in welchen Bereichen. Aber wenn es die Kommission ernst meint, warum hat sie dann nicht die Auslieferung der Verdächtigen als Zeichen des guten Willens und als Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen verlangt?
Alexandru Nazare (PPE-DE) . – (RO) Das Potenzial für eine solide Zusammenarbeit mit der Russischen Förderation ist direkt proportional zu den Problemen und Schwierigkeiten, die wir angehen müssen. Russland hat vor einiger Zeit eine Form des Diskurses und des Handelns gewählt, durch die die Aussichten auf eine pragmatische Kooperation hinten angestellt werden, während gleichzeitig ein kompromissloser Ansatz in Bezug auf die internationalen Beziehungen verfolgt wird, mit dem wir uns in keiner Weise arrangieren können.
Seit dem Konflikt in Georgien sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir Unterschiede unter uns hinsichtlich der Haltung erkennen können, die wir bei entscheidenden Themen annehmen. Die russische Förderation denkt, dass die Präsenz ihrer Truppen in den Ländern der Region akzeptabel ist und dass sie sogar das Recht haben, zu intervenieren, wenn Moskau dies für notwendig erachtet. Die Verwicklung Russlands in ungelösten Konflikten ist an den Grenzen der EU spürbar, wie auch die Auswirkungen, die dies auf alle von uns in Europa hat.
Ich muss Ihnen in Erinnerung rufen, welche Änderungen ich vorgeschlagen habe. Die Präsenz der russischen Truppen in der Separatistenregion Transnistrien belastet die Republik Moldawien bereits seit fast zwei Jahrzehnten, seit sie sich dem Fortschritt und der Freiheit verschrieben hat, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden. Die russische Förderation muss ihre Truppen aus Transnistrien abziehen, um den Grundstein für diese Partnerschaft zu legen.
Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen allen meinen Dank für diese interessante Debatte aussprechen. Ich denke, sie ist hinsichtlich unserer künftigen Beziehungen mit Russland wirklich nötig. Es wurden bereits einige wichtige Punkte in der Debatte angesprochen. Ich kann vielem von dem, was hier gesagt wurde, zustimmen.
Um diejenigen anzusprechen, die von der Notwendigkeit eines Engagements sprechen: Ich denke, es dürfte klar sein, dass ein neues Abkommen von großer Bedeutung für die künftige Entwicklung und Intensivierung der Kooperation zwischen der EU und Russland ist. Es ist ebenfalls klar, dass das neue Abkommen weiter auf dem aktuellen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) aufbauen muss. Es muss die Realität der heutigen Zusammenarbeit mit Russland widerspiegeln. Unsere Beziehungen sind inzwischen viel tiefer und weitreichender als noch vor zehn Jahren.
Denjenigen, die über Energie sprechen, möchte ich sagen, dass wir klar zum Ausdruck bringen, dass die EU ihre Kooperation mit Russland über die uns zur Verfügung stehenden Instrumente - die Konferenzen zum Energiedialog und der ständige Partnerschaftsrat zu Energiefragen - verstärken möchte. Es wird noch während dieser Präsidentschaft eine Sitzung des ständigen Partnerschaftsrats über Energiefragen geben. Ziel dieser Sitzung ist die Förderung des Vertrauens und der Transparenz in den Energiebeziehungen der EU mit Russland. Wir können uns keine weitere Unterbrechung der Energieversorgung leisten. Wir sollten also die Frühwarnsysteme verstärken und sie wirksamer machen.
Denjenigen, die die Menschenrechte angesprochen haben, möchte ich sagen, dass die Anwendung der Rechtsstaatlichkeit, eine unabhängige Judikative und die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte – einschließlich freier und unabhängiger Medien – notwendig sind, um Stabilität und Wohlstand in Russland zu fördern. Die EU verfolgt die Menschenrechtslage in Russland mit Sorge, und wir werden diese Besorgnis in unseren EU-Russland-Konferenzen weiter ansprechen. So wird beispielsweise der Umgang mit Fällen wie der Wiederaufnahme des Chodorkowsky-Verfahrens hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit in Russland eine Art Lackmuspapier sein.
Mit denjenigen, die über Hebelfunktionen sprechen, stimme ich durchaus darin überein, dass wir in den Gesprächen mit Russland mit einer Stimme sprechen müssen. Wir brauchen diese Art der Debatte, um uns über die Form dieser einen Stimme zu einigen. Einheit und Solidarität sind wichtig, und wir werden sehr hart daran arbeiten, dies zu erreichen. Es ist wichtig, dass die Mitgliedstaaten sich gegenseitig so umfassend wie möglich über die bilateralen Angelegenheiten mit Russland informieren und beraten, die Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten und die EU als Ganzes haben könnten. Die diesbezüglichen Vorschläge des Parlaments sind es wert, berücksichtigt zu werden, allerdings bin ich mir angesichts der derzeitigen Ratsstrukturen nicht ganz sicher, ob die Einrichtung eines formellen Beratungsmechanismus die praktischste Art ist, voranzukommen. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass eine Art Mechanismus oder gemeinsamer Ansatz erforderlich ist, um den derzeitigen Rahmen der Beziehungen der EU mit Russland zu ergänzen.
Es gibt definitiv einen gewissen Spielraum für Verbesserung unserer Politik gegenüber Russland, und Einigkeit und Solidarität sind in der Tat die Schlüsselwörter in diesem Zusammenhang. Wir führen bereits eine recht intensive politische Beratung im Rat, wenn es darum geht, Solidarität zu zeigen, aber es ist auch eine Frage des politischen Willens. Ich stimme zu, dass wir ein größeres Vertrauen und Verständnis zwischen der EU und Russland brauchen. Wir müssen den Argwohl der Vergangenheit überwinden und auf den tatsächlichen und substanziellen Beziehungen aufbauen, die sich im Verlauf der Jahre entwickelt haben, aber dieser Prozess ist zweigleisig und beide Seiten müssen daran arbeiten.
Das neue Abkommen ist eine Art, dies zu tun. Die andere kann durch einen besseren Dialog erfolgen. Das Parlament muss hier eine wichtige Rolle spielen, und ich kann daher den Vorschlag nur unterstützen, dass die Rolle des Parlamentarischen Kooperationsausschusses im Rahmen des neuen Abkommens aufgewertet werden sollte. Die parlamentarische Dimension – wie die zivilgesellschaftlichen Kontakte - haben im Bereich der Kommunizierung und Förderung der fundamentalen demokratischen Grundsätze und Werte, auf denen die EU basiert, viel zu bieten. Daher freuen wir uns darauf, im Verlauf der Verhandlungen den Dialog mit Ihnen fortzusetzen.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin, Debatten über Russland sind nie einfach. Russland ist einerseits ein wichtiger globaler Partner, aber andererseits ist es auch ein großer Nachbar, und ich denke, dass Sie hier zwei Seiten haben, die nicht immer leicht auf einen Nenner zu bringen sind.
Zum einen sehen wir Russland als echten Partner, da er ein globaler Partner ist, wie ich bereits erwähnt habe. Das gilt zum Beispiel für den Nahen Osten, wo wir eine Lösung zwischen Israel und Palästina finden müssen, sowie für viele ähnliche Probleme. Auch hinsichtlich Afghanistan und Pakistan, über die gestern in der Konferenz von Den Haag gesprochen wurde, spielte Russland eine wichtige Rolle wie auch in Bezug auf den Iran, die Nichtverbreitung von Atomwaffen oder die großen globalen Herausforderungen wie der Klimawandel, der ebenfalls erwähnt wurde, oder nun die Finanz- und Wirtschaftskrise. Jeder ist davon betroffen. Dies gilt für uns genauso wie für Russland und viele andere globale Partner. Daher denke ich, dass wir uns dessen sehr bewusst sein sollten, aber gleichzeitig müssen wir Russland als großen Nachbarn sehen, auch wenn wir uns manchmal bezüglich der gemeinsamen Nachbarschaft nicht einig sind. Und wir haben eine gemeinsame Nachbarschaft. Einige von Ihnen haben dies erwähnt; sei es nun Moldawien oder Nagornij-Karabach oder natürlich Georgien. Hier müssen wir sicherstellen, dass wir einander viel näher kommen, aber wir müssen auch offen über die bestehenden Schwierigkeiten und Differenzen sprechen.
Eines dieser Themen ist die ‘Ostpartnerschaft’, über die wir erst letzte Woche im Parlament diskutiert haben. Das oberste Ziel der Ostpartnerschaft, die sich mit sechs unserer Nachbarstaaten befasst, besteht darin, diejenigen Länder zu unterstützen, die sich bezüglich gewisser Schlüsselthemen wie Regierungsstandards, freierer Handel u. a. der Europäischen Union stark annähern wollen. Für diese Aktivitäten ist es meiner Ansicht nach wichtig, diese Länder als Partner zu haben. Aber gleichzeitig haben wir auch gesagt, dass wir bei Bedarf auf einer multilateralen Plattform auf einer Ad-hoc-Basis im Grunde für Drittländer wie Russland offen sind; Russland ist schließlich auch vollwertiges Mitglied der Schwarzmeersynergie, wo regionale Angelegenheiten behandelt werden.
Es gibt also auch eine Chance, zusammenzuarbeiten, um einige bestehende Probleme zu überwinden. Zum anderen ist da das Gas. In Bezug auf das Gas sind wir bekanntlich – wie ich es bereits zuvor sagte und jetzt wiederhole - voneinander abhängig, wir wissen das. Wir wissen auch, dass die Gaskrise das Vertrauen in unsere Partner beschädigt hat. Sie hat verdeutlicht, wie wichtig die Energielieferungen in den bevorstehenden Abkommen zwischen EU-Russland und EU-Ukraine sind, und sie werden zustande kommen.
Wir müssen die Arbeit bezüglich der Schaffung eines internationalen Energiemarkts beschleunigen, aber auch die Effizienz verbessern und die Versorgung diversifizieren. Im neuen Abkommen mit Russland sollten daher wie wir immer sagen, rechtsverbindliche gegenseitige Verpflichtungen festgelegt werden. Parallel zum neuen Abkommen und auf kurze Sicht arbeiten wir ferner mit Russland daran, um den Frühwarnmechanismus effizienter zu machen, wie ich zuvor erläutert habe. Des Weiteren sollten wir eine Überwachung und eine Konfliktprävention ins Auge fassen, auch im Hinblick auf Weißrussland und die Ukraine.
Wir sind uns dessen bewusst, dass Russland ein äußerst wichtiger Energiepartner für uns ist, der 40 % zu dem von uns importierten und 20 % zu dem von uns verbrauchten Gas beisteuert. Dies ist, wie bereits gesagt, eine Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit. Da wir über zwei Drittel ihrer Exporterträge stellen – was einen äußerst wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Russlands geleistet hat – ist es entscheidend, dass sich die Ereignisse im vergangenen Januar nicht wiederholen. Wir arbeiten daher sowohl mit den Ukrainern als auch mit den Russen zusammen, um dem vorzubeugen.
Hinsichtlich der Menschenrechte sind wir nicht immer einer Meinung. Andererseits sind die EU und Russland wie ich bereits anmerkte, über die Instrumente, die wir zusammen in der UN, der OECD und im Europarat unterzeichnet haben, gemeinsame internationale Verpflichtungen eingegangen. Diese Verpflichtungen basieren auf Werten und schließen die Pflicht ein, die Entscheidungen der Körperschaften, die sie aufgestellt haben, zu respektieren. Dies gilt insbesondere für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, aber es ist auch offensichtlich, dass die EU und Russland die Verpflichtungen unterschiedlich interpretieren.
Die Europäische Union und Russland haben den Weg des Dialogs über diese Themen gewählt, und dieser Weg ist der richtige. Dies bedeutet, dass wir auch ein offenes Ohr für die Sorgen haben müssen, die die russische Seite gelegentlich in Bezug auf gewisse Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union äußert, darunter zum Beispiel das Thema der russischsprachigen Minderheiten.
Es ist aber auch wahr, dass der amtierende Ratspräsident erklärte, man sei über die Missachtung der Menschenrechte in der Russischen Föderation sehr besorgt, und die unablässigen Angriffe auf Menschenrechtsverfechter, Journalisten und andere würden ein schlechtes Bild auf Russland werfen.
Wir sprechen diese Themen regelmäßig bei den Hohen Behörden an: ich bei Sergej Lawrow und Präsident Barroso bei seinen Gesprächspartnern. Zudem nutzen wir zu diesem Zweck auch unsere zweijährigen Menschenrechtskonferenzen. Die Gespräche auf dem bilateralen Treffen zwischen Präsident Barroso und Präsident Medwedew am 6. Februar beinhalteten auch einen Austausch über Menschenrechte.
Präsident Medwedew selbst schlug vor, diesen Austausch auf dem Gipfel vom 21. – 22. Mai fortzusetzen, und wir sollten ihn diesbezüglich beim Wort nehmen. Der Anschlag auf den Menschenrechtsaktivisten Lew Ponomarew vergangene Nacht erinnert uns u. a. wieder daran, wie schwierig die Lage für Menschenrechtsverfechter in Russland ist. Aber lassen Sie mich sagen, dass die zwei Seiten der Medaille eindeutig im Mandat zum Ausdruck kommen, das der Rat der Kommission zur Führung der Verhandlungen gegeben hat. Beide sind eine Tatsache, und dies ist der Inhalt unseres Mandats. Daher ist es meiner Ansicht nach der richtige Weg, dieses Mandat fortzusetzen, und wie ich bereits sagte, sind wir stets dazu bereit, über den Verlauf unserer Verhandlungen zu berichten, wie wir es eben getan haben.
Janusz Onyszkiewicz, Berichterstatter. − (PL) Frau Präsidentin, ich möchte die Kritiker dieses Berichts daran erinnern, dass dies kein Bericht über Russland ist. Zweck dieses Berichts ist es, der Kommission zu empfehlen, welche Themen sie in den bilateralen Gesprächen und Verhandlungen ansprechen sollte und auf welche Bereiche sie sich besonders konzentrieren sollte. Dies ist der Grund, weshalb es in diesem Bericht keinen Verweis auf die Angelegenheit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den Plan von Präsident Medwedew gab. Jeder solche Verweis wäre in der Tat unangebracht gewesen. Dabei handelt es sich um etwas ganz anderes. Es sollte im Rahmen der OSZE zusammen mit den Vereinigten Staaten betrachtet werden, aber nicht im Rahmen bilateraler Beziehungen mit Russland. Darüber hinaus können Vorschläge dieser Art nicht unsere Kritik und Beurteilung der Menschenrechtslage in der Europäischen Union umfassen, um nur ein Beispiel zu nennen. Diese Themen müssen daher in den Gesprächen mit den Russen angegangen werden, und diese werden sich zu gegebener Zeit mit unseren Themen befassen. Auf diesen Punkt möchte ich hinweisen.
Mein zweiter Punkt ist allgemeiner Natur und bezieht sich auf die eigentliche Art der Gespräche. Ich möchte herausstellen, dass in diesem Bericht Begriffe wie „strategische Partnerschaft“ vermieden werden. Hierfür gibt es einen guten Grund; das angenommene Dokument in Bezug auf die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) enthält folgenden Wortlaut im Abschnitt über Russland: (das Mitglied zitiert im Anschluss daran den Text in englischer Sprache).
„eine strategische Partnerschaft ist nicht möglich, wenn die Werte der Demokratie, die Achtung der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit nicht vollumfänglich geteilt und respektiert werden; [daher] die Appelle an den Rat, diese Werte in das Zentrum der laufenden Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu rücken.“
(PL) Die Position ist deshalb recht klar. Ich denke, wir sollten uns in Erinnerung rufen, was der Zweck dieses Berichts ist und welche Botschaft er der Kommission übermitteln soll. Am Ende möchte ich gerne noch Frau Bobošíková sagen, dass es die Kosaken waren, die an den Sultan schrieben, und nicht umgekehrt.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen, Donnerstag, den 2. April 2009.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Călin Chiriţă (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße den Bericht von Janusz Onyszkiewicz über die Beziehungen der EU mit Russland. Meiner Ansicht nach müssen die Beziehungen der EU mit Moskau auf einer pragmatischen Basis aufgebaut und alle Vorurteile vermieden werden.
Erstens bedarf es einer guten Kooperation im Bereich der Energieversorgung, die im beiderseitigen Interesse liegt. Um dies zu erreichen, ist es jedoch erforderlich, dass wir in den EU–Mitgliedstaaten untereinander solidarisch sind, sodass diese im Verlauf der Verhandlungen mit Moskau über die Gasimporte eine geeinte Front darstellen können. Dies ist die einzige Möglichkeit, wie wir den europäischen Bürgern eine sichere Gasversorgung zu erschwinglichen Preisen garantieren können. Wir sind dafür verantwortlich, die Auslösung einer erneuten Gaskrise zu vermeiden.
Zweitens müssen wir mit Moskau kooperieren, indem wir gemeinsam Probleme in Bezug auf unsere gemeinsame Nachbarschaft und die Beziehungen mit der Republik Moldawien, der Ukraine, Georgien, Armenien und Aserbaidschan angehen. Dieser Ansatz muss auf den Normen des internationalen Rechts beruhen, sowie auf die Achtung der Integrität und Souveränität der Staaten, um damit alle autoritären Trends zu vermeiden. Wir müssen Fortschritte bei der Schlichtung der ungelösten Konflikte wie beispielsweise in Transnistrien, Ossetien und Abchasien erzielen.
Filip Kaczmarek (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Russland ist ein wichtiger Partner für die Europäische Union. Die EU erwartet von ihren Partnern eine zuverlässige und aufrichtige Kooperation.
Eine gegenseitige Abhängigkeit mag für beide Seiten günstig sein, aber es muss nicht so sein. Auch das Gegenteil kann der Fall sein, wodurch eine Quelle der Unruhe und des Konflikts entsteht. Wir sollten alles tun, was in unserer Macht steht, um zu gewährleisten, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit, Sicherheit, Energiesicherheit, die Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie positive und konstruktive Pfeiler unserer Beziehungen werden. Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt von der russischen Seite ab. Russland kann sich für die Werte und Standards des Westens entscheiden. Niemand wird Russland dazu zwingen, eine solche Wahl zu treffen oder eventuell eine andere. Russland muss für sich selbst entscheiden. Eines ist mir jedoch sehr klar: Europa wird seine Werte nicht auf Antrag von Russland oder einem anderen Land ändern. Wir sind konsequent oder sogar hartnäckig, aber nicht, weil eine andere Handlungsweise bedeuten würde, unsere Werte aufzugeben.
Wenn sich Europa von seinen Grundwerten entfernen würde, könnte Europa nicht länger existieren. Darum werden wir beispielsweise die territoriale Integrität Georgiens stets anerkennen. Wir handeln nicht aus einer bestimmten Betroffenheit für die georgische Bevölkerung heraus auf diese Weise. Unser Standpunkt basiert auf der Treue den Grundsätzen gegenüber, auf denen unsere Welt aufgebaut ist. Ein Handeln zum Schaden dieser Welt würde einem Selbstmord gleichkommen. Die EU wünscht sich sicher kein solches Ergebnis, und Russland, wie ich vermute, auch nicht.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Es kann definitiv gesagt werden, dass die jüngste Gaskrise und der Konflikt in Georgien neue Spannungen in den Beziehungen mit der Russischen Föderation ausgelöst haben.
Russland muss damit aufhören, Situationen dieser Art in einer Weise auszunutzen, die mit internationalen Vorgehensweisen nicht vereinbar ist, und davon absehen, neue Einflusssphären zu schaffen.
Gleichzeitig muss die EU alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um seine Energieabhängigkeit von Russland soweit wie möglich zu verringern.
Allerdings ist es ebenfalls richtig, dass Russland einer der Nachbarn der EU und ein entscheidender Akteur in der internationalen Arena ist. Es liegt ein ordentliches wirtschaftliches Potenzial in den Beziehungen der EU mit Russland, und die EU kann es sich nicht leisten, dieses nicht zu nutzen, vor allem nicht im derzeitigen globalen Klima.
Genau darum müssen wir weiterhin in einen Dialog und die Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation investieren und eine kohärente Strategie basierend auf gemeinsamen, für beide Seiten nützlichen Verpflichtungen ausarbeiten.
Damit diese Kooperation erfolgreich sein kann, muss die EU mit einer einzigen Stimme sprechen und sich zu einem Dialog verpflichten, der mit Bedingungen verknüpft, aber gleichzeitig auch konstruktiv ist und auf gemeinsamen Werten, der Achtung der Menschenrechte, den Grundfreiheiten und den derzeitigen internationalen Normen beruht.
Katrin Saks (PSE), schriftlich. – (ET) Die Beziehungen zwischen der EU und Russland erlitten im vergangenen Jahr großen Schaden. Heute, nach den Ereignissen in Georgien und der Anerkennung der Enklaven Abchasien und Südossetien durch Russland sind die Bereitschaft Russlands, einen gemeinsamen Sicherheitsraum mit der Europäischen Union aufzubauen, sowie die Positionen der Parteien in Fragen bezüglich des Kosovo und der gemeinsamen Nachbarschaft weiter voneinander entfernt als je zuvor. Fortgesetzte Streitigkeiten mit Gasversorgern und die Politisierung der Energieressourcen schaffen kein größeres Vertrauen.
Ich bin froh, dass der Bericht meines Kollegen Herrn Onyszkiewicz Russland dazu auffordert, seine auf internationaler Ebene eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, insbesondere als Mitglied des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, und der russischen Regierung gegenüber unsere Besorgnis über die Menschenrechtslage und die allmähliche Auflösung der Zivilgesellschaft in Russland zum Ausdruck bringt. In seinem Bericht hat das Parlament seine Aufmerksamkeit auch auf die Situation der Minderheiten gerichtet, die in der Russischen Föderation leben, und appelliert an die russischen Regierungsstellen, das Überleben und die nachhaltige Entwicklung der Kulturen und Sprachen der indigenen Einwohner der Russischen Föderation zu gewährleisten.
Die Beziehungen der Europäischen Union mit Russland müssen auf Partnerschaft basieren, nicht auf Konfrontation. Sie sind aus Sicht einer pragmatischen Kooperation in der Tat von entscheidender Bedeutung, und unsere Zusammenarbeit hat bis dato zur internationalen Stabilität beigetragen. Gleichzeitig muss diese Partnerschaft auf folgenden Werten beruhen: Demokratie, Marktwirtschaft, Förderung der Menschenrechte und der freien Meinungsäußerung. Man darf nicht nur kommerzielle Interessen sehen und sich im Zusammenhang mit diesen Interessen auf nur eine Sache konzentrieren, während wir unsere Augen stur vor anderen Dingen verschließen.
Toomas Savi (ALDE), schriftlich. – Die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union sahen sich in den vergangenen Jahren mehreren Herausforderungen gegenüber. Nachdem der Konflikt zwischen Russland und Georgien im August letzten Jahres ausgebrochen ist, hätte man sich dazu hinreißen lassen können, zu denken, dass gute Zäune gute Nachbarn machen. In diesem Fall bin ich froh darüber, dass dem Sprichwort nicht nachgeeifert wurde und der vorherige Präsident des Europarats, Nicolas Sarkozy, erfolgreich in der Krise vermittelt hat.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat die Europäische Union eine enge Interdependenz mit der Russischen Föderation aufgebaut, die dazu genutzt werden sollte, ein gemeinsames Verständnis der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu entwickeln, während gleichzeitig zuverlässige Wirtschaftsbeziehungen gefördert wurden. Die häufigen Zerwürfnisse in den vergangenen Jahren haben uns davon abgelenkt, tatsächlich Fortschritte zur Erreichung dieses Ziels zu machen, und der Dialog zwischen beiden Seiten ist recht eisig geworden und hat die Form einer „pragmatischen Kooperation“ angenommen.
Ich unterstütze die Empfehlung an den Rat und die Kommission sehr, weiterhin auf einem Abkommen zu bestehen, das auf einer gemeinsamen Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte basiert, wie im Bericht angeführt, da wir ohne gemeinsame Werte wahrscheinlich mit einer weiteren unerwarteten Krise rechnen müssen, die Notfallmaßnahmen erforderlich macht.
Richard Seeber (PPE-DE), schriftlich. – (DE) Das neue umfassende Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland ist von meiner Seite durchaus zu begrüßen.
Russland ist der drittwichtigste Handelspartner der EU und auch für die Energieversorgung Europas strategisch äußerst wichtig. Das Abkommen mit der Russischen Föderation schafft die Grundlage für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien.
Im Lichte der Bedeutung, die die EU und Russland füreinander haben, darf dieses Abkommen jedoch nicht nur ein Akt politischen Willens bleiben, sondern muss dessen Umsetzung auch einforderbar sein. Die Empfehlung des Parlaments an den Europäischen Rat betont vor allem die Wichtigkeit der Wahrung der Menschenrechte und der Medienfreiheit in Russland. Da die Beziehungen auf wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer und bildungspolitischer Ebene schrittweise ausgebaut werden sollen, ist es von großer Bedeutung, dass die europäischen Werte von allen unseren Partner respektiert werden. Nur auf diese Weise kann die Partnerschaft zwischen Russland und der Europäischen Union zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgebaut werden.
Czesław Siekierski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Die Sicherstellung eines neuen Abkommens zwischen der EU und Russland ist eine der größten Herausforderungen, mit denen sich die Diplomaten der Europäischen Union bislang konfrontiert sahen. Die Rolle des Europäischen Parlaments besteht darin, aktive Eingaben hinsichtlich der Natur und des Inhalts des Abkommens zu machen. Der Bericht bietet eine detaillierte Analyse der Hauptaspekte der Beziehungen zwischen der EU und Russland. Insbesondere beinhaltet er eine gründliche Studie der Probleme, die mit unseren derzeitigen Beziehungen verbunden sind.
Meiner Ansicht nach wird die Annahme des Berichts dazu beitragen, einen bedeutenden Schritt hin zu einem neuen Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland zu tun. Die wesentlichen Elemente eines solchen Abkommens sollte Thema einer detaillierten Beratung und auch harter Verhandlungen zwischen beiden Parteien des neuen Abkommens sein. Der Bericht bezieht sich auf eine Reihe von Problemen, deren Lösung für einzelne Länder besonders wichtig ist. Ich möchte hier die Schwierigkeiten in Bezug auf den Handel zwischen Polen und der Russischen Föderation in Erinnerung rufen. Probleme dieser Art können nur gelöst werden, wenn die EU einen gemeinsamen Standpunkt vertritt.
Der Bericht beinhaltet eine umfangreiche Liste der zu lösenden Probleme. Es wird nicht möglich sein, in Bezug auf alle von ihnen kurzfristig einen Kompromiss zu erreichen, was zum Teil in den kulturellen und gesellschaftlichen Differenzen begründet liegt.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Russland ist ein Land, in dem die fundamentalen Grundsätze der Demokratie häufig missachtet werden. Es ist dafür bekannt, dass es gegen Menschenrechte verstößt und die freie Meinungsäußerung einschränkt, darunter die Meinungsfreiheit. Präsident Medwedew und Premierminister Putin üben ihren Einfluss auf die russischen Medien aus. Letztere sind daher nicht in der Lage, ihrem grundlegenden Zweck zu dienen, der darin besteht, Informationen auf zuverlässige Weise zu verbreiten.
Wir sollten dennoch daran denken, dass Russland einer unserer Hauptpartner ist. Russland spielt eine führende Rolle auf der internationalen Bühne. Zudem ist das Land ein wichtiger Energielieferant und ein bedeutender Handelspartner.
Meiner Ansicht nach sollten wir uns gegenüber Russland laut und deutlich ausdrücken. Wir sollten das Land für seinen Nachholbedarf in Sachen Demokratie, seine Missachtung der Grundfreiheiten seiner Bürger und die Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität anderer Staaten kritisieren. Wir sollten Russland dazu auffordern, die Rechte nationaler Minderheiten zu respektieren und die internationalen Verträge einzuhalten, die es unterzeichnet hat. Ich beziehe mich dabei auf die Charta der Vereinten Nationen, die europäische Menschenrechtskonvention und den Energiechartavertrag. Gleichzeitig sollten wir uns jedoch ins Gedächtnis rufen, dass eine Partnerschaft mit Russland eine äußerst wichtige Angelegenheit für die Europäische Union und ganz Europa ist.
13. Aufnahme der Verhandlungen im Hinblick auf die Annahme eines internationalen Vertrags über den Schutz der Arktis (Aussprache)
Die Präsidentin. - Der nächste Punkt sind die Erklärungen des Rates und der Kommission über die Aufnahme internationaler Verhandlungen im Hinblick auf die Annahme eines internationalen Vertrags über den Schutz der Arktis.
Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Frau Präsidentin, wie wir alle wissen und wie wir täglich lesen können, gewinnt die Arktis zunehmend an Bedeutung, weshalb sie auch von Seiten der Europäischen Union eine größere Aufmerksamkeit verdient.
Dies wurde in der Entschließung deutlich, die das Parlament im Oktober verabschiedet hat. Ich begrüße daher die Gelegenheit, heute Nachmittag über dieses Thema zu sprechen, das für Sie, wie ich weiß, ebenfalls von großer Bedeutung ist.
Nur drei EU-Mitgliedstaaten besitzen Gebiete in der arktischen Region. Gleichwohl gehen die Auswirkungen des Klimawandels und der menschlichen Aktivitäten in der arktischen Region weit über die Arktis hinaus. Was in der Arktis geschieht, hat weitreichende Auswirkungen auf die EU als Ganzes. Bislang wurden Themen mit einer arktischen Dimension von der Union immer tendenziell im Zusammenhang mit sektoriellen Politiken behandelt, wie etwa die Meerespolitik oder der Kampf gegen den Klimawandel. Auch wenn die Kooperation innerhalb des Rahmens der neuen nördlichen Dimension die europäischen arktischen Gebiete abdeckt, hat die Union noch keine breitbasierte arktische Politik ausgearbeitet, die alle einschlägigen politischen Einzelbereiche zusammenbringt.
Dies ändert sich jetzt. Im März letzten Jahres haben der hohe Vertreter Solana und die Kommissarin Ferrero-Waldner dem Europarat einen gemeinsamen Bericht über den Klimawandel und die internationale Sicherheit vorgelegt. Dieser Bericht unterstrich die neuen strategischen Interessen an der arktischen Region. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die weitreichenden Folgen der ökologischen Veränderungen auf die Arktis, und er räumte ein, dass diese Konsequenzen für die internationale Stabilität und die Interessen der europäischen Sicherheit haben könnten.
Der Bericht rief zur Ausarbeitung einer spezifischen EU-Arktis-Politik basierend auf der wachsenden geostrategischen Bedeutung der Region auf, unter Berücksichtigung von Themen wie der Zugang zu natürlichen Ressourcen und der möglichen Öffnung neuer Handelsrouten.
Die Kommission hat im Anschluss daran im vergangenen November eine Mitteilung über die EU und die arktische Region herausgegeben. Darin wurde auf die diversen strategischen Herausforderung der Region eingegangen und konkrete Maßnahmen in drei Hauptbereichen vorgeschlagen: Schutz und Erhalt der Arktis in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, nachhaltige Nutzung von Bodenschätzen und Verstärkung der multinationalen Governance der Arktis. Dieser letzte Punkt wurde auch in der Entschließung vom vergangenen Oktober behandelt.
In ihrer Mitteilung schlug die Kommission als eines ihrer politischen Ziele ausdrücklich vor, dass die EU weiter am Aufbau eines kooperativen arktischen Governance-Systems basierend auf der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS) arbeiten sollte. Des Weiteren wurde anstelle der Schaffung neuer Rechtsinstrumente die volle Umsetzung aller bestehenden Verpflichtungen befürwortet. Dies ist eines der Schlüsselelemente in dieser Mitteilung.
In seiner Schlussfolgerung vom vergangenen Dezember begrüßte der Rat die Mitteilung und betrachtete ihn als erste Stufe einer künftigen Arktispolitik der EU.
Der Rat stimmte mit der Kommission überein, dass die EU auf den Erhalt der Arktis in Zusammenarbeit mit ihrer Bevölkerung abzielen und diesbezügliche Herausforderungen systematisch und koordiniert angehen sollte. Es wurde die Meinung geäußert, dass die Ziele der EU nur dann erreicht werden können, wenn eine enge Zusammenarbeit mit allen arktischen Partnerländern, Gebieten und Gemeinschaften stattfindet. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in der Region wichtig ist.
Ferner wurde die Absicht der Kommission begrüßt, dass ständige Beobachter die Europäische Union im Arktisrat vertreten sollten. Der Rat unterstrich ausdrücklich die Bedeutung einer multilateralen Kooperation im Einklang mit den einschlägigen internationalen Konventionen und verwies insbesondere auf die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS).
Im Einklang mit der Mitteilung der Kommission hat der Rat keine Unterstützung für den spezifischen Vorschlag eines internationalen Vertrags zum Ausdruck gebracht.
Auf der Grundlage dieser Position arbeitet der Rat nun an den Details der in der Mitteilung der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen. Ich hoffe, dass klar aus meinen Worten hervorgeht, dass der Rat dieses Thema sehr ernst nimmt.
Wir erkennen uneingeschränkt an, dass die arktische Region von wachsender strategischer Bedeutung ist. Und wir sind uns alle einig, dass die Europäische Union eine umfassende und kohärente Politik verfolgen sollte. Der Rat wird dieses Parlament selbstverständlich vollumfänglich über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten und dankt Ihnen für Ihr anhaltendes Interesse an diesem Thema.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin, ich möchte meinerseits dem Parlament für sein Interesse an der Arktis danken, und wir begrüßten Ihre Entschließung über die Governance in der Arktis im vergangenen Oktober. Sie gab der eigenen Arbeit der Kommission an der bereits erwähnten Mitteilung „Die EU und die arktische Region“ politischen Anstoß, die im letzten November unterzeichnet wurde.
Nun, warum ist das so wichtig? Wir teilen Ihr Anliegen, dass die arktische Region mehr denn je internationale Aufmerksamkeit verdient. Die wissenschaftlichen Ergebnisse haben gezeigt, dass sich der Klimawandel in der Arktis sehr viel schneller zeigt als anderswo. Allein in den vergangenen sechs Jahren ist die Eiskappe in der Nähe des Nordpols um die Hälfte dünner geworden und vielleicht an einem Wendepunkt angekommen. Das ist ein echtes Warnsignal, und wir wären dumm, wenn wir dies ignorieren würden. Die radikale Veränderung der Arktis wirkt sich auf ihre Bevölkerung, ihre Landschaft und ihre Fauna sowohl an Land als auch im Meer aus.
Von daher ist nun wirklich der Zeitpunkt gekommen, etwas zu unternehmen. Deshalb haben wir auch die Mitteilung verabschiedet, die der erste Schritt hin zu einer EU-Politik für die Arktis ist. Wir wollen damit die Grundlage für einen umfassenderen Ansatz legen. Die Mitteilung konzentriert sich auf drei große Ziele: den Schutz und den Erhalt der Arktis in voller Zusammenarbeit mit den Ureinwohnern, die nachhaltige Förderung der Nutzung der Bodenschätze und den Aufbau einer multilaterale Governance.
Die Vorschläge in unserer Mitteilung sind das Ergebnis einer sehr gründlichen Analyse von Seiten der Kommission. Dies beinhaltete Konsultationen mit allen Hauptinteressengruppen der Arktis, dazu gehören EU-Mitgliedsländer und Nicht EU-Mitgliedsländer in der Arktis. Dies war wirklich nötig, da sich viele Aktivitäten der EU und Schlüsselentwicklungen globalen Ausmaßes, wie zum Beispiel die integrierte Seepolitik oder der Klimawandel auf die Arktis auswirken.
Lassen Sie mich also auf der Grundlage dieser Diskussionen und angesichts des Entschließungsantrags, über den wir heute sprechen, unterstreichen, dass sich die arktische Region in vielerlei Hinsicht von der Antarktis unterscheidet. Im Gegensatz zur Antarktis, ein großer, unbewohnter Kontinent umgeben von einem Ozean, ist die Arktis ein maritimer Raum umgeben von bewohntem Land, das Teil von souveränen Ländern ist.
Daher lässt sich die Idee des Aufbaus eines rechtsverbindlichen Regimes speziell für die Arktis bedauerlicherweise nur schwer umsetzen. Die keiner der fünf Anrainerstaaten Dänemark, Norwegen, Kanada, Russland und die Vereinigten Staaten für ein solches Regime sind. Daher befürchte ich, dass ein solcher Ansatz zu diesem Zeitpunkt nicht nur ineffektiv wäre, sondern sich für die Rolle der EU und die Glaubwürdigkeit der arktische Zusammenarbeit insgesamt als schädlich erweisen könnte. Statt unsere Anstrengungen für diese Sache zu verstärken, ist den Interessen der EU durch den Ausbau der multilateralen Zusammenarbeit und die effizientere Nutzung der bestehenden Rechtsinstrumente besser gedient.
Mit der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS) und anderen allgemeinen Konventionen existiert bereits ein umfassender internationaler Rechtsrahmen. Die UNCLOS ist auch die Grundlage für die Streitbeilegung, einschließlich der maritimen Grenzziehung. Wir möchten gerne, dass diese Konventionen voll und ganz umgesetzt werden und, was ebenfalls wichtig ist, sie müssen an die Besonderheiten der Arktis angepasst werden. Zum Beispiel schlagen wir einen Regulierungsrahmen für nachhaltiges Fischereimanagement vor, wo die Fischereigebiete und Arten bislang noch nicht durch andere Instrumente abgedeckt werden.
Zweitens: Wir werden mit der Internationalen Meeresorganisation eng zusammenarbeiten, um solide internationale Standards für eine sicherere Navigation in der Arktis unter Berücksichtigung der Sicherheit der Menschen und der Nachhaltigkeit der Umwelt auszuarbeiten und durchzusetzen. Das heißt, entweder werden die bestehenden Gesetze erweitert oder es werden neue Gesetze verabschiedet.
Drittens, werden wir auch die international anerkannten Grundsätze wie die freie Seefahrt und die friedliche Durchfahrt vertreten. Die Anrainerstaaten sollten diskriminierende Schritte in Bezug auf die Seefahrtsregelungen vermeiden. Alle Maßnahmen müssen in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Seerecht erfolgen.
Viertens: Es ist unrealistisch, ein internationales Moratorium für den Abbau von arktischen Bodenschätzen vorzuschlagen. Der Großteil der geschätzten Mineral-, Öl- und Gasreserven sind entweder auf dem Territorium oder in den Hoheitsgewässern der souveränen arktischen Staaten zu finden, und einige von ihnen haben weitreichende Pläne für weitere Explorationsmaßnahmen. Allerdings bestehen wir darauf, dass die Förderung und Nutzung der arktischen Bodenschätze stets im Einklang mit den höchstmöglichen Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards erfolgen müssen.
Wir teilen die Anliegen des Parlaments über die Dringlichkeit des Handels in dieser Region, und unsere Mitteilung macht dazu einige kohärente und spezifische Vorschläge. Vor diesem Hintergrund freuen wir uns auf eine fortgesetzte Zusammenarbeit mit Ihnen bezüglich der Entwicklung einer EU-Arktis-Politik.
Wir sollten nie unser gemeinsames Ziel aus den Augen verlieren. Lassen Sie uns mit den Anrainerstaaten und der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten und den besten und effizientesten Weg finden, um die Arktis für künftige Generationen zu erhalten und zu schützen.
Anders Wijkman, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich habe an einer Reihe von Treffen in der arktischen Region teilgenommen, die sich insbesondere auf das Thema des Klimawandels konzentriert haben.
Der erste Tag ist bei solchen Treffen in der Regel den ernsten Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Region, ihre Fauna, die Existenzgrundlage der Bevölkerung, usw. gewidmet. Am zweiten Tag wird sehr häufig über die Chancen im Hinblick auf die Nutzung der Bodenschätze gesprochen. In gewisser Weise ist dies ein Widerspruch. Ich räume ein, dass ein rascher Abbau der Bodenschätze natürlich auch mit äußerst ernstzunehmenden Risiken einhergeht.
Ich stimme zu, dass man keine genaue Parallele zwischen der Arktis und der Antarktis ziehen kann. In diesem Punkt bin ich mit der Kommissarin völlig einig. Gleichzeitig, da wir keinen sorgfältigen, nachhaltigen Umweltrahmen für die Art der Aktivitäten haben, die derzeit von den Ländern dieser Region durchgeführt werden, denke ich, dass diese Entschließung ein äußerst wichtiges Signal aussendet: seien Sie vorsichtig. Der Umstand, dass sie von allen politischen Fraktionen unterstützt wird, ist meiner Ansicht nach von großer Bedeutung.
Wir nennen drei alternative Möglichkeiten: erstens, ein internationaler Vertrag, natürlich mit Sonderbestimmungen für diese Region im Vergleich zur Antarktis; zweitens, ein Moratorium in Erwartung neuer wissenschaftlicher Ergebnisse und eines besseren Verständnisses für die Region und ihre Anfälligkeit oder Sensibilität, aber auch in Erwartung der Ergebnisse zahlreicher Alternativen, die derzeit entwickelt werden. In der Zukunft benötigen wir vielleicht diese fossilen Brennstoffe gar nicht mehr.
Daher denke ich, dass selbst wenn die Kolleginnen und Kollegen in diesem Parlament in nebensächlichen Bereichen einen anderen Weg für den verantwortungsvollsten für die Zukunft halten, es sehr wichtig ist, dass wir alle hinter dieser Entschließung stehen. Ich möchte betonen, dass wir weiter gehen werden als die gerade ausgebaute multilaterale Kooperation und der Dialog; wir wollen sicherstellen, dass die Sicherheit der Umwelt und die Existenzgrundlage der Bevölkerung geschützt werden.
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Véronique De Keyser, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, ich möchte Sie kurz daran erinnern, was derzeit in der Arktis vor sich geht, damit jeder versteht, worum es in dieser Aussprache geht. Am Nordpol sorgt die globale Erwärmung für verstärktes Interesse daran, die Kontrolle über die Bodenschätze der Region zu erlangen. Die Eisschmelze wird es, wie Sie bereits gesagt haben, einfacher machen, die riesigen Öl- und Gasreserven und eine navigierbare Ost-West-Passage zu nutzen, durch die Frachtschiffe mehrere tausend Fahrtkilometer einsparen werden, aber auf die Umwelt wird dies katastrophale Auswirkungen haben.
Die Souveränitätsansprüche bezüglich des Gebiets durch die fünf Anrainerstaaten Kanada, Dänemark, Russland, die Vereinigten Staaten und Norwegen führen zu offensichtlichen Spannungen. Der kanadische Außenminister erklärte diese Woche, dass sich die Souveränität Kanadas über das Land und die Gewässer der Arktis auf langjährige, gut etablierte und historische Eigentumsrechte gründe. Er fügte hinzu, die Regierung würde von nun an in den kanadischen Gewässern der Arktis auch verstärkt politische und militärische Präsenz zeigen.
Dieselben Worte waren aus dem Kreml zu vernehmen, der ankündigte, er wolle militärische Truppen in die Arktis entsenden, um seine Interessen zu wahren. Bislang wurde dieses strategische Gebiet durch die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen geregelt, die am 10. Dezember 1982 von 150 Ländern unterzeichnet wurde. Sie legt fest, dass die Anrainerstaaten die Kontrolle über die 200-Meilen-Zone vor ihren Küsten ausüben und wirtschaftliche Rechte an den Bodenschätzen auf dem Meeresgrund haben, aber diese Zone kann ausgeweitet werden, wenn die Staaten belegen können, dass sich die Kontinentalplatten über mehr als 200 Meilen erstrecken. Sie haben Zeit bis Mai 2009 – und bis dahin ist es nicht mehr lang – um einen entsprechenden Antrag an die UN zu stellen.
Russland ergriff 2001 die Initiative, daher die derzeitige Unruhe. Was meine Fraktion und Herrn Rocard anbelangt, der diese Debatte in der SPE begonnen hat und kürzlich zum Botschafter für die Arktis ernannt wurde, sind wir der Ansicht, dass sich die Seerechtskonvention angesichts der Auswirkungen auf die Energie, die Umwelt und die militärische Sicherheit nicht eignet. Der Nordpol ist ein Erbe der Menschheit, das durch eine bindende Charta geschützt werden muss, bei der die Europäische Union eine führende Rolle spielen muss. Wir wollen einen sauberen Nordpol, der vor allen Dingen entmilitarisiert ist.
Diana Wallis, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, diese Debatte ist gewissermaßen die Fortsetzung unserer Entschließung vom Oktober vergangenen Jahres über das Thema Governance in der Arktis. Unsere Fraktion hat kein Problem damit, den Wunsch für einen Arktis-Vertrag mitzutragen, aber mehr im Lichte eines Strebens nach einer neuen Art der Governance. Der Vertrag ist vielleicht eher von symbolischer Art, aber worauf wir bestehen, ist eine Zusammenarbeit mit den Nationen und insbesondere der arktischen Bevölkerung und deren Respektierung. Es sind die Menschen, wie Sie bereits sagten, durch die sich die Arktis von der Antarktis unterscheiden.
Es gibt bereits internationale Strukturen – die Regeln der Internationalen Meeresorganisation (IMO), das internationale Seerecht – aber wir benötigen etwas, das maßgeschneiderter und spezifischer ist. Wir sollten auf der Arbeit des Arktischen Rates aufbauen. Frau Kommissarin, Sie sollten ihm so bald wie möglich beitreten und dabei unterstützen, seine politischen Fähigkeiten aufzubauen. Wir müssen um jeden Preis einen Rückfall in die veraltete Souveränität, territorialen Forderungen und Zwischenstaatlichkeit vermeiden. Ein neuer Regierungsstil ist für diese empfindliche Region unserer Erde erforderlich, bei dem sich jeder Bürger der Welt als Betroffener oder Verantwortlicher fühlt.
Wir müssen auch unser Engagement für die Arktisregion belegen, und dabei sind die Ergebnisse als Europäer nicht gut. Unsere Seeleute und Händler haben die Umwelt der Arktis im 17. und 18. Jahrhundert mit der so genannten „Vergewaltigung von Spitzbergen“ verwüstet. Es waren unsere Industrieemissionen, die direkt zum akuten Klimawechsel in der Region geführt haben, und jetzt, zu diesem extrem sensiblen Zeitpunkt, drohen wir damit, den Menschen in der Arktis unsere Werte und Traditionen aufzusetzen. Wir müssen ihnen zuhören und mit ihnen zusammenarbeiten, denn, ehrlich gesagt, ihre Resultate beim Schutz ihrer Umwelt sind besser als unsere. Unsere Gruppe unterstützt deshalb nicht mehr das 50-jährige Moratorium.
Godfrey Bloom, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – Herr Präsident, ich lebe auf einer einsamen Insel – einer wunderschönen Insel –, die von der Europäischen Union in den letzten 15 Jahren systematisch zerstört wurde. Ich habe die Abfalldeponie-Richtlinie der Europäischen Union erlebt, nach der – lächerlicherweise als „Kompost“ bezeichnete – Industrieabfälle auf dem Land ausgebracht wurden. Ich habe gesehen, wie Hunderte von Tausenden Fische in die Nordsee geschüttet wurden. In der Nähe meines eigenen Ortes habe ich gesehen, wie eine Gegend, die früher aus wunderbaren Weizen- und Gerstenfeldern und Flächen für Milchvieh bestand, für Dinge wie Elefantengras und andere Arten von Biokraftstoffen verwendet wurde. Dadurch wurde unsere Umwelt ruiniert, und die Lebensmittelkosten stiegen.
Die Europäische Union verlangt, dass wir unsere Ziele für die erneuerbaren Energieformen erreichen. Fünfunddreißigtausend Windgeneratoren von der Größe eines Jumbojets, die größte Schändung meiner wunderbaren Insel seit der Industrierevolution. Und nun wollen Sie eines der letzten Wildgebiete in der ganzen Welt, die Arktis, zerstören. Gut, Herr Präsident, verehrte Kollegen, erlauben Sie mir zu sagen, dass ich Frau Wallis zustimme. Ihre Leistungen sind erschreckend, und, um Himmels Willen, halten Sie sich hier heraus.
Avril Doyle (PPE-DE). - Herr Präsident, ja, die Kommissarin hat recht. Die Arktis unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Antarktis, und erst vor wenigen Monaten, am 8. Oktober 2008, habe ich in diesem Haus gerade zu diesem Thema gesprochen.
Die Arktis spielt, wie ich bereits gesagt habe, eine immer wichtigere geostrategische Rolle in unserer Welt, und in den letzten zehn Jahren sind in dieser Region mehrere kritische Probleme aufgetreten. Wir stehen nun vor der Öffnung der bislang geschlossenen Seewege als direkte Folge des Klimawandels. Das kommt aber nicht überraschend, da sich die Arktis – mit zwei Grad Temperaturerhöhung in den letzten einhundert Jahren - viel schneller erwärmt als die übrige Welt mit durchschnittlich nur 0,6 Grad.
Dieses extrem verletzliche Ökosystem steht unter steigendem Druck infolge des Ressourcenhungers von Ländern, die das Potenzial ausschöpfen, ohne dabei die grundlegende Bedeutung als stabilisierende Kraft für das Weltklima zu berücksichtigen.
Ich stimme Frau Wallis´ Standpunkt zu, dass der Aufruf zu einem 50-jährigen Moratorium für jegliche Nutzung weder praktisch noch sinnvoll ist, aber ich bin der Meinung, dass ein eingeschränktes Moratorium für neue Nutzungen – bis neue wissenschaftliche Studien vorliegen – etwas ist, dem alle zivilisierten Länder zustimmen können.
Abgesehen davon gehören zu den EU-Mitgliedstaaten nicht weniger als drei Arktisregionen, die zusammen mit zwei weiteren EWR-Nachbarn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Arktischen Rates stellen. Das ist für uns schon Grund genug, um uns selbst im besten Sinne des Wortes auf der globalen Bühne zu dieser Problematik geltend machen zu können.
Die Arktis ist für das Weltklima von entscheidender Bedeutung, und deshalb schon müssen wir uns an einem neuen Regierungsstil für diese wunderschöne und – wie mein Vorredner schon sagte – eine der letzten Wildnisse unserer Welt beteiligen.
Martí Grau i Segú (PSE). – (ES) Die Arktis ist eine der zerbrechlichsten Regionen unseres Planeten. Die Folgen der uneingeschränkten Ausbeutung der Bodenschätze wären katastrophal, nicht nur für die umliegende Region und die einheimische Bevölkerung, sondern für die ganze Welt.
Das Abschmelzen von großen Bereichen hat diese Gefahren Wirklichkeit werden lassen und die Notwendigkeit einer neuen globalen Regulierung begründet, um die Arktis zu schützen, ähnlich der für die Antarktis, wobei die Unterschiede zu berücksichtigen sind, auf die in dieser Debatte bereits hingewiesen wurden.
Wir brauchen ein internationales Abkommen aller betroffener Parteien, zu denen zweifelsohne auch die Europäische Union gehört, um die einmalige Umwelt der Arktis zu schützen, um die umfassende Nachhaltigkeit der menschlichen Aktivitäten jeglicher Art zu gewährleisten, und um eine multilaterale Regulierung für die Seefahrt auf den neu befahrbaren Schifffahrtsrouten einzuführen.
In den Jahren seit seiner Gründung war der Arktische Rat ein Modell für die Zusammenarbeit im Umgang mit gemeinsamen Problemen. In diesen schweren oder ungewissen Zeiten sollten wir diesen Geist und dieses Verständnis auf eine höhere Stufe bringen, um zu verhindern, dass Nachbarländer oder andere internationale Akteure sich in geostrategische Auseinandersetzungen verstricken und dabei unser gemeinsames Ziel vergessen: Das Bewahren eines großen gemeinsamen Erbes.
Laima Andrikienė (PPE-DE). – Herr Präsident, heute diskutieren wir über den Schutz der Arktis, ein sehr heißes Thema – nicht nur in der Europäischen Union.
Erstens, weil man davon ausgeht, dass die Arktis enorme Energieressourcen birg – ganze 20 % der noch nicht entdeckten und technisch nutzbaren Reserven –, ist die Versuchung, diese Schätze zu nutzen, unwiderstehlich. Zweitens ist die Umwelt der Arktis extrem zerbrechlich. Die gesamte internationale Gemeinschaft sieht sich von vielen der bereits stattfindenden Veränderungen betroffen. Drittens schweben territoriale Streitigkeiten über der Arktis. Wir stehen vor der Gefahr, dass größere Konflikte zwischen Ländern ausgelöst werden, die – selbst mit militärischen Mitteln – das schützen wollen, was sie als ihre nationalen Interessen in der Region betrachten.
Es ist Zeit, dass das Europäische Parlament eine eindeutige Position bezieht, da es sich bislang an dieser Debatte praktisch nicht beteiligt hat, mit Ausnahme unserer Entschließung im Oktober letzten Jahres mit dem Aufruf zu einem internationalen Abkommen zum Schutz der Arktis. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die EU-Mitgliedstaaten und die assoziierten EWR-Länder über 50 % der Mitglieder des Arktischen Rates stellen. Gleich wie für die Vereinigten Staaten muss die Arktis für die Europäische Union eine strategische Priorität darstellen.
Ich unterstütze vollständig unseren Empfehlungsentwurf, damit die Kommission und der Rat zusammenarbeiten, mit dem Ziel, ein Moratorium für die Nutzung der Bodenschätze in der Arktis über 50 Jahre zu erreichen, bis neue wissenschaftliche Studien vorliegen. Wir, das Europäische Parlament, müssen die Kommission dazu auffordern, mit den russischen Behörden Verhandlungen über eine Reihe wichtiger Themen aufzunehmen, die in unserem Empfehlungsentwurf enthalten sind. Es ist Zeit, die Arktis auf die Tagesordnung für den bevorstehenden EU-Russland-Gipfel zu nehmen.
Christian Rovsing (PPE-DE). – (DA) Herr Präsident, Grönland gehört zum Königreich Dänemark, mit einer signifikanten Verantwortung im Sinne der Selbstverwaltung. Die Arktis ist nicht unbewohnbar. Es handelt sich nicht um eine nicht regulierte Landmasse, wie die Antarktis. Im Gegenteil, die Landmassen gehören den arktischen Ländern an, und es leben bereits vier Millionen Menschen dort, von denen ein Drittel Einheimische sind. Diese Menschen und ihre Länder haben einen legitimen Anspruch, die in der Region vorgefundenen Ressourcen und Chancen zu nutzen. Nur das dazwischenliegende Meer hat internationalen Status, und in diesem Sinne stellt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) die entsprechende rechtliche Grundlage dar. Dieser Ansatz wurde auch von den arktischen Küstenstaaten 2008 mit der Ilulissat-Erklärung bestätigt. Neben der SRÜ gibt es noch viele andere relevante internationale und regionale Instrumente. So sind neue Steuerungsmittel also kaum erforderlich. Es müssen höchstens die bereits bestehenden Instrumente angepasst werden. Dänemark hat dem Arktischen Rat einen Vorschlag unterbreitet, die bestehenden Verträge mit Blick auf ihre Aktualisierung zu untersuchen. Das wird und muss in Zusammenarbeit mit den arktischen Staaten und den Menschen in der Arktis erfolgen.
Charles Tannock (PPE-DE). – Herr Präsident, der Antarktisvertrag ist ein glänzendes globales Beispiel dafür, dass territoriale Forderungen von Küstenstaaten im Interesse einer friedlichen Zusammenarbeit und der wissenschaftlichen Forschung beiseite gelassen werden können. Jetzt, da sich die Welt dem Problem der globalen Erwärmung stellen muss, die sich auf das Abschmelzen der beiden Eiskappen auswirkt und zum Ansteigen der Meeresspiegel führt, und die zugefrorenen arktischen Seewege wieder für die Seefahrt geöffnet werden, ist es wichtig, ein analoges Arrangement für den gefrorenen – oder sollte ich besser sagen tauenden – Norden der Arktis zu finden. Das Gerangel um Hoheitsforderungen und die Bodenschätze der Arktis, wie es mit dem melodramatischen Setzen der russischen Fahne auf dem Meeresboden gezeigt wurde, sind abzuweisen.
Die EU soll versuchen, die fünf arktischen Küstenstaaten – die Vereinigten Staaten, Kanada, Russland, Norwegen und Dänemark – von der Weisheit eines solchen Ansatzes zu überzeugen.
Johannes Lebech (ALDE). – (DA) Herr Präsident, als Däne, der an der Vorlage dieses Entschließungsantrags zusammen mit Frau Wallis in der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa beteiligt ist, bin ich nicht unbedingt besonders beliebt. Ich bin aber der Ansicht, dass der Grundansatz der Entschließung richtig ist. Es ist richtig, dass sich die EU auf die Arktis konzentriert. Es ist auch für die kleinen Länder Dänemark und Norwegen richtig, dass sich die EU in dieser Angelegenheit engagiert, damit wir nicht nur in der Riege der Großen in der Region, den USA und Russland, mitspielen müssen.
Aber ich möchte auch sagen, dass ich nicht für das Moratorium stimmen kann, dass in der Entschließung enthalten ist. Erstens ist es ziemlich unrealistisch. Russland und die USA werden es unter keinen Umständen akzeptieren. Außerdem bin ich aber auch der Ansicht, dass wir, wie Herr Rovsing sagte, die Menschen berücksichtigen müssen, die in der Region leben, und die Menschen in Grönland erwarten natürlich, und haben natürlich auch das Recht darauf, in der Lage zu sein, die Bodenschätze in ihrem Territorium zu nutzen, gleich wie alle anderen Ländern das in ihrem Territorium auch tun.
Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, ich möchte Sie nur daran erinnern, dass es die auf Eisschollen schwimmenden Eisbären waren, die uns zeigten, wie stark die chemische Verschmutzung die ganze Welt betrifft. In ihrem Fett wurde DDT festgestellt, und wir alle wissen ganz genau, dass diese Substanz nicht auf Eisschollen verwendet wird.
