2. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll
3. Vorlage des Entwurfs des Gesamthaushaltsplans durch den Rat - Haushaltsjahr 2010 (Aussprache)
Der Präsident. – Der nächste Punkt ist die Vorstellung des Entwurfs des Gesamthaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 durch den Rat.
Hans Lindblad, amtierender Präsident des Rates. – (SV) Herr Präsident, es ist ein enormes Privileg für mich, heute hier zu sein. Ich fühle mich sehr geehrt und bin erfreut, die Gelegenheit zu haben, Ihnen den Gesamthaushaltsplan des Rates vorzustellen.
Europa ist mit beträchtlichen Herausforderungen konfrontiert. Die wirtschaftliche Lage sah vor sechs Monaten wesentlich beunruhigender aus, aber sie scheint sich stabilisiert zu haben. Das Risikoszenario ist ausgewogener und die Gefahr, tiefer in eine Abwärtsspirale hineingezogen zu werden, hat sich verringert.
Wir stehen jedoch vor bedeutenden Problemen in Form von zunehmender Arbeitslosigkeit, wachsenden Haushaltsdefiziten und steigenden Schulden. Angesichts dessen ist es dringend nötig, die öffentlichen Finanzen langfristig auf einem nachhaltigen Niveau zu halten. Viele Länder haben noch einen weiten Weg zu ausgewogenen öffentlichen Finanzen vor sich.
Die Demografie wird enormen Druck auf die öffentlichen Finanzen ausüben. Die Herausforderungen, mit denen wir in Bezug auf das Klima konfrontiert sind, werden neue Ressourcen und die Umschichtung bestehender Ressourcen erfordern. Insgesamt bedeutet dies unserer Ansicht nach, dass der Haushaltsplan, auf den wir uns einigen müssen, ein hohes Maß an Einschränkungen wiedergeben sollte, um Raum für künftige Bedürfnisse zu lassen, mit dem Schwerpunkt auf europäischem Mehrwert und Investitionen, die uns kurzfristig aus der Wirtschaftskrise führen und langfristig auch unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken können.
Der Entwurf des Rates, der einstimmig angenommen wurde, befasst sich mit diesen Herausforderungen und trägt dazu bei, diese zu meistern. Es ist ein disziplinierter und solider Haushaltsplan aus Sicht der Staatsfinanzen. Er wird Forschung, Bildung, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und den Bau von Infrastrukturen fördern, und er wird Kohäsion fördern. Der Entwurf des Rates enthält außerdem Spielräume für unvorhergesehene Ereignisse.
Die Logik hinter unserem Entwurf des Gesamthaushaltsplans ist ziemlich einfach. Wenn wir Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand fördern wollen, sollten wir den Lehrbüchern zufolge eine nachhaltige, glaubwürdige und umsichtige Politik verfolgen, jedoch mit Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur und das Ausgleichen von Lohnunterschieden innerhalb der EU. Genau das haben wir versucht zu tun.
Der Entwurf des Rates ist ausgewogen und doch ehrgeizig. Im Vergleich zum Haushaltsplan 2009 sind unsere Verpflichtungen um 1,1 % gestiegen und die Zahlungsermächtigungen um fast 4 %. Unser Entwurf und die Einigung, die wir erzielen wollen, müssen die folgenden grundlegenden Anforderungen erfüllen, die auch während der ersten Lesung des Rates gegolten haben. Der Haushaltsplan muss sicherstellen, dass die verschiedenen politischen Prioritäten der EU für das Jahr 2010 angemessen finanziert werden. Wir in der EU müssen in der Lage sein, schnell auf die bevorstehenden Herausforderungen zu reagieren. Der Schwerpunkt muss auf der Bereitstellung von europäischem Mehrwert liegen. Haushaltsdisziplin und eine wirtschaftliche Haushaltsführung sind erforderlich. Andernfalls werden wir nicht in der Lage sein, die öffentlichen Finanzen schrittweise wieder auszugleichen.
Es ist wichtig, dass die Obergrenzen eingehalten werden. Die EU muss über genügend Flexibilität verfügen, um mit künftigen Bedürfnissen und unvorhergesehenen Ereignissen zurechtzukommen. Angemessene Spielräume sind für den Haushaltsplan der EU unerlässlich. Der Gesamthaushaltsplan, den wir vorlegen, enthält 138 Mrd. EUR an Verpflichtungsmitteln und 121 Mrd. EUR an Zahlungsmitteln. Die Kürzungen, die der Rat in Bezug auf den von der Kommission vorgestellten Haushaltsvorentwurf vorgenommen hat, basieren auf einer detaillierten Analyse der Umsetzung des Haushalts, der Haushaltsprognosen und Tätigkeitserklärungen, und wir betrachten die verfügbare Kapazität zur Umsetzung von Programmen und Maßnahmen. Der Grad der Umsetzung und die Absorptionsfähigkeit waren Schlüsselfaktoren in unserer Analyse.
Ich werde jetzt kurz auf die einzelnen Rubriken eingehen. Die Teilrubrik 1A, Forschung und Innovation, ist das wichtigste Element. Es sind angemessene Fonds in unserem Haushaltsplan sichergestellt worden. Ein weiterer Bereich, in den mehr Mittel fließen werden, sind Projekte in den Sektoren Energie und Infrastruktur. Wenn wir die buchmäßigen Auswirkungen des Konjunkturprogramms berücksichtigen, beläuft sich die Erhöhung in diesem Bereich auf rund 8 %. Acht Prozent! Das ist eine Menge, und wie Sie alle wissen, wird die Finanzierung des Europäischen Konjunkturprogramms eines der Themen sein, das wir im Herbst diskutieren müssen.
Unter Teilrubrik 1B hat der Rat die von der Kommission vorgeschlagenen Verpflichtungsmittel angenommen. Was die Zahlungen betrifft, so ist der Rat der Ansicht, dass gewisse Kürzungen in Bezug auf den Haushaltsvorentwurf vorgenommen werden können, aber ich möchte betonen, dass unser Entwurf dennoch eine Erhöhung der Zahlungsmittel um 3,2 % im Vergleich zu 2009 darstellt.
Unter Rubrik 2 schlägt der Rat beträchtliche Erhöhungen sowohl in Bezug auf die Verpflichtungsmittel als auch auf die Zahlungsmittel im Vergleich zum Jahr 2009 vor, nämlich um 4,5 % bzw. 9,5 %, wenn wir die buchmäßigen Auswirkungen des Konjunkturprogramms berücksichtigen.
Bezüglich Rubrik 3 hat der Rat nur ein paar kleine Anpassungen an dem Haushaltsvorentwurf der Kommission vorgenommen. Ausreichende Mittel werden für die Migrationspolitik, einschließlich Frontex, zur Verfügung stehen.
Was Rubrik 4 betrifft, so ist es äußerst wichtig, einen beträchtlichen Spielraum zu der Obergrenze unter dieser Rubrik zu lassen, um mit unvorhergesehenen Bedürfnissen bestmöglich zurechtzukommen. Der Rat hat daher einen Spielraum von rund 310 Mio. EUR in seiner ersten Lesung sichergestellt. Dies ist besonders gerechtfertigt angesichts des Berichtigungsschreibens, das zusätzliche Bedürfnisse in diesem Bereich enthält. Was die Reserve für Soforthilfen betrifft, so hat der Rat den Vorschlag der Kommission betreffend der Verpflichtungsmittel akzeptiert. Die Bedeutung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nimmt zu. Der Rat wird daher sicherstellen, dass angemessene Fonds hierfür zur Verfügung stehen.
In Bezug auf die Verwaltung hat der Rat einige gezielte Kürzungen angesichts der wirtschaftlichen Lage und der Besonderheiten jeder Institution vorgenommen. Das Ziel besteht darin sicherzustellen, dass die Verwaltungsausgaben nicht schneller steigen als die Inflation. Die Anträge der Institutionen für zusätzliche Stellen für neue Tätigkeiten wurden nicht angenommen, außer für die neuen Agenturen, die für das Jahr 2010 geplant sind, und für Frontex.
Auf unserer Konzertierungssitzung im Juli wurde abermals betont, wie wichtig Personaleinstellungen im Zusammenhang mit den Erweiterungen von 2004 und 2007 sind, und wir einigten uns auf eine gemeinsame Erklärung. Bei demselben Anlass gaben Ihre Vertreter zu verstehen, dass sie gewillt sind, nach einem gemeinsamen Ansatz in Bezug auf die Gebäudepolitik der EU-Gemeinschaftsorgane und -Einrichtungen zu suchen. Ich bin sicher, dass eine solche Erklärung erfreulicherweise Ende des Herbstes erfolgen wird.
Bevor ich schließe, möchte ich die positive Atmosphäre, die in unseren Sitzungen mit dem Europäischen Parlament vorgeherrscht hat, erwähnen und in der Tat hervorheben. Ich bin der Auffassung, dass konstruktive Zusammenarbeit die einzige Möglichkeit ist, einen soliden Haushalt zu erwirtschaften.
Algirdas Šemeta, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, ich freue mich sehr, Gelegenheit zu haben, heute Morgen zu Ihnen zu sprechen. Ich weiß, dass die ersten Phasen dieses Haushaltsverfahrens – insbesondere die Konzertierungssitzung im Juli – in einer sehr positiven Atmosphäre stattgefunden haben, und ich hoffe, wir können in den kommenden Wochen auf dieser Zusammenarbeit aufbauen. Wir haben in den Haushaltsverfahren für das Jahr 2010 noch einiges vor uns, und es gibt andere wichtige Themen, über die wir uns einigen müssen, wie die zweite Phase des Europäischen Konjunkturprogramms. Daher ist es entscheidend, dass alle drei Organe eng zusammenarbeiten.
Hinsichtlich der aktuellen Situation nach der ersten Lesung des Rates und der Aufstellung des Haushaltsplans für das Jahr 2010 räumt die Kommission ein, dass die vom Rat vorgeschlagenen Kürzungen geringer sind als in früheren Jahren. Dennoch gibt es einige besondere Anliegen, die ich hervorheben möchte. Die Kommission bedauert die Kürzung der Zahlungsmittel um 1,8 Mrd. EUR durch den Rat. Diese Kürzungen sind verhältnismäßig umfangreicher für die Rubriken 1A und 4 und senden eine negative Botschaft in den vorrangigen Bereichen Arbeitsplatzschaffung und internationale Rolle der EU, nicht zuletzt in Bezug auf die Heranführungshilfe, aus.
Die vorgeschlagenen Kürzungen in Bezug auf die Kostenvergütungen für die administrative Unterstützung, die Verwaltungskosten für Forschung und die Agenturen sind besonders hart. Anstatt die besondere Situation jeder Agentur zu berücksichtigen, sind die Kürzungen – mit wenigen Ausnahmen – allgemein, unabhängig von der Entwicklungsstufe oder den Aufgaben der betreffenden Agentur. Die Kürzungen bei den Ausgaben für die administrative Unterstützung werden die Umsetzung von Programmen, besonders im Bereich der Forschung und für Maßnahmen im Außenbereich, behindern. Ich hoffe, dass das Parlament bei der Vorbereitung seiner ersten Lesung versuchen wird, diese Situation zu bereinigen.
Obwohl die Kürzungen in den Posten 1B und 2 bedauernswert sind, bin ich teilweise durch die vorgeschlagene Erklärung des Rates zu Zahlungen und durch die zweite Gelegenheit zur Prüfung der Bedürfnisse für die Landwirtschaft in dem bevorstehenden Berichtigungsschreiben, das die Kommission Ende Oktober vorlegen wird, beschwichtigt.
Wie angekündigt hat die Kommission der Haushaltsbehörde jetzt ein Berichtigungsschreiben vorgelegt, um die Bedürfnisse für Rubrik 4 zu aktualisieren. Dessen zentrale Elemente betreffen: die Bereitstellung zusätzlicher Mittel in Höhe von 95 Mio. EUR an Verpflichtungsermächtigungen und 60 Mio. EUR an Zahlungsermächtigungen zur Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Wiederaufbaumaßnahmen im Gazastreifen; und die Notwendigkeit, sich mit der Einführung flankierender Maßnahmen im Bananensektor im Hinblick auf das mögliche Handelsübereinkommen über Bananen zu befassen, welches sich auf die Präferenzregelung für Bananen aus AKP-Ländern auswirken wird. Es gibt außerdem die Bereitstellung zusätzlicher Mittel in Höhe von 50 Mio. EUR an Verpflichtungsermächtigungen und 20 Mio. EUR an Zahlungsermächtigungen zur Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Bekämpfung des Klimawandels, die zur Förderung eines erfolgreichen Ergebnisses für die Kopenhagener Klimakonferenz im Dezember beitragen sollten.
Unter Rubrik 5 (Verwaltung) war die Kommission besonders bescheiden in ihren Forderungen für den Haushaltsvorentwurf mit einer vorgeschlagenen Erhöhung der Verwaltungsausgaben der Kommission um nur 0,9 % im Vergleich zu 2009. Da dieser Punkt vom Vorsitz anerkannt wurde, ist es ziemlich enttäuschend, dass der Rat weitere Kürzungen am Verwaltungshaushalt der Kommission vorgenommen hat.
Abschließend hoffe ich, dass das Europäische Parlament die vom Rat gekürzten Mittel wiederherstellen wird, und ich bin zuversichtlich, dass unsere laufenden Verhandlungen zwischen den drei Organen konstruktiv sein werden und dass wir ein zufriedenstellendes Ergebnis für dieses Haushaltsverfahren erzielen werden.
Der Präsident. – Danke, Herr Šemeta, für die Darlegung des Standpunkts der Kommission und auch für die Einhaltung des Zeitrahmens, was sehr wichtig ist. Ich möchte hinzufügen, dass dies eine einleitende Diskussion ist. Wir werden dies jetzt im Haushaltsausschuss und in anderen Ausschüssen diskutieren. Die Hauptdiskussion wird in ein paar Wochen stattfinden.
László Surján, Berichterstatter. – (HU) Ich werde in meiner Muttersprache sprechen, da ich auf ein Europa hoffe, in dem dies ein natürliches Recht in jedem Parlament ist, ganz zu schweigen von den anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. In diesem Europa gibt es kein Gesetz, das irgendjemanden daran hindert, seine Muttersprache zu verwenden, auch nicht in der Slowakei. Ich habe auch erwartet, dass die aktuelle Finanzkrise nicht nur die Produktion verringern und die Arbeitslosigkeit erhöhen würde, sondern uns auch die Gelegenheit bieten würde, den Haushaltsplan der Europäischen Union durch Reformmaßnahmen zu verbessern.
Das Parlament hat seinen Standpunkt bereits im Februar dargelegt. Es regte an, dass die Europäische Kommission und der Rat ihre Zustimmung äußerten. Auf der Grundlage dessen, was ich über den Haushaltsplan weiß, bedauere ich sagen zu müssen, dass der Versuch, die schönen Worte in die Sprache der Zahlen zu übersetzen, kein voller Erfolg war. Es ist Zeit, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass niemand mit dem Haushaltsplan der Europäischen Union glücklich ist. Die Einnahmenseite des Haushaltsplans ist eine schwere Last für die Mitgliedstaaten, aber die zur Verfügung stehende Summe reicht nicht aus, um ihre Ziele zu erreichen. Wir sind weit davon entfernt, sowohl Vollbeschäftigung als auch eine Wissensgesellschaft zu erreichen. Wir geben große Summen für die Landwirtschaft aus, aber die Milcherzeuger zum Beispiel sind von einer nicht zu beherrschenden Krise betroffen. Der größte Posten auf der Ausgabenseite ist die Kohäsionspolitik, aber die Lücken zwischen den Regionen werden größer anstatt kleiner.
In Europa geborene und ausgebildete Forscher arbeiten außerhalb der Europäischen Union. Wir hinken daher auch in Bezug auf Innovation hinterher. Wir haben gehofft, dass die Krise uns auch eine Gelegenheit für eine Neuordnung bieten würde und dafür, den Haushaltsplan der Europäischen Union erfolgreicher und greifbarer für ihre Bürgerinnen und Bürger zu gestalten. Wir haben außerdem gehofft, den Haushaltsplan nicht nur gemäß den Vorschriften und ohne jegliche Korruption anzuwenden, sondern auch die Ausgaben zu betrachten und zu erwägen, welche Programme tatsächlich Werte und Erfolg für unser Geld bieten.
Was können wir jetzt tun? Das Parlament wird sich bemühen, den Haushaltsplan so zu gestalten, dass seine Botschaft klarer für die EU-Bürgerinnen und -Bürger sein wird. Wir wollen diejenigen Posten erhöhen, die zur Bewältigung der Krise beitragen. In diesem Sinne unterbreiten wir unsere Gedanken zur Umsetzung des Konjunkturprogramms. Wir wollen außerdem die Herausforderungen aufgrund des Klimawandels angehen. Wir wünschen uns ein effektives Angehen der Finanzkrise, nicht nur durch die Verwendung mehrerer Milliarden Euro aus dem zu diesem Zweck vorgesehenen Plan, sondern auch mit jedem Posten im Haushaltsplan, sodass die Europäer realisieren, dass die Europäische Union kein überflüssiger Kostenfaktor ist, sondern ein effektives Instrument zur Lösung ihrer Probleme. Ich fordere meine Kolleginnen und Kollegen, den Rat und die Kommission auf, dies zu unterstützen.
Vladimír Maňka, Berichterstatter. – (SK) Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Herr Kommissar, wir können sicherlich übereinkommen, dass wir uns bei der Aufstellung des Haushaltsplans des Europäischen Parlaments auf unsere Kernaufgabe, nämlich die legislativen Maßnahmen, konzentrieren müssen. Themen, die nicht damit verbunden sind, müssen vom Haushaltsplan ausgeschlossen werden, soweit dies möglich ist.
Wir werden die endgültige Form des Haushaltsplans heute in einem Schiedsverfahren unter Beteiligung des Vorsitzes des Europäischen Parlaments und des Haushaltsausschusses diskutieren. An diesem Punkt möchte ich den Vertreterinnen und Vertretern der Fraktionen danken. In der gestrigen Sitzung des Haushaltsausschusses unterstützten sie Vorschläge zur Kürzung des Haushaltsplans und Maßnahmen, die zu einer besseren Nutzung der Finanzmittel führen werden.
Wir sind permanent mit zahlreichen Unzulänglichkeiten konfrontiert, die uns daran hindern, unsere Mittel in einer hundertprozentig effizienten Weise zu nutzen. Ein Beispiel hierfür ist die Sicherheit für die Gebäude, in denen wir heute diese Debatten führen. Wie Sie wissen, verbringen wir vier Tage im Monat in Straßburg. Dennoch war bis vor Kurzem an beiden Eingängen 365 Tage im Jahr Wachpersonal stationiert. Der neue Generalsekretär des Europäischen Parlaments und seine Kolleginnen und Kollegen haben dies festgestellt und Maßnahmen umgesetzt, die jährliche Einsparungen von über 2 Mio. EUR bringen werden.
Ein weiteres Beispiel sind die Berichte des Rechnungshofs zu Übersetzungen. Ungenügende Planung und mangelhafte Kommunikation bzw. ein völliges Fehlen von Kommunikation hinsichtlich der Verfügbarkeit von Übersetzungsressourcen verhindert eine effektive Nutzung dieser Ressourcen. Die Organisation, die Übersetzungen bereitstellen soll, beauftragt häufig automatisch externe Übersetzer, ohne überhaupt zu prüfen, ob innerhalb der Organisation freie Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Daher schlagen wir eine Rücklage von 5 % gegenüber den in den Haushaltsplänen der verschiedenen Einrichtungen für Übersetzungen vorgesehenen Mitteln vor. Wir werden diese Rücklage auflösen, wenn sie nachweisen, dass sie versucht haben, die Ressourcen innerhalb der internen Organisation vollständig zu nutzen. Allein im Bereich der Übersetzungen können wir jährlich rund 11 Mio. EUR sparen.
Es gibt viele ähnliche Beispiele. Die meisten davon haben einen gemeinsamen Nenner: wir verwenden die unabhängigen Studien zur Nutzung von Ressourcen und zur Arbeitsorganisation nicht häufig genug. Ich glaube, dass der politische Wille, den die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Fraktionen gestern in den Diskussionen des Haushaltsausschusses an den Tag gelegt haben, Früchte tragen wird.
Ausgaben für den Kauf, die Instandhaltung und die Miete von Gebäuden stellen einen der Hauptposten der Verwaltungsausgaben der Gemeinschaftsorgane dar. Es gab in der Vergangenheit verschiedene Fälle, in denen die Organe beim Kaufen oder Mieten von Immobilien Methoden verwendet haben, die nicht völlig effizient waren. Dem Rechnungshof zufolge kooperieren die Organe in diesen Bereichen nicht oder bewerten sogar ihre eigenen Strategien nicht.
Wir haben daher die Verwaltung des Europäischen Parlaments gebeten, ein mittelfristiges Strategiepapier zu Gebäuden zu erstellen. Wir wollten eine vernünftige Entscheidung zu dieser Angelegenheit in der ersten Lesung treffen. Es ist notwendig, eine gemeinsame Strategie zu Gebäuden zu erstellen, nicht nur im Europäischen Parlament, sondern auch im Rahmen aller Organe, und eine bessere Zusammenarbeit in diesem Bereich sicherzustellen. Herr Staatssekretär, ich bin erfreut, dass der Rat, ebenso wie wir, dies als vorrangiges ZieI angenommen hat, und ich möchte hierfür meinen Dank aussprechen.
Alain Lamassoure, Vorsitzender des Haushaltsausschusses. − (FR) Herr Präsident, darf ich zuerst Herrn Šemeta zu der gestern erhaltenen Bestätigung seiner Ernennung zum Haushaltskommissar gratulieren.
Wir sind überzeugt, dass wir mit ihm dieselbe Qualität von Beziehungen genießen werden wie mit seiner Vorgängerin, und wir wünschen ihm eine politische Laufbahn, die so brillant ist wie die von Frau Grybauskaitė.
Herr Präsident, wir durchlaufen eine Periode der weltweiten Krise, der Vorbereitung auf große diplomatische Ereignisse und der institutionellen Unsicherheit innerhalb der Union selbst. In einer solchen Zeit wird der Haushaltsausschuss versuchen, eine kooperative Haltung anzunehmen. Wie unser Berichterstatter sagte, bedauern wir die Kürzungen, die der Rat hinsichtlich der Vorschläge der Kommission vorgenommen hat, aber gleichzeitig verstehen wir, dass die Lage der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten sie daran hindert, in diesem Jahr viel weiter zu gehen.
Für den Haushaltsplan 2010 haben wir, wie gesagt, die Verpflichtung, Ergebnisse zu produzieren: nämlich die Finanzierung des Abschnitts für das Jahr 2010 des Konjunkturprogramms auszugleichen. Wir wissen, dass Umschichtungen nötig sein werden, aber sie dürfen sich nicht auf andere politische Prioritäten konzentrieren, die zuvor gemeinsam vom Parlament und vom Rat beschlossen wurden.
Über das Jahr 2010 hinaus wird das Parlament hoffen, gemeinsame Arbeiten mit der Kommission, dem Rat, dem schwedischen Vorsitz und dem künftigen spanischen Vorsitz zu drei wesentlichen Themen für die Zukunft durchzuführen.
Falls sich die Dinge in Irland so entwickeln wie wir hoffen, wird das erste Thema die Umsetzung des Verfahrens, des Zeitplans und der Arbeitsmethoden sein, die durch die Anwendung des Vertrags von Lissabon gefordert werden.
Das zweite Thema wird die Halbzeitbewertung der finanziellen Vorausschau sein. Zwischen der im Mai 2006 getroffenen gemeinsamen Entscheidung über den mehrjährigen Finanzrahmen und jetzt liegen die Finanzkrise, der sehr starke Druck auf den Preis von Energie, Rohstoffen und sogar Nahrungsmitteln und die Verhandlungen zum Klimawandel. Außerdem kam es – es tut mir leid, dies zu sagen – zum Fehlschlagen der Strategie von Lissabon, wie heute klar zu sehen ist. Wir brauchen daher eine eingehende Überprüfung unserer mehrjährigen Leitlinien. Dies wird die erste Aufgabe der neuen Kommission sein.
Schließlich wird das dritte und letzte Thema die Reform der Ressourcen sein, die den europäischen Haushaltsplan ausmachen. Wir wussten vor der Krise, dass keiner der Mitgliedstaaten noch mehr für die Ausgaben Europas bezahlen wollte. Seit der Krise kann keiner der Mitgliedstaaten noch mehr für diese Ausgaben bezahlen. Unser Finanzbeitrag zum Konjunkturaufschwung wird kaum 0,03 % des BIP der Union betragen.
Wir sind uns der extremen Schwierigkeit dieses Themas voll und ganz bewusst. Das Europäische Parlament nahm jedoch vor vier Jahren die diesbezügliche Arbeit mit den nationalen Parlamenten auf und hat die Absicht, in der Lage zu sein, einige Arbeitsbereiche vorzuschlagen, um die Debatte im nächsten Jahr einzuleiten.
Hans Lindblad, amtierender Präsident des Rates. – (SV) Herr Präsident, wir haben sowohl von der Kommission als auch vom Europäischen Parlament gehört, dass wir uns in diesem Herbst mit einigen schwierigen Themen befassen werden müssen. Hoffentlich werden wir es auch mit einigen leichten Themen zu tun haben. Eines der schwierigsten Themen wird das Konjunkturprogramm und dessen Finanzierung sein. Gleichzeitig bin ich sehr zuversichtlich, dass wir erfolgreich sein werden. Ich weiß, dass wir erfolgreich sein werden. Es gibt keine Alternative.
Ein weiteres Thema, mit dem wir sowohl kurz- als auch langfristig konfrontiert sind, ist natürlich das Klima und die Finanzierung der Klimapolitik.
Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen dafür zu danken, dass ich heute hier sprechen durfte.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
Ich möchte den Kommissar zu seiner Ernennung beglückwünschen. Herr Kommissar, große Laufbahnen stehen den Kommissaren aus Litauen bevor. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg, sowohl in der Kommission als auch in der Zukunft. Ihre Vorgängerin ist heute das Staatsoberhaupt in Litauen.
4. Zuwanderung, die Rolle von Frontex und zwischenstaatliche Zusammenarbeit (Aussprache)
Der Präsident. − Der nächste Punkt sind die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Zuwanderung, zur Rolle von Frontex und zur zwischenstaatlichen Zusammenarbeit.
Tobias Billström, amtierender Präsident des Rates. – (SV) Herr Präsident, Themen über die Wanderungsbewegungen spielen in der Arbeit der EU immer eine dringliche Rolle. Ein wichtiges Element beim Umgang mit Wanderungsbewegungen ist die Grenzkontrolle. Der freie Personenverkehr innerhalb der EU und das Fehlen von Kontrollen an den Binnengrenzen bringen eine geteilte Verantwortung und eine erhöhte Erfordernis eines angemessenen und effektiven Schutzes unserer Außengrenzen mit sich.
Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex) ist für die Koordinierung und Unterstützung der Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Überwachung und Kontrolle der Außengrenzen der EU verantwortlich. Frontex ist ein wichtiges Element in der integrierten Grenzverwaltung der EU. Seit ihrer Aufnahme der Tätigkeiten im Jahr 2005 ist die Kapazität von Frontex schrittweise ausgeweitet worden. Im Einklang mit einem erhöhten Haushaltsplan spielt Frontex jetzt eine noch größere Rolle in der Verwaltung der operativen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Kontrolle der Außengrenzen der EU.
Die Agentur koordiniert derzeit eine Reihe von gemeinsamen Maßnahmen und Pilotprojekten an den See-, Land- und Luftgrenzen im Hinblick auf die Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Hierbei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf gewissen stark gefährdeten Gebieten wie den südlichen Seegrenzen der EU, obwohl die nördlichen und östlichen Grenzen ebenfalls abgedeckt sind. Im Rat haben wir bei mehreren Gelegenheiten die Notwendigkeit der Weiterentwicklung und Stärkung von Frontex betont. Die Schlussfolgerungen des Rates aus dem Jahr 2008 enthalten die politischen Prioritäten für die kontinuierliche Entwicklung der Agentur. Kurzfristig wurde betont, dass Frontex die notwendigen Mittel erhalten muss und dass die von den Mitgliedstaaten im Rahmen des Zentralregisters der verfügbaren technischen Ausrüstungsgegenstände (CRATE) bereitgestellte Ausrüstung optimal genutzt werden muss. Der Rat drängte Frontex darüber hinaus, im Hinblick auf den Grenzschutz die Zusammenarbeit mit anderen Grenzschutzbehörden, einschließlich der Zollbehörden, und mit Drittländern zu fördern.
Langfristig wurde betont, dass die künftige Entwicklung der Frontex-Maßnahmen auch weiterhin in Stufen durchgeführt werden sollte. Der Rat begrüßte den Plan der Kommission, um zu prüfen, wie das Mandat von Frontex ausgeweitet werden kann, um eine verstärkte Zusammenarbeit mit Drittländern zu ermöglichen. Eine Bewertung der Frontex-Verordnung wird derzeit durchgeführt und die Kommission wird Anfang 2010 einen Vorschlag für mögliche Änderungsanträge vorlegen. Der Rat freut sich, zusammen mit dem Europäischen Parlament einen Standpunkt zu den vorgeschlagenen Änderungsanträgen der Kommission anzunehmen.
Im Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl, der im Oktober 2008 vom Europäischen Rat angenommen wurde, wurde außerdem betont, dass die Rolle der Agentur gestärkt und die Mittel zur Zusammenarbeit erhöht werden müssen. Der Pakt verwies zudem auf die Möglichkeit der Einrichtung separater Abteilungen innerhalb von Frontex, da sich die Bedingungen so deutlich unterscheiden, zum Beispiel an der Landgrenze im Osten verglichen mit der Seegrenze im Süden. Angesichts der Ereignisse im Mittelmeer hat der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom Juni 2009 auch die Notwendigkeit hervorgehoben, die Bemühungen zur Verhinderung und Bekämpfung der illegalen Einwanderung und zur Verhinderung künftiger menschlicher Tragödien an der südlichen Seegrenze der EU zu verstärken. Die Notwendigkeit der Verschärfung der Grenzkontrollen und klarer Vorschriften für gemeinsame Patrouillen und die Landung derjenigen, die gerettet werden, sowie die verstärkte Nutzung gemeinsamer Rückführungsflüge wurden besonders betont.