Auf jeden Fall möchte ich mich bei der Kommissarin für den Vorschlag bedanken, den sie nach der Debatte hier im Parlament gemacht hat, denn, wegen des Klimawandels ist es wirklich dringend, die einzige Region zu schützen, die vor der menschlichen Plünderung verschont ist. Wir dürfen das nicht vergessen.
Natürlich herrscht – und da greife ich auf, was Frau De Keyser gesagt hat – politische Dringlichkeit, denn letztendlich sind wir gezwungen, etwas für die Arktis zu tun. Fakt ist, dass die Eigentümer von Teilen dieses Kontinents Pläne dafür haben. Wir wissen genau, dass Russland, über das wir vor Kurzem gesprochen haben, seine Grenzen über seinen Meeresbereich hinaus festlegen und über den Festlandsockel ausdehnen möchte. Deshalb ist es für uns eine dringende Angelegenheit, denn Russland möchte dort auch seine Flagge hissen und Militäreinheiten stationieren, gleich wie es Kanada auch tut.
Was in unserem Vorschlag vielleicht fehlt, ist das, was wir das letzte Mal verlangt haben, das heißt, ein internationales Abkommen zum Schutz der Arktis, das es uns ermöglicht, ein für alle Mal ihren Schutz zu gewährleisten.
Alojz Peterle (PPE-DE). – (SL) Wir sind Zeugen natürlicher und menschlicher Krisen, die sich in der Arktis abspielen. Unsere Bemühungen sollten dahin gehen, sicher zu stellen, dass danach nicht eine politische Krise oder eine Krise anderer Art folgt. Der Aufruf für eine verantwortungsvolle Haltung gegenüber der Arktis ist ein SOS und eine Frage der globalen Politikgestaltung. Ich begrüße insbesondere alle Bemühungen, bei denen die einheimische Bevölkerung dieser Region respektiert wird.
Paul Rübig (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei der Kommissarin Ferrero-Waldner bedanken, weil sie wirklich ganz intensiv mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeitet und auf diesem Gebiet sicher die fleißigste Kommissarin ist. Dafür möchte ich mich bedanken. Sie war letzte Woche auch bei unserem Treffen mit dem Europäischen Wirtschaftsraum zugegen. Hier ist ja die nordische Dimension ganz besonders wichtig, und auch Diana Wallis hat immer wieder betont, dass Europa hier eine ganz besondere Verantwortung trägt.
Ich glaube, gerade in einer Finanz- und Energiekrise gilt es für uns, sich für dieses Gebiet noch mehr zu interessieren und auch auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung dort einzugehen, weil letztlich Mensch und Natur nicht im Widerspruch stehen, sondern sich ergänzen müssen. Aus dieser Sicht, glaube ich, können wir gerade in der Energiepolitik auf schöne Erfolge verweisen und vielleicht auch hier die Zusammenarbeit intensiver anbieten.
Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident, ich begrüße diese zeitlich günstige Debatte. Infolge der Suche nach Bodenschätzen und des Klimawandels befindet sich die Arktis am Rande von tiefgehenden Veränderungen. Davon wird wahrscheinlich nicht nur die Region selber betroffen sein, sondern, wie viele heute hier zugegeben haben, auch die EU als Ganzes. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist es wichtig, dass sich die EU der Arktis umfassend und strategisch annähert und die ganze Problempalette abdeckt, wie Umwelt, Transport, Artenvielfalt, Klimawandel, Meeresfragen, Energie und Forschung, aber auch Schutz der Lebensgrundlage der einheimischen Bevölkerung.
Ich denke, der Rat nimmt diese Angelegenheit jetzt sehr ernst. Er unterstützt weitgehend die Anregungen der Mitteilung der Kommission. Das sollte die Grundlage für eine Arktispolitik darstellen, die auf umfassende Art und Weise entwickelt werden muss. Für alle, die von einem neuen Abkommen sprechen: Es gibt gegenwärtig keine Stellungnahme des Rates, denn er befindet sich gerade im Prozess der Prüfung der Kommissionsvorschläge. Ich möchte hier nur an die Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember erinnern. In den Schlussfolgerungen sagen wir, dass die Ziele der EU nur in enger Zusammenarbeit mit den arktischen Ländern erreicht werden können, und dass die EU ihre Beteiligung im Rahmen der gegenwärtigen internationalen Übereinkommen umsetzen soll.
Wie bereits gesagt, werden die Vorschläge der Kommission gerade sehr detailliert geprüft. Ich bin überzeugt, dass sie eine Einigung für eine allumfassende Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen ermöglichen werden, denen wir uns in der Arktis zu stellen haben. Ich begrüße das Interesse dieses Parlaments und bin bereit, zurück zu kommen, sobald der Rat eine Stellung bezogen hat.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, wie ich zu Beginn dieser wichtigen Debatte unterstrich, muss die Europäische Union eine verstärkte Rolle beim Schutz der Umwelt in der Arktis, bei Forderung nach einer nachhaltigen Nutzung der Bodenschätze und Verbesserung der multilateralen Arktispolitik spielen. Wir engagieren uns bei dem Erhalt der Arktis und haben gleichzeitig das Ziel, einen Beitrag zu einem Kooperationssystem zu leisten, das die Nachhaltigkeit sowie den freien und gerechten Zugang gewährleistet. Um bei diesen wichtigen Bemühungen erfolgreich zu sein, müssen wir eng mit allen Arktisländern und Verantwortlichen für die Arktis zusammen arbeiten, wie ich bereits gesagt habe.
In diesem Sinne schlägt die Kommission vor, die umfassende Umsetzung und Entwicklung der bestehenden Verpflichtungen voranzutreiben, und nicht neue Rechtsinstrumente zu erstellen, um die Sicherheit und Stabilität zu verbessern. Striktes Umweltmanagement und nachhaltige Nutzung der Ressourcen sowie offener und gerechter Zugang. Gleichzeitig hat die EU bereits unterstrichen, dass für Bereiche jenseits der nationalen Zuständigkeit die Umweltschutzbestimmungen nach diesem Übereinkommen ziemlich allgemein bleiben. Wir werden weiterhin im Rahmen der Vereinten Nationen an der Weiterentwicklung einiger Rahmenbedingungen arbeiten und diese an die neuen Umstände oder konkreten Bedingungen der Arktis anpassen. So könnte beispielsweise ein neuer SRÜ-Umsetzungsvertrag für Artenvielfalt der Meere jenseits der nationalen Zuständigkeit die Arktis berücksichtigen. Wir haben einen Antrag in diesem Sinne an den norwegischen Vorsitz des Arktischen Rates gestellt. Die Annahme des Kommissionsantrags erfordert den einstimmigen Beschluss aller Mitglieder des Arktischen Rates. Der für den 29. April – d. h. sehr bald – vorgesehene Beschluss kann durch eine Initiative negativ beeinflusst werden, die vielleicht ein Arktisabkommen vorschlägt, weshalb wir damit sehr vorsichtig sein sollten.
Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen, dass die arktischen Küstenstaaten dem SRÜ als Grundlage den eindeutigen Vorzug geben. Die Europäische Union hat das zu berücksichtigen, wenn wir eine noch engere Zusammenarbeit zum Wohle der Arktis, ihrer Einwohner und Tierwelt entwickeln möchten. In diesem Zusammenhang dürfen wir die bestehenden Kooperationsrahmen nicht schwächen, denn diese wäre unseren Zielen und Interessen wirklich nicht zuträglich. Es würde auch nicht dem Geist unseres eigenen Entschließungsantrags entsprechen.
Abschließend bin ich der Meinung, dass noch nicht die richtigen Voraussetzungen für ein internationales Arktisübereinkommen gegeben sind, und dass wir unsere Bemühungen lieber auf die Sicherung der effektiven Anwendung der bestehenden rechtlichen Rahmen konzentrieren sollten und so die eventuell bestehenden Lücken füllen und die Regeln an die konkreten Umstände der Arktis anpassen. Das scheint wesentlich plausibler.
Der Präsident. − Ich habe sechs Entschließungsanträge erhalten(1), die gemäß Regel 103(2) der Geschäftsordnung eingebracht wurden.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen, Donnerstag, den 2. April 2009.
Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht (A6-0149/2009) von Frau Buitenweg in Vertretung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres mit dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Prinzips der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (KOM(2008)0426 – C6-0291/2008 – 2008/0140(CNS)).
Kathalijne Buitenweg, Berichterstatterin. − (NL) Herr Präsident, am Montag erhielt die Tochter eines Freundes einen Brief, ein Ablehnungsschreiben der Universität. Sie wurde nicht auf Grund ihrer intellektuellen Fähigkeiten abgelehnt, sondern, weil sie behindert ist. Das Schreiben besagte, die Universität sei nicht in der Lage, ihr die benötigte Betreuung zukommen zu lassen. Sie absolvierte das Gymnasium gut, also gab es hier kein Problem, aber jetzt wurde sie aus dem Rennen geworfen.
Der Bericht, über den wir heute diskutieren, berührt das Herz unserer Gesellschaft. Möchten wir, dass Menschen als Bürger auf Grund ihres Alters, sexueller Ausrichtung, Religion, Weltanschauung oder Behinderung zweiter Klasse betrachtet werden oder bevorzugen wir eine Gesellschaft, an der sich jeder umfassend beteiligen kann? Wenn Menschen bei der Miete einer Wohnung oder für ein Darlehen abgelehnt werden, weil sie sind, wer sie sind, werden nicht nur sie selber ungerecht behandelt, sondern die Gesellschaft als Ganzes verkauft sich leer, indem sie Menschen abschreibt.
Ich habe den heutigen Tag sehnlichst erwartet. Bei der morgigen Abstimmung geht es um viel. Das Europäische Parlament fordert seit 1995 eine europäische Gleichbehandlungsrichtlinie, und der Vertrag von Amsterdam hat uns endlich die rechtliche Grundlage dafür geschaffen. Im Jahr 2000 entstanden folglich einige wichtige Richtlinien: die Richtlinie zur Verwirklichung des Prinzips der Gleichbehandlung ungeachtet der Rasse oder ethnischen Herkunft, die in ihrem Anwendungsbereich den Arbeitsmarkt und die Bereitstellung von Gütern und Dienstleitungen abdeckt, aber mit der Richtlinie sollte auch die Diskriminierung auf Grund der Religion, Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung bekämpft werden – auch wenn sich die genannte Richtlinie auf den Arbeitsmarkt beschränkt.
Das führte bald zu Problemen, da die Diskriminierung aus anderen Bereichen verbannt wurde, selbst im Bereich der Geschlechter. Das Parlament war immer schon gegen die dadurch entstandene Hierarchie der Diskriminierungsgründe. Warum sollte es also möglich sein, jemandem ein Darlehen zu verweigern, weil er homosexuell, aber nicht, weil er schwarz ist? Der Schutz muss gleich sein. Wir alle haben uns für diese horizontale Richtlinie eingesetzt, und es gibt Unterschiede zwischen uns, was den Ton betrifft, manchmal aber auch in der konkreten Substanz. Aber bis heute zeigte die überwältigende Mehrheit des Parlaments den Willen, das gegenwärtige Ungleichgewicht zu bereinigen, und das ist die Botschaft, die wir dem Rat morgen senden müssen. Ich hoffe also auf eine möglichst große Mehrheit.
Es gibt viele Menschen, denen ich für ihren Beitrag zu diesem Bericht danken möchte. An erster Stelle, den Verfassern, insbesondere Frau Lynne vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Viele ihrer Anregungen sind in den Text eingeflossen. Ich möchte mich aber auch bei den Schattenberichterstattern Herrn Gaubert, Frau Bozkurt, Frau in 't Veld und Frau Kaufmann bedanken. Auf Niederländisch haben wir eine Redewendung, die wörtlich übersetzt besagt: „über den eigenen Schatten springen“, was soviel bedeutet, wie sich selber zu überholen – über die Stelle hinausblicken, an der man immer hängen geblieben ist – das ist ein guter Punkt für die Schattenberichterstatter. Meiner Meinung nach, waren wir dabei erfolgreich. Ich bin wirklich stolz auf den von der großen Mehrheit des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres getroffenen Kompromisses. Er wurde verbessert. Ich möchte auch den vielen Menschen danken, die einen Beitrag dazu geleistet haben, aber einem ganz besonders: Herrn Cashman. Ich möchte ihm für alle Ratschläge danken, die er mir erteilt hat, für seine ganzen Lobbytätigkeiten und auch für seine Inspiration und Freundschaft in den letzten Jahren.
Wenn wir nun zum Inhalt übergehen, verbietet der Bericht die Diskriminierung aus vier Gründen. Wir hatten das bereits für den Arbeitsmarkt geregelt, aber jetzt findet es auch auf die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen, sozialer Absicherung – einschließlich Sozialversicherung und Gesundheitswesen – und die Bildung Anwendung. Aber nicht alle Unterscheidungen werden als Diskriminierung betrachtet. So ist es beispielsweise den Versicherungsunternehmen weiterhin erlaubt, nach Alter oder Behinderung zu differenzieren, vorausgesetzt sie können das objektiv rechtfertigen. Es mussten Vorkehrungen für viele Menschen mit Behinderungen getroffen werden, es wurden aber Grenzen gezogen, was als angemessen betrachtet wird. Deshalb sind unter gewissen Bedingungen Ausnahmeregelungen zulässig, aber die Gleichbehandlung ist die Regel, und darüber wird morgen abgestimmt. Sehen wir Europa nur als einen Markt oder betrachten wir es auch als Quelle der Zivilisation?
Ich muss sagen, der Änderungsantrag 81 zeigt, wo Herr Weber und 41 andere stehen. Sie möchten einfach keine Gesetzgebung zur Gleichbehandlung. Punkt. Es macht keinen Unterschied, gleich welche Kompromisse ich auch anstrebe, da Sie einfach prinzipiell gegen ein Antidiskriminierungsgesetz sind. Folglich unterbreiten Sie keine Änderungsvorschläge, Sie lehnen den ganzen Vorschlag ab. Hier trennen sich unsere Wege – ein mittlerer Standpunkt ist nicht möglich. Warten wir ab und sehen wir morgen, welchen Weg die Mehrheit des Parlaments gehen möchte.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. – (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich über das große Interesse für diesen Vorschlag. Ein Beweis dafür sind die zahlreichen dazu eingereichten Änderungsvorschläge. Das zeigt, dass der Kampf gegen die Diskriminierung im alltäglichen Leben eine konstante Priorität für die meisten von uns ist, selbst in Zeiten einer schweren Wirtschaftskrise. Ich begrüße auch den ausgezeichneten, von Frau Buitenweg vorgelegten und vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres verabschiedeten Bericht sowie den beachtenswerten Beitrag von Frau Lynne und dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
Der Berichtsentwurf unterstützt den Ehrgeiz und die Versuche des von der Kommission vorgelegten Richtlinienentwurfs. Meiner Meinung ist es dem Berichterstatter gelungen, verschiedene Standpunkte zu vereinen und einen breiten Konsens der verschiedenen Fraktionen zu erreichen. Ich möchte die unterstützende Rolle des Parlaments bei der Vorlage des Richtlinienentwurfs begrüßen.
Was die eingereichten Änderungsanträge betrifft, stimme ich vielen der Verbesserungsanregungen aus dem Berichtsentwurf zu. Aber ich möchte trotzdem sagen, dass für diesen Entwurf der einstimmige Konsens im Rat erforderlich ist und wir deshalb realistisch bleiben müssen.
Ich weiß, dass das Problem der Mehrfachdiskriminierung für Sie von grundlegender Bedeutung ist. Ich bin mir des Umstandes bewusst, dass Menschen, die Opfer von Mehrfachdiskriminierungen sind, sehr stark betroffen sind. Ich glaube aber auch, dass, da diese Richtlinie nur vier mögliche Diskriminierungsgründe betrifft, dieses Problem rechtlich nicht endgültig gelöst werden kann.
In der Mitteilung der Kommission über Nichtdiskriminierung im Juli 2008 verpflichteten wir uns, eine Diskussion zu diesem Thema in den neu eingeführten Gruppen der Regierungssachverständigen anzustreben. Die Diskussion wurde initiiert. Das heißt, dass die Frage der Mehrfachdiskriminierung nicht vernachlässigt wird.
Ich könnte einem Verweis auf die Mehrfachdiskriminierung in den von diesem Richtlinienentwurf abgedeckten Bereichen zustimmen. Ich stimme zu, dass wir die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den Mitgliedstaaten klarer definieren müssen. Die Richtlinie wird die Definition als solche nicht verändern, aber es ist unser Ziel, den höchst möglichen Grad an Rechtssicherheit zu erreichen.
Ich akzeptiere auch, dass die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen ist, wenn es um Fälle von mutmaßlicher Viktimisierung geht. Aber wir sollten uns darüber bewusst sein, dass das Konzept der Viktimisierung einen soliden Beweis erfordert. Die Menschenwürde muss auf dem Spiel stehen, und es muss ein feindliches oder demütigendes Umfeld bestehen.
Ich stimme der Aufnahme des Konzepts der „Diskriminierung durch Assoziation“ im Sinne des jüngsten Urteils im Fall Coleman zu, aber dieses Konzept darf nur dann angewendet werden, wenn eine direkte Diskriminierung und Viktimisierung vorliegt.
Was die Finanzdienstleistungen betrifft, stimme ich zu, dass hier für die Dienstleister die Einführung eines gewissen Transparenzgrades erforderlich ist, ich hege aber gewisse Zweifel bezüglich der in Ihrem Entwurf verwendeten Formulierung. Ich stimme vollkommen zu, dass die Richtlinie auf rein private Geschäfte nicht anzuwenden ist. Hierbei ist die Haltung der Kommission und des Parlaments sehr ähnlich. Was Menschen mit körperlichen Behinderungen betrifft, kann ich einen Verweis auf die offene Definition der körperlichen Behinderung im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterstützen.
Ich stimme im Wesentlichen auch mit einigen Anmerkungen zum Konzept der körperlichen Behinderung überein, die in Ihren Änderungsvorschlägen enthalten sind. Aber ich denke, es sollte darauf hingewiesen werden, dass der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung sehr präzise sein muss. Ich stimme mit einigen anderen dargelegten Meinungen überein, bin aber der Ansicht, dass sichergestellt werden muss, dass Paragraph 4 präzise und verständlich ist.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf Ihre Meinungen, auf die ich in der Debatte eingehen werde.
Elizabeth Lynne, Berichterstatterin für die Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. − Herr Präsident, ich möchte mich ganz herzlich bei der Berichterstatterin für die harte Arbeit bedanken, die sie in diesen Bericht eingebracht hat, und für die enge Zusammenarbeit mit uns. Wir haben nicht nur bei diesem Bericht sehr eng zusammengearbeitet, aber wie sie weiß, arbeiten wir beide neben anderen Personen nun schon seit Jahren, 10 Jahre, um genau zu sein, seit ich in das Europäische Parlament kam, an diesem Thema. Ich erinnere mich noch, dass wir bei den Anhörungen zu Paragraph 13 vor langer Zeit schon zusammen gesessen haben. Jetzt hat sich zufällig die Situation ergeben, dass wir über eine Richtlinie gegen die Diskriminierung diskutieren, endlich die Möglichkeit, ein Gesetz gegen die Diskriminierung durchzubringen, die alle nicht abgedeckten Gründe umfasst – Behinderung, Alter, Religion oder Weltanschauung und sexuelle Ausrichtung. Wir haben lange darauf gewartet. Hoffen wir also, dass wir eine große Mehrheit bekommen.
Ich führe lange schon Feldzüge zu Behinderung und Alter, wurde aber schon relativ früh davon überzeugt, dass wir niemanden zurücklassen dürfen. Wir durften nicht einfach mit einer Behindertenrichtlinie vorpreschen und dann mit einer Altersrichtlinie, weil ich dachte, die sexuelle Ausrichtung und Religion würden zurückbleiben. Deshalb forderte ich im Initiativbericht letztes Jahr eine einzige Richtlinie, mit der alle bislang nicht abgedeckten Bereiche abgedeckt werden sollten. Ich freue mich, dass das geschehen ist. Ich freue mich auch sehr, dass wir eine so große Mehrheit im Parlament für diesen Initiativbericht erreicht haben. Ich weiß von der Kommission und dem Rat, dass dies einer der Gründe war, warum sie dachten, es sei sicher, diesen Vorschlag zu unterbreiten. Deshalb müssen wir morgen für diesen Bericht eine sehr große Mehrheit zustande bringen.
Ich möchte mich auch noch ganz herzlich bei Kommissar Špidla bedanken. Ich habe ihm schon bei anderen Gelegenheit gedankt, aber ich möchte ihm meinen Dank im Plenum aussprechen, denn ohne seine Unterstützung und Hilfe glaube ich ganz ehrlich, dass wir diesen Vorschlag heute nicht auf dem Tisch liegen hätten. Also, Herr Kommissar, ein herzliches Dankeschön von vielen von uns, dafür, dass Sie hier Druck gemacht haben. Ich weiß, Sie haben selber viel Arbeit dafür aufgewendet.
Wir haben diesen Bericht durch den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres gebracht. Nun benötigen wir diese große Mehrheit. In der ganzen EU müssen alle gleich behandelt werden. Ein Rollstuhlfahrer oder eine von einem Blindenhund begleitete Person müssen in der Europäischen Union überall freien Zugang haben. Jemandem mit einer anderen sexuellen Ausrichtung muss es erlaubt sein, wo er will jedes Hotelzimmer zu benutzen und in jedem Hotel zu übernachten, wenn er in den Urlaub geht. Alle älteren Menschen müssen das Recht auf Zugang zum Gesundheitswesen erhalten, gleich wie alt sie sind. Menschen einer anderen Religion dürfen deswegen nicht diskriminiert werden.
Ich beschwöre alle von Ihnen, die mit Nein stimmen wollen, dies nicht zu tun. Das ist das Fundament der Europäischen Union. Wir wurden auf der Grundlage der Menschenrechte und Nichtdiskriminierung errichtet. Bitte stimmen Sie dafür.
Amalia Sartori, Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit haben wir im Wesentlichen die Notwendigkeit beleuchtet, die Gleichbehandlung im Bereich der Gesundheit zu gewährleisten. Andere Bereiche wurden von anderen Ausschüssen und vor allem vom Berichterstatter und dem Kommissar bereits ausgezeichnet behandelt, so dass wir beschlossen, das Thema der Gesundheit zu klären.
In unserem ersten Schritt stellten wir die großen Ungleichheiten fest, die immer noch in den verschiedenen Mitgliedstaaten im Sinne des Zugangs zum Gesundheitswesen bestehen. Der Zugang zum Gesundheitswesen ist ein in Artikel 35 der Grundrechtecharta festgeschriebenes Grundrecht, und eine der Hauptaufgaben der öffentlichen Stellen in den Mitgliedstaaten besteht darin, für alle den gleichen Zugang zu einem hochwertigen Gesundheitswesen sicher zu stellen. Deshalb ist es, wenngleich wir uns der unterschiedlichen Zuständigkeiten der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten bewusst sind, für die EU wichtig, mit Leitlinien, aber auch mit Richtlinien, die wir mit der Zeit in Angriff nehmen und entwerfen, zusammen mit den Entschließungen und Verordnungen alles nur Mögliche zu unternehmen. Wir müssen sie, wann immer möglich, mit diesem wesentlichen Ziel an die Mitgliedstaaten weitergeben.
Die vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit hervorgehobenen Änderungsvorschläge haben konkret mit der Forderung von Programmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz, weiterführenden Förderungsmaßnahmen im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen, im Kampf gegen die Verweigerung einer medizinischen Behandlung auf Grund des Alters, aber vor allem – und ich komme auf dieses Thema zurück – mit der Förderung des gleichberechtigten Zugangs zu hochwertigen Diensten in allen Mitgliedstaaten zu tun.
Lissy Gröner, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Kultur und Bildung. – (DE) Herr Präsident! Als Berichterstatterin im Kulturausschuss für die neue Antidiskriminierungsrichtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung begrüße ich den Vorschlag der Kommission sehr und bedanke mich ausdrücklich bei Kommissar Špidla.
Eurobarometerumfragen zeigen, dass etwa drei Viertel der EU-Bevölkerung hier Handlungsbedarf sehen. Der Kulturausschuss forderte Änderungen und Ergänzungen in drei Punkten: zunächst die Einbeziehung des Merkmals Geschlecht. Wir sind einverstanden mit den Kompromissen, die erzielt worden sind. Wir wollen Zugang zu Medien und Bildung sicherstellen und die Mehrfachdiskriminierungen regeln. Hier sind sehr gute Kompromisse erzielt worden.
Die SPE hat diese umfassende horizontale Richtlinie befürwortet. Wenn jetzt deutsche Konservative und Liberale die Richtlinie gänzlich ablehnen, dann reißen sie sich die Maske vom Gesicht. Sie wollen Homosexuelle weiter diskriminieren, sie wollen Propaganda betreiben. Extremisten, wie Scientology, brauchen nach der neuen Richtlinie nicht gefürchtet werden, auch weiterhin können Anzeigen abgelehnt werden oder Versammlungsräume verwehrt werden. Der Kulturausschuss sagt einstimmig ja zur horizontalen Rahmenrichtlinie.
Donata Gottardi, Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich ergreife das Wort, um über das positive Ergebnis im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zu berichten, und das ist nicht zufällig, denn unser Ausschuss ist daran gewöhnt, bei Angelegenheiten der Gleichbehandlung, Chancengleichheit und dem Verbot der Diskriminierung eingehend zu untersuchen.
Die vom Ausschuss verabschiedete Stellungnahme enthält mehrere klare Botschaften, die hoffentlich aufgenommen werden, wenn der Text verabschiedet wird. Diese Richtlinie stellt nicht den Abschluss oder die Vervollständigung eines Zyklus dar. Wäre das der Fall, würde dadurch der Bereich der geschlechtlichen Diskriminierung geschwächt. Diese Richtlinie muss eine Gelegenheit sein, die Arbeit an der Richtlinie gegen die Diskriminierung wieder aufleben zu lassen, angefangen mit der Aufnahme von zwei neuen Konzepten, denen wir alle zustimmen: Mehrfachdiskriminierung, wenn zwei oder mehrere Risikofaktoren vorliegen, und Diskriminierung durch Assoziierung, die Menschen aus dem näheren Umfeld der direkt Betroffenen oder mit ihnen verbundene Menschen betrifft. Beide sind von wesentlicher Bedeutung für Frauen und für andere Gruppen. Diese Richtlinie muss einen Antrieb darstellen, um die nationale Gesetzgebung, vor allem in Ländern wie meinem, wo sich die Dinge noch umkehren müssen, zu verbessern.
Manfred Weber, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen, Herr Kommissar! Man traut sich ja fast schon keine Wortmeldung mehr zu machen. Man traut sich angesichts der Gesamtlage hier im Plenum schon gar keine Fragen mehr zu stellen. Natürlich ist jeder von uns gegen Diskriminierung, aber man traut sich ja schon gar nicht mehr, den Weg zu hinterfragen, den wir hier beschreiten, weil man sofort in eine Ecke gestellt wird.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Im Ziel sind wir uns doch einig, und das sollten wir uns bitte gegenseitig auch nicht absprechen. Wir streiten über den Weg, und der muss doch legitim diskutiert werden dürfen, auch von der EVP-Fraktion.
Zunächst stelle ich dem Kommissar die Frage: Wenn die alte Richtlinie, die bestehende Antidiskriminierungsrichtlinie, heute in zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht umgesetzt worden ist, wenn wir in zehn Mitgliedstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren haben, ist es doch eine seriöse Fragestellung, warum wir dann heute eine Novellierung dieser Richtlinie brauchen, wenn die bestehende nicht einmal umgesetzt worden ist. Ist das eine seriöse Frage, die man stellen darf? Deswegen ist die Rückverweisung durchaus ein Argument, das man hier mit einbringen darf.
In der zweiten Fragestellung dürfen wir auch über die Inhalte reden. Zum Beispiel die Fragestellung, warum die Kirchen zu uns kommen, die beim Flüchtlingsschutz enge Partner der linken Seite waren. Die Kirchen, die früher eure Partner waren, kommen heute zu uns und sagen: Wir haben mit bestimmten Formulierungen Schwierigkeiten. Wenn die Medienleute kommen, die Zeitungsverleger, und sagen, sie haben Fragen, dann dürfen die doch seriös diskutiert werden. Wenn wir über Familie diskutieren, dann sagt der Kommissar, er möchte den Mitgliedstaaten keine Vorschriften machen. Aber natürlich betreiben wir mit der Richtlinie eine Harmonisierung durch die Hintertür. Und so weiter. Es gibt verschiedene Argumente, die man einbringen kann, die bei unserer Fraktion auf Sorge stoßen, auf nachdenkenswerte Sorge. Das darf man formulieren, auch wenn man engagiert gegen Diskriminierung kämpft.
Die Linke ist heute in diesem Haus sehr zufrieden mit sich, weil sie wieder in vielen Punkten neue Reglementierung aufbaut. Es darf deswegen die Frage erlaubt sein, ob uns denn der gesetzgeberische Ansatz schlussendlich wirklich so viele neue Vorteile für die Menschen bringt, die wir schützen wollen. Es gibt auch noch andere Grundwerte, die es wert sind, berücksichtigt zu werden. Zum Beispiel, wenn wir Privatverträge, wie die PSE das beantragt, mit hereinnehmen wollen, nicht nur gewerbliche Verträge, sondern auch Privatverträge, dann darf doch die Frage erlaubt sein, ob nicht auch die Vertragsfreiheit ein wichtiger Grundwert ist, den wir als Parlamentarier zu schützen haben.
Die EVP ist gegen Diskriminierung und wird immer dagegen kämpfen, aber über den Weg darf auch in diesem Parlament gestritten werden!
Emine Bozkurt, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Morgen werden wir die einmalige Gelegenheit haben, einen historischen Schritt im Kampf gegen die Diskriminierung zu tun, indem wir zu diesem Phänomen „Nein“ sagen. Gegenwärtig erleben wir eine ziemlich eigenartige Situation mit Unterschieden im Schutz vor Diskriminierung. Es gibt keine vernünftige Erklärung für die Tatsache, dass das Antidiskriminierungsgesetz einen schwarzen Homosexuellen über seinen Arbeitsplatz hinaus auf Grund seiner Hautfarbe schützt, aber nicht wegen seiner sexuellen Ausrichtung.
Morgen werden wir in der Lage sein, zu zeigen, dass das Europäische Parlament nicht länger die Diskriminierung auf Grund des Alters, einer Behinderung, der sexuellen Ausrichtung oder des religiösen Glaubens hinnimmt. Letztendlich gilt Europa für alle. Es ist inakzeptabel, dass jemand, der ein Auto oder eine Wohnung mieten möchte, auf Grund seiner bzw. ihrer Religion abgelehnt wird. Daneben müssen Rollstuhlfahrer in der Lage sein, Geldautomaten zu benutzen oder Zugang zu Zügen und Bahnhöfen erhalten, gleich wie alle anderen. Es gibt keine vernünftige Erklärung, wenn eine Bank es jemandem über 65 erlaubt, sein Konto mit Tausenden Euro zu überziehen, ihm aber kein bescheidenes Darlehen gewährt. Wir werden alle ein bisschen älter und, wenn wir darüber nachdenken, sehen wir, dass das Dinge sind, die uns nicht allzu spät auch selber betreffen werden.
Die Meinungsunterschiede haben die Verhandlungen sicher nicht einfach gemacht, aber wir können stolz auf das Ergebnis des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sein, dem sich darüber hinaus alle Parteien verpflichtet haben. Der Vorschlag ist angemessen und realistisch. Eventuell sind Anpassungen erforderlich, um Menschen mit einer Behinderung zum Beispiel den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen zu ermöglichen, aber das bedeutet, dass sie in der Lage sein werden, sich wieder aktiv an der Gesellschaft zu beteiligen. Diese Anpassungen stellen später keine unverhältnismäßigen Belastungen dar, außerdem wurde auch ein angemessener Zeitrahmen für die Umsetzung berücksichtigt. Die Anpassungen müssen nicht sofort ausgeführt werden; wir erwarten von den Mitgliedstaaten nicht, dass sie ihre Bahnhöfe sofort anpassen. Was wir aber von den Mitgliedstaaten verlangen ist, dass sie unmittelbar damit beginnen, die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung in künftigen Gebäuden und im Transportwesen zu berücksichtigen.
Außerdem kann ich nicht oft genug darauf hinweisen, wie wichtig dieser Bericht für die Bürger Europas – die Menschen, um die es hier geht – sein wird. Wir müssen bedenken, dass sich laut Eurobarometer 87 % der Europäer Maßnahmen gegen die Ursachen für Diskriminierungen unter dieser Richtlinie wünschen. Dazu gehören auch Ihre Stimmen, Herr Weber. Unsere Fraktion, die Sozialistische Fraktion im Europäischen Parlament, begrüßt die Vorschläge zum Kampf gegen die Mehrfachdiskriminierung, die nun Bestandteil dieses Berichts sind.
Können Sie sich vorstellen, dass sich eine schwarze Rollstuhlfahrerin diskriminiert fühlt? In sehr wenigen Ländern ist das Konzept der Mehrfachdiskriminierung bekannt. In den meisten Fällen, wenn Diskriminierungsfälle angezeigt werden, müsste diese Frau aus den möglichen Gründen für die Diskriminierung auswählen. Es ist wahrscheinlicher, dass mehrere Gründe miteinander verbunden sind und nicht nur ein Grund für die Diskriminierung vorliegt. Diese Frau muss die Chance erhalten, eine Beschwerde einzureichen, eine Entschädigung zu erhalten und Gerechtigkeit zu erfahren. Deshalb fordern wir das Parlament auf, diese wichtigen Bedingungen im Gedächtnis zu behalten.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten diese Richtlinie zu unterstützen. Mit ihr kann das Parlament klar und eindeutig die Aussage treffen, dass Diskriminierung nicht länger geduldet wird, und dass das Parlament den Rechten aller Bürger die gleiche Bedeutung zumisst. Lassen Sie uns diesen Schritt gehen.
Sophia in 't Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Ich möchte beginnen, indem ich mein aufrichtiges Kompliment und Dank an den Berichterstatter Ausdruck verleihe, der eine ausgezeichnete Arbeit geleistet hat. Meine Fraktion freut sich, dass fast fünf Jahre nach dem Versprechen von Herrn Barroso endlich der Vorschlag einer Richtlinie auf dem Tisch liegt. Diskriminierung verstößt gegen die europäischen Verträge, die Grundrechtecharta der Europäischen Union und die europäische Menschenrechtskonvention. Aber Verträge, Konventionen und feierliche Erklärungen nutzen wenig vor Gericht. Den Bürgen Europas muss ein Instrument in die Hand gegeben werden, mit dem sie ihre Rechte geltend machen können.
Das, und nicht die Milchquoten, die Bestimmungen für das öffentliche Beschaffungswesen oder die Strukturfonds, sind die Existenzberechtigung der Europäischen Union, Herr Weber, ein europäischer Raum, in dem alle frei sind, ihr Leben nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Ein einziger europäischer Raum, in dem alle vor dem Gesetz gleich sind, die gleichen Chancen in der Gesellschaft besitzen und respektvoll behandelt werden. Eine Richtlinie alleine wird nicht ausreichen, um das durchzusetzen, aber sie ist eine Voraussetzung. Diese Richtlinie ist für Europa als Gemeinschaft der Werte, und über Werte kann man nicht mit 27 Regierungen im Lauf der gewöhnlichen Kompromisse der nationalen Interessen verhandeln. Zusammen als Bürger legen wir die Werte fest, in einer offenen Debatte, und das Europäische Parlament ist dafür das geeignete Forum.
Ja, Herr Weber, einige Bereiche sind sehr sensibel, insbesondere der Grund der sexuellen Ausrichtung und Religion. Wir tragen Verantwortung gegenüber allen unseren europäischen Bürgern, aber wir dürfen nicht zulassen, dass Europa zu einer Farm der Tiere wird. „Alle Europäer sind gleich, aber einige Europäer sind gleicher als andere.“ Religions- und Gewissensfreiheit sind Grundrechte, für die es sich lohnt, auf die Barrikaden zu gehen. In einem freien Europa muss jeder die Freiheit besitzen, die eigenen Überzeugungen zu vertreten. Das ist der Grundstein der Demokratie. Religionsfreiheit darf aber nicht als Lizenz für die Diskriminierung anderer missbraucht werden.
Gestern hat die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte den zweiten Bericht zur Homophobie in Europa veröffentlicht. Es ist eine Schande, dass im Jahr 2009 Millionen Menschen in Europa immer noch Diskriminierung, Hass, Gewalt und sogar Mord fürchten müssen, nur wegen ihrer sexuellen Ausrichtung. Ich kann Herrn Weber versichern, dass das Eherecht in der nationalen Zuständigkeit liegt und auch weiterhin liegen wird; diese Richtlinie ändert daran nichts. Im Europa des 21. Jahrhunderts stellt ein Heiratsverbot auf Grund der Religion, ethnischen Herkunft oder sexuellen Ausrichtung aber eine Anomalie dar. Viele Menschen halten es für absolut akzeptabel, wenn die Regierung Ehen oder Lebensgemeinschaften zwischen zwei Erwachsenen des gleichen Geschlechts verbietet. Würden wir es aber auch für akzeptabel halten, wenn die Regierung – so wie es in der Vergangenheit der Fall war – die Ehe zwischen Juden und Nichtjuden, Katholiken und Protestanten, Weißen und Schwarzen verbieten würde? Das ist inakzeptabel.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie dringend, für diesen Bericht zu stimmen, im Interesse der Bürger, die wir alle vertreten. Kompromisse sind nie ideal, auch nicht für uns; aber wir müssen über unseren eigenen Schatten springen, wie Frau Buitenweg sagte.
Zum Schluss möchte ich den Rat auffordern, auch den Empfehlungen des Parlaments zu folgen. Es stimmt, dass jeder Mitgliedstaat seine eigenen Angelegenheiten hat, aber das Europäische Parlament hat gezeigt, dass die Differenzen überbrückt werden und wir bei den Rechten aller Bürger Europas eine Einigung erzielen können.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Europäische Kommission beharrt auf der Meinung, dass dieser Vorschlag nicht das Ziel hat, das Ehe- und Adoptionsrecht in den Mitgliedstaaten zu novellieren. Die Kommission erhebt den Anspruch, dass sie den rechtlichen Status der Kirche und religiösen Körperschaften für Pflege und Bildung nicht verändern möchte.
Der Buitenweg-Bericht aber geht in jeglicher Hinsicht weit über diese Grenzen hinaus. Er hebelt im Änderungsvorschlag 50 Sicherheiten für das nationale Familien- und Adoptionsrecht aus. Mit den Änderungsvorschlägen 12, 29 und 51 stellt der Bericht einen Angriff auf die Freiheiten der religiösen Bildungseinrichtungen dar. Der Änderungsvorschlag 52 des Berichtes untergräbt die Garantie der Freiheiten der religiösen Gemeinschaften selbst in den Mitgliedstaaten. Es ist überdeutlich, dass die Europäische Linke die europäische Integration auf eine einzige Angelegenheit reduzieren möchte. Sie ist in der Tat davon besessen, mit allen nur möglichen Mitteln die letzten homosexuellen Forderungen durchzusetzen. Das stellt den ernsthaftesten Angriff auf die Glaubwürdigkeit dieses Hauses dar, der jemals stattgefunden hat.
VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS Vizepräsident
Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Ich muss auf einer wesentlichen Tatsache bestehen. Das europäische Projekt wird nur dann glaubwürdig sein, wenn Europa als ein Ort wahrgenommen wird, in dem jede Art von Diskriminierung geächtet ist. Das ist die Grundlage für die heutige Aussprache.
Deshalb ist es für mich überraschend, dass einige meiner Kollegen, die in anderen Aussprachen so europafreundlich sind, komplett antieuropäisch werden, wenn es um die Rechte und Freiheiten geht.
Eine solche Haltung darf nicht toleriert werden. Es ist inakzeptabel, dass gegenwärtig jemand in der Europäischen Union unter Diskriminierung auf Grund einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, Behinderung, des Alters oder wegen seiner Weltanschauung oder Religion leidet, wie bereits erwähnt wurde. Das ist nicht das Europa, in dem ich leben möchte, und es ist mit Sicherheit nicht das Europa, in dem ich jeden Tag arbeiten möchte, in- und außerhalb dieses Hauses.
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, der Vorschlag für eine Richtlinie war notwendig. Im Konzept und den Prinzipien ist sie gut. Vielleicht ist sie nicht so, wie ich oder viele von uns hier sie sich vorgestellt hätten, aber sie ist ein guter Ausgangspunkt. Ich hoffe, die Mehrheit stimmt für den Buitenweg-Bericht, so wie es auch meine Absicht ist, denn ich glaube, dass dies der richtige Weg ist. Ich bin aber auch sehr besorgt, ob der andere Punkt, bei dem es um die Umsetzung oder Neuumsetzung des Artikels 7(2) geht, verabschiedet wird. Diese Sicherheit ist ein wesentlicher Aspekt: alle Vereine und Organisationen, die im Bereich des Kampfes gegen die Diskriminierung arbeiten, müssen die Möglichkeit erhalten, Opfer von Diskriminierung zu vertreten und zu verteidigen. Wir müssen bedenken, dass diese Menschen zu den schwächsten Gruppen gehören und wir deshalb die Sicherheit benötigen, dass sie vertreten und ordnungsgemäß verteidigt werden.
Sylvia-Yvonne Kaufmann, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich unserer Berichterstatterin, Frau Kathalijne Buitenweg, für ihre Arbeit danken. Bei ihr war gerade dieses Thema in sehr guten Händen.
Das Parlament hat die Richtlinie schon seit Jahren gefordert, und daher ist es in der Tat von grundlegender Bedeutung, dass sie noch vor Abschluss dieser Legislatur angenommen wird. Zugleich ist es außerordentlich wichtig, dass die Kommission baldmöglichst einen Vorschlag zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einbringt, damit endlich die bestehende Hierarchisierung von Diskriminierungsgründen beendet wird. Ansonsten kann ich hier nur meine große Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass seitens der EVP mit Änderungsantrag 96 gefordert wird, den Diskriminierungsgrund der Weltanschauung vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuklammern. Also, werte Kolleginnen und Kollegen von der EVP, muss man Sie denn ernsthaft darauf hinweisen, dass die Rechtsgrundlage, auf der dieser Richtlinienvorschlag beruht – und zwar Artikel 13 EG-Vertrag – schon seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages im Jahr 1999, d. h. seit 10 Jahren, geltendes Recht ist? Darf ich Sie daran erinnern, dass Artikel 13 alle dort erwähnten Diskriminierungsgründe unterschiedslos als gleichwertig ansieht? Und, verehrte Kolleginnen und Kollegen der EVP, Ihnen kann doch nicht entgangen sein, dass Artikel 10 der EU-Grundrechtecharta das weltanschauliche und religiöse Bekenntnis einer jeden Person als gleichwertig behandelt.
Wissen Sie, Herr Weber von der CSU, Ihre Argumente habe ich wohl gehört, nur muss ich Ihnen ganz klar sagen, diese sind weiß Gott uralt. Ihr Antrag 81, mit dem die gesamte Richtlinie abgelehnt werden soll, kommt offen gesagt mit einer beinahe schon zynischen Begründung daher, die Umsetzung der Richtlinie – so heißt es nämlich – sei – ich zitiere – „mit übermäßig viel Bürokratie verbunden“. Wissen Sie, Herr Weber, Menschen ihre Rechte vorenthalten zu wollen, noch dazu mit dieser Begründung, ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, und ich hoffe, dass Ihr Antrag 81 morgen bei der Abstimmung im Plenum eine deutliche Zurückweisung erfährt. Die EU muss im Kampf gegen Diskriminierung in unserer Gesellschaft endlich einen weiteren Schritt nach vorne tun!
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Dieses Haus tritt für die bürgerlichen Freiheiten ein, und eine davon ist die Bildungsfreiheit. Eine wichtige Freiheit ist die Wahl einer Schule für die Kinder durch die Eltern. Christliche Schulen und Einrichtungen in meinem Land entscheiden sich bewusst für eine Aufnahmepolitik im Sinne der Aufrechterhaltung der Identität der Schule.
In den Niederlanden besteht Spielraum für eine Aufnahmepolitik, die den Grundprinzipien der Schule entspricht. Es können Auflagen gemacht werden, die notwendig sind, um den Zweck der Schule und deren Grundprinzipien zu realisieren. Die Eltern können eine in diesem Sinne bewusste Schule aussuchen, in der die Bibel ernst genommen wird. Das ist eine Erweiterung der Religionsfreiheit und respektiert die Überzeugung der Eltern im Sinne der Bildungsinteressen ihrer Kinder.
Die Änderungsanträge 29 und 51 aber schränken diese Freiheit der Schulen ein, auf der Grundlage von Prinzipien diese Wahl zu treffen. Außerdem stimme ich mit dem Standpunkt von Herrn Weber und anderen überein. Dieser Vorschlag entspricht nicht dem Subsidiaritätsprinzip. Abgesehen von den verwaltungstechnischen Problemen, die an sich für mich schon Grund genug wären, den Vorschlag der Kommission abzulehnen. Ich werde gegen den Bericht von Frau Buitenweg stimmen. Ich hoffe, dass andere Fraktionen auch zu sehen vermögen, dass hier ein ernsthafter Verstoß gegen die Freiheiten unserer Bürger vorliegt. Jeder, der die Wahlfreiheit der Eltern schätzt, wird nicht zulassen, dass diese Freiheit beschnitten wird.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Herr Präsident! Berichte zur Antidiskriminierungsrichtlinie bringen immer das Schlechteste dieses Hauses ans Tageslicht; das ist besonders bedauernswert, da sie oft eine Menge gute Vorschläge und Ideen enthalten, um beispielsweise Menschen mit Behinderungen zu helfen. Das ändert aber nichts an der Substanz.
Der Änderungsantrag von Herrn Weber, Änderungsantrag 81, benennt aber die wesentlichen Punkte; dieser Vorschlag der Kommission ist nicht gut. Er muss vom Tisch, und das nicht nur, weil er viel zu viel Bürokratie mit sich bringt, sondern auch insbesondere, weil er wesentlich gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Leider wissen wir alle, dass dieser Änderungsantrag keine Chance hat, da dieses Haus sich nie eine Gelegenheit entgehen lässt, seine politisch korrekteste Seite zu zeigen, und sich immer für mehr Bürokratie und mehr Entscheidungsfindung über die Köpfe der europäischen Bürger hinweg entscheidet.
Abgesehen davon, abgesehen von dem Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip, enthält dieser Bericht auch zahlreiche Vorschläge, die direkt gegen grundlegende demokratische Prinzipien und Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Ein Beispiel ist der Änderungsantrag 54. Während der ganze Bericht ein großes Tamtam um die Diskriminierung von Menschen macht, verficht dieser Änderungsantrag die Diskriminierung auf Grund eines politisch nicht korrekten Glaubens, aber letztendlich ist es gerade das, was sich viele andere Aspekte dieses Berichts vornehmen.
Versteckt in einem Katalog von achtbaren Prinzipien und nur scheinbar guten Absichten verbirgt sich die Judikalisierung der politischen Korrektheit. Das hat nichts mit Antidiskriminierungsmaßnahmen zu tun, sondern sehr oft mit einer echten Gesetzesknebelung, um die Meinungsfreiheit noch weiter zu untergraben und eine Art von fortschreitendem Meinungsterrorismus noch weiter zu stärken. Diese grundlegende Frage besteht und bleibt bestehen: Was soll das denn noch mit Europa zu tun haben? Um Himmels Willen, lassen Sie doch den Mitgliedstaaten, was ihnen zusteht.
Hubert Pirker (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn die Europäische Union manchmal als regulierungswütig empfunden und dann zu Recht kritisiert wird, liegt die Ursache ganz einfach in solchen Berichten, wie wir sie jetzt gerade diskutieren.
So sehr ich realistische Maßnahmen gegen jede Form von Diskriminierung unterstütze, so sehr muss ich hier angesprochene Punkte auch kritisieren, weil sie einfach nicht gerechtfertigt sind und nicht das gewünschte Ergebnis bringen.
Inakzeptabel ist der Punkt, der bereits angesprochen wurde, dass etwa kirchengebundene Schulen verklagt werden können, wenn sie Lehrer ablehnen, die nicht der Konfession entsprechen oder keine Konfession haben, oder dass Versicherungen, wenn sie eine Risikoabschätzung machen, verklagt werden können, wenn es eine Unterscheidung aufgrund des Alters oder auch des Geschlechts gibt, oder dass die Gefahr besteht, dass gleich alle Wohnungen barrierefrei gebaut werden müssen. Ja, meine sehr geehrten Kollegen, da kommen wir dort hin, dass wir nicht mehr den Behinderten tatsächlich Unterstützung gewähren, sondern dass alle Wohnungen nicht mehr leistbar werden! Anstatt Hilfe für Behinderte nicht leistbare Wohnungen für alle – das kann doch nicht der Wunsch sein, den wir hier haben. Oder die Kritik an der Beweislastumkehr. Wenn ich mir vorstelle, dass ich als Abgeordneter mit 25 Bewerbern für eine Assistentenstelle bereits bei einem Anschein von Diskriminierung oder bei einem Gefühl von Diskriminierung geklagt werden kann, dann komme ich überhaupt nicht mehr zum Arbeiten, sondern kann mich nur mehr mit den notwendigen Beweisen herumschlagen, die ich dann erbringen müsste, nur weil vis-a-vis das Gefühl besteht, obwohl ich in keinerlei Form diskriminiert habe.
Hinzu kommt noch die Unbestimmtheit vieler Begriffe. Insgesamt ist dieses Merkblatt, das an die Öffentlichkeit gelangt ist, bereits eine Vorleistung auf diese Richtlinie, wo man zu diskutieren beginnt, ob wir die Begriffe Frau und Fräulein noch verwenden dürfen, oder ob wir alle Begriffe, die mit einem „-mann“ enden wie Staatsmann oder Sportsmann auch eliminieren müssen, weil das Ganze doch diskriminierend sein könnte.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das ist Unfug, was hier teilweise verlangt wird! Daher werde ich gegen diesen Bericht stimmen.
Martine Roure (PSE). – (FR) Herr Präsident! An erster Stelle möchte ich mich bei unserer Berichterstatterin bedanken, insbesondere für ihre Arbeit und das letztendlich erreichte Ergebnis.
Artikel 13 des Vertrags ist unser Grundstein, und ich muss betonen, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sind, einen höheren Schutzgrad zu gewährleisten. Es ist nur eine Frage der Mindeststandards und, wie ganz klar gesagt werden sollte, es kann nicht angehen, dass der gegenwärtige Schutzgrad in einzelnen Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieser neuen Richtlinie gesenkt werden soll. Denn, um noch präziser zu sein, einige Mitgliedstaaten besitzen bereits einen sehr hohen Schutzgrad; solche Fälle gibt es wirklich.
Die Nichtdiskriminierung ist ein Grundrecht für jeden in der Europäischen Union. Aber, gleich ob wegen des Aussehens einer Person oder nur wegen ihrem Nachnamen, stellen wir fest, dass Diskriminierung immer noch zu oft besteht.
In Bezug auf Menschen mit Behinderungen müssen wir sicherstellen, dass sie nicht länger diskriminiert werden, weil sie einen Rollstuhl benutzen, da der Zugang zu vielen Orten noch zu schwierig ist. Die Verbesserung der europäischen Gesetze ist eine Voraussetzung für den Kampf gegen die Diskriminierung – ich wiederhole, eine Voraussetzung. Wir brauchen diese Gesetzgebung.
Unsere Kinder erleiden von klein an für sie traumatisierende Diskriminierungen, und sie tragen diese Last der Diskriminierung während ihres ganzen Lebens. Ich muss Sie insbesondere auf die Mehrfachdiskriminierung hinweisen. Die Kommission hat dieses Thema nicht in ihren Vorschlag aufgenommen. Deshalb schlagen wir eine präzise Definition dieser Diskriminierungsarten vor.
Es ist einfach von grundlegender Bedeutung, dass wir die gesetzlichen Bestimmungen stärken, um die Gleichbehandlung ungeachtet der Unterschiede umzusetzen. In diesem Sinne fordern wir die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung und Chancengleichheit unabhängig von Religion, Behinderungen, Alter oder sexueller Ausrichtung zu treffen.
Abschließend muss ich hinzufügen, dass wir für das Jahr 2010 hoffen, dass ein Kommissionsvorschlag vorgelegt wird, in dem geschlechtliche Diskriminierung auf dasselbe Niveau gestellt wird, denn dadurch würde jegliche Hierarchie der Rechte beendet.
Gérard Deprez (ALDE). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie meine Vorredner möchte ich mich zuerst bei unseren beiden Berichterstatterinnen Frau Buitenweg und Frau Lynne für ihre ausgezeichnete Arbeit in einem, wie ich es betonen möchte, Umfeld der verbesserten Zusammenarbeit bedanken.
Auch wenn ich mich persönlich sehr stark auf der gleichen Linie bewege, wie die von Frau Lynne vertretene allgemeine Haltung, möchte ich die Intelligenz, Offenheit und den Versöhnungsgeist begrüßen, den Frau Buitenweg im Laufe der Diskussionen in unseren Ausschüssen an den Tag gelegt hat, um zu versuchen, letztendlich einen ausgewogenen Bericht zu erstellen, der von einer großen parlamentarischen Mehrheit unterstützt wird. Ich hoffe, sie hat Erfolg, und dass die radikalsten Elemente auf der einen und, ich denke gelegentlich auch auf der anderen Seite, sich bei der Beeinträchtigung der Abstimmung nicht durchsetzen werden.
In diesem Sinne – und lassen Sie mich betonen, dass ich nicht als Linksfanatiker bekannt bin – muss ich sagen, dass ich vom Änderungsantrag von unserem Kollegen Herrn Weber, den ich und viele andere respektieren, überrascht und zugleich erschreckt bin. Herr Weber, ich habe Ihrer Rede zugehört, und keines Ihrer Argumente schien mir eine intellektuelle Grundlage zu besitzen. Sie haben Fantasien vorgetragen, Sie haben keine Gründe angeführt.
Liest man die Begründung Ihres Änderungsantrags, kann man nur entsetzt sein über ihre Schwäche: Ablehnung des Kampfes gegen die Diskriminierung aus Angst vor übermäßiger Bürokratie. Wenn Sie versuchen, diesen Vorschlag zu einem Konflikt zwischen der Rechten und Linken zu machen, dann liegen Sie falsch. Der Kampf gegen die Diskriminierung ist nicht eine Frage von rechts oder links, es ist eine Frage des Humanismus und der Einhaltung der Grundrechte.
(Beifall)
Deshalb hoffe und glaube ich, dass Sie morgen eine Niederlage erleben werden.
Sebastiano (Nello) Musumeci (UEN). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Jede Initiative, deren Ziel der Kampf gegen die Diskriminierung jeglicher Art ist, muss unterstützt werden. Jüngere Statistiken zeigen, dass in Europa, wo die Gesellschaft so fortgeschritten ist, eine Mehrheit der Bürger angibt, sie hätten Diskriminierung erlitten. Deshalb darf niemand gleichgültig bleiben. Das Konzept an sich bleibt aber so weitgefasst und abstrakt, dass eine gewisse Klärung wünschenswert wäre.
Vorbehaltlich der Grundrechte des Menschen, die nicht in Frage gestellt werden können, müssen wir die Hoheit der einzelnen Mitgliedstaaten anerkennen, ihre gesetzlichen Bestimmungen im Sinne der uralten Traditionen, Zivilisationen und Kulturen zu regeln. Ein Eingriff dieser Art ist fast immer ein Fall von Identitätserhalt einer Bevölkerung. Erlauben Sie mir, Ihnen ein Beispiel im Zusammenhang mit der sexuellen Ausrichtung zu geben: Es ist meine persönliche Meinung, aber ich glaube, die Menschenwürde muss unabhängig von den sexuellen Vorzügen gewährleistet sein. Die Homosexualität ist eine Option, die der Privatsphäre angehört, und darf auf keinen Fall bestraft, aber auch nicht geschützt werden. Die Meinungsfreiheit: Wo beginnt der Schutz vor einer direkten oder indirekten Diskriminierung, und wo endet er? Religionsfreiheit: In der Schule meiner Nichte gab es dieses Jahr zum ersten Mal kein Krippenspiel. Der Schulleiter verbot es, weil Kinder mit anderem religiösen Glauben anwesend waren. Da es sich bei dem Krippenspiel mehr um eine kulturelle Veranstaltung als um eine Glaubensdemonstration handelt, wurde hier meiner Meinung nach durch den Wunsch, eine Art der Diskriminierung zu vermeiden, eine andere geschaffen. Die Religion anderer Menschen zu respektieren bedeutet nicht, Herr Präsident, dass wir uns für unsere eigene schämen müssen!
Deshalb – und damit komme ich zum Schluss – fürchten wir, dass dieser Vorschlag einer Richtlinie dazu tendiert, den Extremismus unnötig umzukehren, und es kann sein, dass das Heilmittel schlechter ist als das ursprüngliche Problem.
Elisabeth Schroedter (Verts/ALE). – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Richtlinie werden endlich die Lücken im Antidiskriminierungsrecht geschlossen. Und damit wird die Europäische Union ihren internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und auch ihren Verpflichtungen im Rahmen der UN-Konvention zur Anerkennung der Rechte von Menschen mit Behinderungen gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Christdemokraten, Ihre Argumente gegen die Richtlinie sind populistisch und irreführend! Mit welchem Recht verweigern Sie Menschen mit Behinderungen den uneingeschränkten Zugang zu Bildung, oder älteren Menschen die gleichberechtigte Behandlung bei Versicherungen und Finanzdienstleistungen? Was haben Sie für ein Menschenbild?