Abschließend möchte ich die Tatsache klarstellen, dass die Situation im Mittelmeer nicht nur das Ergreifen von Maßnahmen im Bereich der Grenzkontrolle umfasst. Diese Situation erfordert ein breites Spektrum an sowohl kurzfristigen als auch langfristigen Maßnahmen. Der Ausgangspunkt in diesem Zusammenhang sollte der globale Ansatz der EU zu Wanderungsbewegungen sein, der Zusammenarbeit und Maßnahmen innerhalb des gesamten Bereichs der Migrationspolitik umfasst. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern ist von grundlegender Bedeutung und der Dialog mit Drittländern sollte in Bereichen wie legale Zuwanderung, Wanderung und Entwicklung, Kapazitätsaufbau und Rückführung von Menschen, die nicht schutzbedürftig sind, intensiviert werden. Dieser Dialog muss auf den Grundsätzen der Solidarität und geteilten Verantwortung basieren.
VORSITZ: Gianni PITTELLA Vizepräsident
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Wanderungsbewegungen sind ein wichtiges Problem, das die Institution weiter stark beschäftigen wird, und ich möchte Herrn Tobias Billström danken, der sich mit diesem Problem genau auskennt.
Wir erstellen gerade einen Entwurf für eine Migrationspolitik auf der Grundlage dreier Säulen: Respekt für das Recht auf Asyl, den Kampf gegen illegale Einwanderung und eine europäische Koordination, um Vorkehrungen für legale Wanderungsbewegungen zu schaffen.
Der Zugang zum Hoheitsgebiet der EU muss gemäß bestimmter Regeln, in Übereinstimmung mit der Politik der Mitgliedstaaten und mit allgemeinen Standards, die die Union umsetzt, erfolgen und darf nicht illegal, oft mit Verlust von Menschenleben, geschehen. Das Mittelmeer muss weiterhin die Verbindung zwischen unseren Zivilisationen bleiben, und darf nicht zu einem Ort von Elend und Trostlosigkeit werden.
Die Herausforderung der illegalen Einwanderung kann nicht allein von den Mitgliedstaaten gelöst werden, die besonders betroffen sind, weil ihre Ländergrenzen mit den Außengrenzen der Union zusammenfallen. Es ist wirklich für alle Mitgliedstaaten der EU wichtig, ihre Solidarität im Umgang mit dieser Herausforderung zu zeigen. Die Union hat bereits gemeinsame Bestimmungen angenommen, Ressourcen dafür vorgesehen und bedeutende Handlungsmöglichkeiten entwickelt. Dies vorangestellt, muss man natürlich zugeben, dass aufgrund des Ausmaßes der illegalen Wanderungsströme neue Initiativen erforderlich sein werden.
Die Herausforderung der illegalen Wanderungsbewegungen wird natürlich eine wirksame Vorbeugungsstrategie erfordern, die in Partnerschaft mit allen Staaten entlang den Migrationsrouten umgesetzt werden muss. Die Europäische Union unternimmt alles Erdenkliche, um diese Dialoge und diese Zusammenarbeit weiterzuentwickeln. Das Ziel dieses globalen Ansatzes ist es, alle Hauptmerkmale der Einwanderung zusammen und in einem ausgewogenen Rahmen zu bewältigen. Wie Herr Billström gerade gesagt hat, leitet uns dieser Ansatz bei unserer Arbeit im Mittelmeerraum, dem Treffpunkt der Wanderungsströme aus den verschiedenen Regionen, die verschiedene Länder in Asien und Afrika durchqueren.
Die Kommission ist die feste Verpflichtung eingegangen, angemessene bilaterale regionale Kooperationsrahmen zu fördern. Konfrontiert mit der starken Zunahme untragbarer menschlicher Tragödien bin ich zu diesen europäischen Zugangsportalen gereist: Lampedusa, Malta, die Kanarischen Inseln und Griechenland. Ich habe eine Diskussion in der Kommission in Gang gesetzt und im Rat meinen ministeriellen Kolleginnen und Kollegen Vorschläge für eine mehr vereinte und wirksamere europäische Politik weitergeleitet.
Die daraufhin erledigte Arbeit stellte die Grundlage für eine Reihe von Entscheidungen dar, die der Europäische Rat im Juni angenommen hat. Seitdem hat die Kommission an drei großen Themen gearbeitet. Erstens, das Asyl: Der Europäische Rat hat zu einer Koordinierung freiwilliger Maßnahmen aufgerufen, die die interne Verteilung von Empfängern internationalen Schutzes, die in den am meisten betroffenen Mitgliedstaaten leben, betreffen. Die Kommission hat auf diesen Aufruf reagiert, indem sie im Juli ein Pilotprojekt gestartet hat, um Malta zu helfen. Sie hat Finanzierungsmöglichkeiten der Gemeinschaft für Mitgliedstaaten bereitgestellt, die bereit sind, Solidarität mit Malta zu zeigen. Bis heute hat Frankreich zugestimmt, fast 100 Flüchtlinge auf seinem Hoheitsgebiet neu anzusiedeln. Meine Damen und Herren, Herr Präsident, ich würde mich freuen, wenn diese Geste von anderen Mitgliedstaaten wiederholt würde.
Am 2. September habe ich dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Mitteilung vorgelegt, in der ein gemeinsames europäisches Programm zur Neuansiedlung von Flüchtlingen aus Drittstaaten vorgeschlagen wird. Herr Billström, ich weiß, dass Ihnen dieses Programm am Herzen liegt. Es fasst die gemeinsamen jährlichen Prioritäten bezüglich der Neuansiedlung sowie Vorschläge zur effektiveren Nutzung der Finanzhilfen, die die Mitgliedstaaten vom Europäischen Flüchtlingsfonds erhalten, zusammen.
Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen muss in der Lage sein, eine entscheidende Rolle bei der wirksamen Umsetzung dieser Initiativen zu spielen. Der Verordnungsvorschlag der Kommission zur Schaffung dieses Büros wird zurzeit in den Organen der Gemeinschaft untersucht. Es würde mich wirklich freuen, wenn das Parlament und der Rat während des schwedischen Ratsvorsitzes zu einer Einigung kämen, um dieses Unterstützungsbüro 2010 betriebsbereit zu machen, und ich zähle dabei sehr stark auf unsere Kommission und den schwedischen Ratsvorsitz. Das ist alles bezüglich der Asylfrage.
Das zweite Thema sind die Außengrenzen. Wie Herr Billström sehr gut erklärt hat, möchte der Europäische Rat, dass die von Frontex koordinierten Grenzüberwachungsmaßnahmen verstärkt werden. Wir wurden gebeten, klare Verhaltensregeln für gemeinsame Patrouillen auszuarbeiten und Vorschriften für die Ausschiffung geretteter Personen und die Organisation gemeinsamer Rückflüge zu präzisieren.
Außerdem müssen wir untersuchen, wie Frontex mit Drittstaaten zusammenarbeiten kann. Der Haushaltsplan für die Finanzierung der Frontexeinsätze 2009 wurde auf 36 Mio. EUR erhöht und gegenwärtig ermitteln wir, wie Frontex die Rückführung illegaler Migranten organisieren kann.
Es sollte betont werden, dass die Grenzüberwachungsmaßnahmen in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere dem Schengener Grenzkodex, erfolgt. Die Grundrechte und das Rückkehrverbot müssen respektiert werden. Im maritimen Raum müssen diese Maßnahmen außerdem in Übereinstimmung mit dem internationalen Seerecht erfolgen. Diese Regeln werden jedoch von den Mitgliedstaaten nicht einheitlich ausgelegt bzw. angewandt. Daher werden wir versuchen festzustellen, wie diese Regeln entwickelt und klarer definiert werden können, damit das Gemeinschaftsrecht und das internationale Recht im Rahmen dieser Maßnahmen besser angewandt werden können.
Außerdem erarbeiten wir gerade intensiv einen Vorschlag, der Änderungen an der Verordnung über die Einrichtung der Agentur Frontex und ihrer Arbeitsmethoden ermöglicht. Dieser Vorschlag wird Anfang 2010 eingereicht werden. Darin wird der Bericht des Europäischen Parlaments und die Beurteilung, die von der Agentur gemäß Artikel 33 der Frontex-Verordnung erstellt wird, enthalten sein. Das Ziel ist es, die Rolle von Frontex bei Angelegenheiten bezüglich der Zusammenarbeit an den Grenzen zu optimieren und zu stärken.
Jetzt komme ich zum dritten Thema. Der Europäische Rat hat die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit mit den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern hervorgehoben und die Kommission gebeten, nach möglichen Wegen zur praktischen Zusammenarbeit mit diesen Ländern zu suchen. Um diese Bitte zu erfüllen, hat die Kommission intensive Anstrengungen in die Verstärkung des Dialogs und der Zusammenarbeit mit Libyen und der Türkei gesteckt, die die beiden wichtigsten Länder auf den illegalen Migrationsrouten im Mittelmeergebiet sind.
In Bezug auf Libyen haben Herr Billström und ich im Juli einen Brief geschrieben, indem wir unseren libyschen Partnern vorgeschlagen haben, in einer Reihe von Bereichen zusammenzuarbeiten, um eine gemeinsame und ausgeglichene Verwaltung der Migrationsströme von Libyen aus zu gewährleisten. Wir haben den libyschen Behörden erklärt, dass wir bereit sind, nicht nur ihre Möglichkeiten zu stärken, Migranten an einem illegalen Betreten und Verlassen ihres Hoheitsgebiets zu hindern, sondern auch die Behandlung der Migranten gemäß den Menschenrechten und der internationalen Regeln zu verbessern und Migranten, die internationalen Schutz benötigen, zu ermitteln und ihnen zu helfen.
Die Kommission gewährt bereits eine Kofinanzierung für Pilotmaßnahmen durch das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen, die Internationale Organisation für Migration und das italienische Innenministerium. Der einzige Weg jedoch, durch den wir den erforderlichen Handlungsspielraum erhalten, erfolgt durch eine klare Verpflichtungserklärung der libyschen Behörden. Herr Billström, ich mache keinen Hehl daraus, dass ich gespannt auf die Antwort auf unseren Brief warte.
Bezüglich der Türkei ist Jonathan Faull, der Generaldirektor der Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit, heute in Ankara, um zu ermitteln, inwieweit und auf welchem Weg eine Verstärkung der Kooperation die türkischen Behörden dazu bewegen könnte, sich stärker an einer verantwortlicheren Form der Migrationssteuerung zu beteiligen, um illegale Einwanderer wieder zuzulassen und, vor allem, Flüchtlingen internationalen Schutz zu gewähren. Wenn die Türkei und Libyen bereit sind, unsere Vorschläge anzunehmen, können wir und Herr Billström diese beiden Länder vor Jahresende besuchen.
Schließlich möchte ich noch das Stockholmer Programm erwähnen, das die Grundlage für eine effektivere gemeinsame Politik legen muss und uns in die Lage versetzen wird, eine koordinierte Zuwanderung im Geiste des Europäischen Pakts zu Einwanderung und Asyl zu fördern. Wir haben unsere Vorschläge im Juni eingereicht und im Juli wurden sie bei der informellen Ministerdebatte von dem schwedischen Ratsvorsitz begrüßt.
Ich werde nicht wiederholen, was ich gerade gesagt habe, also die drei Hauptthemen dieser Politik, ein gemeinsames Asylsystem im Einklang mit unserer humanitären Tradition, eine effektivere Kontrolle der illegalen Einwanderung durch eine stärker zusammenhängende Verwaltung unserer Innengrenzen und unserer Visapolitik, und schließlich natürlich eine erhöhte Effektivität bei unserem Kampf gegen Menschenhandel und die Umsetzung einer spezifischen Rückführungspolitik, die auf eine langfristige Wiedereingliederung der Migranten in ihre Herkunftsgesellschaft abzielt, sowie die Öffnung für legale Wanderungsbewegungen in einem Rahmen, der garantiert, dass auf die Bedürfnisse der Gastländer Rücksicht genommen wird, ohne die Bedürfnisse der Herkunftsländer oder den Respekt für die Rechte der Migranten zu vergessen.
Das sind die Themen. Ich habe etwas überzogen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, aber ich wollte bei Herrn Billströms sehr aufschlussreichen Erklärungen ansetzen und die Hauptthemen einer Politik, einer europäischen Strategie, betonen, die meiner Ansicht nach jetzt beginnt Form anzunehmen. Es ist noch immer notwendig, dass unsere Mitgliedstaaten volle Solidarität und Entschiedenheit zeigen, um diese Strategie umzusetzen. Ich zähle sehr stark auf das Europäische Parlament, um uns in dieser Angelegenheit zu helfen.
Simon Busuttil, im Namen der PPE-Fraktion. – (MT) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte auch Minister Billström und insbesondere den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Barrot, begrüßen. Gestatten Sie mir, Herr Präsident, dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission für die bedeutenden und ehrlichen Anstrengungen zu danken, die er im Bereich Immigration und Asyl unternommen hat. Ich möchte Herrn Barrot meine Wertschätzung und Dankbarkeit ausdrücken für die Leidenschaft, mit der er diese Arbeit erledigt hat, und für die konkreten Initiativen, die er in diesem schwierigen, kontroversen und sensiblen Bereich eingeleitet hat. Das bringt mich zu meinem ersten Punkt, Herr Präsident, den ich in Bezug auf die Komplexität dieses Themas ansprechen möchte.
Es ist leicht, mit dem Finger auf das ein oder andere Land zu zeigen: wir müssen die Situation jedoch ernsthaft und gründlich analysieren. Andernfalls gehen wir das Risiko ein, Opfer des Absurden zu werden. Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. In letzter Zeit wurde die italienische Regierung kritisiert, weil sie ankommende Einwanderer umgehend wieder zurück nach Libyen geschickt hat. Wir müssen dies jedoch als Ergebnis der italienischen Maßnahmen verstehen. Die Zahl der Einwanderer, die sich entschieden haben, die gefährliche Reise zu wagen und ihr Leben zu riskieren, hat sich in diesem Jahr deutlich verringert.
Wir müssen erkennen, dass dieses Rückführungssystem dem organisierten Verbrechen und den Menschenhändlern einen schweren Schlag versetzt hat. Das bedeutet, obwohl es zweifellos notwendig ist, das Recht der Einwanderer auf Asyl anzuerkennen, dass es ebenso notwendig ist, an unseren Anstrengungen festzuhalten, diese Tragödie, die sich auf dem Mittelmeer abspielt, ein für allemal zu beenden. Ebenso wichtig ist es, weiter gegen die Menschenhändler zu kämpfen, die das Elend und die Schwierigkeiten der Immigranten, die nach Europa einwandern möchten, ausnutzen.
Daher müssen wir immer die Komplexität dieses Themas berücksichtigen. Ich möchte einige andere Punkte erwähnen. Wir müssen Frontex verbessern, insbesondere hinsichtlich der möglichen Zusammenarbeit die zwischen Ländern stattfinden könnte und konkrete Probleme umfasst, die mit der Rückführungspolitik, an der mehrere Länder beteiligt sind, zusammenhängen. Leider hat Frontex in diesem Bereich noch nicht genügend Anstrengungen unternommen. Die von Vizepräsident Barrot erwähnten Initiativen verdienen auch Aufmerksamkeit; zum Beispiel das allgemeine Neuansiedlungsprogramm, das Pilotprojekt für Länder wie Malta und die Einrichtung eines Asylbüros. Das sind die Initiativen, die umgehend umgesetzt werden müssen. Zum Abschluss möchte ich erwähnen, dass ein genauso wichtiger Faktor, der beachtet werden muss, die Zusammenarbeit mit Libyen und anderen Drittländern ist, von denen aus die Einwanderer ihre Reise beginnen. Ohne die Zusammenarbeit mit diesen Ländern, werden wir nichts erreichen.
Juan Fernando López Aguilar, im Namen der S&D-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Billström, Kommissar Barrot! Ich stimme zu, dass dieses Thema wichtig ist, und unterstütze die Einschätzung, die sowohl der Ratsvorsitz als auch die Kommission diesem Thema zugebilligt haben, als einem der bedeutendsten Aspekte der Globalisierung, auf die eine europäische Antwort erforderlich ist.
Dies ist ein Bereich, in dem Europa sinnvolle Arbeit verrichten kann, indem es die Verwaltung eines der eindeutigsten Aspekte der Globalisierung, nämlich dem beispiellosen Ausmaß der Migration und damit der Wanderungsbewegungen und deren Auswirkungen in allen wichtigen Bereichen auf die europäische Integration, verbessert.
Dieses Phänomen kann nicht von einzelnen Mitgliedstaaten mit ihren jeweiligen Kapazitäten allein bekämpft werden. Daher benötigen wir eine gemeinsame Strategie, die bisher noch auf sich warten lässt. Alles, was getan wurde, um diese gemeinsame Strategie zu entwickeln, die entwickelt werden muss, hätte unter der Europäischen Verfassung und dem Vertrag von Lissabon geschehen müssen. Diese Strategie wurde jedoch noch immer nicht entwickelt. Alles, was getan wurde, geschah in Erwartung der erforderlichen Maßnahmen und befindet sich noch immer in der Anfangsphase.
Es ist jedoch klar, dass die Antwort auf dieses Problem mit der europäischen Identität übereinstimmen muss. Als Folge davon ist der erste Ansatzpunkt die Verpflichtung, die Ungleichheiten in den Herkunftsländern durch eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit zu korrigieren.
Zweitens müssen wir den Kampf gegen die politischen und kriminellen Aspekte dieses Phänomens intensivieren, indem wir auch die Organisationen, die mit Menschen handeln, bekämpfen. Gleichzeitig müssen wir besser über die Risiken illegaler Einwanderung und über illegalen Menschenhandel, Schulungen in den Herkunftsländern und Schwarzarbeit informieren. Die Antwort muss legale Wanderungsbewegungen als Alternative zu illegaler Einwanderung mit einbeziehen.
Und schließlich müssen wir uns ernsthaft für die Menschenrechte einsetzen. Dies umfasst die Aspekte Asyl und Flüchtlinge sowie die Einhaltung des Europäischen Pakts zu Einwanderung und Asyl, der im Oktober 2008 unterzeichnet wurde.
In der Zwischenzeit müssen wir jedoch die europäische Außengrenze verstärken, sowohl in Bezug auf deren Kontrolle als auch auf unsere gemeinsame Verantwortung für die Grenze. Die Auswirkungen illegaler Einwanderung in Italien, Spanien oder Griechenland – wie sie in Spanien an der südlichen Grenze des Mittelmeers und ebenso auf den Kanarischen Inseln durch die Boote voller verzweifelter Menschen zu sehen sind – sind nicht nur eine spanische oder italienische Angelegenheit. Es ist eine europäische Angelegenheit, die nicht nur Solidarität mit Spanien oder Italien erfordert, und noch weniger die Hoffnung, dass Spanien und Italien in ihren bilateralen Beziehungen mit afrikanischen Ländern das europäische Modell umsetzen. Nein, es ist eine gemeinsame Verantwortung, die eine gemeinsame Reaktion erfordert.
Aus diesem Grunde hat der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres die Stärkung von Frontex sowie die Erhöhung des Haushalts von Frontex unterstützt. Wir hoffen, dass dies in diesem Haus Zustimmung findet, da wir die Bedeutung, die der schwedische Ratsvorsitz dieser Angelegenheit beigemessen hat, anerkennen.
Sonia Alfano, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank Herr Barrot und Herr Billström. Am 31. August habe ich der Kommission eine Anfrage mit Vorrang vorgelegt. Es stimmt, dass die Anzahl der Migranten, die die Küsten von Italien und Libyen erreichen, gesunken ist. Dies liegt jedoch daran, dass die Anzahl der Toten, die im Mittelmeer zu beklagen sind, gestiegen ist.
Leider ist das Mittelmeer inzwischen zu einem Massengrab geworden und die Berlusconi-Regierung, das heißt die italienische Regierung, hat eine Vereinbarung mit Libyen unterzeichnet, die es Italien leider erlaubt, nicht nur Migranten die Einreise zu verweigern, sondern auch Flüchtlingen aus Ländern, in denen es Verfolgung und Bürgerkrieg gibt, wie Somalia und Eritrea. Italien verweigert diesen armen Menschen das Recht auf Asyl und verletzt damit alle internationalen Regeln und insbesondere das Genfer Abkommen.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Nichtzurückweisung ein Grundsatz ist, der keine geographischen Grenzen kennt und um den unter keinen Umständen gefeilscht oder verhandelt werden darf. Wir möchten nicht weiter denken, dass diese Vereinbarung zwischen Italien und Libyen im Endeffekt auf wirtschaftliche Interessen im Wert von ungefähr 5 000 Mrd. EUR hinausläuft.
Ich fordere von der Kommission, keine Vereinbarung zwischen der EU und Libyen abzuschließen – falls dies ihre Absicht ist –, die der italienischen Vereinbarung ähnelt, da wir die Ergebnisse dieser verabscheuungswürdigen Vereinbarung gesehen haben. Ich wiederhole, dass diese Vereinbarung diese Menschen leider dazu zwingt, Folter zu ertragen, denn das ist es, worum es hier geht: die Auffanglager, in denen sie in Libyen untergebracht werden, sind Presseberichte zufolge Folter. Dies zeigen auch Fotos, zum Beispiel Fotos, die viele dieser Immigranten im Ganfuda-Gefängnis, 10 Kilometer außerhalb von Benghazi, zeigen. Das ist Folter, die bestimmt in keiner freundschaftlichen oder institutionellen Vereinbarung belegt wird.
Wie der Hochkommissar für Flüchtlinge der Vereinten Nationen betont hat, verhindert der Grundsatz der Nichtzurückweisung, dass Menschen in Länder zurückgeschickt werden, in denen ihr Leben in Gefahr oder ihre Freiheit bedroht sein könnte. Diese Menschen zurück nach Libyen zu schicken, das, wie ich erneut anmerken möchte, das Genfer Abkommen weder unterzeichnet noch ratifiziert hat, ist wirklich kaum zu fassen. Außerdem ist, um das Ganze noch schlimmer zu machen, die illegale Einwanderung in Italien eine strafbare Handlung. Und damit wurden zum Beispiel nach der dramatischen Anlandung Ende August, bei der viele Somalis ihr Leben verloren, die wenigen, ich denke vier oder fünf Somalis, die es geschafft hatten, ihr Ziel zu erreichen, unter anderem der Einwanderung angeklagt und werden daher nun nach italienischem Recht verfolgt.
Ich rufe die Kommission auf, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, um zu ermitteln, ob die Vereinbarung zwischen Italien und Libyen internationalem Recht entspricht und endlich einen entscheidenden Richtungswechsel einzuleiten, indem sie die schändliche Politik der italienischen Regierung nicht unterstützt.
Hélène Flautre, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Das letzte Mal, das wir eine Diskussion nach einer Tragödie im Mittelmeerraum geführt haben, war am 1. April.
Sie werden sich daran erinnern, dass viele Hundert Migranten vor der Küste Libyens umkamen. Wir hatten eine Untersuchung gefordert. Bis heute haben wir keine Informationen zu den Umständen dieser Tragödie erhalten.
Seitdem wurden, wie Sie wissen, 73 Afrikaner Mitte August tot vor Lampedusa gefunden. Am 25. August wurden 57 Eritreer endlich gerettet, nachdem sie lange Zeit in maltesischen Gewässern trieben. Am 31. August wurde 75 Somalis die Einreise nach Libyen verweigert.
Die Außengrenzen der Europäischen Union sind wirklich mörderisch geworden. Das ist der Titel eines fälligen Berichts der NRO „Migreurop“, den ich Ihnen allen, meine Damen und Herren, zum Erwerb und genauen Lesen ans Herz lege.
Angesichts dieser Situation beziehen Sie sich, Herr Barrot, auf einige Schlüsselfragen. Sie beziehen sich auf das Asylrecht, auf das Recht auf internationalen Schutz. Sie sollten sich ebenso auf das Recht eines jeden Menschen beziehen, jedes Land zu verlassen, sowie auf die Verpflichtung aller, anderen zu helfen, unabhängig davon, wer sie sind. Das ist internationales Seerecht. Diese Situationen kommen immer häufiger vor, insbesondere auch an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Aus diesem Grunde glaube ich nicht, Herr Barrot, dass eine Stärkung der Frontex-Ressourcen die Lösung dieses Problems ist.
Ich glaube, dass die Europäische Union heute mit ihrem eigenen Projekt konfrontiert wird. Die Europäische Union gründet auf der Verweigerung, anderen Menschen die Würde abzuerkennen, und diesem Grundsatz muss sie treu bleiben.
Timothy Kirkhope, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident! Das gemeinsame EU-Neuansiedlungsprogramm der Kommission verfolgt sicherlich noble Absichten, die daraufhin zielen, eine stärkere Kooperation zwischen den nationalen Regierungen in Bezug auf die Neuansiedlung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu fördern. Als britischer Konservativer bleibe ich jedoch besorgt hinsichtlich seiner Umsetzung. Wir wollen keine Fortführung der Probleme wie derjenigen, die wir in Sangatte in Frankreich hatten.
Ich denke, dass die Kooperation und Solidarität in der gesamten Europäischen Union natürlich wichtig ist, wenn wir über die Lasten sprechen, die die Nationen zu tragen haben, aber wir müssen besser zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und Asylbewerbern unterscheiden. Sie haben natürlich das Recht, Zuflucht zu suchen, aber wir müssen trotzdem eine Gesetzgebung haben, die den Ländern nicht die Hände bindet in Bezug darauf, wer zugelassen wird und wem Asyl gewährt wird. Ein gemeinsamer Ansatz wie der, den die Kommission vorschlägt, kann die Möglichkeiten der EU-Länder untergraben, dies zu entscheiden.
In der Zwischenzeit sollte jedoch die Befestigung der südlichen Grenzen eine der obersten Prioritäten sein. Frontex muss eine wichtige Rolle in dieser Hinsicht spielen, um als starkes Abschreckungsmittel für Wirtschaftsmigranten zu wirken, die die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten möchten. Wir müssen stärker gegen die verschiedenen Drittstaaten vorgehen, die solche Aktivitäten unverantwortlicherweise fördern. Die Kommission sagt, dass die einzelnen Regierungen im Endeffekt über die Zahl der aufzunehmenden Menschen entscheiden und dass Großbritannien und andere Länder nicht gezwungen werden, größere Mengen an Wirtschaftsmigranten aufzunehmen als sie gewachsen sind und die sie in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht versorgen können. Das ist notwendig und richtig. Länder wie Großbritannien benötigen Garantien, dass unsere Asyl- und Migrationspolitik in unserer Hand bleibt, sowie Garantien, dass der Ansatz der EU weiterhin auf offener Zusammenarbeit und nicht auf Zwang aufbaut.
Willy Meyer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Billström, Kommissar Barrot! Der Beginn dieser Legislaturperiode bietet uns eine hervorragende Gelegenheit, unsere Migrationspolitik zu überdenken.
Zurzeit haben wir eine Migrationspolitik, die auf Heuchelei und Zynismus beruht. Wir sagen, dass das europäische Projekt ohne Wanderarbeiternehmer unmöglich wäre, und dennoch kriminalisieren wir sie mit Rechtsvorschriften wie der Rückkehr-Richtlinie, die passenderweise auch als „Richtlinie der Schande“ bezeichnet wird, und den Grundsätzen und Werten der Europäischen Union nicht entspricht.
Diese Politik, die versucht, Europa in dieser Zeit der Krise zu einer Festung zu machen, die eine dreifache Krise ist in Bezug auf Nahrungsmittel, Finanzen und Energie, wird nicht von jedem verstanden, weil unsere Arbeit schlecht ist und in die falsche Richtung zielt. Wenn Europa nötig ist und insbesondere wenn Europa dank der Wanderarbeiternehmer nötig ist, dann müssen wir ihre gesamten Rechte achten und sie nicht zu Kriminellen machen, wie es die Europäische Union tut. Dies bringt einfach noch mehr Leid in die Familien, die nur versuchen, Krieg oder Hunger zu entkommen.
Als Folge davon, wäre die beste Visitenkarte bei dem nächsten Frühlings-Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter oder Regierungen in Madrid zwischen der Europäischen Union, Lateinamerika und den Karibikländern eine Aufhebung dieser „Richtlinie der Schande“, die unseren Grundsätzen und Werten nicht entspricht, und die keine Regierung, insbesondere in Lateinamerika und der Karibik, von wo aus Tausende Wanderarbeiternehmer in die Europäische Union kommen, versteht.
Daher rufe ich dazu auf, über eine Aufhebung dieser „Richtlinie der Schande“ ernsthaft nachzudenken.
Gerard Batten, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident! Die zur Diskussion stehenden Maßnahmen sind Teil des bestehenden sogenannten Bereichs der Justiz, Freiheit und Sicherheit, zu dem die Einwanderung gehört. Dabei geht es um eine gemeinsame Migrations- und Asylpolitik, und egal wie viel die britische Regierung das britische Volk belügt, wir wissen, dass sie daraufhinarbeiten, dass Großbritannien letztendlich an diese gebunden ist.
Aber eine „Einheits“-Migrationspolitik funktioniert für Großbritannien nicht. Großbritannien ist eines der am dichtesten bevölkerten Länder der Welt, überraschenderweise dichter bevölkert als Indien, China oder Japan. Die Netto-Einwanderung nach Großbritannien beträgt ungefähr 230 000 Menschen pro Jahr, wodurch die Bevölkerung alle vier Jahre ungefähr um eine Million zunimmt. Die Bevölkerung wird von den gegenwärtigen 61,4 Millionen, einem Höchststand, bis 2031 auf mehr als 70 Millionen anwachsen und dann immer weiter steigen. Dieses Wachstum entsteht aufgrund der Einwanderung und der Geburtenrate bei den Einwanderern.
Die UK Independence Party lehnt etwas Einwanderung nicht ab, aber diese sollte streng kontrolliert werden und zum Vorteil von Großbritannien und nicht der Europäischen Union oder anderer Länder sein. Großbritannien benötigt keine gemeinsame europäische Migrationspolitik. Was wir brauchen, ist ein sofortiges Ende der Masseneinwanderung und die Einführung einer streng begrenzten und kontrollierten Migrationspolitik. Wir sollten die Bedingungen der Flüchtlingskonvention von 1951 anwenden, die fordert, dass Flüchtlinge Zuflucht in dem ersten als sicher geltenden Land, in das sie kommen, suchen – und das ist nicht eine kleine Insel vor der Küste Europas genannt Großbritannien.
Wir sollten die Förderung der Multikulturalität beenden, die entzweit und Konflikte verursacht, und die vorhandenen Migranten assimilieren und in eine gemeinsame Kultur integrieren, die Respekt für gemeinsame politische und rechtliche Institutionen zeigt. Es sollte in Großbritannien – und ich würde vorschlagen überall in Europa – kein Platz für das Scharia-Recht geben.