Die uneingeschränkte gesellschaftliche Teilhabe ist ein Menschenrecht. Deshalb werden wir für diese Richtlinie und für gleiche Chancen für alle kämpfen. Es ist aus meiner Sicht zutiefst menschenunwürdig von Diskriminierungsopfern zu verlangen, dass sie ihre Diskriminierung erst beweisen müssen. Wenn Sie, liebe Kollegen von der EVP, die Beweisverschiebung streichen wollen, stellen Sie für einige Gruppen das individuelle Grundrecht auf Schutz ihrer menschlichen Würde in Frage. Das ist für uns inakzeptabel. Wir wollen eine Gleichheit für alle im Diskriminierungsschutz, und dafür werden wir Grünen kämpfen. Wir lassen nicht zu, dass das Menschenrecht zum Spielball von populistischer Panikmache wird. Ich sage hier voraus, dass Sie morgen verlieren werden! Die Mehrheit des Saales wird für das Menschenrecht auf Schutz vor Diskriminierung stimmen. Das ist sicher!
Jim Allister (NI). – Herr Präsident! Ich werde gegen diesen Bericht und die vorgeschlagene Richtlinie stimmen, und das aus drei Gründen. An erster Stelle stimme ich nicht mit dem Glauben überein, dass die EU und nicht die nationalen Regierungen die Gesetze zu diesen Angelegenheiten bestimmen soll. Ich bin der Ansicht, jeder Mitgliedstaat ist der beste Ort, um zu beschließen, ob solche gesetzliche Bestimmungen zu verschärfen sind. Wenn es überhaupt irgendwann einmal ein Problem mit der Subsidiarität gegeben hat, dann muss es dieses sein.
Mein zweiter Grund ist, dass das neue Vergehen der Belästigung die alarmierende Aussicht birgt, dass in der Tat das Recht auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit, insbesondere, wenn sie eine christliche Botschaft verbreiten, beschnitten werden soll.
Christen, die das Evangelium predigen, beispielsweise auf einem öffentlichen Platz, an dem sich Menschen anderer Glaubensrichtungen aufhalten und die dies als Verstoß und Angriff auf ihre Würde anklagen, könnten gegen dieses Gesetz verstoßen. Ähnlich verhält es sich, wenn eine biblische Annäherung an die Homosexuellenehe verteidigt und gefordert wird; hier könnten streitsüchtige Aktivisten der Schwulenrechte einen Verstoß anführen.
Der dritte Grund ist, dass die Maßnahmen in der Richtlinie unverhältnismäßig und unausgewogen sind. So zwingt sie beispielsweise christliche Drucker einen Auftrag anzunehmen, mit dem Material gedruckt werden soll, das gegen ihren religiösen Glauben verstößt, obwohl es ihnen freigestellt sein müsste, ihr Geschäft gemäß ihrem Gewissen zu leiten.
Ohne wesentliche Ausgleichsmechanismen wird diese Richtlinie zu einem Instrument, das tatsächlich Diskriminierung erzeugt. Folglich ist es für mich eine nicht notwendige Richtlinie, die gegen Grundrechte, insbesondere der Menschen mit Glauben und Bewusstsein verstößt und zeigt, dass das alles zu weit geht, eine Einmischung darstellt und innerhalb der EU verbohrt ist.
Nicolae Popa (PPE-DE). – (RO) Die Initiative der Kommission zur Ausdehnung der Anwendung des Gleichbehandlungsprinzips auf andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unter Verwendung einer globalen Richtlinie, mit der die Diskriminierung außerhalb des Arbeitsplatzes auf Grund von Behinderungen, Alter, Religion oder Glauben und sexueller Ausrichtung geächtet werden soll, muss prinzipiell in der Lage sein, das Gesetzespaket der Antidiskriminierung zu vervollständigen. Die Einführung des Konzepts der Mehrfachdiskriminierung und die besondere Beachtung der Rechte von Behinderten stellen einen Schritt nach vorne dar.
Dieser Vorschlag einer Richtlinie ist aber trotzdem eine heikle und umstrittene Angelegenheit. Der Gesetzestext muss das Gleichgewicht zwischen der Zuständigkeit der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten aufrecht erhalten, indem der Anwendungsbereich eindeutig definiert wird. Aspekte des Familienrechts, einschließlich des Personenstandes, der Reproduktions- und Adoptionsrechte, dürfen nicht zum Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie werden, eine Tatsache, die zweifelsfrei im Gesetzestext klargestellt werden muss. Die Verwendung der Institution der Ehe darf auf keine andere Art und Weise akzeptiert werden, als im christlichen Sinn. Eine andere gesetzlich zugelassene Bezeichnung kann für andere Partnerschaften gesucht werden.
Außerdem muss das Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden in den Angelegenheiten, die mit dem Erziehungsinhalt und der Organisation der nationalen Bildungssysteme zu tun hat, einschließlich der Konfessionsschulen. Die Europäische Volkspartei hat immer die Förderung der Unterschiedlichkeit als wichtiges Ziel der Europäischen Union und im Kampf gegen die Diskriminierung gefordert. Leider enthält der Text Bestimmungen, die vom Standpunkt der religiösen Doktrin inakzeptabel sind.
Paradoxerweise versucht die Linke auf diese Art zu diskriminieren. Tatsächlich werde ich diskriminiert, nur weil ich ehrlich an Gott glaube.
Michael Cashman (PSE). - Herr Präsident! Es war eine interessante Debatte, und sie wäre komisch, wenn sie nicht so tragisch wäre. Das Meiste, was ich heute Nachmittag von der Opposition gehört habe, ist, glaube ich, ehrlich gefühlt und geglaubt, beruht aber nicht auf Tatsachen und auch nicht auf dem uns vorliegenden Text. Nichts in diesem Bericht untergräbt die Subsidiarität oder die Verhältnismäßigkeit. Wenn dem so wäre, dann würde es vom Ministerrat berichtigt. Deshalb fordere ich Sie selbst jetzt auf, dafür zu stimmen und es dem Ministerrat möglich zu machen, das Richtige zu tun und sicher zu stellen, dass die Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität gewahrt bleiben.
Herr Weber, Europa ist aus den Werten des Zweiten Weltkriegs geboren worden – eine Entscheidung, von der wir uns nie wieder abwenden dürfen, während die eine oder andere Personengruppe zur Zielscheibe oder zum Sündenbock gemacht und in Konzentrations- oder Arbeitslager abgeführt wurde. Eine Entscheidung, dass es keine Hierarchie der Unterdrückung mehr geben würde. Und trotzdem möchten Sie, traurigerweise, ein Europa haben, das nicht auf diesen ehrbaren Werten beruht, ein Europa, das glaubt und respektiert, dass alle Menschen gleich geboren werden. Wer sich dagegen stellt, muss sich vor seinem Gewissen, seiner Religion und vor seinen Wählern verantworten, warum er glaubt, dass manche Menschen anders behandelt werden sollen, dass sie keine Gleichberechtigung erfahren sollen.
Ich habe das Glück hier zu stehen, als schwuler Mann – und wenn ich für mich beschlossen habe, schwul zu sein, ist es nicht interessant, dass jemand anderes offensichtlich für sich bestimmt, heterosexuell zu sein? – Kampf für die Gleichstellung, nicht nur für schwule Männer und Lesben und Bisexuelle und Transgender, sondern für Menschen auf Grund ihres Alters, ihrer Religion, ihres Glauben, ihres Geschlechts, alles, was als Unterschied wahrgenommen wird und verwendet werden könnte, um ihnen die Gleichberechtigung zu nehmen. Ich glaube, die Feuerprobe für jede zivilisierte Gesellschaft ist nicht, wie wir eine Mehrheit behandeln, die interessanterweise aus vielen unterschiedlichen Minderheiten besteht. Die Feuerprobe jeder zivilisierten Gesellschaft ist, wie Ihnen die Menschen auf der Zuhörertribüne bestätigen können, nicht, wie wir die Mehrheit behandeln, sondern wie wir mit den Minderheiten umgehen, und gegenwärtig versagen dabei auf traurige Art einige Mitgliedstaaten.
Shakespeare sagte brillant: „Was Menschen Übles tun, das überlebt sie. Das Gute wird mit ihnen oft begraben.“ Schauen Sie sich selbst an, stellen Sie sich vor, Sie wären anders – hätten eine andere Religion, einen anderen Glaube, ein anderes Alter, eine andere sexuelle Ausrichtung – wäre es richtig, wenn Ihnen die Menschenrechte genommen würden? Die Antwort darauf muss „Nein“ lauten. Nun hat dieses Haus die Gelegenheit, zu tun was richtig, gerecht und gut ist.
Der Präsident. – An dieser Stelle der Debatte wird Herr Špidla das Wort ergreifen. Er wird Ihnen die Gründe dafür besser erläutern können als ich. Ich erteile ihm unverzüglich das Wort.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. – (CS) In wenigen Minuten muss ich bei den Verhandlungen der Arbeitszeitrichtlinie anwesend sein, und Sie sind sicher meiner Meinung, dass ich dabei nicht fehlen darf.
Meine Damen und Herren! Ich habe der Debatte zu diesem Bericht zugehört, und ich muss sagen, dass ich mit einer gewissen Gemütsbewegung zugehört habe, weil sie die wesentlichen Elemente und die enorme Tiefe dieses Problems ausdrückt. Die Grundfrage ist: Was verteidigt diese Richtlinie? Diese Richtlinie verteidigt die Menschenwürde. Wir dürfen nicht glauben, dass es ein geringerer Verstoß gegen die Menschenwürde ist, wenn jemand beispielsweise auf Grund einer Behinderung diskriminiert wird als wegen des Alters. Wir sprechen von der Menschenwürde, und die ist für alle gleich.
Ich muss sagen, dass diese Richtlinie organisch und nach einer tiefgehenden Debatte im Parlament und unzähligen Debatten auf Ausschussebene der Kommission unterbreitet wurde. Somit handelt es sich um eine Richtlinie, die gut durchdacht ist und eine entschlossene und klare Annäherung an Werte ausdrückt.
In der Debatte wurde auch gesagt, dass die Nichtdiskriminierung auf Werten beruht, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg angewendet und erfahren haben. Gleich, ob es stimmt oder nicht, dass wir nach dem Zweiten Weltkrieg ein tieferes Bewusstsein für die Bedeutung und das wesentliche Gewicht gewisser Werte entwickelt haben, diese Werte besitzen tiefe historische Wurzeln. In der Antike gab es das grundlegende Konzept der Gleichheit der Menschen nicht. Das Konzept wurde zum ersten Mal von der christlichen Religion formuliert. Ich erinnere mich gut an eine Enzyklika oder eine päpstliche Bulle aus dem 9.Jahrhundert unter dem Namen Oriente ian sole mit der eindeutigen Aussage: „Ist es nicht wahr, dass die Sonne für alle gleich scheint?“ Ab diesem Zeitpunkt wurde das Konzept im Laufe der gesamten Geschichte wiederholt.
Natürlich enthielt die Debatte viele Fragen technischer Art oder von offensichtlich geringerer Bedeutung als die Fragen, über die wir soeben gesprochen haben. Ich möchte diese ansprechen. Die erste Frage ist die Entstehung von sinnloser zusätzlicher Bürokratie. Ich denke, das kann aus einem einfachen Grund verneint werden. Die Richtlinie macht keine neuen Strukturen oder neue bürokratische Stellen erforderlich. Die Richtlinie erweitert nur die Anwendung von dem, was bereits vorhanden ist, so dass es auf keinen Fall zu mehr Bürokratie kommt.
Es gab auch die offene Frage der Subsidiarität. Diese Frage wurde mit außerordentlicher Sorgfalt beleuchtet, weil es sich um eine grundlegende Frage handelt. Artikel 13 des Vertrags ist eindeutig. Er schafft eine solide Rechtsgrundlage, und eine Richtlinie, die auf dieser Rechtsgrundlage aufbaut, steht nicht im Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip.
Ein anderes Grundprinzip dieser Richtlinie ist beispielsweise die Frage der Umkehrung der Beweislast. Diese Frage wurde in früheren Richtlinien bereits gelöst, so dass sie in diesem Fall auch keine Neuentdeckung ist. Aber ich möchte etwas zur Beweislast sagen. Ziel dieser Richtlinie ist die Stärkung der Möglichkeiten von Einzelpersonen, sich selber zu verteidigen. Das ist das Hauptziel. Das wäre aber ohne Umkehrung der Beweislast nicht möglich. Unabhängig vom Umstand, dass in vielen Rechtssystemen die Beweislast aus vergleichsweise wesentlich unbedeutenderen Gründen bereits umgekehrt ist. Ein klassisches Beispiel für die Umkehrung der Beweislast ist die so genannte Vaterschaftsvermutung, und es gibt noch viele andere Beispiele.
In der Debatte wurde auch gesagt, einige der Bestimmungen seien zu offen. Meine Damen und Herren, die meisten Verfassungsbestimmungen sind offen und bedürfen einer Auslegung unter bestimmten Voraussetzungen. Ich erinnere zum Beispiel an die deutsche Verfassung mit der Aussage „Eigentum verpflichtet“. Dabei handelt es sich um eine typische offene Formulierung, die mit der Zeit in verschiedenen konkreten Fällen neu definiert wird.
Meine Damen und Herren, es wurde etwas übertrieben von den potenziell hohen Kosten gesprochen, insbesondere im Zusammenhang mit den körperlich Behinderten. Ich kann feststellen, dass die Richtlinie nicht fixe oder konkrete Angelegenheit vorgibt, sondern von der angemessenen Konformität spricht, und ich kann auch feststellen, dass, wenn die angemessene Konformität von Anfang an angewendet wird, es großteils keine übermäßig hohe Kosten geben wird. Ich muss sagen, dass, wenn wir potenziell höheren Kosten im Bereich der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, wo wir Menschenleben schützen, als angemessen betrachten, dann gibt es meiner Meinung nach auch höhere Kosten, die mit dem Schutz der Menschenwürde zu tun haben – obwohl ich nicht glaube, dass sie wesentlich höher sein werden – im Verhältnis zum zu schützenden Interesse, denn die Gleichbehandlung und Menschenwürde, meine Damen und Herren, sind Interessen, die in den Vertrag eingearbeitet wurden, und sind Interessen, die wir mit aller Kraft verteidigen müssen.
Meines Erachtens gibt es nichts Bedeutenderes für die Europäische Union als das Konzept der Nichtdiskriminierung. Auch wenn ich Verfechter des Binnenmarktes bin und viele andere Bereiche der europäischen Politik unterstütze, glaube ich, dass das Konzept der Chancengleichheit und der Nichtdiskriminierung das grundlegendste Fundament überhaupt ist.
Sarah Ludford (ALDE). – Herr Präsident! Es stimmt wirklich, dass wir das komplizierte Gesetzes-Patchwork abschließen, so dass verschiedene Menschen vor Diskriminierung in unterschiedlichen Situationen geschützt werden, zu Gunsten von einheitlichen Gleichstellungsbedingungen. Die Frau, der ein Bankdarlehen verweigert wird, der Behinderte, dem der Zugang zu einem Gebäude unmöglich ist, der schwule Mann, dem eine Unterbringung nicht gewährt wird, ein Farbiger, der aus einem Club verwiesen wird, und so weiter, müssen alle auf der Grundlage ähnlicher Prinzipien geschützt werden.
Ich möchte nur zwei Angelegenheiten ansprechen. Eine hat mit dem Schutz vor Belästigungen zu tun. Im Text steht mit Recht eindeutig, dass die Schaffung einer für eine Einzelperson einschüchternden Umgebung ausgeschlossen ist, wenn sie nicht als Verstoß gegen eine Gruppe wahrgenommen wird. Es ist wichtig, bei dem Erhalt der Meinungsfreiheit sehr entschieden zu sein, die wirksam mit einer vom Parlament eingefügten Anmerkung hervorgehoben wird.
Bezüglich des Glaubens in den Schulen unterstütze ich vollkommen das Recht der Eltern, dass ihre Kinder nach den Prinzipien eines bestimmten Glaubens erzogen werden, solange dieser Glauben selber nicht diskriminierende und benachteiligende Haltungen verbreitet. Aber wir dürfen nicht die Schaffung von Ghettos dulden, in denen nur Kinder eines bestimmten Glaubens in eine Schule aufgenommen und andere ausgeschlossen werden. Der Text der Kommission erlaubt den diskriminierenden Zugang, und ich bin nicht davon überzeugt, dass der Änderungsantrag 51 das Problem löst. Ich werde wahrscheinlich gegen beide stimmen.
Rihards Pīks (PPE-DE). – (LV) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass jemand in dieser Kammer für die Diskriminierung ist. Ich glaube vielmehr, dass die Menschen in diesem Parlament gegen die Diskriminierung sind. Dieses Dokument – dieser Vorschlag einer Richtlinie des Rates – enthält zweifelsohne zahlreiche treffliche Vorschläge, aber ich glaube, viele der aufgenommenen Vorschläge basieren auf einer christlichen Betrachtung und der christlichen Religion. Ich möchte sagen, dass eine Richtlinie nicht das erreichen kann, was in einem langen Bildungsprozess zu erreichen ist, denn das ist eine Frage der Ethik und der Haltung. Mehr noch, wenngleich diese Richtlinie oder dieser Vorschlag einer Richtlinie viele gute Dinge enthält, gibt es verschiedene Stellen, an denen sie viel zu weit geht. Bei diesen Punkten werden tatsächlich durch das Schaffen von Chancen für eine Personengruppe die Chancen einer anderen Gruppe geschmälert. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass eine Reihe von Punkten die Gelegenheit zur Einmischung in den privaten Bereich schafft, und das geht gegen unsere Grundwerte. Daneben hören wir jetzt, wo die Wahlen näher rücken, verstärkt Fragen, aber auch Kritik, von unseren Wählern. Ich denke, das Gleiche geschieht in Ihren Ländern. Die häufigste Kritik, die wir zu hören bekommen, ist, dass wir zu viel von Brüssel aus regulieren, zu viele Einschränkungen und zu viel Bürokratie schaffen. Deshalb sollten wir versuchen, Verstöße gegen die Subsidiarität oder die Einführung von übermäßigen Einschränkungen zu vermeiden. Ich glaube, dieses Dokument sollte noch einmal überdacht werden.
Inger Segelström (PSE). – (SV) Herr Präsident! Ich möchte mich zuerst bei Frau Buitenweg, Frau Bozkurt, Herrn Cashman und anderen für einen wirklich ausgezeichneten Bericht bedanken. Gleich wie viele andere bin ich überrascht und schockiert vom Vorsitzenden und Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten, Manfred Weber, der im Änderungsantrag 81 vorschlägt, das Parlament soll den Vorschlag der Richtlinie ablehnen, weil er gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt und unverhältnismäßig viel Bürokratie mit sich bringt, laut der schwedischen Übersetzung. Kommissar Špidla hat das bereits kommentiert.
Ich bin sicher, dass alle Frauen mit einer Behinderung und alle anderen Gruppen, die bei dem Schutz der Menschenrechte der Bürger auch auf ihre Gruppen auf das Europäische Parlament zählen, zutiefst enttäuscht sind, dass die Verantwortlichen der EVP-DE-Fraktion die Menschenrechte mit Bürokratie vergleichen. Deshalb rufe ich das ganze Haus auf, morgen gegen den Änderungsantrag 81 der EVP-DE-Fraktion zu stimmen. Ich halte es auch für wichtig, dass Frauen nicht länger von Versicherungsunternehmen diskriminiert werden, nur weil sie Frauen sind und älter werden, da sie als Gruppe gesünder sind und länger leben als die Männer. Ich hoffe, das Parlament hat den Mut, klar zu stellen, dass die mit Steuergeldern finanzierte Bildung für alle gilt. Die Religion ist mit Sicherheit wichtig für viele Europäer, und ich respektiere das, aber wir leben in einer säkularen Gesellschaft.
Nein, Herr Weber, Ihre Marktfreiheit ist nicht so wichtig, wie die grundlegenden Menschenrechte der Bürger. Fragen Sie die Bürger der EU – sie sind weiser und auf dem neueren Stand als die Mitglieder der EVP-DE-Fraktion. Die an uns gestellten Erwartungen sind hoch, und ich hoffe, dass alle den Mut haben, morgen dafür zu stimmen und nicht dagegen, wie Sie es gefordert haben.
Jeanine Hennis-Plasschaert (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Ich möchte beginnen, indem ich mich bei der Berichterstatterin bedanke. Es kann nicht oft genug gesagt werden, sie hat eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Es war keine einfache Aufgabe. Einige Kollegen scheinen sich besonders schnell angegriffen zu fühlen.
Der Ausgangspunkt für diese Richtlinie ist glasklar: Gleichbehandlung für absolut jeden – homosexuell oder heterosexuell, Frau oder Mann, alt oder jung, schwarz oder weiß, behindert oder nicht, religiös oder humanistisch, und so weiter. Sein Recht ist ihr Recht, Herr Weber, unsere Rechte sind ihre Rechte und Ihre Rechte sind unsere Rechte. Das, Herr Vanhecke – der allerdings die Debatte wieder verlassen hat –– hat nichts mit der so genannten politischen Korrektheit zu tun.
Die Schattenberichterstatter und die Berichterstatterin selbst haben große Bemühungen unternommen, um diesen Kompromiss zu erreichen, einen Kompromiss, den die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten auch hätten unterstützen können. Niemand hält den Text für fehlerfrei, aber ich kann nur hoffen, dass eine beachtliche Mehrheit der EVP-DE-Fraktion morgen bei der Abstimmung zur Vernunft kommt.
Ich stehe voll und ganz für die Religionsfreiheit, aber, Herr Weber, Sie zeigen eine gewisse Unverfrorenheit, wenn Sie sich selbst über die anderen erheben und mit der Hand auf der Bibel die Chancengleichheit als sinnlose Bürokratie behandeln.
Der Präsident. – Meine Damen und Herren, Herr Barrot vertritt Herrn Špidla im letzten Teil dieser Debatte.
Mario Mauro (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kern einer Nichtdiskriminierungsstrategie besteht letztendlich aus folgender Aussage: Die Person kommt immer zuerst. Wir berücksichtigen die Person, bevor wir den Umstand berücksichtigen, dass er oder sie in gewisser Weise anders ist – zum Beispiel behindert oder homosexuell – und deshalb lieben, schützen und verteidigen wir die Person. Das ist der Kern der Strategie der Nichtdiskriminierung. Wenn das stimmt, ist folglich auch richtig, dass jeder, der einen religiösen Glauben besitzt, eine Person ist, da die Tatsache, dass er oder sie eine Person ist, vor der Tatsache kommt, einen religiösen Glauben zu besitzen.
Deshalb müssen wir vorsichtig sein, denn die Aussage in Artikel 3 nach dem Wortlaut des Änderungsantrags 52 des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres führt ein genau entgegengesetztes Prinzip zur Erklärung 11 in Artikel 17 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ein. Dieser Änderungsantrag 52 verneint das Konzept der Aufrechterhaltung des Status nach dem nationalen Kirchenrecht und Organisationen auf der Grundlage des religiösen oder persönlichen Glaubens, und gleichzeitig beschränken Artikel 3 und die entsprechende Erwägung 18, gemäß dem Wortlaut der Änderungsanträge 51 und 29 des genannten Berichts, meines Erachtens, die Reichweite der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Sinne des Zugangs zu Bildungseinrichtungen auf der Grundlage des religiösen oder persönlichen Glaubens.
Zusammengefasst, ich bin überzeugt, dass, wenn wir die Person vom Anfang an und in ihrer Gesamtheit verteidigen möchten, wir auch jene Aspekte verteidigen, die diese Person vom religiösen Standpunkt aus kennzeichnen. Außerdem bin ich der Meinung, die Änderungsanträge 92, 89 und 95 könnten ein angemessener Kontaktpunkt für alle sein, die möchten, dass die Richtlinie verabschiedet wird, und deshalb könnten wir einen effektiven Dialogpunkt auf diesem Niveau finden.
Claude Moraes (PSE). – Herr Präsident, der Vorsitzende unseres Ausschusses, Herr Deprez, hat in diesem Haus vielen von uns aus der Seele gesprochen, als er sagte, dass das kein Bericht über sektorielle Interessen oder ein Bericht der Linken ist, sondern ein Bericht von Frau Buitenweg, voll Überlegtheit, Sensibilität und Kompromiss, in dem es um Menschen geht. Die Berichterstatterin hat einen Bericht erstellt, der die Geschäfte nicht bindet oder überreguliert, wie wir auf dem langen Weg der beiden vorausgehenden Richtlinien – Rassengleichbehandlungsrichtlinie und Beschäftigungsrichtlinie – gesehen haben, von denen ich Herrn Weber sagen würde, dass sie die Geschäfte weder in Deutschland noch in meinem Land gebunden oder überreguliert haben.
Sie hat eine Richtlinie für die Grundrechte geschaffen, die nicht die Bürokratie erzeugt, über die Herr Špidla sprach. Ich habe Änderungsanträge eingereicht, um die bereits bestehenden Gleichstellungskörperschaften zu stärken. Im Vereinigten Königreich haben wir den Ausschuss für Gleichstellung und Menschenrechte, der kürzlich den Fall einer europäischen Bürgerin, Sharon Coleman, Mutter eines behinderten Kindes, unterstützte, die einen Fall gegen ihren Arbeitgeber vorgetragen hatte wegen Diskriminierung von Behinderten durch Assoziation, etwas Wesentliches im Bericht von Frau Buitenweg. Der Europäische Gerichtshof urteilte zu ihren Gunsten und infolge dieses Urteils haben wir die Rechte auf die britischen Pfleger ausgeweitet – Menschen, die behinderte Menschen pflegen.
Ich möchte den Menschen in diesem Haus sagen, dass Sie auch alt werden, Sie können behindert werden oder jemanden mit einer Behinderung pflegen. Das ist die Realität für Millionen europäische Bürger. Darum geht es in diesem Bericht. Es handelt sich nicht um sektoriellen Interessen oder um die Frage, wer beherrscht einen oder den anderen Teil der Gesellschaft. Ich würde sagen, dieser Bericht ist weder links noch rechts – er handelt von den Grundrechten. Wie Herr Cashman in seiner Rede sagte, die Menschen dort draußen werden vor den Europawahlen nachprüfen, um zu sehen, ob wir die Grundrechte geschützt haben, ohne unsere Geschäfte oder unsere Wirtschaft zu beeinträchtigen. Gerade das tut dieser Bericht. Unterstützen wir ihn doch. Er ist praktisch und richtig.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte meine Unterstützung für die Arbeit von Frau Buitenweg zum Ausdruck bringen. Soviel ich verstanden habe, wird das, was ein Kompromiss sein sollte, vielleicht überhaupt kein Kompromiss sein, aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass es uns gelingt, zu einer Entscheidung zu kommen.
Wenn überhaupt, sind einige meiner Vorbehalte zu denen von Herrn Mauro entgegengesetzt. Religionsfreiheit? Natürlich, 100%ig. Freiheit für religiöse Bildungseinrichtungen? Natürlich, 100%ig. Keine Religion darf je, unter keinen Umständen, aus keinem Grund ein Vorwand für eine Diskriminierung gleich welcher Art sein. Es gibt keinen Raum für die Duldung von Ausnahmen, durch die eine Kirche oder religiöse Einrichtung Lehrer oder Studierende diskriminieren kann, weil ihr Verhalten nicht einem bestimmten Glauben entspricht, wegen der Gefahr der Einmischung des ethischen Staates und der zahlreichen Religionen, die die gleiche Legitimität beanspruchen.
Das ist nicht der Weg nach vorne. Letztendlich dehnen unsere Verträge und die Europäische Union leider mehr Schutz als notwendig auf die Nationalstaaten aus, mit ihren langen Ausnahmelisten bei den Grundrechten und -freiheiten. Wir sollten zu den bereits bestehenden Ausnahmen keine weiteren mehr hinzufügen.
Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Barrot, meine Damen und Herren! Zusammen mit meinen Kollegen von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten stimmte ich im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres für diesen Bericht. Das war wegen der ausgezeichneten Arbeit des Schattenberichterstatters, Herr Gauber, um einen ausgewogenen Kompromiss zu finden. Ich möchte auch die Berichterstatterin Frau Buitenweg zu ihrer Arbeit beglückwünschen und mich ihrem Aufruf an alle anschließen, die Radikalisierung der Haltungen zu vermeiden und einen möglichst breiten Konsens zu finden.
Wie bei allen Kompromissen gibt es Punkte, bei denen wir erfolgreich unsere Meinung durchsetzen konnten, und andere, die für uns nicht so leicht zu akzeptieren sind. Wir sprechen von einem Kompromiss, der die gesetzlichen Bestimmungen, akzeptierte Praxis und verschiedenen kulturellen Traditionen in den 27 Mitgliedstaaten zu berücksichtigen hat. Meines Erachtens ist die 10-Jahresfrist für die Anpassung der Gebäude, damit Behinderte Güter, Dienstleistungen und Ressourcen nutzen können, als positiv zu sehen, ebenso wie die Tatsache, dass bei Vorliegen von unüberwindbaren strukturellen Schwierigkeiten immer die Möglichkeit besteht, Alternativen zu suchen.
Ich habe meine Stimme auch zu jenen gesellt, die Vorbehalte in Bezug auf die Versicherungsunternehmen vorgetragen haben – der Umstand, zum Beispiel, dass sie neben der ärztlichen Meinung berücksichtigt wurden. Aber ich kann nicht die Vorstellung hinnehmen, den im Ausschuss vereinbarten Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip bei Angelegenheiten des Familien-, Ehe- und Reproduktionsrechts zu streichen. Hierbei handelt es sich um ausschließliche Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für Artikel 8, den die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten mit dem Änderungsantrag 90 zu streichen beabsichtigt, denn angesichts der bestehenden Gesetzestraditionen in zahlreichen Mitgliedstaaten ist es nicht möglich, die Umkehrung der Beweislast hinzunehmen, da dies zu unüberwindbaren rechtlichen Problemen führen wird.
Wenn das die wesentlichen in der Plenarsitzung verabschiedeten Punkte sind, werde ich nicht in der Lage sein, für diesen Bericht zu stimmen. Ich werde aber auch nie in der Lage sein, mit gutem Gewissen gegen eine Richtlinie zu stimmen, die Diskriminierung zwischen Menschen, gleich welcher Religion oder Glaubens, Behinderung, Alters oder sexueller Ausrichtung verbietet. Zusammenfassend, Herr Präsident, geht es auch um die Frage, zu definieren, welches Europa mit unserer Hilfe errichtet werden soll. Ich bin absolut für ein Europa, das unablässig gegen jede Art der Diskriminierung kämpft.
Iratxe García Pérez (PSE) . – (ES) Herr Präsident! Der Vorschlag einer Richtlinie, über den wir heute diskutieren, möchte das Prinzip der Gleichbehandlung als Markenzeichen des europäischen Projekts projizieren. Als solches müssen wir uns mit einem ehrgeizigen Ansatz nähern, um für die Einbindung aller Bürger der Gemeinschaft zu arbeiten, und wir müssen das sowohl in der öffentlichen Politik und den Verwaltungsvorgängen als auch in den Beziehungen zwischen den Einzelpersonen umsetzen.
Wir müssen weiterkommen, um es allen Bürgern zu ermöglichen, ihre Rechte vollständig und ohne Diskriminierung auf Grund von Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung oder natürlich ohne Mehrfachdiskriminierung auszuüben und zu genießen.
Wir müssen unterstreichen, dass das Gleichbehandlungsprinzip und die Ächtung der Diskriminierung in den Foren der Gemeinschafts- aber auch der nationalen Politik respektiert werden müssen, damit wir das Gleichbehandlungsprinzip in ganz Europa zu einer Realität machen können. Wir müssen außerdem ein angemessenes Schutzniveau vor allen Ursachen der Diskriminierung finden, die in Artikel 13 des Vertrags aufgeführt sind.
Diese Initiative muss uns mit besseren Werkzeugen ausstatten im Kampf gegen eventuell diskriminierende Verhaltensformen, die – zu unserer Schande – gegenwärtig immer noch bestehen, wie im Bericht zur Homophobie der Europäischen Agentur für Grundrechte hervorgehoben wurde.
Meine verehrten Kollegen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten, beschmutzen Sie diese Debatte nicht mit leeren Vorwänden, denn eine Stimme gegen diesen Bericht ist ein eindeutiger Beweis für einen ideologischen Standpunkt. Der Kampf gegen die Diskriminierung ist von grundlegender Bedeutung und stellt den Grundstein der Werte der Europäischen Union dar.
Deshalb haben wir sowohl die Verantwortung als auch die Pflicht, heute in diesem Parlament einen Schritt nach vorne zu tun, für das Engagement und die Verteidigung der Gleichbehandlung in ganz Europa. Wir dürfen nicht auf unsere Wünsche und Hoffnungen verzichten, den Fortschritt zu erreichen, und eine Angelegenheit von so grundlegende Bedeutung, basierend auf unseren Werten, in den Bereich der Hoffnungen und Träume verweisen. Die Bürger Europas und, noch wichtiger, die Schwächsten darunter würden es uns nie vergeben.
Csaba Sógor (PPE-DE). – (HU) Laut der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten besitzt jeder Bürger die gleichen Rechte und Freiheiten sowie den gleichen gesetzlichen Schutz, ohne Unterscheidung jeglicher Art, wie Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder andere Meinungen, nationale oder gesellschaftliche Herkunft, Eigentum, Geburt oder anderer Status.
Ich möchte aber unterstreichen, dass entscheidende und effektive Aktionen gegen jede Form der Diskriminierung nötig sind, denn die Diskriminierung ist in Europa immer noch stark vertreten und betrifft viele gesellschaftliche Schichten. In vielen Fällen reicht es nicht, alle Formen der Diskriminierung zu verbieten, die Einführung von unterschiedlichen positiven Maßnahmen ist auch wesentlich, wie im Fall der Menschen, die mit Behinderungen leben müssen. Viele Länder – Italien, Frankreich, Finnland und Spanien, um einige wenige zu nennen – haben Autonomien gewährt und positive Maßnahmen im Interesse des Schutzes der nationalen Minderheiten getroffen.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben auch die Pflicht, gleiche Rechte und gleiche Behandlung der Bürger institutionell zu gewährleisten. Wir brauchen unabhängige Institutionen, die auf europäischer Ebene arbeiten und in der Lage sind, zu prüfen und zu gewährleisten, dass die Staaten sich selbst zu den Prinzipien der Gleichbehandlung verpflichten, aber nicht nur theoretisch, sondern auch konkrete Schritte unternehmen, um diese Richtlinie tatsächlich umzusetzen.
Evangelia Tzampazi (PSE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich möchte Sie fragen, ob es eine Provokation ist, wenn ich hier sitze und nicht stehe, wie die anderen Kollegen, wenn ich zu Ihnen spreche. Ist es eine Beleidigung?
Das Europäische Parlament war und muss auch weiterhin Unterstützer der horizontalen Richtlinie bleiben, die die Gleichbehandlung gewährleistet und die europäischen Bürger vor allen Formen der Diskriminierung schützt. Die Richtlinie muss den bestehenden europäischen rechtlichen Rahmen ergänzen, insbesondere hinsichtlich der Menschen mit Behinderungen, und hat die Pflicht, einen effektiven und nicht diskriminierenden Zugang zu gewährleisten.
Wir haben wichtige Vorschläge aufgenommen. Wir haben den Schutz vor Mehrfachdiskriminierung eingeführt, indem wir im Bericht bestimmen, dass der effektive und nicht diskriminierende Zugang gewährleistet werden muss. In den Fällen, in denen der Zugang nicht unter den gleichen Bedingungen wie für Menschen ohne Behinderungen gewährleistet wird, müssen wir angemessene Alternativen erhalten. Der Bericht gibt strengere Kriterien für die Bewertung vor, ob durch Maßnahmen zum Schutz eines effektiven und nicht diskriminierenden Zugangs unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht werden. Im Bericht sind aber einige Punkte enthalten, die nicht alle unter uns zufrieden stellen, und deshalb werden wir manche der eingereichten Änderungsanträge unterstützen, mit denen die Kohäsion gestärkt werden soll.
Auf jeden Fall bin ich der Ansicht, dass wir den Bericht unterstützen und damit eine klare Botschaft an den Rat senden sollen, dass wir endlich einen effektiven europäischen rechtlichen Rahmen brauchen, der die Diskriminierung beendet, mit der die wesentlichen europäischen Werte der Gleichstellung und Rechtsstaatlichkeit untergraben werden.
Martin Kastler (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Journalist eine Wendung innerhalb dieser Richtlinie erwähnen, die mich persönlich sehr stört. Und zwar kann ich nicht verstehen, dass wir – wenn die Richtlinie in 10 von 27 Mitgliedstaaten noch nicht umgesetzt ist – noch eins draufsetzen und noch einmal eine Zusatzrichtlinie darüberstülpen wollen. Darüber kann man geteilter Meinung sein – okay. Aber was mich – als Journalist – wirklich massiv stört, ist, dass die Pressefreiheit in unseren Mitgliedstaaten dadurch Schaden nimmt. Lassen Sie mich hierzu zwei Beispiele nennen: Der Änderungsantrag von Herrn Weber, der auch zu unterstützen ist, beinhaltet, dass wir die Pressefreiheit auch z. B. dann begrenzen können, wenn ein Verleger eine Anzeige von Neonazis oder von Antisemiten annehmen muss. Das halte ich für absolut verfehlt, und es entspricht überhaupt nicht den Grundsätzen, die wir in der EU haben, und dagegen wehre ich mich. Das dürfen wir nicht zulassen. Das Gleiche gilt natürlich auch, wenn wir eine Antidiskriminierung haben, dann werden diese Leute, die wir in der EU nicht fördern, sondern gegen die wir vorgehen müssen, noch mehr Möglichkeiten haben, z. B. im Immobilienmarkt. In meiner Heimat kommt es fast wöchentlich vor, dass Neonazis versuchen, Immobilien zu kaufen. Wenn diese gemietet oder auch gekauft werden sollen, können wir dies bei linken oder rechten Radikalen dann nicht mehr verhindern. Sie werden sich auf diese neue Novelle berufen, und dagegen wehre ich mich, und ich werde auch dagegen stimmen. Deswegen bin ich dafür, die Rücküberweisung zu unterstützen, und wenn dies nicht möglich ist, dagegen zu stimmen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). - Herr Präsident! Mit der Zeit haben die Europäische Union und die anderen Länder der Welt den Kampf gegen die Diskriminierung auf allen Ebenen vergessen. Unsere Fortschritte als ehrbare Menschen verlangt aber, dass wir eben gerade das tun, und zwar sehr strikt das Subsidiaritätsprinzip einhalten.
Wie Frau Buitenweg erklärte, versprach die Kommission nun schon vor vier Jahren, einen breit angelegten und einschließenden Vorschlag zu den Menschenrechten aller Personen vorzulegen. Das wird nun endlich verwirklicht.
Ich bin der tiefen Überzeugung, dass niemand je wegen seiner Religion oder Weltanschauung, Behinderung oder seines Alters diskriminiert werden darf. Ganz im Gegenteil, als gläubiger Christ appelliere ich an das Europäische Parlament und jeden Einzelnen, nicht nur die Diskriminierung zu beenden, sondern auch denen zu helfen, die auf Grund ihrer Behinderung diskriminiert werden.
Diese Hilfe kann auf verschiedenste Weise erfolgen. Jeder Mitgliedstaat hat sich kontinuierlich für die Verbesserung des gleichberechtigten Zugangs für jene, die es am nötigsten haben, eingesetzt. Mit der fortschreitenden Integration Europas ist es vorrangig zu bedenken, dass wir alle unterschiedlich, aber trotzdem in jedem Sinne vollkommen gleichwertig sind.
Marusya Lyubcheva (PSE). – (BG) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir sprechen hier über eine sehr wichtige Richtlinie, die eine Chance darstellt, Probleme zu lösen, die im Bereich der Nichtdiskriminierung immer noch strittig sind. Ich halte es für besonders wichtig, dass sie das Recht und die Freiheit des religiösen Glaubens sowie die Anwendung des Prinzips der Nichtdiskriminierung in diesem Bereich bestätigt.
Gleichzeitig bezieht sich die Richtlinie ausdrücklich auf die Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften, in der die Europäische Union den Status der Kirchen und religiösen Gemeinden nach nationalem Recht in den Mitgliedstaaten respektiert und nicht beeinträchtigt.
Es wird also auch das Recht der Mitgliedstaaten anerkannt, in diesem Bereich spezifische Bestimmungen zu entwerfen und umzusetzen. Das geht ohne zu sagen, dass das europäische Recht mit dem der Mitgliedstaaten harmonisiert werden muss, um Einzelbereiche zu regeln.
Das ist eine komplexe Angelegenheit. Die Beziehungen müssen klar festgelegt werden, um zu verhindern, dass Rechte anderer verletzt werden, einschließlich der Menschen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen zugelassenen Kirchen angehören.
Manfred Weber (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, sehr geehrte Frau Berichterstatterin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich jetzt in dieser Debatte am meisten zitiert wurde, möchte ich nochmals darauf reagieren.
Ich habe angekündigt, wer Fragen stellt, der ist hier in dieser Debatte der Böse. Alle Redner, die frenetisch gegen Diskriminierung gesprochen haben, haben den Grundsatz beschrieben. Ich bitte nochmals darum, dass wir uns nicht gegenseitig diesen Grundsatz absprechen, dass wir gegen Diskriminierung kämpfen. Auch wenn wir zum Beispiel bei Umweltthemen über das Verbot des Ausstoßes von CO2 streiten, dann streiten wir doch über den Weg, und im Ziel sind wir uns alle einig. Warum darf man nicht auch bei der Frage der Diskriminierung, wie wir Diskriminierung bekämpfen, über den Weg streiten, den wir gehen wollen? Und wenn die Zeitungsverleger bei uns im Büro sitzen und ihre Bedenken äußern, dann dürfen die hier genannt werden.
Lieber Kollege Cashman, Sie tun der Sache und auch Ihren Anliegen keinen Gefallen, wenn Sie all diejenigen in die Ecke stellen, die hier auch einmal Fragen stellen. Nicht mehr und nicht weniger tun wir hier!
Richard Howitt (PSE). – Herr Präsident! Ich darf mich als Schattenberichterstatter des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten im Namen der Sozialistischen Fraktion bei Frau Buitenweg und meiner Kollegin Frau Bozkurt herzlich bedanken. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit!
Im Namen der interfraktionellen Arbeitsgruppe Behinderung freue ich mich, dass der Appell der 1,3 Millionen Menschen, welche die Petition mit dem Aufruf zur Ausdehnung der Antidiskriminierungsrechte auf behinderte Menschen unterzeichnet haben, Gehör gefunden hat. Ich freue mich auch, dass wir parteiübergreifend beschließen konnten, dass es eine horizontale Richtlinie geben sollte, ohne eine Hierarchie der Diskriminierungen einzuführen – ein Versprechen des portugiesischen Vorsitzes der Europäischen Union, als im Jahr 2000 die Rassenrichtlinie verabschiedet wurde. Ehrlich gesagt, es hat zu lange gedauert, bis dieses Versprechen erfüllt wurde.
Ich verurteile die Konservativen, die die Umsetzung dieses Versprechens noch länger hinauszögern wollen. Diese Debatte zeigt nicht nur unsere parlamentarische Unterstützung, sondern ist auch ein Appell an den Rat, diesen Weg weiter zu verfolgen und das jetzt zu beschließen. Ich möchte unsere deutschen Freunde bitten, hier nicht zu blockieren. Es gibt Probleme bei den Privatverträgen, die Ihnen Sorgen bereiten, aber bei den öffentlichen Aufgaben sind Sie weit voraus. Lassen Sie uns nun wirklich den Blick heben und das hier verabschieden. Ich freue mich, dass sich heute der künftige schwedische Vorsitz dazu verpflichtet hat, das im EPSCO-Rat noch vor Weihnachten abzuschließen. Ich hoffe wirklich, dass Sie das schaffen.
Kathalijne Buitenweg, Berichterstatterin. – (NL) Herr Präsident! Es ist für einen Berichterstatter unglaublich schwer, eine gute Arbeit zu machen, wenn die größte Fraktion eine Art Wankelpolitik an den Tag legt. Im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres unterstützte die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten diesen Bericht, weil er einen vernünftigen Kompromiss darstellte. Wir haben mit Herrn Gaubert zusammengearbeitet, der offensichtlich verschwunden ist; zumindest habe ich ihn nicht mehr gesehen. Wir haben auf jeden Fall gemeinsam an genau dem gleichen Text gearbeitet, und jetzt stellt er sich dagegen! Es hat den Anschein, dass der Koordinator, Herr Weber, der EVP-DE-Fraktion im Wesentlichen die Haltung seiner deutschen nationalen Partei auferlegt.
Herr Weber, Sie haben mir persönlich selbst gerade erst vergangene Woche gesagt, dass es nicht eine Frage der Substanz sei, sondern es um das Aussenden eines politischen Signals geht. Stimmt das etwa nicht? Haben Sie das nicht zu mir gesagt? Gut, dann dürfen Sie sich aber jetzt nicht hinter den Details verschanzen – wenn dem so wäre, hätten Sie einfach Änderungsanträge stellen können. Das haben Sie aber nicht. Was Sie wirklich bezwecken, ist, dass der ganze Vorschlag abgelehnt wird. Sie wollen ihn einfach nicht haben, also tun Sie nicht so, als hätten Sie letztendlich dasselbe Ziel.
Ich habe viele Dinge gehört, die direkt beantwortet werden können. Sehr viele Leute haben beispielsweise gefragt, was diese Angelegenheit Europa überhaupt angeht. Es gibt bereits zahlreiche Richtlinien, in denen schon seit Langem der Schutz auf dem Arbeitsmarkt geregelt wird, und der Schutz vor Diskriminierung aus vielen anderen Gründen wird auch außerhalb des Arbeitsmarktes geregelt, aber der Schutz einiger Menschen bleibt zurück, zum Beispiel im Fall einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Ausrichtung und der Religion. Wir erfinden deshalb hier nicht etwas komplett Neues, sondern reparieren die bestehende Gesetzgebung. Wir führen nicht eine neue Zuständigkeit ein; wir stellen sicher, dass Menschen einfach gleich behandelt werden, und dass nicht bestimmte Kategorien als wichtiger betrachtet werden als andere.
Herr Pirker sprach vom Arbeitsmarkt. Damit hat das hier gar nichts tun, das war eine andere Richtlinie. Das hier hat nichts mit der Beschäftigung von Lehrern zu tun. Bleiben wir doch bei den Fakten. Die Beweislast ist ein kniffliger Punkt, wie der Kommissar bereits anmerkte. Das ist aber auch nichts Neues; das gibt es schon in anderen Richtlinien. Es stimmt einfach nicht, dass es den Menschen ermöglicht wird, einfach Anklagen zu erheben, und Sie sich dann dagegen verteidigen müssen. Wir sprechen hier auch nicht vom Strafrecht. Die Menschen müssen zuerst echte Tatsachen aus anderen Bereichen vorbringen, um zu begründen, warum sie der Ansicht sind, dass sie diskriminiert werden, und dann müssen Sie Ihre Gründe darlegen, warum Sie jemanden wegen einer Eigenschaft annehmen oder ablehnen.
Bezüglich der Medien gibt es, wie der Text besagt, bereits eine Bestimmung für die Ablehnung von Werbung, die nicht mit der Identität der Veröffentlichung übereinstimmt: Es steht alles in Artikel 54. Was die Kirchen betrifft, so müssen diese noch nicht einmal alle diese Auflagen insgesamt erfüllen, die allerdings Anwendung finden, wenn sie soziale Aufgaben wahrnehmen. In den Niederlanden, beispielsweise, übernehmen sie gewisse soziale Pflegedienste. Es ist für sie inakzeptabel, von der Erbringung sozialer Aufgaben ausgenommen zu werden, nur weil sie einer Kirche angehören. Das sind die ganz spezifischen Punkte, die im Bericht genannt werden.
Wir haben unser Bestes getan. Wir haben Ihnen überall entsprochen. Ihre Änderungsanträge sind in der Tat hier im Text enthalten, und jetzt werden Sie trotzdem dagegen stimmen, wegen den unterschiedlichsten parteipolitischen Überlegungen. Ich muss sagen, das ist ein persönlicher Schlag für mich, weil ich Ihnen die Hand entgegengestreckt hatte. Ein Großteil Ihres Textes wurde in den Bericht aufgenommen, und ich halte es für schändlich, wenn Sie sich jetzt Ihre Hände in Unschuld waschen!
Der Präsident. - Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt am Donnerstag, den 2. April 2009.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Carlo Casini (PPE-DE) , schriftlich. – (IT) Menschenwürde und Gleichheit sind die beiden großen Werte, auf denen die moderne Menschenrechtskultur beruht. Oft aber werden diese großen Worte verwendet, um das Gegenteil davon zu verdecken. Gleichheit, zum Beispiel, heißt, mit identischen Situationen gleich umzugehen, bedeutet aber auch, unterschiedliche Situationen gleich zu behandeln. Meine Vorbehalte zu diesem Bericht sind auf diese Vorüberlegung zurückzuführen. Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten die Würde und Gleichheit von Behinderten, älteren Menschen, Kranken, Armen, Flüchtlingen und Zuwanderern voll anerkennt. Ich habe aber den Eindruck, es findet der Versuch statt, sich in diese etablierte Bewegung einzuklinken, um die Diskriminierung der Familie auf der Grundlage der Ehe eines Mannes mit einer Frau und der religiösen Freiheit, insbesondere bezüglich der religiösen Schulen, durchzusetzen. Ich werde es nie müde, für die Gleichberechtigung der Kleinsten, der Ärmsten und der Hilflosen zu kämpfen. Gerade deswegen tut es mir so weh, wenn ich sehe, wie das Europa der Menschenrechte über seine Gesetze und Praxis die Diskriminierung der härtesten Art zwischen geborenen und ungeborenen Kindern durchsetzt. Heute diskutieren wir nicht darüber, aber es wäre angemessen, wenn das bei den Überlegungen über die Würde und Gleichheit bis in das europäische Bewusstsein vordringen würde.
Gabriela Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Es scheint Schicksal des Kalenders zu sein, dass wir über diese Richtlinie heute sprechen und morgen darüber abstimmen, am Welt-Autismus-Tag. Da ist ein gutes Vorzeichen.
Für uns steht fest, dass es tatsächlich bedeutende Unterschiede zwischen den nationalen gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten über die Rechte und Interessen von Menschen, deren Leben vom Autismus geprägt ist, bestehen. Der Unterschied ist noch größer, wenn wir das alltägliche Leben der Betroffenen vergleichen.
Es liegt noch ein langer Weg vor uns, bis wir europäische Standards erreichen, aber gewisse Fortschritte müssen gemacht werden. Autismus muss als getrennte Behinderung unter den geistigen Behinderungen anerkannt werden, und spezifische Strategien müssen dafür erdacht werden.
Das kann so manchem teuer vorkommen, aber die Gleichbehandlung ist einfach ein Muss, gleich wie für Menschen mit anderen Behinderungen, damit wir uns selbst und die Werte der europäischen Gesellschaft achten können.
Bairbre de Brún (GUE/NGL), schriftlich. – (GA)
Diese Richtlinie stellt die sehr wichtige Erkenntnis in den Vordergrund, dass die Diskriminierung nicht etwas ist, das nur am Arbeitsplatz geschieht. Das Hauptziel der Empfehlung der ständigen Kommission ist die Behebung der Diskriminierung auf Grund der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sowie die Verwirklichung des Prinzips, dass alle Menschen außerhalb der Arbeitswelt gleich behandelt werden.
Ich weiß aus meinen Tätigkeiten mit Gruppen, die sich für die Rechte der Behinderten einsetzen, und behinderten Menschen in Irland, dass das Gesetz wärmstens willkommen geheißen wird. Frau Buitenweg hat absolut recht, wenn sie in ihrem Bericht besagt: „Um die Gleichbehandlung aller Menschen mit einer Behinderung sicher zu stellen, ist die Prävention der Diskriminierung nicht ausreichend. Es bedarf auch positiver Maßnahmen in Verbindung mit im Voraus umgesetzten Maßnahmen und durch ein Angebot angemessener Anpassungen.“
Ich begrüße auch den entschiedenen Standpunkt, den die Kommission bezogen hat, um die Diskriminierung auf Grund der sexuellen Ausrichtung zu vermeiden. Für die Diskriminierung dieser Art gibt es in einer modernen Gesellschaft keinen Platz, und ich lehne die Bemühungen einiger politischer Gruppen ab, das Gesetz in diesem Bereich abzuschwächen.
Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. – Ich bin Sozialist, das heißt, ich glaube, dass alle Menschen gleich sind. Wir müssen überall dort gegen die Diskriminierung kämpfen, wo sie auftritt, nicht nur am Arbeitsplatz. Es darf tatsächlich keine Hierarchie der Diskriminierungen geben. Alle sind anders, alle sind gleich.
Zweck der Richtlinie ist die Verwirklichung des Prinzips der Gleichbehandlung der Menschen, unabhängig von ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alter oder ihrer sexuellen Ausrichtung außerhalb des Arbeitsmarktes. Festgelegt wird dabei der Rahmen für das Verbot der Diskriminierung aus diesen Gründen und ein einheitliches Mindestschutzniveau innerhalb der Europäischen Union für Menschen, die eine solche Diskriminierung erlitten haben.
Dieser Vorschlag ergänzt den bestehenden gesetzlichen Rahmen der EG, nach dem das Verbot der Diskriminierung auf Grund von Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung nur bei der Beschäftigung und Berufsausbildung Anwendung findet.
Lidia Geringer de Oedenberg (PSE), schriftlich. – (PL) Diskriminierung ist ein ernst zu nehmendes Problem in und außerhalb von Europa. Laut einer speziellen Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2008 erklärten 15 % der Europäer, im vergangenen Jahr Opfer einer Diskriminierung geworden zu sein.
Das Europäische Parlament hat über vier Jahre lang auf die vorgeschlagene Richtlinie gewartet. Sie stellt einen Versuch dar, die Prinzipien der Gleichbehandlung von Personen unabhängig von Religion, Behinderungen, Alter oder sexuellen Ausrichtung zu verwirklichen. Die Anwendung erfolgt aber nicht nur im Sinne des Zugangs zu einer Beschäftigung, sondern auch zu Gütern, Geräten und Dienstleistungen, wie zum Beispiel Banken, Wohnungswesen, Bildung, Transport und Gesundheitswesen.
Daneben definiert das Dokument die Mindestrahmenstandards, um den Schutz vor Diskriminierung sicher zu stellen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, den gebotenen Schutzstandard zu erhöhen, wenn sie dies wünschen. Sie dürfen sich aber nicht auf die neue Richtlinie berufen, um eine Herabsetzung der bestehenden Standards zu rechtfertigen. Die Richtlinie begründet für die betroffenen Parteien einen Entschädigungsanspruch. Es wird auch besagt, dass die Mitgliedstaaten nicht einfach erklären dürfen, dass sie die Diskriminierung überwinden möchten, sondern dass sie auch die Pflicht haben, das zu tun.
Eine signifikante Anzahl an Mitgliedstaaten der Union hat bereits gesetzliche Bestimmungen eingeführt, mit denen in unterschiedlichem Grad Schutz vor Diskriminierung auf Grund von Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung gewährt wird, der über den Arbeitsmarkt hinaus geht. Dieser Richtlinienentwurf ermöglicht die Einführung von übereinstimmenden europäischen Bestimmungen in diesem Bereich. Er stellt eine entschiedene Aussage dar, dass Europa als Ganzes die Diskriminierung nicht zulässt. Diskriminierungsfreiheit ist ein Grundrecht und muss allen in der Europäischen Union zustehen.
Zita Gurmai (PSE), schriftlich. – (HU) In der letzten Zeit war die Chancengleichheit ein Thema von verstärkter Bedeutung bei den Entscheidungen der Gemeinschaft. Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie für Gleichbehandlung ist die Anwendung des Gleichbehandlungsprinzips ungeachtet der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung.
Diskriminierungsfreiheit ist ein Grundrecht und muss für alle Bürger der Europäischen Union gelten. Ich bestehe entschieden darauf, dass wir gegen jede Art der Diskriminierung vorgehen müssen. Der dafür noch vor uns liegende Weg ist lang, aber es ist auch klar, dass wir jeweils immer nur einen Schritt nach vorne machen können. Das bedeutet an erster Stelle die Ergänzung und Konsolidierung der Gesetze, zweitens die Umsetzung der Gesetze mit neuen, konsistenten und vereinheitlichten Prinzipien in nationales Recht, und zuletzt die praktische Verwirklichung. Obwohl das, einzeln in Angriff genommen, viel Arbeit und Zeit bedeuten würde, haben wir das Ziel, innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens erfolgreich zu sein, indem wir konkrete Schritte nach vorne aufzeigen und in einem Europa leben, das wirklich frei von Diskriminierung ist.
Lívia Járóka (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Ich möchte meine Kollegin Frau Buitenweg zu ihrem Bericht beglückwünschen, der uns den Weg öffnet, die rechtliche Struktur zur Auslöschung jeder Art von Diskriminierung zu ergänzen. Artikel 13 des Vertrags der Europäischen Union setzt das Ziel, gegen die Diskriminierung nicht nur auf Grund des Geschlechts und der ethnischen Herkunft zu kämpfen, sondern auch auf Grund der Religion, Weltanschauung, Behinderung und sexuellen Ausrichtung.
Trotz der Verabschiedung und Umsetzung in nationales Recht der Richtlinien 2000/43, 2000/78 und 2004/113 gibt es bislang keinen gemeinschaftlichen Schutz vor Diskriminierung aus den vier oben genannten Gründen außerhalb des arbeitsrechtlichen Bereichs. Die vorgeschlagene Richtlinie soll diese Lücke ausfüllen, und wir hoffen, dass sie, neben dem Verbot der Diskriminierung, ein Rechtsmittel für alle darstellt, die in den 27 Mitgliedstaaten benachteiligt werden.
Die effektive Verwirklichung der hier beleuchteten Richtlinie und der Ausgleich der im Verlauf der Umsetzung und Anwendung der früheren Richtlinien festgestellten Mängel sollte den in der Europäischen Union geltenden Schutz der Bürger vor Diskriminierung ergänzen. Außerdem bedarf die Verabschiedung der vorgeschlagenen Richtlinie keiner Änderungen der jeweiligen nationalen Gesetze. Deshalb hoffe ich innigst, dass der Rat in der Lage ist, die nach den Verträgen geforderte einstimmige Unterstützung zu erbringen, und dass jeder Mitgliedstaat seinen Beitrag leistet, damit die Europäische Union bei der Erfüllung unserer Grundwerte und -ziele einen enormen Schritt nach vorne machen kann.
Silvana Koch-Mehrin und Alexander Graf Lambsdorff (ALDE), schriftlich. – (DE) Die angewandte Rechtsgrundlage, Art. 13 Abs. 1 EGV ist nicht einschlägig, zumal nach Auffassung der FDP das Subsidiaritätsprinzip nicht eingehalten wurde. Es fällt nicht in die Kompetenz des EU-Gesetzgebers, die vorliegenden Regelungen zu treffen und dabei weit in die Selbstbestimmung der Mitgliedstaaten einzugreifen.
Die Bekämpfung von Diskriminierungen aller Art sowie die Teilhabe von Behinderten am öffentlichen Leben ist eine wichtige Aufgabe. Die vorgesehene Ausdehnung der Antidiskriminierungsvorschriften auf nahezu alle Lebensbereiche ist aber realitätsfremd. So führt die in der Richtlinie verankerte Beweislastumkehr dazu, dass Beschuldigungen ohne hinreichende Beweise ausreichen, um ein Verfahren zu eröffnen. Betroffene müssten dadurch Entschädigungen leisten, obwohl sie nicht diskriminiert haben, aber ihre Unschuld nicht nachweisen können. Derart pauschal definiert ist die Umkehr der Beweislast daher rechtsstaatlich bedenklich. Hierdurch wird Unsicherheit geschaffen und Missbrauch Vorschub geleistet. Das kann nicht Sinn und Zweck einer fortschrittlichen Antidiskriminierungspolitik sein.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Europäische Kommission gegenwärtig gegen zahlreiche Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung der bisherigen europäischen Richtlinien zur Antidiskriminierungspolitik eingeleitet hat. Es fehlt bisher jedoch eine Übersicht der umgesetzten Vorschriften, um den reklamierten Bedarf neuer Vorschriften feststellen zu können. Insbesondere Deutschland ist hier bereits erheblich über vergangene Vorgaben aus Brüssel hinausgegangen. Aus diesem Grund haben wir gegen diesen Bericht gestimmt.
Sirpa Pietikäinen (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Wird die Gleichbehandlungssrichtlinie verwirklicht, stellt das den wichtigsten Schritt in dieser Legislaturperiode für ein soziales Europa und ein Europa der Menschen dar. Wird sie auf alle Menschen und Diskriminierungskriterien angewendet, erhalten die Bestimmungen sowohl zur aktiven als auch passiven Diskriminierung enorme Auswirkungen auf das Leben von zahlreichen EU-Bürgern. In diesem Sinne möchte ich der Berichterstatterin für ihre ausgezeichnete Arbeit danken.
Sowohl in Finnland als auch in anderen Ländern Europas wird das alltägliche Leben vieler Menschen durch Diskriminierungen der einen oder anderen Art erschwert. Das dürfte in der heutigen Gesellschaft, in der Menschenrechte und Gleichberechtigung gewahrt werden, nicht mehr möglich sein: Alle müssen die gleiche Chance zur Beteiligung an der Gesellschaft erhalten. Die Nichtdiskriminierung ist das Kennzeichen einer zivilisierten Gesellschaft.
Es ist besonders wichtig, dass die Richtlinie alle Diskriminierungskriterien abdeckt. Es bestehen zwar große Unterschiede zwischen den Gruppen und Einzelpersonen, die sich der Diskriminierung ausgesetzt sehen, aber wir müssen das Problem der Diskriminierung als Phänomen konsistent angehen, ohne eine oder mehrere bestimmte Gruppen zu nennen. Ein fragmentierter Ansatz würde unumgänglich die verschiedenen Diskriminierungskriterien in ihrem Wert unterscheiden und zu Klüften führen, die für Menschen, welche sich einer Diskriminierung aus einem der vielen Gründe ausgesetzt sehen, die Gefahr bergen, hineinzufallen.
Siiri Oviir (ALDE), schriftlich. – (ET) Die Europäische Union beruht auf den gemeinsamen Prinzipien der Freiheit, Demokratie und der Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Artikel 21 der Europäischen Charta der Grundrechte besagt, Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten. [Das ist ein direktes Zitat des Gesetzes.]
Die Anerkennung der Einmaligkeit einer jeden Person und deren Gleichberechtigung bei den vom Leben gebotenen Chancen ist eines der Attribute der vereinten Vielfältigkeit Europas, die ein zentrales Element der kulturellen, politischen und sozialen Integration der Union ausmacht.
Auch wenn die Entwicklung in vielen Bereichen der EU bislang sehr erfolgreich war, ist es überraschend, dass uns immer noch gemeinsame Regeln fehlen, um mit der Gewalt oder dem Missbrauch von Behinderten oder dem sexuellen Missbrauch umzugehen, und nicht alle Mitgliedstaaten erkennen diesen Bürgern ausreichend ihre Grundrechte an. Wir müssen eingestehen, dass der europäische rechtliche Rahmen für den Kampf gegen die Diskriminierung noch nicht vollkommen ist.
Ich begrüße voll und ganz die neue Richtlinie, mit der in der EU ein gemeinsamer Rahmen für den Kampf gegen die Diskriminierung geschaffen wird. Der besagte Rahmen wird wahrscheinlich zu einer umfassenderen Verwirklichung des Prinzips der Gleichbehandlung als nur auf dem Arbeitsmarkt in den Mitgliedstaaten führen.
Die Diskriminierung bekämpfen bedeutet, in das Bewusstsein einer Gesellschaft investieren, deren Entwicklung über die Integration geschieht. Um aber die Integration zu erreichen, muss die Gesellschaft in Ausbildung, Bewusstsein und die Förderung von guten Praktiken investieren, um einen fairen Kompromiss im Sinne und zum Wohle der Interessen aller Bürger zu finden. Deshalb sind noch große Bemühungen unsererseits erforderlich, um die Diskriminierung in Europa zu überwinden.
Daciana Sârbu (PSE), schriftlich. – (RO) Das Recht, nicht diskriminiert zu werden, ist ein Grundrecht, das bezüglich seiner Anwendung auf die EU-Bürger nie in Frage gestellt wurde. Die Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder Weltanschauung, Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung ist eines der Grundprinzipien der europäischen Integration.
Diese lang erwartete Richtlinie, deren Geschichte schon während der Konsultationen im Parlament kompliziert war, beruht auf Artikel 13 des EG-Vertrags und bestimmt den Schutz vor Diskriminierung mit besonderem Schwerpunkt auf der Gleichbehandlung ungeachtet der Gründe. Es darf überhaupt keinen Zweifel an der Notwendigkeit dieser Richtlinie geben, angesichts der großen Anzahl an Menschen, ungefähr 15 %, die angeben, sie würden auf EU-Ebene diskriminiert.
Ich möchte auch die Bedeutung dieser neuen Richtlinie mit den sich bereits in Kraft befindlichen für den Kampf gegen die Diskriminierung hervorheben. Das ist eine Aufgabe, die durch die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten erreicht wird. Ich freue mich in diesem Sinne, die in diesem Bereich in Rumänien in den letzten Jahren erzielten Fortschritte hervorheben zu können, wie es die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte bescheinigt.
Abschließend glaube ich, dass diese Richtlinie angesichts der sozialen Schutzmaßnahmen, der sozialen Vorteile und des erleichterten Zugangs zu Gütern und Dienstleistungen, die damit gewährleistet werden, bedeutende Auswirkungen besitzen wird.
VORSITZ: MAREK SIWIEC Vizepräsident
15. Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Europäischer Sozialfonds und Kohäsionsfonds: Vorschriften zur Finanzverwaltung - Aufnahme weiterer Kosten, die für eine Beteiligung des ESF in Betracht kommen - Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Bereich Wohnungsbau (EFRE) (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über:
- die Empfehlung (A6-0127/2009) von Frau García Pérez im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung zum Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Novellierung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 über den Europäischen Regionalen Entwicklungsfonds, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds hinsichtlich gewisser Bestimmungen im Zusammenhang mit der Finanzverwaltung (17575/2008 – C6-0027/2009 – 2008/0233 (AVC))
- den Bericht (A6-0116/2009) von Frau Jöns im Namen des Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zum Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Novellierung der Verordnung (EG) Nr. 1081/2006 über den Europäischen Sozialfonds zur Erweiterung der Kostenarten, die für eine Beteiligung des ESF in Betrachtung kommen (KOM(2008)0813 – C6-0454/2008 – 2008/0232 (COD)), und
- den Bericht (A6-0134/2009) von Herrn Angelakas im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung zum Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Novellierung der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 über den Europäischen Regionalen Entwicklungsfonds bezüglich der Förderwürdigkeit von Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Wohnungsbau (KOM(2008)0838 – C6-0473/2008 – 2008/0245 (COD)).
Iratxe García Pérez, Berichterstatterin. − Herr Präsident! An erster Stelle möchte ich mich bei allen meinen Kollegen im Ausschuss für Regionale Entwicklung bedanken, die sich sehr dafür eingesetzt haben, um diese wichtige Vereinbarung heute auf den Tisch zu bringen. Diese Vereinbarung betrifft die Änderung von gewissen Regeln, um eine Reihe von unmittelbar umzusetzenden Änderungen zuzulassen.
Die Europäische Union befindet sich vor einer noch nie da gewesenen Wirtschaftskrise, die in den meisten Mitgliedstaaten zu einer Rezession geführt hat. Im Rahmen des Europäischen Konjunkturprogramms hat die Europäische Kommission eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um Veränderungen an den Regeln des Struktur- und Kohäsionsfonds vorzunehmen und so Investitionen zu stimulieren. Bei diesen Änderungen gibt es zwei klare Prioritäten: Erhöhung der Ausgaben, um die Liquidität zu verbessern, und Vereinfachung der Regeln, um eine schnellere Genehmigung der Projekte zu ermöglichen.
Dieses Änderungspaket wurde als vorübergehende Antwort auf eine kritische Situation konzipiert, obwohl es keine Antwort auf den des Öfteren wiederholten Appell des Europäischen Parlaments nach Vereinfachungen und Flexibilität bietet.
Ich möchte die vorgeschlagenen Änderungen kurz erläutern, damit wir alle ihre Bedeutung für das Erreichen der von uns gesetzten Ziele verstehen:
– Erhöhung der Unterstützung durch die Europäische Investitionsbank und den Europäischen Investitionsfonds sowie größere finanzielle Unterstützung für technische Aktivitäten im Zusammenhang mit der Projektentwicklung und -realisierung;
– Vereinfachung der Zuschussfähigkeit für Aufwendungen;
– Erhöhung der Vorfinanzierung für den Europäischen Regionalen Entwicklungsfonds (EFRE) und den Europäischen Sozialfonds (ESF); der Gesamtbetrag der zusätzlichen kurzfristigen Darlehen über diese Maßnahme beläuft sich auf 6,25 Milliarden Euro;
– Beschleunigung der Aufwendungen bei größeren Projekten durch die Änderung des gegenwärtigen Höchstsatzes von 35 % auf Vorauszahlungen, mit der Möglichkeit von Vorauszahlungen in Höhe von bis zu 100 % bei Empfängern von staatlichen Beihilfen mit öffentlichem Nutzen.
Wir im Parlament wissen, dass diese Maßnahmen so schnell wie möglich verabschiedet werden müssen, um die unmittelbaren Liquiditätsbedürfnisse in den Mitgliedstaaten abzudecken, und wir wissen, dass diese Maßnahmen sich mit absoluter Sicherheit auch positiv auf alle Regionen und Gemeinden in Europa auswirken werden.
Vergangene Woche haben wir über die Zukunft der Kohäsionspolitik debattiert und einstimmig beschlossen, dass sie zu enormen Fortschritten bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in vielen unserer Regionen geführt hat.
In diesen Zeiten großer Ungewissheit ist es wichtiger denn je, diese Prinzipien der Solidarität und der Kooperation zwischen den Territorien zu verteidigen, da die Menschen sehen müssen, dass wir in Europa in der Lage sind, zu helfen, einen Weg aus der Krise zu finden, die Millionen Menschen in große Schwierigkeiten versetzt. Heute brauchen wir mehr denn je starke Werkzeuge, mit denen wir diese Probleme lösen können.
Wenn wir diese Änderungen durchführen, erleichtern wir die Beschleunigung von Projekten und die Investitionen in diese, was auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen wichtig ist.
Ferner können wir dank des Europäischen Sozialfonds Aus- und Weiterbildungsinitiativen entwickeln und zu den schwächsten Sektoren der Gesellschaft und Menschen mit den größten Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt bringen. Das kann der Fall sein bei Frauen, behinderten Menschen und Langzeitarbeitslosen. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Sektoren in Krisenzeiten am verletzlichsten sind.
Hier möchte ich wiederholen, was wir bereits in der Begründung des Berichts besagen, dass, obwohl wir uns der notwendigen Dringlichkeit der Behandlung dieser Angelegenheit bewusst waren, das Parlament bei der Entwicklung dieser Vorschläge im Sinne der Qualität und Quantität des Dialogs stärker involviert sein möchte.
Deshalb werden wir eingedenk der aktuellen Probleme in Europa diese Maßnahmenvorschläge zur Änderung des Strukturfonds umfassend unterstützen, um bei der Lösung der gegenwärtigen Situation voranzukommen.
Karin Jöns, Berichterstatterin. – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kollegen und Kolleginnen! Das hat es nicht oft gegeben und unterstreicht eigentlich die Bedeutung der Beratungen, der jetzigen Reformen und den dringenden Handlungsbedarf, denn wir nehmen zum allerersten Mal einen Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zu den Strukturfonds an, zu dem es fast gar keinen Änderungsantrag gibt.
Ich bin erleichtert darüber, dass wir hier so einmütig über diesen Verordnungsvorschlag der Kommission zum Europäischen Sozialfonds beraten, und ich möchte Ihnen allen dafür danken, dass Sie auch meiner Empfehlung gefolgt sind, beim Europäischen Sozialfonds keine Änderungsanträge zu stellen. Denn eines ist wirklich klar, die Finanz- und Wirtschaftskrise verlangt von uns allen einmal mehr der Verantwortung für eine optimale und vor allem rasche Qualifizierung unserer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ganz besonders jetzt Rechnung zu tragen. Denn inzwischen leiden immer mehr Menschen unter den arbeitsmarktpolitischen Folgen dieser internationalen Finanzkrise. Sie erwarten Antworten von uns, sie erwarten Schutz, und vor allem brauchen sie Antworten jetzt und nicht erst in ein paar Monaten.
Daher wird die Reform der Europäischen Sozialfondsverordnung, die wir morgen beschließen, auch umgehend in Kraft treten. Damit tragen wir erheblich zur Entbürokratisierung des Europäischen Sozialfonds bei. Die Mittelbewilligung wird vereinfacht, und dadurch wird dann auch der Mittelabfluss beschleunigt. Monatelange Antragsverfahren und schwierige Abrechnungsmodalitäten, die bis hin zu Belegen der einzelnen Bus- und Straßenbahnfahrkarten der Maßnahmeteilnehmer gingen, haben nun ein Ende.
Manchmal frage ich mich allerdings auch, warum es erst einer so dramatischen Krise bedarf, bis wir einen solchen Schritt tun. Gut, es ist ja eigentlich nie zu spät, und wir stellen mit dieser Reform wenigstens jetzt sicher, dass die Mittel voll ausgeschöpft werden können und hoffentlich auch dann ganz schnell bei den am stärksten Betroffenen bestmöglich ankommen. Wir müssen diesen Menschen so schnell wie möglich die Reintegration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Sie dürfen erst gar nicht in eine längere Arbeitslosigkeit abgleiten. Denn von dort ist es heute bis ins Prekariat bzw. in die Armut nicht mehr weit.
Was hat sich nun geändert? Oder was wird sich ändern, wenn wir das morgen beschließen? In Zukunft werden Projektantragsteller nach Pauschalsätzen abrechnen können und zudem Pauschalbeträge bis zu 50 000 Euro pro Maßnahme beantragen können. Und allen Bedenkenträgern sei noch einmal gesagt: Die Kontrolle über eine korrekte Mittelvergabe bleibt dabei gewährt. Denn sowohl Pauschalsätze als auch Pauschalbeträge werden zum einen von den Mitgliedstaaten selbst festgelegt, und es wird zum anderen von der Kommission natürlich vorab auch geprüft, ob diese wirklich – ich zitiere – fair, ausgewogen und nachprüfbar sind. Und das Verfahren scheint in der Tat in Ordnung zu sein, denn dieser Regelung haben auch, man staune, unsere Haushaltskontrolleure nichts entgegenzusetzen gehabt.
Wir vereinfachen also das Verfahren. Was wir dagegen nicht ändern, das sind die inhaltlichen Schwerpunkte des Europäischen Sozialfonds. Dazu besteht auch momentan gar kein Anlass, denn den Projektantragstellern wird genug Spielraum gelassen, um selbst auf die konkreten Arbeitsmarktbedürfnisse entsprechend reagieren zu können.
Und einen Satz noch zum Schluss: Wir stellen den Mitgliedstaaten im Übrigen auch für dieses Jahr noch Vorschusserhöhungen von weiteren 1,8 Milliarden Euro für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung, und ich denke, das ist ein klares Signal dieses Hauses, dass wir in der Krise rasch handeln und hier Solidarität beweisen.
Ich möchte mich noch dafür entschuldigen, dass ich dem Verlauf der Debatte nicht bis zum Schluss folgen kann, da ich jetzt in den Vermittlungsausschuss zur Arbeitszeitrichtlinie muss.
Emmanouil Angelas, Berichterstatter. − (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte auch meine Redezeit nutzen, um mich bei meinen Kollegen des Ausschusses für Regionale Entwicklung für den Geist der guten Zusammenarbeit bedanken, mit dem wir gearbeitet haben.
Nach der Kreditklemme, die uns vor einigen Monaten traf, wissen wir alle, dass die Kommission am 26. November 2008 eine Mitteilung zu einem Europäischen Konjunkturplan für die Mitgliedstaaten und ihre Regionen veröffentlichte, der auf der Stärkung der europäischen Wirtschaft und Bestätigung der Kernwerte der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung beruht.
Unter Anderem fordert dieses Programm die Mitgliedstaaten auf, ihre operationellen Programme für die Strukturfonds und den Energiesektor zu überarbeiten, mit besonderem Schwerpunkt auf der Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude, da die Bauwirtschaft einer der Industriesektoren ist, in dem die meisten Arbeitsplätze geschaffen werden.
Somit war es notwendig, die allgemeine Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 für Strukturfonds zu überarbeiten. In diesem Rahmen und konkret bezüglich der Energieeffizienz der Gebäude übernahm ich die Umarbeitung der fraglichen Verordnung als Berichterstatter für das Europäische Parlament.
Als Berichterstatter möchte ich auch besonders auf folgende Aspekte hinweisen. Bislang wurden für den Europäischen Regionalen Entwicklungsfonds (EFRE) ausschließlich Aufwendungen der Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union nach Mai 2004 beigetreten sind, als für den Wohnungsbau förderfähige Ausgaben berücksichtigt, insbesondere solche für Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Wohnungsbau.
Zunächst hielt ich es in meinem Bericht für nützlich, den Rahmen der Überarbeitung der Verordnung auf die Förderung der Energieeffizienz und der Energie aus erneuerbaren Quellen im Wohnungsbau in allen 27 Mitgliedstaaten zu konzentrieren. Ich bin der Ansicht, dass dieser Vorschlag, da er auf der wirtschaftlichen Lage eines Staates oder einer Region und nicht auf dem Beitrittsdatum beruht, von großer Tragweite ist. In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass in zahlreichen Städten und Regionen in Europa, und nicht unbedingt nur im Territorium eines neuen Mitgliedstaats, große Probleme beim Zugang zum Wohnungsmarkt bestehen.
Dann hielt ich es für nützlich, ein Ausgabelimit für die jeweiligen Investitionen in Höhe von 4 % der gesamten EFRE-Mittelausstattung fest zu setzen und den Verweis auf Haushalte mit niedrigem Einkommen zu streichen, eine Empfehlung, die in den anfänglichen Vorschlag der Kommission aufgenommen worden war, so dass es jedem Mitgliedstaat selber überlassen bleibt, zu bestimmen, welche Haushalte berechtigt sind. Auf dieser Grundlage hielt ich es für entscheidend, die Kategorie der berechtigten Haushalte in den Händen der Mitgliedstaaten zu belassen, so dass jedem Mitgliedstaat möglich ist, spezifische Interessenkriterien zu bestimmen, wie die Finanzkraft der Eigentümer und die geographische Lage (Insel, Berge, Flachland und so weiter). Zuletzt ist die Erhöhung des Pauschalbetrags auf 50 000 Euro wichtig, weil das die gegenwärtigen Kosten widerspiegelt.
In diesem Bericht wollte ich die Haltung des Europäischen Parlaments zu dieser Angelegenheit ausdrücken und dadurch auch den Kompromiss mit dem Rat im Rahmen des Verfahrens der Mitentscheidung für die Änderungen, die wir am anfänglichen Vorschlag vorgenommen hatten, darstellen.
Die Überarbeitung der fraglichen Verordnung verändert nicht die förderungsfähigen Ausgaben für den Wohnungsbau, stärkt aber die Aktivitäten der für die Wirtschaft wichtigen Sektoren, wie das Bauwesen und die Sektoren der Errichtung von Energieanlagen und Anlagen für erneuerbare Energien.
Im allgemeineren Sinn hat das mit der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zu tun, mit der Unterstützung der Mitgliedstaaten; mit der Aufrechterhaltung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, denn die Verordnung wird in allen Mitgliedstaaten angewendet; fördert die Ziele der Kohäsionspolitik, wie es Artikel 158 des EG-Vertrags fordert, und erhöht nicht den Haushalt der Gemeinschaft für den Zeitraum 2007-2013, sondern beschleunigt die Leistung von Voraus- und Abschlagszahlungen.
Hier möchte ich klären, wie wichtig es ist, dass wir drei zusätzliche Arten von förderungsfähigen Kosten aufgenommen haben: indirekte Kosten, pauschal berechnete Kosten und Pauschalbeträge.
Zum Abschluss möchte ich sagen, dass heute Kommissar Barrot bei uns ist, in Vertretung der Kommissarin für Regionalpolitik, Frau Hübner. Wie vereinbart, wird er eine verbindliche Aussage der Kommission zur Bewertung der neuen Maßnahmen für das Jahr 2010 im Zusammenhang mit allen drei Verordnungen machen.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Frau García Pérez, Frau Jöns und Herrn Angelakas danken. Sie haben drei hochwertige Berichte zu den Überarbeitungsvorschlägen der Verordnungen des Struktur- und des Kohäsionsfonds erstellt, die von der Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament im Kontext des im November verabschiedeten Europäischen Konjunkturplans unterbreitet wurden.
Diese drei Berichte – über die allgemeine Verordnung, die Verordnung des Europäischen Sozialfonds und Verordnung des Europäischen Regionalen Entwicklungsfonds – sind Beleg für die Sorge des Parlaments, damit sich die Europäische Union selber die erforderlichen Mittel bereitstellen kann, die es ihr ermöglichen, unverzüglich und effektiv gegen die Auswirkungen der Krise im Sinne von Wachstum und Beschäftigung anzugehen.
Die Kohäsionspolitik ist ein starker Hebel zur Stimulierung der realen Wirtschaft. Mittel in Höhe von 347 Milliarden Euro für den Zeitraum 2007-2013: Das bedeutet so viel, wie eine solide Grundlage für Haushaltsstabilität und öffentliche Investitionen in den Mitgliedstaaten und Regionen der Europäischen Union zu schaffen.
Aus diesem Grund spielt die Kohäsionspolitik eine so große Rolle für das Europäische Konjunkturprogramm. Tatsache ist, dass die Kommission mit diesem Konjunkturprogramm Maßnahmen empfohlen hat, die unter die vier vorrangigen Bereiche der Lissabon-Strategie fallen: Einzelpersonen, Geschäfte, Infrastruktur und Energie sowie Forschung und Innovation.
Die Kommission hat daneben eine umsichtige Kombination vorgeschlagen, in der Strategie und Arbeitskräfte verbunden als Katalysator für Schlüsselinvestitionen fungieren können, die es der Europäischen Union ermöglichen, dauerhaft den Wohlstand wieder herzustellen. Bezüglich der Kohäsionspolitik ist das Hauptziel dieser Strategie die Beschleunigung sowohl der Realisierung der Programme als auch der Investitionen in Projekte zum Wohle der EU-Bürger und wirtschaftlichen Aktivität.
Die Berichterstatter haben soeben die Einzelheiten der Ihnen unterbreiteten Verordnungsnovellierungen erläutert. Ich werde mich auf eine oder zwei davon konzentrieren.
An erster Stelle werden den Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Verwaltung der Mittel Erleichterungen angeboten, nicht zuletzt zusätzliche Vorauszahlungen in Höhe von 2 % bzw. 2,5 %, was einen Betrag von 6,25 Milliarden Euro für 2009 ausmacht. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass dieses Geld schnell die Empfänger erreicht, damit zusätzliche Finanzmittel für vorrangige Projekte zur Verfügung stehen.
Für die Energieeffizienz und erneuerbaren Energien bedeutet der Änderungsantrag der EFRE-Verordnung, dass bis zu 4 % der gesamten EFRE-Mittel in das Wohnungswesen investiert werden können. Das entspricht einem für alle Mitgliedstaaten zur Verfügung stehenden Gesamtbetrag von 8 Milliarden Euro. Das erhöht den Beitrag der Kohäsionspolitik im Kampf gegen den Klimawandel.
Bezüglich der großen Projekte beabsichtigt der eingereichte Änderungsantrag der allgemeinen Verordnung die Lockerung der Finanzverwaltungsregeln, damit es den Verwaltungsbehörden gestattet wird, in die Ausgabenerklärungen an die Kommission Aufwendungen im Zusammenhang mit großen Projekten aufzunehmen, die noch nicht Gegenstand einer Entscheidung der Kommission waren.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise wirkt sich außerdem besonders stark auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aus. Deshalb war es von wesentlicher Bedeutung, diesen, im Kontext des Konjunkturplans, den Einsatz von Finanzierungsinstrumenten zu erleichtern, damit sie ihre Projekte realisieren können, besonders dank JEREMIE (Joint European Resources for Micro to Medium Enterprises). Die anderen Überarbeitungsvorschläge der allgemeinen Verordnung verfolgen die gleichen Ziele direkte Verträge mit der Europäischen Investitionsbank, verstärkter Rückgriff auf technische Unterstützung bei Großprojekten und Förderungsfähigkeit von Sacheinlagen im Fall von Finanzinstrumenten.
Mit ihren Vorschlägen beabsichtigt die Kommission auch die Vereinfachung der Kriterien für die Zuweisung von Beihilfen aus dem EFRE und dem Europäischen Sozialfonds. Dank der konvergierenden, vom Parlament und Rat vorgelegten Änderungsanträge, werden die spezifischen Verordnungen des EFRE und des ESF auf identische Weise geändert, so dass viele Arten von förderungsfähigen Kosten, die pauschal berechnet werden, in die Kofinanzierung der Gemeinschaft aufgenommen werden.
Diese Änderungen werden das Verfahren zur Einreichung von Ausgabenbelegen vereinfachen. Sie werden die Arbeitslast und die Anzahl der einzureichenden Belegdokumente verringern, ohne die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung zu verzerren. Eine solche Rationalisierung erleichtert die Aufnahme der EFRE- und ESF-Mittel, ohne die Prinzipien dieser beiden Fonds zu untergraben, die selbst in diesen Krisenzeiten bestehen bleiben. Deshalb handelt es sich um mehr als nur eine rechtzeitige Reaktion auf die Krise; es ist eine Antwort auf die wiederholte Forderung nach Vereinfachung des Strukturfonds seitens des Europäischen Parlaments und des Rechnungshofs.
Herr Präsident! Ich bin den drei Berichterstattern dankbar für ihre Unterstützung dieser Maßnahmenreihe, die es uns ermöglichen wird, die Verwirklichung der Projekte vor Ort zu beschleunigen. Diese Gesetzgebungsmaßnahmen werden begleitet von Empfehlungen an die Mitgliedstaaten. Diese Empfehlungen waren Gegenstand einer am 16. Dezember verabschiedeten Mitteilung der Kommission. Die Kommission hat besonders hervorgehoben, dass die operationellen Programme umorientiert werden können, damit sie sich auf die aus der Krise resultierenden Prioritäten konzentrieren.
Das Europäische Parlament hat auch seine Sorge kund getan, auf die Dringlichkeit der Lage zu reagieren, indem sicher gestellt wurde, dass diese drei Verordnungen so schnell wie möglich verabschiedet und die Maßnahmen baldigst in den Mitgliedstaaten angewendet werden können. Ich danke dem Parlament dafür, dass es diese ehrgeizigen Pläne mit uns teilt, da dies insbesondere bedeutet, dass die Vorauszahlungen im Mai an die Mitgliedstaaten ausgezahlt werden.
Die Kommission hat den Appell des Parlaments gehört. Sie hat sichergestellt, dass die im Rahmen des Konjunkturplans getroffenen Maßnahmen streng überwacht werden, und dass ein Bericht über die Umsetzung der Maßnahmen und deren tatsächlichen Ergebnisse dem Europäischen Parlament unterbreitet wird.
So wird die Kommission im zweiten Halbjahr 2010 einen Bericht zur Umsetzung der im Rahmen des Konjunkturplans getroffenen Maßnahmen im Bereich der Kohäsionspolitik in der Union erstellen. Dieser Bericht wird – ich wiederhole – im zweiten Halbjahr 2010 erstellt und auf den jährlichen Umsetzungsberichten der Mitgliedstaaten von Juni 2010 beruhen. Letztere werden dann ersucht, in diesen Berichten eine Übersicht über die Umsetzung der im Rahmen des Konjunkturprogramms beschlossenen Maßnahmen vorzulegen und die Ergebnisse aufzuzeigen, die im Kontext der Kohäsionspolitik erzielt wurden.
Herr Präsident, die Kommission hat folglich eine Erklärung in diesem Sinne angenommen, und ich werde sie dem Europäischen Parlament zukommen lassen. Ich danke allen Mitgliedern und insbesondere unseren drei Berichterstattern für ihre Aufmerksamkeit. In Erwartung einer fruchtbaren Debatte stehe ich zur Verfügung, um mir Ihre Äußerungen über die Ihnen unterbreiteten Vorschläge zur Überarbeitung der Verordnungen anzuhören.
− (FR)
Erklärung der Kommission
Bericht von Angelakas
Die Kommission begrüßt die Anstrengungen, die innerhalb sehr kurzer Zeit unternommen wurden, um die Änderungen an den Verordnungen über den Strukturfonds und den Kohäsionsfonds anzunehmen, die im Rahmen des europäischen Konjunkturprogramms eingebracht wurden.
Dieses Ergebnis ist das Produkt einer erfolgreichen und effektiven Zusammenarbeit zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission mit Unterstützung des Ausschusses der Regionen sowie des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses im Interesse der nationalen und regionalen Volkswirtschaften der Europäischen Union.
Das Gesetzespaket wird dazu beitragen, die Umsetzung der operationellen Programme zu erleichtern und Investitionen zum Nutzen der europäischen Wirtschaft zu beschleunigen, insbesondere durch mehrere Vereinfachungsmaßnahmen.
In der zweiten Hälfte des Jahres 2010 wird die Kommission einen Bericht über die Umsetzung der Maßnahmen abfassen, die im Rahmen des Konjunkturprogramms im Bereich der Kohäsionspolitik in der Europäischen Union beschlossen wurden. Dieser Bericht wird insbesondere auf den jährlichen Umsetzungsberichten basieren, die im Juni 2010 von den Mitgliedstaaten entworfen werden. Die Mitgliedstaaten werden demgemäß ersucht, in diesen Berichten eine Übersicht über die Durchführung der unter dem Konjunkturprogramm beschlossenen Maßnahmen vorzulegen und die Ergebnisse aufzuzeigen, die im Kontext der Kohäsionspolitik erzielt wurden.
Nathalie Griesbeck, Verfasserin der Stellungnahme des Haushaltsausschusses. − (FR) Herr Präsident, als ständige Berichterstatterin für die Strukturfonds im Haushaltsausschuss habe ich zwei Gründe, diese Berichte heute Abend zu begrüßen.
Der erste Grund ist, dass die Strukturfonds den Hauptposten im Haushalt der Europäischen Union darstellen, und der zweite Grund, den ich zusammen mit meinen Kollegen an diesem Abend herausstellen möchte, ist die Schnelligkeit, mit der wir gearbeitet haben, um praktische und prompte Lösungen für die Wirtschaftskrise bereitzustellen – trotz knappem Budget, was wir mit den Mitgliedstaaten natürlich zu gegebener Zeit neu verhandeln müssen.
Überdies möchte ich diesbezüglich wiederholen, dass wir wirklich gewillt sein müssen, zur Unterstützung dieser Maßnahmen ein europäisches Darlehen aufzunehmen. Möglichkeiten zur Verbesserung des Liquiditätsflusses, zur beschleunigten Nutzung der Mittel und die Notmaßnahmen, auf die wir schon seit Langem warten, sind das, was zur Wiederbelebung unserer europäischen Wirtschaft in diesen unsicheren Zeiten erforderlich ist.
Das ist es, wofür europäisches Handeln steht; das ist es, wofür unser Europa steht: die Förderung von Sektoren mit hoher Wertschöpfung und die Vorwegnahme, heute mehr denn je, des Endes der Krise durch Investitionen in traditionelle Bereiche, vor allem aber in all jene Sektoren, die dazu beitragen können, das Risiko von Arbeitslosigkeit für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger auszuschalten.
Aber – und das ist meine Botschaft an diesem Abend – wenngleich das Parlament in der Lage war, schnell und gut zu reagieren, ist es wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten nun organisieren, um den Herausforderungen begegnen zu können, da Verzögerungen, die Milliarden an Finanzhilfen gleichkommen, aufgrund der administrativen Trägheit der Mitgliedstaaten, aufgrund ihrer Schwierigkeiten, sich auf ihre strategischen Ziele festzulegen, und aufgrund ihrer Weigerung, Projekte mitzufinanzieren, absehbar sind.
Somit ist in Europa alles vorbereitet und, wie man in meinem Land sagt: „ein Wort an den Weisen ist genug“ – dies richtet sich an die Mitgliedstaaten.
Gabriela Creţu, Berichterstatterin für die Stellungname des Ausschusses für soziale Angelegenheiten und Beschäftigung. – (RO) Die Finanzkrise hat eine sehr viel vorsichtigere Kreditpolitik erforderlich gemacht, was für die Banken eine Notwendigkeit, für die Wirtschaft jedoch eine Härte darstellt. Die negativen Auswirkungen sind in der realen Wirtschaft zu spüren, vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) und im öffentlichen Sektor. Sie haben Projekte, die den sozialen und regionalen Zusammenhalt verbessern, Arbeitsplätze schaffen, lokale Ressourcen nutzen und den Einstieg oder die Rückkehr in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen.
Das Gemeinschaftsbudget, das gewöhnlich wichtig ist, ist heutzutage eine wesentliche Finanzierungsquelle zur Unterbindung der Anhäufung negativer Auswirkungen. Deshalb befürwortet der Ausschuss für soziale Angelegenheiten und Beschäftigung die Vereinfachung der Regeln und den schnelleren Zugang zu den Strukturfonds und zum Europäischen Sozialfonds. Dies bietet den Ländern mit weniger Erfahrung, was den Zugang zu diesen Fonds angeht, einen doppelten Vorteil.
Nach unserem Dafürhalten ist es notwendig und begrüßenswert, dass europäische Finanzinstitute an Finanzierungsprogrammen, der Änderung der Struktur zuschussfähiger Kosten, der Abschaffung von Obergrenzen für Vorauszahlungen oder Vorabinformationen beteiligt werden. Allerdings ist der Zugang zu diesen Fonds kein Selbstzweck. Die finanziellen Auswirkungen übersteigen 6,3 Milliarden Euro. Dies ist in der Tat eine beträchtliche Summe.
Als Vertreter unserer Bürger haben wir ein Interesse daran, dass die Fonds zum Erreichen der Ziele eingesetzt werden, für die sie eingerichtet wurden. Wir stellen heute einen Blankoscheck aus, und wir brauchen die nötige Transparenz hinsichtlich der Frage, wie dieses Geld ausgegeben wird. Wir hoffen außerdem, dass wir einen positiven Präzedenzfall schaffen. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Initiativen, vor allem im sozialen Bereich, mit der Begründung abgelehnt, es gäbe keine gesetzliche Grundlage. Die Änderung dieser Verordnung beweist, wenn es dessen je bedurft hätte, dass es, wenn der politische Wille vorhanden ist, auch eine gesetzliche Grundlage gibt. Lassen Sie uns diese Tatsache nicht vergessen.
Jamila Madeira, Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für regionale Entwicklung. – (PT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, als Reaktion auf die globale Finanzkrise sieht das Europäische Konjunkturprogramm vor, dass die Kohäsionspolitik einen wichtigen Beitrag zu den von den Mitgliedstaaten und den Regionen getätigten öffentlichen Investitionen leistet und als Mittel zur Bewältigung der derzeitigen Krise fungieren sollte. Es empfiehlt im Besonderen die Ergreifung von Maßnahmen in gemäß der Lissabon-Strategie als vordringlich erachteten Bereichen, um für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen. Alle eingesetzten Instrumente zielen darauf ab, diesen Zweck zu erfüllen und schneller zu Ergebnissen zu gelangen.
Das Hauptziel, das mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Fonds zur Anpassung an die Globalisierung und der Umgestaltung des Europäischen Sozialfonds verfolgt wird, besteht demgemäß darin, auf die zahlreichen sozialen und wirtschaftlichen Notsituationen zu reagieren, die Hilfsmaßnahmen erfordern. Ich bin sicher, heute ebenso wie in der Vergangenheit, dass sie umso effektiver sind, je komplementärer ihre Aktivitäten und Anwendungsbereiche sind. Da jedoch keine Vorkehrungen für die Bereitstellung frischer Mittel oder für neue Aktionspläne existierten, ist es besonders wichtig, dass die Möglichkeiten des Europäischen Sozialfonds im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und den rasch zunehmenden Wettbewerbsdruck auf die europäische Wirtschaft im Zuge der aktuellen Finanzkrise und Konjunkturabschwächung vollständig ausgeschöpft werden.
Ich möchte hervorheben, dass der Ausschuss für regionale Entwicklung wiederholt die Vereinfachung angesprochen hat, die die Europäische Kommission als wesentlich für die Verbesserung der Verwaltung und Implementierung der Strukturfonds vorschlägt. Wir wurden jedoch gebeten, dies als dringliche Angelegenheit zu behandeln, und wir haben diesem Ersuchen bei der Annahme dieses Vorschriftenpakets Rechnung getragen. Dieses Parlament hat sich nie vor seinen politischen Verpflichtungen gedrückt. Daher werden wir trotz der vielen Auffassungen, die durch die augenblicklich herrschenden besonderen Umstände zutage gefördert wurden, der raschen Durchführung und der mit dem Vorschlag verbundenen echten Vorteile für die Öffentlichkeit wegen einstweilen von der Vorlage weiterer Änderungsanträge absehen. Wir weisen jedoch auf die Notwendigkeit hin, unverzüglich eine Bewertung dieses Fonds zu beginnen, in der Absicht, baldmöglichst eine zusätzliche Prüfung durchzuführen.
Iosif Matula, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (RO) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zuerst möchte ich sagen, dass ich den Bericht von Frau García Pérez begrüße.
Als Bestandteil der Kohäsionspolitik sind die Reformen außerordentlich wichtig und zielen auf die Abmilderung der negativen Folgen der Finanzkrise ab. Durch die bei der Aufteilung von Gemeinschaftsmitteln gestattete Flexibilität werden die nationalen Volkswirtschaften mit unmittelbar verfügbaren liquiden Mitteln versorgt, was ihnen Investitionen in die reale Wirtschaft ermöglicht. Dies wird eine direkte Wirkung haben, und die ersten Ergebnisse werden in den nachfolgenden Monaten ganz gewiss zu erkennen sein.
Die Europäische Kommission unterstützt die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten auf der Basis von vier Hauptprioritäten. Die wichtigste davon ist die Erhöhung der Vorfinanzierung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds sowie die Anhebung der Fördermittel von der Europäischen Investitionsbank und vom Europäischen Investitionsfonds. Tatsächlich kann im Jahr 2009 die Vorfinanzierung, die insbesondere die neuen Mitgliedstaaten erhalten, zur Überwindung der Krise sowie zur Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts beitragen.
Große Bedeutung ist auch dem Bericht über die Förderungswürdigkeit von Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Bereich Wohnungsbau beizumessen. Die Modernisierung von Wohnungsheizungen muss auf die Prioritätenliste der Europäischen Union gesetzt werden, bedenkt man, welcher Mehrwert durch diese Maßnahme geschaffen wird.
In Zeiten ständig steigender Heizkosten müssen Mitgliedstaaten auch Energieeffizienz-Projekte in ihre Programme zur Bekämpfung der Finanzkrise aufnehmen. Daraus ergeben sich wichtige Vorteile für die Wirtschaft und die Bevölkerung: Liquiditätsspritze für die Wirtschaft, Schaffung von Arbeitsplätzen, Senkung der Heizkosten, Verringerung der Treibhausgasemissionen, Förderung des sozialen Zusammenhalts und Unterstützung von Familien mit niedrigem Einkommen.
In Rumänien gibt es 1,4 Millionen Wohnungen, die dringend der Renovierung bedürfen.
Constanze Krehl, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über diese drei Berichte im Angesicht der größten und schwierigsten Wirtschafts- und Finanzkrise, die die Europäische Union bislang in ihrer Geschichte erlebt hat. Natürlich ist es richtig, dass Kohäsionspolitik einen Beitrag zur Linderung der Folgen dieser Wirtschaftskrise leisten muss. Aber ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen: Es ist zwar richtig, dass der Haushalt der Kohäsionspolitik der größte Einzelhaushalt in der Europäischen Union ist. Aber es ist eben leider auch richtig, dass sich die Mitgliedstaaten mit etwas mehr als 1 % des nationalen BIP am Haushalt der Europäischen Union beteiligen. Das heißt, selbst wenn wir über 6,25 Milliarden Euro für die Finanzierung von Zwischenzahlungen und Vorschusszahlungen ausgeben, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und es reicht nicht aus! Es wird Folgen mildern, es wird Hebelfunktionen ermöglichen, aber nationale Anstrengungen sind auch weiterhin notwendig. Vielleicht sollten wir das im Lichte der nächsten Debatte um eine Finanzielle Vorausschau im Hinterkopf behalten.
Unsere Fraktion hat die drei Berichte sehr intensiv diskutiert und hätte noch eine Menge guter Ideen einbringen können. An mancher Stelle – meine Kollegin Jöns sagte es bereits – haben wir uns gewundert, dass Entbürokratisierung eine Wirtschaftskrise braucht, um in der Kommission tatsächlich möglich zu werden. Wir werden keine Änderungsanträge einbringen, weil wir wissen, dass in den Regionen jetzt schnelles Handeln notwendig ist, und weil wir auch wissen, dass wir über Veränderungen der Strukturpolitik an anderer Stelle reden müssen.
Deswegen unterstützen wir das gesamte Paket, das die Kommission vorgeschlagen hat, und hoffen, dass es jetzt wirklich schnellstmöglich in den Regionen ankommt und das Geld wirklich zur Bekämpfung der Finanzkrise wirken kann.
Jean Beaupuy, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, meine Kollegen aus der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und ich werden selbstverständlich für diese drei Berichte stimmen. Wir werden nicht deshalb für sie stimmen, weil sie völlig zufriedenstellend sind – wie meine Kollegen sagten, hätten wir gerne eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht – sondern weil rasches Handeln erforderlich ist. Frau Krehl hat dies soeben ausgeführt.
Verzeihen Sie mir, wenn ich mich dennoch frage, Herr Präsident, Herr Kommissar, Kolleginnen und Kollegen, ob wir nicht einfach unzureichend informiert sind. Wir finden hier angenehm klimatisierte und gut beleuchtete Räumlichkeiten vor. Haben Sie gewusst, dass es derzeit in Europa 30 Millionen Haushalte mit undichten Dächern und Feuchtigkeit in den Wänden gibt?
Natürlich werden wir mit den 4 % aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in der Lage sein, die Situation für etwa 1 Million Haushalte zu verbessern. Durch dieses Vorhaben, sollten wir die Leitung darüber haben, Herr Kommissar – ich werde gleich eine entsprechende Anfrage an Sie richten – werden 250 000 Arbeitsplätze geschaffen und die Situation in 1 Million Haushalte verbessert. Außerdem werden dadurch 40 Millionen Tonnen CO2 eingespart und die Energiekosten je Familie um jährlich 450 Euro reduziert. So lauten die Zahlen, die ich Ihnen zur Verfügung stelle und die von einer bedeutenden europäischen Organisation abschließend zusammengestellt wurden, die gerade für ihre seriöse Arbeitsweise bekannt ist.
Dies bedeutet folglich, dass die Entscheidung, die wir nicht nur zur Gewährleistung einer konjunkturellen Erholung, sondern auch zum Wohl unserer Mitbürger treffen, in ihrer Bedeutung auf eine Hauptbedingung hinausläuft: dass die heute vom Parlament gemeinsam mit der Kommission gefassten Beschlüsse in den kommenden Wochen und Monaten in die Praxis umgesetzt werden.
Herr Kommissar, wir haben Ihnen gerade sehr genau zugehört. Sie haben gesagt – und wir glauben Ihnen das – dass Sie bis zum 30. Juni 2010 jeden Mitgliedstaat aufgefordert haben werden, der Kommission einen Bericht vorzulegen. Meine Kollegen aus dem Ausschuss für regionale Entwicklung, gleich welcher politischen Richtung, und ich würden es auf eine Wette ankommen lassen. In allen Ländern sind die operationellen Programme gerade angenommen worden, und wir wissen, dass die Mehrzahl der Vollzugsbehörden in diesen Ländern nicht will, dass sie geändert werden.
In 15 Monaten, am 30. Juni, sollten Sie, Herr Kommissar, nicht zu viel Personal mit der Abfassung der Berichte, der Analyse dessen, was getan werden wird, beschäftigen, denn Sie werden nicht sehr viel erreichen, wenn Sie darauf warten, dass sich die Mitgliedstaaten, die Vollzugsbehörden und Partner an die Arbeit machen.
Wir haben also 8 Milliarden Euro zur Verfügung, denen 30 Millionen Häuser mit erheblichen Mängeln gegenüberstehen. Was ist zu tun?
Herr Kommissar, meine Kollegen und ich werden Ihnen dazu einen Vorschlag machen. Die Europäische Kommission sollte über ihre Rechte hinaus gehen und entschlossen – fast hätte ich radikaI gesagt – gegenüber den Regierungen und Vollzugsbehörden auftreten und sie anweisen, diese Vorschriften so schnell wie möglich anzuwenden. Mitglieder des Europäischen Parlaments stimmen gerne für Texte. Das ist unsere Aufgabe. Besonders gern haben wir es aber, wenn diese Texte angewandt werden. Wir brauchen die Kommission. Wir hoffen, dass die Kommission uns zuhören wird.
Mieczysław Janowski, im Namen der UEN -Fraktion. – (PL) Herr Präsident, wir befassen uns heute mit Berichten zur Regionalpolitik, die der Umsetzung nutzbringender Änderungen und Vereinfachungen dienen. Wir können es nur bedauern, dass es die Krise ist, die uns dazu gezwungen hat, rasch und, wie wir hoffen, effektiv auf die derzeitige Lage zu reagieren. Ich begrüße die Möglichkeit für eine höhere Flexibilität, weil es außer Frage steht, das Haushaltsvolumen der Europäischen Union zu erhöhen. Ich möchte dies ganz deutlich machen. Wir haben heute Angaben zu Quoten gehört. Dies stellt lediglich einen Tropfen auf den heißen Stein dar, weil sich das Haushaltsvolumen der Europäischen Union auf ca. 1 % des BIP der Mitgliedstaaten beläuft. Wir können nur hoffen, dass der kleine Tropfen zur Wiederbelebung führt. Wir brauchen dies!
Ich begrüße auch die höhere Flexibilität, die durch die Unterstützung der Europäischen Investitionsbank und dem Europäischen Investitionsfonds möglich wird. Ich freue mich, dass die Zuschussfähigkeit der Ausgaben rückwirkend vereinfacht wird. Es ist gut, dass wir Abschlagszahlungen erhöhen und Ausgaben für Großprojekte beschleunigen, die vorab beantragt wurden, und dass Zahlungen vor der Bestätigung geleistet werden können. Ich kann meiner Hoffnung, dass sich all dies als wiederbelebende Maßnahmen erweisen, nur noch einmal Ausdruck verleihen.
Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als Grüne sehen die Finanzkrise und die Klimakrise im Zusammenhang, denn die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Regionen sind langfristig und verursachen gewaltige Kosten. Sie führen zur Belastung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts. Deswegen müssen wir jetzt handeln!
Die Gebäudeisolierung und die Nutzung von erneuerbaren Energien für Wohngebäude im EFRE sind da ein erster Schritt. Aber was nützt dieser Fortschritt, wenn gleichzeitig den Mitgliedstaaten erlaubt wird, mit dem EFRE in Straßenplanung und überdimensionale Müllverbrennungsanlagen zu investieren, deren Nutzung den Klimawandel wieder anheizt und die Umwelt schädigt. Das ist halbherzig und inkonsequent.
Auch in Ihrer schwungvollen Rede, Herr Kommissar, ist offen geblieben, warum sich die Kommission unserem Vorschlag verweigert, die Regionalpolitik insgesamt strenger auf den Klima- und Umweltschutz auszurichten. Fehlt der Kommission die Courage, eine auf Klimaziele ausgerichtete Revision der EFRE-Verordnung gegenüber den Mitgliedstaaten durchzusetzen? Warum hat sie keinen Aktionsplan in der Regionalpolitik? Die Vorbehalte in der DG REGIO gegenüber dem Klimaschutz haben verhindert, dass unsere Änderungsanträge im Ausschuss die Mehrheit bekommen. Aber wir werden sie noch einmal einbringen und wir werden eine namentliche Abstimmung verlangen. Dann werden wir sehen, ob die Wählerinnen und Wähler darauf vertrauen können, dass auch Sie für den Klimaschutz eintreten.
Bairbre de Brún, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (GA)
Herr Präsident, ich möchte heute Herrn Angelakas Bericht begrüßen. In seinem Bericht befürwortet Herr Angelakas die Vorschläge der Europäischen Kommission, für die Mitgliedstaaten Mittel aus dem Europäischen Regionalfonds für Energieeffizienz-Maßnahmen und den Einsatz erneuerbarer Energien an Wohnhäusern bereitzustellen.
Wir haben es mit einer wirtschaftlichen Notsituation zu tun. Menschen, die in der Bauindustrie beschäftigt sind – zum Beispiel in meinem eigenen Land, in Irland – stehen vor besonderen Schwierigkeiten. Ich hoffe, dass wir infolge dieses EU-Beschlusses in der Lage sein werden, eine Teilfinanzierung für ein Renovierungsprogramm zur Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen bereitzustellen. Ein derartiges Programm wird die Situation im Baugewerbe in Irland – im Norden und Süden – verbessern. Dies wird zur Sicherung von Arbeitsplätzen sowie zur Erfüllung unserer Verpflichtungen im Hinblick auf den Klimawandel beitragen und, wie bereits an anderer Stelle in dieser Debatte angesprochen, bei der Bewältigung des Problems der Energiearmut helfen. Das heißt, es wird Menschen helfen, die einen großen Teil ihres Einkommens für Brennstoff ausgeben.
Meiner Meinung nach ist es angemessen, dass sich die Kommission auf Wohngebäude für Menschen mit niedrigem Einkommen als Ziel für diesen Kriterienwechsel konzentriert hat. Es sind meist diese Menschen, die unter einem Konjunkturrückgang zu leiden haben. Gerade diese Menschen sind ohne finanzielle Unterstützung nicht in der Lage, ihr Wohneigentum renovieren zu lassen, um eine höhere Energieeffizienz zu erreichen. Mit diesem Programm ließe sich also etwas gegen die schlimmsten Folgen der Energiearmut unternehmen, die extrem negative Auswirkungen auf viele Menschen haben – sofern dieses Programm richtig eingesetzt wird.
Ich hoffe, dass die örtlichen, regionalen und nationalen Behörden diese Gelegenheit nutzen und nicht die Bereitstellung jener relevanten Mittel verweigern, die sie bereits haben, um den Vorschlag umzusetzen.
Fernand Le Rachinel (NI). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, die Regionalpolitik wird zwischen 2007 und 2013 zum Hauptposten im Haushalt der Europäischen Union, mit Zuweisungen an die Strukturfonds in Höhe von 347 Milliarden Euro.
Wird diese Entwicklung dazu beitragen, unsere Volkswirtschaften vor den Folgen der globalen Wirtschaftskrise zu schützen, wie die Kommission behauptet? Verzeihen Sie mir, dass ich daran so meine Zweifel habe.
Zunächst einmal werden durch die Erhöhung der regionalen Ausgaben einige Mitgliedstaaten, vor allem Frankreich, benachteiligt. Diese Erhöhung geht auf Kosten der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), also auf Kosten der französischen Landwirtschaft, die bis in die jüngste Vergangenheit Hauptnutznießer der GAP war.
Hinzu kommt, dass der aus den Strukturfonds an französische Regionen gezahlte Anteil immer geringer wird. Der Löwenanteil geht an Osteuropa, ruiniert von mehr als 40 Jahren Kommunismus.
Dies hat zur Folge, dass Frankreich, dessen Beitrag zu den EU-Haushaltseinnahmen 16 % beträgt, immer mehr Geld an Brüssel zahlt, gleichzeitig aber immer weniger zurückbekommt. Vor allem aber macht die europäische Regionalpolitik, die die Empfängerländer ganz und gar nicht vor der Wirtschaftskrise schützt, die Situation noch schlimmer, da sie einen Teil der ultra-freien Marktlogik der Lissabon-Strategie darstellt.
Daher werden die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen an der Verwaltung der Strukturfonds unsere Staaten nicht in die Lage versetzen, diese Krise, die die Folge der unbedachten Öffnung von Grenzen und der Deregulierung der Finanzmärkte ist, zu bewältigen.
Wir müssen heute mehr denn je ein neues Europa gestalten, ein Europa souveräner Nationen, das auf den folgenden drei Grundprinzipien beruht: wirtschaftlicher und sozialer Patriotismus, europäischer Protektionismus und Gemeinschaftspräferenz.
Richard Howitt (PSE). – Herr Präsident, der weltweite Konjunkturabschwung trifft jedes unserer Länder und jede unserer Regionen. Es ist richtig, dass wir heute Abend Sofortmaßnahmen vereinbaren, um in Zeiten der Not die Bereitstellung von Finanzmitteln für Menschen in Not zu beschleunigen. Besonders begrüßenswert finde ich die Verringerung des Arbeitsaufwands durch Bewilligung von Pauschalzahlungen. Dies ermöglicht Ausgaben für Energieeffizienz-Maßnahmen im Wohnungsbau, beginnend mit einem Ausgabenvolumen von etwa 6 Milliarden GBP in diesem Jahr, und erleichtert das Arbeiten mit Darlehen der Europäischen Investitionsbank. Als das Callcenter einer Bausparkasse in Hertfordshire, in meinem Wahlkreis, Arbeitskräfte freisetzte, waren wir binnen 24 Stunden in der Lage, EU-Mittel zur Unterstützung der betroffenen Mitarbeiter abzurufen. Dieser Fall zeigt, wie Europa unseren örtlichen Gemeinden effektiv helfen kann.
Hinsichtlich der Änderungen, auf die wir uns heute Abend verständigen, begrüßt die East of England Development Agency die Tatsache, dass mehr unternehmensspezifische, maßgeschneiderte Schulungsmaßnahmen bewilligt werden sollen, und sagt, sie wird uns dabei unterstützen, der für unsere Region eingegangenen Verpflichtung, 124 000 Menschen allein über den Europäischen Sozialfonds zu helfen, rascher nachzukommen.
Ich war sehr stolz darauf, dass Kommissar Hübner persönlich nach Lowestoft, in meinen Wahlkreis, gekommen war, um unser mit 100 Millionen GBP ausgestattetes regionales Entwicklungsprogramm zu starten, mit dem die Unternehmen in unseren Gemeinden bei der Umstellung auf emissionsarmes Wachstum unterstützt werden sollen. Die Wirtschaftskrise darf niemanden von uns davon ablenken, den Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu begegnen. Tatsächlich sollten Investitionen in Umwelttechnologien bei den Bemühungen um eine Belebung der Konjunktur eine wesentliche Rolle spielen. Wir beabsichtigen, entschlossen an diesem Ziel festzuhalten.