Louis Bontes (NI). – (NL) Herr Präsident! Frontex funktioniert nicht. Der Haushalt für die Operation Poseidon, die zurzeit in Vorbereitung ist, beträgt 11 Mio. EUR. Das ist nutzlos. Das ist in den Müll geworfenes Geld. Sofortiges Zurückschicken und ein Durchgreifen gegen die Länder, die diese Einwanderungspolitik ermöglichen, ist die einzige Lösung. Die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik liegt nicht im Interesse des niederländischen Volkes. Die niederländische Partei für die Freiheit, in deren Namen ich spreche, spricht sich vehement gegen diese Politik aus. Sie wird dazu führen, dass noch mehr Menschen ohne Perspektiven nach Europa kommen werden. Das niederländische Volk braucht keine Solidarität, was es braucht, ist, dass wir hier für die niederländischen Interessen eintreten. Schluss damit!
Ich möchte eine weitere Reaktion auf den schwedischen Ratsvorsitz vorbringen. Der Vorsitz ist der Ansicht, dass Europa zum Nutzen seines Arbeitsmarktes seine Grenzen der Masseneinwanderung weiter öffnen sollte. Die Partei für die Freiheit lehnt dies kurzerhand ab. Das ist ein Deckmantel, der eine Masseneinwanderung ermöglichen soll. Sehen Sie, was in den großen Städten geschieht – sehen Sie die unglaublichen Probleme, denen diese gegenüberstehen. Denken Sie an Ihr eigenes Volk, denken Sie an Ihr eigenes Land, denken Sie an ihre eigene Kultur. Wir werden dies zumindest tun. Ich möchte noch hinzufügen, dass genug genug ist. Lassen Sie uns die Masseneinwanderung beenden; sie ist bereits weit genug gegangen.
Agustín Díaz de Mera García Consuegra (PPE). – (ES) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission, Herr Ratsvorsitzender! Die Herausforderungen der Wanderungsbewegungen bleiben dieselben, ebenso wie unser Engagement, diese zu überwinden.
Diese Herausforderungen sind die folgenden: die erste ist die Bewegung hin zu einer gemeinsamen Migrationspolitik; die zweite besteht darin, die Organisation der legalen Wanderungsbewegungen stark zu verbessern; die dritte besteht darin, die Integrationsprozesse zu verbessern; die vierte besteht im Kampf gegen illegale oder heimliche Einwanderung mit absoluter Entschlossenheit; die fünfte besteht in der Weiterentwicklung von Frontex; die sechste besteht in der Verbesserung von Verfahren, Abmachungen und Vereinbarungen mit den Herkunfts- und Transitländern; und die siebente besteht in der Erzielung eines Fortschritts bei der gemeinsamen Asylpolitik.
Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen muss 2010 ein faires, echtes und egalitäres Büro werden, das die Verantwortung in einer Weise verteilt, die Solidarität gewährleistet und für eine Weiterentwicklung des internationalen und ergänzenden Schutzes sorgt.
Hinsichtlich Frontex ist es eine Frage der Koordination und Kooperation; unter keinen Umständen darf es zu einer Ersetzung nationaler Kompetenzen kommen. Die Notwendigkeit, die Frontex-Einsätze südlich unserer Grenzen, in Südeuropa, insbesondere im Mittelmeerraum und an der atlantischen Grenze zu erweitern, ist nicht nur die Antwort der Europäischen Union auf den Migrationsdruck, der sich in Griechenland, Malta, Italien oder Spanien entwickelt; es ist auch eine humanitäre Antwort, um Tod zu verhindern und Tragödien abzuwenden.
Sehen Sie nur, was mit dem Frontex-Haushalt geschehen ist: Er ist von 6 Mio. EUR im Jahr 2005 auf 78 oder 83 Mio. EUR im Jahr 2010 gestiegen. Herr Präsident, unsere Sorge ist jedoch, dass Frontex nicht in der Lage sein wird, den Haushalt, den ihm das Parlament zuerkannt hat, zu verwalten. Das wäre nicht akzeptabel, da es viele Herausforderungen und Einsätze gibt, die gelöst werden müssen.
Es ist erforderlich, dass Frontex dem Zentralregister der verfügbaren technischen Ausrüstungsgegenstände (CRATE) Leben einhaucht. Es ist ebenso erforderlich, dass das Engagement der Mitgliedstaaten für CRATE wirksam wird. Wir benötigen eine stärkere und bessere Abstimmung mit Europol. Wir müssen Iconex verwalten und, Herr Präsident, in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte, müssen wir für eine stärkere und bessere Abstimmung zwischen Frontex und der Internationalen Organisation für Migration und ebenso dem UNHCR sorgen.
Das sind die Herausforderungen und das sind unsere Verpflichtungen.
Claude Moraes (S&D). – Herr Präsident! Niemand unterschätzt die unglaublichen Schwierigkeiten bei der Schaffung des vom Vorsitzenden unseres Ausschusses erwähnten Gleichgewichts sowie durch den Migrationsdruck, dem die Europäische Union ausgesetzt ist, und den Druck, den wir im Mittelmeerraum erfahren. Und dennoch wurden wir diesen Sommer wieder an die harte Realität erinnert, der die Migranten und Asylbewerber ausgesetzt sind, die Verfolgung erleben und vor Armut fliehen.
Frontex spielt zweifellos eine Schlüsselrolle in dem europäischen Ansatz zu Wanderungsbewegungen. In dem Maße, in dem wir ein stärker aufeinander abgestimmtes EU-System zur Verwaltung der Außengrenzen aufbauen, nimmt die Bedeutung von Frontex zu. Daher ist meine Fraktion der Ansicht, dass es von großer Bedeutung ist, dass wir das richtige Gleichgewicht erhalten: das Gleichgewicht zwischen der Ausstattung von Frontex mit Ressourcen – wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen angeführt haben – auf der einen Seite und der Sicherstellung, dass Frontex die humanitären Aspekte seiner Arbeit stärker beachtet, auf der anderen Seite. Wie kann Frontex zum Beispiel dazu beitragen, die tragische Anzahl der auf See Verstorbenen zu verringern – über 12 000 in den letzten 10 Jahren? Rettungseinsätze auf See müssen daher in den Auftrag der Agentur mit aufgenommen werden. Der Teufel steckt im Detail. Viele dieser politischen Aufträge müssen vor Ort funktionieren und ich weiß, dass das Parlament, die Kommission und der Rat versuchen, dies zu erreichen.
Wir müssen sicherstellen, dass Frontex nicht einfach nur ein Mechanismus wird, um Menschen aus Europa fernzuhalten. Menschen, die aus legitimen Gründen Schutz bedürfen, muss der Zugang zum Hoheitsgebiet der EU gewährt werden.
Herr Kommissar, sie haben von dem Grundsatz der Nichtzurückweisung gesprochen. Es ist wichtig, dass Sie das erneut erwähnt haben. Die Situation in Italien und Libyen ist natürlich etwas, über das meine Kolleginnen und Kollegen aus Italien mehr sprechen werden, aber dieser Grundsatz darf von niemandem und von keinem Land verletzt werden.
Wir befinden uns in einer Situation, in der die Nichtzurückweisung selbst bei Ländern stattfinden wird, die nicht das Abkommen von 1951 unterzeichnet haben. Es ist wichtig, dass wir diese Menschenrechte aufrechterhalten. Wir dürfen uns nicht vor unserer Verantwortung, denen Schutz zu bieten, die ihn benötigen, drücken.
Frontex muss daher ein fairer und ausgeglichener Ansatz für Zuwanderung und Asyl werden. Wir müssen sicherstellen, dass ein Asylpaket umgesetzt wird und wir müssen sicherstellen, dass legale Zuwanderung und der Schutz der Flüchtlinge im Gleichgewicht stehen.
Sarah Ludford (ALDE). – Herr Präsident! Die britische Presse hat die Schlussfolgerungen von paranoiden und euroskeptischen Abgeordneten unterstützt und hat die Angst geschürt, dass ein zukünftiger Kommissar für Grundrechte, den Herr Barroso auf Vorschlag der ALDE-Fraktion akzeptiert hat, das Vereinigte Königreich dazu zwingen wird, mehr Asylbewerber aus Europa anzunehmen.
Das stimmt nicht Wie Vizepräsident Barrot bestätigt hat, ist das Pilotprojekt zur Unterstützung von Malta freiwillig und auch das vorgeschlagene Programm zur Neuansiedlung von nicht europäischen Flüchtlingen, die durch das UNHRC anerkannten wurden, wäre ebenso nicht verpflichtend.
Kein Element der EU-Politik hat jemals Quoten oder Zwang zur nationalen Aufnahme von Migranten enthalten. Was wir jedoch zu erreichen versuchen, ist eine freiwillige Solidarität und ich hoffe inständig, dass ein zukünftiger Kommissar für Grundrechte seinen Beitrag dazu leisten wird, dass es nicht mehr dazu kommt, dass Migranten auf dem Mittelmeer den Tod finden.
Nächsten Monat vor zehn Jahren hat sich die EU das Ziel gesetzt, zu einem gemeinsamen Asylsystem und einer abgestimmten Migrationspolitik zu finden. Trotz beträchtlicher Anstrengungen, insbesondere durch die Europäische Kommission mit Unterstützung der Abgeordneten, ist es ganz eindeutig noch ein weiter Weg bis dahin.
Die oberste Priorität besteht jetzt darin, für eine ordnungsgemäße Verwaltung der Ströme zu sorgen, die im allgemeinen als „gemischte Ströme“ aus Flüchtlingen und arbeitsuchenden Migranten bezeichnet werden, um zwischen diesen beiden zu unterscheiden. Damit soll der europäischen Öffentlichkeit Vertrauen in die ordnungsgemäße Verwaltung gegeben werden, sowie für ein Ende der Todesfälle und die Sicherstellung des Schutzes der Asylberechtigten gesorgt werden.
Wenn Menschen in brüchigen Booten zurück auf See geschoben werden und ihre Schutzberechtigung nie geprüft wird, wird keines dieser Ziele erreicht. Ich bin schockiert, wenn ich von Kommissar Barrot höre, dass die Mitgliedstaaten das Seerecht nicht einheitlich anwenden. So eine Unordnung ist nicht akzeptabel. Frontex muss mit geeigneten Ressourcen ausgestattet werden und die Menschenrechte der Einzelnen achten. Diese Einzelpersonen müssen das Recht erhalten, anzulanden, ihr Asylstatus muss überprüft werden und sie müssen in Flüchtlinge und Personen, die nicht bleiben dürfen, eingeteilt werden.
Die EU-Mitgliedstaaten müssen, sofern erforderlich, vor den Europäischen Gerichtshof gebracht werden, wenn sie dies nicht tun. Wie meine Kollegin Sonia Alfano gesagt hat, ist die Idee, dass Libyen diese Arbeit erledigt, gänzlich empörend, wenn man dessen grobe Missachtung der Menschenrechte in Betracht zieht.
Eine rationale europäische Migrationspolitik würde einen gemeinsamen Rahmen von Kriterien für wirtschaftliche Migration umfassen, in dem die Mitgliedstaaten, die diese Migranten aufnehmen, selbst über die Anzahl der von ihnen aufzunehmenden Personen entscheiden könnten. Was wir brauchen ist Zusammenarbeit, gemeinsame Standards, einen gemeinsamen Rahmen und ebenso Solidarität.
Franziska Keller (Verts/ALE). – Herr Präsident! Ich teile Ihren Enthusiasmus über Frontex wirklich nicht. Wir haben Berichte von Frontex sowie von Mitgliedstaaten gehört, dass sie die Menschenrechte und das Recht der Nichtzurückweisung verletzt haben und Flüchtlingen keine Möglichkeit gewährt haben, Asyl zu beantragen, und diese Verletzungen der Menschenrechte geschehen im Namen der Europäischen Union.
Minister Billström, Sie sagten, dass wir ein paar Kontrollmöglichkeiten an unseren Außengrenzen benötigen, und ich frage Sie, warum wir keine Kontrollmöglichkeiten für die Menschen einrichten, die an unseren Außengrenzen arbeiten und sie verteidigen? Wieso können wir nicht etwas Transparenz und Klarheit über Frontex und dessen Arbeit erhalten? Wir brauchen Klarheit und Transparenz in diesem Haus, im Europäischen Parlament, über die Taten von Frontex. Wir brauchen Klarheit darüber, inwieweit sich die Verfahren hinsichtlich der neuen Frontex-Regeln, die Sie, Herr Kommissar, erwähnten, entwickelt haben und wir brauchen Klarstellungen darüber, wie Flüchtlinge internationalen Schutz erhalten können, wenn sie auf See abgefangen werden.
Wir brauchen außerdem Transparenz über die Übereinkommen, die mit Drittstaaten abgeschlossen werden, und darüber, was genau mit den EU-Geldern geschieht, die beispielsweise nach Libyen fließen. Ich bezweifle, dass das, was Sie als libysche Hilfe für Flüchtlinge bezeichneten, tatsächlich den Flüchtlingen hilft. Aber auch hier fehlt uns einfach die Transparenz und wenn, wie Sie sagten, selbst die Mitgliedstaaten die Rechte der Migranten nicht so interpretieren wie Sie, wie wollen Sie dann sicherstellen, dass Drittstaaten wie Libyen Ihrer Interpretationsweise folgen?
Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Parlament immer die Idee unterstützt hat, die Teilung der Verantwortung im Umgang mit Asylbewerbungen verpflichtend zu machen, und ich denke, dass Ihr Bericht zu dem Pilotprojekt, bei dem nur Frankreich eine sehr, sehr kleine, fast lächerliche Zahl von 100 Flüchtlingen aus Malta aufnahm, zeigt, dass wir mit freiwilliger Solidarität nicht sehr weit kommen. Wir brauchen hier eine Form von Verpflichtung.
Ryszard Czarnecki (ECR). – (PL) Wir möchten gegen die Einwanderung kämpfen. Sie ist ein großes Problem. Unterdessen funktionieren unsere Anzeigetafeln und Computer nicht richtig. Lassen Sie uns die Sachen, die wir wirklich angehen können, effektiv angehen.
Wanderungsbewegungen sind natürlich eines der größten Probleme, denen Europa gegenwärtig gegenüber steht. Darüber hinaus ist es nicht nur ein Problem für uns Politiker, sondern auch für die Menschen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es ist vielleicht eine der größten Herausforderungen, denen die politische Klasse in Europa gegenübersteht, und eines der größten Probleme für unsere Wählerinnen und Wähler. Einwanderung hat mehr als einen Namen. Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen haben heute von der Einwanderung aus Afrika gesprochen, die hauptsächlich den Mittelmeerraum betrifft, und was sie sagten, ist sicherlich in einer bestimmten Weise gerechtfertigt. Ich vertrete ein Land – Polen –, in dem diese illegale Einwanderung natürlich kleiner ist, aber trotzdem kommen Menschen aus der früheren Sowjetunion und einige aus Asien zu uns.
Wir stehen vor der Frage hinsichtlich der Weltanschauung bezüglich des Kampfs der EU gegen illegale Einwanderung und – einfach gesagt – auch der Beschränkungen für legale Zuwanderung. Muss Frontex die Hauptlast dieses Kampfes tragen? Ist das wirklich ratsam? Wäre es nicht effektiver, wenn das zusätzliche Geld, dass wir Frontex geben wollen, den Ländern zu geben, die die größten Probleme mit illegaler Einwanderung haben und auch den EU-Mitgliedstaaten, deren Grenzen Teil der EU-Außengrenzen sind? Herr Präsident, mir scheint zum Abschluss, dass dies ratsamer wäre.
Rui Tavares (GUE/NGL). – (PT) Herr Billström, Herr Barrot! Wir haben keine Wahl in Bezug auf das Genfer Abkommen und die Menschenrechte. Unsere einzige Möglichkeit ist die Einhaltung der Abkommen, die wir unterzeichnet haben. Das Gesetz ist eindeutig: Flüchtlinge, die an den europäischen Küsten ankommen, in Staaten zu schicken, die das Genfer Flüchtlingsabkommen nicht unterzeichnet haben, ist ein Verstoß gegen dieses Abkommen. Das ist keine abstrakte Rechtsfrage; das ist ein ernsthaftes Argument.
Wenn wir durch Frontex oder die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nach Libyen schicken, verstoßen wir gegen dieses Abkommen, und zwar nicht nur, weil wir durch die Daten der italienischen Regierung wissen, dass 75 % der Menschen, die an den Küsten Europas ankommen, Asyl beantragen und 50 % davon – ungefähr 38 % oder ein Drittel von allen – ein Recht auf humanitären Schutz haben.
Politische Entscheidungen führen zu moralischen Entscheidungen und im Moment müssen wir eine moralische Entscheidung treffen. Ist es rechtens, ist es wirklich moralisch vertretbar, das in den letzten Jahren über 14 000 Menschen bei dem Versuch gestorben sind, die Küste Europas zu erreichen? Ist es wirklich moralisch vertretbar, dass ein Großteil dieser Menschen, die ihr Leben riskieren, schon von vornherein Anrecht auf Asyl hätten haben sollen? Ist es wirklich nötig, dass sie erst ihr Leben riskieren müssen? Nein, das sollte nicht nötig sein.
Wir sagen seit langem, dass eine rein repressive Migrationspolitik, wie die, die bisher verfolgt wird, uns diesen Entscheidungen über Leben oder Tod von Menschen gegenüberstellt und uns alle gemeinsam verantwortlich für jede einzelne dieser Entscheidungen macht.
Nicht dadurch, dass wir Frontex jetzt, zum Beginn seines Mandats, mit Geld überschütten – Geld, das Frontex nicht ausgeben kann und von dem die Kommission sagt, dass es nicht ratsam ist, es Frontex jetzt zu geben – werden wir das Problem lösen. Der Weg, mit dem wir das Problem lösen können, besteht in der erneuten Überprüfung des Mandats von Frontex, und erst dann braucht Frontex vielleicht mehr Geld. Damit das geschieht, müsste Frontex kooperieren und dem UNHCR alle Informationen zur Verfügung stellen; damit das geschieht, müsste Frontex humanitäre Überlegungen in ihre Politik aufnehmen, was sie im Moment nicht tut. Meine Damen und Herren, ebenso ernsthaft ist der Vorschlag bezüglich der Flüchtlingsfonds: während wir mehr in Frontex investieren, werden diese Mittel gekürzt.
Roberta Angelilli (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin ehrlich gesagt verärgert darüber, dass bestimmte italienische Kollegen die Gelegenheit nicht ungenutzt gelassen haben, die gleiche alte Kontroverse wieder aufzurollen, mit dem einzigen Ziel, die italienische Regierung anzugreifen. In Bezug auf die Einwanderung sollten wir uns nicht länger mit ideologischer Manipulation beschäftigen, sondern zum Kern der Richtlinien vordringen, der durch den Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl vorgegeben ist und auf den Werten der Integration und Solidarität beruht.
Ich schätze wirklich die Bemühungen der Kommission in den letzten Jahren, aber Kommissar Barrot wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass wir die Arbeit beschleunigen müssen, um eine echte europäische Strategie für Einwanderung zu schaffen, die in erster Linie für einen kompromisslosen Kampf gegen illegale Einwanderung und Menschenhandel sowie -ausbeutung steht.
Wir müssen harte Maßnahmen gegen all jene ergreifen, die von diesem Menschenhandel profitieren, einschließlich der Arbeitgeber, die Schwarzarbeiter anstellen. Es ist sicherlich nicht mehr akzeptabel, dass die Einwanderung ein Problem ist, dass nur von den Grenzstaaten im Mittelmeerraum getragen wird. Der jüngste Vorschlag der Kommission zu einem gemeinsamen Wiedereingliederungsprojekt ist ein Schritt nach vorn in Bezug auf die politische und praktische Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, aber wir müssen dennoch dringend eine Reihe von Maßnahmen umsetzen, mit denen eine effektivere innergemeinschaftliche Solidarität entwickelt wird.
Aus diesem Grunde warten wir darauf, dass die Bekanntmachung des Ratsvorsitzenden der Europäischen Union bald Realität wird; eine Bekanntmachung, in der unter anderem ein aufrichtiges Gesuch des italienischen Ministers Franco Frattini widerhallt, eine Diskussion in Gang zu bringen, damit wir einen Weg finden, die Lasten und Verantwortungen, die sich aus dem Strom illegaler Einwanderer und Bewerber um politisches Asyl ergeben, fair auf die Mitgliedstaaten zu verteilen.
Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Punkt, denn andernfalls enden wir in einer paradoxen Situation, in der einige Mitgliedstaaten, zu denen Italien, Malta, Griechenland und Spanien gehören, verpflichtet sind, illegale Einwanderer aufzunehmen, wohingegen sich andere hinter dem Konzept der Solidarität auf freiwilliger Basis verstecken. Sie können sich davor nicht länger verstecken. Ich möchte Frankreich danken, das sich angeboten hat, 100 Menschen, 100 Asylbewerber, aufzunehmen: 100 Menschen; aber das sind 100 von Tausenden, Zehntausenden von Asylbewerbern. Ich danke Frankreich hiermit, aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.
Ich möchte zum Schluss kommen, indem ich sage, dass wir die Einwanderung unter anderem nicht mehr als Allheilmittel ansehen können. Ohne eine ernsthafte Politik der Zusammenarbeit hinsichtlich der Entwicklung, bei der Europa eine führende Rolle übernehmen muss, werden wir einen Teil der Welt zu einer sicheren und unvermeidbaren Zukunft aus Armut und Hoffnungslosigkeit verdammen.
Stavros Lambrinidis (S&D). – (EL) Herr Minister, Herr Kommissar! Das Parlament hat dringend zu einer Kooperation auf europäischer Ebene mit den Herkunfts- und Transitländern der Einwanderer aufgerufen. Zu diesen Ländern gehört nicht nur Libyen. Auch die Türkei gehört dazu. Abgesehen davon, dass die Türkei ein Herkunfts- und Transitland in diesem Zusammenhang ist, ist sie auch ein Kandidatenland. Anders gesagt, hat sie eine doppelte Verpflichtung, die politischen Grundsätze und Institutionen der Europäischen Union zu achten.
In wenigstens vier Fällen wurden Frontex-Hubschrauber im griechischen Luftraum vom türkischen Radar gestört, während sie ihrer Arbeit nachgingen. Tatsächlich hat gestern ein türkisches Kampfflugzeug einem Frontex-Hubschrauber gedroht, ihn zur Umkehr zu zwingen.
Was möchten Sie tun und wie werden Sie im Namen der Europäischen Union auf diese Belästigung während einer Aktion einer europäischen Institution wie Frontex reagieren?
Ebenso kann der Solidaritätsmechanismus nicht nur die Form von Frontex-artigen Polizeimaßnahmen in den südlichen Ländern annehmen. Es muss außerdem eine Solidarität in Form einer Aufnahme von Einwanderern geben, die in Ländern ankommen, die nicht jedes Mal so große Zahlen aufnehmen können. Hier fördern die Kommission und der Rat die freiwillige Solidarität, die das Papier nicht wert ist, auf dem sie geschrieben steht. Können Sie uns sagen, warum Sie nicht auch hier einen Solidaritätsmechanismus einführen?
Und schließlich sollten die Pilotprojekte zwischen Italien, Malta und Libyen nicht die einzigen Pilotprojekte sein. Wieso gibt es kein Pilotprojekt zur Rückführung von Einwanderern in der Türkei, was eine offene Wunde in diesem speziellen Problem darstellt? Hat die griechische Regierung jemals danach gefragt, Herr Kommissar, und haben Sie es abgelehnt? Oder sind Libyen, Italien und Malta einfach vorbeigekommen und sie haben sie akzeptiert, ohne Fragen zu stellen?
Hélène Flautre (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Dies gibt mir die Möglichkeit, zwei kleine Punkte zu klären, die meiner Meinung nach – und wie einer meiner Kollegen gerade sagte – die Scheinheiligkeit unserer Politik hervorheben.
Der erste Punkt betrifft die Dublin-Abkommen. Herr Kommissar, Sie kennen die Situation in Calais gut; Sie wissen, dass in Calais viele Menschen einfach den Status als politischer Flüchtling beantragen und erhalten könnten. Wieso tun sie das nicht? Weil sie aufgrund der Dublin-Abkommen garantiert in Länder geschickt werden, in die sie manchmal aus guten Gründen nicht gehen wollen. Sie wollen nicht nach Griechenland gehen, wo sie praktisch keine Chance haben, den Flüchtlingsstatus zu erhalten.
Heute sind die Dublin-Abkommen ein Instrument, das dem Schutz der Menschen, die ihn am meisten brauchen, gegenüber feindlich eingestellt ist, was zu einer Ungleichheit zwischen den Mitgliedstaaten führt. Also sollten wir nicht mehr über Solidarität sprechen, wenn Instrumente eingerichtet werden, die zu Ungleichheit zwischen den Staaten führen.
Der zweite Punkt betrifft die Rückübernahmeabkommen. Ich verstehe völlig, dass das Ziel ist, diese Abkommen mit der Türkei und Libyen auszuhandeln, das heißt, mit der Idee zu spielen, dass wir große Gebiete in Ländern haben, die unseren Nachbarn gehören, und riesige Lager zum Auffangen der Wanderungsströme. Das ist aus praktischen Gründen, moralischen Gründen und politischen Gründen nicht akzeptabel und das wissen Sie, Herr Barrot!
Clemente Mastella (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beginne sofort, indem ich sage, dass für mich, ohne Übertreibung, Gastfreundschaft heilig ist. Im Endeffekt ist es die Solidarität zwischen den Menschen, die zu der Gemeinschaft eines Staates führt, die durch bestimmte spezielle Verpflichtungen geregelt wird: Rechte und Pflichten. Daher bin ich persönlich eindeutig gegen alles, was diesem grundlegenden biblischen Prinzip widerspricht. Natürlich ist es die Aufnahme von Menschen und ebenso die Art, wie wir dies tun müssen, die gemeinsam zur Integration und all ihren Folgen führt.
Was können wir tun? Wo sollten wir diese verzweifelten Menschen, die in den Mitgliedstaaten ankommen, unterbringen und wie sollten wir gleichzeitig die auftretenden Spannungen abbauen, die wir manchmal als Unwillen, Ärger und Wut erkennen, und die zu recht beunruhigenden Formen von Antagonismus führen können?
Was sollten wir tun, um das Recht auf Asyl zu gewährleisten, einen Grundsatz, der, wie in den letzten Tagen auch zitiert wurde, nicht gleichzeitig die Tür für betrügerische Asylbewerber offen lässt, was das Alibi ist, das bestimmte Personen verwenden: Personen, die sich hinter diesem universellen Recht verstecken und die nichts mit dem Recht auf Asyl aber alles mit Illegalität und Verbrechen zu tun haben?
Denken wir wirklich, Herr Billström, dass diese ganze Verantwortung von einzelnen Staaten zu tragen ist? Bisher hat Europa sehr wahrscheinlich etwas unsicher agiert, aber mir scheint, dass es die Einrichtung eines gemeinsamen, ernsthaften Ansatzes für die Einwanderung nicht länger hinauszögern kann. Es kann nicht länger wie bisher mit vielen, nicht übereinstimmenden Stimmen sprechen und darf die am stärksten betroffenen und verwundbaren Einzelstaaten an den Grenzen nicht in die Isolation treiben. Es kann dies nicht erreichen, ohne zusammen zu einer gemeinsamen Position zu gelangen, eine, die wir bisher nicht hatten, deren grundlegende Prinzipien aber ständig verteidigt werden.
Herr Präsident, Europa kann nicht umhin, die Grenzen als ein europäisches Problem anzusehen, anstatt eines Problems einzelner Staaten. Es kann sich nicht, wie in diesem Haus bereits geschehen, in rohe, theatralische Vorstellungen verstricken in der Diskussion darüber, was die italienische Regierung oder andere Regierungen tun. Für mich ist es völlig undenkbar, dass die Tragödien, die vor der Küste Lampedusas und in Ceuta und Melilla geschehen sind, nichts mit Brüssel, Berlin und Paris zu tun haben.
Spannungen zwischen den einzelnen Staaten und Europa haben hier ihre Ursache und verursachen Probleme. Außerdem führt dies auch zu einer Zunahme des Demokratiedefizits in Europa, das bei einer nicht vorhandenen koordinierten Einwanderungspolitik nur noch schlimmer wird. Dies verstärkt den Eindruck, dass die Eigeninteressen der Staaten Vorrang vor dem Allgemeinwohl haben. Herr Präsident, dieser Eindruck verstärkt die frustrierende Erkenntnis, dass sich Brüssel und Straßburg viel zu oft mit unbedeutenden Problemen beschäftigen und nicht mit denen, die die Öffentlichkeit betreffen. Im Endeffekt führt dies zu einer Schwächung der politischen Identität Europas.
Aus diesem Grunde hoffe ich, dass der schwedische Ratsvorsitz beginnen wird, eine Vereinbarung mit den verletzlichsten Staaten abzuschließen, um logisch zu denken und das zu erreichen, was bisher gefehlt hat, nämlich eine robuste, ausgeglichene, deutliche und harte gemeinsame Einwanderungspolitik.
David-Maria Sassoli (S&D). – (IT) Herr Präsident, Herr Barrot, Herr Billström, meine Damen und Herren! Wir haben zu dieser Diskussion aufgerufen, um die Aufmerksamkeit der EU auf einige schwere Menschenrechtsverstöße zu lenken, die in Italien stattfinden. Seit Mai wurden von den italienischen Behörden 1 000 Migranten auf See aufgegriffen und den libyschen Behörden im Rahmen einer informellen und wahllosen Rückführung übergeben, ohne die Personen zu identifizieren, ihnen Rechtsmittel oder Zugang zu dem Asylverfahren zu geben, wobei die Gefahr besteht, dass sie in Libyen unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt werden. Wie Kommissar Barrot bestätigte, als er von Italien Einzelheiten verlangte, glauben wir, dass diese Praxis die grundlegenden Prinzipien verletzt, auf denen Europa aufgebaut ist.
Diese Maßnahmen sind weder mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte noch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, insbesondere nicht mit dem Schengener Grenzkodex und der Rückführungsrichtlinie und auch nicht mit dem italienischem Gesetz. Gestern haben die Vereinten Nationen Italien aufgerufen, das internationale Recht einzuhalten und gleichzeitig haben gestern 24 somalische und eritreische Flüchtlinge, die von Italien zurückgewiesen wurden, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte Beschwerde gegen Italien eingelegt.
Außerdem, meine Damen und Herren, ist illegale Einwanderung in Italien zu einer strafbaren Handlung geworden, was die Sache noch verschlimmert. Allein die Tatsache, Migrant zu sein, führt zu Diskriminierung und Ungleichheit und ist die Ursache für strengere Strafen für dasselbe Verbrechen. Die Tatsache, ein illegaler Migrant zu sein, wie es die Familien unserer italienischen, portugiesischen, polnischen, griechischen und italienischen Gemeinschaften waren, verhindert aus Angst vor einer Meldung den Zugang zu grundlegenden Rechten und einfachsten Hilfsangeboten, einschließlich Gesundheitsdienstleistungen. Dies geschieht in Italien, Herr Präsident, und es wurde auch von Rechts- und Verfassungsexperten sowie weltlichen und katholischen Vereinigungen angeprangert.