Marian Harkin (ALDE). – Herr Präsident, auch ich begrüße diesen Vorschlag, weil er eine direkte und konkrete Reaktion der EU auf die derzeitige Wirtschaftskrise darstellt. Wir reagieren mit den Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen, doch ich stimme nachdrücklich meinem Kollegen, Herrn Beaupuy, zu, wenn er sagt, dass wir gemeinsam handeln und schnell etwas für Familien und Kommunen tun müssen.
Zweitens begrüße ich die in diesem Vorschlag zur Sprache gebrachte Vereinfachung und Flexibilität. Dies ist ohnehin dringend erforderlich. Immer wieder höre ich von Fraktionen, die auf Finanzmittel zugreifen und die sich über den Papierkrieg und die Bürokratie beklagen. Auch wenn dieses Paket nicht all ihre Probleme lösen wird, so wird es dennoch helfen.
Drittens bin ich besonders erfreut darüber, dass die Sachleistungen nun als zuschussfähige Ausgaben anerkannt werden. In meinem Bericht über den Beitrag von freiwilligem Engagement zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion, der von diesem Parlament gebilligt wurde, habe ich für die Umsetzung eben dieser Maßnahme plädiert. Das bedeutet, dass die Beiträge von Freiwilligen und anderen nun als Beisteuerung zu den verschiedenen Projekten betrachtet werden. Auch wenn es der gegenwärtigen Wirtschaftskrise bedurfte, um uns vollständig in diese Richtung zu bewegen, ist es dennoch höchst willkommen.
Durch diese Maßnahme wird der Beitrag von Freiwilligen und Freiwilligenzeit auf praktische Weise anerkannt. Es wird außerdem anerkannt, wie auch dies Teil unserer Reaktion auf die aktuelle Krise sein kann. Auf diese Weise arbeiten wir mit unseren Bürgern als Partnern zusammen. Wir können den Unterbilanzen, die von verschiedenen Mitgliedstaaten veröffentlicht werden, entnehmen, dass der nicht-erwerbswirtschaftliche Sektor zwischen fünf und sieben Prozent des BIP ausmacht. Wir würdigen dies nun und erkennen es an, und wir sagen unseren Bürgern: Ihre Bemühungen, Ihre Zeit und Ihr Engagement sind wichtig, und wir arbeiten mit Ihnen zusammen.
Guntars Krasts (UEN). – (LV) Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich befürworte die Änderungsvorschläge des Ausschusses, der für den Vorschlag der Kommission zum Themenbereich Energieeffizienz und Investitionen in erneuerbare Energien im Wohnungsbau zuständig ist. Die Vorschläge des Ausschusses werden einen Nachfrageanstieg und einen schnelleren Mittelfluss in Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz begünstigen. Die Mitgliedstaaten erhalten nun die Möglichkeit, diese Ressourcen so zu lenken, dass die Aktivitäten zur Steigerung der Energieeffizienz eine maximale Wirkung entfalten. Die umfassendsten Ergebnisse würde der Einsatz dieser Ressourcen für Ziele hervorbringen, die Verbrauchern bei ihren Initiativen zur Steigerung der Energieeffizienz freie Hand lassen würden, und die aussichtsreichsten Maßnahmen wären diejenigen, die die Risiken für jene mindern, die selbst über Investitionen in Energieeffizienz nachdenken. Ich räume jedoch ein, dass der Ausschuss für weitere Aktivitäten seitens der Mitgliedstaaten diesbezüglich einige Leitlinien vorgeben sollte. Ein derartiger Ansatz hätte nicht nur einen Multiplikatoreffekt zur Ankurbelung der Konjunktur; er würde auch eine schnellere Verbreitung der Einsicht in die Notwendigkeit von Energieeinsparungen in den Mitgliedstaaten fördern. Der Umfang der verfügbaren Ressourcen macht es indessen erforderlich, dass die Mitgliedstaaten die Zahl der Hilfeempfänger beschränken. Im Hinblick darauf wäre es vernünftig, dem Vorschlag der Kommission zu folgen und diese Ressourcen in erster Linie Haushalten mit niedrigem Einkommen zukommen zu lassen. Ich danke Ihnen.
Jan Olbrycht (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident, wir sprechen heute über ausgesprochen wichtige Änderungen. Wichtig sind sie nicht nur im Hinblick auf notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Schwierigkeiten im Zuge der Finanzkrise, sondern auch wegen ihrer möglichen Auswirkungen auf den Grad der politischen Kohäsion in der Zeit nach 2013. Ohne Frage kann die Einführung derart bedeutsamer Änderungen nicht nur als temporäre Maßnahme verstanden werden.
Zum ersten Mal überhaupt haben wir erlebt, wie die Europäische Kommission, im Einvernehmen mit Parlament und Rat, Maßnahmen trifft, die Gegenstand langwieriger Diskussionen waren und die sich als äußerst schwierig herausgestellt hatten. Im Grunde waren wir Zeuge einer echten Vereinfachung, einer echten Beschleunigung und natürlich eines Strategiewechsels durch die Einbeziehung von Investitionsmaßnahmen im Bereich der Energieeinsparung. Dies sendet ein sehr positives Signal aus, und zwar dahingehend, dass wir in der Lage sind, in der Programmgestaltungsphase auf die Situation zu reagieren und dass wir nicht dogmatisch an früher aufgestellten Grundsätzen festhalten.
Es besteht die Neigung, das Europäische Parlament als eher rangniedrigeren Partner von Rat und Kommission wahrzunehmen. Dessen ungeachtet ist dieses Haus entschlossen, durch seine Handlungsweise unsere Kooperationsbereitschaft bei einer schnellen Reaktion auf die neuen Herausforderungen, die vor uns liegen, zu demonstrieren.
Gábor Harangozó (PSE). – (HU) Ich glaube, dass wir heute tatsächlich feiern sollten. Das Parlament tritt seit vielen Jahren dafür ein, dass wir nicht bloß Finanzmittel für Scheinmaßnahmen im Bereich des Wohnungsbaus bereitstellen sollten, sondern dass wir beschließen sollten, echte Maßnahmen durchzuführen.
Ein nicht unerheblicher Teil der EU-Bevölkerung lebt in Hochhauswohnungen. Durch Entwickeln dieser Wohnungsbauprojekte können wir die materiellen Verhältnisse der Bewohner merklich verbessern, den Energieverbrauch der Gebäude senken und überdies Arbeitsplätze schaffen und sichern. Die aktuellen Änderungen ermöglichen es in meinem Land, 90 % der Hochhäuser zu renovieren. Das ist auf jeden Fall ein enormer Schritt.
Da jedoch derartige Renovierungen nur in städtischen Gebieten weiter durch die Fonds finanziert werden, ist unsere Freude nicht ganz ungetrübt. Die verarmte Bevölkerung in den ländlichen Gebieten, die die Mittel am dringendsten bräuchte, wird wieder einmal sich selbst überlassen. Da wir jedoch das Hochhausprogramm, das für uns alle wichtig ist, unter keinen Umständen gefährden wollen, sind wir schließlich übereingekommen, zum jetzigen Zeitpunkt keine Änderungsanträge vorzulegen. Im Gegenzug erwarten wir jedoch, dass die Kommission unsere Empfehlung vor der Sommerpause in ihr Paket aufnimmt.
Der erste und wichtigste Schritt hin zu einer effektiven und dauerhaften sozialen Integration der am meisten benachteiligten Gebiete besteht darin, Ausgrenzung und Segregation ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Die Renovierung abseits errichteter Wohnsiedlungen ist schlicht sinnlos. Statt Renovierung Neuerrichtung, unterstützt durch komplexe Programme, die soziale Beschäftigung schaffen. Das ist die Lösung.
Liebe Kollegen, wir werden wirklich Grund zum Feiern haben, wenn, anstelle ländlicher Gettos, Menschen, die in neu gegründeten sozialen Genossenschaften arbeiten, nach der Rückkehr in ihre neuen Wohnungen ihren Kindern sagen, dass sie lernen und sich anstrengen sollen, weil sie alles werden können, was sie wollen.
Samuli Pohjamo (ALDE). – (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte ich den Berichterstattern für ihre ausgezeichnete Vorarbeit danken. Die vorgeschlagenen Änderungen an den Strukturfondsverordnungen werden die Verwendung finanzieller Mittel beschleunigen und die Regeln vereinfachen. Sie sind es daher wirklich wert, unterstützt zu werden. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass Mittel aus den Strukturfonds zur Belebung der Konjunktur ausgegeben werden und den negativen Folgen der Rezession auf Wirtschaft und Beschäftigung entgegenwirken können. Dies ist auch ein guter Beginn für die Reform der Struktur- und Regionalpolitik der EU, deren Ziel in der Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren und einer gesteigerten Flexibilität und Ergebniserzielung bestehen muss.
Während wir im Hinblick auf EU-Verordnungen den Bürokratieabbau vorantreiben und uns auf die Erzielung besserer Ergebnisse konzentrieren, müssen wir sicherstellen, dass sich die Mitgliedstaaten in die gleiche Richtung bewegen. Die Regionen und lokalen Akteure müssen mehr Befugnisse erhalten, und die Zentralregierung muss ihre straffe Kontrolle lockern.
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, die gegenwärtige Krise erfordert Maßnahmen zur Konjunkturbelebung sowie zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zum Schutz derer, die arbeitslos werden. Der Vorschlag der Kommission zur Erweiterung des durch den Europäischen Sozialfonds abgedeckten Kostenspektrums ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Einbeziehung von Mitteln für Pauschalbeträge und auch für direkte Kosten und Mischkosten sowie der Verzicht auf Festsetzung einer Obergrenze für Zahlungen, dies alles sind äußerst hilfreiche Maßnahmen im Hinblick auf eine bessere Nutzung der Ressourcen des Europäischen Sozialfonds. Die Einführung von Pauschalbeträgen für direkte und indirekte Kosten von bis zu 50 000 Euro wird Verwaltungsverfahren vereinfachen. Durch sie werden Verzögerungen bei der Umsetzung der mit dem Fonds verfolgten Ziele beseitigt. Angesichts der Dringlichkeit dieser Maßnahmen befürworte ich die Annahme des Vorschlags ohne Änderung. Ich möchte Frau Harkin für ihre Ausführungen über die Anerkennung des Werts von freiwilligem Engagement danken.
Maria Petre (PPE-DE). – (RO) Ich möchte meine Rede damit beginnen, dass ich die Idee dieser koordinierten Maßnahmen begrüße. Und ich möchte den Berichterstattern meinen besonderen Dank für die von ihnen geleistete Arbeit aussprechen.
Wir alle kennen die Folgen der Krise in unseren Ländern. Sie reichen von einem drastischen Rückgang des Wirtschaftswachstums und Arbeitsplatzangebots bis hin zu einem Anstieg des Haushaltsdefizits und Rezession. Die Kohäsionspolitik der EU kann in diesem Kontext ein ebenso glaubwürdiges wie effektives Instrument sein. Wie wir genau wissen, wurde Europa durch diese Krise schwer getroffen. Die Tatsache, dass die EU derart schnell zu reagieren und Lösungen zu entwickeln vermochte, ist ermutigend.
Die Entscheidung, die Vorschriften für die bestehenden Fonds zu modifizieren, die sich bereits als effizient erwiesen haben, ist in höchstem Maße angemessen. Das Verfahren zur Einrichtung eines speziellen Krisenfonds wäre viel zu langwierig gewesen. Die Vereinfachung der Zuschussfähigkeitskriterien, die Anhebung der Vorfinanzierung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds und die Beschleunigung der Ausgaben für Großprojekte sind Maßnahmen, die, so hoffe ich, den Mitgliedstaaten bei der Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise helfen werden.
Wie wir wissen, erlebt Europa derzeit neben der Wirtschaftskrise auch eine Energiekrise. Die Maßnahme, durch die eine Nutzung des EFRE für Investitionen in Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien im Wohnungsbau ermöglicht wird, müsste meines Erachtens eine deutliche Wirkung zeigen. In Rumänien gibt es, wie in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas auch, viele Probleme mit Wohnhochhäusern. Die alten Gebäude sind extrem schlecht isoliert, und viele Bewohner sind nicht in der Lage, die notwendigen Isolierarbeiten aus eigener Tasche zu bezahlen.
Wir hoffen, dass diese Maßnahmen den Bürgern Europas beim Einsparen von Energie helfen werden. Sie würden dadurch nicht nur ihre Ausgaben verringern, sondern auch etwas gegen die globale Erderwärmung tun. Von der amtierenden rumänischen Regierung wurde festgelegt, dass dies eine prioritätsfreie Maßnahme ist. Durch die bewilligten Mittel ist die Ausführung bereits gewährleistet.
Stavros Arnaoutakis (PSE). - (EL) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, das heutige Paket von Änderungen für die Strukturfonds bedeutet einen wichtigen Schritt hin zur Vereinfachung und zur direkten Aktivierung von Mitteln, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler und lokaler Ebene.
Es ist ein wichtiger Schritt zur Belebung der europäischen Wirtschaft inmitten einer beispiellosen Krise, die der realen Wirtschaft auf allen Ebenen einen immer größeren Schaden zufügt. Es ist ein Schritt, mit dem der seit langem bestehenden Forderung des Europäischen Parlaments nach einfacheren Verfahren und größerer Flexibilität bei der Anwendung des Regelwerks für die Strukturfonds nachgekommen wird.
Wie reagieren unsere politischen Führer auf die schwere Krise, die wir derzeit erleben? Wo steht die europäische Politik? Um sicherzustellen, dass die benötigte Liquidität ihre Empfänger erreicht und die Umsetzung von Projekten unverzüglich beginnt, müssen die Mitgliedstaaten auf die Umstände reagieren. Die Ressourcen der Kohäsionspolitik müssen unmittelbar und unverzüglich den tatsächlich Berechtigten auf regionaler und lokaler Ebene zur Verfügung gestellt werden. Der Zweck der Aktivierung von operationellen Programmen sollte darin bestehen, Arbeitsplätze, Unternehmertätigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und das natürliche, kulturelle und menschliche Potential jeder Region zu nutzen.
Nur die sofortige Aktivierung von Programmen wird helfen, Kohäsion zu sichern und die Bildung neuer Divergenzen zu verhindern.
Mögen wir die derzeitige Krise als Gelegenheit begreifen, unsere Stimmen zu vereinen, damit es bei der Lösung all der Probleme, vor denen wir stehen, eine europäische Stimme gibt.
Toomas Savi (ALDE). - Frau Präsidentin, der Beitrag zur EU ermöglichte den Zugang zu den Strukturfonds und zum Kohäsionsfonds der Europäischen Union, aus denen die Republik Estland zwischen 2004 und 2006 Beihilfen in Höhe von ca. 800 Millionen Euro erhielt. Für den Zeitraum von 2007-2013 sind weitere 3,4 Milliarden Euro vorgesehen.
Trotz der schweren Wirtschaftskrise ist das mit den Fonds der Europäischen Union angestrebte Ziel eines Ausgleichs der Entwicklungsunterschiede innerhalb der Union näher gerückt.
Ich begrüße nachdrücklich den Vorschlag der Kommission an den Rat, zusätzlich 6,3 Milliarden Euro einzusetzen, um den negativen Folgen der Wirtschaftskrise entgegenzuwirken, das heißt, um die Implementierung der Mittel zum Nutzen der Realwirtschaft zu beschleunigen.
Ich stimme indessen mit der Berichterstatterin, Frau García Pérez, darin überein, dass eine einheitliche Vorgehensweise in allen Mitgliedstaaten erforderlich ist, damit es nicht zu einer Zunahme von Disparitäten in der Europäischen Union und zu einem Missbrauch des Geldes von europäischen Steuerzahlern kommt.
Rolf Berend (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt viele Möglichkeiten, die nachhaltigen Folgen der unerwarteten Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen. Dieses Revisionspaket, diese legislative Maßnahme im Rahmen des europäischen Konjunkturprogramms ist als eine gute – wenn auch nicht ganz ausreichende – Antwort auf diese zeitweilige, wenn auch außergewöhnlich kritische Lage konzipiert.
Es kommt unter anderem auch der Forderung einer stärkeren Vereinfachung der Verfahren und größerer Flexibilität bei der Anwendung der bestehenden Bestimmungen im Rahmen der Strukturfondsverordnung nach, einer Forderung, die das Europäische Parlament in den vergangenen Jahren wiederholt vorgebracht hat. Es ist auch zu begrüßen – das möchte ich besonders hervorheben –, dass durch eine Änderung in Artikel 7 – Förderfähigkeit der Ausgaben – die Mitgliedstaaten und Regionen der EU in die Lage versetzt werden sollen, strukturpolitische Fördermittel in Energieeffizienz und erneuerbare Energie im Wohnungsbau zu investieren, und dass diese Maßnahme nicht nur für Haushalte mit geringem Einkommen in Frage kommen soll. Der diesbezügliche Änderungsantrag streicht daher zu Recht die Zeile „Haushalte mit geringem Einkommen” und fügt stattdessen eine Obergrenze von vier Prozent der gesamten EFRE-Mittelausstattung für jeden Mitgliedstaat für derartige Ausgaben ein. Das ist nur eine der vielen vorgeschlagenen Verbesserungen.
Kurzum, wird dieses Gesamtpaket realisiert, ist eine Beschleunigung der Ausgaben und somit weitere Liquidität für die Durchführung notwendiger Vorgaben aus Mitteln der Strukturfonds von EFRE, ISF und Kohäsionsfonds und eine Vereinfachung der Bestimmungen, die eine rasche Durchführung der Programme ermöglichen, gegeben.
Ein – wie ich meine – wirkungsvoller, wenn auch noch nicht ausreichender Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Krisensituation.
Lidia Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Frau Präsidentin, die Europäische Union sieht sich mit einer Krise konfrontiert, die weite Teile der Wirtschaft erfasst hat und deren Folgen momentan noch völlig unvorhersehbar sind. Wir verzeichnen einen Rückgang des Wachstumstempos, steigende Haushaltsdefizite und einen dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die europäische Kohäsionspolitik mit einem Budget von 347 Milliarden Euro für die Jahre 2007-2013 ist offensichtlich eines der effektivsten Instrumente zur Anregung der Investitionstätigkeit und zur Bereitstellung zusätzlicher öffentlicher Mittel für nationale Volkswirtschaften.
Die Kommission hat bereits eine Reihe von Maßnahmen angenommen, die darauf abzielen, Änderungen am bestehenden Paket von Verordnungen zu den Strukturfonds durchzuführen. Die Änderungen dienen der Beschleunigung von Ausgaben, der Erhöhung der Liquidität für die Durchführung von Projekten und der Vereinfachung von Maßnahmen, die die zügige Umsetzung von Projekten in den Regionen erleichtern. Die Haupthandlungsbereiche betreffen die Aufstockung der Hilfen von der Europäischen Investitionsbank (EIB) sowie vom Europäischen Investitionsfonds (EIF) und die Vereinfachung der Anrechnungsfähigkeit von Ausgaben. Pauschalbeträge und die Beschleunigung von Ausgaben für Großprojekte werden ebenfalls befürwortet.
Ich begrüße die schnellen Gegenmaßnahmen der Europäischen Kommission und die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen. Es gibt eine weitere wichtige Änderung, die bisher übersehen wurde, die jedoch notwendig ist. Es handelt sich dabei um die Einrichtung eines Lenkungs- und Kontrollsystems, das im gesamten Wirtschaftssystem der Europäischen Union für echte Liquidität sorgt.
Oldřich Vlasák (PPE-DE). – (CS) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Vorschlag der Europäischen Kommission eröffnet allen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Mittel aus den Strukturfonds in den Umbau und die Instandsetzung von Hochhäusern und anderen Gebäuden zu investieren. Besonders wichtig ist dies für die tschechische Republik, da bis zu 26 % der tschechischen Bevölkerung in älteren Hochhäusern leben. Wenn der Vorschlag morgen bewilligt und im April vom Ministerrat auch förmlich genehmigt wird, eröffnet er die Möglichkeit, weitere 16 Milliarden CZK in Heizanlagen für Wohnungen und Wohngebäude zu investieren, und zwar nicht nur in Tschechien. Ich persönlich begrüße zudem den Verzicht auf die Forderung, die Fonds nur für einkommensschwache Haushalte zu verwenden, was ich für problematisch halte, weil diese je nach landesinternen Regelungen unterschiedlich definiert werden.
Meiner Meinung nach sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, zu entscheiden, welche Gebäudekategorien gemäß ihren Vorschriften für eine finanzielle Unterstützung in Frage kommen und ihre eigenen Kriterien nach ihren Erfordernissen festzulegen. Wir müssen allen den Zugang zu qualitativ besseren und preisgünstigeren Wohnunterkünften ermöglichen, nicht nur denen, die in Sozialwohnungen leben. Es ist bedauerlich, dass es des durch die Finanzkrise hervorgerufenen Handlungsdrucks bedurfte, um mehr Investitionen in den Wohnungsbau und die EU-weite Einführung dieser Maßnahmen zu unterstützen. Gleichwohl befürworte ich diese Entscheidung rückhaltlos, weil die Menschen heute sehr sparsam mit ihrem Geld umgehen müssen und weil wir ihnen auf diese Weise helfen, ihre Ausgaben für Heizung und Warmwasserbereitung und damit ihre Wohnnebenkosten zu reduzieren. Laut einer Schätzung der Organisation CECODHAS können europäische Haushalte bei diesen Ausgaben durchschnittlich 450 Euro pro Jahr einsparen; dies stellt eine spürbare Entlastung dar.
James Nicholson (PPE-DE). – Frau Präsidentin, zunächst einmal möchte ich den Berichterstattern zu der guten Arbeit gratulieren, die sie beim Erstellen dieser empfehlenswerten Berichte geleistet haben. Ich denke, dass diese Unterstützung auf das Herzlichste begrüßt werden sollte.
Wenn Mitgliedstaaten die Möglichkeit nutzen, den 4%igen Mittelanteil aus dem Europäischen Regionalfonds (EFRE) aufzubrauchen, um Investitionen in Energieeffizienz-Maßnahmen im Wohnungsbau zu erleichtern, käme dies sowohl unseren Volkswirtschaften als auch der Umwelt zugute. Es ist erfreulich, dass von der Kommission ein Vorschlag wie dieser kommt, der neben der Bewältigung der Wirtschaftskrise auch der Lösung von Umweltproblemen dient.
Besonders erfreulich ist der Bericht für viele alte Mitgliedstaaten. Ich bin froh darüber, dass es alten EU-Mitgliedstaaten nun ermöglicht wird, einen Teil der EFRE-Mittel für Interventionen zur Förderung der Energieeffizienz im Wohnungsbau zu verwenden. Ich bin erfreut darüber, dass die Förderkriterien ausgeweitet wurden und Fördermaßnahmen nicht auf einkommensschwache Haushalte beschränkt werden.
Es muss aber klar sein, dass damit keinerlei Mittelaufstockung verbunden ist. Es ist nun Sache der nationalen und regionalen Instanzen, die gebotenen Möglichkeiten auszuschöpfen und den Anteil ihrer EFRE-Mittel zur Finanzierung dieser Projekte umzuleiten. Dies kann eine Änderung der Prioritäten von Teilen ihrer operationellen Programme mit sich bringen. Ich glaube, dass es dies auf lange Sicht wert sein wird.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Maßnahmen der Kommission scheinen – mehr oder weniger – vernünftig zu sein. Die direkte Vergabe von Aufträgen an die Europäische Investitionsbank und den Europäischen Investitionsfonds scheint eine gute Idee zu sein, ebenso wie die Vereinfachung von Verfahren und die Beschleunigung von Zahlungen.
Über all dem steht jedoch eine grundsätzliche Empfehlung: Transparenz auf nationaler und regionaler Ebene, was die Verwendung von Mitteln angeht; daran fehlt es meines Erachtens in einigen Fällen. Kontrollen sollten sofort durchgeführt werden, ebenso wie Zahlungen sofort ausgeführt werden sollten. In Italien werden in bestimmten Regionen, zum Beispiel Lazio, Beihilfen für Landwirte Monate oder, in einigen Fällen, Jahre nach ihrer Überweisung aus der Europäischen Union ausgezahlt. Mir fehlt leider die Zeit, um weitere Beispiele zu nennen. Wir sollten zur Bekämpfung der Krise daher nicht nur über verschiedene Interventionsmöglichkeiten nachdenken, sondern auch über die effektive, rechtzeitige und effiziente Verwendung von Mitteln.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Die Strukturfonds helfen uns ebenfalls dabei, mit der neuen konjunkturellen Realität zurechtzukommen. Sie ermöglichen es Mitgliedstaaten, EU-Investitionen als effektives Mittel gegen die anhaltende Wirtschaftskrise zu optimieren.
Das Europäische Parlament fordert – über den Ausschuss für regionale Entwicklung – fortwährend eine stärkere Vereinfachung von Verwaltungsvorschriften. Ich bin erfreut darüber, dass die Kommission dies schließlich zur Kenntnis genommen hat und dass sie zu einer gemeinsamen Haltung mit dem Rat gelangt ist.
Eine kostspielige Verwaltung, verzögerte Zahlungen und eine komplizierte Prüfung der Zuschussfähigkeit von Zahlungen verursachen finanzielle Schwierigkeiten auf Seiten der Endbegünstigten. In meinem Land, der Slowakei, ist von offizieller Seite häufig der Vorwurf zu hören, dass Brüssel viel zu viel Wert auf Bürokratie legt und Rechnungen x-mal geprüft werden. Sie vergessen, worauf es im Kern ankommt: die Wahl der richtigen Maßnahme, Inhalt und Qualität eines Projekts, effiziente Umsetzung und Projektnutzen.
Mitarbeiter in den Projektteams müssen sich auf erstklassige Projekte konzentrieren, die dahingehend Vorteile bringen, dass sie ein Wettbewerbsumfeld schaffen. Sie dürfen nicht stattdessen stundenlang in Rechnungsbüros sitzen und wertvolle Zeit und Energie vergeuden, ganz zu schweigen von dem riesigen Aufwand an Schreibarbeit, der für Berichte erforderlich ist. Die Prüfung nebensächlicher Details kostet häufig bedeutend mehr als diese wert sind.
Ich stimme daher der Ausweitung des Einsatzes von Einmalbeträgen und Pauschalsätzen für den Europäischen Regionalfonds und der Einführung von drei neuen Formen von zuschussfähigen Zahlungen zu: indirekte Kosten von bis zu 20 % der Höhe direkter Kosten, Einmalbeträge von bis zu 50 000 Euro und allgemeine Standardtarife für Einzelkosten.
Aus diesem Grunde erachte ich das von der Europäischen Kommission angenommene Paket von Entscheidungen, mit dem die Flexibilität bei der Inanspruchnahme von Mitteln der Strukturfonds durch Mitgliedstaaten erhöht werden soll, als positive Reaktion auf die anhaltende Wirtschaftskrise.
Ich glaube, dass eine Vereinfachung der Regeln und eine flexible Finanzierung den Mitgliedstaaten helfen werden, gute Projekte für ertragsträchtige Sektoren auszuarbeiten. Wir müssen Investitionen für Energieeffizienz-Maßnahmen und den Einsatz erneuerbarer Energien im Wohnungsbau fördern mit dem Ziel, neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Energieverbrauch zu senken. Durch Unterstützung sauberer Technologien können wir zur Belebung sowohl der Automobilindustrie als auch der Bauwirtschaft beitragen.
Avril Doyle (PPE-DE). – Frau Präsidentin, ich begrüße den Vorschlag zur Änderung der EFRE-Verordnung zur Inanspruchnahme von EFRE-Mitteln für Energieeffizienz-Maßnahmen und Investitionen in erneuerbare Energien im Wohnungsbau. Ich begrüße ebenfalls die am ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgenommene Änderung, durch die die Beschränkung der Zuschussfähigkeit auf einkommensschwache Haushalte aufgehoben und dafür die Zuschussfähigkeit auf Eingriffe beschränkt wird, die soziale Kohäsion fördern, wobei es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, zu bestimmen, welche Wohnungsbaukategorien zuschussfähig sind.
Ich möchte jedoch, falls es erlaubt ist, eine spezielle Frage an die Kommission richten. Was ist mit Energieeffizienz gemeint (es wird darüber im Zusammenhang mit den EFRE-Mitteln gesprochen)? Wird es eine harmonisierte Methode zur Energieeffizienz-Berechnung für die EU 27 geben, oder werden wir in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Berechnungen und unterschiedliche Entgelte haben? Wenn wir beispielsweise über Energieeffizienz und Investitionen in Energieeffizienz im privaten Wohnungsbau reden, bedeutet dies das Gleiche wie unter der Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, die derzeit erörtert wird und wo es eine Diskussion über die Notwendigkeit einer harmonisierten bzw. einheitlichen Berechnungsweise beim Anstellen von Berechnungen zur Energieeffizienz gibt, um sicherzugehen, dass die Investitionen tatsächlich für Energieeffizienz bzw. zur Steigerung der Energieeffizienz bzw. zur Reduzierung der CO2 Emissionen getätigt werden?
Dies ist Teil der Diskussion, die wir heute Morgen bei einem Frühstück des Mittelstandsverbands mit meinem Kollegen Herrn Rübig als Gastgeber geführt haben und bei der uns sehr deutlich gesagt wurde, dass es Engpässe bei Ausgaben für Energieeffizienz-Maßnahmen im Wohnungsbau gebe: finanzielle Engpässe bei der Kreditvergabe infolge der Kreditklemme. Wir müssen Subventionen und verschiedene Steueranreize prüfen. Wir brauchen eine einfache Verwaltung, um normale Haus- und Wohnungsbesitzer zu ermutigen, von diesen Mitteln Gebrauch zu machen, gleichgültig, ob sie aus dem EFRE oder von einem Mitgliedstaat stammen. Während wir reden, muss ich festhalten, dass unsere Regierung unlängst die Förderregelung für die Wohnungsmodernisierung zur Energieeinsparung eingeführt hat.
Aber wir brauchen eine einfache Verwaltung. Wir brauchen Förderung, damit durch die Investitionen nicht nur der Import fossiler Brennstoffe reduziert und die Kohlendioxidemissionen gesenkt werden, sondern auch eine spürbare Entlastung der Haushalte bei den Energiekosten erreicht wird.
Ljudmila Novak (PPE-DE). – (SL) Ich unterstütze uneingeschränkt die vorgeschlagenen Änderungen an der Verordnung, durch die Pauschalfinanzierungen ausgeweitet und der Einsatz eines Pauschalvergütungssystems ermöglicht wird. Dies ist eine angemessene Maßnahme, durch die die Schwierigkeiten, denen die Arbeitslosen gegenüberstehen, gemildert werden, sofern die richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorhanden sind.
Bevor wir jedoch diese Änderungen annehmen, möchte ich darauf hinweisen, dass drei von vier EU-Bürgern der Ansicht sind, das Parlament spiele eine wichtige Rolle bei der gemeinsamen Gestaltung der europäischen Politik. Bei der gleichen Umfrage gaben die Befragten an, dass sie dem Parlament das meiste Vertrauen entgegenbringen. Einundfünfzig Prozent der Befragten sagten, dass sie ihr Vertrauen in das Europäische Parlament setzen, während nur 47 % der Kommission und nur 42 % dem Rat ihr Vertrauen schenken. Außerdem genießt dieses Haus mehr Vertrauen als die Europäische Zentralbank.
Wozu zähle ich diese statistischen Daten auf? Das Europäische Parlament hat bereits 2005 festgestellt, dass eine stärkere Vereinfachung entscheidend für die Europäischen Strukturfonds im Allgemeinen und für den Europäischen Sozialfonds im Besonderen ist. Die Kommission hat jedoch gerade erst mit der Umsetzung unserer Empfehlungen zur Verbesserung der Bedingungen begonnen, unter denen unsere Bürger und Unternehmen Geschäfte tätigen, nun, da wir uns mit einer Krise konfrontiert sehen.
Ich werde zwar zufrieden sein, wenn unsere Feststellungen und Empfehlungen zumindest teilweise realisiert sind; dennoch betrübt es mich, dass eine Brandbekämpfungsmethode angewandt wird, um mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden. Ich hoffe indessen, dass diese Erfahrung die Kommission ermutigen wird, künftig schneller Maßnahmen zu ergreifen und dass die vielen fundierten und berechtigten Anmerkungen und Vorschläge des Parlaments eher in die Praxis umgesetzt werden.
Colm Burke (PPE-DE). – Frau Präsidentin, ich begrüße diese neuen Vorschläge. Wir haben es zurzeit mit einer Krise zu tun. Überall in der EU sind erhebliche Arbeitsplatzverluste zu verzeichnen.
Heute wurden in Irland die neuesten Arbeitslosenzahlen verkündet. Die Arbeitslosenquote beträgt nun 11 % – gegenüber 5,4 % vor nur einem Jahr. Sie hat sich damit mehr als verdoppelt. Diese Zahlen sind schockierend und erschreckend. Angesichts dieser düsteren Lage müssen wir versuchen, kreative Lösungen zu finden, um den arbeitslosen Menschen die nötigen Fähigkeiten und die Aussichten und Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben.
Der Europäische Sozialfonds (ESF), der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Kohäsionsfonds können dabei eine wesentliche Rolle spielen. Durch gezielten Einsatz dieser Fonds können wir unsere Volkswirtschaften mit neuen Mitteln ausstatten, um aus der Rezession herauszukommen. Es obliegt uns allen – als Mitgliedern des Europäischen Parlaments und als Bürgern – die Öffentlichkeit, die im Moment sehr besorgt ist, hierauf aufmerksam zu machen. Es obliegt uns allen, diese Botschaft an unsere nationalen Regierungen zu richten: dass diese Mittel so schnell und effizient wie möglich zusammengestellt und eingesetzt werden. Ich begrüße auch den geringeren Aufwand an Schreibarbeit. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) 2010 ist das Jahr, in dem wir eine Zwischenbewertung der Art und Weise vornehmen, in der die Strukturfonds verwendet werden, und ich denke, dass dem Bereich Energieeffizienz Priorität eingeräumt werden muss. Ich bedaure es, dass Änderungen an diesen Berichten nicht gebilligt wurden.
Als Berichterstatterin für die Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden habe ich eine Anhebung der EFRE-Quote, die zur Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden verwendet werden kann, auf bis zu 15 % vorgeschlagen. Es geht eigentlich darum, für eine größere Flexibilität zu sorgen, und es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob und wie viel sie diesem Bereich zuteilen wollen.
Ich verstehe die Dringlichkeit. Die EU-15-Staaten müssen in der Lage sein, die Strukturfonds für Energieeffizienz zu verwenden. Ich glaube, dass dies einen Austausch bewährter Verfahren und die Unterstützung neuer Mitgliedstaaten ermöglichen wird. Ich habe die dringende Bitte an die Kommission, bis zum 30. Juni 2010 einen neuen Gesetzesvorschlag zu präsentieren, damit die Höchstgrenze auf 15 % angehoben werden kann, oder eine Mindestschwelle für die EFRE-Quote von 10 % für Energieeffizienz in Gebäuden festzulegen.
Fiona Hall (ALDE). – Frau Präsidentin, bei der Behandlung des Themas Energieeffizienz wird immer wieder die Tatsache hervorgehoben, dass viel mehr erreicht werden könnte – und zwar schnell – wenn nur Investitionsmittel verfügbar wären. Deshalb ist es so wichtig, dass Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für Energieeffizienz-Maßnahmen ausgegeben werden können, nicht nur in der EU-12, sondern auch in der EU-15.
Der britische Minister für Wohnungsbau hat eingeräumt, dass trotz beträchtlicher Fortschritte nur 1 % des derzeitigen Wohnungsbestands über die nötige Energieeffizienz zur Vermeidung von Energiearmut verfügt. In meiner eigenen Region, Nordostengland, wurde eine von zehn Wohnungen als Gesundheitsrisiko der Kategorie eins eingestuft, weil die Wohnungen derart kalt und zugig sind.
Deshalb begrüße ich diese Änderung und fordere alle Mitgliedstaaten und Regionen dringend auf, die neue Flexibilität voll auszunutzen. Zurerfolgreichen Bekämpfung von Klimawandel, Energiearmut und Arbeitslosigkeit und im Interesse der Energiesicherheit fordere ich, wie Frau Ţicău, die Kommission dringend auf, die derzeitigen Grenzquoten zur rechten Zeit deutlich anzuheben, wie der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie bei seiner Abstimmung über die Neufassung am Dienstag gefordert hat.
Catherine Stihler (PSE). – Frau Präsidentin, ich möchte den Berichterstattern meinen Dank aussprechen. Die Suche nach Möglichkeiten, wie sich die Europäischen Strukturfonds effektiver nutzen lassen, um den von der globalen Wirtschaftkrise betroffenen Menschen zu helfen, ist eine der vielen Maßnahmen, die Mitgliedstaaten ergreifen müssen, um denen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, dabei zu helfen, möglichst schnell wieder eine Beschäftigung zu finden.
Es ist interessant, dass wir am Vorabend des G20-Treffens über dieses Thema sprechen. Die G20 hat das Potenzial, den Prozess zur Schaffung globaler Finanzregeln einzuleiten. Wir brauchen diese Regeln, um zu verhindern, dass sich eine derartige Wirtschaftskatastrophe noch einmal ereignet.
Wir müssen Arbeitsplätze schaffen und die Kernpunkte der Sozialagenda für die Europawahlen ausarbeiten. Die 25 Millionen Menschen in der EU, die bis zum Ende des Jahres ohne Arbeit sein werden, sollten im Mittelpunkt unserer Arbeit in diesem Parlament stehen, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und dafür zu sorgen, dass die Menschen wieder einen Arbeitsplatz bekommen.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Frau Präsidentin, zunächst möchte ich Frau García Pérez, Frau Jöns und Herrn Angelaka, die ausgezeichnete Berichte vorgelegt haben, sowie allen Mitgliedern, die gesprochen haben, danken.
Bei der großen Mehrzahl dieser Reden wurde für die Unterstützung der von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen plädiert und deren Bedeutung für einen effektiven Kampf gegen die Auswirkungen der Krise auf die europäische Wirtschaft hervorgehoben. Im Namen der Kommission möchte ich Ihnen hierfür danken.
In Ihren Reden kam deutlich der Wunsch des Europäischen Parlaments zum Ausdruck, die Europäische Union mit den Mitteln auszustatten, die sie benötigt, um den Folgen der Krise entgegenzuwirken. Sie haben auf der Notwendigkeit beharrt, rasch zu handeln, und dies ist unser Ziel. Die tschechische Präsidentschaft, der ich an dieser Stelle für ihre Unterstützung danken möchte, hat sich ebenfalls darauf festgelegt, die endgültige Annahme der Vorschriften so schnell wie möglich zuzulassen.
Ausgehend von einer halbwegs optimistischen Prognose könnten die neuen Vorschriften in den kommenden Wochen in Kraft treten und somit eine rasche Wirkung auf die operationellen Programme haben. Insbesondere die Vorschüsse könnten Anfang Mai vollständig ausgezahlt werden.
Bei anderen Reden wurde überdies auf der Einführung einer strengen Überwachung der Anwendung dieser Maßnahmen und der Vorlage eines Berichts im Jahr 2010, der die erzielten Ergebnisse ausweist, bestanden. Die Kommission hat diese Zusage gemacht, und sie ist in der Erklärung enthalten, die ich der Präsidentschaft unterbreitet habe.
Die Europäischen Institutionen werden daher kaum vier Monate gebraucht haben, um dieses Gesetzespaket auszuarbeiten und zu genehmigen. Ich möchte das Thema Energieeffizienz ansprechen, das in vielen Reden zur Sprache gebracht wurde.
Ich möchte das Parlament darauf hinweisen, dass zu diesem Thema im Juni während eines Seminars mit den Vollzugsbehörden der Mitgliedstaaten ein Workshop stattfinden wird. Wir ersuchen die Mitgliedstaaten, uns in den Strategieberichten, die sie für das Ende des Jahres 2009 zu erstellen haben, ihre Pläne hinsichtlich Gesamtlaufzeit zu beschreiben.
Es ist klar, dass es angesichts der aktuellen Lage Sache der Mitgliedstaaten ist, die Energieeffizienzkriterien und förderungswürdigen Maßnahmen festzulegen. Dies entspricht dem Prinzip der Subsidiarität. Es stimmt jedoch, dass eine Richtlinie zur Energieeffizienz erwogen wird und dass diese natürlich anzuwenden ist, sobald sie verabschiedet wurde. Ferner werde ich mich mit meiner Stimme gerne denjenigen Mitgliedern anschließen, die den doppelten Vorteil der Forschung auf dem Gebiet der Energieeffizienz von Gebäuden herausgestellt haben: sie schafft Arbeitsplätze und liefert Zukunftslösungen für das Problem der globalen Erderwärmung.
Ich möchte außerdem sagen, dass es, abgesehen von dieser Krise, die irgendwie zu einer sehr engen Kooperation zwischen den Institutionen geführt hat, offenkundig immer wichtiger wird, eine Zusammenarbeit zwischen Kommission und Parlament realisieren zu können, die auf einem hohen Maß an Vertrauen basiert. Die Kommission hat versucht, der Herausforderung, die die Wirtschafts- und Finanzkrise darstellt, effektiv zu begegnen, und gleichzeitig wollte sie diese interaktive Diskussion mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament dazu nutzen, auf die Forderung nach Vereinfachung dieser Verfahren und Regeln zu reagieren.
Selbstverständlich hätten weitere Vorschläge in das Konjunkturprogramm aufgenommen werden können. Sie wurden nicht alle aufgenommen, doch sie werden zu der Diskussion beitragen, die die Kommission initiieren wird, um die Wirkung des Konjunkturprogramms zu stärken und den für die Ausführung der Projekte zuständigen nationalen Behörden zusätzliche Möglichkeiten zu bieten. Die Kommission hat deshalb im November eine Arbeitsgruppe für den Bereich Vereinfachung eingesetzt. Deren Tätigkeit hat bereits einen Entwurf für die Überarbeitung der Durchführungsverordnung der Kommission hervorgebracht. Es können weitere Vorschläge zur Änderung der allgemeinen Verordnung und der fondsspezifischen Verordnungen folgen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, dass alle während dieser Debatte gemachten Bemerkungen sehr nützlich sein werden, und andere werden ebenfalls willkommen sein. Meinen besonderen Dank möchte ich dem Europäischen Parlament für seine Zusage aussprechen, die durch die Krise hervorgerufenen ernsten Probleme schneller zu lösen.
Was die von Frau Schroedter vorgelegten Änderungen am Verordnungsentwurf für den Europäischen Regionalfonds angeht: drei betreffen die Präambeln und eine den Inhalt. Hinsichtlich der − Änderungen 8 bis 10 − (Präambeln) ist zu sagen, dass ihre Aufnahme nicht den allgemeinen Tenor der von der Kommission unterbreiteten Vorschläge verändert hätte; sie hätte jedoch das Annahmeverfahren für die Verordnung verlängert.
Was die Änderung am Inhalt betrifft, so ist die Kommission nicht gegen das Prinzip. Sie beabsichtigt jedoch, einen Mechanismus einzuführen, der nicht im Kompromisstext des Rats enthalten war, da der Text Probleme bei der Umsetzung in den Mitgliedstaaten bereitete.
Ich habe diese Klarstellungen treffen müssen, und ich habe dies am Ende meiner Rede getan. Ich möchte dem Parlament noch einmal dafür danken, dass es uns in die Lage versetzt hat, schneller zu handeln, um die schmerzhaften Folgen der von einigen von Ihnen so zutreffend beschriebenen Krise zu begrenzen.
Iratxe García Pérez, Berichterstatterin. − (ES) Herr Kommissar, ich möchte Ihnen für Ihre Ausführungen zur heutigen Debatte danken. Sie werden wohl wissen, dass die fast vollständige Einstimmigkeit in diesem Parlament zu dem gerade erörterten Vorschlag kein bloßer Zufall ist.
Tatsächlich zeugt dies, wie unsere Kollegin Frau Creţu bemerkte, vonpolitischem Willen, und es zeigt, dass wir bei der Suche nach Lösungen für die derzeitige Krise unseren Beitrag leisten können. Diese Krise verursacht echte Probleme und Armut in Europa.
Sie stellte jedoch auch eine Übung in Verantwortung dar, wie Sie selbst dargelegt haben; und ich wiederhole, eine Übung in Verantwortung, da wir wussten, dass dieser Vorschlag, der uns heute vorgelegt wurde, vielleicht besser hätte sein können. Wir hätten weitere Elemente in den Vorschlag aufnehmen können, um Verfahren zu beschleunigen oder zu vereinfachen, doch wir wussten, dass es zur schnellstmöglichen Umsetzung dieser Maßnahmen notwendig war, die Berichte so zu lassen wie sie im Augenblick sind.
Daher möchte ich bloß eine Bitte an die Kommission richten: nun, da wir, wie angekündigt, einen überarbeiteten Plan zur Vereinfachung der Formalitäten haben, wird das Parlament hoffentlich eine wichtigere Rolle bei der Erörterung und Planung dieser neuen Initiativen haben. Ich trage diesen Wunsch nicht nur im Namen des Parlaments vor, sondern auch für die örtlichen Verwaltungen, die an der Basis in diese Projekte involviert sind, und ich verstehe ihre speziellen Erfordernisse hinsichtlich der Durchführung der verschiedenen Initiativen.
Emmanouil Angelakas, Berichterstatter. − (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich danke Ihnen. Ich möchte einige Anmerkungen zu dem machen, was wir gerade gehört haben.
Ich war über Ihre Aussage erfreut, Herr Kommissar, dass die Auszahlung der Vorschüsse voraussichtlich Anfang Mai beginnen wird, und ich gehe folglich davon aus, dass diese Änderungen innerhalb einer angemessenen Frist von zwei, drei oder vier Wochen ab morgen im Amtsblatt veröffentlicht werden, damit sie angewandt werden können, wie Sie gesagt haben. Dies war meine erste Anmerkung.
Als Zweites möchte ich sagen, dass Sie in der neuen Legislaturperiode mit der Änderung und Vereinfachung anderer Verordnungen rasch fortfahren müssen, wie andere Mitglieder bereits gesagt haben, und dass das Europäische Parlament einen aktiven Beitrag zur Untersuchung, Auswertung und Abfassung dieser Verordnungen leisten will.
Ich muss sagen, dass es einige Vorschläge und Einfälle gegeben hat, doch wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit glaubten die meisten von uns im Ausschuss und im Parlament, dass es keine gute Idee wäre, mit derartigen Änderungen fortzufahren.
Zu der Tatsache, dass die Investitionsquote für erneuerbare Energien im Wohnungsbau erhöht wird, muss ich sagen, dass nach den uns vorliegenden Zahlen die neuen Mitgliedstaaten gegenwärtig nur von 1 % bis 1,5 % Gebrauch machen, was bedeutet, dass es möglicherweise eine Reihe von Problemen gibt. Ich denke, dass 4 %, was dem vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) vorgesehenen Höchstbetrag entspricht, zufriedenstellen sind, und ich hoffe, dass sich die Lage bessern wird.
Ich begrüße auch Ihre Aussage, dass Sie in der zweiten Jahreshälfte 2010 einen Bericht zu den Konjunkturprogrammen auf Grundlage der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Programme einbringen werden.
Abschließend möchte ich betonen, Frau Kommissarin, dass die Komplexität der Verfahren das wichtigste Problem darstellt, vor dem die Mitgliedstaaten und Regionen bei der Anwendung dieser Verfahren stehen. Diese müssen dringend vereinfacht werden. Ich bin überzeugt, dass auch Sie in dieser Richtung Unterstützung leisten werden, und das Europäische Parlament wird Ihnen dabei zur Seite stehen.
Die Präsidentin. – Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Die aktuelle Finanzkrise und die Rezession wirken sich nachteilig auf den öffentlichen Haushalt aus. In den meisten Mitgliedstaaten hat sich das wirtschaftliche Wachstum deutlich verlangsamt, einige Staaten verzeichnen sogar eine wirtschaftliche Stagnation. Die Indikatoren der Arbeitslosigkeit haben angefangen, sich zu verschlechtern. Wenn eine Situation wie die wirtschaftliche Rezession eintritt, ist es extrem wichtig, dass der Europäische Sozialfonds umfassend genutzt wird, um die Probleme der Arbeitslosen zu lösen, insbesondere derjenigen, die am schlimmsten betroffen sind.
Es ist äußerst wichtig, dass die vier Hauptbereiche, in denen der Europäische Sozialfonds aktiv ist, unverändert bleiben:
- Steigerung der Anpassungsfähigkeit von Beschäftigten und Unternehmen;
- Schaffung verbesserter Bedingungen für Beschäftigung, Vorbeugung gegen Arbeitslosigkeit, Verlängerung des Arbeitslebens und Förderung einer aktiveren Teilnahme am Arbeitsmarkt;
- Verbesserung der sozialen Integration durch Förderung der Eingliederung in den Arbeitsmarkt von Menschen, die Unterstützungsleistungen erhalten, und durch Bekämpfung von Diskriminierung;
- Förderung von Partnerschaften bei der Umsetzung der Reform in den Bereichen Beschäftigung und Integration.
Sebastian Bodu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Das erweiterte europäische Konjunkturprogramm, oder genauer gesagt die Reform des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), bietet den EU-Mitgliedstaaten zahlreiche Möglichkeiten, insbesondere da die globale Wirtschaftskrise zu einer verlangsamten Entwicklung der Volkswirtschaften führt. Die neue Maßnahme, die in dem Bericht zur Reform der EFRE-Verordnung hinsichtlich Investitionen in Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien für Wohngebäude in allen Mitgliedstaaten vorgeschlagen wird, fördert sowohl die Schaffung neuer Arbeitsplätze als auch die Energieeffizienz von Wohngebäuden. Die Erreichung der Ziele der Energie- und Klimastrategie der Gemeinschaft ist eine ernst zu nehmende Angelegenheit, für die die Wirtschaftskrise oder andere Überlegungen keine Rolle spielen sollte. In dieser Hinsicht verbinden die Vorschläge der Reform des EFRE wirksam die Maßnahmen zur Bekämpfung der Auswirkungen der Wirtschaftskrise (Schaffung neuer Arbeitsplätze, Steigerung von Investitionen usw.) mit Umweltschutzmaßnahmen (Wärmedämmung von Wohngebäuden und Investitionen in erneuerbare Energien). Aus diesen Gründen denke ich, dass der Bericht zu „Investitionen in die Energieeffizienz und erneuerbare Energien in Wohngebäuden“ einen bedeutenden Schritt der EU darstellt, und ich bin zuversichtlich, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sein werden, das Beste aus dieser Möglichkeit zu machen.
Corina Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Die schmerzhaften sozialen Auswirkungen der Krise machen sich in allen Mitgliedstaaten mehr und mehr bemerkbar. Insbesondere dort, wo Arbeitsplätze betroffen sind, zeigt sich in fast jedem Mitgliedstaat eine schnelle Verschlechterung der Lage. Der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstreicht die Tatsache, dass die Arbeitslosenquote in der EU und den USA dieses Jahr schätzungsweise 10 % erreichen könnte. Dies ist ein besorgniserregender Anstieg zu einer Zeit, in der die durchschnittliche Arbeitslosenquote in der EU im Januar 8 % betrug.
In Rumänien wurde im letzten Jahr, obgleich die offizielle Arbeitslosenquote unter dem europäischen Durchschnitt liegt, ein Anstieg von 1 % auf 5,3 % verzeichnet. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Quote schneller ansteigt, wenn mehr Unternehmen gezwungen sein werden, Entlassungen vorzunehmen und unsere Landsleute, die derzeit im Ausland beschäftigt sind, aufgrund des Verlusts ihrer Arbeitsplätze nach Hause zurückkehren.
Aus diesem Grund möchte ich, angesichts eines drohenden Anstiegs sozialer Ungleichheiten, die wir vielleicht nicht mehr unter Kontrolle haben werden, die Notwendigkeit betonen, uns stärker auf die Probleme der Arbeitslosen zu konzentrieren, die von der aktuellen Krise am stärksten betroffen und am stärksten gefährdet sind.
Dragoş David (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße den Vorschlag der Kommission, die Verordnung über den Europäischen Entwicklungsfonds (EFRE) zu ändern, so dass alle Mitgliedstaaten und Regionen der Europäischen Union mit Unterstützung des Strukturfonds in Maßnahmen hinsichtlich Energieeffizienz und erneuerbaren Energien für Wohngebäude investieren können.
Auf der Grundlage der aktuellen Verordnung unterstützt der EFRE bereits Maßnahmen im Wohnungswesen, welche auch den Bereich Energieeffizienz abdecken, jedoch auf die neuen Mitgliedstaaten (EU-12) begrenzt und an spezielle Bedingungen geknüpft sind.
Es ist für die Mitgliedstaaten wichtig, dass sie ihre Prioritäten ändern und ihre operationellen Programme neu planen können, um Maßnahmen in diesem Bereich zu finanzieren, wenn sie dies wünschen.
Die festgelegte Obergrenze für Kosten, die durch die Verbesserung der Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien in bestehenden Wohngebäude entstehen, beträgt 4 % der gesamten EFRE-Mittel pro Mitgliedstaat, diese Obergrenze muss auf 15 % angehoben werden, damit die Investitionen in diesem Bereich die größtmögliche Wirkung für die Bürger der Europäischen Union entfalten.
Zum Abschluss möchte ich dem Berichterstatter Herrn Angelakas zu seinem Beitrag zu diesem Bericht gratulieren.
Rumiana Jeleva (PPE-DE), schriftlich. – (BG) Gemeinsam sind wir in diese Krise geraten, und gemeinsam müssen wir sie auch überwinden. Das bedeutet, dass wir sowohl in Europa als auch in der restlichen Welt zusammenarbeiten müssen. Wir müssen jedoch zuerst unsere Aufgaben hier in der Europäischen Union, genauer gesagt im Europäischen Parlament, erledigen, wo die Interessen aller europäischen Bürger vertreten sind.
Die Vorschläge der Europäischen Kommission, die wir heute prüfen, sollen den europäischen Volkswirtschaften neue Impulse geben und ihnen helfen, aus der Rezession herauszukommen. Die Änderungen der Strukturfondsverordnung zur Berücksichtigung der Kohäsionspolitik werden uns die Möglichkeit geben, neue Impulse für Investitionen zu setzen und das Vertrauen in die Volkswirtschaften wiederherzustellen.
Diese Änderungen sind insbesondere angemessen für Länder, in denen europäische Mittel nur in geringem Umfang genutzt werden. Dies kann jedoch nur erreicht werden, wenn die entsprechenden nationalen Behörden auch die allgemeinen Standards der verantwortungsvollen Führung und Partnerschaft anwenden. Wir müssen ineffizienten Arbeitsmethoden und Korruption, die leider noch immer Anwendung finden, ein Ende setzen.
Wir müssen jetzt gemeinsam reagieren. Als Berichterstatter PPE-DE fordere ich Sie auf, den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Verordnung über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds bezüglich bestimmter Vorschriften zur Finanzverwaltung zu unterstützen.
Zbigniew Kuźmiuk (UEN), schriftlich. – (PL) Bezüglich der Aussprache zu europäischen Fonds möchte ich die Aufmerksamkeit auf vier Vorschläge der Kommission lenken, die die Nutzung finanzieller Mittel und des Strukturfonds durch die Begünstigten beschleunigen sollen.
1. Stärkere Unterstützung durch die Europäische Investitionsbank (EIB) und den Europäischen Investitionsfonds (EIF) für Projekte, die von den Strukturfonds mitfinanziert werden.
2. Vereinfachung von Verfahren bezüglich Förderungswürdigkeit von Ausgaben rückwirkend per 1. August 2006, beispielsweise im Hinblick auf die Berücksichtigung der Sachleistungen eines Begünstigten bei förderungswürdigen Ausgaben.
3. Erhöhung der Ratenzahlungen der Strukturfonds um 2 %, um die Zahlung zusätzlicher Raten in Höhe von 6,25 Milliarden Euro im Jahr 2009 zu ermöglichen.
4. Beschleunigung der Ausgaben für wichtige Projekte, indem die Begünstigten neben anderen Maßnahmen die Möglichkeit haben, Auszahlungsanträge vor der Genehmigung von Projekten durch die Europäische Union zu stellen.
All diese Änderungen sorgen für eine höhere Liquidität der Begünstigten. Sie verdienen eine rückhaltlose Unterstützung und sollten so schnell wie möglich umgesetzt werden. Gleiches gilt für die Vereinfachung von Vorschriften.
Adrian Manole (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Forschungen haben ergeben, dass Rumänien in Mittel- und Osteuropa mit den höchsten Stromverbrauch hat. Ein verbesserter Energiehaushalt könnte sich direkt auf das wirtschaftliche Wachstum auswirken, die Umweltverschmutzung verringern und Ressourcen sparen, damit diese produktiver genutzt werden können.
Um dies in Rumänien zu erreichen, muss die Bevölkerung über den wirtschaftlichen Nutzen informiert werden, der durch Energieeffizienz-Haushaltspraktiken erzielt werden kann. Zu diesem Zweck sollten alle, die an einer Unterstützung durch den EFRE-Fonds interessiert sind, Beratung zu neuesten Energiesparmethoden erhalten.
Dies wird einerseits dazu beitragen, das Leben nationaler Verbraucher zu erleichtern, andererseits die Stromkosten senken, eine effiziente Energienutzung über die gesamte Energiekette fördern und die Einhaltung geltender Energieeffizienzgesetze unter Beweis stellen. Das wird die Neuausrichtung der Energiepolitik auf Basis der Energiegewinnung in Richtung einer aktiven Energiepolitik zur Schonung von Ressourcen durch Energiesparmaßnahmen entscheidend bestimmen.