Was beabsichtigt die Kommission gegen diese Verstöße zu unternehmen? Das Parlament hat immer den Kampf gegen die illegale Einwanderung unterstützt, aber nur in Übereinstimmung mit den Grundrechten.
Herr Präsident, wir möchten wissen, ob die Kommission Maßnahmen gegen die italienische Gesetzgebung zu ergreifen plant und die Vereinbarung zwischen Italien und Libyen untersuchen möchte. Zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer können wir nicht bestimmten Regierungen erlauben, neue zu bauen.
Niki Tzavela (EFD). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Wahrheit reicht weiter als alles, was in diesem Haus gesagt wurde.
Wir erleben, wie Präsident Gaddafi dieses Problem als Anlass nimmt, den internationalen Medien ständig zu berichten, dass eine Milliarde Euro erforderlich sind, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Wir erleben, wie die Türkei, ein Staat, der der Europäischen Union beitreten möchte, täglich Frontex-Flugzeuge zurückschickt, und die Europäische Union nicht so reagiert, wie sie sollte.
Wir erleben Menschenhändler, die illegale Einwanderer nach Europa bringen und ihnen Anweisungen geben, wie sie sich selbst in den Arm oder ins Bein schießen können, wenn sie festgenommen werden, damit die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sie aufzunehmen und unter einer anderen Gesetzgebung zu behandeln, als wenn es sich um illegale Einwanderer handeln würde, da sie nun verletzt sind. Wir erleben Menschenhändler, die illegalen Einwanderern Anweisungen geben, ihre Papiere zu zerstören, bevor sie ein Land betreten, damit Gastländer wie Griechenland nicht wissen, wo sie sie hinschicken sollen. Wir erleben Einwanderer, die vorgeben, dass sie Asyl suchen, aber keine Papiere haben, aus denen wir die Tatsachen ermitteln können.
Chaos herrscht vor, Kommissar, und irgendwann muss bei dieser Angelegenheit die Ordnung mit strenger und fester Hand seitens der Europäischen Union wieder hergestellt werden.
Sylvie Guillaume (S&D). – (FR) Herr Präsident, Herr Vizepräsident, meine Damen und Herren! Wir haben wiederholt gehört, dass die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit anerkennen, eine gemeinsame Politik zur Einwanderungsverwaltung auf europäischer Ebene sowie eine Politik, die auf die gesellschaftliche Integration der Einwanderer abzielt, einzuführen.
Wir sehen jedoch täglich, dass die Wirklichkeit weit davon entfernt ist. Zum Beispiel gab es in Bezug auf die Haushaltsdiskussionen eine drastische Kürzung der Ressourcen bei den Mitteln für die Integration von Migranten. Bei den Mitgliedstaaten ist es so, dass vielen von ihnen unilateral weiterhin strenge Gesetze und Vorschriften bezüglich der Einreise in ihre Gebiet vorschreiben, um den Zugang zu ihren Arbeitsmärkten, Sozialsystemen und Ausbildungssystemen zu beschränken und die Familienzusammenführung zu erschweren.
In gleicher Weise läuft die europäische Politik zum Kampf gegen illegale Einwanderung und zur Kontrolle der Außengrenzen im Endeffekt darauf hinaus, dass die Verantwortung für die Grenzkontrollen im Widerspruch zu den Menschenrechten an unsere Nachbarn übergeben wird. Wir haben dies zwischen Italien und Libyen gesehen.
Diese Tendenz zur Auslagerung von Problemen ermöglicht es Europa im Endeffekt, sich seiner Verantwortung zu entledigen. Das ist nicht akzeptabel. Die zusätzlichen Ressourcen, die Frontex bereitgestellt werden, werden niemals ein Ersatz für die notwendige Solidarität sein, die die Mitgliedstaaten vereinen muss und sie in die Lage versetzt, bei der Aufnahme der Menschen, die internationalen Schutz benötigen, sowie bei der Aufnahme von Arbeitskräften, die benötigt werden, um die demokratischen Herausforderungen der Zukunft zu meistern, zusammenzuarbeiten.
Welche Vorkehrungen treffen Sie, um für echte Solidarität und eine wahre Lösung für die Leiden der Migranten zu sorgen?
Rita Borsellino (S&D). – (IT) Herr Präsident, Herr Barrot, Herr Billström, meine Damen und Herren! In den letzten Tagen haben Sie, Herr Barrot, bei der Aufstellung des Asylplans von Standhaftigkeit im Kampf gegen illegale Einwanderung und von Menschlichkeit beim Empfang von Verfolgungsopfern gesprochen. Übersetzt in Rechtssprache bedeutet dies die Gewährleistung des Schutzes und des Rechts auf Asyl für diejenigen, die vor Hunger, Krieg und Verfolgung fliehen, sowie die Verhinderung ihrer Ausweisung in Länder, in denen ihr Leben in Gefahr ist oder in denen sie unmenschliche Behandlung riskieren.
Das ist im Grunde genommen das Gegenteil von dem, was die italienische Regierung tut und was durch die letzte, beunruhigende Zurückweisung von 75 Einwanderern aus Eritrea und Somalia nach Libyen gezeigt wurde. Dies geschah, ohne dass wenigstens überprüft wurde, ob sich darunter mögliche Asylbewerber befinden, wie es das internationale Recht fordert, was gestern vom Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte angeprangert wurde. Eine Vereinbarung zwischen Italien und Libyen kann dieses Stück See nicht in eine Freizone verwandeln, in der die Menschenrechte missachtet werden.
Daher rufe ich die Kommission auf, so bald wie möglich Maßnahmen zu ergreifen, die dafür sorgen, dass die Regeln des internationalen Rechts wieder hergestellt und eingehalten werden. Weiterhin möchte ich gern wissen, welcher Fortschritt in den Verhandlungen zu einem bilateralen Abkommen zwischen der EU und Libyen, die bereits seit einer Reihe von Jahren geführt werden, erzielt wurde. Wann erwarten Sie ihren Abschluss? Können der Rat und die Kommission bestätigen, dass dieses Abkommen sich gegen das Abkommen zwischen Italien und Libyen durchsetzen würde? Können Sie dem Parlament die wichtigsten Punkte im Kampf gegen die illegale Einwanderung und zur Garantie des Rechts auf Asyl sowie den Grundsatz der Nichtzurückweisung erklären?
Anna Maria Corazza Bildt (PPE). – Herr Präsident! Es ist mir eine große Freude, das erste Mal in diesem Plenum das Wort zu ergreifen, um Minister Tobias Billström für sein tiefes Verständnis der ernsten Situation, der die Völker und Länder des Mittelmeerraumes gegenüberstehen, zu loben – und als geborene Italienerin weiß ich, wovon ich rede.
Ich begrüße seine Anstrengungen um einen Konsens für eine gemeinsame europäische Migrationspolitik, die absolut notwendig ist. Ich begrüße außerdem seine Initiative für das Unterstützungsbüro für Asylfragen, was einen sehr praktischen und konkreten Schritt zur Unterstützung der Mitgliedstaaten, die die Lasten spüren, und für den Beginn einer Kooperation unter den Mitgliedstaaten darstellt.
Ich möchte Minister Billström fragen, ob er, abgesehen von den Maßnahmen, über die er bereits gesprochen hat, eventuell weitere Ausführungen zur langfristigen Sicht dazu machen kann, welche Maßnahmen wir mit seinem Ansatz ergreifen können, der einen Ausgleich zwischen Menschlichkeit, Solidarität und Entschlossenheit auf der einen und jeder Form von Illegalität auf der anderen Seite schafft, um die Mittelmeerstaaten und -völker zu unterstützen.
Georgios Papastamkos (PPE). – (EL) Herr Präsident! Zweifellos benötigen wir eine gemeinsame Migrationspolitik und wir müssen die Zusammenarbeit mit Drittstaaten verstärken und zusammenhängender sowie effektiver gestalten. Bei dieser Zusammenarbeit spielen Libyen und die Türkei, wie diese Diskussion gezeigt hat, die wichtigste Rolle.
Das Verhalten der Türkei ist provozierend. Sie behindern wiederholt unsere Arbeit und ich möchte, dass dies in diesem Haus bekannt wird und möchte Herrn Barrot die Nachricht zukommen lassen, dass sie die Frontex-Hubschrauber und -Flugzeuge behindern, wenn diese auf europäischen Missionen und mit europäischem Auftrag unterwegs sind. Die Abgeordneten der Neuen Demokratie haben eine parlamentarische Untersuchung durchgeführt. Herr Barrot, Sie werden detaillierte Aufzeichnungen dieser Provokationen und des provozierenden Verhaltens der Türkei erhalten.
Hinsichtlich der Rückübernahme und der Umsiedlung müssen wir Frontex noch weiter stärken und gemeinsame Rückflüge organisieren. Herr Barrot, Herr Präsident, bitte beeilen Sie sich und besuchen Sie die Türkei und Libyen. Das Problem ist sehr drängend. Warten Sie nicht bis Jahresende. Heute oder morgen...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Barbara Lochbihler (Verts/ALE). - Herr Präsident! Grundsätzlich gilt, dass es Grenzbeamten europäischer Staaten verboten ist, potentiell Schutzbedürftige auf See zurückzuweisen, zurückzueskortieren, an der Weiterfahrt zu hindern oder in nicht zur EU gehörende Länder zurückzuschleppen. So steht es in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wir haben auch heute wieder zahlreiche Beispiele gehört, dass sich FRONTEX in der Praxis nicht an diese Vorgaben hält. Deshalb brauchen wir hier Kontrolle. Wir brauchen die Kontrolle als europäische Parlamentarier, denn es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Europäische Menschenrechtskonvention eingehalten wird.
Meine Frage an Sie: Inwieweit haben wir denn Möglichkeiten, zu überprüfen, ob die Grenzbeamten in internationalen Gewässern die verbrieften Menschenrechte einhalten? Seit Jahren erleben wir jetzt, dass die Agentur FRONTEX Menschenrechte im Einzelfall verletzt, aber auch durch ihre gesamte Arbeit die Glaubwürdigkeit der EU, was den Schutz der Menschenrechte angeht, enorm untergräbt! <BRK>
Alf Svensson (PPE). – (SV) Herr Präsident! Vielen Dank Herr Billström. Ich frage mich gelegentlich, ob wir uns nicht ein bisschen zu sehr an den Wörtern „illegale Einwanderung“ orientieren. Schließlich kann es doch nicht illegal sein, um sein Leben zu retten, denn die Menschenrechte und -freiheiten gelten für alle, egal wo sie leben.
Ich möchte betonen, dass es sehr wichtig ist, herauszufinden, wie die Bedingungen in den Ländern sind, aus denen die Menschen fliehen. Vielleicht könnte die EU aktiver sein und mehr in diesen Ländern tun, damit diese Menschen nicht fliehen müssen, um später als illegale Einwanderer bezeichnet zu werden. Vielleicht sind wir, wie ich bereits sagte, zu sehr auf das Wort „illegal“ fixiert. Wie gesagt, es ist völlig legal, sowohl innerhalb wie auch außerhalb der EU für die Menschenrechte und -freiheiten einzutreten.
Antonio Cancian (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit Ihnen im Vorsitz war es heute Morgen fast, als befände man sich im italienischen Parlament. Jedenfalls bin ich der Überzeugung, dass Einwanderung Sicherheit und die Achtung der Menschenrechte bedeutet. Leider ist jedoch die Globalisierung und die Vergrößerung der Europäischen Union auf 27 Staaten in zu großer Eile geschehen, ohne dass die geeigneten Schritte zur Wahrung der Sicherheit und Achtung der Menschenrechte unternommen wurden.
Ich habe der Kommission zugehört: die Strategie ist tragfähig und die zukünftigen Handlungen sind hervorragend, aber wir vergessen, dass dieses Problem drängend und tragisch ist und dass wir eine Notsituation vorliegen haben. Was diesen Morgen gesagt wurde, stimmt unter normalen Umständen, aber zurzeit sind die Umstände – insbesondere in Italien – nicht normal. Daher fordere ich die Kommission dringend auf, der Taktik mehr Aufmerksamkeit zu widmen als der Strategie und das Problem als gesamteuropäisches Problem zu betrachten. Vielen Dank.
Der Präsident. − Der amtierende Präsident ist in diesem Augenblick tatsächlich Italiener, aber die Diskussion war bei weitem keine rein italienische Diskussion. Zum Glück war sie, sagen wir mal, umfassender und enthielt Beiträge aus verschiedenen Bereichen und mit unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Europäischen Union.
Tobias Billström, amtierender Präsident des Rates. – (SV) Herr Präsident! Als erstes möchte ich Ihnen allen für die sehr interessante Diskussion danken. Hier wurden heute viele wertvolle Meinungen geäußert. Ich möchte dabei Herrn Busuttils Ansichten zu einer verstärkten Kooperation mit Libyen erwähnen. Ich hoffe, dass ich in der Lage sein werde, zusammen mit Kommissar Barrot Libyen zu besuchen, um die Beziehungen mit diesem Land auszubauen. Auch die Arbeit mit der Türkei wird fortgesetzt werden. Ich stimme auch mit Herrn Aguilar, dem Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, überein, dass der einzige Weg zum Umgang mit der illegalen Einwanderung in der Öffnung des Weges für legale Zuwanderung besteht. Das würde zum Beispiel den Druck auf das Asylsystem verringern.
Gegen die kriminellen Organisationen, die die Verzweiflung der Menschen ausnutzen, muss vorgegangen werden. Der schwedische Ratsvorsitz wird zu diesem Thema und dem Kampf gegen den Menschenhandel in Brüssel eine Sonderkonferenz organisieren. Der schwedische Ratsvorsitz räumt dem Versuch zu einer Vereinbarung bezüglich des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen zu gelangen und die praktische Zusammenarbeit zu verbessern, absolute Priorität ein. Natürlich hoffen wir auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments in dieser Angelegenheit.
Ich möchte Frau Alfano sagen, dass es wichtig ist, dass die vom Europäischen Rat angenommenen Rechtsakte eingehalten werden und alle Mitgliedstaaten sie wie beschlossen umsetzen. Es ist außerdem wichtig, den Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in unsere Arbeit einzubeziehen, um die hohe Qualität zu erreichen, die wir anstreben. Ich muss auch sagen, dass ich Herrn Kirkhopes Einschätzung der Bedeutung einer Unterscheidung zwischen Asyl und der Zuwanderung von Arbeitskräften zustimme. Diese Argumentation führt uns natürlich zu dem Schluss, dass die EU ein gemeinsames europäisches Asylsystem benötigt sowie auch bessere Möglichkeiten zur legalen Zuwanderung von Arbeitskräften auf Grundlage der Bedürfnisse der Länder, der Rechtssicherheit und des Schutzes gegen Lohndumping und soziale Ausbeutung.
Wenn wir das haben, brauchen wir die Politik der Herren Meyer, Batten und Bontes nicht. Wir brauchen eine vernünftige, gut durchdachte Migrationspolitik, um die demographische Struktur der EU zu verbessern und die Wirtschaft und das Wohl der Menschen zu stärken.
Frau Corazza Bildt und Herr Svensson haben das Problem angesprochen, wie wir mit den Todeszahlen auf dem Mittelmeer umgehen sollen. Es gibt keine einzelne Lösung für das Migrationsproblem. Es erfordert ein Paket aus verschiedenen Initiativen in verschiedenen Bereichen. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern ist besonders wichtig. Zum Beispiel muss die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern verstärkt werden, um Stabilität, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu schaffen.
Die Herkunfts- und Transitländer und die Mitgliedstaaten müssen auch die Seenotrettung verbessern. Die Teilung der Verantwortung unter den Ländern hinsichtlich der Seenotrettungsbemühungen muss auch geklärt werden. Wir müssen auch zu einer gemeinsamen Interpretation der Seenotrettungsvorschriften hinsichtlich des korrekten internationalen Schutzes auf der einen Seite und des internationalen Seerechts auf der anderen Seite gelangen.
Schließlich möchte ich in meinem Namen und im Namen des Vorsitzes Ihnen für die Gelegenheit danken, hier zum Europäischen Parlament zu kommen und unsere Ansichten vorzutragen. Es ist wichtig zu betonen, dass unsere Strategie auf vielen Elementen und Initiativen aufbauen muss. Ich denke, diese Diskussion hat dies deutlich gezeigt. Vielen Dank.
(Beifall)
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Diese Diskussion hat das Ausmaß des Migrationsproblems deutlich gemacht, falls das noch nötig war.
Ich möchte darauf hinweisen, dass unser Ansatz hinsichtlich der Ablehnung illegaler Einwanderung, die, wie ich hinzufügen möchte, oft auf Schmuggler und Menschenhändler zurückzuführen ist, ausgeglichen sein muss; den Wunsch, aus Achtung vor dem Kampf gegen die illegale Einwanderung eine bestimmte Art legaler Wanderungsbewegungen zu fördern, wobei diese Entscheidung bei den Mitgliedstaaten liegt; und ebenso den Wunsch, in jedem Fall die Pflicht zur Gewährung von Asyl zu erhalten.
Zuerst möchte ich kurz auf das Frontexproblem eingehen und erwähnen, dass wir einen Vorschlag ausarbeiten, der die Vorschriften für Frontex und ihre Arbeitsmethoden anpasst. Ich habe auf jeden Fall das ausgedrückte Interesse an größerer Transparenz notiert.
Andererseits werden wir auch versuchen, die Regeln klarer zu formulieren, die dazu beitragen sollen, dass das Gemeinschaftsrecht und internationales Recht im Rahmen der Frontexeinsätze einheitlich angewandt wird.
In Bezug auf die italienischen Probleme muss ich sagen, dass wir im Juli einen Brief an die italienischen Behörden gesandt haben, in dem wir um nützliche Informationen hinsichtlich der Rücksendung von Booten, die in internationalen Gewässern aufgegriffen wurden, baten. Wir haben eine Antwort von den italienischen Behörden erhalten, die unser Dienst jetzt genau auswertet.
Ich möchte noch hinzufügen, dass die Gemeinschaftsgesetzgebung fordert, dass die Mitgliedstaaten Grenzkontrollmaßnahmen in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung durchführen. Dieser Grundsatz bedeutet, dass ein Staat Menschen nicht in ein Gebiet zurückschicken darf, in denen Sie dem Risiko ausgesetzt sind, Folter, Bestrafungen oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden. Im Falle von Asylbewerbern und Flüchtlingen darf keine Rückkehr stattfinden, wenn ihr Leben und ihre Freiheit auf Grund ihrer Rasse, Religion oder Nationalität gefährdet sein könnten. Kurz gesagt, stellen wir sicher, dass diese Pflicht zum Schutz aufrechterhalten wird.
Schließlich möchte ich unseren Wunsch wiederholen, uns mit Herrn Billström mit Libyen einerseits und mit der Türkei andererseits in einem echten Dialog zu treffen, der uns die Möglichkeit bietet, den Angelegenheiten auf den Grund zu gehen, um bei der Grenzkontrolle zusammenzuarbeiten, um illegale Wanderungsbewegungen zu verhindern, aber auch, um zu sehen, wie wir mit Unterstützung des Hochkommissars für Flüchtlinge versuchen können, Verfahren in diesen Mittelmeerländern in die Wege zu leiten, die dazu führen, dass echte Asylbewerber nicht auf Schmuggler und Menschenhändler zurückgreifen müssen, um die europäischen Küsten zu erreichen, und dazu, dass ihre Asylanträge in diesen Ländern bearbeitet werden.
Das ist also der umfassende Dialog, der in diesem letzten Quartal geführt werden wird. Ich möchte dem schwedischen Ratsvorsitz für seine Bereitschaft danken, so effektiv zusammenzuarbeiten.
Zum Abschluss möchte ich wiederholen, dass wir eine europäische Strategie zu Wanderungsbewegungen benötigen. Wir fühlen, dass die Mitgliedstaaten wirklich mehr Solidarität miteinander zeigen müssen. Die Mitgliedstaaten sind von denselben Problemen betroffen. Es muss gesagt werden, dass die illegale Einwanderung im Endeffekt alle Mitgliedstaaten betrifft und nicht nur die an den Außengrenzen.
Ich halte es für wirklich wichtig, diese Solidarität aufzubauen. Wir schlagen vor, dass dies auf freiwilliger Basis geschieht, aber diese freiwillige Basis wird zweifellos als wirkliche Antwort auf diese Probleme formalisiert werden müssen.
Da haben Sie es; Ich werde diese Antworten nicht in die Länge ziehen. Ich habe viele Notizen zu den verschiedenen Reden, die vorgetragen wurden, gemacht.
Ich möchte mit einem recht dringenden Aufruf an das Europäische Parlament enden, uns insbesondere bezüglich dieser Strategie, dieser europäischen Asylpolitik, zu helfen. Da diese Angelegenheit zur Sprache kam, möchte ich betonen, dass wir den Wunsch hatten, die Umsetzung des Dublin-Abkommens zu verbessern, indem wir eine gewisse Flexibilität zuließen. Wir haben um Erlaubnis des Rates und des Parlaments ersucht, dieses Unterstützungsbüro bis Ende des Jahres einzurichten, und wir werden auch die Harmonisierung der Anweisungsverfahren vorbereiten. All dies führt zu einer echten europäischen Asylpolitik, die meiner Ansicht nach den Werten, zu denen es meiner Meinung nach einen Konsens in Europa gibt, vollständig entspricht. Wir glauben an diese Werte. Nun müssen sie in Taten umgesetzt werden.
Ich bin jedenfalls dem Europäischen Parlament für seine Hilfe bei dieser schwierigen Aufgabe dankbar.
(Beifall)
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Elisabetta Gardini (PPE), schriftlich. – (IT) Illegale Einwanderung ist eine wahre Geißel, die seit einigen Jahren hauptsächlich die südlichen Länder der EU, insbesondere Italien, Malta und Spanien, heimsucht. Es ist bekannt unter den EU-Mitgliedstaaten, dass die italienische Regierung die größten Zahlen illegaler Einwanderer empfängt, verzweifelte Menschen hauptsächlich aus Afrika, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft sind.
Im Gegensatz zu den Behauptungen, die die Vertreter der italienischen Linken, die zum x-ten Mal das Europäische Parlament missbraucht haben, um ungerechtfertigte Angriffe gegen die von Herrn Berlusconi geführte italienische Regierung zu starten, angeführt haben, bieten die Erstauffanglager medizinische Versorgung, Verpflegung und Unterkunft sowie Rechtshilfe solange dies nötig ist, um festzustellen, ob ein illegaler Einwanderer in Italien bleiben kann oder ob er oder sie in Übereinstimmung mit internationalen Abkommen zurückgeführt werden muss.
Wir müssen dringend wirksame Gemeinschaftsmaßnahmen für Einwanderung und Asyl umsetzen. Wir können nicht ernsthaft annehmen, dass Italien in der Lage ist, all die Last zu tragen, die mit einem Phänomen, das sich exponentiell verstärken wird, zusammenhängt.
Einige Mitglieder haben die Idee zur Sprache gebracht, „Quoten für illegale Einwanderer“ einzurichten. Das ist ein Fall von guten Absichten, die leider nicht von einem konkreten politischen Willen gedeckt werden. Erst kürzlich hat der schwedische Ratsvorsitz die Schwierigkeit hervorgehoben, Akzeptanz für diese Quoten zu erzielen.
Louis Grech (S&D), schriftlich. – Ich begrüße diese Diskussion, die die Aufmerksamkeit auf die fragmentierte und uneinheitliche EU-Politik zu Grenzkontrollen, Einwanderung und Asylbewerbern gelenkt hat. Ich freue mich, zu hören, dass der Rat und die Kommission diese als dringliche Probleme anerkennt. Doch bisher haben wir nur halbherzige Maßnahmen in dieser Hinsicht erfahren und keine bedeutungsvollen Ergebnisse. Es scheint auf EU-Ebene an politischem Willen zu mangeln, angemessene Ressourcen bereitzustellen, um diese Probleme auf faire Weise zu lösen. Momentan tragen die Mitgliedstaaten mit Außengrenzen die Hauptlast und ihre Situation verschlimmert sich von Tag zu Tag durch den Mangel an Ressourcen und Kapazitäten. Einige gute Vorschläge wurden in letzter Zeit diskutiert wie die Überarbeitung des FRONTEX-Mandats, der EU-weite Plan zur Neuansiedlung von Flüchtlingen und die Schaffung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen. Ich fordere die Kommission dringend dazu auf, schnell auf die Umsetzung hinzuarbeiten. Wir brauchen mehr Lösungen, die auf einem lastenaufteilenden Ansatz basieren, da nur das eine angemessene Reaktion ist. Die Kommission und der Rat müssen mehr Entschlossenheit bei der Bereitstellung der erforderlichen Geldmittel für FRONTEX zeigen. Um unsere Grenzen effektiv zu schützen, müsste die Agentur ihre eigene Ausstattung und ihre eigenen Mittel haben und ganzjährig tätig sein.
Marian-Jean Marinescu (PPE), schriftlich. – (RO) Die zukünftige Erweiterung des Schengen-Gebiets auf Rumänien steigert die Bedeutung der Gewährleistung der Sicherheit der rumänischen Außengrenzen und damit die Rolle der Agentur FRONTEX in Rumänien. Die Agentur FRONTEX muss eine immer größere Rolle im Prozess der Verbesserung der Überwachung und Kontrolle der rumänischen Außengrenze übernehmen, die mehr als 2 000 km der EU-Außengrenzen oder anders gesagt der zukünftigen Außengrenzen des Schengen-Gebiets ausmacht. Im letzten Jahr hat FRONTEX Kooperationsabkommen mit Russland und den Staaten der früheren Republik Jugoslawien sowie mit der Ukraine und der Republik Moldau unterzeichnet. Das ist ein Schritt nach vorn in Richtung der Verwaltung aller Grenzen. Eine begrüßenswerte Maßnahme wäre gegenwärtig, wenn die Europäische Kommission die Möglichkeiten untersuchen würde, wie FRONTEX diese Rechtsgrundlage nutzen könnte. Die Möglichkeit der Unterzeichnung von Kooperationsabkommen mit anderen Drittstaaten ist eine weitere Angelegenheit, die die Kommission untersuchen muss. Der Abschluss einer möglichst großen Anzahl dieser Verträge vereinfacht die effektive Koordination gemeinsamer Maßnahmen und trägt damit auch zur Achtung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten und zum Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität bei.
Tiziano Motti (PPE), schriftlich. – (IT) Ich stimme Herrn Buzeks Erklärung zu, dass die Einwanderung Europa immer genützt hat, insofern es dabei um regulierte, integrierte Zuwanderung geht, die die Institutionen und Gesetze der Zielländer achtet. Wenn eine gesellschaftliche Erneuerung und Arbeitskräftebewegungen erforderlich sind, wenn kultureller Austausch Völker bereichert, dann ist Zuwanderung ein wertvolles Hilfsmittel. In unseren jüdisch-christlichen Wurzeln finden wir den Gedanken von Nächstenliebe und Gastfreundschaft den Leidenden gegenüber.
Wenn illegale Einwanderung jedoch zu Notsituationen, Elend, Kriminalität und Unsicherheit führt, wird eine greifbare Strategie zur Integration in einem Ausmaß, das die Staaten in demographischer Hinsicht bewältigen können, notwendig. Wir betrügen uns selbst, wenn wir glauben, dass das Problem nur auf die Mittelmeeranrainerstaaten beschränkt ist: die Freizügigkeit der Bürgerinnen und Bürger in der EU kann nur zur freien Bewegung vieler illegaler Einwanderer ermuntern, die sich der Kriminalität zugewandt haben. Jeder europäische Staat hat ein moralisches und direktes Interesse, da dies in Beziehung zur Kriminalität und der Sicherheit einer halben Milliarde Bürgerinnen und Bürger steht, die uns das Mandat gegeben haben, sie durch dringende, greifbare Aktionen sowohl vor bestehenden Problemen als auch vor Problemen, die sich vermutlich schnell entwickeln werden, zu schützen. Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger können nicht gegen die allgemeine Gleichgültigkeit der Mitgliedstaaten oder die weisen Warnungen der Europäischen Kommission eingetauscht werden.
David Casa (PPE), schriftlich. − Aufgrund von Urteilen des Gerichtshofs in den „Open Skies“-Rechtssachen gestattete die Kommission die Ersetzung von bilateralen Abkommen, die zwischen einigen Mitgliedstaaten und Drittländern abgeschlossen worden waren, durch Abkommen der Gemeinschaft. Die Kommission hat daher ein Abkommen ausgehandelt, das die bilateralen Abkommen zwischen der Mongolei und bestimmten Mitgliedstaaten der EU ersetzen wird.
Nuno Teixeira (PPE), schriftlich. – (PT) Dieser Vorschlag zielt darauf ab, bestimmte Vorschriften bilateraler Luftverkehrsabkommen zu ersetzen, die in der Vergangenheit von Mitgliedstaaten der EU und der Regierung der Mongolei abgeschlossen worden waren, und beschäftigt sich mit Aspekten, die ich für kritisch erachte, darunter technische Fragen, die Besteuerung von Kraftstoffen und Preisbildung.
Ich begrüße insbesondere die Bedeutung, die der Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft eingeräumt wurde, da einige Vorschriften in früheren bilateralen Abkommen eindeutig wettbewerbswidrig waren. Ich unterstütze daher den Bericht von Brian Simpson, weil er diesen allgemeinen Leitlinien folgt.
David Casa (PPE), schriftlich. − Als Rumänien und Bulgarien der EU beitraten, wurde in ihrer Beitrittsakte festgelegt, dass ein Protokoll erstellt werden müsse, durch welches das Seeverkehrsabkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten und China geändert wird. Diese Stimme befürwortet den Abschluss dieses Protokolls.
Luís Paulo Alves (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für den Bericht über die Inanspruchnahme des EU-Solidaritätsfonds zu Gunsten von Frankreich gestimmt, weil ich der Meinung bin, dass dieser Fonds Ländern dabei hilft, effektiv und flexibel auf durch Naturkatastrophen verursachte Situationen zu reagieren, im vorliegenden Fall auf den Sturm vom vergangenen Januar, der Südwest-Frankreich heimsuchte und zu schweren Schäden führte. Dieses finanzielle Solidaritätsinstrument wird in Fällen in Anspruch genommen, in denen der durch eine Katastrophe verursachte Schaden so groß ist, dass nationale Mittel nicht ausreichen, um effizient auf die Krise zu reagieren. Das Ziel besteht darin, die wirtschaftliche Erholung zu stimulieren und die Bedürfnisse des betroffenen Mitgliedstaates zu decken.
Jean-Pierre Audy (PPE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines geschätzten deutschen Kollegen und Freundes Reimer Böge gestimmt, in dem das Europäische Parlament aufgefordert wird, den Vorschlag für einen Beschluss über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zu billigen, um etwa 109 Mio. EUR an Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen im Jahr 2009 zur Unterstützung Frankreichs bereitzustellen. Das Land war Opfer einer Katastrophe, die durch den Sturm Klaus verursacht worden war, der im Januar 2009 31 Departements im Südwesten des Landes heimsuchte und schweren Schaden in Höhe von geschätzten 4 Mrd. EUR verursachte. Ich möchte diesen Redebeitrag nutzen, um Alain Lamassoure, den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses unseres Parlaments, zu der Schnelligkeit zu beglückwünschen, mit der er sich zusammen mit den Dienststellen der Europäischen Kommission um diese Angelegenheit gekümmert hat.
David Casa (PPE), schriftlich. − Im Januar 2009 suchte ein Sturm den Südwesten Frankreichs heim. Er verursachte schwere Schäden und ermöglichte Frankreich, Mittel aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen Union zu beantragen. Ich habe für die Inanspruchnahme dieser Mittel gestimmt.
Diogo Feio (PPE), schriftlich. – (PT) Meiner Ansicht nach sind die Solidarität unter den Mitgliedstaaten in der Europäischen Union und insbesondere die europäische Unterstützung für von Katastrophen betroffene Länder ein klares Zeichen dafür, dass die EU nicht mehr nur eine Freihandelszone ist. Durch die Annahme spezieller Beihilfeinstrumente wie des Solidaritätsfonds der Europäischen Union demonstriert die Gemeinschaft, deren Leitspruch „in Vielfalt geeint“ umzusetzen wir uns aktiv bemühen, ihre Fähigkeit, in der Not vereint zu bleiben, selbst in Situationen, die hohe Anforderungen an menschliche und materielle Ressourcen stellen. Das ist etwas, das ich aufrichtig begrüße.
Ich hoffe, dass der Solidaritätsfonds nicht sehr häufig genutzt wird, denn das bedeutet, dass Europa nicht unter vielen schweren Notständen zu leiden hat. Aber ich hoffe auch, dass seine Struktur und Verfügbarkeit zunehmend verbessert und häufig neubewertet werden wird, damit er potenzielle reale Bedürfnisse schnell und unbürokratisch erfüllen kann.
Ich muss die Brände erwähnen, die verheerende Schäden in meinem Land angerichtet haben, insbesondere im Jahr 2003, und ich weiß zu schätzen, wie wichtig und nützlich Mechanismen wie dieser Fonds sind. Ich bin der Meinung, dass die besonders schwierigen Zeiten, die Frankreich im Januar dieses Jahres durchgemacht hat, die Inanspruchnahme des Fonds rechtfertigen. Das überwältigend positive Abstimmungsergebnis im Haushaltsausschuss bestätigt, dass dies eine gute Maßnahme ist.
Véronique Mathieu (PPE), schriftlich. – (FR) Ich begrüße die Intervention des Solidaritätsfonds der Europäischen Union – von der Frankreich profitieren wird – zur Unterstützung bei der Beseitigung der Schäden, die durch den Sturm vom Januar 2009 verursacht wurden, der die europäische und französische Forstwirtschaft hart getroffen hat. Die gewährten Summen sollten bis Oktober 2009 zur Verfügung stehen; mit anderen Worten, neun Monate nach dem Sturm. Diese Intervention ist schneller als die durchschnittliche Interventionszeit des Fonds, die bei rund einem Jahr vom Zeitpunkt der Katastrophe bis zur Zahlung der Beihilfe liegt.
Es ist zwar richtig, diesen Fortschritt zu begrüßen, dennoch sollte weiterhin gefordert werden, dass die Mittel des Fonds schneller zur Verfügung gestellt werden. Das derzeitige Verfahren zur Verwaltung des Solidaritätsfonds macht dies schwierig. Dennoch wurde ein überarbeiteter Verordnungsvorschlag von der Europäischen Kommission vorgelegt und von einer großen Mehrheit des Parlaments im Mai 2006 unterstützt. Ich bedauere, dass der Rat diese Angelegenheit immer noch nicht aufgegriffen hat, und ich möchte ihn jetzt auffordern, sobald wie möglich die Möglichkeit zu untersuchen, den Solidaritätsfonds der Europäischen Union schneller einsatzfähig zu machen.
Jean-Pierre Audy (PPE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines geschätzten deutschen Kollegen und Freundes Reimer Böge gestimmt, der das Europäische Parlament auffordert, den Vorschlag für einen Beschluss über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) zu billigen, um 4,1 Mio. EUR an Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen zur Unterstützung der spanischen und portugiesischen Textilbranche (Region Katalonien und Norte/Centro) bereitzustellen. Das Ziel besteht darin, Beihilfen für die Arbeitnehmer bereitzustellen, die von den Folgen der beträchtlichen Veränderungen in der Struktur des internationalen Handels betroffen sind, und sie beim Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Ich teile die Ansicht meiner Kollegen über die Beschleunigung der Inanspruchnahme dieses Fonds und über die Bewertung seiner Komplementarität mit anderen bestehenden Instrumenten wie dem Sozialfonds.
Edite Estrela (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zur Bereitstellung zusätzlicher Unterstützung für die portugiesischen Arbeitnehmer gestimmt, die von Entlassungen in der Textilbranche betroffen sind und unter den Folgen großer struktureller Veränderungen in den Welthandelsmustern leiden.
Die Inanspruchnahme von 832 800 EUR aus dem Fonds zielt auf die Wiedereingliederung der Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt mit Hilfe von persönlichen Beschäftigungsplänen ab, die zusammen mit den Arbeitnehmern erstellt werden und die Entwicklung der persönlichen Qualifikationen sowie Strategien für den Eintritt in den Arbeitsmarkt umfassen.
Diogo Feio (PPE), schriftlich. – (PT) EU-Unterstützung, insbesondere aus dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, ist von grundlegender Bedeutung, um denjenigen zu helfen, die ihre Arbeitsplätze aufgrund der Standortverlagerungen verloren haben, die in einem globalisierten Markt stattfinden. In den letzten Jahren hat Portugal, insbesondere infolge der weltweiten Wirtschaftskrise, die Auswirkungen des Problems der Reabsorption und Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt gespürt.
Zahllose Firmen haben ihren Standort verlagert, um von den niedrigeren Arbeitskosten, beispielsweise in China und Indien, zu profitieren. Dies hatte schreckliche Folgen für die gesamte Volkswirtschaft. Die Genehmigung von EGF-Mitteln zur Unterstützung dieser Arbeitnehmer ist nicht nur für die Verbesserung ihrer persönlichen und familiären Situation entscheidend, sondern auch für die gesamte nationale Volkswirtschaft, da das Ziel dieser außergewöhnlichen Maßnahmen langfristig darin besteht, diese Arbeitnehmer bei der Suche nach einem dauerhaften neuen Arbeitsplatz zu unterstützen.
José Manuel Fernandes (PPE), schriftlich. – (PT) Ich habe dafür gestimmt, weil ich der Meinung bin, dass diese Unterstützung wichtig für die portugiesischen Arbeitnehmer ist. Ich habe jedoch den Eindruck, dass der Antrag Portugals nicht ehrgeizig genug war. Die portugiesische Regierung beantragte beim EGF 833 EUR für jeden Arbeitnehmer, der in der Textilbranche entlassen wurde, wohingegen Spanien 3 006 EUR pro Arbeitnehmer in derselben Branche beantragte.
Ich finde es außerdem etwas überraschend, dass der EGF mitten in einer Wirtschaftskrise mit steigender Arbeitslosigkeit, in der die Auswirkungen der Globalisierung zu spüren sind, so wenige Anträge von den Mitgliedstaaten erhalten und angenommen hat. Tatsächlich hat der EGF dieses Jahr 500 Mio. EUR für alle Mitgliedstaaten zur Verfügung und bisher wurden nur etwa 60 Mio. EUR genutzt.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir haben für diesen Bericht gestimmt, da das Europäische Parlament grünes Licht dafür gibt, dass Portugal 832 800 EUR zur Unterstützung von Arbeitnehmern erhält, die in der Textilindustrie in den portugiesischen Regionen Norte und Centro entlassen wurden. Dies ist jedoch eine kleine Summe, und es ist bloß eine Palliativmaßnahme angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, die heute in Portugal, vor allem in diesen Regionen, herrscht.
Wie wir alle wissen, hat Portugal dieses Geld im Januar dieses Jahres bei der Europäischen Kommission beantragt. Es bezieht sich auf 1 588 Entlassungen, die zwischen Februar und November 2008 in 49 Textilunternehmen in den nördlichen und zentralen Regionen des Landes gemeldet wurden.
Es wurden jedoch auch 3 306 750 EUR zur Unterstützung von 1 720 Arbeitnehmern genehmigt, die von 30 Textilunternehmen in Katalonien, Spanien, entlassen wurden.
Was jedoch wirklich vonnöten ist, ist eine Politik zur Unterstützung der Produktion, insbesondere in der Textilbranche, zur Vermeidung weiterer Unternehmensschließungen und Entlassungen.
Patrick Le Hyaric (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Ich stimme zwar mit dem Grundprinzip überein, bin aber der Meinung, dass die Schwere der Krise Mittel in ganz anderem Maßstab erfordert, nicht zuletzt um den KMU Zugang zu Krediten und die Verfügbarkeit von Krediten zu ermöglichen, die Beschäftigung, territoriale Entwicklung und die Entwicklung von menschlichen Fähigkeiten fördern.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Einmal mehr werden die Folgen der Globalisierung an den Anträgen Spaniens und Portugals zur Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) deutlich. In den Ländern Südostasiens werden, nicht zuletzt in den Sonderwirtschaftszonen, in denen Menschen ausgebeutet und ohne soziale Mindeststandards angestellt werden, Textilien zu Dumpingpreisen hergestellt und in der Folge in Europa auf den Markt geworfen.
Unsere europäischen Betriebe, die die über Jahrzehnte entstandenen und erworbenen sozialen Rechte für Arbeitnehmer respektieren, haben aufgrund der sich dadurch ergebenden höheren Kosten das Nachsehen. Dieser Entwicklung muss umgehend ein Riegel vorgeschoben werden. Der Import von Produkten in die EU, die nicht unter bestimmten sozialen Mindeststandards hergestellt worden sind, muss schnellstmöglich verboten werden. Bis es soweit ist, können wir nur den durch die Globalisierung entstandenen Schaden in den betreffenden Ländern mindern. Ich habe daher ohne Vorbehalte für die Freigabe der Hilfsmittel aus dem Fonds gestimmt. <BRK>
Nuno Teixeira (PPE), schriftlich. – (PT) Durch die Anerkennung der negativen Auswirkungen der Globalisierung, die in den Industrieregionen Europas allzu offensichtlich sind, liegt dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) die Solidarität des europäischen Projekts zu Grunde. Er bringt diese näher an die Bürgerinnen und Bürger heran, indem er Hilfe für diejenigen Arbeitnehmer bietet, die am schwersten von diesen Veränderungen betroffen sind. Die portugiesischen Regionen Norte und Centro, in denen die Wirtschaft auf traditionellen Branchen wie der Textilindustrie basierte, modernisieren seit den frühen 1990er Jahren und versuchen damit, sich an den rasch zunehmenden Wettbewerb anzupassen.
In der Textilindustrie sind rund 15 % der Arbeitskräfte in diesen Gebieten des Landes beschäftigt, und fast 98 % der Arbeitslosigkeit in der Branche im gesamten Land sind in diesen zwei Regionen konzentriert. Das schlechter werdende Wirtschaftsklima, das diesen Regionen neben anderen – insbesondere den entlegensten Regionen wie Madeira, wo der Tourismus sehr wichtig ist – geschadet hat, hatte Besorgnis erregende Folgen in Bezug auf die soziale Kohäsion, vor allem wegen des Anstiegs der Arbeitslosigkeit. Ich unterstütze daher die Inanspruchnahme von 832 800 EUR aus dem EGF im Nachgang zu den 1 588 Entlassungen in der Textilindustrie in den portugiesischen Regionen Norte und Centro. Diese Summe muss sinnvoll für die Umschulung sowie die schnelle und nachhaltige Wiedereingliederung dieser Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt genutzt werden.
David Casa (PPE), schriftlich. − Dieser Bericht betrifft die Überarbeitung der Traditionellen Eigenmittel, der Mehrwehrtsteuer sowie des Bruttonationaleinkommens und sieht Anpassungen in Bezug auf Wirtschaftsprognosen vor. Der Vorschlag ist äußerst technisch. Daher erkläre ich einfach, dass ich für diesen Vorschlag gestimmt habe.
David Casa (PPE), schriftlich. − Im Januar 2009 wurde der Südwesten Frankreichs von einem Sturm heimgesucht, der schwere Schäden verursacht hat und Frankreich daher Zugang zu Mitteln aus dem EUSF erlaubt. Ich stimme dafür, dem Standpunkt der Berichterstatterin durch die Annahme des vorgeschlagenen Berichtigungshaushaltsplans Nr. 7/2009 zu folgen.
Patrick Le Hyaric (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Ich betrachte es als inakzeptabel, in derselben Abstimmung die Mittel zur Förderung der Impfung gegen die Blauzungenkrankheit und die Europol- und Eurojust-Mittel miteinander zu vermischen. Ich bin für die Mittel zur Ausrottung der Blauzungenkrankheit, aber gegen die Europol- und Eurojust-Mittel.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Frankreich wurde im Jänner 2009 von schweren Unwettern heimgesucht. Der Sturm „Klaus“ hat dabei verheerende Schäden, insbesondere im Bereich der Infrastruktur, angerichtet. Die Zielsetzung des Solidaritätsfonds ist es, Schäden, die von der öffentlichen Hand getragen werden müssen, zum Teil abzudecken. Alle Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Aus diesem Grund und nicht zuletzt aus grenzüberschreitender Solidarität mit den französischen Bürgern, die vom Sturm „Klaus“ betroffen waren und es zum Teil immer noch sind, habe ich für den Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans gestimmt. <BRK>
Robert Rochefort (ALDE), schriftlich. – (FR) Ich begrüße die heutige Annahme des Berichts unserer Kollegin Jutta Haug, der meine umfassende Unterstützung erhalten hat. Mit dieser Abstimmung erlauben wir, dass der Solidaritätsfonds der Europäischen Union dieses Jahr zum zweiten Mal in Anspruch genommen wird. Nachdem die Europäische Union Rumänien unterstützt hat, zeigt sie jetzt ihre Solidarität mit der französischen Bevölkerung, die im Januar 2009 die volle Kraft des verheerenden und sehr heftigen Sturms Klaus zu spüren bekam, der als eine „große Naturkatastrophe“ beschrieben wurde und als solche für die Einbeziehung in den primären Anwendungsbereich dieses Fonds in Frage kam. Insgesamt sind mehr als 120 Mio. EUR auf diese Weise zur Verfügung gestellt worden.
Wie Sie wissen, wird diese Beihilfe dringend für die Departements im Südwesten meines Landes benötigt, die beträchtliche Schäden erlitten haben. Ich möchte meinen Kollegen dafür danken, dass sie für diesen Bericht gestimmt haben. Es wird jetzt natürlich notwendig sein sicherzustellen, dass die französische Regierung die lokalen Behörden fair in den Prozess einbezieht und dass diese Behörden nicht betrogen werden, was die Art und Weise der Verwendung dieser Gelder betrifft. Es wäre in der Tat inakzeptabel, wenn nur der Privatsektor davon profitieren würde.
John Stuart Agnew, John Bufton und David Campbell Bannerman (EFD), schriftlich. − Wir bestätigen den sehr realen Bedarf in Bezug auf eine Impfung gegen die Blauzungenkrankheit, insbesondere für die Rinder- und Schafhalter im Süden und Osten Englands, die durch Massenimpfungen auf ihren eigenen Höfen einen Schutzwall gegen die Blauzungenkrankheit errichtet haben, von dem ihre Kollegen im Norden und Westen profitiert haben. Um für die EU-Finanzierung für diese Impfung zu stimmen, sind wir gezwungen, (in derselben Abstimmung) für erhöhte Finanzmittel für Eurojust und Europol zu stimmen. Dies sind zwei Agenturen, die außerhalb der Grenzen operieren, die für das britische Recht akzeptabel sind. Sie erhöhen beträchtlich die Macht des Staates auf Kosten der Freiheit des Einzelnen. Es ist höchst bedauerlich, dass die EU versucht, solche Mittel in diesen Arten von Berichten zu verbergen, und dann von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments verlangt, über diese insgesamt und nicht über die einzelnen Teile abzustimmen. Somit konnten wir nicht guten Gewissens einen solchen Bericht unterstützen. Daher haben wir uns bei diesem Thema der Stimme enthalten.
David Casa (PPE), schriftlich. − Dieser Bericht betrifft Änderungen im Haushaltsplan, die neue Verpflichtungen in Höhe von 51 640 000 EUR schaffen. Diese Mittel werden neben den Mitteln für Europol und OLAF in die Bekämpfung der Blauzungenkrankheit und die Einrichtung eines Hochflussreaktors fließen. Meine Stimmabgabe hier stimmt mit der Stellungnahme der Berichterstatterin überein.
Derek Roland Clark (EFD), schriftlich. − Ich bestätige den sehr realen Bedarf in Bezug auf eine Impfung gegen die Blauzungenkrankheit und bedauere, dass sich die britische Regierung weigert, ihre Landwirte in dieser wichtigen Angelegenheit zu unterstützen. Dieser Bericht enthält Vorschriften in Bezug auf diese Situation. Dieser Bericht enthält jedoch auch Vorschriften, die überhaupt nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben und die verheerende Auswirkungen auf das Vereinigte Königreich hätten. Insbesondere fordert dieser Bericht Finanzmittel für Eurojust und Europol, Agenturen, die außerhalb der Grenzen operieren, die für das britische Recht akzeptabel sind.
Es ist höchst bedauerlich, dass die EU versucht, solche Mittel in diesen Arten von Berichten zu verbergen, und dann von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments verlangt, über diese insgesamt und nicht über die einzelnen Teile abzustimmen. Somit konnte ich nicht guten Gewissens einen solchen Bericht unterstützen. Dies erklärt meine Stimmabgabe zu diesem Thema.
Nigel Farage (EFD), schriftlich. − Ich bestätige den sehr realen Bedarf in Bezug auf eine Impfung gegen die Blauzungenkrankheit und stelle fest, dass die Einstellung der britischen Regierung in dieser wichtigen Angelegenheit nicht hilfreich ist. Dieser Bericht enthält Vorschriften in Bezug auf diese Situation. Er enthält jedoch auch Vorschriften, die überhaupt nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben und die verheerende Auswirkungen auf das Vereinigte Königreich hätten.
Insbesondere fordert dieser Bericht Finanzmittel für Eurojust und Europol, Agenturen, die außerhalb der Grenzen operieren, die für das britische Recht akzeptabel sind. Es ist höchst bedauerlich, dass die EU versucht, solche Mittel in diesen Arten von Berichten zu verbergen, und dann von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments verlangt, über diese insgesamt und nicht über die einzelnen Teile abzustimmen. Somit konnte ich nicht guten Gewissens einen solchen Bericht unterstützen. Dies erklärt meine Stimmabgabe zu diesem Thema.
Mairead McGuinness (PPE), schriftlich. − Die Fine Gael-Mitglieder der EVP-Fraktion haben für den Berichtigungshaushaltsplan Nr. 8/2009 gestimmt. Wir stellen fest, dass diese Abstimmung die Schaffung eines Haushaltspostens zur Bereitstellung zusätzlicher Finanzierungsmittel für den Hochflussreaktor (HFR) in Petten, Niederlande, umfasst. Ursprünglich wurde die Anlage eingerichtet, um Materialien zu bewerten, die in Fusions- und Spaltreaktoren verwendet werden. Sie ist inzwischen zu einer unerlässlichen Einrichtung für die Produktion von Radioisotopen für die Medizinsektoren geworden und deckt etwa 60 % der europäischen Nachfrage ab. Der Bericht unterstützt auch unter anderem einen aufgestockten Haushaltsplan zur Ausrottung der Blauzungenkrankheit und zur Unterstützung der europäischen Arbeit im Bereich der Polizei und der Betrugsbekämpfung. Unter dem Strich hat die Fine Gael-Delegation angesichts der Beschaffenheit des HFR und der Mischung der abgedeckten Haushaltsposten für die Unterstützung des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 8/2009 gestimmt.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL), schriftlich. − Ich habe für den oben genannten Bericht gestimmt, der eine Erhöhung der Kreditzusagen für Programme umfasst, die auf die Ausrottung und Nachverfolgung von Tierkrankheiten abzielen sowie auf die Beobachtung des physischen Wohlergehens von Tieren, die im Zusammenhang mit externen Faktoren eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen könnten.
Gleichzeitig möchte ich meine Nichtübereinstimmung mit den anderen in diesem Bericht aufgeworfenen Themen hervorheben, die nicht in diesen Bericht hätten aufgenommen werden sollen:
– Die Schaffung des Haushaltspostens 10 04 04 02 (Betrieb des Hochflussreaktors - HFR);
– Die Schaffung des Haushaltsposten 18 05 02 03 (Europäische Polizei);
– Eine Verstärkung der Finanzhilfe der Gemeinschaft für EUROJUST;
– Änderungen am Stellenplan von OLAF ohne zusätzliche Finanzvorschriften.
Marie-Christine Vergiat (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Der Bericht zum Berichtigungshaushaltsplan Nr. 8/2009 der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2009 schließt einige konträre Punkte ein. Seine Schwerpunkte sind die Erhöhung der Mittel zur Ausrottung der Blauzungenkrankheit bei Schafen, die Verfolgung eines Forschungsprogramms zur Nutzung eines in den Niederlanden installierten Kernreaktors, die Europol- und Eurojust-Programme und OLAF.
Mit der Abstimmung gegen diesen Berichtsentwurf wollte ich offensichtlich keine klare Stellung gegen Vorschriften beziehen, die äußerst wichtig für die Schafhalter sind.
Ich wollte eine klare Stellung gegen die immer noch vorherrschende Nutzung der Kernkraft beziehen.
Vor allem wollte ich mein Engagement hinsichtlich der Bekämpfung der Errichtung einer sicherheitsgesteuerten und ineffektiven Festung Europa zur Gewährleistung der Sicherheit unserer Mitbürger durch den Europol- und Eurojust-Haushaltsplan bekräftigen.
Diese Strategien, die im Namen der Bekämpfung von Unsicherheit und Terrorismus zunehmend die Grundrechte und Grundfreiheiten unserer Mitbürger untergraben, müssen eingedämmt und die Aufträge der verschiedenen, an diesen Strategien beteiligten Gemeinschaftsagenturen überprüft und neu definiert werden.
7. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 11.20 Uhr unterbrochen und um 11.35 Uhr fortgesetzt.)
VORSITZ: Jerzy BUZEK Präsident
8. Eröffnungsansprache des Präsidenten des Europäischen Parlaments
Der Präsident. – Sehr geehrte ehemalige Präsidentinnen und Präsidenten des Europäischen Parlaments, verehrte Minister, verehrte Präsidenten und Vertreter der europäischen Institutionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber: liebe Freunde!
Ich stehe heute vor Ihnen als dreizehnter Präsident dieses direkt gewählten Europäischen Parlaments. Ich freue mich über die Anwesenheit zahlreicher ehemaliger Präsidentinnen und Präsidenten des Parlaments: Herr Emilio Colombo, Herr Enrique Barón Crespo, Herr Egon Klepsch, Herr Klaus Hänsch, Herr José María Gil-Robles, Frau Nicole Fontaine, Herr Pat Cox und Herr Hans-Gert Pöttering.
(Beifall)
Es ist eine große Ehre für uns, Sie heute in unserer Mitte begrüßen zu dürfen.
Wie viele von Ihnen mehrmals gesagt haben, ist meine Wahl auch ein Symbol: ein Symbol für den Wirklichkeit gewordenen Traum von der Einheit des Kontinents, den die Bürgerinnen und Bürger in unserem Teil Europas geträumt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus Estland, Lettland, Litauen, der Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Zypern und Malta! Ich kenne und ich verstehe die Befürchtungen, Bedürfnisse und Erwartungen derjenigen, die erst vor kurzem der EU beigetreten sind. Ich kenne sie, denn in meinem Land werden ähnliche Gefühle gehegt. Jetzt aber tragen wir gemeinsam die Verantwortung für die Zukunft unseres Kontinents. Es gibt nicht mehr ein altes und ein neues Europa, sondern es gibt unser Europa! Unser gemeinsames Europa, das modern und stark sein soll! Und wir wünschen uns, dass unsere Bürgerinnen und Bürger Europa auch so sehen. Das erfordert Energie und harte Arbeit. Dieses Ziel, der Traum vieler Generationen von Europäern, ist große Anstrengungen wert. Ich bin bereit, diese Arbeit und diese Anstrengungen auf mich zu nehmen, denn diese Träume waren auch die meinen.
(Beifall)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn dieser neuen Wahlperiode steht Europa und stehen wir, seine Vertreter, vor vielen Herausforderungen. Ihnen müssen wir uns gewachsen zeigen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass das Europäische Parlament bei den Bemühungen um ein besseres Europa eine besondere Rolle spielt, die über das Institutionelle hinausgeht und in die Gesellschaft hineinreicht. Eine zutiefst symbolische Rolle, denn das Europäische Parlament ist der Kern des europäischen demokratischen Systems. Es ist die Grundlage für die Dauerhaftigkeit und Stabilität dieses Systems, der Hüter der Ideale und Werte, von denen nicht nur unsere Beschlüsse und deren Folgen, sondern auch unsere Debatten geprägt sind. Aber das Europäische Parlament hat auch eine andere Aufgabe. Es ist die Aufgabe, die Vision eines neuen Europa zu schaffen, eine Vision, die über die Gegenwart hinausreicht, über das, was ist, hin zu dem, was sein soll. Diese Vision zu schaffen und an ihr mitzuarbeiten, erfordert Vorstellungskraft, Wissen und Weisheit, vor allem aber Mut.
Hannah Arendt, eine deutsche Philosophin jüdischer Herkunft, hat einmal gesagt, die Politik sei neben der Religion der einzige Bereich, in dem Wunder geschehen. Vor genau 20 Jahren haben wir in Europa ein solches Wunder gesehen, und deshalb glauben wir an die Macht von Mut, Vorstellungskraft und Weisheit. Ich denke, dass wir alle hier diesen Glauben teilen.
(Beifall)
Voller Optimismus stelle ich mich den Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Folgende Bereiche scheinen mir vor allem wichtig zu sein: Erstens die Wirtschaftskrise und europäische Solidarität; zweitens Energie und Umwelt; drittens Außenpolitik; viertens Menschenrechte und unser Wertesystem und fünftens unser Parlament und seine Reform.
Das schmerzlichste und schwierigste Kapitel ist die Wirtschaftskrise. Wir müssen sie überwinden, und dies wird uns auch gelingen. Europa hat mit seinen Lösungsvorschlägen in der G8- und der G20-Gruppe eine Führungsrolle übernommen, wobei diese Vorschläge unser Sozialmodell bewahren, zugleich aber auch zur Sanierung der Weltwirtschaft beitragen können. Im Angesicht der Globalisierung muss Europa mit einer Stimme sprechen.
Gerade jetzt, während der Krise, müssen wir uns besonders um wirtschaftliches Wachstum bemühen und die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Wir müssen die Grundgedanken der Lissabon-Strategie neu beleben und Wege finden, um in neue Technologien, in Innovation, Bildung und Humankapital zu investieren. Wichtig ist die Rolle des Gemeinschaftshaushalts, um in den europäischen Forschungsprogrammen für klare Prioritäten und Verfahren zu sorgen.
Mit Inkrafttreten des neuen Vertrags erhalten Parlament und Rat die gleichen Haushaltsbefugnisse. Das Mitentscheidungsverfahren wird auch die Bereiche Landwirtschaft, Fischerei, Außenhandel, Justiz und Inneres umfassen, sodass wir auch in Bezug auf die Ausgaben für die Landwirtschaft gleiche Befugnisse haben werden.
Wir müssen uns der Versuchung des Protektionismus und der Renationalisierung gemeinsamer Politikbereiche widersetzen. Die Kohäsionspolitik muss im nächsten Gemeinschaftshaushalt weiterhin eine der Prioritäten sein, wenn wir die vollständige Integration unseres wiedervereinten Kontinents erreichen wollen. Der Binnenmarkt ist unsere große Errungenschaft. Ihn müssen wir verteidigen und festigen, damit Europa wettbewerbsfähig bleibt. Das schwächt die europäische Integration nicht, sondern es stärkt sie. Wir sollten den Mut haben, unsere eigenen Überzeugungen zu vertreten.
Die Gemeinschaft, die wir schaffen, kann nur dann mit Leben gefüllt und verstanden werden und es lässt sich nur dann in ihr leben, wenn zwei unabdingbare Elemente vorhanden sind: Solidarität und sozialer Zusammenhalt. Denn es gibt keine wahre Gemeinschaft ohne die Fürsorge für alle, vor allem für die Schwächsten: Arbeitslose, Personen mit ungenügender Ausbildung, Menschen, die in abgelegenen Regionen leben. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist die wichtigste Zielsetzung der schwedischen Ratspräsidentschaft. Wir werden sie dabei mit allen Kräften unterstützen.
Jenseits des Eisernen Vorhangs haben wir bei Demonstrationen einst skandiert: „Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität!“ Heute können wir sagen: „Es gibt keine Gemeinschaft ohne Solidarität.“ Auch ein modernes, starkes Europa wird es ohne Solidarität nicht geben.
(Beifall)
Ohne das gewaltige geistige, wirtschaftliche und kreative Potenzial der Frauen wird es uns nicht gelingen, die Wirtschaftskrise zu überwinden.
Angesichts der demographischen Krise müssen wir die Familien stärken und Elternschaft fördern. Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen ihre berufliche Karriere nicht dem Familienleben und der Kindererziehung opfern müssen.
(Beifall)
Um die demographische Krise zu überwinden und gleichzeitig an unseren demokratischen Grundsätzen festzuhalten, müssen wir außerdem eine offene Gemeinschaft sein. Europa hat stets von der Einwanderung profitiert. Wir müssen Lösungen vorschlagen, die es uns ermöglichen, Einwanderer zu uns einzuladen und Bedingungen für ihre gelungene Integration zu schaffen, wobei die Einwanderer ihrerseits aber zu dieser Integration bereit sein müssen.
Wir sind mit einer Energiekrise konfrontiert. Die Europäer verstehen vielleicht die geopolitischen Hintergründe nicht, aber sie verstehen es, wenn ihre Heizung kalt bleibt. Wir müssen die Diversifizierung der Energiequellen fortsetzen und die Investitionen in erneuerbare Energiequellen und fossile Brennstoffe erhöhen. Die Entscheidung über eine Nutzung der Atomenergie bleibt dabei den Mitgliedstaaten überlassen.