Alexandru Nazare (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich freue mich, dass wir endlich konkrete Schritte zum Abbau der Bürokratie hinsichtlich des Zugangs zu den europäischen Fonds machen. Es ist jedoch schade, dass nur in Krisenzeiten Vorschläge für vereinfachte und flexiblere Vorschriften für die europäischen Fonds eingereicht werden.
Ich möchte einen wichtigen Aspekt dieser Vorschriften unterstreichen: die immer höhere Schwelle für Investitionen in die Energieeffizienz in Wohngebäuden. In Ländern, die eine systematische städtebauliche Erschließung und Zwangsindustrialisierung erlebt haben, sind Millionen Bürger von dem Problem der Energieeffizienz in Wohngebäuden betroffen. Bisher wurden nur wenige Mittel der Fonds genutzt, ich glaube jedoch, dass zwei Jahre des aktuellen Finanzplanungszeitraums zu kurz sind, um sich ein genaues Bild der Nutzung zu machen. Daher war eine Erhöhung der Schwelle angesichts der großen Zahl der Begünstigten und der Möglichkeit zur Schaffung von Arbeitsplätzen erforderlich. Für Rumänien bleibt das Problem jedoch bestehen, solange diese Maßnahmen, auf Anforderung der Kommission, nur für Städte zur Verfügung stehen, die als Wachstumszentren ausgewählt wurden. Ich hoffe, dass die Kommission auch ihre Verpflichtung einhält, bestimmte bereits genehmigte operationelle Programmachsen neu zu verhandeln, damit die Mittel für Maßnahmen bewilligt werden können, die ein größeres Potenzial für wirtschaftliches Wachstum bieten.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Der Vorschlag einer Vorschrift, der Gegenstand dieses Berichts ist, steht beispielhaft für die Art und Weise, wie europäische Mittel für die europäischen Bürger vorteilhafter eingesetzt werden können.
So lassen sich signifikante Ergebnisse erzielen, ohne dass die vorgesehenen Mittel erhöht und ohne dass Maßnahmen ergriffen werden, die sich auf das Budget der Gemeinschaft auswirken, in anderen Worten, einfach durch Verbesserung der Spielregeln.
Ich möchte unterstreichen, dass diese Änderungen dem Land, welches ich vertrete, Rumänien, helfen werden, die Gemeinschaftsmittel zu verdoppeln, die in die Renovierung der Heizungen in Wohnblocks investiert werden können.
Diese Mittel werden das ambitionierte Programm ergänzen, das die rumänische Regierung zur Renovierung von Heizungen in Wohnblocks auf den Weg gebracht hat.
Was bedeutet das? Erstens, weniger Energieverschwendung. Zweitens, dadurch bedingt geringere Energieimporte. Schließlich und auch dadurch bedingt einen Rückgang der Heizkosten für Wohngebäude, die von den Bürgern gezahlt werden müssen.
Ich hoffe, dass dies nur der Anfang ist, und dass die Europäische Union weitere Investitionen in die Energieeffizienz fördern wird.
Ich habe diese Idee seit dem Beginn meines Mandats als Abgeordneter unterstützt. Daher stimme ich morgen für den Angelakas-Bericht und für den Vorschlag bezüglich der Vorschrift, der von der Kommission initiiert wurde.
Nicolae Popa (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Der Angelakas-Bericht ist eine willkommene Vereinfachung der Bedingungen für die Förderungswürdigkeit von Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien in Wohngebäuden. Eine Ausweitung der Nutzung von festen Sätzen und Pauschalen wird sich positiv auf die tägliche Verwaltung der Strukturfonds auswirken.
Die Änderung in Artikel 7 der EFRE-Verordnung, die es allen EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, mithilfe der Strukturfonds in Maßnahmen hinsichtlich Energieeffizienz und erneuerbaren Energien in Wohngebäuden zu investieren, ist nicht nur im Kontext der aktuellen Wirtschaftskrise ein willkommener Schritt. Die Erleichterung des Zugangs der EU-27 zum EFRE ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu dem Ziel, bis 2020 einen Anteil von 20 % der Energieversorgung Europas mit erneuerbaren Energiequellen zu decken.
Seit dem Beitritt zur EU sind erneuerbare Energien und Energieeffizienz auch in Rumänien verbindliche Ziele geworden. Infolgedessen wird die Gesetzgebung zur Renovierung von Heizungen in Wohngebäuden geändert, so dass 50 % der erforderlichen Mittel vom Staat abgedeckt werden; die Eigentümer übernehmen lediglich 20 % der Kosten und die Kommunalbehörden 30 %. Um Ihnen einige Zahlen zu nennen, wurden bis Ende 2008 die Heizungen in 1 900 Wohnungen renoviert. Für 2009 wird das rumänische Ministerium für Regionalentwicklung und Wohnungsbau 130 Millionen Euro für die Renovierung von Heizungen bereitstellen, die unter anderem für Kindergärten, Schulen und Altenheime bestimmt sind.
Theodor Stolojan (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße die Initiative der Europäischen Kommission, einige der finanziellen Bedingungen der Struktur- und des Kohäsionsfonds zu ändern, so dass die Mitgliedstaaten schneller mehr Mittel erhalten können. Ich bin überzeugt, dass diese Bemühungen der Europäischen Kommission anhalten müssen, indem auch die finanziellen Mittel für die Instrumente JASPER, JEREMIE, JESSICA und JASMINE erhöht werden, die den Zugang der Mitgliedstaaten zu europäischen Mitteln nachweislich effektiv beschleunigen.
Margie Sudre (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Die Reform der drei Vorschriften für die Strukturfonds werden den Regionen der Europäischen Union mehr Flexibilität hinsichtlich der Verwaltung und Planung der Budgets verleihen, die ihnen im Rahmen der europäischen wirtschaftlichen und sozialen Kohäsionspolitik gewährt werden.
Diese Vorschriften werden ohne Erhöhung der Finanzierungskapazität für die Regionen diesen eine Neuausrichtung ihrer Prioritäten ermöglichen, um die europäischen Beiträge auf Projekte zu konzentrieren, die das größte Potenzial für Wachstum und Beschäftigung bieten.
Die Regionen können fortan den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur gemeinsamen Finanzierung von Investitionen in Energieeffizienz für alle Kategorien von Wohngebäuden nutzen, um Programme zu entwickeln, mit denen Wohngebäude mit Wärmeschutz oder Solarpanels ausgestattet werden.
Angesichts des verlangsamten Wachstums der europäischen Wirtschaft begrüße ich die neue Möglichkeit, die Zahlung regionaler Hilfsfonds zu beschleunigen und die Regeln für ihre Nutzung zu vereinfachen, um Liquidität zu schaffen und eine schnelle Umsetzung neuer Projekte in der realen Wirtschaft zu ermöglichen.
Es ist unerlässlich, dass die États généraux de l’Outre-mer, welche für die Erforschung neuer einheimischer Entwicklungsmöglichkeiten in den französischen Übersee-Departements (ÜD) zuständig sind, Kommunalbehörden in unseren äußersten Regionen darin bestärken, die Wirkung der Gemeinschaftspolitik auf ihrem Gebiet unverzüglich zu maximieren.
Csaba Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Infolge der Wirtschaftskrise haben mehrere Hunderttausend Menschen in der Europäischen Union und über Zwanzigtausend in Ungarn ihren Arbeitsplatz verloren. In jedem europäischen Land ist die Arbeitslosigkeit sprunghaft angestiegen. Die Wirtschaftskrise gerät mehr und mehr zu einer Arbeitsmarktkrise, und laut Untersuchungen sorgen sich die europäischen Bürger derzeit am meisten um ihren Arbeitsplatz. Das effektivste Instrument der Europäischen Union zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist der Europäische Sozialfonds, dessen Regeln wir derzeit erheblich vereinfachen, um Zahlungen zu beschleunigen.
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Änderungen sorgen für die Entbürokratisierung beim Rückgriff auf diese Finanzierungsquelle und für eine Erleichterung und Beschleunigung von Zahlungen. Die Obergrenze von 50 000 Euro, die vorher vereinbarten Pauschalvergütungen und die strenge Ex-Post-Evaluation reduzieren die Missbrauchswahrscheinlichkeit auf ein Minimum. Mit dieser Maßnahme hat die Europäische Kommission erneut nachgewiesen, dass sie trotz beschränkter finanzieller Mittel kreativ ist.
16. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgen Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen.
Colm Burke (PPE-DE). – Frau Präsidentin, die infrastrukturelle Entwicklung ist ein entscheidender Faktor für unseren Wirtschaftsaufschwung. Während in der Vergangenheit der Ausbau des Straßen- und Schienennetzes half, um in einer Rezession befindliche Volkswirtschaften anzukurbeln und zukünftigem Wohlstand voranging, müssen wir uns heute auf unsere Informations- und Kommunikationstechnikinfrastruktur als treibende Kraft für zukünftiges Wachstum konzentrieren.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die unannehmbare Lage in Irland im Hinblick auf die so genannte „digitale Kluft“ hinweisen. Aufgrund jahrelanger Vernachlässigung durch den Staat in Zeiten der Hochkonjunktur gibt es heute weite Bereiche im ländlichen Irland mit unzumutbaren, langsamen Verbindungen. Am Schlimmsten ist jedoch, dass in 28 % der Fälle überhaupt kein Zugang zu Breitbanddiensten vorhanden ist. Wie wollen wir unseren ländlichen Gebieten Wohlstand und Chancen bieten, ohne ihnen die hierfür notwendigen Mittel bereitzustellen? Wie können wir unseren Landwirten erklären, dass sie von der IKT zur Entwicklung ihrer Agrarindustrie nicht profitieren können, weil wir ihnen nicht die hierfür erforderliche Vernetzung bereitgestellt haben?
Ich begrüße die jüngsten Erklärungen der Kommission, in denen die Auszahlung von EU-Mitteln zum Meistern dieser großen Herausforderung detailliert dargelegt wird. Wir dürfen die Beseitigung der digitalen Kluft nicht aus dem Auge verlieren, auch nicht inmitten einer Wirtschaftskrise.
Justas Paleckis (PSE). – (LT) Die Krise sollte Auslöser für uns alle sein, unser Verhalten und unsere Denkweise zu ändern. Litauische, lettische und irische Mitglieder des Parlaments haben ihr eigenes Gehalt gekürzt, was auch eine Kürzung der Gehälter der Abgeordneten jener Länder bedeutet. Die Einkommen von Präsidenten, Ministern und anderen Staatsbeamten werden gekürzt, was richtig ist, da wir Solidarität brauchen. Die Last der Krise darf nicht auf den Schultern der Schwächsten ruhen. Nach dem Kompromiss, zu dessen Schluss mehr als ein Jahrzehnt notwendig war, wäre es schwierig, die Gehälter der Abgeordneten des Parlaments sofort zu kürzen. Ich würde andere Abgeordnete des Europäischen Parlaments allerdings dringend auffordern, einen Teil ihres Gehalts für wohltätige Zwecke zu spenden. Wir sollten in der Krise die den Abgeordneten des Parlaments zugeteilten Zulagen kürzen. Ich vertraue darauf, dass die Mehrheit der Kollegen und Kolleginnen einer Kürzung der Zahl der Übersetzungen in alle 23 Amtssprachen unterstützen würde, wodurch mehrere Hundert Millionen Euro eingespart werden könnten. Vor allem jetzt wirken Reisen von Brüssel nach Straßburg zu Plenarsitzungen, die jedes Jahr Kosten in Höhe von 200 Millionen Euro verursachen, besonders absurd. Zu Einsparungszwecken und zum Schonen der Umwelt sollten wir aufhören, Tausende Tonnen Papier zu verschwenden und in unseren Sitzungen zur Verwendung von elektronischen Dokumenten übergehen.
Marco Pannella (ALDE) . – (FR) Frau Präsidentin, wir haben heute zu Beginn unserer Arbeit eine Minute unserer Zeit gewidmet, und wir danken dem Präsidenten für die Erlaubnis, das Andenken an die täglichen Opfer eines Systems zu ehren, das nun eine Tragödie auf einem nie zuvor gekannten Niveau verursacht hat, eine ununterbrochene Tragödie von Armen gegen Arme, die auf der Suche nach Arbeit und Lebensmitteln sind. Wir haben außerdem gerade erfahren, dass 94 Frauen und 7 Kinder gefunden wurden.
Das Problem, Frau Präsidentin, wie wir es hier bereits seit acht Jahren wiederholen, ist wie folgt: Ist es möglich, dass es keine Nachverfolgung gibt, dass es unmöglich ist, die Gründe zu erfahren, wo wir doch die Blumen auf unserem Balkon vom Weltall aus sehen können? Die Gründe sind nicht bekannt, die Folgen sind kriminell ...
(Die Präsidentin unterbricht den Redner.)
Sylwester Chruszcz (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, die Neuigkeiten zum Ergebnis des Misstrauensvotums gegen Premier Topolánek in Prag letzte Woche haben mich traurig gestimmt. Die Tschechische Republik hat seit dem 1. Januar den EU-Vorsitz inne, und ich glaube, dass sich ihr Präsident bis heute rundum bewährt hat. Ich vertraue darauf, dass dieser Erfolg auch für die verbleibenden drei Monate aufrecht erhalten wird. Ich drücke unseren tschechischen Freunden und für alle Projekte, die die tschechische Ratspräsidentschaft in Angriff nehmen möchte, die Daumen. Zu den Letzteren gehören die sehr wichtige Frage der östlichen Dimension der Europäischen Nachbarschaftspolitik und Maßnahmen betreffend Europas Energieversorgungssicherheit.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, der Europäische Gerichtshof hat kürzlich seine Entscheidung gegen Griechenland verkündet, worin das gleiche Renteneintrittsalter für Männer und Frauen im öffentlichen Dienst festgelegt wird, wodurch das Renteneintrittsalter für Frauen um 5 bis 17 Jahre angehoben wurde.
Diese Entwicklung, die von den Arbeitern entschieden verurteilt wurde, wurde systematisch seit Anfang der 1990er Jahre unterstützt und trägt den Stempel der Europäischen Union und der griechischen Regierungen. Sie belastet arbeitende Frauen und bedeutet einen Schritt in Richtung Anhebung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre sowohl für Männer als auch Frauen, wie es bereits in den von der Neuen Demokratie und der PASOK verabschiedeten Anti-Insurance-Gesetzen in Anwendung gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für nach 1993 versicherte Personen vorgeschrieben ist.
Durch diese unannehmbare Entscheidung wird der öffentliche, soziale Charakter der Sozialversicherung im öffentlichen und privaten Sektor vollständig unterminiert. Dadurch wird das nationale Versicherungs- und Rentensystem eher als Berufs- denn als Sozialversicherungssystem betrachtet. Das bedeutet, dass es keine Garantie hinsichtlich Altersgrenzen, Rentenhöhe und Leistungen im Allgemeinen gibt.
Der einzig gangbare Weg für erwerbstätige Frauen und Männer ist Ungehorsam und Aufmüpfigkeit gegen die Entscheidungen der Europäischen Union und ihrer Institutionen.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM). – (PL) Frau Präsidentin, nach Angaben des Portals eudebate2009 vertrauen lediglich 52 % der Europäer dem Europäischen Parlament als Institution. Dies bedeutet einen Rückgang um 3 % im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil der Wähler, die sich immer noch nicht entschieden haben, ob sie an den diesjährigen Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen, liegt bei ganzen 50 %. Nur 30 % der Befragten gaben an, dass sie beabsichtigten, an den Wahlen teilzunehmen. Der Prozentsatz der Wähler, die nicht wählen gehen, weil sie das Gefühl haben, sie würden mit ihrer Stimme nichts erreichen, liegt sogar bei 68 %.
Ich möchte daher eine Frage stellen: Plant das Europäische Parlament irgendwelche spektakulären Aktionen in letzter Minute, um die Menschen davon zu überzeugen, wählen zu gehen? Werden wir irgendwie den Aufgabenbereich von Informationskanälen für Europa erweitern? In meinem Land findet keinerlei Debatte zu Europa statt. Der Ministerpräsident unternimmt nichts dagegen. Werden auch alle anderen einfach nur dastehen und zusehen?
Lívia Járóka (PPE-DE) . – (HU) Nächste Woche wird weltweit der Internationale Tag der Roma gefeiert, welcher die Hoffnung der Roma auf Anerkennung und Akzeptanz symbolisiert. Kürzlich haben grauenhafte Taten die Gemüter der öffentlichen Meinung erregt und die durch die Wirtschaftskrise verursachten Unsicherheiten verschlimmern die Situation weiter. Daher ist unsere Verantwortung, eine Lösung für die Probleme der extremen Armut zu finden, deutlich gewachsen.
Es ist inakzeptabel für jeden, die Situation der Roma zu nutzen, um parteipolitische Angriffe zu starten und Hysterie zu schüren, anstatt wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Indem man eine ganze Gruppe von Menschen zu Sündenböcken macht und abstempelt, wird eine berufliche Ausbildung verwirkt. Dies ist eine schwerwiegende Verletzung der Interessen von sowohl Roma als auch der Mehrheit. Als Roma, nach jahrhundertelanger Ausgrenzung unseres Volkes, lehne ich jede Form der Kollektivschuld ab, ob wir nun über das Abstempeln der Roma oder die Mehrheitsgesellschaft reden.
Ganze Gemeinschaften einer kriminellen Lebensweise oder Rassismus zu bezichtigen, ist ein schwerwiegender Fehler, und es untergräbt vollständig die Würde der EU-Institutionen, wenn diese sich bei ihren Kommunikationen auf unbestätigte Berichte oder falsche Anschuldigungen stützen. Für bestimmte politische Kräfte ist es inakzeptabel zu versuchen, sich selbst zu rechtfertigen, indem sie historische Missstände von verfolgten Gruppen ansprechen.
Die Probleme der Roma-Gettos können nur durch einen europäischen Aktionsplan gelöst werden, der eine umfassende Wiedereingliederung und eine unmittelbare Entwicklung der ausgegrenzten Regionen sicherstellt.
Vasilica Dăncilă (PSE). – (RO) Schätzungen von Sachverständigen bezüglich möglicher Probleme auf dem globalen Nahrungsmittelmarkt und die Bereitstellung der notwendigen Menge für die gesamte Weltbevölkerung sind ein Grund dafür, warum wir die Art und Weise überdenken sollten, in der landwirtschaftliche Flächen in Europa und vor allen Dingen in den neuen Mitgliedstaaten, zu denen auch Rumänien gehört, verwendet werden.
In dieser Hinsicht müssen die Chancen realistisch eingeschätzt werden, die Rumänien Investoren bietet, die gern in den Landwirtschaftssektor investieren möchten – Investitionen, die gerade in dieser Krisenzeit so wichtig sind. Dies bestätigte zumindest eine Studie, die in Bukarest veröffentlicht wurde und einen deutlichen Anstieg der Investitionen in Rumänien im landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Bereich darlegt. Die Verfasser der Studie erklären dies damit, dass diese Bereiche am wenigsten von der schwierigen wirtschaftlichen Situation betroffen sind, die derzeit das größte Problem auf dem Markt darstellt.
Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen, dass Rumänien einst der Kornspeicher Europas war; um diesen Status wiederzuerlangen, brauchen wir eine Politik zugunsten der Landwirte und gleichzeitig Gemeinschaftsmittel, von denen Rumänien als Mitgliedstaat profitieren kann.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der libysche Diktator Gaddafi hat den Internationalen Strafgerichtshof als „neue Form des weltweiten Terrorismus“ bezeichnet. Ich möchte den Vorsitz dieses Parlaments daran erinnern, dass das Parlament eine entscheidende Rolle dabei gespielt hat, den Kampf voranzutreiben – das haben wir als gewaltfreie Radikale Partei getan, um den Internationalen Strafgerichtshof einzurichten.
Ich denke, wir können die Worte des libyschen Diktators nicht einfach so stehen lassen. Wir als Parlament und als europäische Institution müssen diese deutlich verurteilen. Wir müssen darum kämpfen, dass die nationale Souveränität, die Souveränität der Staaten, der Verbindlichkeit des Völkerrechts gegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unterstellt wird – und Völker- und überstaatliches Recht gegen absolute Souveränität Vorrang hat. Unsere Freunde in der tibetischen Exilregierung haben uns bei der Anhörung im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten gestern um Dasselbe gebeten wie der Kongress der Nationalitäten für einen föderalen Iran bei der Anhörung heute: Absolute Souveränität ist der Feind von Freiheit und Gerechtigkeit.
Andrzej Zapałowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, auf der letzten Sitzung des Landwirtschaftsausschusses hat die Kommissarin Fischer-Boel die Reform des Zuckersektors als einen der größten Erfolge der gemeinsamen Agrarpolitik bezeichnet. Ich möchte Sie darüber informieren, dass Polen infolge der Reform kein Zucker exportierendes Land mehr ist und stattdessen aktuell ca. 20 % seines Zuckers importieren muss. In den letzten beiden Jahren ist der Preis für Zucker um 60 % gestiegen. Es stellt sich die Frage, ob die Kommissarin und ihre Kollegen sich geirrt haben oder ob es sich hierbei um eine geplante Strategie handelte, deren Ziel darin bestand, dafür zu sorgen, dass bestimmte Länder profitabler würden. Ich möchte unmissverständlich behaupten, dass die gemeinsame Agrarpolitik – so haben es polnische Wähler zu spüren bekommen – überdurchschnittlich unausgewogen ist und die alten EU-Mitgliedstaaten bevorteilt.
Petya Stavreva (PPE-DE). – (BG) Frau Präsidentin, verehrte Kollegen! Wir leben in einer schnelllebigen, hektischen Zeit voller Veränderungen und neuer Herausforderungen sowie während der letzten Monate in einer Weltwirtschaftskrise.
Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments hat gestern einen Bericht über die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Landwirte und ländliche Gebiete in Mitgliedstaaten gebilligt, um diese bei der Bewältigung der Folgen der Krise zu unterstützen. 1,02 Milliarden Euro werden zur Unterstützung des landwirtschaftlichen Sektors in dieser schwierigen Zeit bereitgestellt. Ich glaube, dass die Landwirte und die Bewohner von ländlichen Gebieten diese wichtige Botschaft für ein geeintes Europa verstehen werden.
Investitionen in die Internetinfrastruktur, eine Umstrukturierung des Milchsektors, erneuerbare Energiequellen, der Schutz von Artenvielfalt und Wasserressourcen sind der Schlüssel zur Lösung eines Großteils der Probleme in diesen Regionen und bieten den Menschen, die dort leben, alternative Möglichkeiten. Die Möglichkeit, einen Teil der Ressourcen für Kreditgarantiefonds aufzuwenden, wird die Umsetzung der Projekte in praktischer Hinsicht erleichtern.
Ich erwarte vom Rat und der Europäischen Kommission, dass sie die Bemühungen des Europäischen Parlaments unterstützen, die notwendige Hilfe für Millionen landwirtschaftlicher Erzeuger in der Gemeinschaft sicherzustellen.
Marusya Lyubcheva (PSE). – Frau Präsidentin, im derzeitigen Klima, angesichts der Wirtschaftskrise und Arbeitsplatzverlusten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, besteht ein ernsthaftes Risiko eines Anstiegs der Ausbeutung durch Kinderarbeit. Leider sind in einer solchen Krise Frauen und Kinder am stärksten betroffen. Ungeachtet der soliden gesetzlichen Grundlage auf europäischer und guter Lösungen auf nationaler Ebene, einschließlich in dem von mir hier vertretenen Land Bulgarien, verstößt vieles, was in der Praxis begangen wird, gegen das Gesetz. Von diesem Problem sind Migrantengruppen und die Gemeinschaft der Roma besonders stark betroffen. Es sind auf jeder Ebene Vorbeugungsmaßnahmen erforderlich, die mit verschärften Kontrollen zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in der gesamten Europäischen Union einhergehen müssen. In vielen Unternehmen gibt es trotz der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften Kinderarbeit. In den Mitgliedstaaten gibt es Tausende von Verstößen gegen das Arbeitsrecht. Die Europäische Kommission muss gezielte Initiativen organisieren, die darauf abzielen, die Ausbeutung durch Kinderarbeit zu bekämpfen, und die Verschärfung der Kontrollmechanismen während dieses Vorgangs fordern. Wenn wir danach streben, die Interessen von Kindern im Rahmen unserer Europapolitik zu schützen, dann ist dies ein absolutes Muss.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, es wurden hier mehrfach Themen wie der Völkermord in Tschetschenien, die Ermordung von Tschetschenen zwecks Verwendung der Organe für Transplantationen und die Vergewaltigung von tschetschenischen Frauen angesprochen. Derzeit findet ein geplanter Anschlag auf die materielle Kultur Tschetscheniens statt, wodurch die tschetschenische Kultur geschädigt wird, die Hunderte von Jahren älter ist als die von Russland. Hierbei denke ich nicht nur an Schriftstücke und Objekte des täglichen Gebrauchs, die mitunter in Museen gehören, sondern auch an Wohntürme. Hierbei handelt es sich um spezielle Strukturen, die in dieser Form nirgendwo sonst in Europa zu finden sind. Wir haben oft betont, wie unsere Kultur durch ihre Vielfältigkeit bereichert wird. Nun müssen wir zuschauen, wie ein Teil unserer Kultur verschwindet und wir werden Zeuge der Vernichtung seiner Ursprünge.
András Gyürk (PPE-DE). – (HU) Nach der Erdgaskrise im Januar wurde der gemeinsamen europäischen Energiepolitik kürzlich erneut ein Schlag ins Gesicht versetzt. Die österreichische OMV hat ihren beträchtlichen Anteil an dem ungarischen Ölkonzern MOL an eine russische Ölgesellschaft verkauft, deren Eigentümer unbekannt ist und die laut Zeitungsberichten keineswegs EU-Anforderungen im Hinblick auf Transparenz erfüllt.
Gleichzeitig ist es praktisch unvorstellbar, dass dieses Geschäft ohne Wissen der jeweiligen Regierungen abgewickelt werden konnte. Daher können wir sagen, dass diese unerwartete Transaktion ein klarer Beweis für die Spaltung zwischen den Mitgliedstaaten ist, und gleichzeitig eine neue Warnung. Was bringt es denn, in der Europäischen Union über die Notwendigkeit einer gemeinsamen Energiepolitik zu reden, wenn sich die Aktionen der einzelnen Mitgliedstaaten gegenseitig widersprechen?
Wenn die EU nicht imstande ist, im Hinblick auf die wesentlichen Fragen der Energiepolitik eine gemeinsame Richtung einzuschlagen, wird sie weiterhin das Opfer der Bestrebungen sein, Zwietracht zu stiften. Dies wird dazu führen, dass die europäischen Verbraucher vermehrt die Zeche zu zahlen haben.
Catherine Stihler (PSE). – Frau Präsidentin, ich möchte das Parlament darüber in Kenntnis setzen, dass am kommenden Samstag in Zillhausen in Deutschland eine besondere Gedenkstätte eingeweiht wird. Sie erinnert an sieben britische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen. Ihr Flugzeug wurde zwischen dem 15. und 16. März 1944 abgeschossen. Sie gehörten zum Geschwader 97 der britischen Luftwaffe und hatten ihren Stützpunkt in Cambridgeshire. Es waren William Meyer, Bernard Starie, Reginald Pike, Thomas Shaw, James McLeish, Archibald Barrowman und Albert Roberts. Ihnen gilt das Gedenken am kommenden Samstag.
Sie gaben ihr Leben, damit wir heute die Freiheiten genießen können, die wir oftmals als selbstverständlich auffassen. Wir dürfen diese Männer niemals vergessen.
Ich möchte hiermit meinen Dank an den Bürgermeister von Balingen, Dr. Reitemann, und den dortigen Gemeinderat zu Protokoll geben, die die Genehmigung erteilten für die Einrichtung der Gedenkstätte zu Ehren dieser jungen Männer. Ich möchte außerdem Brett und Luella Langevad danken, die die Gedenkstätte finanzieren, sowie dem Geschwader 9 der britischen Luftwaffe, das zwei Vertreter zu der Gedenkveranstaltung am Samstag schicken wird.
Lassen Sie mich als persönliche Anmerkung hinzufügen, dass James McLeish mein Großonkel war. Daher werden auch Vertreter meiner Familie an der Gedenkveranstaltung zugegen sein.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE) . – (RO) In der Republik Moldau finden am 5. April Wahlen statt. Heute Morgen ereignete sich an der Erdgasleitung Ananiev-Tiraspol-Ismail in Transnistrien eine Explosion. Die Ursache dieses Ereignisses ist nach wie vor unbekannt. Allerdings ist es dadurch zu Unterbrechungen der Erdgaslieferungen von Russland in die Balkanstaaten gekommen.
Ich hoffe, dass dieser Vorfall nicht in irgendeiner Weise das Wahlergebnis beeinflusst. Ich glaube aber dennoch, dass ein Zusammenhang besteht zu zwei außerordentlich wichtigen Faktoren. Es ist von höchster Wichtigkeit, dass Anstrengungen unternommmen werden zur Beilegung der ungelösten Konflikte in der Region, insbesondere in Transnistrien. Die Europäische Union muss außerdem nach konkreten und realistischen Lösungen zur Entwicklung alternativer Energielieferrouten an das Schwarze Meer suchen. Bedauerlicherweise ist das Ende letzter Woche zwischen Gazprom und der staatlichen Ölgesellschaft von Aserbaidschan unterzeichnete Abkommen dazu geeignet, das Nabucco-Projekt zu gefährden.
Daher muss die Aufmerksamkeit dringend auf alle mit der Konsolidierung der Sicherheit der Energieversorgung der Europäischen Union in Verbindung stehenden Aspekte konzentriert werden. Ich danke Ihnen.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Die Donau spielt eine sehr wichtige Rolle für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und für die kulturelle Entwicklung Europas. Die Internationale Donaukommission wurde am 30. März 1856 in der Folge des Pariser Kongresses in Galaţi, Rumänien, ins Leben gerufen. Diese Einrichtung war eine der ersten europäischen Institutionen, deren Ziel es war, ein internationales System für eine ungehinderte Schifffahrt auf der Donau zu etablieren.
Die von der Donau und dem Main-Rhein-Kanal gebildete Prioritätsachse 18 des TEN-V bildet die Verbindung zwischen dem Schwarzen Meer und der Nordsee. Dies verkürzt die Entfernung zwischen den Seehäfen Rotterdam und Konstanza um 4 000 Kilometer. In der Strukturpolitik der Gemeinschaft muss der Donau eine höhere Priorität eingeräumt werden. Ich schlage daher vor, zu Beginn der nächsten Legislaturperiode des Europäischen Parlaments eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Förderung der Donau einzurichten.
In den kommenden Jahren werden wir unsere Bemühungen bündeln und zu einem gemeinsamen Ansatz gelangen müssen, um die Entwicklungsinitiativen angehen zu können, welche die Donauregion betreffen. Wir brauchen eine integrierte europäische Entwicklungsstrategie für das Donaubecken, um die wirtschaftliche Entwicklung, die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und den Umweltschutz voranzubringen.
Anna Záborská (PPE-DE). – (SK) Vor drei Jahren verlieh das Europäische Parlament den Sacharow-Preis an die Frauen politischer Gefangener in Kuba, die im März 2003 verhaftet worden waren. Diese Frauen in Weiß machten in furchtloser Weise auf die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land aufmerksam.
Der Europäische Rat hat wiederholt Beschlüsse über die Fortsetzung des offenen Dialogs mit den kubanischen Behörden gefasst und dabei aber gleichzeitig auch auf die Achtung grundlegender Menschenrechte und Freiheiten bestanden. Der Rat hat allerdings ebenfalls beschlossen, dass diese Themen während offizieller Besuche immer wieder angesprochen werden müssen, und dass - wann immer möglich - auch Zusammentreffen mit Vertretern der demokratischen Opposition des Landes stattfinden sollten.
Ich muss nun berichten, dass während des offiziellen Besuchs von Herrn Michel, Kommissar für Entwicklung, keinerlei Treffen dieser Art stattfanden, obwohl es diesbezüglich einen Vorstoß gegeben hatte. Dies ist umso unverständlicher und schockierender als dieser Besuch der Europäischen Kommission in Kuba auf den Tag genau am sechsten Jahrestag der Verhaftung der Castro-Gegner stattfand. Es macht mich besorgt, dass der Vizepräsident unseres Parlaments ebenfalls zu dieser Delegation zählte.
Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Frau Präsidentin, im November letzten Jahres debattierten wir auf Initiative der Sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament über die Situation der polnischen Schiffbauindustrie. Ungeachtet unserer Differenzen einigten wir uns darauf, die Kommission und Kommissarin Kroes damit zu beauftragen, Lösungsvorschläge für die Werften zu erarbeiten, die eine Verbesserung von deren Situation zum Ziel haben anstatt deren Abwicklung zu betreiben.
Vier Monate später ist die Lage folgende: Die polnische Regierung hat dem Druck der Kommission viel zu schnell nachgegeben und in die zweite dieser beiden Lösungsmöglichkeiten eingewilligt, die darin besteht, die Vermögenswerte der Werften nach dem Höchstgebotsprinzip einzeln an entsprechende Bieter zu veräußern. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Schiffsbau eingestellt und der größte Teil der Belegschaften hat bereits den Arbeitsplatz verloren bei lediglich symbolischer Abfindung. Was die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Schiffbauindustrie angeht, so hat sich diese gegenüber früher nicht verbessert.
Maria Petre (PPE-DE). – (RO) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Ende letzter Woche wurden mehrere hundert rumänischer Staatsbürger an der Einreise in die Republik Moldau gehindert. In den meisten Fällen wurde die Einreise ohne Begründung verwehrt. In einigen Fällen wurden völlig absurde Vorwände angeführt, beispielsweise, dass die Einreisewilligen keine Nachweise führen könnten, dass sie nicht mit dem HIV-Virus infiziert sind.
Dies stellt einen bisher nicht dagewesenen Rechtsbruch dar. Nie zuvor wurde europäischen Bürgern das Recht auf Reisefreiheit in so eklatanter Weise verweigert. Ich begrüße vehement die von der Republik Moldau und seinen Bürgern ausgehende Annäherung an Europa, aber ich protestiere gegen dieses grob missbräuchliche Verhalten und fordere die Europäische Kommission und den Rat dazu auf, von den Behörden in Chişinău Erklärungen zu verlangen, wie dies bereits von rumänischer Seite durch den Außenminister erfolgt ist. Ich danke Ihnen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) In meinem Beitrag möchte ich mein Lob aussprechen für die Initiative der Kommission bezüglich des Projekts Europäische Bürgerkonferenz 2009. Dieses Projekt bringt im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament Bürger aus den 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen, um Antworten auf die Frage zu finden: Was kann die Europäische Union tun, um unsere wirtschaftliche und soziale Zukunft in einer globalisierten Welt zu beeinflussen?
Nationale Bürgerkonferenzen mit slowakischen Bürgern fanden am 28. und 29. März statt. Das Gipfeltreffen der Europäischen Bürgerkonferenzen findet am 10. und 11. Mai 2009 in Brüssel statt. Dort werden 150 Teilnehmer der 27 nationalen Bürgerkonferenzen eine endgültige Version der Europäischen Empfehlungen erarbeiten, welche die MdEP in der kommenden Wahlperiode als Basis für die europäische Gesetzgebung heranziehen können.
Ich bin der festen Überzeugung, dass ausschließlich durch den Dialog mit den Bürgern der Glaube an die Einzigartigkeit des europäischen Projekts erneuert werden kann. Zugleich möchte ich an die Medien appellieren, objektiver und aktiver über das Europäische Parlament zu informieren, da dies wichtig ist zur Beeinflussung der Wahlbeteiligung.
Csaba Sógor (PPE-DE). – (HU) Am heutigen Tag wurde im Europäischen Parlament unter einem seltsamen Titel eine Konferenz über die Niederlage der so genannten ungarischen Sowjetrepublik abgehalten. Weder gab es jemals ein Land dieses Namens noch fand jemals ein solches Ereignis statt.
Ich lehne jegliche politische Attitüde ab, die – aus nationalistischen Motiven heraus – die mit den nachträglichen Rechtfertigungen staatlicher Ambitionen zur Aneignung von Territorium verbundenen historischen Fragen nationalstaatlichen Interessen unterordnet.
Es ist nicht hinnehmbar, dass anlässlich einer hier in Brüssel, im Herzen Europas und unter der Ägide von Mitgliedern des Europäischen Parlaments stattfindenden Veranstaltung die Invasion Ungarns, die rumänische militärische Besetzung des Landes und seine Plünderung im November 1918 als ein Faktor zur regionalen Stabilisierung hingestellt wird.
Im Namen auch der ungarischen Bevölkerungsgruppe in Rumänien protestiere ich auf das Schärfste gegen das zynische Verhalten unserer rumänischen sozialistischen Kollegen und gegen deren irreführendes PR-Manöver sowie deren Versuch zur Meinungsbeeinflussung, die von nationalistischen Motiven geleitet sind.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Am 18. und 19. März 2009 besuchte der Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe, Louis Michel, Kuba. Dieser Termin fand zeitgleich mit dem Jahrestag der Inhaftierung von 75 Oppositionellen statt. Während seines Besuchs in Kuba fand keinerlei Treffen zwischen dem Kommissionsmitglied Michel und Damas de Blanco oder irgendeines anderen Vertreters der Opposition statt.
Nach Angaben von europäischen Diplomaten nahm Kommissionsmitglied Michel nicht die Gelegenheit wahr, die Menschenrechte oder den Jahrestag der Verhaftungen zu erwähnen. In einem Radiosender der kubanischen Opposition sagte Michel, dass es sich bei dem Termin um einen Fehler von offizieller Seite gehandelt habe und dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass Damas de Blanco ihn treffen wollte.
Ich muss sagen, dass Vizepräsident Martinez des Europäischen Parlaments, der offizielles Mitglied der EU-Parlamentarierdelegation war, sich ebenfalls keine Zeit für eine Zusammenkunft mit der Opposition nahm, obschon er sich mit den Familien von in den USA inhaftierten kubanischen Spionen traf. Au diese Weise ließ es Martinez zu, dass sein Kuba-Besuch und das Treffen, an dem er teilnahm, vom Castro-Regime für seine Zwecke ausgenutzt werden konnte, um die Medienaufmerksamkeit von den Aktivitäten Damas de Blancos im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Verhaftungen abzulenken - dies angesichts der Tatsache, dass sich die Berichterstattung auf den Besuch des Kommissionsmitglieds und dieses Treffen konzentrierte.
Die Präsidentin. – Dieser Tagesordnungspunkt ist nun abgeschlossen.
17. Emigranten vor der libyschen Küste in Seenot (Aussprache)
Die Präsidentin. – Der nächste Tagesordnungspunkt umfasst die Stellungnahme der Kommission zu den gesunkenen Flüchtlingsbooten vor der libyschen Küste.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, mit Bestürzung hat die Europäische Kommission die Nachricht vom Untergang eines Schiffs mit Flüchtlingen am Sonntagabend im Mittelmeer vor der Küste Libyens aufgenommen, das auf dem Weg nach Europa war. Einigen Berichten zufolge war dieses Schiff mit 257 Mensch an Bord unterwegs, von denen der größte Teil zur Stunde als vermisst gilt.
Die Kommission möchte ihr Mitgefühl für die Opfer dieser menschlichen Tragödie zum Ausdruck bringen sowie ihre Empörung über dieses Unglück. Dieses wurde mit Sicherheit durch mehrere Faktoren ausgelöst. Die Hauptverantwortung jedoch liegt mit Sicherheit bei denjenigen kriminellen Organisationen, die diesen todbringenden, illegalen Menschenschmuggel von der libyschen Küste aus steuern, und die sich auf Kosten des menschlichen Elends bereichern. Für die Kommission ist es nicht hinnehmbar, dass sich dieses Phänomen, das im Verlauf der letzten Jahre immer häufiger aufzutreten scheint, weiter auswächst. Die Kommission fordert alle betroffenen Parteien dazu auf, alle erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um diesen Zuständen ein Ende zu setzen.
Libyen kommt hierbei eine ganz wichtige Rolle zu. Das Land muss sich entschiedener und effektiver bei der Bekämpfung der Menschenschmuggler engagieren, die von seinem Territorium aus operieren, und das illegale Inseestechen von seinen Küsten aus verhindern. Es muss Such- und Rettungseinsätze für Schiffe durchführen, die in seinen Hoheitsgewässern in Seenot geraten sind. Und Libyen muss, entsprechend seinen Verpflichtungen aus der auch von ihm unterzeichneten OAU-Konvention von 1969 zum Schutz von Flüchtlingen, Migranten erforderlichenfalls internationalen Schutz anbieten.
Die Europäische Kommission hat sich im Verlauf der vergangenen Jahre wiederholt mit der Bitte an die libyschen Behörden gewandt, die ihnen zufallende Verantwortung wahrzunehmen und in Kooperation mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen. Ich kann sagen, dass wir Libyen beachtliche finanzielle Hilfe in Aussicht gestellt haben, und es ist offensichtlich, dass die libysche Regierung diese Hilfe zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenschmuggels und anderer Probleme auf seinem Staatsgebiet benötigt, auch zur verstärkten Sicherung seiner südlichen Grenzen. Die libyschen Behörden müssen außerdem ein System zur Aufnahme von Migranten entwickeln, das im Einklang steht mit internationalem Recht.
Es trifft zu, dass sich die Europäische Union zur Kooperation und zur Beteiligung an Unternehmungen zum Aufbringen von Flüchtlingsschiffen im Mittelmeer, und erforderlichenfalls zu Seenot-Rettungseinsätzen bereit erklärt hat. Der in den kommenden Monaten erfolgende Start der beiden Seeoperationen Nautilus und Hermes, die von Frontex, der europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, organisiert und finanziert wird, wird rund 24 Millionen Euro kosten. Die Kommission lädt alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu ein, sich an der Umsetzung dieser beiden Maßnahmen zu beteiligen. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem praktische Solidarität mit Italien und Malta zeigen, die dem Migrantenstrom von Libyen in besonderem Maße ausgesetzt sind. Darüber hinaus muss Libyen seine Verantwortung in Bezug auf die Rücknahme illegaler Migranten, die über sein Territorium gereist sind, wahrnehmen.
Wir haben die Mitteilung der italienischen Behörden zur Kenntnis genommen, dass die Aufnahme gemeinsamer Patrouillen mit der libyschen Marine in libyschen Hoheitsgewässern mit dem Ziel der Aufbringung illegaler Wasserfahrzeuge und der Leistung von Hilfe voraussichtlich ab dem 15. Mai möglich ist. Wir begrüßen die von der italienischen Regierung gewährte Unterstützung bezüglich des Ausbaus der Kapazitäten der libyschen Marine für diesen Zweck.
Über diese Notmaßnahmen hinaus allerdings ist die Kommission der Ansicht, dass der humanen Dimension dieser Probleme prioritäre Beachtung geschenkt werden muss. Bei den Migranten, die ihr Leben in die Hände skrupelloser Menschenhändler geben, handelt es sich in der Mehrzahl um Menschen, die Kriegen oder der Verfolgung entfliehen. Wir hoffen, dass die Ereignisse der letzten Tage in allen unseren Mitgliedstaaten zum Entstehen eines Problembewusstseins darüber führen wird, wie ernst dieses Problem ist, und dass wir gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Unterstützung des Europäischen Parlaments nun ein Stockholm-Programm aufstellen können, das einen großen Teil seiner Prioritäten einem solchen globalen Lösungsansatz für das Migrationsproblem widmet. Ein solcher globaler Lösungsansatz ist erforderlich, um eine langfristige Strategie zur Bewältigung von Migrationsströmen aufzustellen, die in größerem Maß die Umstände und Erfordernisse der Herkunftsländer der Flüchtlinge in seine Überlegungen mit einbezieht.
Diese Strategie muss es uns darüber hinaus ermöglichen, den Dialog mit unseren afrikanischen Partnern voranzubringen, insbesondere im Rahmen des Rabat-Prozesses, im Rahmen der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union. Zusammen müssen wir gemeinsame Antworten für diese Herausforderung finden. Dazu gehört auch die Wahrnehmung der Chancen, die sich in Gestalt legaler Migration eröffnen, und die sich durchaus sowohl für Europa als auch für die Herkunftsländer als vorteilhaft erweisen könnten. Diese Strategie muss außerdem zusätzliche Ressourcen mobilisieren durch die verstärkte Kooperation mit den Herkunfts- und Transitländern mit dem Ziel, deren Möglichkeiten zur Zerschlagung der Menschenschmugglerkartelle zu verbessern, und um die Voraussetzungen zu schaffen für einen humanen Umgang mit den Migranten, bei dem deren Rechte respektiert werden.
Schließlich muss es uns diese Strategie ermöglichen, die Aufnahme legitimer Asylbewerber in den Mitgliedsländern selbst effektiver durchzuführen und zu organisieren, indem wir die Entwicklung von Kapazitäten zur Flüchtlingshilfe weiter in unsere Kooperation mit Drittländern integrieren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vor zwei Wochen besuchte ich Lampedusa und Malta. Ich konnte mir dort ein eigenes Bild der Lage machen, indem ich die visuellen Eindrücke und Schilderungen der Tragödien dieser Menschen auf mich wirken ließ, die von skrupellosen Schmugglern dazu verleitet worden waren, ihr Leben zu riskieren, indem sie die Überfahrt auf offener See wagten. Ich denke, dass wir angesichts dieses jüngsten Ereignisses die Probleme sehr ernst nehmen müssen. Wir müssen in jedem unserer Mitgliedstaaten das unbedingte Problembewusstsein darüber wecken, wie schwerwiegend diese Phänomene sind, die das Leben von Menschen unter den erschreckendsten Begleitumständen aufs Spiel setzen, und wie rasant sie sich weiter ausbreiten.
Daher möchte ich dem Europäischen Parlament dafür danken, der Kommission Gelegenheit zu dieser Stellungnahme gegeben zu haben. Ich habe sie Ihnen nach meinem besten Wissen und Glauben dargelegt und ich wiederhole hier vor dem Parlament mein Versprechen, mich in den kommenden Monaten dafür einzusetzen, dass sich solche Tragödien in Zukunft nicht mehr wiederholen.
Agustín Díaz de Mera García Consuegra, im Namen der PPE-DE-Fraktion – (ES) Frau Präsidentin, heute empfinden wir gemeinsam Trauer und Bestürzung über den Tod so vieler Immigranten, die voller Hoffnung waren und zugleich verzweifelt, und die möglicherweise auch getäuscht worden sind. Sie sind unschuldige Opfer einer Situation, die sie sich nicht ausgesucht haben, von Umständen, die ihnen aufgezwungen worden sind. Ich bin mir des Problems sehr wohl bewusst. Das Mittelmeer und der Atlantik im Bereich der Kanarischen Inseln haben sich für viele Menschen, denen nichts mehr geblieben ist, zu einer Transitregion in Richtung eines nicht existenten „El Dorado“ entwickelt – mit einer Überfahrt voller Gefahren, und Enttäuschungen und Bestrafung bei der Ankunft.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen sich sensibler zeigen, damit solche Tragödien künftig vermieden werden können. Wir unternehmen zwar viel, aber wir erreichen nichts. Das Ergebnis ist äußerst schockierend - wie wir an der libyschen Küste gesehen haben. Dies muss uns Anstoß sein, über die begrenzte Wirkung unserer bisherigen Politik nachzudenken.
Es gibt keine Patentrezepte für absolut effektive Lösungen zur Vermeidung solcher Tragödien, aber es gibt die Möglichkeit beharrlicher und entschlossener politischer Antworten. Wir müssen im Hinblick auf die Herkunfts- und Transitländer eine solide Politik fördern; Kooperation und Zusammenarbeit müssen zwei Seiten derselben Medaille sein. In gemeinsamer Abstimmung aufeinander müssen wir die Vorteile legaler Einwanderung besser organisieren und kommunizieren - selbst in Zeiten der Krise. Mit den Herkunfts- und Transitländern müssen wir in Bezug auf die Überwachung ihrer Grenzen auf der Grundlage detaillierter Vereinbarungen zusammenarbeiten und kooperieren. Wir müssen außerdem die Menschenschmuggler-Netzwerke mithilfe geheimdienstlicher Erkenntnisse und mit spezialisierten Polizeikräften zerschlagen, und gleichzeitig in den Zielländern die Strafgesetze verschärfen. Wir müssen den Außengrenzenfonds besser ausstatten; die 1 820 Millionen Euro für einen Zeitraum von sieben Jahren sind hier beim besten Willen nicht ausreichend.
Darüber hinaus müssen wir Frontex effizient verstärken und sicherstellen, dass das Zentralregister der technischen Ausrüstungsgegenstände, CRATE (Centralised Record of Available Technical Equipment), nicht eine Absichtserklärung ist sondern ein effizientes Instrument für die koordinierte Kontrolle und Überwachung der neuralgischen Punkte illegaler Aktivitäten.
Herr Kommissar, Nautilus, Hermes und 24 Millionen Euro bedeuten mehr Engagement und mehr Ausrüstung. Wir sollten nun aufhören, lediglich zu sagen „wir müssen“ und stattdessen diese unbequeme Verantwortung übernehmen – mit oder ohne globales Abkommen.
Pasqualina Napoletano, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir sprechen hier über den Tod von über 500 Menschen: der größten Seetragödie seit dem Zweiten Weltkrieg. Solche Größenordnungen sind schockierend, dessen ungeachtet scheint Europa und scheinen auch seine nationalen Regierungen wie gelähmt zu sein. Einige Länder, darunter auch Italien, hatten geglaubt, sie hätten sich mit dem Abschluss bilateraler Vereinbarungen – wie vor kurzem durch den Vertrag mit Libyen – hinreichend abgesichert. Der erwähnte Vertrag bringt sehr unterschiedliche Aspekte zusammen: etwa die Anerkennung von Verbrechen, die während der Kolonialzeit begangen wurden, mit dem Versprechen von Investitionen als Gegenleistung für ein Engagement hinsichtlich der Kontrolle der Migration. Heute hat es den Anschein, das bloße Trugbild italienischer Investitionen in Libyen zieht Tausende junger Leute aus Westafrika an. Es ist kein Kunststück, vorauszusagen, dass, wenn die versprochenen 5 Milliarden USD nicht kommen, dann sind es die Menschen, die kommen werden.
Was soll man angesichts dessen dann noch zu den französischen Interessen in Niger im Zusammenhang mit den dortigen Uranvorkommen sagen, die für kriegerische Auseinandersetzungen unter den Tuareg sorgen: ein wahrer Tummelplatz für die Menschenhändler. Mehr noch: All dies spielt sich bei helllichtem Tag und unter den Augen von Journalisten ab.
Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger als dass gewisse Regierungen mit dem Feuer spielen. Wenn all dies sich nicht ändert, und zwar schnell, wenn sich Europa nicht zu einem positiven Politikansatz im Einklang mit unseren Werten durchringen kann, dann wird es künftig nicht mehr ausreichen, solche Nachrichten einfach auszusitzen, wie dies gegenwärtig geschieht. Das Mittelmeer wird mehr und mehr zu einem Massengrab – fern der rhetorischen Bilder, die von ihm gezeichnet werden. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass dieses Meer mit dem Schicksal Europas selbst eng verbunden ist.
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
Gérard Deprez, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren, im Namen meiner Fraktion möchte ich mich vor diesen neuesten Opfern von Armut, krimineller Ausbeutung und staatlichem Zynismus verneigen. Mitgefühl allein reicht allerdings nicht aus. Wir müssen die Dinge so sehen wie sie wirklich sind.
Die Wirklichkeit, Herr Präsident, sieht so aus, dass die tatsächliche Südgrenze der Europäischen Union nicht mehr länger in Europa liegt sondern nunmehr faktisch auf dem afrikanischen Kontinent. Haben die Boote erst einmal von der afrikanischen Küste abgelegt, haben die unglücklichen Passagiere eigentlich keine Wahl mehr - so muss man sagen – zwischen dem Tod im Fall widriger Umstände und dem Status eines illegalen Einwanderers; mit der Aussicht auf ein Leben in Armut, falls sie es zufälligerweise doch bis nach Europa schaffen – um dann schlussendlich in den meisten Fällen doch wieder abgeschoben zu werden.
Diese Tragödien werden sich so lange wiederholen, bis die Europäische Union die Kraft und den Willen zur Aushandlung wirklich partnerschaftlicher Vereinbarungen mit den Herkunfts- und Transitländern aufbringt, die zumindest drei Elemente umfassen: verlässliche Grenzkontrollen aber auch und vor allen Dingen eine legale Einwanderung in erheblichem Umfang sowie substanzielle begleitende Entwicklungsmaßnahmen. Ohne solche Vereinbarungen, Herr Präsident, werden die Seefriedhöfe noch lange Zeit weiter zunehmen – ungeachtet unserer eher verhaltenen Beileidsbekundungen.
Hélène Flautre, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, wer waren diese Leute? Wie viele waren sie? Woher kamen sie? Waren Frauen und Kinder darunter? Handelte es sich um Flüchtlinge? Wurde die Fahrt des Bootes von der Küstenwache behindert? Waren Fischereiboote in der Nähe? Es bleiben sehr viele Fragen offen. Der menschliche Preis dieser Tragödie ist nicht bekannt. Bekannt ist nur, dass es Hunderte waren, die ums Leben kamen - und sie folgten den abertausenden bereits vor ihnen im Mittelmeer ertrunkenen Migranten nach.
Lassen Sie uns heute Abend einfach so anständig sein und schieben wir die Schuld nicht auf das Wetter. Hunderte von Migranten machten sich unter unmenschlichen und extrem gefährlichen Bedingungen auf den Weg ins Exil. Wie kommt dies? Es liegt daran, dass sie ihre verwüstete Heimat verlassen; es liegt daran, dass ihnen die weniger gefährlichen Wege versperrt sind, und es liegt daran, dass sie die Hoffnung auf das Leben nicht aufgegeben haben.
In der Tat, es liegt an den restriktiven Einwanderungsregeln, die die Migranten dazu verleiten, immer riskantere Reiserouten zu wählen, um den desolaten Zuständen in ihren Heimatländern zu entkommen. Waren es nicht die Ankündigungen unmittelbar bevorstehender gemeinsamer Patrouillen Italiens und Libyens, die in den vergangenen Wochen das überstürzte Inseestechen von Flüchtlingsbooten in Richtung Europa begünstigten?
Ja, es ist die europäische Obsession, seine Grenzen aufzurüsten und seine Entschlossenheit, Drittländern, die die Freiheit zerstören, sein administratives Gewicht aufzuerlegen, die tödliche Auswirkungen haben. Die Überstrapazierung von Recht und Ordnung, die Grenzpatrouillen und die Stacheldrahtzäune werden die Sehnsüchte der Flüchtlinge, ihrer Not zu entkommen, nicht ersticken können.
Die Frage lautet also: Ist Europa bereit, die Verantwortung für die Folgen einer solchen Entscheidung zu übernehmen? Die Antwort ist nein. Deshalb fordere ich die Kommission und die Mitgliedstaaten auf:
– erstens, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, die auf hoher See vermissten Menschen zu finden und - wenn möglich - zu retten, sowie außerdem Nachforschungen zu den Umständen des Unglücks anzustellen;
– zweitens, vor dem Hintergrund der sieben vor Gericht stehenden tunesischen Seeleute auf das internationale Seerecht zu pochen, das die Pflicht vorschreibt, jedermann Hilfe zu gewähren, der in Seenot gerät;
– drittens, sämtliche Verhandlungen über Fragen der Migration mit solchen Ländern zu unterbrechen, die keinerlei Garantien zur Beachtung der Menschenrechte abgeben;
– viertens, das Recht eines jeden Menschen zu respektieren, jedes beliebige Land zu verlassen und in einem anderen Land um internationalen Schutz nachzusuchen; es stimmt, bei den auf See Vermissten handelt es sich nicht um illegale Migranten;
– fünftens, die restriktive Visapolitik zu beenden, die oftmals willkürlich ist und unfair;
– und letztens, hinsichtlich der Entwicklung in den Drittländern eingehend die gesamte bisherige Politik der Europäischen Union unter die kritische Lupe zu nehmen; dazu zählen auch Phänomene wie die Ausbeutung von Bodenschätzen, landwirtschaftliche Dumpingpreise, Freihandelsabkommen, der Waffenhandel und die Komplizenschaft mit autokratischen Regimen.
Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, was sich kürzlich zugetragen hat, ist lediglich das letzte Glied in einer langen Kette schändlicher Tragödien, die monströse Dimensionen angenommen haben. Der Tod von Emigranten auf hoher See, die versuchen, unsere Gestade zu erreichen, ist ohne jeden Zweifel die gröbste Missachtung menschlichen Lebens im zivilisierten Europa. Diese Tragödien zeigen das schreckliche Antlitz unserer Festung Europa. Vielleicht sollten wir einmal anfangen, über unseren Teil der Verantwortung am Tod von Männern und Frauen nachzudenken, deren einziges Bestreben es war, ein besseres Leben zu suchen und Hunger und Krieg zu entkommen.
Daher sollten wir wahrscheinlich die Tatsache analysieren, dass diejenigen, die im Mittelmeer Schiffbruch erlitten haben, keine Einzelerscheinung eines bestimmten Mechanismus darstellen, der illegale Einwanderung verursacht. Vielmehr sind diese Erscheinungen die vorhersehbare Folge der Einwanderungspolitik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Das Massaker im Mittelmeer hat seine Ursachen in einer Philosophie der Repression, in einer Politik, die die Menschen auf hoher See zur Umkehr zwingen will, in dem virtuellen Stacheldraht an unseren Küsten, in den prohibitionistischen Praktiken, die der Einwanderungspolitik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, einschließlich Italiens und Maltas, inne wohnt. Es gibt für diese Leute keine andere Möglichkeit, nach Europa zu gelangen. Es gibt keine legalen Wege, die auf den europäischen Arbeitsmarkt führen, oder reelle Chancen im Rahmen des so hoch gehaltenen Rechts auf Asyl anerkannt zu werden. Stattdessen überstellen diese Menschen ihre Hoffnung dem stürmischen Wellengang des Mittelmeeres, liefern sie als letztes Mittel, oder zumindest als einzig gangbares Mittel, ihre Rechte an skrupellose Bootsleute aus, um in die Europäische Union zu gelangen. Hier liegt die wahre Ursache für das tödliche Unglück vor der Küste Libyens vor einigen Tagen. Dies ist der Grund dafür, warum in den letzten 20 Jahren Zehntausende von Migranten bei ihrem Versuch, Europa zu erreichen, ums Leben gekommen sind: namenlose, gesichtslose Männer und Frauen – reduziert zum Fraß für die Fische.