Wir müssen das Leitungsnetz außerhalb der Europäischen Union erweitern, um zu vermeiden, dass wir in Abhängigkeit von einem einzelnen Land geraten. Die Verbindungen zwischen unseren Gas- und Stromnetzen müssen ausgebaut werden. Außerdem müssen wir die Möglichkeit gemeinsamer Gaseinkäufe erwägen, damit ein echter europäischer Energiemarkt entsteht, der von Solidarität geprägt ist. Ich denke, dass die Zeit für eine wirkliche gemeinsame Energiepolitik der Union gekommen ist. Hierfür werde ich mich engagieren.
(Beifall)
Denn in ähnlicher Weise ist die Entstehung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1951 der Ursprung unserer Gemeinschaft gewesen. Robert Schuman hat damals verkündet, dass „die Solidarität der Produktion, die so geschaffen wird, [...] bekunden [werde], dass jeder Krieg [...] nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich“ sei. Dies war die Grundidee unserer Gemeinschaft. Unsere Energiepolitik muss die Bedrohung der Umwelt durch den Klimawandel berücksichtigen. Wir brauchen eine grüne Revolution und eine Ethik der Selbstbeschränkung.
Das Europäische Parlament nimmt bei der Debatte hierzu eine führende Rolle ein. Gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus habe ich mich im Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel engagiert. Sie kennen meine Ansichten und Sie wissen, dass ich mit Ihnen zusammen dafür arbeiten werde, dass in Kopenhagen ein Kompromiss gefunden wird.
Wir sind ein wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne, und unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten dies auch von uns. Wir brauchen mehr Europa nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern auch weltweit. Eine kohärente und wirksame Außenpolitik im Dienste der Verwirklichung einer Vision der globalen Ordnung sollte eine wesentliche Priorität für die laufende Wahlperiode darstellen.
Jean Monnet hat einmal gesagt, dass jeder ehrgeizig sei. Es stelle sich nur die Frage, ob dieser Ehrgeiz dazu diene, jemand zu sein, oder dazu, etwas zu erreichen. Wir sollten den Ehrgeiz haben, in dieser Wahlperiode etwas zu erreichen.
Was also sind unsere wichtigsten Zielsetzungen? Erstens: Eine aktive Politik gegenüber den südlichen und östlichen Nachbarn der Europäischen Union. Hierzu muss die Arbeit im Rahmen der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer fortgesetzt werden, und wir müssen innerhalb der EuroNest-Versammlung tätig werden.
Zweitens: Die Förderung von Demokratie und verantwortungsvoller Regierungsführung. Wir müssen die interparlamentarischen Versammlungen und unsere Delegationen nutzen, um im Vorfeld von bilateralen Gipfeltreffen der EU parlamentarische Gipfeltreffen abzuhalten. Dies ist wichtig, da das Europäische Parlament in Zukunft in mehr Politikbereichen mitentscheiden wird. Ein gutes Beispiel für eine derartige Zusammenarbeit ist EUROLAT.
Drittens: Es ist Zeit, eine echte transatlantische Partnerschaft der Parlamente aufzubauen und gemeinsam der Weltordnung einen neuen Rahmen zu geben. Ich werde mich dafür einsetzen, die Verbindungen zwischen unserem Haus und dem US-Kongress auf allen Ebenen zu stärken.
Viertens: Wir müssen unsere strategische Partnerschaft mit Russland vertiefen, ohne dabei zu vergessen, dass wirtschaftliche und politische Erwägungen keinen Vorrang vor Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie haben dürfen. Das Gleiche gilt auch für unsere Beziehungen zu China.
(Beifall)
Als Parlamentspräsident werde ich mich voll und ganz für den Dialog mit unseren russischen Partnern engagieren, und zwar auch im Rahmen der neuen Ostseestrategie.
Fünftens: Wir müssen unsere Beziehungen zu Indien und anderen Schwellenländern wie Brasilien und Südafrika vertiefen. Indien muss sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich unser Partner sein.
Sechstens: Der Nahe Osten ist weiterhin für die globale Stabilität von entscheidender Bedeutung. Europa muss in dieser Region eine aktive Rolle spielen.
Siebtens: Die Erweiterung ist eine unserer erfolgreichsten politischen Strategien. Haben unsere Vorfahren in Europa jemals so dauerhaft in Frieden und Wohlstand leben können wie wir heute? Kroatien und möglicherweise auch Island sind heute wohl die nächsten Kandidaten für einen Beitritt zur Europäischen Union.
Achtens: Die Europäische Union ist der größte Entwicklungshilfegeber weltweit. Wir müssen eine Bilanz unserer gegenwärtigen und potenziellen Empfängerländer erstellen und, entsprechend den Millenniumsentwicklungszielen, unsere Verpflichtungen ihnen gegenüber erfüllen. Wenn wir vielleicht auch die Tür vor einigen Neuankömmlingen schließen müssen, dürfen wir doch unsere Herzen nicht verhärten und müssen, soweit es uns möglich ist, dafür sorgen, dass sich ihre Länder an unsere, an die europäischen Standards annähern.
Neuntens: Die Stärkung der von der EU im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik entsandten Missionen, von denen es in den vergangenen sechs Jahren 22 gegeben hat, ist eine wichtige Zielsetzung. Diese Missionen brauchen ein klares Mandat und die für ihre Aufgaben erforderlichen Mittel. Das Europäische Parlament wünscht eine genauere Kontrolle und Aufsicht über diese Missionen. Die erweiterten Haushaltsbefugnisse, die das Parlament mit dem Vertrag von Lissabon erhalten wird, können unsere Flexibilität bei der Zuweisung von Mitteln für jene Missionen verbessern, die wir unterstützen und für erforderlich halten.
Die Umsetzung des neuen Vertrags muss für die nächste Zukunft unsere Priorität sein. Ich verpflichte mich, das Parlament darauf vorzubereiten, sofort nach Inkrafttreten des Vertrags den neuen Vorschriften entsprechend zu arbeiten. Aber auch unabhängig von diesem Vertrag empfinden wir das Bedürfnis nach Veränderung. Wir empfinden die Notwendigkeit, in dieses Haus einen dynamischeren Parlamentarismus Einzug halten zu lassen.
Als Parlamentspräsident möchte ich mich auf die wichtige Arbeit stützen, die im Bereich der Parlamentsreform in den letzten Jahren durch meine Vorgänger bereits geleistet worden ist. Aber wir müssen weiter voranschreiten. Ich werde alles tun, um der kreativen politischen Debatte in unserem Haus mehr Raum zu gewähren.
(Beifall)
Ich persönlich bin entschiedener Verfechter eines häufigeren Einsatzes des „catch-the-eye“-Verfahrens, da dieses die Plenardebatten lebendiger werden lässt. Nach meiner Rede werden wir dieses System anwenden. Meiner Meinung nach können so auch die Rechte von Minderheiten besser gewahrt werden.
Was der Reformprozess am dringendsten braucht, ist eine Verbesserung der Beziehungen zu den anderen EU-Organen, der Kommission und dem Rat. Ein bedeutender Teil meiner Amtszeit wird dieser Angelegenheit gewidmet sein.
Als Parlamentspräsident werde ich ein neues Modell der Partnerschaft mit der Kommission, die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive sowie die Stärkung ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament anstreben, wie der Vertrag von Lissabon es vorschreibt.
Im Juli habe ich dem Kommissionspräsidenten vorgeschlagen, an einer Fragestunde teilzunehmen, die wir jeden Monat im Parlament abhalten könnten und bei der dann Abgeordnete das Wort ergreifen dürften, um Fragen zu stellen. Ich wäre dafür, dies so bald wie möglich in die Praxis umzusetzen.
(Beifall)
Vor zwei Wochen hat Kommissionspräsident Barroso uns die „politischen Leitlinien“ für seine zweite Amtszeit mitgeteilt. Dies ist eine bedeutende Neuentwicklung. Hiermit wird anerkannt, dass es das Europäische Parlament ist, das den Kommissionspräsidenten wählt. Ich nehme dies mit großer Zufriedenheit zur Kenntnis.
Darüber hinaus habe ich die parlamentarischen Ausschüsse angeregt, die noch in der Planung befindlichen Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob die neu ernannte Kommission ihre Legislativvorschläge zurückziehen, ändern oder beibehalten will. Ich fordere die Ausschüsse zudem dazu auf, eine ernsthafte Diskussion über die zukünftige politische Strategie zu führen, sodass wir uns bei den Anhörungen der designierten Kommissionsmitglieder auch auf ein detailliertes Gesetzgebungsprogramm stützen können und nicht nur auf eine Bewertung ihrer Lebensläufe und Berufserfahrung.
Wir müssen die Beziehungen zum Rat enger gestalten. Damit sie glaubwürdig gestaltet werden können, müssen sie auf der Anerkennung der Tatsache beruhen, dass das Parlament heute in der Europäischen Union ein wirklicher Co-Gesetzgeber ist.
Wir müssen auch gemeinsam an den institutionellen Fragen arbeiten, die sich aus dem Vertrag von Lissabon ergeben. Diese drehen sich um die Ausdehnung des Mitentscheidungsverfahrens, das neue System des Ausschussverfahrens, die Ernennung eines neuen Hohen Vertreters und Vizepräsidenten der Kommission, die demokratische Kontrolle über den neuen Auswärtigen Dienst sowie den Umgang mit der neuen „Doppelpräsidentschaft des Rates“ während der Plenarsitzungen.
Unsere Beziehungen zu den 27 nationalen Parlamenten in der Europäischen Union sollten sich ebenfalls in diesem Geist entwickeln. Seit einigen Jahren wird unsere Zusammenarbeit immer besser und der Vertrag von Lissabon wird unsere Kontakte noch enger und für eine bürgernahe Rechtssetzung noch wichtiger werden lassen. Ein sehr gutes Beispiel für eine solche Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten ist das Stockholmer Programm für den Bereich Justiz und Sicherheit der Bürger.
Ich möchte die Veränderungen in der Nutzung von Personal und Geldmitteln des Parlaments fortsetzen, die auf ein gesteigertes Engagement bei der inhaltlichen Arbeit hinzielen.
Reichtum und Stärke unserer Institution ergeben sich unter anderem auch aus unserer Unterschiedlichkeit: unterschiedliche Nationalitäten, unterschiedliche Mentalitäten und unterschiedliche Sprachen. Deshalb sollten die Abgeordneten die Möglichkeit haben, sich in ihrer Muttersprache zu äußern, wenn dies ihr Wunsch ist, um ihre Wähler angemessen zu repräsentieren.
Es darf nie in Vergessenheit geraten, dass es in der Europäischen Union nicht nur um die Herausforderungen der Zukunft und die Vision von immer mehr Wohlstand und Stabilität geht. Unser Hauptanliegen sind die Menschenrechte.
Mit Sorge habe ich die Spannungen in den Beziehungen zwischen der Slowakei und Ungarn aufgrund der Lage der Minderheiten zur Kenntnis genommen. Dies ist weiterhin ein großes Problem, und ich möchte meine Hilfe anbieten bei der Suche nach einer Lösung im Einklang mit den Werten, an die wir alle fest glauben und die mit den Überzeugungen unseres Hauses übereinstimmen.
(Lebhafter Beifall)
Ein gutes Beispiel dafür, wie sehr wir uns diesen Werten verpflichtet fühlen, ist der Sacharow-Preis, mit dem Menschenrechtsverteidiger ausgezeichnet werden, die heute den Kern dessen bilden, was ich „Sacharow-Netzwerk“ nennen möchte und gerne ausbauen würde. Es ist zudem mein Wunsch, das Projekt eines Hauses der Europäischen Geschichte voranzubringen, das von meinem Vorgänger initiiert wurde, der heute anwesend und immer noch Mitglied des Europäischen Parlaments ist. Darüber freuen wir uns sehr.
Ich wünsche auch, dass wir uns noch einmal hier, in diesem Haus, in Erinnerung rufen, dass die Europäische Union eine Gemeinschaft der Ideale und Werte ist und dass wir sie auf dieser Grundlage errichtet haben.
Ich bin entschlossen, allen Ausschüssen und Delegationen den Zugang zu Satellitenfernsehübertragungen und zum Internet zu ermöglichen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie die Wahlen zum Europäischen Parlament abgehalten werden. Zum Beispiel sollten wir darauf hinwirken, dass während der Wahlen neue Technologien Anwendung finden, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Es ist außerdem an der Zeit, eine Debatte über die europäischen politischen Parteien anzustoßen. Die Bürgerinnen und Bürger sollten wissen, für wen sie ihre Stimme abgeben - nicht nur in ihrem eigenen Land, sondern auch europaweit.
Die Zusammenarbeit mit der Konferenz der Präsidenten hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Gemeinsam werden wir die Verantwortung für die Arbeit unseres Hauses übernehmen, zusammen mit den 14 Vizepräsidenten, denen ich für ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit meinen Dank aussprechen möchte. Ich weiß auch den Teamgeist der Vorsitzenden unserer parlamentarischen Ausschüsse zu schätzen. Ich würde mir wünschen, dass die Vorsitzenden der ständigen interparlamentarischen Delegationen die Möglichkeit erhalten, deutlichen Einfluss auf die Außenpolitik der Union zu nehmen. Gemeinsam mit den Quästoren werden wir die Verantwortung für den Haushalt des Parlaments tragen. Vor allem aber zähle ich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Als Präsident des Europäischen Parlaments bin ich mir darüber im Klaren, dass es in meiner Verantwortung liegt, Ihnen gute Arbeitsbedingungen zu sichern. Gleichzeitig aber rufe ich Sie alle dazu auf, selbst auch daran mitzuwirken.
Für die meisten von uns ist der Vertrag von Lissabon die institutionelle Lösung, die wir uns gewünscht haben. Er wird die Union bei der Lösung der bestehenden Probleme effizienter machen und die europäischen Institutionen den Bürgern näherbringen.
Der späte Bronisław Geremek, der leider nicht mehr unter uns weilt und nach dem vor Kurzem der Hauptinnenhof unseres Straßburger Parlamentsgebäudes benannt wurde, hat häufig den bekannten Satz zitiert, dass die europäische Integration wie Fahrradfahren sei: Man müsse die ganze Zeit in die Pedalen treten, um das Gleichgewicht zu halten und lenken zu können. Dies versinnbildlicht, wie notwendig die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon ist.
(Beifall)
Vor einigen Tagen habe ich im polnischen Parlament an den Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahrestag der Vereidigung der ersten nichtkommunistischen Regierung in unserem Teil Europas unter der Führung von Tadeusz Mazowiecki teilgenommen. Dieser Jahrestag war sehr bewegend, denn mit diesem Ereignis begann der rapide Zerfall der totalitären Systeme auch in anderen Ländern Mitteleuropas. Dies war der erste Riss, der schließlich zum Fall der Mauer geführt hat, die Europa teilte.
Ich spreche heute in Straßburg, der Hauptstadt einer Region, deren Geschichte sehr an das Schicksal meiner Heimat Schlesien erinnert, einer Grenzregion, deren Bewohner häufig gezwungen waren, ihre Staatsangehörigkeit zu wechseln, obwohl ihr Wohnort derselbe geblieben war.
Ich schwöre feierlich, dass ich als Präsident des Europäischen Parlaments Ihr Botschafter sein werde, der den Bürgern Europas und der Welt die Botschaft eines wiedervereinigten Kontinents vermittelt.
Wir müssen zusammenarbeiten auf der Suche nach konkreten und praktischen Lösungen für die großen Herausforderungen, denen sich Europa und die Welt gegenüber sehen. Mit dieser Arbeit können wir unsere Träume verwirklichen. Wir sollten sie mit Enthusiasmus, Umsicht und Mut angehen.
Denn dies ist unser Europa, unser gemeinsames, modernes, starkes Europa.
(Das Haus bringt dem Redner stehende Ovationen entgegen)
Joseph Daul, im Namen der PPE-Fraktion. – (FR) Herr Parlamentspräsident, meine Damen und Herren Präsidentinnen und Präsidenten der europäischen Institutionen, lieber Herr Präsident Buzek! Meine Fraktion stimmt Ihrem Programm für das Parlament und die Arbeit des Parlaments in den kommenden fünf Jahren voll und ganz zu.
Wenn das Europäische Parlament in den nächsten fünf Jahren eine Rolle zu spielen, eine Mission zu erfüllen hat, dann ist dies in der Tat die Versöhnung der Bürgerinnen und Bürger mit Europa. Und was gibt es für einen besseren Vorteil bei dieser Aufgabe als einen Mann zum Präsidenten zu haben, der ein wiedervereinigtes Europa symbolisiert, einen Mann wie Sie, Herr Buzek?
Darum möchte ich zum Ausdruck bringen, wie stolz ich bin, dass es meine Fraktion war, die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), die eine sehr große Mehrheit dieses Parlaments überzeugt hat, Ihnen ihr Vertrauen zu schenken.
In diesem heute wiedervereinigten Europa geht es nicht um Intoleranz oder Ausgrenzung, sondern um Offenheit und Achtung für die Meinungen und die Herkunft anderer Menschen. Ich bin überzeugt, dass dieses Konzept des Zusammenlebens als Europäer uns in diesem Haus alle zusammenbringt. Was ich mir wünsche ist, dass das Europäische Parlament unter Ihrer Leitung unsere Mitbürger dazu bewegen kann, diese Werte zu teilen.
Ich unterstütze auch die von Ihnen, Herr Präsident, geäußerte Entschlossenheit, sich dieser Herausforderung zu stellen, und ich hoffe, dass wir uns hier insbesondere um die Jugend bemühen werden. Meine Fraktion wird Sie gerne unterstützen.
Herr Präsident, dieses Parlament hat, wie Sie erwähnten, in den letzten Jahren immer mehr Befugnisse und Einfluss erworben. Das bevorstehende Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird diesen Trend enorm verstärken. Dies ist einer der Gründe, warum die EVP-Fraktion fordert, dass der Vertrag so schnell wie möglich angewandt wird. Wir müssen uns natürlich technisch darauf vorbereiten, damit wir effektiv mit dem Rat und in enger Partnerschaft mit der Kommission zusammenarbeiten können, aber wir müssen uns auch und vor allem politisch darauf vorbereiten. Unser vorrangiges Ziel ist klar: Wir müssen sicherstellen, dass das Parlament stärker in Einklang mit den 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist, die es vertritt.
Hierzu muss es weiterhin insbesondere seine Arbeitsmethoden modernisieren, zum Beispiel bei der Organisation unserer Debatten – Sie haben dies angedeutet. In diesem Zusammenhang unterstütze ich Ihren Vorschlag einer lebhaften aktuellen Debatte mit dem Kommissionspräsidenten.
Meine Damen und Herren, es ist schwierig, den Europäern die Arbeitsweise der Europäischen Union zu erklären. Weit entfernt von dem traditionellen „Oppositions-/Mehrheits“-Modell, an das wir in unseren Mitgliedstaaten gewöhnt sind, arbeiten wir hier, so möchte ich betonen, auf der Suche nach einem Konsens jenseits der spezifischen Überzeugungen unserer politischen Familien.
Dies ist meiner Ansicht nach eine moderne Herangehensweise an die politische Arbeit. Ich bin überzeugt, dass unsere Mitbürger diesen Ansatz akzeptieren können, allerdings unter einer Bedingung: dass wir uns die Mühe machen, ihnen die Themen, die in Europa zur Debatte stehen, besser zu erklären. Das ist die Aufgabe, zu der ich Sie, Herr Präsident, ermutige, und bei der Sie die volle Unterstützung meiner Fraktion erhalten werden.
Martin Schulz, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident! Ich schließe mich den Bemerkungen meines Kollegen Daul an. Sie haben ein Programm vorgetragen, Herr Buzek, dem sich auch unsere Fraktion in vielen – praktisch in allen – Punkten anschließen kann. Das gilt für die Inhalte, die Sie vorgetragen haben, das gilt für die prozeduralen Erneuerungen, die Sie vorgeschlagen haben, und das gilt für die Vitalisierung der Debatte in diesem Hause. Sie haben eine Rede gehalten, die, was die Inhalte angeht, sicher von der breiten Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen in diesem Abgeordnetenhaus geteilt wird.
Ich teile nicht ganz die Auffassung des Kollegen Daul, dass Ihr Programm für die nächsten fünf Jahre angelegt worden ist. Gehen wir zunächst einmal von den nächsten zweieinhalb Jahren aus, das ist auch schon eine lange Zeit!
Aber ich glaube, Herr Buzek, dass Sie Ihr Amt in einer schwierigen Phase für die Europäische Union übernehmen. Sie übernehmen Ihr Amt auch in einer schwierigen Phase für das Europäische Parlament. Dieses Haus ist zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr ein Haus, in dem der proeuropäische Konsens unumstritten ist. Im Gegenteil: Dieses Haus ist zum ersten Mal eine Plattform – das hat in der letzten Wahlperiode begonnen und sich mit der letzten Europawahl verstärkt –, in der Kräfte wirken und sich Gehör verschaffen, Kräfte Einfluss nehmen, deren Ziel genau das Gegenteil von dem ist, was Sie in Ihrer Rede dargestellt haben. Die Anzahl von Abgeordneten in dieser Versammlung, die den europäischen Integrationscharakter beenden wollen, die Anzahl von Abgeordneten, die ihn umkehren wollen, die Anzahl von Mitgliedern dieses Hauses, die die Renationalisierung wollen, ist dramatisch angestiegen!
Wir haben in der vergangenen Wahlperiode erlebt, wie es ist, wenn man versucht, die Charta der Grundrechte durch die drei Institutionspräsidenten hier unterschreiben zu lassen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass in einem multinationalen, demokratischen Parlament solche Bilder und Szenen möglich sind. Aber wir waren alle Zeuginnen und Zeugen. Die Anzahl der Kollegen, die dieses Geistes sind, hat zugenommen.
Deshalb: Ja, Sie haben Recht! Der Kampf für den Integrationsfortschritt, der Kampf für die Integrationsvertiefung, der Kampf für den Lissabonner Vertrag, der die Grundvoraussetzung für die Erweiterung der EU ist, auch der Kampf für die Erweiterung der EU auf der Grundlage der Integrationsvertiefung – jawohl, das ist der richtige Weg. Ich bin froh, dass der Präsident dieses Hauses – zumal ein Präsident aus einem Land, das in der letzten Phase der Erweiterungsrunde der EU beigetreten ist, ein Präsident, der als Regierungschef seines Landes die Verhandlungen mit dem Ziel des Beitritts aufgenommen hat – als zentrale Botschaft seiner Amtszeit sagt: Wir wollen mehr Europa. Wir wollen das integrierte Europa, wir wollen das vertiefte Europa, und wir wollen das erweiterte Europa in der Vertiefung, damit wir eines erreichen – und das war der zentrale Satz Ihrer Rede: die Solidarität, die zur Freiheit geführt hat.
Das ist die Solidarität, die wir heute im Inneren brauchen, damit diese Freiheit in sozialer Gerechtigkeit erfolgen kann. Aus diesem Grund sind die Sozialisten und Demokraten mit Ihrer Rede, Herr Buzek, vollständig einverstanden. Denn sie ist die ideologische, die geistige Grundlage eines Kampfes, den wir in dieser Wahlperiode führen müssen.
Als ich ein ganz neu gewählter Abgeordneter war, hatte ich das Privileg, die Rede des französischen Staatspräsidenten François Mitterand in seiner Funktion als Ratspräsident hier zu hören. Ein Satz bleibt mir unvergesslich: „Nationalismus ist am Ende immer Krieg“. Das bedeutet, das Gegenteil von Nationalismus, die Überwindung des Nationalismus, der europäische Gedanke ist am Ende Frieden. Und das ist das, wofür wir mit Ihnen, Herr Buzek, gemeinsam kämpfen wollen!
(Beifall) <BRK>
Guy Verhofstadt, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Zuallererst möchte ich Ihnen im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa für Ihre Eröffnungsrede danken. Unsere Fraktion kann sich voll und ganz mit dem von Ihnen angekündigten Programm identifizieren. Wie ich Ihnen schon seinerzeit sagte, Herr Präsident, begrüße ich Ihre Wahl zum Parlamentspräsidenten nicht nur, weil Sie die Erweiterung der Europäischen Union symbolisieren, sondern auch – und dies möchte ich betonen – wegen Ihres Engagements in der Solidarność. Schließlich kann die Solidarność auf drei große Errungenschaften zurückblicken. Sie gab den Menschen in Polen eine Stimme, sie führte die Demokratie im gesamten früheren Ostblock ein, und sie veränderte sogar grundlegend das Gesicht Europas, indem sie ein geteiltes Europa einte. Wie aus Ihrer Rede klar hervorgegangen ist, Herr Präsident, verleiht Ihnen dies die perfekte Erfahrung zur Realisierung von ebenfalls drei Zielen im Europäischen Parlament in den kommenden Jahren. Diese Ziele sind, den Europäern ein größeres Mitspracherecht einzuräumen, die Europäische Union demokratischer zu machen und somit auch die europäische Integration voranzubringen.
Meine Damen und Herren, ich halte es für angebracht, Bezug nehmend auf die Eröffnungsrede von Präsident Buzek zu unterstreichen, dass dem Eurobarometer zufolge das Europäische Parlament die Institution der Europäischen Union ist, der die Bürgerinnen und Bürger am meisten vertrauen. Dies stellt eine schwierige Aufgabe für uns alle dar, weil es bedeutet, dass wir dieses Vertrauen nicht missbrauchen dürfen und dass wir der Stimme des Volkes mehr Einfluss bei der europäischen Entscheidungsfindung einräumen müssen. Gleichzeitig denke ich – ausgehend von Ihrer Rede, Herr Präsident – dass wir mit einer doppelten Herausforderung konfrontiert sind. Erstens müssen wir den Vertrag von Lissabon anwenden und ihn so schnell wie möglich umsetzen. In diesem Zusammenhang müssen wir – wie Sie vorgeschlagen haben – so schnell wie möglich mit dem Ratsvorsitz in Verhandlungen treten, um eine Reihe von Änderungen zu vereinbaren.
Zweitens, Herr Präsident – und dies ist der zweite Aspekt der Herausforderung – denke ich, dass das Parlament alle Hebel in Bewegung setzen muss, um seine Befugnisse weiter auszubauen. Wir haben dies bei dem Verfahren zur Ernennung des Kommissionspräsidenten getan, aber wir müssen es auch weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit in anderen Bereichen tun. Meiner Meinung nach ist der wichtigste Punkt in diesem Zusammenhang die Einigung auf einen neuen Haushaltsplan für Europa und die Europäische Union in den kommenden Jahren. Ich betrachte dies als eine hervorragende Gelegenheit für das Europäische Parlament, darauf zu drängen – zu verlangen – dass dieser Haushaltsplan künftig auf den Eigenmitteln der Europäischen Union basiert, da dieses Parlament kein echtes Parlament sein wird, solange es nicht auch die vollständige Kontrolle über seine Eigenmittel hat, die es in Zukunft selbst einziehen kann.
(Beifall)
Hierin liegt eine wichtige Aufgabe für Sie, Herr Präsident: sich dem gesamten Parlament in diesem Kampf anzuschließen. In diesem Punkt können Sie auf die volle Unterstützung unserer Fraktion zählen, denn wir alle wissen, insbesondere in diesen Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise, dass wir mit Nationalismus oder Protektionismus nicht in der Lage sein werden, unsere Schwierigkeiten zu bewältigen und unsere Zukunft zu sichern. Nur die Fortsetzung der europäischen Integration stellt eine Lösung für die Völker Europas, für die Bürger Europas, dar.
In jedem Fall wünsche ich Ihnen viel Erfolg, Herr Präsident.
(Beifall)
Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich muss mich mit vielem, was meine Vorredner gesagt haben, gar nicht mehr beschäftigen. Für meine Fraktion war klar, dass wir Ihre Kandidatur unterstützen, weil wir es für überfällig gehalten haben, dass eine große Persönlichkeit aus dem Europäischen Parlament aus einem der neuen Mitgliedstaaten an der Spitze dieses Hauses steht.
Wir würden uns für die Zukunft wünschen, dass der Präsident dieses Hauses unter den Aspekten gewählt wird, unter denen Ihre besonderen Kompetenzen und Fähigkeiten jetzt sehr oft gewürdigt werden, und dass die Macht nationaler Delegationen in den großen Fraktionen vielleicht etwas weniger ins Feld geführt wird als eben dieser Anspruch, den Persönlichkeiten wie Sie geltend machen.
Unsere Erwartungen an Sie, was die Überwindung der immer noch großen Brüche zwischen Ost und West angeht, die ich schon vor einigen Wochen geschildert habe, sind groß. Ich muss an dieser Stelle nach den Sommerferien und nach Beobachtung der politischen Entwicklungen einfach sagen, dass Sie es wohl sehr schwer haben werden. Mein Eindruck ist, dass durch die große globale Finanzkrise und die anschließende Wirtschaftskrise die Aufgabe, Ost und West innerhalb der EU näher zusammenzubringen, nicht einfacher geworden ist, sondern dass die Herausforderungen größer geworden sind, weil die Ungleichgewichte doch sehr, sehr belastend sind.
Ich muss dann auch ein bisschen kritisch vor diesem Parlament sagen: Wir haben jetzt gerade den Jahrestag des Zusammenbruchs der Lehman Bank. Wir schicken eine große Delegation von Europäern zum G20-Gipfel, bei dem darüber geredet werden soll, wie die Finanzkrise überwunden werden soll, doch dieses Parlament leistet es sich, an dieser Stelle keine Entschließungen zu diskutieren und unseren Unterhändlern keine einheitliche Position mit auf den Weg zu geben. Ich finde, das ist eher ein Ausdruck von Schwäche als von Stärke!
Was ich dahinter vermute, ist, dass wir uns in Bezug auf die Analyse, wie wir eigentlich in diesen Schlamassel geraten sind, überhaupt noch nicht einig sind. Ich bin der Auffassung, dass nicht nur einige verrückte Banker diese große Krise zu verantworten hatten, sondern dass sie in der Tat auf den neoliberalen Glauben an die Vorteile unregulierter Finanzmärkte zurückzuführen ist, den es nicht nur in den USA gab und gibt, sondern den es auch bis heute in Europa gibt. In der Politik in der Europäischen Union sind wir weit davon entfernt, diese Analyse einvernehmlich so zu beurteilen, und deshalb sind wir uns auch noch nicht einig über die Wege aus der Krise.
Ich glaube auch, Herr Präsident, dass alles richtig gewesen ist, was Sie über die zweite große Herausforderung, die jetzt auch im internationalen Rahmen in einer Verhandlungsrunde vor uns liegt, nämlich die Herausforderung der Klimakrise, gesagt haben. Ich hoffe, dass wir uns da als Europäer vor Kopenhagen stärker aufstellen, als das bis jetzt der Fall ist. Ich habe den Eindruck, dass die Europäer weit davon entfernt sind, im Bereich der Klimapolitik eine angemessene Führungsrolle zu spielen.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Grund fällt mir immer wieder auf: Das Vertrauen, das wir in Konzepte wie den Green New Deal setzen, so wie sie von Ban Ki-moon oder Achim Steiner für die UNO vertreten werden, ist nach wie vor viel zu gering! Es gibt auch auf dieser Baustelle keine Einigkeit darüber, dass man tatsächlich mit der Transformation der alten Industriegesellschaften beginnen muss, dass man über den Tag hinaus denken muss und dass klimafreundliche Technologien, Effizienztechnologien und vieles andere mehr nicht nur für Europa, sondern für die Welt die Zukunft bedeuten.
Ich kann nur sagen, Herr Präsident, die Herausforderungen sind groß. Wenn Sie moderne Ideen, zukunftsfähige Ideen vertreten wollen, haben Sie unsere Fraktion bestimmt hinter sich. Es ist bedauerlich, dass wir nicht auch im Rahmen der Europäischen Kommission einen richtigen personellen Neuanfang erleben werden, denn es zeichnet sich ja ab, dass der Hauptakteur der Konzepte von gestern, Herr Barroso, die Kommission doch auch in der nächsten Legislaturperiode führen soll.
Ihnen viel Glück, Herr Präsident! Ich freue mich für meine Fraktion auf spannende und hoffentlich produktive Auseinandersetzungen.
(Beifall) <BRK>
Michał Kamiński, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Es war ein echtes Vergnügen heute, Ihre Rede und Ihr Programm für unsere Arbeit der nächsten zweieinhalb Jahre anzuhören. Vielen Dank für Ihre Rede! Sie zeugt von Ihrer Achtung gegenüber uns, den Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Diese Achtung hängt nicht davon ab, welcher Fraktion wir angehören oder aus welchem Land wir kommen oder welche Ansichten wir vertreten. Es war eine anregende Rede, denn ich denke, dass unser Parlament wirklich die Art von Führung braucht, die Sie heute in Ihrer Vision vorgestellt haben. Wir stimmen nicht in allem überein, und es ist kein Geheimnis, dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen uns gibt. Aber ich möchte hiermit beginnen und damit in gewissem Sinne auf die Stimmen reagieren, die ich heute ebenfalls in diesem Haus gehört habe.
Es ist keine schlechte Sache, dass das Parlament ein Ort der Debatte ist und dass das Parlament ein Treffpunkt für Menschen ist, die verschiedene Ansichten zu verschiedenen Themen haben können, einschließlich verschiedener Ansichten zur Zukunft Europas. Das Problem ist, dass wir uns in gutem Glauben bemühen sollten, unsere Ansichten mit denen anderer zu konfrontieren – dann wird es immer Raum für Kompromisse geben. Wenn wir davon ausgehen – und ich gehe davon aus – dass jeder in diesem Haus gute Absichten hat und das Beste für unseren Kontinent will, dann werden wir in der Lage sein, Differenzen zu überwinden, und wir werden immer offen für Diskussionen sein. Was nötig ist, ist dieser gute Wille.
Natürlich, Herr Präsident, wird jedoch unsere Fraktion, die Europäischen Konservativen und Reformisten, eine Fraktion, die stolz ist, dass sie eine gewisse neue Dimension hinsichtlich der politischen Denkweise über Europa ins Parlament einbringt, eine starke Stimme für diejenigen Bürger sein wollen, die uns gewählt haben. Denn wir verneinen zwar nicht das demokratische Mandat irgendeines Abgeordneten in diesem Hause, wir respektieren dieses Mandat vielmehr in vollem Umfang, aber wir vertreten unsere Wähler. Unsere Wähler wussten, wofür sie gestimmt haben, als sie Parteien gewählt haben, die zur ECR-Fraktion gehören.
Herr Präsident, Ihre Wahl war ein historischer Augenblick. Ich erlaube mir, unsere Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam zu machen, dass sich heute in diesem Haus eine Gruppe junger Polen befindet, die von Abgeordneten verschiedener Fraktionen eingeladen wurden. Diese Polen wurden am 4. Juni, an dem Tag der ersten teilweise freien Wahlen, die in unserem Land abgehalten wurden, geboren. Ein Treffen mit Menschen, die am 4. Juni geboren wurden, mag uns möglicherweise nicht erlauben, uns noch jung zu fühlen, wenn wir sehen, dass sie jetzt Erwachsene sind. Als ich aber heute mit ihnen gesprochen und erfahren habe, dass sie in Rzeszów, einer Stadt im Südosten Polens, in den Bus gestiegen sind und ohne an irgendwelchen Grenzen anhalten zu müssen hier nach Straßburg in ihr Parlament gekommen sind, dachte ich, dass keiner von uns, der sich an den 4. Juni erinnert, jemals ein solches Glück für möglich gehalten hätte – heute kommen junge Polen, junge Tschechen, Esten und Litauer hier in ihr Parlament.
Herr Präsident, ich bin sicher, dass Sie dieses Parlament als eine demokratische Einrichtung schützen werden, als einen Ort echter Debatte von Menschen, die den Bürgern der Europäischen Union aufrichtig helfen wollen. Und heute, wenn wir uns daran erinnern, dass auch Sie, Herr Präsident, aus meinem Land stammen, einem Land, das so sehr unter dem Totalitarismus gelitten hat, wissen wir eines – und dies ist wirklich das Beste an der EU: Die Europäische Union hat den Nationen Europas 60 Jahre ohne Krieg gesichert. Dies ist eine großartige Errungenschaft dieser Organisation, einer Organisation, die wir, die ECR-Fraktion, reformieren wollen, worauf unser Name hindeutet, aber es ist eine Organisation, an die wir glauben. Wir glauben an ein besseres Europa, und es ist ein solches Europa, ein besseres Europa, das bürgernäher ist, dem wir während dieser Wahlperiode dienen werden.
(Beifall)
Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Ich möchte Sie nochmals zu Ihrer Wahl beglückwünschen!
Transparenz, Demokratie und Pluralismus sind ehrenwerte Worte für die EU und für das Parlament, aber sie dürfen niemals zu bloßen symbolischen Strategien gemacht werden. Leider bleiben von diesen Begriffen manchmal nur schöne Worte übrig. In Wahrheit werden Vereinbarungen hinter geschlossenen Türen getroffen. Wir brauchen daher eine andere Arbeitsmethode im Parlament, eine, bei der unsere Arbeit und unsere Entscheidungen in einem echten Geist wahrer Demokratie ans Tageslicht kommen. Wir brauchen eine offene Arbeitsweise, die für alle Fraktionen und alle Mitglieder des Hauses gilt. Wenn sich einige Abgeordnete nicht einmal in die Arbeit eingebunden fühlen und sich der Arbeit nicht bewusst sind, wie können wir dann erwarten, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger eingebunden fühlen und Vertrauen in unsere Arbeit haben und zu den Wahlen gehen? Wir sollten unbedingt über neue Technologie verfügen – wir brauchen diese, um Informationen bereitzustellen – aber wir dürfen nicht die wichtigsten Voraussetzungen für unser Engagement vergessen. Diese sind Demokratie und Transparenz.
Wir haben eine Finanzkrise und eine Umwelt- und Klimakrise. Ich sollte außerdem erwähnen, dass wir Handelsabkommen haben, die manchmal die Probleme in Bezug auf die Lebensmittelversorgung und die Armut in der Welt verschlimmern.
Die Linke ist der Ansicht, dass die Lösung für die Krisen nicht sein kann, mit derselben Politik fortzufahren, die teilweise zu ihrer Entstehung beigetragen hat. Die Menschen in Europa brauchen eine andere Politik. Sie verdienen eine andere Politik – eine Politik, bei der die Bedürfnisse der Menschen an erster Stelle stehen und nicht, wie derzeit der Fall, die Bedürfnisse des Marktes. Eine Möglichkeit, die Politik in die richtige Richtung zu lenken, ist ein Stopp für die Privatisierung und Deregulierung öffentlicher Dienste. Der Markt war tatsächlich nicht erfolgreich hinsichtlich der Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen, was beispielsweise Arbeit und soziale Rechte betrifft. Wir haben die Folgen davon zu tragen.
Wir reden über Demokratie. Demokratie erfordert auch, dass unsere Bürgerrechte und Freiheiten niemals verletzt werden. Wir haben derzeit viele Vorschläge für die zusätzliche Überwachung unserer Bürgerinnen und Bürger. Das Recht auf Meinungsfreiheit muss auch im Internet gelten.
Somit brauchen die EU und ihre Bürgerinnen und Bürger eine andere Politik für eine gerechtere Gesellschaft mit größerer Solidarität. Wir in der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke sind bereit und übernehmen gerne Verantwortung für unsere Aufgabe, eine gerechtere und solidarischere EU und eine gerechtere und bessere Welt aufzubauen.
Francesco Enrico Speroni, im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Herr Präsident! Ich möchte Sie nochmals zu Ihrer Ernennung beglückwünschen. Ich habe Ihre Rede und Ihr Programm begrüßt, und ich möchte mich auf einen Aspekt konzentrieren, der meiner Meinung nach der wichtigste für uns Parlamentsmitglieder ist oder sein sollte, nämlich unsere Gesetzgebungsarbeit.
Der Dialog mit den Großmächten ist wichtig, Missionen sind wichtig, aber die Hauptaufgabe eines Parlaments besteht – zumindest meiner Ansicht nach – darin, Gesetze zu machen, Regeln aufzustellen, weil wir vor allem gewählt wurden, um dieser Aufgabe und diesem Auftrag gerecht zu werden. Ein Problem ist, dass wir nicht das Initiativrecht haben, da die Gründerväter und ihre Nachfolger es uns verwehrt haben. Ständig stimmen wir für Entschließungsanträge und unterzeichnen schriftliche Erklärungen, die nicht weiterverfolgt werden, da die Kommission sie nicht berücksichtigt.
Herr Barroso sagte, dies sei nur richtig, denn andernfalls, falls die Kommission Gesetzesvorlagen des Parlaments durch schriftliche Erklärungen und Entschließungen annehmen würde, würde sie die Verträge verletzen, die dies nicht gestatten. Erlauben Sie mir, zu sagen, dass ich diese Auslegung für trügerisch halte: Die Verträge sehen dies nicht ausdrücklich vor, aber sie verbieten es auch nicht.
Ich muss herausstellen, dass, wenn das Parlament um etwas bittet, wenn das Parlament um eine Gesetzesinitiative bittet, es dies im Namen von Millionen europäischer Bürgerinnen und Bürger tut, der Mehrheit der Millionen europäischer Bürgerinnen und Bürger, da sowohl schriftliche Erklärungen als auch Entschließungsanträge einer Mehrheit bedürfen, um angenommen zu werden.
Ich bin daher sicher, dass Sie, Herr Präsident, hart arbeiten werden, um die Kommission dazu zu bringen, zu akzeptieren, dass Vorschläge von uns Abgeordneten gemäß dem Willen des Volkes, unserer Wähler, zu EU-Gesetzen werden können. Das ist eine schwere Aufgabe, aber ich bin sicher, dass Sie sich nach Kräften bemühen werden, sie zu erfüllen.
Bruno Gollnisch (NI). – (FR) Herr Präsident! Als fraktionsloses Mitglied spreche ich natürlich in meinem eigenen Namen, aber auch im Namen einiger meiner Kolleginnen und Kollegen, nicht meiner niederländischen Kollegen von der PVV, sondern meiner Kollegen vom Front National, von der bulgarischen Ataka-Partei, von der österreichischen FPÖ, von der British National Party, von der ungarischen Jobbik-Partei und von der flämischen Vlaams-Belang-Partei.
Ich möchte sagen, Herr Präsident, dass ich nicht eine Sekunde lang an der Aufrichtigkeit der von Ihnen gemachten Vorschläge zweifle. Sie werden mir jedoch erlauben, zu sagen, dass ich Zweifel an deren Realismus habe.
Sie haben zu Beginn das Problem der Wirtschaftskrise angesprochen. Es ist eine Tatsache, dass das Vermögen und die Arbeitsplätze von Millionen von Europäern durch die perversen Auswirkungen der Globalisierung bedroht sind, die sie zu Gunsten Weniger dem unfairen Wettbewerb durch Länder, deren Arbeitnehmer skrupellos ausgebeutet werden, und der Habgier staatenloser finanzieller Interessen überlässt. Die Union hat die Europäer bedauerlicherweise nicht vor dieser Situation geschützt. Im Gegenteil, sie hat sie dort hineingestürzt.
Zweitens möchte ich, aus meiner bescheidenen Position heraus, wobei ich jedoch die politischen Kräfte zum Ausdruck bringe, die, wie Herr Schulz eingeräumt hat, eine Bedrohung für die traditionellen Organisationen sind – und ich danke ihm hierfür – unser Parlament und Sie, Herr Präsident, auffordern, bescheidener zu sein und unseren Befugnissen gewisse freiwillige Grenzen zu setzen. Ich bin völlig überzeugt, als Europäer und als Christ, dass eine Reihe von Werten, die wir vermitteln, universelle Werte sind. Ich bestehe aber darauf, dass es nicht unsere Aufgabe ist, der Welt Grundsätze und Gesetze zu geben. Umso mehr als Organisationen wie die Vereinten Nationen genau zu diesem Zweck existieren, und umso mehr weil es in Europa selbst eine Menge zu tun gibt, wo wir - entgegen dem Recht auf Leben - für die Eliminierung unserer eigenen Kinder sorgen und wo wir - entgegen dem Recht auf Meinungsfreiheit - eine moralische, Medien-, politische und justizielle Diktatur dessen durchsetzen, was „politische Korrektheit“ genannt wird. Fraktionen wie unsere, die das Leiden und die Hoffnungen von Millionen von Europäern zum Ausdruck bringen, werden diskriminiert, verfolgt und manchmal sogar aufgelöst, wie die Partei Vlaams Blok in Belgien in einem absoluten Skandal, der nicht zu einem einzigen Protest in diesem Haus geführt hat. Wäre dies in Afrika oder in Lateinamerika passiert, so hätten wir zweifellos eine andere Darstellung der Ereignisse gehört.
Wir fraktionslosen Mitglieder haben nicht dieselben Rechte wie die anderen – soviel ist klar – und, wie wir Ihnen gestern mitgeteilt haben, haben wir immer noch keine Vertreter bei der Konferenz der Präsidenten.
Schließlich wird aufgrund der Wahlmethoden Millionen von Europäern die Möglichkeit verwehrt, in den gesetzgebenden Gremien ihrer eigenen Länder vertreten zu werden, obwohl diese Gremien die Wählerschaft in all ihrer Vielfalt repräsentieren sollen.
Abschließend möchte ich den Wunsch äußern, dass wir uns zu jeder Zeit bei unserer Arbeit daran erinnern, dass Europa in der Geschichte der Menschheit die Region ist, die die Freiheit der Nationen erfunden hat, die nirgendwo sonst zu finden ist; die gleiche Würde dieser Nationen, und Achtung für ihre Rechtsprechung und für den Grundsatz der Nichteinmischung, was bedeutet, dass jeder für seine eigenen Angelegenheiten und auf seinem eigenen Territorium verantwortlich ist. Das ist einer der großen Beiträge der europäischen Zivilisation zum Erbe der Menschheit.
Cecilia Malmström, amtierende Präsidentin des Rates. – (SV) Herr Präsident! Dies ist meine ersten Gelegenheit in meiner Funktion als Mitglied des Ratsvorsitzes, vor diesem Plenum zu stehen, und im Namen des schwedischen Ratsvorsitzes und des gesamten Rates und auch in meinem persönlichen Namen möchte ich Sie ganz herzlich beglückwünschen, Herr Präsident! Zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist es wundervoll, Sie in dieser Position zu sehen. Es ist ein persönlicher Sieg für Sie, das weiß ich. Es ist ein Sieg für das Europäische Parlament, und es ist auch ein Sieg für uns alle, die wir die europäische Zusammenarbeit und alles, wofür sie steht, leidenschaftlich unterstützen.
Ich möchte Ihnen außerdem für die visionäre Rede und die ehrgeizigen Pläne, die Sie für dieses Parlament haben, danken. Ich bin überzeugt, dass das Europäische Parlament sicher in Ihren Händen ruht. Während Ihres Vorsitzes werden Sie hoffentlich konkrete Entscheidungen herbeiführen, aber auch das Wunder, das Sie angesprochen haben. Wir im Rat freuen uns, mit Ihnen und dem Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten. Viele Mitglieder haben von den zahlreichen Herausforderungen gesprochen, mit denen wir konfrontiert sind: die Klimafrage, die Wirtschaftskrise, Arbeitsplätze, die Rolle Europas in der Welt und so weiter.
Sie haben eine wichtige gesetzgebende Rolle hier, bei der Vertretung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch in der Debatte, die hier stattfindet. Es ist äußerst wichtig für das Europäische Parlament, sich immer für europäische Werte einzusetzen. Falls der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt – und ich bin sicher, dass dies passieren wird –, wird die Rolle des Europäischen Parlaments ausgebaut, und Sie werden einen größeren Einfluss auf die europäische Agenda haben. Ich weiß, dass Sie die Verteidigung des Europäischen Parlaments und die Rolle der Institution ernst nehmen werden, aber Sie werden hoffentlich auch eine Brücke zu anderen Institutionen und ein ernsthafter Gesprächspartner sein. Der Ratsvorsitz freut sich sehr darauf, in den kommenden sechs Jahren Ihr Gesprächspartner zu sein, und wir wünschen Ihnen viel Glück bei Ihrer Arbeit!
Der Präsident. – Ich möchte allen neuen Mitgliedern des Europäischen Parlaments mitteilen, dass die Ministerin ein ehemaliges Mitglied dieses Hauses und somit eine von uns ist.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. − Herr Präsident! Im Namen der Kommission und in meinem eigenen Namen möchte ich Sie nochmals herzlich beglückwünschen und Ihnen Alles Gute für Ihre Amtszeit wünschen! Ihre Wahl symbolisiert nicht nur die Wiedervereinigung Europas, sondern auch ein Europa, das den zentralen Werten von Freiheit und Solidarität stark verbunden ist.
Persönlich und institutionell möchte ich mich zu enger Zusammenarbeit mit Ihnen und mit dem Europäischen Parlament verpflichten. Das Parlament und die Kommission sind die beiden Gemeinschaftsorgane par excellence, die sich mit den essenziellen Gemeinschaftsangelegenheiten befassen. Sie und alle Mitglieder dieses Parlaments sind direkt von unseren Bürgern gewählt worden, und die Kommission hat das Recht und die Pflicht, europäische Interessen über jegliche Einzelinteressen zu stellen. Ich bin der Meinung, dass wir eine besondere Verantwortung für das europäische Projekt unter voller Einhaltung der Verträge haben.
Daher will ich nochmals meine Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekunden, um die europäische parlamentarische Demokratie voranzubringen.
(Beifall)
VORSITZ: Gianni PITTELLA Vizepräsident
Sergio Paolo Francesco Silvestris (PPE). – (IT) Herr Buzek! Ihre Rede hat mir sehr gefallen, insbesondere der Teil über die institutionelle, aber auch soziale Rolle des Parlaments, die Sie als Quintessenz des europäischen demokratischen Systems bezeichnet haben.
Heute feiern wir die Union der 27, die hier erneut zusammengekommen ist, nach all den Trennungen durch Mauern, mit denen terroristische Ideologien unseren Kontinent überzogen hatten - Mauern, die jedoch nicht standhielten und die vom Sturm der Demokratie und der Freiheit hinweggefegt wurden.
In diesem Jahr begehen wir den dreißigsten Jahrestag der ersten direkten allgemeinen Wahlen zum Europäischen Parlament und zugleich den zwanzigsten Jahrestag des Falls der Berliner Mauer. Ich möchte auch an Folgendes erinnern: Als meine Eltern vor 30 Jahren zum ersten Mal zur Wahl gingen, um die italienischen Europaabgeordneten zu wählen, gab es in Ihrem Land, Herr Buzek, noch kein Wahlrecht.
1979, ein Jahr nachdem Karol Wojtyla zum Papst gewählt wurde, als in Italien und einigen anderen Ländern die ersten Wahlen zum Europäischen Parlament stattfanden, waren Sie aktiv in der quasi geheimen Gewerkschaft Solidarność, die für Demokratie und Frieden in Ihrem Land kämpfte. Um genau diesen Rechten, Demokratie und Freiheit, Geltung zu verschaffen, gingen wir zu den Wahlen, während Sie Ihr Leben riskierten und Repressionen ausgesetzt waren.
Aus diesem Grund, Herr Präsident, empfinde ich es als Ehre, mit meiner geringen und vielleicht nicht gerade entscheidenden Stimme zu Ihrer Wahl beigetragen zu haben, und es ist mir eine große Freude, dass sich heute hier im Parlament unterschiedliche, jedoch von denselben Werten und Idealen geprägte geschichtliche Verläufe vereinigen, die die Stärke der großartigen Geschichte dieses jungen Europa ausmachen.
Marek Siwiec (S&D). – (PL) Herr Präsident! Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Wahl und zu einer guten Rede. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Sie etwas mehr auf die Situation der osteuropäischen Staaten eingehen. In Kürze werden in der Ukraine sehr heikle Wahlen abgehalten. Das Europäische Parlament hat eine besondere Verantwortung, sich um die demokratischen Vorgänge in diesem Land zu kümmern. Genau hier nämlich, im Europäischen Parlament, dem führenden Organ der Europäischen Union, hat man damit begonnen, die großen Veränderungen zu unterstützen, die vor fünf Jahren ihren Lauf nahmen.
Ich möchte Sie bitten, diese Angelegenheit im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl in der Ukraine unter Mitwirkung der dafür zuständigen Organe und Delegationen auf besondere und unkonventionelle Art zu behandeln, damit das Europäische Parlament als seriöse Institution wahrgenommen wird, die an der demokratischen Entwicklung in der Ukraine Anteil nimmt.
Eva Lichtenberger (Verts/ALE). - Herr Präsident! Ich möchte Ihnen gratulieren, und ich möchte Ihnen eines ans Herz legen: Ein Parlament ist immer so gut, wie es seine Rechte nützt, wie es seine Rechte aktiviert und wie es sich nicht aus dem großen politischen Diskurs verabschiedet.
Wir alle sind dafür verantwortlich, es gemeinsam mit Ihnen zu schaffen, dass dieses Parlament sich nicht von Kommissionsvorlagen, die unausgegoren oder einseitig im Sinne von Interessen bestimmter Lobbyisten sind, unter Druck setzen lässt. Wir sind dafür verantwortlich, hier ein klares und deutliches Wort zu sprechen, und das müssen wir jetzt machen! Wir müssen darüber nachdenken, wie Lissabon unsere Situation verändern wird. Ich hoffe, dass wir das auch alles umsetzen können.
Wir müssen jetzt klar und deutlich zeigen – und das betrifft für mich auch die Frage der Wahl des Kommissionspräsidenten –, dass wir unsere Rechte jetzt nützen, und wir müssen der Kommission ein klares Signal geben. Das heißt, keine direkte Wahl von Herrn Barroso jetzt!
Zoltán Balczó (NI). – (HU) Herr Präsident Buzek! Gestatten Sie mir, Sie direkt anzusprechen, auch wenn Sie in Ihrem Abgeordnetensessel sitzen. Ihre Wahl in diesem Parlament wurde als Zeichen dafür gesehen, dass wir keinen Ostblock mehr haben, sondern ein vereintes Europa. Sie haben dies in Ihrem Grußwort erwähnt, als Sie darüber sprachen, dass es kein altes und neues Europa mehr gibt, sondern nur noch unser Europa.
Leider empfinden das viele Menschen ganz anders. Sie sind in Ihrer Rede auch auf die große Angst eingegangen, von der die Länder erfüllt waren, die erst 2004 beigetreten sind. Heute dagegen machen Sie in diesen Ländern ein Gefühl der Enttäuschung aus. Der Grund dafür ist, dass es keine Gleichberechtigung gibt. Gleiche Rechte sind aber das Schlüsselthema. Herr Staatssekretär Lindblad erwähnte, Gleichberechtigung sei das Grundprinzip des Haushalts. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, warum gibt es dann keine Gleichberechtigung bei den Subventionen der Landwirtschaft? Ungarn hat mit seinem institutionellen System bewiesen, dass es zum Erhalt dieser Subventionen berechtigt wäre, wird aber immer noch benachteiligt.
Herr Präsident, Sie haben jedermann zum Sprechen seiner Muttersprache ermutigt. Ich bin sehr froh, dass ich in diesem Parlament als Ungar gleiche Rechte genieße, in der Slowakei allerdings würde man mich für den Gebrauch meiner Muttersprache bestrafen. Herr Präsident, Sie haben sich als Vermittler angeboten. Dafür sind wir Ihnen aufrichtig dankbar. Dennoch werden wir mit dieser Maßnahme nur dann wirklich Erfolg haben, wenn der ungarischen Minderheit in ihrem jeweiligen Herkunftsland der freie Gebrauch der Muttersprache gestattet wird. Ich wünsche Ihnen auch dafür viel Erfolg.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Herr Präsident! Ich bin hocherfreut, dass Sie als Bürger von hohem moralischem Ansehen, noch dazu Schlesier, das Ruder von Hans-Gert Pöttering übernehmen und, wie er auch, das Potenzial einer Europäischen Union hervorheben, die hinsichtlich solcher Werte wie Menschenrechte und internationale Solidarität geeint ist. Die jetzige Wahlperiode im Schatten der Wirtschaftskrise wird diese Solidarität auf die Probe stellen. Ich habe keine Bedenken, was die Solidarität in Bezug auf unsere Abstimmungen hier betrifft, aber ich weiß, dass einzelne Bürger und Regionalpolitiker immer häufiger unsere Abstimmungen unter dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“ kritisieren. Deshalb möchte ich Sie, Herr Präsident, dazu auffordern, bei der Berichterstattung über unsere Arbeit hier im Europäischen Parlament möglichen Verbesserungen der europäischen Position im globalen Kontext mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als dies bisher der Fall war.
Charles Tannock (ECR). – Herr Präsident! Ich habe Herrn Kommissionspräsident Barroso in seiner Eigenschaft als Atlantiker und Verfechter der freien Marktwirtschaft stets bewundert, denn auch meiner Partei sind diese Dinge ausgesprochen lieb und teuer. Darüber hinaus bin ich ein großer Portugalfan, daher unterstütze ich José Manuel mit Begeisterung.
Dennoch bin ich in Sorge über das, was ich gestern im Daily Telegraph gelesen habe, dass er nämlich mit der ALDE-Fraktion vereinbart hat, einen mächtigen neuen Menschenrechtskommissar in seiner Kommission einzusetzen, der sich mit außen- und innenpolitischen Menschenrechtsfragen befassen soll. Damit stößt er die Mitte-Rechts-Mehrheit in diesem Parlament vor den Kopf, die eine kombinierte Menschenrechtskommission abgelehnt hatte, und verdoppelt die Arbeit des Europarats, der selbst einen Kommissar für Menschenrechte beschäftigt. Könnte Präsident Barroso seine diesbezüglichen politischen Absichten vielleicht einmal erläutern?
Der Präsident. − Ich denke, diese Frage sollte heute zu einem anderen Zeitpunkt gestellt werden, dann nämlich, wenn wir Herrn Barrosos Erklärung erörtern, nicht jetzt.
Csaba Sógor (PPE). – (HU) Herr Präsident Buzek! Sie haben die slowakisch-ungarischen Verstimmungen angesprochen. Es handelt sich aber im Grunde gar nicht um einen Streit zwischen der Slowakei und Ungarn. Vielmehr ist dies ein Streit zwischen der Slowakei und der Europäischen Union, weil ein Land daran beteiligt ist, das sich über fundamentale europäische Werte hinwegsetzt. Ihre Aufgabe ist es, ein Abkommen nicht zwischen der Slowakei und Ungarn, sondern zwischen dem Parlament der Europäischen Union und der Slowakei zu erreichen, da dieses Land gegen die von ihm selbst unterzeichneten und ratifizierten Dokumente und Abkommen verstoßen hat.
Zweitens möchte ich etwas zu Schlesien sagen. Ich bin froh, dass Sie dieses Thema angesprochen haben. Es gibt in der Europäischen Union zahlreiche Gebiete, die - ähnlich wie Schlesien - im letzten Jahrhundert zu verschiedenen anderen Staaten gehört haben. Wir Ungarn waren nach dem Ersten Weltkrieg auf zehn verschiedene Länder verteilt, von denen mittlerweile sieben Mitglieder der Europäischen Union sind. Wir sind sehr dankbar, dass wir jetzt zusammen sein können, ohne zu den Waffen zu greifen und Grenzen zu verändern Während des letzten Jahrhunderts wurden im Karpatenvorland fünf Amtssprachen gelernt. Warum sage ich das? Weil auch in meinem Land, dort wo ich lebe, im Szeklerland in Siebenbürgen, die amtierende rumänische Regierung unsere Muttersprache und Symbole immer noch als Zumutung betrachtet.
Das Problem mit den Menschenrechten innerhalb Europas ist jedoch nicht auf den Ostblock begrenzt. Es ist auch im Westen vorhanden. Aus diesem Grund treten wir mit Nachdruck dafür ein, dass die Europäische Union nicht nur einen Kommissar für Minderheiten einsetzt, sondern auch ein für alle EU-Mitgliedstaaten bindendes Minderheitenrahmengesetz.
Diane Dodds (NI). – Herr Präsident! Ich danke Ihnen für Ihre Rede. Wie ich die Sache sehe, gehen unsere Ansichten jedoch deutlich auseinander. Ich stehe hier vor Ihnen als Anhängerin eines Europas der kooperierenden Nationen, nicht eines Europas, das an den föderalistischen Ansatz des Vertrags von Lissabon gefesselt ist.
Am 2. Oktober werden die irischen Wählerinnen und Wähler bereits zum zweiten Mal aufgefordert sein, für den Vertrag von Lissabon zu stimmen, einen Vertrag, der zusammengeschustert wurde, um die Ablehnung einer europäischen Verfassung durch die Bevölkerung zu unterlaufen. Mein Lob geht an die Wählerinnen und Wähler der Republik Irland, die im ersten Referendum gesunden Menschenverstand bewiesen haben; ich glaube daran, dass sie dies auch beim zweiten Mal tun werden. Ich bitte sie dringend, bei ihrem Entschluss zur Ablehnung des Vertrags zu bleiben. Die nachträglichen Versprechungen und Androhungen haben den Vertrag in seinen Grundsätzen in keinster Weise verändert. Er ist und bleibt der falsche Weg für Europa und die europäischen Nationen.