Ich habe Präsident Pöttering darum gebeten, die heutige Sitzung mit einer Schweigeminute zu eröffnen – als Zeichen der Trauer und der Verneigung vor diesen Opfern. Ich möchte ihm dafür danken, dass er dieser Bitte nachgekommen ist. Ich denke, diese Geste war unsere Pflicht, aber sie reicht eindeutig nicht aus. Sie ist lediglich Ausdruck unserer Entrüstung. Wir müssen nun aber versuchen, in diesem Hause eine Politik zu formulieren, eine ganz konkrete Politik, die ein Anfang ist und signalisiert: Nie wieder! Nie wieder darf es zu solchen tödlichen Unglücken im Mittelmeer kommen.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, ich werde mich kurz fassen. Wichtig ist, dass wir aktiv werden, und ich greife auf, was Herr Deprez ausgeführt hat. Wir müssen uns in der Tat auf einen solchen globalen Ansatz hin zubewegen, hin zu partnerschaftlichen Vereinbarungen, denn wir werden diese Probleme nicht einseitig lösen können. Ich gebe ganz unumwunden zu, wie Sie bereits erwähnten, dass wir als Europäer Verantwortung tragen. Auch was das Thema legale Migration anbelangt, müssen wir einen Geist der Aufgeschlossenheit demonstrieren. Darüber hinaus müssen wir auch unserer Pflicht nachkommen und Menschen aufnehmen, die vor Verfolgung und Krieg fliehen.
Erlauben Sie mir aber dennoch die Bemerkung – und lassen Sie mich das Parlament daran erinnern – dass die Verantwortung auch bei einer ganzen Reihe von Drittländern liegt, mit denen sich Verhandlungen recht schwierig gestalten. Soll dies nun bedeuten, dass wir den Verhandlungsweg nicht weiter beschreiten sollen? Keineswegs! Beispielsweise sollten wir darauf hin arbeiten, dass Libyen endlich ein Asylsystem bekommt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Libyen in der Lage ist, uns dabei zu helfen, dem Unwesen der Schmugglerbanden, die diese bedauernswerten Menschen zu unnötigen Risiken zwingen, ein Ende zu bereiten. Mir ist persönlich vonseiten der maltesischen Behörden zu Ohren gekommen, dass Libyen es zugelassen hat, dass Boote in völlig seeuntüchtigem Zustand abgelegt haben, und die maltesische Marine so zu Rettungseinsätzen gezwungen war, um die hilflosen, von den Schmugglern ausgebeuteten Menschen in Sicherheit zu bringen. Wir müssen also durchaus unsere Verantwortung wahrnehmen, zugleich aber auch in unseren Verhandlungen mit einer Reihe von Staaten, die ihren internationalen Verpflichtungen nicht nachkommen, ein gutes Maß an Entschlossenheit an den Tag legen.
Ich denke, dies reicht aus, um uns alle zur Zusammenarbeit zu bewegen, damit solche tragischen Vorfälle zukünftig vermieden werden.
Der Präsident. – Der nächste Tagesordnungspunkt umfasst den Bericht (A6-0161/2008) von Henrik Lax im Namen des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zu einem Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufstellung eines Visakodex der Gemeinschaft (KOM(2006)0403 - C6-0254/2006 - 2006/0142(COD)).
Henrik Lax, Berichterstatter. – (SV) Herr Präsident, der Visakodex der Gemeinschaft dient dem Ziel der Harmonisierung und Klärung des Visumverfahrens im gesamten Schengen-Raum. Jeder Visum-Antragsteller muss, unabhängig von dem Schengen-Konsulat, an das sich die betreffende Person wendet, gleichberechtigt behandelt werden. Eine gute Verwaltungspraxis und eine respektvolle Aufnahme müssen sichergestellt sein. Die Einreise echter Reisender muss erleichtert werden.
Bestimmungen in Bezug auf die Einführung von Anforderungen an die Inhaber von Visa zur Abgabe von Fingerabdrücken sowie die Möglichkeit der Weiterleitung der Entgegennahme und Bearbeitung von Visumanträgen wurden bereits bei früherer Gelegenheit in einem von Baronin Ludford vorgelegten separaten Bericht vereinbart. Diese Bestimmungen wurden als integraler Bestandteil in den Visakodex der Gemeinschaft aufgenommen.
Vielen Dank, Sarah, für Ihre enge Kooperation.
(SV) Dieser Verordnungsvorschlag muss anhand des zwischen Parlament und Rat bestehenden Mitentscheidungsverfahrens entschieden werden. Nach einer nahezu dreijährigen Arbeitsphase und nach intensiven Verhandlungen mit dem Rat freue ich mich in meiner Funktion als Berichterstatter einen Kompromissvorschlag einbringen zu können, der vom Rat bereits gebilligt wurde und der, so meine Hoffnung, auch die Zustimmung des Parlaments finden wird.
Ich möchte ein besonderes Dankeschön an die Schatten-Berichterstatter Frau Klamt, Herr Cashman, Frau Ždanoka und Frau Kaufmann für ihre äußerst konstruktive Mitarbeit und intensive Unterstützung bei den Verhandlungen aussprechen. Ohne die Unterstützung eines mit einer Stimme sprechenden Ausschusses hätte das Parlament in den Verhandlungen kein so gutes Ergebnis erzielt. Ich möchte meinen Dank auch auf die Kommission ausdehnen, die einen soliden Initial-Vorschlag einbrachte, den weiterzuentwickeln eine Freude war. Mein Dank richtet sich auch an den französischen und tschechischen Ratsvorsitz, die beide ihre Bereitschaft zur Anerkennung der Probleme, die dem Parlament wichtig waren, demonstrierten und die dem Parlament auf halbem Wege entgegen gekommen sind.
Mit dem Kommissionsvorschlag als Ausgangspunkt stellten sämtliche gefundenen Kompromisse Verbesserungen der aktuellen Situation dar und es stellte sich als möglich heraus, mithilfe des französischen Ratsvorsitzes die schwierigsten Fragen noch vor Weihnachten zu klären. Der gesamte Vorbereitungs- und Verhandlungsprozess hätte niemals Erfolg gehabt ohne die ausgezeichnete Arbeit meiner fähigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie meiner Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschusssekretariat und den Vertretern der Fraktionen. Ihnen allen gilt mein ganz besonderer Dank.
Die drei wichtigsten Ergebnisse, die wir erreicht haben, sind: erstens, dass ein Mehrfach-Einreisevisum unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur ausgestellt werden kann sondern auszustellen ist; zweitens, dass sich die Mitgliedstaaten zu einer gegenseitigen Vertretungsvereinbarung verpflichtet haben, sodass kein Visumantragsteller unverhältnismäßig schwierige Behördengänge absolvieren muss, um das zuständige Schengen-Konsulat zu erreichen; und drittens, dass eine gemeinsame Internetseite eingerichtet wird, die ein einheitliches Bild des Schengen-Raums bietet und Informationen zu den Antragsbestimmungen für die Visum-Erteilung liefert.
Die Tatsache, dass die Visumgebühr von derzeit 60 Euro nicht auf 35 Euro gesenkt werden konnte, ist enttäuschend. Diese Enttäuschung wird allerdings dadurch etwas abgemildert, dass Kinder unter sechs Jahren und Personen unter 25 Jahren, die zu Seminargruppen, Sportteams oder Künstlergruppen gehören, ihre Visa kostenlos erhalten.
Ich möchte meine Ausführungen mit der Feststellung schließen, dass diese Reform zwei Instrumente einführt, die sehr wichtige Faktoren für die einheitliche Anwendung der Schengen-Bestimmungen zur Realität werden lässt: zum einen das Visainformationssystem, bei dem es sich um eine Datenbank handelt, die sämtliche Schengen-Staaten abdeckt, und die die Konsulate mit Informationen in Echtzeit darüber versorgt, wer ein Visum erhalten hat, wessen Visumantrag abgelehnt wurde, und welche Visa eingezogen worden sind; und zum anderen die erneuerte lokale, institutionelle Kooperation zwischen den Schengen-Konsulaten in den verschiedenen Ländern.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, die Kommission begrüßt die beträchtlichen Bemühungen, die das Parlament, und in gewissem Umfang auch der Rat, unternommen haben. Diese Bemühungen sollten uns in die Lage versetzen, in der ersten Lesung zu einer Einigung zu kommen. In Erwägung des vom Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres Mitte März und vom COREPER vor einigen Tagen bestätigten Konsenses denke ich, dass diese Einigung nun definitiv erreicht worden ist.
Der Text ist zwar nicht perfekt und entspricht nicht allen unseren anfänglichen Bestrebungen, dennoch unterstützt die Kommission vorbehaltlos den Kompromiss. Wir müssen die vom Europäischen Parlament unternommenen Bemühungen anerkennen und loben, in Bezug auf diesen Vorschlag bereits bei erster Lesung und vor dem Ende der aktuellen Legislatur zu einer Einigung gekommen zu sein.
Diese Verordnung vereinfacht die Bestimmungen hinsichtlich der Ausstellung von Visa – nicht nur für die Antragsteller sondern auch für die Mitgliedstaaten. Diese Bestimmungen kommen auch in einer harmonisierteren Weise zur Anwendung.
Die Kommission ist erfreut, dass dank der Unterstützung des Europäischen Parlaments die im ursprünglichen Vorschlagstext enthaltene Verpflichtung zur Angabe von Gründen für die Ablehnung von Visaanträgen und die Gewährung des Rechts für abgelehnte Bewerber zur Einlegung von Widerspruch praktisch unverändert übernommen wurde.
Diese Verfahrensgarantien werden verhindern, dass negativ beschiedene Visaanträge als willkürlich angesehen werden. Falls diese Einigung in Frage gestellt werden sollte, müssten wir weiterhin mit den Defiziten leben, etwa mit den Unstimmigkeiten in den aktuellen Bestimmungen, und dies zur großen Unzufriedenheit aller.
Ich möchte gerne meine Genugtuung über den ausgehandelten Kompromiss zum Ausdruck bringen. Dieser wird die Defizite und Unstimmigkeiten der aktuellen Bestimmungen beheben. Ich möchte an dieser Stelle natürlich Herrn Henrik Lax und dem Parlament meinen Dank sagen. Ich bin überzeugt, dass dieser neue Visakodex ganz erheblich denjenigen nützen wird, die in gutem Glauben reisen.
Ewa Klamt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Visakodex wird zukünftig die Vergabe von Schengen-Visa, also Visa für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten, nach festgelegten einheitlichen Kriterien im Schengen-Raum erfolgen. Ein dringend notwendiger Schritt in einer Europäischen Union mit offenen Grenzen. Gleichzeitig wird die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Bearbeitung von Visaanträgen klar geregelt. Grundsätzlich muss sich der Antragsteller an den Mitgliedstaat wenden, in dem sein Hauptreiseziel liegt. Meine Fraktion begrüßt, dass die Voraussetzung und das Verfahren zur Erteilung von Einreisevisa einer Vielzahl von Personen eine schnelle Einreise ermöglichen. So werden wir all jenen gerecht, die aus beruflichen Gründen in die EU einreisen, aber außerdem werden die Urlauber aus aller Welt – die weitaus größte Gruppe der Einreisenden – davon profitieren.
Wir haben damit zum einen dafür gesorgt, dass Visaanträge schnell bearbeitet werden können, und zum andern wird gewährleistet, dass die sicherheitsrelevanten Überprüfungen Missbrauch verhindern. Mit dieser ausgewogenen Balance zwischen Sicherheit und Einreiseerleichterung eröffnet das Visainformationssystem den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eines sofortigen und direkten Zugriffs auf alle relevanten Daten im Zusammenhang mit der Visavergabe. Das vereinfacht die Prüfung von Anträgen, und gleichzeitig wird die Visaerteilung zukünftig durch die Verwendung biometrischer Identifikatoren, also Foto und Fingerabdruck, für mehr Sicherheit sorgen. Der zwischen dem Berichterstatter, Henrik Lax, und dem Rat ausgearbeitete Kompromiss trägt der ursprünglichen Position des Europäischen Parlaments Rechnung und wird auch von meiner Fraktion mit breiter Mehrheit unterstützt.
An dieser Stelle möchte ich nochmals ganz herzlich Henrik Lax für seinen Einsatz und die hervorragende Zusammenarbeit an diesem sehr komplexen Dossier während der zurückliegenden drei Jahre danken. Es wird damit die europäische Visapolitik auf ein neues Fundament gestellt.
Michael Cashman, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, ich möchte Herrn Lax für die außerordentliche Arbeit, die er geleistet hat, danken. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir als sozialistische Fraktion diesen Bericht voll und ganz unterstützen. Es freut uns außerdem, dass wir die meisten unserer Ziele erreicht haben.
Es freut mich weiterhin, bei der Zusammenarbeit mit Ihnen, Henrik, festgestellt zu haben, dass Sie die für einen brillanten Gesetzgeber absolut notwendige Vorstellungskraft aufgebracht haben, indem Sie sich in die Lage der Person versetzten, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen will. Auf diese Art sind Sie diese Aufgabe in ihrer Gesamtheit angegangen. So haben Sie an die Notwendigkeit einer einheitlichen Anlaufstelle gedacht, an das Internet-Angebot, die Möglichkeit der Mehrfach-Einreisevisa und der Visanachlässe für unter 25-Jährige. Ich wünschte, ich könnte selbst einmal von so einem Angebot Gebrauch machen. Und schließlich fragten Sie sich auch, wie wir dieses System bürgernah gestalten können. Dies ist ein brillantes Vorbild für den Rest des Hauses. Wir gehen die Dinge oft so an, dass wir Änderungen einbringen, die möglicherweise zwar den Text verbessern und Sinn machen, aber nützt dies letztendlich auch dem Bürger? Dies war immer schon Ihr Ansatz.
Ich freue mich, dass wir nun die Mehrfach-Einreisevisa haben. Außerdem haben wir die gesamte Widerspruchsproblematik geklärt. In Bezug auf dieses sehr wichtige Prinzip arbeitete ich mit Jan zusammen, um einmal jemanden aus der GD zu nennen. Wir beschäftigten uns mit dem Szenario, dass jemand, dessen Visum abgelehnt wird, oder der an der Einreise in den Schengen-Raum gehindert wird, Widerspruch einlegen kann, der zwar keine aufschiebende Wirkung hat, aber die verweigernde Behörde muss eine Begründung liefern.
Ich möchte dem Berichterstatter nochmals recht herzlich danken und auch der Kommission, die dafür gesorgt hat, dass wir dieses Prinzip hier integrieren konnten. Mit bleibt eigentlich nichts weiter zu sagen als meinen Mitarbeitern und Ihren Mitarbeitern meinen Dank auszusprechen, insbesondere Renaud, der sich auf der Zuschauertribüne befindet. Ohne unsere Mitarbeiter könnten wir unsere Arbeit nie so gut erledigen. Wir haben wirklich drei hervorragende Jahre zusammen verbracht - aber wie alle schönen Dinge muss auch diese Episode einmal enden.
Sarah Ludford, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Verordnung zu biometrischen Visa ist nunmehr in diesen neuen Visakodex aufgenommen worden. daher empfinde ich ein gewisses Maß an Verantwortung für dieses Regelwerk. Ich werde also beim Visainformationssystem mitarbeiten, für das ich auch als Berichterstatterin tätig war.
Das Gesamtergebnis verbessert nicht nur die Visum-Sicherheit sondern bringt auch – wie bereits von den Vorrednern erwähnt - ein Mehr an Benutzerfreundlichkeit für die Visum-Antragsteller. Dies war die Zielsetzung für den Grenzkodex von Herrn Cashman. Ich denke also, dass die MdEP diese beiden Ziele erreicht haben.
Ich hoffe, dass mit der verbesserten Zuverlässigkeit einer sicheren Zuordnung zwischen dem Antragsteller und dem Dokument mithilfe von biometrischen Merkmalen weniger Menschen ungerechtfertigterweise das Visum verweigert wird. Herr Lax hat, wie von Herrn Cashman betont, intensiv an der Verbesserung der Dienstleistung für Visaantragsteller gearbeitet, und damit auch etwas für das Image der EU getan. Neunundneunzig-Komma-Neun Prozent der Menschen, die in die EU kommen möchten, tun dies aus geschäftlichen Gründen oder weil sie auf Reisen oder Touristen sind. Und dies möchten wir fördern, denn es hilft der Wirtschaft. Wenn sie jedoch die Erfahrung einer schlechten Dienstleistung oder schlechten Behandlung machen, werden sie der EU gegenüber nicht sehr freundlich gestimmt sein.
Herr Lax hat deshalb ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Tatjana Ždanoka, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, wir sind Herrn Lax dankbar für seine besten Bemühungen zur Erreichung eines Kompromisses bei solch einem anspruchsvollen Projekt.
Die Fraktion der Verts/ALE ist allerdings nach wie vor der Ansicht, dass der vom Parlament eingebrachte Antrag die beste Lösung wäre. Beispielsweise könnten sich – und dies wird wohl geschehen – bei der Handhabung des Hauptreiseziels praktische Probleme einstellen. Dieses Problem würde sich mit unserem Vorschlag der Wahlfreiheit bei der Beantragung eines Visums nicht stellen.
Der Rat hat sich mit der Regelung einverstanden erklärt, dass die Mitgliedstaaten lediglich kooperieren müssen. Leider beträgt die Visumgebühr 60 Euro anstatt den vom Parlament vorgeschlagenen 35 Euro. Wir hoffen, es wird eine Reihe von Ausnahmen und Ermäßigungen geben für Kinder, Schüler und Studierende sowie jugendliche Initiativen.
Obwohl es nicht möglich war, in Bezug auf die standardmäßige Ausstellung von Mehrfach-Einreisevisa einen Kompromiss zu erzielen, so haben wir nun zumindest eine Pflicht zur Ausstellung solcher Visa in bestimmten Fällen.
Das Recht, Widerspruch gegen einen abschlägigen Bescheid einzulegen, ist ebenfalls ein großer Schritt nach vorn. In vielen Mitgliedstaaten gibt es heute ein solches Recht noch nicht. Als frühere Menschenrechtsaktivistin möchte ich Herrn Lax für diese Bestimmung besonders danken.
Die Einbeziehung des Biometrieberichts in den Visabericht empfanden wir in unserer Fraktion natürlich als Wehrmutstropfen. Wir sind gegen eine so weitgehende Einführung biometrischer Erfassungsmethoden.
Allerdings erkennen wir dennoch einige Verbesserungen in der Visapolitik. Daher unterstützen wir diesen Bericht.
Sylvia-Yvonne Kaufmann, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Zunächst möchte ich unserem berichterstattenden Kollegen, Henrik Lax, herzlich für seine Arbeit danken. Er hat von Anfang an sehr eng mit allen Schattenberichterstattern zusammengearbeitet und dank seines Engagements sicherlich das bestmögliche Ergebnis, das mit dem Rat zu erreichen war, erzielt.
Der Visakodex ist notwendig, um die Bearbeitung von Schengen-Visa für den kurzfristigen Aufenthalt einheitlicher zu gestalten, aber vor allem auch um einen besseren Service bei der Vergabe von Visa zu gewährleisten und so die Wahrnehmung der Europäischen Union in Drittstaaten zu verbessern. Nach mehr als dreijähriger Arbeitszeit am Visakodex und komplizierten Verhandlungen mit dem Rat konnte nun endlich ein Kompromiss erzielt werden. Auch wenn dabei leider einige, der vom Parlament gestellten Forderungen nicht durchgesetzt werden konnten, enthält der Visakodex dennoch zahlreiche Verbesserungen, so etwa im Hinblick auf die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten. Vor allem aber bringt er Erleichterungen für die Antragsteller, denn er gibt ihnen mehr rechtliche Sicherheit und stellt Transparenz her.
Besonders wichtig ist, dass künftig jede Ablehnung eines Visumantrags begründet werden muss und dass jeder Antragsteller gegen die Ablehnung seines Antrags Beschwerde einlegen kann. Bedauerlich ist allerdings, dass die Visumgebühr mit 60 Euro unverändert bleibt. Selbst wenn künftig eine größere Zahl von Personen von der Visumgebühr befreit wird, dürfte die Visumgebühr von 60 Euro für so manchen Drittstaatsangehörigen unbezahlbar sein und auf diese Weise leider dazu führen, dass Menschen eben nicht in die Europäische Union einreisen können.
Abschließend möchte ich mich noch einmal beim Berichterstatter und bei allen Kolleginnen und Kollegen für die sehr gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren bedanken und Kollegen Lax zu seinem Bericht gratulieren.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE) . – (RO) Der Visakodex der Gemeinschaft beinhaltet die Verfahren und Bedingungen für die Ausstellung von Schengen-Visa für die Mitgliedstaaten und harmonisiert die existierenden Bestimmungen in Bezug auf die Ablehnung, Ausweitung oder Aufhebung von Visa.
Es ist wichtig, dass Mitgliedstaaten, die in einem Drittland nicht mit einem eigenen Konsulat vertreten sind, von einem anderen Mitgliedstaat vertreten werden, der in dem entsprechenden Drittland über eine diplomatische bzw. konsularische Vertretung verfügt. Der Kodex muss von der Gemeinschaft mit Ländern im Rahmen des Nachbarschafts- und Partnerschaftsprogramms der Europäischen Union abgeschlossene bilaterale Abkommen berücksichtigen, um die Bearbeitung von Visaanträgen zu vereinfachen und vereinfachte Verfahren anzuwenden.
Ich glaube, dass das Recht der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit mit kommerziellen Vermittlern nicht besonders hilfreich sein wird bei der Vereinfachung der Verfahren zur Bearbeitung von Visaanträgen. Der Grund hierfür ist der Umstand, dass Visaantragsteller entsprechend dem Kodex bei ihrem Erstantrag persönlich vorstellig werden müssen, um ihre biometrischen Daten erfassen zu lassen. Außerdem besteht die Möglichkeit, jeden Antragsteller vor Erteilung eines Schengen-Visas zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Der Zweck des Schengen-Visakodex besteht für die Europäische Union darin, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen abzugeben, alle Visaantragsteller gleich zu behandeln sowie klare Kriterien für die Befreiung von der Visumpflicht und Bestimmungen für eine Reihe von Drittstaaten zu formulieren. In diesem Zusammenhang ist es glaube ich angebracht, Sie daran zu erinnern, dass die Europäische Union alles in ihrer Macht stehende tun muss, um sicherzustellen, dass ihre Mitgliedstaaten von Drittstaaten, die Visabefreiungen lediglich für bestimmte Mitgliedstaaten vorsehen, gleichberechtigt behandelt werden. Wir können es einfach nicht zulassen, zwei Klassen europäischer Bürger zu haben, wenn es darum geht, beispielsweise nach Australien oder in die Vereinigten Staaten zu reisen.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, ich möchte auf die Ausführungen von Herrn Marinescu dahingehend antworten, dass ich selbstverständlich daran arbeite, mit Drittländern diesbezüglich eine Reziprozität zu erreichen. Meine letzte Reise nach Washington diente zum Teil auch diesem Zweck.
Im Übrigen bin ich jedoch sehr zuversichtlich, denn ich glaube, Kollege Lax hat hervorragende Arbeit geleistet und sich die sehr breite positive Resonanz wohl verdient. Ich möchte hinzufügen, dass wir selbstverständlich auch über eine Strategie verfügen, die darauf abzielt, die Visumerteilung bei einer Reihe von Ländern zu vereinfachen. Und ich setze eine ordentliche Portion Hoffnung in die Weiterentwicklung dieser Strategie, um die Erteilung von Visa so gut es geht zu erleichtern – insbesondere für junge Menschen aus Drittländern, denn ich denke, wir haben ein starkes Interesse daran, jungen Leuten die Einreise nach Europa zu erleichtern.
Haben Sie recht herzlichen Dank für diesen guten Ansatz, der es uns ermöglicht hat, diesen Text zu beschließen. Dies bringt eine neue Qualität in unsere Visapolitik und wird sicherlich gern gesehen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt am Donnerstag, den 2. April 2009.
19. Bewertung der Lenk- und Ruhezeiten (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Tagesordnungspunkt folgt die Stellungnahme der Kommission in Bezug auf die Lenk- und Ruhezeiten.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, ich verlese die Stellungnahme der Kommission zur Überprüfung der Lenk- und Ruhezeiten.
Vor etwa 2 Jahren, am 11. April 2007, trat die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 in Kraft. Sie ersetzte die Bestimmungen zu den Lenk- und Ruhezeiten, die seit über 20 Jahren unverändert geblieben waren.
Seit ihrem Inkrafttreten verfolgt die Kommission in aktiver Weise deren Anwendung. Diesem Zweck dienen auch mehrere Zusammenkünfte mit den Mitgliedstaaten, mit Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften, die Ausschusstreffen sowie die verschiedenen vom Ausschuss eingesetzten Arbeitsgruppen.
Die Kommission wird in Bälde den Zweijahresbericht zur Umsetzung von Sozialbestimmungen veröffentlichen. Eine der vorläufigen Schlussfolgerungen hieraus besteht darin, dass die von den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Überwachung der Verordnung unternommenen Anstrengungen und Investitionen gesteigert werden müssen, um den Anforderungen der europäischen Gesetzgebung gerecht zu werden.
Die von der Kommission unternommenen Initiativen umfassen die Leitlinien, die in Absprache mit den Mitgliedstaaten veröffentlicht werden und zielen darauf ab, die harmonisierte Anwendung der Bestimmungen zu den Lenk- und Ruhezeiten sicherzustellen, zum Beispiel in Fällen, wo ein Fahrer seine Ruhezeit aufgrund einer Notsituation unterbrechen muss.
Die Kommission arbeitet außerdem aktiv an der Verbesserung des digitalen Tachographen. Im Januar wurde ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Sicherheit des Systems verabschiedet. Die Mitgliedstaaten müssen demnach geeignetes Gerät zur Überwachung des Tachographen entwickeln.
Ein zweites Maßnahmenpaket zur Anpassung der technischen Spezifikationen für den Tachograph wird derzeit in einem Ausschussverfahren diskutiert. Diese Maßnahmen werden den Fahrern die Anwendung des Tachographen erleichtern, indem manuelle Eingaben ermöglicht werden.
Aus diesen Beobachtungen der Anwendung der Verordnung schließt die Kommission, dass die neue Gesetzgebung über die Lenk- und Ruhezeiten über einen Zeitraum von zwei Jahren betrachtet bislang ein Erfolg war. Aus diesem Grund hat die Kommission in Übereinstimmung mit den Mitgliedstaaten soeben die Unterzeichnerstaaten des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR-Übereinkommen) davon überzeugt, diese neuen Bestimmungen von 2010 an zu übernehmen. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten natürlich sicherstellen, dass diese Sozialbestimmungen in Europa in harmonisierter Weise angewendet werden.
Soweit meine Ausführungen für das Parlament im Namen der Kommission. Ich werde nun den Anmerkungen der verschiedenen MdEP aufmerksam zuhören.
Corien Wortmann-Kool, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, es gab einige Verwirrung heute wegen dieser Stellungnahme der Kommission. Es ist aber auch klar, dass die von der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und den Europäischen Demokraten mündlich vorgetragenen Fragen die Ausgangsbasis für die heutige Stellungnahme darstellten. Diese mündlich vorgetragenen Fragen rühren von dem starken Unbehagen, das, ungeachtet der Bemühungen der Kommission, in Bezug auf die praktische Umsetzung dieser Verordnung besteht.
Wenn ich in einem Land nur eine Minute länger am Steuer sitze als erlaubt, weil ich mein Fahrzeug nicht einfach irgendwo stehen lassen kann, kann ich schlimmstenfalls Wochen später noch in einem anderen Land mit einem saftigen Strafmandat belegt werden. Dies ist nur ein Beispiel für die vielen Probleme, mit denen Fahrpersonal und Verkehrsunternehmen konfrontiert sind. So kann es beispielsweise schon enorme Probleme geben, wenn ich nur ein paar Kilometer weiterfahre, um einen sicheren Parkplatz zu erreichen (was aufgrund der permanent überfüllten Rastplätze in Europa nicht immer ganz einfach ist) - oder eine geeignete Raststätte zum Übernachten.
Es freut mich, dass Sie eine Reihe von Initiativen ergriffen haben und auch, dass Sie demnächst Ihren Bericht vorlegen werden. Ich möchte Sie dazu auffordern, dass Sie in diesem Bericht Ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf die Einführung der Bestimmungen richten sondern auch auf die Verordnung als Ganzes. Und dass Sie eine weitreichende Evaluierung vornehmen, die der betroffenen Branche die Gelegenheit zur Erörterung der Bedenken gibt, die ich soeben angesprochen habe. Eine solche weitreichende Evaluierung ist es, die wir daher benötigen, damit wir unsere Blicke auf die Verbesserungen richten können, die möglich sind.
Der Nachteil dieser Leitlinien, soweit ich dies beurteilen kann, besteht wohl darin, dass sie in den Mitgliedstaaten nicht rechtskräftig sind. Wenn sich die Fahrer nach diesen Leitlinien richten, stehen sie womöglich mit leeren Händen da, weil diese Bestimmungen eigentlich keine Rechtskraft haben - und das ist das Problem. Kommissar Barrot, angesichts Ihrer einschlägigen Fachkenntnisse bin ich froh, dass Sie heute Kommissar Tajani ersetzen. Und ich hoffe aufrichtig, dass Sie in der Lage sind, uns die erwähnte weitreichende Evaluierung zu versprechen.
Silvia-Adriana Ţicău, im Namen der PSE-Fraktion. – (RO) Die europäischen Verordnungen zu den Arbeitszeiten sowie den Lenk- und Ruhezeiten für das Verkehrsgewerbe beziehen sich nicht nur auf die sozialen Bedingungen im Straßenverkehrssektor sondern insbesondere auch auf die Straßenverkehrssicherheit.
Leider hat es die Europäische Union nicht geschafft, ausreichende Maßnahmen zur Reduzierung der Verkehrsunfälle zu ergreifen. Die Mitgliedstaaten müssen eindeutig ihre Kontrollen für den Transitverkehr verbessern. Als Berichterstatterin für die sozialen Bedingungen habe ich den ersten von der Europäischen Kommission zusammengestellten Bericht untersucht, der eigentlich zwei Mal jährlich erscheinen sollte. Der Bericht war leider erst verspätet verfügbar, allerdings konnte ich diesem dann entnehmen, dass einige Mitgliedstaaten in der Praxis die Mindestanzahl der geforderten Kontrollen überschritten haben, während andere Mitgliedstaaten ihr Pflichtpensum nicht erfüllten.
Ich freue mich, dass es uns im Einvernehmen mit dem Rat der European Union in dem von Herrn Grosch vorgelegten Bericht über den Marktzugang gelungen ist, einen Kompromisstext zu erstellen. Insbesondere haben wir für sämtliche Verkehrskontrollen gefordert, dass diese keinen diskriminierenden Charakter haben dürfen, weder im Hinblick auf die Nationalität noch auf das Herkunftsland des Verkehrsunternehmens.
Herr Kommissar, ganz gewiss brauchen wir auch sichere Raststätten. Uns lag der Entwurf eines Berichts über den Bau von sicheren Rasthöfen an der Grenze zwischen der Europäischen Union und Russland vor. Leider reichen diese geplanten Rastplätze jedoch nicht aus. Angesichts der traurigen Tatsache, dass sich 40 % der Raubüberfälle, denen die Verkehrsunternehmen zum Opfer fallen, auf Rastplätzen ereignen, müssen die Mitgliedstaaten mehr in sichere Raststätten investieren.
Wir haben außerdem einen Budgetantrag eingebracht, der es uns erlaubt, Gelder für den Bau sicherer Raststätten zuzuweisen. Ich bin der Ansicht, dass die Regelungen zu den Lenk- und Ruhezeiten nur eingehalten werden können, wenn wir den Verkehrsunternehmen Bedingungen schaffen, die ihnen die Respektierung der Bestimmungen erlaubt.
Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Meine Kollegin von der Fraktion der Konservativen hat davon gesprochen, dass der Sektor große Sorge hat, dass man, wenn man nur eine Minute zu lange fährt, unter Umständen Wochen später zahlen muss.
Ich kann – leider, aus meiner Sicht – meine Kollegin beruhigen. Erstens, die Kontrollen in den Mitgliedstaaten sind sehr durchlässig, weil die meisten Mitgliedstaaten ihre Überwachungspflichten auf die leichte Schulter nehmen oder schlicht ignorieren. Zweitens, die Strafverfolgung in diesem Bereich befindet sich nach wie vor in den Kinderschuhen, obwohl die Zustände katastrophal sind. Wenn man zum Beispiel einen Fahrer auf der Inntalautobahn aufhält, der 38 Stunden ununterbrochen gearbeitet hat, dann kann mir niemand erzählen, dass er keinen Parkplatz gefunden hat, sondern hier gibt es oft Druck von Unternehmerseite, dass die Fahrer bis zum Umfallen durchfahren. Das ist eine Gefahr für alle anderen Verkehrsteilnehmer. Die Schwere der Unfälle mit Lastkraftwagen brauche ich Ihnen nicht im Detail zu schildern.
Das ist natürlich auch etwas, was Anrainern und Anrainerinnen Sorgen macht, weil der eine oder andere ja auch gefährliche Güter mit sich führen könnte, die dann Schäden verursachen. Also, ich finde es extrem notwendig und wichtig, dass hier gut kontrolliert wird. Die Kontrolle ist hier essenziell!
Zweitens meine ich, dass wir gerade bei der Einführung des digitalen Tachographen jetzt schon so eine lange Geschichte der Implementierung in den Mitgliedstaaten hinter uns haben, dass es langsam aber sicher Zeit wird, dass endlich eine bessere Kontrolle ermöglicht wird für jene, die zum Nutzen der Fahrer, zum Nutzen der Anrainer, zum Nutzen der Straßenverkehrssicherheit und der anderen Verkehrsteilnehmer kontrollieren wollen.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, endlich hat der funktionelle Charakter dieser Verordnung über die Lenk- und Ruhezeiten den Weg auf die Plenartagesordnung gefunden. Seit Inkrafttreten der Verordnung hagelt es an Beschwerden, die sich auf ihre praktische Anwendung beziehen: dabei fallen oft die Wörter „unklar“ und „unsinnig“. Hier besteht eindeutiger Handlungsbedarf. Die Verordnung gehört überarbeitet, und zwar schnell. Welche Verbesserungen brauchen wir? Die Gesetzgebung muss berechenbar sein.
Ich spreche mich nicht für die Harmonisierung sämtlicher Sanktionen aus. Dies muss in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleiben. Wofür ich mich allerdings ausspreche, ist ein klares, berechenbares und vernünftiges System. Dies ist der einzige Weg, um wegzukommen von völlig überhöhten und unsinnigen Strafmandaten, die darüber hinaus noch langwierige Eintreibverfahren nach sich ziehen. Die aktuelle Gesetzgebung eröffnet eindeutig Spielräume für die diskriminierende Behandlung ausländischer LKW-Fahrer, insbesondere auf europäischen Straßen. Dies ist nicht hinnehmbar. Dieses Problem stellt schlicht und einfach eine schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung des Binnenmarkts dar.
Abschließend ein kleines Beispiel für den absurden Charakter der gegenwärtigen Verordnung über die Lenk- und Ruhezeiten. Ein Fahrer, der in Frankreich unterwegs war, bekam ein Strafmandat über 750 Euro, weil er seine vorgeschriebene Ruhezeit um 15 Minuten unterschritten hatte. Hinzu kam noch, dass die Begleichung dieses Strafmandats sechs Stunden gedauert hat. Die Folge war, dass der Fahrer an diesem Tag nicht laden und entladen konnte, mit all den damit verbundenen Folgen. Der aus dieser 15-minütigen Ruhezeitenunterschreitung resultierende Gesamtverlust summierte sich auf diese Weise schließlich auf 1 750 Euro.
Die Kommission muss daher eine entschlossenere Haltung einnehmen gegenüber Mitgliedstaaten, die einer solchen Wettbewerbsverzerrung des Binnenmarkts Vorschub leisten. Als Niederländer richtet sich mein Blick dabei vor allem in südliche Richtung.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE) . – (RO) Es ist ganz wichtig, dass sich die Autofahrer an die Verordnung über Lenk- und Ruhezeiten halten, damit auf Europas Straßen ein hohes Maß an Verkehrssicherheit gehalten werden kann und die Mitreisenden geschützt werden.
Im Januar 2009 verabschiedete die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket gegen den Missbrauch des Tachographen und zur Erweiterung der Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zur Überprüfung der Einhaltung der Verordnungen über Lenk- und Ruhezeiten. Angesichts der zahlreichen Probleme, die sich mit der Zeit aus dem Einsatz von Systemen zur Erfassung von Arbeitszeiten, insbesondere im Zusammenhang mit digitalen Tachographen, ergeben haben, aber auch aufgrund der Tatsache, dass sich die vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen als unflexibel und schwer durchsetzbar erwiesen haben, sind diese Maßnahmen begrüßenswert.
Ich glaube, dass einer der wichtigsten Aspekte, den die Kommission im Auge behalten muss, die Bedeutung der Übertragung der Richtlinie Nr. 22/2006 in das nationale Recht der Mitgliedstaaten ist und die Harmonisierung der aus Artikel 19 der Verordnung Nr. 561/2006 abgeleiteten nationalen Bestimmungen. Rumänien ist seinen Verpflichtungen diesbezüglich nachgekommen. Aber es gibt immer noch Mitgliedstaaten, die diesen Prozess noch nicht abgeschlossen haben. Daraus ergeben sich auf einer grenzüberschreitenden Ebene Probleme bei der effektiven Durchsetzung von Sanktionen und bei der Beitreibung von Strafmandaten aus Gesetzesverstößen.
Unter Einbeziehung der Sechsmonatsberichte einiger Mitgliedstaaten während dieser letzten Referenzperiode und den zahlreichen, vom Verkehrsgewerbe gemeldeten Schwierigkeiten, fordere ich die Europäische Kommission zur Prüfung der Möglichkeit einer Überarbeitung der Verordnung Nr. 561/2006 auf.
Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Herr Präsident, wir diskutieren über Ruhezeiten und Arbeitszeiten für das Fahrpersonal im Straßenverkehrsgewerbe inmitten einer Wirtschaftskrise. Tausende Fahrzeuge stehen still, weil es keine Aufträge gibt. Dementsprechendes gilt für die Fahrer. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von Firmen am Rande des finanziellen Bankrotts steht. Herr Jarzembowski, Frau Wortmann-Kool und die anderen zuständigen Mitglieder des Hauses hatten schon Recht, diese drei Problempunkte anzusprechen, als da zu nennen sind: die Komplexität des Systems, seine Zuverlässigkeit bzw. Nicht-Zuverlässigkeit, und die entsprechende Restriktionspraxis bis zum heutigen Tag.
Es existieren keine wissenschaftlichen Beweise, die es nahe legen, dass eine flexiblere Umsetzung dieser Bestimmungen, die unter bestimmten Umständen sogar eine Verlängerung der Arbeitszeit in einer bestimmten Woche erlauben könnte, die Straßenverkehrssicherheit negativ beeinflussen würde, vor allem nicht bei abnehmendem Verkehrsaufkommen. Im Gegenteil erscheint es wahrscheinlicher, dass die Zukunft dieses Sektors durch die strikte Umsetzung der Restriktionen - und auch durch die neu auferlegten begleitenden Belastungen für die Straßenverkehre - gefährdet wird. Ich möchte hier insbesondere die Eurovignette und die Internalisierung externer Kosten erwähnen. Das Thema lohnt in der Tat die Diskussion, und ich würde mich sehr darüber freuen, den Standpunkt der Kommission zu diesem Thema zu hören.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe Ihren Ausführungen aufmerksam zugehört.
Ich würde sagen, diese Verordnung befindet sich in ihrer „Warmlaufphase“ – um es einmal mit den Worten des Verkehrsgewerbes auszudrücken – und sie ist mit Sicherheit von großer Wichtigkeit für die Sicherheit im Straßenverkehr - und darüber hinaus von Bedeutung aus sozialer Sicht. Ich möchte all diejenigen von Ihnen ein wenig beruhigen, die die Bedenken der betroffenen Branche zum Ausdruck gebracht haben. Die Kommission ist sich bewusst, dass die vom Europaparlament und dem Rat angenommene Verordnung erst nach und nach umgesetzt wird. Die Kommission steht im Austausch mit den Sozialpartnern und den Fachleuten in den Mitgliedstaaten, so dass die Verordnung schrittweise und unter Berücksichtigung interpretativer Spielräume harmonisiert werden kann.
Es ist zutreffend, dass die Kommission am 30. Januar 2009 eine Richtlinie verabschiedet hat, welche die Definitionen von Regelverstößen harmonisiert, und dass sie zum Thema Sanktionen entsprechend den Erfordernissen des Artikels 10 der Richtlinie 2006/22 beabsichtigt, einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht wird zeigen, dass sich die Bußgelder in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten voneinander unterscheiden, aber auch in Bezug auf die Art und Weise, wie Verstöße kategorisiert werden.
So viel zunächst vorweg.
Um auf die Ausführungen von Frau Wortmann-Kool einzugehen, die anführte, dass die Fahrer schließlich erst einen sicheren Parkplatz ansteuern müssten, und die sich für die Errichtung weiterer Rasthöfe einsetzte, möchte ich sagen, dass die Verordnung die Möglichkeit vorsieht, länger zu fahren, um einen sicheren Rastplatz anfahren zu können.
Es trifft zu, dass Herr Liberadzki gerade ausgeführt hat, wir sollten der Verkehrsbranche nicht zu viele Zwänge zumuten. Aber wie Sie ebenfalls wissen, geht es darum, der Branche zu ermöglichen, Sicherheitsrisiken zu vermeiden. Und diese Verordnung bietet den Fahrern einen gewissen Schutz gegen Risiken, die sie eingehen. Frau Lichtenberger erinnerte uns an die Bedeutung dieser Bestimmungen für die Straßenverkehrssicherheit.
Herr Marinescu, ich denke wir unternehmen stets Anstrengungen zur Überprüfung der Richtlinien-Umsetzung. Aber es ist auch so, dass wir vorläufig diese gesetzlichen Bestimmungen nicht noch einmal aufrollen können. Wir müssen diesen Verordnungen etwas Zeit geben, damit sich neue Gewohnheiten herausbilden können; Gewohnheiten, die, so bin ich überzeugt, dem gesamten Transportsektor zugute kommen werden. Denn sie werden für eine etwas bessere Harmonisierung der Arbeitsbedingungen sorgen, indem sie sowohl das Privatleben der Fahrer respektieren als auch für mehr Sicherheit sorgen werden.
Das ist alles was ich zu diesem Thema zu sagen hätte. Ich werde Ihre Bemerkungen an meinen Freund, Herrn Tajani, weiterleiten, damit er dafür sorgen kann, dass diese Maßnahmenüberprüfung weiterhin an der Basis und unter dem Blickwinkel all der gemachten Rückmeldungen durchgeführt werden kann - und ganz besonders, Herr Präsident, unter Berücksichtigung der heute hier von den verschiedenen MdEP vorgebrachten sachdienlichen Beiträge.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
20. Festsetzung von Höchstmengen für Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs (Aussprache)
Der Präsident. – Der nächste Tagesordnungspunkt umfasst die Empfehlung zur zweiten Lesung des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit zum gemeinsamen Standpunkt des Rates zur Annahme einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Ausarbeitung von Gemeinschaftsverfahren zur Festsetzung von Höchstmengen für Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs, welche die Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates außer Kraft setzt und die Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (15079/2/2008 – C6-0005/0009 – 2007/0064(COD)) novelliert. (Berichterstatterin: Avril Doyle) (A6-0048/2009).
Avril Doyle, Berichterstatterin. − Herr Präsident, könnte ich zunächst damit beginnen, allen meinen Schattenberichterstattern und natürlich dem französischen Ratsvorsitz dafür zu danken, diese Einigung auf eine frühe zweite Lesung möglich gemacht zu haben?
Hier handelt es sich um eine recht technische Vorlage, die auf eine Aktualisierung des vorhandenen EU-Regelwerks abzielt. Ihr Hauptzweck besteht darin, einen Schutz für die Volksgesundheit durch eine Begrenzung von Rückständen pharmakologisch wirksamer Stoffe aus Tierarzneimitteln und Biozid-Produkten zu bieten, die in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs für den Verzehr durch den Verbraucher enthalten sein können. Dies wird erreicht durch das Festlegen von Schwellenwerten bzw. Höchstmengen für Rückstände (maximum residue levels, MRL) für zugelassene Wirkstoffe und durch das Verbot von Wirkstoffen, die entweder als nicht sicher eingestuft worden sind oder für die ein wissenschaftliches Unbedenklichkeitsprofil nicht aufgestellt werden kann.
MRL alleine reichen jedoch für den Schutz der Verbraucher nicht aus. Die Verbraucher werden unmittelbar dadurch geschützt, dass für Wirkstoffe angemessene Absetzfristen vor dem Schlachten festgelegt und Kontrollmechanismen zu deren Überwachung eingesetzt werden. In der Praxis werden die Absetzfristen anhand eines hohen Sicherheitsfaktors festgelegt, der die zum aktuellen Zeitpunkt der Produktentwicklung verfügbare Datenlage berücksichtigt.
In Bezug auf die wichtigsten Punkte sind wir zu einer Einigung gelangt. Erstens, die Extrapolation von für eine bestimmte Nutztierart festgelegten MRL auf eine andere Nutztierart; zweitens, die Übernahme innerhalb der EU von international im Rahmen des Codex Alimentarius festgelegten MRL; und drittens, die Schaffung eines Rahmens zur Festsetzung von MRL für aus Drittländern eingeführten Nahrungsmitteln.
Es ist uns gelungen, die Maßnahmen zu klären, die unternommen werden müssen, wenn nicht genehmigte Stoffe in Nahrungsmitteln gefunden werden, die entweder in der EU produziert worden sind oder die aus Drittländern eingeführt wurden. Weiterhin konnten wir die Grundlage zur Überarbeitung dieser Referenzwerte für Maßnahmen (reference points for action, RPA) klären: das heißt, die zu Kontrollzwecken für sämtliche unerlaubten Stoffe aufgestellte Höchstmenge unter Berücksichtigung eventueller neuer Erkenntnisse.
Weiterhin wurde eine Einigung erzielt hinsichtlich der Frage zur Festsetzung von MRL für bestimmte Biozide, beispielsweise für Desinfektionsmittel, die in der Tierhaltung eingesetzt werden, insbesondere in Bezug auf die Finanzierungsaspekte ihrer Genehmigung und ihrer Dossiers.
Die Festsetzung einer MRL für einen pharmakologisch wirksamen Stoff erfordert ein aufwendiges Datenpaket an toxikologischen und metabolischen Studien. Der Kostenaufwand für bestimmte, weniger übliche Nutztierarten (so genannte „weniger wichtige Arten“ oder Minor Species) ist zu hoch, da der entsprechende Markt für Veterinärmedikamente klein ist – auch als „wenig genutzte Arten“ oder Minor Uses bezeichnet. Die Festsetzung einer MRL ist der erste durchzuführende Schritt, bevor ein Antrag bei der Regulierungsbehörde für die Genehmigung eines Tierarzneimittels erteilt werden kann, das bei einer Nutztierart eingesetzt werden soll und einen pharmakologisch wirksamen Stoff enthält.
Für diese Problematik der so genannten Minor Use/Minor Species (MUMS) muss dringend eine Lösung gefunden werden, da es hier um mögliche Probleme für die Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit geht. Tierärzte tragen eine Sorgepflicht und werden stets versuchen, ein krankes Tier zu behandelt. Nach gegenwärtigem Recht sind sie oftmals gezwungen, auf nicht zugelassene Medikamente zurückzugreifen.
Das Fehlen einer MRL hindert auch die Behörden daran, für ein Medikament eine angemessene Absetzfrist festlegen zu können. Die gegenwärtige MRL-Verordnung verlangt nicht das Festsetzen von MRL für einzelne Nutztierarten. Der Ausschuss für Tierarzneimittel (CVMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur legt MRL für einzelne Nutztierarten entsprechend einem anfänglich vorsichtigen Ansatz fest. Im Jahr 1997 unterzog der CVMP nach fünfjähriger Praxiserfahrung sämtliche zuvor festgesetzte MRL einer Prüfung und kam zu dem Ergebnis, dass es nicht erforderlich sei, für einzelne Nutztierarten eigene MRL festzulegen, da die MRL für einen bestimmten Stoff nahezu immer ähnlich oder gleich seien. Im gleichen Jahr gab der CVMP einen Leitfaden zur Aufstellung von MRL für weniger wichtige Arten heraus. Der Ausschuss definierte die in der Nahrungsmittelproduktion weniger häufig verwendeten Tierarten als alle Tierarten außer Rindern, Schweinen und Geflügel; außerdem wurden die Salmoniden einbezogen.
Der Ausschuss erlaubte die Extrapolation von einer wichtigen Nutztierart auf eine weniger wichtige Nutztierart der gleichen Gattung: von Wiederkäuer auf Wiederkäuer, von Fisch auf Fisch, von Hühnern auf andere Geflügelarten. Im Jahr 2008, nach achtjähriger Erfahrung gab der CVMP einen neuen Leitfaden heraus. Ein Ansatz für eine Risikoanalyse von Tierarzneimittel-Rückständen in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs. Dieser Leitfaden beschreibt einen risikobasierten Ansatz zur Extrapolation einer MRL für einen Stoff von einer bzw. mehreren Tierarten auf zusätzliche Tierarten. Der Leitfaden erlaubt die Extrapolation von MRL aus Daten über die drei wichtigen Nutztierarten auf sämtliche Nutztierarten, vorausgesetzt die für die drei wichtigen Nutztierarten festgelegten MRL sind ähnlich oder identisch.
Der Text dieser uns vorliegenden Überarbeitung liefert lediglich eine rechtliche Grundlage für die aktuelle Praxis der Extrapolation im Interesse der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln und der Tiergesundheit.
Zwei Änderungen zielen insbesondere auf die fehlende Verfügbarkeit artenspezifischer Medikamente für Nutzequiden (Ich muss hier ein Interesse anmelden) über eine Reihe therapeutischer und Wohlergehenserfordernisse hinweg ab. Diese umfassen das Konzept des „klinischen Nutzens“ und nicht nur das Erfordernis, dass es „wesentlich“ ist, der in der Tierarzneimittelrichtlinie enthaltenen Positivliste von Wirkstoffen für Nutzequiden einen medizinischen Wirkstoff hinzuzufügen. Unter einigen klar definierten Umständen sind für bestimmte Produkte im Bereich der Nutzequiden keine MRL erforderlich. Stattdessen muss eine sechsmonatige Absetzfrist eingehalten werden.
Vielleicht gibt es eine Erklärung – dürfte ich den Vorsitz darum bitten – die der Kommissar zu Protokoll geben wird: Ich erinnere an eine Aussprache zu diesem Thema vor einigen Monaten bezüglich einer Überarbeitung der Tierarzneimittelrichtlinie.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. – (DE) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Revision der Gesetzgebung zu Höchstwerten für Rückstände pharmakologisch wirksamer Substanzen in Lebensmitteln tierischen Ursprungs ist eine wichtige Initiative für die Europäische Kommission. Sie zielt darauf ab, den Verbraucher vor Medikamentenrückständen in Lebensmitteln zu schützen und gleichzeitig die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln in der Gemeinschaft zu verbessern. Es ist aber auch ein wichtiges Element im Rechtsvereinfachungsprogramm der Kommission.
Rat und Parlament haben am 21. Oktober des vergangenen Jahres eine Übereinkunft getroffen, die in dem vorliegenden Gemeinsamen Standpunkt ihren Niederschlag gefunden hat. Wir haben jetzt also eine gemeinsame Position sowohl des Rates, des Parlaments als auch der Kommission. Ich bin sehr froh darüber, dass die Kommission die Änderungsvorschläge sowohl aus dem Europäischen Parlament als auch des Rates übernehmen konnte, weil sie Geist und Substanz des ursprünglichen Vorschlags der Kommission bewahren.
Die Kommission hat deshalb mit ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament vom 8. Januar dieses Jahres ihre volle Unterstützung für den Gemeinsamen Standpunkt zum Ausdruck gebracht. Mit der Annahme des Gemeinsamen Standpunktes wird es nunmehr möglich sein, dieses Dossier zu einem guten Ende zu bringen, noch bevor die Legislaturperiode des Parlaments endet.
Der Abschluss auf der Grundlage des vorliegenden Gemeinsamen Standpunkts wird es denjenigen, die täglich mit Lebensmittelkontrollen und Tierarzneimitteln zu tun haben, ermöglichen, eine bessere Arbeit im Interesse der Tiergesundheit und des Verbraucherschutzes in der Gemeinschaft zu leisten. Diejenigen, die täglich damit zu tun haben, warten schon sehr lange und sehr ungeduldig auf die Überarbeitung der Gesetzgebung zu den Höchstrückständen, und ich finde, sie haben jetzt wirklich lange genug gewartet und können alle gemeinsam zufrieden sein, dass wir jetzt eine Lösung gefunden haben.
Ich bin mir der besonderen Bedeutung der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln sehr bewusst. Deswegen wird die Kommission, ungeachtet des Fortschritts, den die vorliegende Verordnung zu Höchstwerten von Rückständen pharmakologisch wirksamer Substanzen in dieser Hinsicht bereits darstellt, im Jahr 2010 eine Bewertung der Probleme bei der Anwendung der Tierarzneimittelrichtlinie vorstellen und dort, wo es angemessen ist, entsprechende neue gesetzgeberische Vorschläge vorlegen.
Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle der Berichterstatterin Frau Doyle und ihrem wirklich unermüdlichen Einsatz, der es ermöglicht hat, eine Einigung in dieser bedeutsamen Angelegenheit zu finden. Noch einmal herzlichen Dank für Ihre großartige Arbeit, Frau Doyle!
Erklärung der Kommission
Doyle-Bericht
Der Kommission sind die von Bürgern, Veterinären, Mitgliedstaaten und der Tiergesundheitsindustrie vorgetragenen Bedenken in Bezug auf die Richtlinie zur Formulierung der Bestimmungen für die Genehmigung von Tierarzneimitteln bekannt, insbesondere die Bedeutung, die einer Lösung für die vorhandenen Probleme im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln und dem Einsatz von Medikamenten bei Nutztierarten beikommt, für die diese nicht zugelassen sind. Darüber hinaus ist der Kommission die Problematik unverhältnismäßiger, reglementarischer Hürden bewusst, die Innovationen behindern können, und dabei doch zugleich ein hohes Maß an Verbrauchersicherheit in Bezug auf Nahrungsmittel tierischen Ursprungs sicherstellen sollen. Die Kommission weist darauf hin, dass diesbezüglich bereits positive Schritte unternommen werden, beispielsweise in Form einer Vereinfachung der Bestimmungen in Bezug auf die Variationen von Tierarzneimitteln sowie der vorliegenden Überarbeitung der Gesetzgebung zu Höchstmengen von Rückständen in Nahrungsmitteln.
Darüber hinaus wird die Kommission zur Erreichung der Verbraucherschutzziele und der Sicherung der Tiergesundheit sowie der Wettbewerbsfähigkeit der Tierarzneimittelindustrie, einschließlich der KMU, und der Verringerung des Verwaltungsaufwands in 2010 einen Überprüfungsbericht zu den Problemen bei der Anwendung der Tierarzneimittelrichtlinie vorlegen, der an Stellen, wo dies angebracht erscheint, rechtliche Vorschläge enthalten wird.
Avril Doyle, Berichterstatterin. − Herr Präsident, ich möchte nur zu Protokoll geben, dass ich einem der Änderungsanträge meine Unterstützung versagen muss, da dies sonst in eine rechtliche Sackgasse führen würde. Wenn es nicht möglich ist, Tieren im Rahmen von Testbehandlungen Medikamente zu verabreichen, die noch nicht über eine MRL verfügen, dann ist es auch erst gar nicht möglich, die erforderlichen Tests zur Gewinnung der Daten durchzuführen, die für die Aufstellung von MRL und die Definition von Absetzfristen erforderlich sind.
Ich möchte Kommissar Verheugen für seine Kooperation in diesem Bereich danken und die dringende Notwendigkeit zur Überarbeitung der Tierarzneimittelrichtlinie zu Protokoll geben. In gewissem Sinne benutzen wir diese Überprüfung der MRL ein wenig als „Flickwerk“ für ein größeres Problem, das auf dem Prüfstand steht und über das wir uns alle im Klaren sind. Über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg hat sich die Verfügbarkeit einer hinreichenden Auswahl an Tierarzneimitteln zur Behandlung einer weiten Bandbreite von Nutztierarten in der Europäischen Gemeinschaft als wachsende Herausforderung erwiesen. Während dieser Zeit sind von den verschiedenen Beteiligten, unter anderem den Regulierungsbehörden, der Industrie und den Veterinären, erhebliche Anstrengungen unternommen worden, um in Bezug auf das Problem der Verfügbarkeit von Medikamenten Lösungen zu erarbeiten.