Allerdings bin ich der Meinung, dass auch mein Volk, das britische Volk, die Wahl haben sollte. Die Labour-Regierung hatte den Briten ein Referendum versprochen, und dieses Versprechen sollte die Labour-Regierung auch einhalten. Andernfalls müssten ihre eventuellen konservativen Nachfolger dies tun.
Csaba Sándor Tabajdi (S&D). – (HU) Herr Präsident! Als Ungar und Freund Polens bzw. als Osteuropäer und Bürger eines neuen Mitgliedstaats sehe ich Ihre Arbeit als Präsident mit großer Freude und Befriedigung, weil sie imstande ist, einen Beitrag zur vollen Emanzipation der 12 neuen Mitgliedstaaten zu leisten. Bis jetzt waren wir nur gleich, wir würden aber gern noch gleicher sein.
Sie haben ein Gelöbnis von historischem Ausmaß geleistet, Herr Präsident, da Sie bereit sind, ein solch heikles Thema wie Schlesien anzugehen, was bisher noch nie geschehen ist. Mit anderen Worten, Sie übernehmen eine Vermittlerrolle beim Umgang mit Angelegenheiten nationaler Minderheiten. Minderheiten stellen 15 % der europäischen Bevölkerung. 6,5 % davon sind Minderheiten von Migranten oder Einwanderern, überwiegend in Westeuropa, bei 8,5 % dagegen handelt es sich um historische Minderheiten.
Die Tatsache, dass Sie sich bereit erklärt haben, im Konflikt zwischen Ungarn und der Slowakei bzw. zwischen der slowakischen Mehrheit und der ungarischen ethnischen Gemeinschaft in der Slowakei zu vermitteln, ist ein historischer Akt. Ich hoffe, die Kommission wird diesem Beispiel folgen. Wir können Minderheitenprobleme in Europa nicht unter den Teppich kehren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Antonello Antinoro (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zum Ausdruck bringen, Herr Buzek, wie stolz ich darauf bin, einer so wichtigen Institution wie dem Europäischen Parlament anzugehören, dessen Vorsitz Sie führen. Die Opfer, die Sie in Ihrem Land vor 20 Jahren gebracht haben und die es heute den 12 genannten Ländern ermöglichen, in dieser Kammer vertreten zu sein, haben Europa gestärkt.
Dennoch möchte ich auch meine Besorgnis ausdrücken über das Programm, das Sie in Ihrer Rede dargelegt haben und das das Parlament stärken soll und hoffentlich auch wird. Ich hoffe, dass Ihre Ankündigungen in Erfüllung gehen werden.
Ich hoffe, dass der nächste Präsident der Europäischen Kommission - und ich bin sicher, dass das Herr Barroso sein wird - Ihren eindringlichen Worten Gehör schenkt, um sicherzustellen, dass das Parlament den Bedürfnissen von über 550 Millionen Europäern gerecht wird, von Bürgern, die uns gewählt haben und die wünschen und verlangen, dass das Parlament und jede und jeder Einzelne von uns ihnen die Antworten geben, die Europa wahrscheinlich zwar versucht hat zu geben, aber leider nicht zur vollen Zufriedenheit.
Was diesen Aspekt Ihrer Tätigkeit betrifft, bin ich voller Hoffnung, und ich bin überzeugt, dass wir es durch Sie schaffen werden, die Sicherheit zu erreichen, die Sie selbst angesprochen haben.
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) John Stuart Mill sagte einst, das Parlament solle ein Spiegel des staatsbürgerlichen Lebens sein. Dies ist eine große Aufgabe und meines Erachtens von enormer Bedeutung für unsere bevorstehende Wahlperiode, insbesondere, weil Europa viel zu wichtig ist, um allein den Entscheidungen der so genannten politischen Eliten überlassen zu werden.
Michael Theurer (ALDE). - Herr Präsident! Ich möchte Ihnen ganz herzlich zu Ihrer Rede gratulieren! Die Überwindung der Teilung Europas war zum einen dem Freiheitsdrang der mittel- und osteuropäischen Länder geschuldet, zum anderen aber natürlich auch der Attraktivität Europas als Wirtschaftsmodell.
Mir kommt die Zuversicht, die „Zukunftszuversicht“, zu kurz. Wenn wir es in Europa nicht schaffen, wer soll es denn in Europa dann schaffen? Wir sollten stärker zum Ausdruck bringen, dass wir zuversichtlich an die Lösung der Aufgaben herangehen können. Wir haben große Potenziale, wir sind auch nicht am Ende der Wachstumschancen weltweit. So lange es auf der Welt Menschen gibt, die Güter und Dienstleistungen brauchen, gibt es auch Chancen für Wachstum. Wir können uns in Europa einen Teil dieses Kuchens sichern. Alle Beteiligten werden dabei gewinnen.
Ich möchte uns alle ermutigen, dass wir einfach mehr Zuversicht in das Erfolgsmodell Europa haben. Ich bitte Sie, das auch zum Ausdruck zu bringen.
Krisztina Morvai (NI). – (HU) Am 23. Oktober 2006 gedachte Ungarn der Revolution und des Freiheitskampfes von 1956. An diesem Tag attackierte ein von der Regierung bestelltes Großaufgebot der Polizei friedliche Demonstranten und Fußgänger, ja sogar zahlreiche ausländische Touristengruppen, die ruhig und friedlich in Restaurants saßen.
Der absolute Terror regierte das Land. Es gab mehrere Hundert Schwerverletzte, darunter 14 Menschen, denen in die Augen geschossen worden war, und die zum Teil auch ihr Augenlicht verloren. Viele Hundert Menschen wurden inhaftiert und mussten fingierte Strafverfahren über sich ergehen lassen. Erst vor kurzem wurden die letzten von ihnen freigelassen, praktisch ohne Ausnahme.
Der Premierminister würdigte die überragende Arbeit der Polizei. Heute, Herr Präsident, sitzt hier in diesem Europäischen Parlament Kinga Göncz, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, die damals jener Regierung angehörte, die die Schüsse abgesegnet hat. Es würde mich interessieren, Herr Präsident, was Sie davon halten. Ich möchte Sie außerdem im Namen Ungarns darum bitten, sich getreu dem Geist der Solidarität für die Menschenrechte innerhalb der Europäischen Union einzusetzen und dafür einzutreten, dass die Menschenrechtskrise, die Ungarn seit dem Herbst 2006 erfasst hat, zu einem Ende gebracht wird. Darüber hinaus appelliere ich an diejenige Person in diesem Parlament, die den Menschen diese Situation in Erinnerung bringt und dieses Haus beschämt, ihr Amt als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres niederzulegen.
László Tőkés (PPE). – (HU) Als in Rumänien lebender Ungar möchte ich Präsident Jerzy Buzek gratulieren, im Geiste der Solidarität, als einem würdigen Nachfolger unseres früheren Präsidenten Hans-Gert Pöttering. Lassen Sie uns im Geiste der Solidarität ins Gedächtnis rufen, dass polnische Flüchtlinge vor 70 Jahren in Ungarn aufgenommen wurden.
Im Geiste der Solidarität möchte ich unsere große Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass eine der Schlüsselfiguren im Freiheitskampf der Solidarność-Bewegung nunmehr zum Vorsitzenden unseres Parlaments ernannt wurde. Auch an Papst Johannes Paul II. möchte ich erinnern und an den Aspekt des Glaubens. Solidarność und die ungarische Revolution von 1956 standen für Freiheit, während die Ereignisse in Temeschwar im Zusammenhang mit der Persönlichkeit und Spiritualität von Papst Johannes Paul II. die Kraft des Glaubens symbolisieren. Wir hoffen auch, dass das polnische Volk und Osteuropa durch ihren Beitritt eine größere Hinwendung zum Glauben bewirken können. Aus diesen Gründen blicke ich voll Vertrauen und Freude auf die Amtszeit von Präsident Buzek.
Wojciech Michał Olejniczak (S&D). – (PL) Herr Präsident! Auch ich möchte Ihnen aufrichtig gratulieren, nicht nur zu Ihrer Wahl, sondern auch zu Ihrer heutigen Rede, denn Sie haben gezeigt, dass wir heute ein geeintes Europa sind, in dem es keine alten und neuen Länder gibt. Europa wird aber dennoch seine Vielfalt bewahren, und das, was Sie gelobt haben, dass nämlich das Europäische Parlament in seiner Arbeit dieser Vielfalt Rechnung tragen wird, ist von immenser Bedeutung.
Das heißt aber nicht, dass Europa gleich ist. Es gibt in der Tat recht viele Unterschiede, mit denen wir im Europäischen Parlament uns auseinandersetzen sollten. Bürger der Europäischen Union erhalten sehr häufig völlig unterschiedliche Vergütungen für ein und dieselbe Arbeit. Viel zu viele Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind arbeitslos. Dies ist ein weiteres Thema, dessen wir uns annehmen sollten. Auch bei den Zugangsmöglichkeiten zu Bildung, Kultur und Gesundheitsfürsorge gibt es zu viele Unterschiede und zu viel Ungleichheit. Wir stehen hier vor einer enormen Aufgabe, die sich das Europäische Parlament unter Ihrer Führung auch selbst stellen sollte.
Es würde mich interessieren, was Sie für angebracht halten, im Zusammenhang mit den Ausführungen zu einer gemeinsamen Energiepolitik, in Bezug auf ein Unternehmen, das heute mehr deutsch und russisch als europäisch ist. Ich denke da an die Gas-Pipeline, weil Sie von Energiepolitik gesprochen haben. Darüber hinaus gibt es die Frage einer EU-Erweiterung - was ist mit der Ukraine? Welcher zeitliche Rahmen soll für den EU-Beitritt der Ukraine festgesetzt werden?
Jerzy Buzek, Präsident. – (PL) Zunächst einmal möchte ich all jenen, die in unserer Debatte das Wort ergriffen haben, für ihre außergewöhnliche Unterstützung danken. Ich verstehe, dass wir in manchen Punkten unterschiedliche Auffassungen haben. Das ist sehr gut so, weil auf diese Weise immer wieder etwas Neues hervorgebracht wird. Nur durch den Austausch von Meinungen, nur durch unterschiedliche Standpunkte und durch Diskussionen können wir zu Antworten auf die komplexesten Fragen gelangen. Dennoch bedeutet die gewaltige Unterstützung, die Sie in Ihren Beiträgen zum Ausdruck gebracht haben, für mich eine zusätzliche Verpflichtung, denn ich weiß, dass wir vor großen Aufgaben stehen, die es allesamt zu bewältigen gilt. Sie haben mir ein Mandat übertragen, ein außergewöhnliches und starkes Mandat, und dies zu einem besonderen Zeitpunkt. Ich betone ausdrücklich, dass ich mir dessen bewusst bin und dass ich mir auch meiner Verantwortung für die Arbeit in den nächsten zweieinhalb Jahren bewusst bin - dies betrifft im Übrigen nicht nur die Arbeit des Europäischen Parlaments, sondern die der Europäischen Union insgesamt - und auch der Verantwortung für die Art und Weise, wie unsere Bürgerinnen und Bürger unsere Arbeit wahrnehmen, was von außerordentlich großer Bedeutung ist.
Von Herzen möchte ich Herrn Joseph Daul danken, dem Vorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten). Besonders großen Wert lege ich auf den Grundsatz, dass dies unser Europa ist. Ich selbst betrachte mich schon als einen von jenen, die aus Mittel- und Osteuropa hinzugekommen sind; unser heutiges gemeinsames Europa verlangt jedoch gemeinschaftliches Auftreten. Ich habe meine Herkunft keineswegs vergessen, aber die Zeit vergeht so rasch. Wenn die Integration gelingen soll, müssen wir eine gegenseitige Verantwortung empfinden, die auch von den neuen Mitgliedstaaten getragen wird, bzw. von jenen Mitgliedstaaten, die wir als neu bezeichnen, obwohl es, wie ich bereits sagte, keine „neuen“ und „alten“ gibt.
Herr Schulz hat hervorgehoben, dass wir es mit einem Zweieinhalbjahresprogramm zu tun haben. Da hat er sicher Recht. Was ich aber sagen wollte, ist, dass wir Kontinuität brauchen. Im Grunde wollte ich zum Ausdruck bringen, wie Europa in fünf oder zehn Jahren aussehen sollte und welchen Weg wir einschlagen sollten. In zweieinhalb Jahren wird der neue Präsident weitere Prioritäten ergänzen oder vielleicht die gegenwärtigen modifizieren, aber es ist wichtig, dass wir stets eine langfristigere Perspektive betrachten, eventuell sogar zehn oder fünfzehn Jahre, damit wir bestimmte Ereignisse antizipieren können und nicht von ihnen überrascht werden. Natürlich bin auch ich der Meinung, dass die beste Form der Erweiterung diejenige ist, die aus unserer internen Integration erwächst.
Herr Verhofstadt hat uns darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig die Stimme der Bürgerinnen und Bürger ist. Dem kann ich nur zustimmen. Die Stimme der Bürgerinnen und Bürger hat hier eine herausragende Bedeutung. Das Parlament vertritt die Bürgerinnen und Bürger, daher haben wir eine so große Verantwortung. Herr Verhofstadt hat sich außerdem dafür ausgesprochen, dass wir uns zusammenschließen sollten, um der Krise zu begegnen, und zwar auch in Wirtschaftsangelegenheiten. Wir sollten gemeinsam Entscheidungen treffen, was das genaue Gegenteil von Protektionismus ist. Auch ich habe das in meiner Rede betont.
Frau Harms sprach über die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten. Wir erarbeiten hier mehr als 50 Prozent der europäischen Gesetze, die anschließend durch die nationalen Parlamente genehmigt werden, von daher müssen wir uns für ein gutes Verhältnis zu den Parlamenten in unseren Mitgliedstaaten einsetzen. Und warum? Weil wir eine größere Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern brauchen. Ganz ohne Zweifel stehen jene Parlamente, also unsere eigenen, einzelstaatlichen Parlamente, den Bürgerinnen und Bürgern erheblich näher. Jeden Tag werden sie im Fernsehen gezeigt, was bei unserem Parlament nicht der Fall ist. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger über die Bedeutung unserer Arbeit hier im Europäischen Parlament informieren, ebenso über die Bedeutung der Arbeit der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, dass das Europäische Parlament verantwortlich ist für mehr als die Hälfte der Entscheidungen, die unsere Länder betreffen. Dank der Tatsache, dass wir von nun an sehr dicht an den nationalen Parlamenten sein werden, können wir dies hoffentlich leichter vermitteln.
Die Krise offenbart in der Tat einen großen Mangel an Vertrauen. Darum ging es im Grunde. Frau Harms und ich sind einer Meinung, was die Klimafrage betrifft. Wir waren beide in Bali, wir waren beide in Posen, und beide werden wir in Kopenhagen sein. Wir werden eine Vereinbarung ausarbeiten.
Herr Kamiński hob hervor, dass wir unterschiedliche Ansichten über die Zukunft Europas haben. Ich stimme dem zu, aber wir sollten einander zuhören. Wenn Sie ein Vertreter der heute relativ großen Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern sind, die eine etwas andere Sicht auf die Zukunft Europas haben, ist dies für uns ein Alarmsignal und eine Information, und wir, bzw. ich, die wir an eine europäische Zukunft und eine europäische Integration glauben, gewinnen dadurch wichtige Erkenntnisse über Europäer, da Sie ja unterschiedlichste Einwände vorbringen. Was das betrifft, können Sie sicher sein, dass wir eine ausgiebige Debatte führen werden.
Herr Svensson sprach die Transparenz des Parlaments an, er sagte, dass wir wissen müssen, welche Entscheidungen wir treffen, und dass dies auch unsere Wähler wissen müssen. Da bin ich ganz seiner Meinung. Für mich gibt es keinen Zweifel an der Bedeutung der sozialen Gerechtigkeit. Ich zum Beispiel habe Wurzeln in einer Gewerkschaft, deren Mitglied ich viele Jahre lang war, und das war eine ganz normale Gewerkschaft. Wir wissen jedoch ganz genau, dass wir eine gesunde Wirtschaft brauchen, um jenen helfen zu können, die unserer Hilfe am dringendsten bedürfen, und wir wissen auch, dass wir immer Kompromisse zwischen beidem finden müssen.
Herr Speroni sprach von einer angemessenen und würdigen Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat Bitte denken Sie daran, dass das Parlament zunehmend an Bedeutung gewinnt. Der Vertrag von Lissabon garantiert uns wesentlich mehr Vollmachten, als wir gegenwärtig haben. Das ist eine gute Sache, da wir ja tatsächlich Volksvertreter sind, die direkt von den Bürgerinnen und Bürgern der EU gewählt wurden.
Herr Gollnisch zweifelt zwar nicht an der Ernsthaftigkeit meiner Absichten, fragt sich aber, ob sie realistisch sind. Dazu kann ich nur sagen, vor 30 oder 40 Jahren war es vollkommen unrealistisch zu glauben, dass ich irgendwann einmal vor einem so großen Gremium stehen und Ihre Fragen beantworten würde. Das war damals so fern jeder Realität, dass ich nicht einmal davon zu träumen gewagt hätte. Daran können wir sehen, dass es sich lohnt, mit tief empfundenem Vertrauen und Überzeugung einen bestimmten Weg einzuschlagen, denn dann wird Unmögliches möglich. Lassen Sie uns daran arbeiten, das Unmögliche zu ermöglichen.
(Beifall)
Frau Malmström, Ihnen möchte ich antworten: Ja, wir arbeiten mit der schwedischen Ratspräsidentschaft zusammen. Ich war bereits selbst in Schweden. Wir haben über den Klimawandel diskutiert, über das Klima in Europa im Allgemeinen, über die Krise und über Arbeitslosigkeit. Es gib auch ein sehr wichtiges Programm, nämlich das Stockholmer Programm. Dem müssen wir uns widmen. Das Stockholmer Programm enthält sehr viele Aufgaben für das Parlament, unter anderem auch im Bereich der organisierten Kriminalität, und zwar nicht nur innerhalb der Europäischen Union.
Auf jeden Fall werden wir auch mit Herrn Barroso zusammenarbeiten. Ich schätze sein Angebot sehr. Herr Silvestris gab uns einen Überblick über die Geschichte der Befreiung Europas, und ich teile seine Auffassung voll und ganz.
Herr Siwiec erwähnte die Ukraine. Was mich anbelangt, liegt die Sache auf der Hand, denn ich war ja in der Delegation EU-Ukraine. Dreimal war ich in der Ukraine, wie Sie wissen, und ich wollte bei diesem Thema nicht ins Detail gehen. Für uns Europäer, das dürfen Sie nicht vergessen, ist jeder Aspekt der europäischen Zusammenarbeit von Bedeutung - mit den Ländern des Mittelmeerraums, mit Lateinamerika und mit den Vereinigten Staaten; am wichtigsten aber sind unsere Nachbarn. Unsere Nachbarn sind rund um das Mittelmeer und in Osteuropa zu finden. Das sind die Hauptregionen, Ost- und Südeuropa, aber wir wollen jetzt nicht darüber diskutieren, welche Region wichtiger ist. In der Ukraine rücken die Wahlen immer näher, deshalb wird im nächsten halben Jahr mit Sicherheit die Ukraine am wichtigsten sein. Lassen Sie uns darüber aber nicht streiten. Es ist unbedingt erforderlich, dass wir hier eine Ausgewogenheit wahren. Ich bin voll und ganz Ihrer Meinung in dieser Angelegenheit.
Frau Lichtenberger sprach über die Rolle des Parlaments bei der Rechtsetzung. Ich stimme zu, dass wir das Recht transparenter machen müssen, wir müssen unseren eigenen Standpunkt haben, aber das ist de facto durch Lissabon bereits so vorgesehen. Wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, wird dies automatisch der Fall sein.
Herr Balczó fragt, ob Europa wirklich so vereint ist, wie ich in meiner Rede behauptet habe. Ja, das ist es; es ist vereint, aber es ist gegenwärtig noch dabei, die landwirtschaftlichen Probleme partnerschaftlich zu lösen. Ich habe klar gesagt, dass die EU über Fonds zur Kohäsionsförderung verfügt. Nun, da wir vereint sind, dürfen wir uns nicht in anderer Form wieder trennen, weil es nicht genug wechselseitige Entwicklungschancen für die Bürgerinnen und Bürger gibt. Wir wollen uns anstrengen, unsere diesbezüglichen Ziele zu erreichen. Manche Länder in der Europäischen Union sind seit 20 oder 30 Jahren Mitglieder und stecken immer noch in diesen Programmen, und wir haben alle die gleichen Rechte. Wir leben in einem vereinten Europa mit unterschiedlichen Lebensstandards. Diese Unterschiede werden wir ausgleichen, das ist unsere Hoffnung und unsere Chance. Aber lassen Sie uns nun von einer Gemeinschaft sprechen und auch von unserer Verantwortung. Dies ist mir ein großes Anliegen.
Frau Roithová erwähnte unsere gemeinsame Verantwortung für die Krise, und da gebe ich ihr völlig Recht. Wir leben ja auch so dicht beieinander, dass es bereits heute kaum noch Hindernisse für unser gegenseitiges Verständnis gibt. Dies ist von ganz zentraler Bedeutung. Herr Tannock erwähnte den Posten eines Menschenrechtskommissars. Diese Frage wird in der Tat vom Kommissionspräsidenten und von der Kommission entschieden. Ich bin jedoch sicher, dass ich Herrn Tannock in einigen Monaten anlässlich der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine treffen werde.
Herr Sógor sprach über bilaterale europäische Streitfragen, da würde ich sagen, dass es wirklich am besten ist, Minderheitenprobleme bilateral zu lösen. Es ist jedoch auch besser, Grenzen zu öffnen, als sie zu verschieben. Wir in Europa haben gelernt, nicht über Grenzziehungen zu streiten, und in unserem Teil Europas haben wir dieses Problem nicht. Wir haben die Grenzen einfach geöffnet, und genau das ist unser Erfolg und unsere größte Errungenschaft.
Frau Dodds sagte, dass die Europäische Union ein Europa der kooperierenden Nationen und keine föderale Union sein sollte. Sie haben das sehr gut ausgedrückt. Wir sprechen in der Tat von der Kooperation zwischen Nationen. Wir reden zwar von der Notwendigkeit der Wahrung von Identität, aber auch von der Notwendigkeit wechselseitiger Offenheit und Zusammenarbeit. Ihr Gedanke gefällt mir sehr, und die Europäische Union - sowohl in ihrer derzeitigen Form als auch in der Form gemäß dem Vertrag von Lissabon - stimmt exakt damit überein.
Herr Tabajdi sprach von den Regionen und auch von meiner Region, Schlesien, und sagte, ich hätte gewissermaßen eine Art Vermittlerrolle inne. Das ist richtig. Grenzüberschreitende Regionen bergen die Chance für ein besseres gegenseitiges Verständnis. Herr Antinoro sprach anschließend über die Errungenschaften meines Landes. Vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Werde ich das Europäische Parlament stärken können? Gewiss habe ich die Energie, dies zu tun, aber auf jeden Fall bedarf dies der Energie von über 700 Abgeordnetenkollegen. Darauf baue ich, und ich weiß, dass wir alle voller Energie sind.
Herr Ransdorf ist wirklich ein Repräsentant der Bürgerinnen und Bürger und des staatsbürgerlichen Lebens. Ich gebe ihm Recht, und deshalb werden die Verantwortung und die Vollmachten des Europäischen Parlaments immer größer. Wir wollen auch den nationalen Parlamenten gestatten, an den Vorgängen in Europa maßgeblich mitzuwirken. Herr Theurer sprach einerseits vom Freiheitsdrang und andererseits von der Attraktivität Europas. Ja, hierzulande war es attraktiv, aber dort drüben rangen wir um Freiheit. Das stimmt. Bitte bedenken Sie, dass wir die Situation auf dem Balkan beruhigt haben und auf dem Balkan heute Frieden herrscht. Gott sei Lob und Dank. Die Länder in dieser Region stehen heute Schlange, um der Europäischen Union beizutreten, und das ist die große Attraktivität der EU.
Frau Morvai erinnerte uns an dramatische Ereignisse. Wenn Sie mir dazu etwas mitteilen möchten, tun Sie dies bitte schriftlich. Wir können auch einen Gesprächstermin vereinbaren, damit ich mir ein Bild von der Angelegenheit machen kann. Herr Tőkés sprach über das Jahr 1956 und Ungarn. Für uns alle sind diese Ereignisse und unser tiefes Vertrauen in die EU äußerst wichtig. Ja, auch ich bin zutiefst überzeugt von der Stärke der Europäischen Union.
Herr Olejniczak hat dennoch eine Reihe von Fragen zur Ungleichheit in Europa aufgeworfen. Wir müssen definitiv über Gleichheit reden, aber andererseits gibt es noch immer all die Fonds, die ich erwähnt habe, und auch alle sonstigen Maßnahmen, die uns die Chance geben sollen, Ungleichheiten zu beseitigen. Sie sind nach wie vor in Kraft. Da hat sich nichts geändert. Die Situation als solche bleibt so offen und so klar wie sie stets war, von daher ist es sehr gut, dass es ein vereintes Europa gibt. Um eine Antwort auf die Versorgung mit Öl, Gas und Energie im Allgemeinen zu finden, müssen wir über eine gemeinsame Energiepolitik sprechen. Dann gibt es keine unnötigen Spannungen zwischen uns. Dadurch werden nur nutzlose Mauern zwischen uns errichtet, die wir doch letzten Endes vor Jahrzehnten abgebaut haben. Darum wird es in der Zukunft gehen. Ich empfehle deshalb mit Nachdruck eine gemeinsame Energiepolitik.
Es stimmt, für den Beitritt zur Europäischen Union gibt es Kriterien, die erfüllt sein müssen. Auch wurde gesagt, dass wir in der EU zuerst einmal eine angemessene Integration erreicht haben müssen, bevor andere der EU beitreten können, weil erst dann die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten wirkungsvoll ist. Für die Integration brauchen wir Zeit, aber ein Land wie Kroatien ist weitgehend bereit für eine Integration. Wie ich weiß, hat Kroatien große Chancen auf einen recht raschen EU-Beitritt, obwohl dort gewisse Schwierigkeiten aufgetreten sind. Dasselbe könnte für Island gelten, aber es ist sehr schwierig, Zeiträume für andere Länder anzugeben, die nicht so gut vorbereitet sind. Bedenken Sie bitte, dass die Länder Mittel- und Osteuropas, die heute in der EU sind, bereits 1991/92 begannen, sich auf die Aufnahme vorzubereiten, also schon 12 Jahre vorher. Wir haben uns 12 Jahre auf die Integration vorbereitet und hatten sogar bessere Bedingungen als die Länder heutzutage, weil die globale Situation damals günstiger war. Es gab keine Krise, und viele andere Faktoren ergaben im Zusammenspiel ebenfalls eine bessere Ausgangslage. Es dauert lange, und ich würde es nicht wagen, Zeiträume anzugeben, aber wir müssen immer daran denken, dass die Erweiterung an sich eine gute Strategie der Europäischen Union ist, wenn auch eine langwierige.
Ich möchte Ihnen allen nochmals für diese Diskussion danken. Ich habe alle Stellungnahmen sorgfältig notiert und werde auf dieser Basis über gewisse Änderungen nachdenken. Darüber hinaus werden wir ja regelmäßig zusammenkommen. Ich werde hier sitzen, wo ich jetzt sitze, weil ich möglichst in Ihrer Nähe sein will.
(Beifall)
Der Präsident. − Ich danke Ihnen, Herr Buzek, nicht zuletzt für die Gewissenhaftigkeit, mit der Sie auf ausnahmslos alle Beiträge eingegangen sind.
Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (S&D), schriftlich. – (PL) Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Wahl in das Amt des Präsidenten des Europäischen Parlaments. Ebenso wie meine Landsleute bin ich stolz darauf, dass zum ersten Mal in der Geschichte ein Pole dieses ehrwürdige Amt bekleidet. Dies ist für uns eine Bestätigung unserer Rolle und unserer Position innerhalb Europas.
Zugleich ist Polen eines der wenigen Länder, die noch immer nicht die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon abgeschlossen haben, eines Vertrags, der die europäische Integration effektiver machen würde. Das finde ich paradox. Ich möchte Sie daran erinnern, dass das polnische Parlament die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon bereits im April dieses Jahres gebilligt hat, die Ratifizierungsdokumente jedoch noch vom Präsidenten unterzeichnet werden müssen.
Ich denke, Sie könnten einen wertvollen Beitrag zu der öffentlichen Diskussion in Polen leisten und dabei helfen, die Unterstützung der Gesellschaft für den Vertrag zu verbessern. Dies würde das Ratifizierungsverfahren möglicherweise beschleunigen. Darüber hinaus möchte ich Ihnen für Ihren persönlichen Einsatz danken, den Sie in Irland in dieser Angelegenheit gezeigt haben. Ich hoffe sehr, dass die irische Bevölkerung am 2. Oktober mit „Ja“ stimmen wird und dass die erforderlichen Formalitäten dann durch Tschechien und Polen abgeschlossen werden.
Die Beendigung der „Lissabon-Ratifizierungssaga“ ist eine der wichtigsten Zielsetzungen dieses Parlaments, und ich hoffe, dass dies zu einem Erfolgskapitel für das Parlament wird.
Filip Kaczmarek (PPE), schriftlich. – (PL) Dies ist ein wichtiger Moment in der Geschichte der europäischen Integration. Ich danke Ihnen für das Programm, das Sie vorgestellt haben. Ich hoffe, Sie werden diese ambitionierte Agenda erfüllen können. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Führung des Europäischen Parlaments, damit dieses seine Arbeit im Einklang mit den Werten ausübt, die für alle Europäer wichtig sind.
Genau wie die polnische Solidaritätsbewegung es geschafft hat, das Gesicht Polens und anderer Länder Mitteleuropas zu verändern, wird uns die europäische Solidarität in die Lage versetzen, die Aufgaben zu bewältigen, die sich uns heute stellen. Dies wird von gewissen Bedingungen abhängen, nämlich davon, dass unsere Solidarität konsequent, authentisch und bereit zu Veränderungen ist. Ebenso wie in Polen, wo der Totalitarismus nicht durch Worte zu Fall gebracht wurde, sondern durch Taten, wird die europäische Solidarität dann etwas bewirken, wenn sie sich in aktiven Maßnahmen manifestiert. Ich glaube fest daran, dass dies gelingen wird.
Die Vision der Zukunft Europas ist für sehr viele Europäer attraktiv. Ich baue darauf, dass das Europäische Parlament unter Ihrer Führung, Herr Präsident, eine positive und intensive Rolle bei der Verwirklichung dieser Vision spielen wird. Ich danke Ihnen.
(Die Sitzung wird um 13.25 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: Jerzy BUZEK Präsident
9. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung
(Das Protokoll der vorherigen Sitzung