Ungeachtet dieser Bemühungen hat sich die Lage weiter verschlechtert. Der Mangel an genehmigten Medikamenten stellt eine reale Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere als auch für die Sicherheit der Verbraucher dar. Weiterhin stellt diese Situation Tierbesitzer, Landwirte, Veterinäre und Regierungen vor erhebliche Probleme, wenn Tiere gar nicht oder mit einem nicht genehmigten bzw. ungeeigneten Mittel behandelt werden. Daraus können sich dann für die Tierbesitzer, Verbraucher und Bürger unter anderem Komplikationen in Form zoonotischer Erkrankungen ergeben, die auf unbehandelte oder nicht angemessen behandelte Tiere zurückzuführen sind.
Weiterhin gibt es für die verschiedenen Beteiligten finanzielle, rechtliche und kommerzielle Implikationen zu bedenken, während der Mangel an Tierarzneimitteln negative Auswirkungen auf die ländliche Wirtschaft und die Landwirtschaft ganz allgemein haben kann. Ein Beispiel – und ein ganz wichtiger Punkt – sind die Auswirkungen in Bezug auf die Bestäubungsfunktion der Bienen aufgrund dezimierter Bienenkolonien. Bienen sind ein ganz wichtiger Aspekt der Problematik der so genannten Minor Use/Minor Species (MUMS).
Allerdings hat das gegenwärtige Verfügbarkeitsproblem in der EU nicht nur in jeder Hinsicht Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere, die Versorgungssicherheit der Gemeinschaft mit Nahrungsmitteln und die Sicherheit der Volksgesundheit, es unterminiert außerdem die Fähigkeit der EU, die Lissabon-Agenda einzuhalten und sich das enorme Potenzial zur Anziehung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im veterinär-pharmazeutischen Bereich für die europäische Landwirtschaft und die Offshore-Aquakultur nutzbar zu machen.
All Ihnen Kolleginnen und Kollegen sowie Ihnen, Kommissar Verheugen, danke ich nochmals für die Kooperation zu diesem Bericht.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Péter Olajos (PPE-DE), – schriftlich. (HU) Wir hören oftmals die Klage, dass die EU versucht, alles zu regulieren aber gleichzeitig dabei versagt, wichtige Fragen zu klären.
Viele von uns denken nun vielleicht, dass dieser Bericht auch wieder so ein Fall ist. Diese Schlussfolgerung wäre allerdings verfehlt. Denn in diesem Fall geht es um Lebensmittel für den menschlichen Verzehr – und diese möchten wir gerne im Interesse unserer Bürger sicherer machen.
Die vorhandenen Verordnungen sind veraltet und machen es für Veterinäre problematisch, ihr Arsenal an Medikamenten nachzufüllen. Aus diesem Grund ist eine angemessene Regulierung für die charakteristischen Merkmale dieser Branche erforderlich.
Heutzutage verfügen mehr und mehr Pharmaunternehmen über einen äußerst profitablen Geschäftsbereich für tiermedizinische Produkte. Die Nachfrage wächst stetig, denn auch Tiere können erkranken, und gerade jetzt, wo Nahrungsmittel zunehmend wertvoller werden, lohnt es sich, diese Krankheiten zu vermeiden.
Allerdings haben uns in letzter Zeit immer wieder Nachrichten dahingehend erreicht, dass sich gewisse Unternehmen mit der Frage beschäftigen, wie noch mehr aus den Nutztieren „herausgeholt“ werden kann. Dabei geht es etwa um Wachstumsbeschleuniger für Hühner oder Mastbeschleunigungsmittel für Schweine. All dies geschieht mithilfe (pharmazeutischer) Produkte, die für den Menschen oftmals schädlich sind.
Aus diesem Grund muss jedes einzelne Präparat, das Nutztieren verabreicht wird, in Abstimmung mit der Europäischen Agentur für die Bewertung von Arzneimitteln (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products, EMEA) getestet werden, um festzustellen, ob die im Fleisch verbleibenden Rückstände solcher Mittel für den Verbraucher dieser Lebensmittel eine Gefahr darstellen.
Die Kosten für diese Tests werden vom Unternehmen getragen. Wir müssen außerdem unbedingt für Möglichkeiten eines Schnellgenehmigungsverfahrens sorgen, das den Verwaltungsaufwand verkürzt und das den Veterinären somit einen erheblich schnelleren Zugang zu den tierpharmazeutischen Produkten ermöglicht.
Nichts ist wichtiger als der Schutz der menschlichen Gesundheit. Daher müssen wir dem aus einem Profitstreben heraus motivierten „Nutztier-Doping“ einen Riegel vorschieben.
21. Bildung für die Kinder von Migranten (kurze Darstellung)
Der Präsident. – Der nächste Punkt umfasst eine kurze Darstellung des Berichts (A6-0125/2009) von Hannu Takkula im Namen des Ausschusses für Kultur und Bildung in Bezug auf die Bildung für die Kinder von Migranten (2008/2328(INI)).
Hannu Takkula, Berichterstatter. − (FI) Herr Präsident, es ist die ethische Pflicht der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass jeder Mensch, auch die Kinder von Migranten, das Recht auf eine gute Bildung haben. Jedes Kind muss das Recht haben, eine Bildung zu genießen, die kostenlos und verpflichtend ist, zumindest auf der Primarstufe. Kinder müssen eine Allgemeinbildung erhalten können, die die Chancengleichheit zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten fördert – ihre individuelle Unterscheidungskraft und ihren Sinn für Moral und soziale Verantwortung – damit sie als ausgeglichene und verantwortliche Mitglieder der Gesellschaft heranwachsen können.
Diejenigen, die für die Bildung und Beaufsichtigung von Kindern verantwortlich sind, müssen das Wohl des Kindes als ihr Leitprinzip ansehen. Dies beginnt selbstverständlich bereits Zuhause in der Familie und bei den Eltern. Aber die Schule und die Gesellschaft an sich müssen ebenfalls eine unterstützende Rolle in der Kindeserziehung einnehmen, um es den Schülern somit zu ermöglichen, ihre eigene Persönlichkeit voll zu entwickeln.
Ich bin besorgt über die Studien, die vor kurzem über die Kinder von Migranten veröffentlicht worden sind. Diesen Studien ist zu entnehmen, dass den Kindern in einigen Fällen der Schulbesuch sehr schwer fällt, und dass in einigen Gegenden Vorstöße unternommen werden, Schulen ausschließlich für Migrantenkinder zu etablieren. Das Ergebnis sieht nun natürlich so aus, dass Familien ihre Kinder von Schulen mit hohem Migrantenanteil nehmen, weil ihnen solche Schulen als ungeeignet erscheinen. Dies ist eine bedauernswerte Situation und hat an den betroffenen Schulen zu sehr schlechten Bildungsstandards und schlechten Schülerleistungen unter den Migrantenkindern geführt. Eine weitere Folge dieses Phänomens ist eine sehr hohe Lehrerfluktuation an den Schulen mit hohem Migrantenanteil.
Dies ist nicht die Entwicklung, die wir uns erhofft hatten, und wir müssen nun Bedingungen schaffen, die es den Kindern von Migranten ermöglicht, sich bestmöglich in die Gesellschaft zu integrieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die Schulen über angemessene Ressourcen verfügen. Damit meine ich nicht nur quantitative Ressourcen hinsichtlich Lehrkräfte sondern auch finanzielle Mittel in ausreichendem Maß. Außerdem müssen wir uns um die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung, und weitergehend auch der Lehrerfortbildung, kümmern. Damit wir unser Augenmerk in integrierter und nachhaltiger Weise auf die Migrantenkinder richten können, brauchen wir eine umfassende Herangehensweise an die Problematik. Darüber hinaus sind besondere Investitionsanstrengungen und zusätzliche Ressourcen für die Lehrerausbildung und das gesamte Bildungssystem erforderlich.
Ich weiß, dass diese Angelegenheit in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt. Aber das Europäische Parlament und die Europäische Union sollten die Mitgliedstaaten durch eine transparente Koordination zum Handeln ermuntern, denn ich glaube, dass wir schließlich alle möchten, dass Migrantenkinder eine gute Erziehung erhalten und in der Lage sind, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Auf diese Weise können wir den bedauernswerten Trend zur sozialen Ausgrenzung vermeiden, den wir heute bei vielen Migrantenkindern beobachten müssen. Tatsache ist, dass dies oft in die Arbeitslosigkeit und schlimmer noch, neben einer Vielzahl weiterer unerwünschter Folgen, in die Kriminalität führt.
Ein weiterer Grund zur Besorgnis aus der Sicht des Prinzips des freien Personenverkehrs innerhalb der Europäischen Union ist es, dass Bürger aus den Mitgliedstaaten der EU nicht unbedingt den Wunsch verspüren, in ein anderes Land zu ziehen oder im Ausland zu arbeiten, wenn es unmöglich ist, für die Kinder im Zielland eine anständige und gute Schulausbildung und ein gut ausgebildetes pädagogisches Personal zur Verfügung zu haben. Daher müssen wir dieser Angelegenheit unsere Aufmerksamkeit widmen und sicherstellen, dass in jedem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein adäquates und qualitativ hochwertiges Bildungssystem für jedes Kind und jeden jungen Menschen vorhanden ist.
Kinder und junge Menschen sind unsere Zukunft - sie sind unser höchstes Gut. Das Motto lautet „Heute“, nicht „Morgen“. Daher hoffe ich, dass wir in der Europäischen Union in der Lage sein werden, uns auf das gemeinsame Prinzip zu einigen, wonach jedes Kind das Recht auf ein integriertes, sicheres Morgen hat und auf eine gute Bildung.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. – (DE) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße diesen Initiativbericht und möchte mich vor allem auch im Namen meines Kollegen Ján Figel' bei dem Berichterstatter, Hannu Takkula, und dem Kulturausschuss für die Arbeit bedanken.
Die Europäische Kommission glaubt, wie Sie, Herr Abgeordneter, dass die Mehrheit unserer Mitgliedstaaten aufgrund der zunehmenden Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund vor erheblichen Herausforderungen hinsichtlich ihrer Bildungssysteme steht.
Bildung ist das zentrale Problem im Integrationsprozess. Die Aneignung von Qualifikationen ist unentbehrlich, will man die Zukunft unserer Bürger in einer Wissensgesellschaft sichern, einer Gesellschaft, die mehr und mehr dem Wettbewerb unterliegt. Aber ebenso wichtig ist es, dass die Schule als soziales Experiment die Grundlage für ein beidseitiges Wissen und ein gegenseitiges Verständnis bietet, die für die Verbesserung unseres Zusammenlebens von entscheidender Bedeutung ist.
Allerdings existieren im Moment große Probleme für Schüler mit Migrationshintergrund in Europa. Migrantenkinder begegnen häufig einer doppelten Herausforderung: einerseits die unzureichenden Sprachkenntnisse des Gastlandes, andererseits ein niedriger sozioökonomischer Status. Viele Migrantenkinder weisen verglichen mit einheimischen Schülern schlechtere Schulleistungen auf, höhere Schulabbrecherraten und niedrigere Einschreibungsraten bei Hochschulen.
Der Bericht betont deshalb mit Recht, wie wichtig es ist, das Erlernen der Sprache des Aufnahmelands angemessen zu unterstützen, aber gleichzeitig eben auch die Muttersprache und die Kultur des Migrantenkindes zu fördern. Die Teilnahme an Vorschulerziehung ist ebenso bedeutend, um eine erfolgreiche, frühe Integration in die Bildungssysteme zu erreichen und um sozio-ökonomische und sprachliche Nachteile abzubauen. Lehrer sollten auf jeden Fall über die notwendigen Qualifikationen verfügen, die für ein multikulturelles Umfeld von Bedeutung sind. Dabei sollte auch die Mobilität ein wesentlicher Bestandteil der Lehrerausbildung und -fortbildung sein.
Es freut mich sehr, dass hinsichtlich dieser Fragen eine so große Übereinstimmung besteht. Ich denke, wir stimmen auch darin überein, dass es jetzt darauf ankommt, die guten Absichten umzusetzen und tatsächlich die Bildungschancen von Migrantenkindern zu verbessern. Daher wollen wir die Mitgliedstaaten unterstützen, um eine hohe Bildungsqualität für alle zu sichern und gleichzeitig aktiv die sozio-ökonomische Segregation von Schülern zu verhindern. Wir wollen die Mitgliedstaaten unterstützen, damit sie die Schulen befähigen, die vielfältigen Anforderungen zu meistern, so dass die ursprüngliche Herausforderung von multikultureller Gesellschaft und Vielsprachigkeit zu einem Vorteil dieser Schulen wird.
Natürlich sind die Inhalte und die Organisation der Schulsysteme eine rein nationale Kompetenz und die Kommission hat auch nicht die Absicht, in diese Kompetenzen in irgendeiner Weise einzugreifen. Ich muss aber auch sagen, dass die erfolgreiche Integration von Migrantenkindern Europa insgesamt betrifft. Wir haben viel voneinander zu lernen, und wir können viel voneinander lernen. Wir sind sicher, dass Ihr Bericht einen wichtigen Schritt darstellt, um aufzuzeigen, was tatsächlich konkret geschehen kann, um die Mitgliedstaaten in diesem Bereich zu unterstützen.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Nicodim Bulzesc (PPE-DE), schriftlich. – Die Themen Bildung und Migration stehen in engem Bezug zueinander, denn sowohl die Migration innerhalb der Europäischen Union als auch die Einwanderung in die EU haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Dabei gibt es eine Reihe von Aspekten, die wir künftig aufmerksamer beachten sollten.
Ich pflichte auch der Ansicht bei, dass die Richtlinie 77/486/EG veraltet ist. Machen wir uns klar, dass diese Richtlinie aus dem Jahr 1977 stammt, und seither hat sich die Europäische Union stets weiter verändert. Als Beispiel sei lediglich angemerkt, dass mein Land (Rumänien) der EU mehr als 20 Jahre später beigetreten ist, und mein Eindruck ist, dass diese Richtlinie keine Lösung für unsere Probleme liefert. Die mit der Migration verbundenen Probleme haben sich im Verlauf der letzten Jahre dramatisch verschärft, und ich unterstütze die Anregung von Hannu Takkula zur Novellierung dieser Richtlinie. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und vorschlagen, eine neue Richtlinie zu erarbeiten, die sich mit der Bildung von Migrantenkindern befasst.
Corina Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Die steigenden Migrationszahlen in der EU, auch EU-intern, haben unter kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten eine Reihe bedeutender Auswirkungen. In dieser Hinsicht ist es von erheblicher Bedeutung, Migranten Chancengleichheit zu garantieren und eine größere Aufmerksamkeit auf die Bekämpfung der Diskriminierung der Migranten zu richten. Diesbezüglich spricht die Situation der Roma, deren Probleme einen Fall für sich darstellen und deren Ausmaß eigene Dimensionen erreicht, für sich selbst.
Ich möchte auch die Aufmerksamkeit auf die Implikationen der Arbeitskräftemobilität richten. Die Kinder derjenigen, die eine Arbeit im Ausland aufnehmen, erfahren oftmals Schwierigkeiten bei der Integration in das ausländische Bildungswesen.
Aus diesem Grund kann die Förderung einer frühestmöglichen Integration der Kinder ausschlaggebend sein zur Verhinderung der Gettoisierung von Migranten. Dies um so mehr als bereits festgestellt wurde, dass das Bildungsniveau und die soziale und wirtschaftliche Situation von Migrantenkindern schlechter sind als bei anderen Kindern. Daher wäre ein Impuls in diesem Bereich wichtig. Je besser die Bedingungen sind, die Migrantenkindern geboten werden, um sich so schnell wie möglich in die ausländische Bildungsumgebung zu integrieren, desto größer sind ihre Erfolgschancen auf ihrem Bildungsweg und auf dem Arbeitsmarkt.
Dies bedeutet zugleich jedoch nicht, dass diese Kinder durch das Erlernen der Sprache des Gastlandes und das Anpassen an die örtlichen Gegebenheiten ihr eigenes kulturelles Erbe aufgeben müssen.
Gabriela Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Eines der Grundprinzipien der Europäischen Union ist die Personenfreizügigkeit, die es den Bürgern erlaubt, in einem anderen Land zu arbeiten, zu studieren oder in ein anderes Land zu reisen. Es ist wichtig für uns, die soziale Integration interner Migranten als eine Verantwortung aufzufassen, die die Gesellschaft als Ganzes betrifft. Die Bildung von Migrantenkindern ist ein Schritt in diese Richtung.
Die Thematik der Bildung von Migrantenkindern muss unter dem Blickwinkel betrachtet werden, wie das alltägliche Funktionieren der europäischen Gesellschaft und ihre kulturelle Bereicherung weiter verbessert werden können. Mit dieser Vorstellung im Kopf denke ich muss eine Kooperation zwischen Gastland und Herkunftsland etabliert werden, wobei das Herkunftsland aktiv in den Erhalt der Muttersprache und der Heimatkultur einzubeziehen ist.
Wir unterstützen die Einführung der Muttersprache der Einwanderer als zweite Fremdsprache in die Lehrpläne des Gastlandes dort, wo unter der Bevölkerung ein hoher Einwandereranteil besteht. Eine Möglichkeit sicherzustellen, dass Migrantenkinder mit der Kultur ihres Herkunftslandes in Kontakt bleiben und die Erfahrungen aus der Einwanderungssituation weitervermittelt werden, besteht in der Rekrutierung von Lehrpersonal aus den Reihen der betreffenden Einwandererbevölkerung.
Ioan Lucian Hămbăşan (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Das Grünbuch der Kommission gab Anlass zu einer Reihe von Fragen über eines der Hauptprobleme, mit denen Mitgliedstaaten derzeit konfrontiert sind: die Bildung der Kinder von Migranten. Es gibt eine große Anzahl rumänischer Kinder, die mit ihren Familien in anderen Mitgliedstaaten leben. Dabei ist es wichtig für sie, ihre Identität bewahren zu können und die Chance zu erhalten, sowohl die Sprache des Landes in dem sie leben zu erlernen als auch die Muttersprache weiterzuentwickeln. Wir müssen Toleranz und gegenseitiges Verständnis fördern, und gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, dass Bildung auch in der Muttersprache der Migranten stattfinden kann. Diese Kinder müssen die gleichen Rechte haben wie andere Kinder. Es ist wohl bekannt, dass ihre prekäre wirtschaftliche Situation in die Isolation, zum Abbrechen der Schule und zu Gewalt führen kann. Genau deshalb müssen wir die Mitgliedstaaten bei der Suche nach Lösungen unterstützen. Kinder sind unsere wertvollste Ressource. Sie verkörpern die Zukunft unserer Gesellschaft, ganz egal welcher Herkunft sie sind.
22. Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (kurze Darstellung)
Der Präsident. – Als nächster Tagesordnungspunkt folgt eine kurze Darstellung des Berichts (A6-0186/2009) von Adina-Ioana Vălean im Namen des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zur Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (2008/2184(INI)).
Adina-Ioana Vălean, Berichterstatterin. − Herr Präsident, von all den Grundrechten, die den Unionsbürgern zustehen, ist das Recht auf den freien Personenverkehr innerhalb der Europäischen Union dasjenige, das am meisten zu unserem Zusammenwachsen beiträgt.
Dieses in den europäischen Verträgen garantierte Recht wird mit der Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt, die sowohl die Bedingungen als auch die Beschränkungen für die Unionsbürger und ihren Familienangehörigen, sich innerhalb der EU frei zu bewegen und aufzuhalten, regelt.
Zum Stichtag 1. Januar 2006 haben bereits mehr als 8 Millionen Unionsbürger dieses Recht in Anspruch genommen, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, und Millionen weitere haben die Möglichkeiten zum ungehinderten Reisen in der EU genutzt.
In meiner Eigenschaft als Berichterstatterin für das Europäische Parlament zur Evaluierung dieser Richtlinie muss ich sagen, dass die konkrete Umsetzung des Rechts auf freien Personenverkehr für unsere Bürger von Mitgliedstaaten ernsthaft unterlaufen wird, die unter Verletzung der europäischen Verträge und dieser Richtlinie Abwehrmechanismen entwickelt haben.
Erstens, bei Betrachtung der Richtlinienumsetzung durch Mitgliedstaaten kann gesagt werden, dass diese allenfalls auf schlechte Weise erfolgte. Die Kommission, in Übereinstimmung mit zwei getrennten, vom Parlament in Auftrag gegebenen Studien, weist auf eine Reihe von Problemen hin, von denen einige als Verletzungen von Grundrechten der Unionsbürger zu bewerten sind. Diese Probleme sind in meinem Bericht hervorgehoben.
Dabei handelt es sich um viele ungerechtfertigte administrative Hürden, insbesondere für Familienangehörige, die aus einem Drittland stammen. Dazu zählen: bestimmte Einreiseerfordernisse und langwierige Verfahrensweisen; Versagen des Personenfreizügigkeitsrechts für bestimmte, zivilrechtlich registrierte Partner, einschließlich solcher, die Teil einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft sind; ökonomisch oder sicherheitspolitisch begründete Ausnahmeregelungen, die das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzen und zu missbräuchlichen Abschiebeanordnungen führen; sowie Diskriminierung von Angehörigen bestimmter Staaten oder ethnischer Gruppen in Bezug auf die Rechte, die ihnen entsprechend der Richtlinie zustehen.
Zweitens, denjenigen, die ihr Augenmerk ausschließlich auf den Missbrauchsaspekt dieses Rechts richten, pflichte ich insoweit bei, als dass dieser Aspekt ein schwerwiegendes Problem darstellt. Aber ich sage auch, dass Artikel 35 der Richtlinie den Mitgliedstaaten bereits jetzt die Möglichkeit zur Bekämpfung solcher Missbrauchsfälle gibt: beispielsweise im Fall von Gefälligkeits- oder Scheinehen. Diese Instrumente müssen lediglich genutzt werden.
Ich möchte außerdem erwähnen, dass ich konstruktiv mit nationalen Parlamenten, der Kommission und dem Rechtsausschuss sowie Monica Frassoni zusammengearbeitet habe, die alle meine Bedenken bezüglich der vorgenannten Umsetzungsprobleme teilen und mit mir der Ansicht sind, dass alle Parteien an der sofortigen Lösung dieser Probleme mitarbeiten sollten.
Mein Bericht fordert außerdem eine Reihe von Maßnahmen, die auf das Finden geeigneter Lösungen abzielen. Einer der wichtigsten und unmittelbaren Schritte in diesem Sinne ist die Aufforderung an die Kommission zur Ausarbeitung umfassender Umsetzungsleitlinien. Diese Leitlinien könnten dazu dienen, Klarheit zu schaffen für die Auslegung solcher Begriffe wie „ausreichende Ressourcen“ oder „öffentliche Sicherheit“. Sobald solche Leitlinien erstellt sind, obliegt deren Umsetzung – möglichst bis Ende 2009 – den Mitgliedstaaten.
Diskriminierende Übergangsvereinbarungen, die die Bewegungsfreizügigkeit von Arbeitnehmern aus Mitgliedstaaten, die nach 2004 der EU beigetreten sind, einschränken, müssen nun endlich aufgehoben oder neu gefasst werden.
Für lokale Integrationsmaßnahmen, die sich an Unionsbürger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat richten, müssen mehr Finanzmittel bereitgestellt werden. Und schließlich darf die Kommission nicht zögern, Strafverfahren gegen solche Mitgliedstaaten einzuleiten, die gegen die Richtlinie verstoßen.
Wir müssen erkennen, dass endlich alle Mitgliedstaaten die Richtlinie korrekt anwenden und in ihre Rechtspraxis übertragen müssen, damit diese Probleme zweckmäßig gelöst werden. Kein Mitgliedstaat sollte versuchen, sich in Bezug auf die Personenfreizügigkeit um seine Pflichten zu drücken, indem er nach einer Revision der Richtlinie ruft mit dem Ziel, diese aufzuweichen. Das Europäische Parlament ist strikt gegen eine solche Revision und dankt der Kommission dafür, dass sie sich dieser Position anschließt.
Es ist an der Zeit, dass die Mitgliedstaaten und der Rat dafür sorgen, dass Europa nicht nur den freien Verkehr von Kapital, Dienstleistungen und Waren ermöglicht, sondern auch die Freizügigkeit seiner Bürger. Ohne diese Personenfreizügigkeit ist Europa nicht möglich.
Lassen Sie mich meine Ausführungen mit der Bemerkung schließen, dass ich einer Anmerkung in meinem Bericht einen überarbeiteten mündlichen Änderungsantrag hinzufügen werde. Damit möchte ich all denjenigen die Rechtfertigungsbasis entziehen, gegen meinen Bericht zu stimmen, die die Personenfreizügigkeit aus nationalistischen, rassistischen oder fremdenfeindlichen Beweggründen heraus ablehnen, dies aber nicht offen zugeben möchten.
Mit der morgigen namentlichen Abstimmung wird sich erweisen, wer Europa und die Unionsbürgerschaft, den freien Personenverkehr und die Bürgerrechte vorbehaltlos unterstützt und wer nicht.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. – (DE) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen, Frau Berichterstatterin, wirklich aufrichtig für einen bemerkenswerten Bericht danken, und ich möchte Ihnen auch danken für die ausgezeichnete konstruktive Zusammenarbeit in einem sehr schwierigen und sensiblen Bereich.
Der freie Personenverkehr ist eine der fundamentalsten Freiheiten im europäischen Binnenmarkt. Der freie Personenverkehr begründet das Funktionieren des Binnenmarktes und begründet damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Man muss ganz klar sehen, dass Mängel bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich tatsächlich einen Verstoß gegen die elementaren Grundsätze bedeuten, die das Fundament Europas bilden. Es handelt sich also um eine absolut zentrale Frage.
Ich begrüße deshalb den Bericht, der den am 10. Dezember 2008 angenommenen Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG ergänzt. Ich freue mich, dass praktisch alle Ergebnisse des Berichts des Europäischen Parlaments mit den Ergebnissen des Berichts der Kommission übereinstimmen.
Ich denke, wir haben nun ein vollständiges Bild von der Umsetzung und der Anwendung der Richtlinie in den Mitgliedsländern vor Ort und ich meine, dass jetzt die Zeit gekommen ist, tatsächlich zu handeln. In dem Bericht wird herausgestellt – völlig zu Recht – dass die Zuständigkeit für die ordnungsgemäße Umsetzung und Anwendung der Richtlinie bei den Mitgliedstaaten liegt. Allerdings wird die Kommission aufgefordert, in bestimmten Bereichen tätig zu werden. Lassen Sie mich daher erläutern, wo die Kommission in diesem Zusammenhang ihre unmittelbaren Prioritäten sieht.
Die Kommission legt großen Wert darauf, dass die Richtlinie vollständig und korrekt angewendet wird. Es ist eine der Prioritäten des 25. Jahresberichts der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts 2009.
Die Kommission wird auch weiterhin Anstrengungen unternehmen, um zu gewährleisten, dass die Richtlinie in der gesamten Union einwandfrei umgesetzt und angewandt wird. In den kommenden Monaten werden wir bilaterale Treffen mit den Mitgliedstaaten durchführen, um die äußerst zahlreichen Fälle fehlerhafter Umsetzung und Anwendung zu besprechen. Sollten sich keine zufriedenstellenden Fortschritte erzielen lassen, wird die Kommission nicht zögern, unverzüglich Vertragsverletzungsverfahren gegen die betroffenen Mitgliedstaaten einzuleiten.
Die Kommission beabsichtigt, sowohl den Mitgliedstaaten als auch den Bürgerinnen und Bürgern selbst, Information und Hilfe anzubieten. Das soll z. B. dadurch geschehen, dass Leitlinien zu einer Reihe von Fragen herausgegeben werden, die sich bei der Umsetzung oder Anwendung der Richtlinie als problematisch erwiesen haben, beispielsweise die Frage der Ausweisung und die Bekämpfung von Missbräuchen. In den Leitlinien werden auch solche Themen behandelt werden, die in dem Bericht des Parlaments als schwierig erkannt sind.
Die Kommission wird auf technischer Ebene in den Sachverständigengruppen weiter mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um Schwierigkeiten zu definieren und Fragen der Auslegung der Richtlinie zu klären.
Hier muss ich allerdings sagen, Frau Abgeordnete, dass sich die Kommission dem Vorschlag Nr. 23 nicht anschließen kann. Der Vorschlag Nr. 23 sieht vor, dass Sachverständigenteams Besuche vor Ort durchführen sollen und dass aufgrund dieser Besuche ein gegenseitiges Bewertungssystem eingeführt werden soll. Ich muss Sie darauf hinweisen, dass solche gegenseitigen Überprüfungen gewöhnlich im Rahmen der dritten Säule durchgeführt werden, nicht aber innerhalb des Gemeinschaftsrechts. Rechts- und Verwaltungstraditionen und Lösungen, die von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie gewählt wurden, bedeuten, dass der Mehrwert solcher Überprüfungen voraussichtlich ziemlich begrenzt sein wird. Denn, wie Sie wissen, den Mitgliedstaaten steht die Wahl der Form und der Mittel zur Umsetzung von Richtlinien frei.
Die Kommission wird allerdings der Verbreitung von Informationen über die Richtlinie weiter besondere Beachtung schenken, sie wird einen aktualisierten und vereinfachten Leitfaden an die EU-Bürger verteilen und das Internet zur Informationsverbreitung nutzen. Außerdem wird sie die Mitgliedstaaten dazu anhalten und sie dabei auch unterstützen, die Bürger mittels Sensibilisierungskampagnen über ihre Rechte zu informieren.
Lassen Sie mich feststellen, dass die Kommission bereit ist, den weitaus meisten der im Bericht des Parlaments enthaltenen Vorschläge nachzukommen. Ich möchte dem Europäischen Parlament für seine Unterstützung und seine Anregungen danken, wie gewährleistet werden kann, dass diese wichtige Richtlinie korrekt angewandt wird, eine Richtlinie, bei der es um nichts weniger geht, als die korrekte Anbindung einer der vier Grundfreiheiten innerhalb der europäischen Integration.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Alin Antochi (PSE), schriftlich. – (RO) Ich unterstütze in vollem Umfang den Bericht von Adina-Ioana Vălean über die praktische Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG. Dies um so mehr als die jüngsten Ereignisse, die sich in einigen Mitgliedstaaten ereigneten, die eklatante Verletzung einer der vier Grundfreiheiten haben deutlich werden lassen, insbesondere das Recht der Bürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
Des Weiteren hat die ineffektive Übertragung bzw. sogar Nichtübertragung dieser Richtlinie in das nationale Recht von Mitgliedstaaten zu einer Reihe missbräuchlicher Praktiken in Form bestimmter administrativer Formalitäten und der restriktiven Auslegung rechtlicher Bestimmungen geführt, die sich auf den Rechtsbegriff des „unerlaubten Aufenthalts“ konzentriert, was in ungerechtfertigten Festnahmen und Ausweisungen europäischer Bürger gipfelte. Allerdings besteht die Lösung des Problems nicht darin, Grenzen zu schließen sondern vielmehr in der Suche nach konkreten Maßnahmen, die die Integration von Bürgern in die Vielfältigkeit europäischer Gesellschaften ermöglicht.
Ich glaube, dass der soeben besprochene Bericht einen bedeutenden Beitrag zur Überwachung der Umsetzung der in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen liefern wird, wenn die Mitgliedstaaten und die Kommission diesbezüglich erfolgreich kooperieren.
Gegenwärtig wünscht sich jeder Bürger Europas, in einer Europäischen Union zu leben, in der fundamentale Werte wie die Personenfreizügigkeit geachtet werden. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass wir zur Erreichung dieses Ziels alle unseren eigenen Beitrag leisten müssen.
23. Die Gesundheitsproblematik in Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern (kurze Darstellung)
Der Präsident. – Der nächste Punkt umfasst eine kurze Darstellung des Berichts (A6-0089/2009) von Frédérique Ries im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über Gesundheitsbedenken im Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern (2008/2211(INI)).
Frédérique Ries, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident, bevor ich zur Sache komme, möchte ich gerne, wenn Sie erlauben, ein Wort zur Form anbringen. Ich bin nicht die Erste und werde sicherlich auch nicht die Letzte sein, die sich gegen Artikel 45 der Geschäftsordnung ausspricht, der heute Abend die Aussprache über ein Thema verhindert, das dessen ungeachtet doch ein wichtiges Problem darstellt für die Menschen in Europa.
Keine Aussprache, keine Sprecher für die Fraktionen, nichts. Ich möchte daher trotz allem den Kolleginnen und Kollegen Ayala, Lucas, Adamou, Sinnott, Ferreira und auch van Nistelrooij danken – obwohl ich bedauerlicherweise feststellen muss, dass sie nicht anwesend sind – und die ohne Plenum sind, einem praktisch leeren Plenum um fast 23.00 Uhr. Auch nicht schlecht ist die Idee, dieses Thema um 23.00 Uhr anzusetzen, das doch immerhin viele Bürger in Europa interessiert und Millionen Menschen betrifft.
Nun aber zur Sache. Zehn Jahre lang hat unser Parlament dieses Thema nicht aufgegriffen. Es wurde also Zeit, denn 10 Jahre sind eine Ewigkeit, zumindest eine Ewigkeit, wenn es um neue Technologien geht: ein Boom bei den Drahtlos-Geräten, Mobiltelefonen, WiFi, Bluetooth, Basisstationen, Hochspannungsleitungen. Diese Funkwellen umgeben uns überall. Sie bringen uns unbestreitbaren Nutzen, den ich in diesem Bericht nicht im Geringsten in Frage stelle. Es muss aber auch gesagt werden, dass diese Funkwellen Anlass zu ernsten Fragen hinsichtlich deren Auswirkungen auf unsere Gesundheit geben.
Lassen Sie uns also klar feststellen, dass es sich bei diesem Thema, über das ich diesen Bericht zu erstellen hatte, um ein etwas heikles Thema handelt: verbunden mit stetig steigenden Kontroversen über die Gesundheitsrisiken dieser Niedrigfrequenzwellen und der zusätzlichen Unfähigkeit der Wissenschaftler, diesbezüglich zu einer einheitlichen Meinung zu kommen.
Hier nun also einige Beispiele dieser ehrgeizigen Vorschläge, die – so meine Hoffnung – morgen Unterstützung finden werden: Schutz sensibler Bereiche, in denen sich Menschen aufhalten, deren Gesundheit durch die elektromagnetischen Felder besonderen Risiken ausgesetzt sein könnte. Dies trifft insbesondere zu auf Schulen, Kindertagesstätten, Seniorenheime sowie Pflege- und Gesundheitseinrichtungen.
Darüber hinaus spielen diesbezüglich auch ethische Aspekte eine Rolle, und wir müssen Verfahrensweisen definieren, welche die Unabhängigkeit wissenschaftlicher Forschung und gutachterlicher Stellungnahmen sicherstellen. Wir müssen uns außerdem um eine Änderung der Verhaltensgewohnheiten im Umgang mit Mobiltelefonen bemühen: beispielsweise durch die Sensibilisierung für den Gebrauch von Kopfhörern beim Telefonieren mit Handys, die Eindämmung des Gebrauchs von Mobiltelefonen durch Kinder und Jugendliche, und deren Instruierung in der Verwendung sicherer Techniken. Weitere Maßnahmen wären die Überwachung bestimmter Marketingkampagnen und die Ermunterung von Mobilfunkbetreibern und Elektrizitätsunternehmen zur gemeinschaftlichen Nutzung von Basisstationen und Sendemasten.
Eines tut mir nun jedoch Leid – und dies ist wichtig, weil es den Eingangsabsatz meines Berichts betrifft, in dem eine Überprüfung der Emissionsgrenzwerte verlangt wird. Dieser Teil wurde von meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit nicht unterstützt, obwohl – und ich muss dies hier betonen – der gleiche Text Wort für Wort in unserer Plenarsitzung vom 2. September letzten Jahres nahezu einhellige Zustimmung erfuhr, bei der es um einen anderen Bericht zum Europäischen Aktionsplan Umwelt und Gesundheit 2004-2010 ging.
Die gegenwärtige Haltung der Kommission, den Kopf in den Sand zu stecken – bitte entschuldigen Sie diese Redewendung, Kommissar Verheugen – trägt sicher nicht zu der Klarheit bei, die die europäischen Bürger erwarten. Ganz im Gegenteil streiten sich die Experten weiterhin, während bei den Gerichten immer mehr Klagen eingereicht werden, bei denen mal zugunsten der Mobilfunkbetreiber und mal zugunsten der klagenden Anwohner entschieden wird.
Daraus schließe ich: Es ist ein Status-Quo-Ansatz, den die Weltgesundheitsorganisation WHO und auch die Kommission betreibt, mit einer Rendezvous-Klausel für 2015 – und damit praktisch ins nächste Jahrzehnt verschoben – um zu überprüfen, ob die kontinuierliche Exposition gegenüber einem solchen Cocktail niederfrequenter Wellen Krebsgeschwüre verursacht oder nicht. Dieser Ansatz ist daher nicht der richtige. Es erscheint mir leichtfertig, und ich hoffe von ganzem Herzen, dass wir uns in der Zukunft, wenn sich Befürchtungen über potenzielle Gesundheitsrisiken bestätigen sollten, nicht einmal sagen lassen müssen, dass unser Nichthandeln schuld sei.
Das Prinzip der Vorbeugung, das unseren Vorschlag leitet, ist nicht ein Prinzip der Untätigkeit sondern ein Prinzip des Handelns und der Sachkenntnis, um Unsicherheit zu reduzieren. Es ist dieser dynamische und progressive Ansatz, den wir heute bei dieser sensiblen Problematik der elektromagnetischen Wellen vertreten. Daher hat die von der Grüne/EFA-Fraktion eingebrachte Alternativ-Entschließung meine volle Unterstützung – ich muss dies ganz deutlich sagen. Diese Entschließung, lassen Sie mich dies anfügen, kommt zurück auf meinen ursprünglichen Vorschlag zur Reduzierung der Emissionsgrenzwerte, wie dies bereits von neun Mitgliedstaaten und einer ganzen Reihe von Regionen (von denen sich zwei – nämlich die Regionen Wallonien und Brüssel – ganz in meiner Nähe befinden) praktiziert wird. Das bedeutet konkret, es sind drei Voltmeter zugelassen und nicht 41 Voltmeter, wie dies derzeit nach der Empfehlung von 1999 noch erlaubt ist.
Dessen ungeachtet bin ich die Berichterstatterin für das Europäische Parlament in dieser Angelegenheit, und ich möchte vor allem die anderen in diesem Bericht erzielten Fortschritte erhalten, wie sie vom Ausschuss angenommen worden sind. Diese letzteren sind es selbstverständlich, um deren Zustimmung ich sie bei der morgigen Abstimmung bitten möchte.
Abschließend, Herr Präsident, Kommissar Verheugen, möchte ich zwei Botschaften vermitteln. Die Problematik der elektromagnetischen Wellen und ihrer Auswirkungen ist nach wie vor offen, und ich bin überzeugt, dass das nächste Europäische Parlament sich dieses Themas wieder annehmen wird. Europa muss seinen Bürgern hier ein sicheres Gefühl vermitteln und aktiv in die Debatte ergreifen, die derzeit ausschließlich in den Gerichtssälen geführt wird.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. – (DE) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Europäischen Parlament und ganz besonders Ihnen, Frau Ries, als Berichterstatterin für diesen Initiativbericht über elektromagnetische Felder sehr herzlich danken.
In der Tat ist das ein Thema – elektromagnetische Felder –, das für viele europäische Bürger sehr kontrovers ist, für viele aber auch wirklich sehr wichtig, auch für uns.
Aufgrund seiner Komplexität und aufgrund der starken Gefühle, die diese Frage hervorruft, ist es ganz besonders wichtig, ganz genau die Fakten zu sammeln und sie sorgfältig, angemessen und objektiv zu bewerten.
Aus diesem Grund verfolgt die Kommission dieses Thema ständig und sehr aufmerksam, wie es auch ihr Auftrag entsprechend der Empfehlung des Rates 1999/519 ist.
Die Kommission holt deshalb regelmäßig bei den unabhängigen wissenschaftlichen Ausschüssen Informationen ein, um bei der Frage möglicher Gefahrenquellen bei elektromagnetischen Feldern auf dem neuesten Stand zu sein. Die jüngste so genannte SCENIHR-Stellungnahme – also die Stellungnahme des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses – zu diesem Thema wurde erst im Januar dieses Jahres angenommen.
Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass die Kommission die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten sowie die jüngsten Gerichtsurteile gegen Mobilfunkunternehmen in Frankreich mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgt und die Senkung von Expositionsgrenzwerten für Basisstationen in der Region Brüssel-Hauptstadt sehr genau beobachtet.
Ich kann dem Parlament versichern, dass sich die Kommission den in der Entschließung vorgebrachten Forderungen mit großer Sorgfalt annehmen wird.
Lassen Sie mich noch auf einige Punkte kurz eingehen:
Erstens: Auf EU-Ebene existiert bereits ein Rahmen, in dem Expositionsgrenzwerte und Produktionsnormen sowie ein definiertes Schutzniveau in Bezug auf bekannte Auswirkungen festgelegt sind.
Zweitens: Die bisherigen unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchungen rechtfertigen eine Änderung der wissenschaftlichen Grundlage dieser Expositionsgrenzwerte nicht.
Die Kommission wird auch weiterhin den wissenschaftlichen Erkenntnisstand auf diesem Gebiet genau verfolgen um festzustellen, ob Anpassungen der Expositionsgrenzwerte notwendig sind.
Drittens: Die Kommission sieht es als ihre Aufgabe an, den Dialog mit Interessensgruppen über potenzielle Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die Gesundheit zu verstärken. Darüber hinaus ist es der Kommission ein Bedürfnis, mit den wichtigsten Akteuren zusammenzuarbeiten, damit angemessen auf die Sorgen der Öffentlichkeit reagiert werden kann.
Ich möchte ganz eindeutig unser Bestreben hervorheben, auch die Forschung auf diesem Feld zur Klärung noch bestehender Unsicherheiten zu fördern.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Véronique Mathieu (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Wir müssen anerkennen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur wenig verlässliche und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen magnetischer Felder auf den menschlichen Körper vorliegen. Dessen ungeachtet sind sie Teil unseres alltäglichen Lebens (Mobiltelefone, Drahtlostechnologie), und 80 % der Bürger sind der Ansicht, dass sie nicht über ausreichende Informationen zu möglichen Auswirkungen dieser Technik verfügen. Von diesen äußern sich wiederum 50 % besorgt.
Bis jetzt konnte die Wissenschaftsgemeinde lediglich geteilte, und manchmal auch widersprüchliche Ansichten von sich geben. Und die offiziellen Stellen haben sich dieses Problems noch nicht wirklich angenommen. Ich unterstütze diesen Bericht daher in vollem Umfang. Er ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, ihre Grenzwerte für die elektromagnetischen Felder regelmäßig zu überprüfen, und empfiehlt entsprechend dem Prinzip der Vorbeugung ein Installationsverbot von Mobilfunkantennen in sensiblen Bereichen (in der Nähe von Schulen und Gesundheitseinrichtungen).
Ich spreche mich außerdem dafür aus, dass die Europäische Kommission eine wissenschaftliche Studie mit der Zielsetzung in Auftrag gibt, die Auswirkungen der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern besser beurteilen zu können. Öffentliche Stellen, Hersteller und Verbraucher müssen genaue Informationen erhalten, um mögliche Risiken einschätzen und, soweit erforderlich, die angemessenen Vorkehrungen treffen zu können. Weiterhin ist es wichtig, Empfehlungen zu formulieren, die auf guten Praktiken basieren, damit die Gesundheit der Bürger besser geschützt werden kann, egal ob sie Benutzer bestimmter Geräte sind oder Anwohner von Basisstationen oder Hochspannungsleitungen.
24. Probleme und Perspektiven der Unionsbürgerschaft (kurze Darstellung)
Der Präsident. – Der nächste Punkt umfasst eine kurze Darstellung des Berichts (A6-0182/2009) von Urszula Gacek, im Namen des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zu den Problemen und Aussichten bezüglich der Unionsbürgerschaft (2008/2234(INI)).
Urszula Gacek, Berichterstatterin. − Herr Präsident, es ist mir eine Freude, den Bericht bezüglich der Probleme und Perspektiven im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft vorzustellen, der letzten Monat vom Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres einstimmig angenommen wurde.
Die Unionsbürgerschaft ersetzt nicht die Staatsbürgerschaft der Mitgliedstaaten. Es handelt sich vielmehr um einen zusätzlichen Bonus, der den EU-Bürgern einzigartige Rechte gewährt. Dazu zählen insbesondere das Recht auf den freien Personenverkehr, das Recht auf konsularischen Schutz sowie das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten zu richten. Der Bericht des Parlaments berücksichtigt den fünften Bericht der Kommission zur Unionsbürgerschaft für den Zeitraum 1. Mai 2004 bis 30. Juni 2007. Dieser Berichtszeitraum fällt in die Zeit bedeutender Ereignisse. Vor fünf Jahren, am 1. Mai 2004 traten 10 weitere Staaten der Europäischen Union bei. Das Ergebnis dieser Beitrittswelle, insbesondere von Staaten Mittel- und Osteuropas, war eine bislang in einem solchen Ausmaß noch nicht dagewesene Migration innerhalb der Union. Die neuen Bürger der Europäischen Union nahmen bereitwillig die ihnen zugestandenen Rechte an, insbesondere das Personenfreizügigkeitsrecht. Sie konnten die Möglichkeiten zur Ausbildung im Ausland nutzen und konnten in denjenigen Ländern, die ihnen den Arbeitsmarkt öffneten, auf legale Weise Arbeit aufnehmen.
An die Gastländer stellt dieses Ausmaß an Migration jedoch viele Herausforderungen, mit denen sowohl die nationalen als auch die lokalen Behörden in diesen Ländern konfrontiert sind. Insbesondere staatliche Stellen auf lokaler Ebene, die für die Bereitstellung von Dienstleistungen wie Wohnraumvermittlung, Gesundheit sowie die Schulen der Primar- und Sekundarstufe zuständig sind, sind oftmals mit den alltäglichen Problemen der Neubürger konfrontiert.
Für die Integration ist viel getan worden – einschließlich der Gewährung von Hilfestellungen, damit auch die Neuankömmlinge von den gleichen Rechten wie die Bürger ihres Gastlandes profitieren können. Dessen ungeachtet bleiben immer noch einige diskriminierenden Elemente. Manchmal ist dies auf Gesetzeslücken zurückzuführen und manchmal die Folge von Unkenntnis darüber, wie die Gesetze anzuwenden sind.
Der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) zog für seine Arbeit einen sehr konstruktiven und praktischen Ansatz heran. Es bestand parteienübergreifend Einheit darüber, unsere Priorität auf die Beleuchtung der Problembereiche zu legen und Schritte zu deren Lösung zu unternehmen. Zu diesem Zweck sollen den Behörden auf zentraler und lokaler Ebene in den Mitgliedstaaten die erforderlichen Ressourcen und Unterstützung zur Verfügung gestellt werden. Unser Hauptanliegen bestand darin, sicherzustellen, dass der einzelne Bürger in keiner Weise an der Ausübung seiner Rechte gehindert wird.
Das zweite, von mir angeführte Recht auf konsularischen Schutz wird allerdings leider nach wie vor schlecht umgesetzt. Diese Tatsache wurde uns schlagartig zu Bewusstsein gebracht, als sich unsere eigenen Kolleginnen und Kollegen urplötzlich in einer dramatischen Situation wiederfanden, als sich in Mumbai die Terroranschläge ereigneten. Wenn schon MdEP in so einer Extremsituation Probleme hatten bei der Inanspruchnahme des Rechts auf konsularischen Schutz, wie soll es dann erst einem EU-Durchschnittsbürger in weniger spektakulären Situationen ergehen?
Die Sensibilisierung des Bewusstseins der EU-Bürger für ihre Rechte war ein Kernanliegen des gesamten Berichts. In diesem Sinne wird eine Reihe von Maßnahmen für eine bessere Bewusstseinsbildung vorgeschlagen. Wenn sich tatsächlich nur 31 % der Bürger als über ihre Rechte gut informiert bezeichnen, werden wir noch einiges zu tun haben.
Ich gehe davon aus, dass die Kommission die Empfehlungen des Parlaments berücksichtigen wird und in ihrem sechsten Bericht in Bezug auf die erzielten konkreten Fortschritte entsprechende Informationen vorlegen wird. Schließlich möchte ich auch meinen Schattenberichterstattern, den Mitarbeitern der Fraktionen und dem Sekretariat des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres für ihren hervorragenden Einsatz danken. Ein besonderes Wort des Dankes geht an all diejenigen, die an der öffentlichen Anhörung zu diesem Bericht teilnahmen, insbesondere an die Vertreter der NRO. In einem Bericht, der die Unionsbürgerschaft zum Thema hat, ist es durchaus angebracht, dass die Stimme der Bürgerschaft, in Gestalt der NRO, in die Ausgestaltung dieses Abschlussberichts Eingang gefunden hat.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. – (DE) Herr Präsident, sehr geehrte Frau Abgeordnete Gacek! Es scheint ja, dass wir inzwischen ganz alleine hier sind. Im Namen der Kommission möchte ich Ihnen für diesen sehr wichtigen und beeindruckenden Bericht danken und Sie beglückwünschen.
Hier geht es um etwas ganz Wichtiges, nämlich um die Unionsbürgerschaft. Viele glauben ja, dass die Unionsbürgerschaft eine leere Phrase ist und dass sie gar nichts bedeutet. Ihr Bericht macht ganz deutlich, dass das falsch ist. Unionsbürgerschaft ist konkret ausgestaltet durch Rechte, die im Vertrag präzise definiert sind. Ich möchte sie nennen: Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht, aktives und passives Wahlrecht bei Kommunal- und Europawahlen, Recht auf konsularischen Schutz, das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten, das Recht, Beschwerden an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu richten, und das Recht, sich schriftlich an die europäischen Organe zu wenden.
Die Kommission ist der Auffassung, dass es unbedingt an der Zeit ist, die Unionsbürgerschaft zum Thema eines konkreten politischen Programms zu machen. Zu diesem Zweck will die Kommission einen umfassenden Anhörungsprozess durchführen, damit konkrete Informationen über die Probleme der Unionsbürgerschaft gesammelt werden können. Dies könnte zu neuen Vorschlägen führen, die dann die Grundlage des für 2010 vorgesehenen 6. Berichts der Kommission über die Unionsbürgerschaft bilden.
Aber unabhängig davon bemüht sich die Kommission auch in der täglichen Praxis darum und wird sich weiter darum bemühen, dass die Bürger ihre Bürgerrechte tatsächlich ausüben können, und zwar jeden Tag. In einer ganzen Reihe von Bereichen, in denen Ihr Bericht, Frau Abgeordnete Gacek, die Kommission zum Handeln auffordert, ist die Kommission bereits aktiv, um zu gewährleisten, dass diese Rechte gestärkt und ausgeweitet werden. Ich erwähne hier den Aktionsplan der Kommission zum konsularischen Schutz und möchte noch hinzufügen, dass ich Ihre Auffassung vollständig teile, dass dies ein Bereich ist, in dem etwas geschehen muss. Wir hatten ja erst vor wenigen Wochen zu diesem Thema hier in diesem Haus eine höchst aufschlussreiche Debatte, die zeigt, wie groß die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit gerade bei den konsularischen Rechten ist.
Die Kommission hat veranlasst, dass die Bürger durch Informationskampagnen über ihre Rechte aufgeklärt werden, und sie bemüht sich, dafür zu sorgen, dass die tatsächliche Ausübung dieser Rechte garantiert wird – insbesondere durch die Annahme des Kommissionsberichts über die Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie durch die Mitgliedstaaten.
Die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament gehören zu den Prioritäten der interinstitutionellen Öffentlichkeitsarbeit. Die Kommission unterstützt und ergänzt die Kampagne des Parlaments, um durch entsprechende Informationsmaßnahmen zur stärkeren Sensibilisierung der Bürger für diese Wahlen zu sorgen und die Bürger dazu aufzufordern, von ihrem Wahlrecht auch tatsächlich Gebrauch zu machen.
Es ist zum Glück so, und ich möchte Sie darauf noch besonders hinweisen, dass nicht nur die Kommission sich darum bemüht, die Unionsbürgerschaft im täglichen Leben zu verwirklichen. Auch andere Beteiligte – dieses Parlament, alle 27 Mitgliedstaaten, die regionalen Behörden, die nationalen Parlamente, Kommunalbehörden und alle Gemeinden in der Europäischen Union – spielen eine ganz wichtige Rolle bei der wirksamen Ausgestaltung der Unionsbürgerschaft.
Ich freue mich darüber, dass der rechtzeitig vor den Europawahlen 2009 veröffentlichte Bericht der Abgeordneten Frau Gacek einige dieser ganz wichtigen Akteure einbindet, die sich alle die Unionsbürgerschaft zu eigen machen sollten, um Europa für seine Millionen Bürger greifbar werden zu lassen. Ich glaube, wir verstehen es alle als eine gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Unionsbürgerschaft nicht als ein bloßes Symbol verstanden wird, sondern dass sie verstanden wird als ein konkretes Recht, das im täglichen Leben ausgefüllt werden kann und ausgefüllt werden muss.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt morgen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Slavi Binev (NI), schriftlich. – (BG) Transparenz und demokratische Beziehungen zwischen Bürger und Institutionen gehören zu den grundlegenden Prinzipien in Europe und gehören zu den Grundrechten der Bürger Europas. Genau auf diesen Prinzipien müssen Parlamentswahlen beruhen. In Bulgarien jedoch weist das Problem des Stimmenkaufs in die genau entgegengesetzte Richtung.
Nachdem die vorangegangenen Kommunalwahlen durch die Stimmenkauf-Skandale der GERB (Bürger für die europäische Entwicklung Bulgariens), DPS (Bewegung für Recht und Freiheit) und der BSP (Bulgarische sozialistische Partei) überschattet worden waren, verbreitete sich unter den Bürgern der Eindruck, man habe ihnen das Recht auf die Wahl ihrer Politiker vorenthalten. Das Ergebnis ist eine zunehmende Wahlverdrossenheit.
Trotz vorhandener Strafgesetze und zahlreicher Anzeichen von Gesetzesbruch wurde bislang nicht eine einzige in dem Bericht der Kommission genannte Person wegen dieser Straftaten zur Rechenschaft gezogen. Der Grund hierfür ist der eindeutige Unwillen der Strafverfolgungsbehörden, dem Stimmenkauf einen Riegel vorzuschieben. In Bulgarien mangelt es dem Rechtssystem nach wie vor an der erforderlichen Entschlossenheit zum Einschreiten. In der Zwischenzeit basteln die wohlbekannten Schuldigen in aller Ruhe wieder an ihren Vorwahlkampagnen, während diejenigen, die bereits zuvor ihre Stimme verkauft haben, wieder nach dem besten Käuferangebot Ausschau halten.
Ich möchte betonen, dass, solange diese Gesetzesverstöße in Bulgarien weiter toleriert werden und der Staat diesem Treiben keinen Einhalt gebietet, werden die ehrlichen Wähler um ihr wesentliches Recht – ihre politischen Vertreter frei zu wählen – geprellt! Für europäische Bürger ist dieser Zustand nicht hinnehmbar. Ich fordere das Parlament also auf, in dieser Angelegenheit initiativ zu werden – und sich nicht untätig zurückzulehnen.
Magda Kósáné Kovács (PSE), schriftlich. – (HU) Der Vertrag der Europäischen Union legt fest, dass jeder Bürger der Union gleich ist. Leider spiegelt sich dieses Prinzip nicht immer in der Realität wider. Der Grund für die existierenden Unterschiede liegt in der Kluft zwischen Wohlstand einerseits und extremer Armut, sozialer oder absichtlicher Ausgrenzung andererseits. Ganze Regionen, die unter einer Vielzahl von Defiziten leiden, sind von der Informationsgesellschaft abgekoppelt. Von deren Bewohnern kann nicht einmal erwartet werden, dass sie über ein gemeinsames europäisches Bewusstsein verfügen. Ich begrüße die Tatsache, dass der Bericht ausdrücklich auch die Roma erwähnt. Diese Minderheit von 10 bis 12 Millionen lebt in der sozialen Ausgrenzung und erlebt ihre Bildungsbenachteiligung und hoffnungslose Beschäftigungssituation als eine Abwertung ihrer Existenz als Staatsbürger.
Es gibt Anzeichen dafür, dass dieser Zusammenbruch einer Gesellschaft auch Auswirkungen auf die Wahlen zum Europäischen Parlament haben wird. Die Bereitschaft, der am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen zur Wahl zu gehen, nimmt weiter ab, denn es fehlt ihnen an den nötigen Informationen. An den Rändern der Gesellschaft gibt es weniger Bewusstsein darüber, dass von allen EU-Institutionen das Europäische Parlament die einzige Einrichtung ist, deren Zusammensetzung sie direkt mitbestimmen können. Es ist bedauerlich, dass diese Unkenntnis in den mittel- und osteuropäischen Ländern besonders ausgeprägt ist. Die Wurzel dieses Übels ist einmal mehr in dem Informationsdefizit der Bevölkerung zu suchen. Eine weitere Rolle spielt aber auch, dass die Aufholgeschwindigkeit zur Enttäuschung der Bevölkerung nach dem Abebben der großen Erweiterungswelle in diesen Ländern nachgelassen hat.
Wir hoffen, dass der freie Verkehr von Bürgern, Arbeitnehmern und Dienstleistern die Grenzen in den Köpfen der Menschen einreißen wird. Wenn es ganz und gar natürlich wird, dass das ungehinderte sich Bewegen innerhalb eines größeren europäischen Hauses die Verwirklichung eines Mehr an Freiheit ist, dann ist eine vielschichtige und vielfarbige Europäische Union auch in der Lage, einer Vielzahl unterschiedlicher und dennoch mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl und Toleranz ausgestatteten europäischen Bürgern eine Heimat zu bieten.
25. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll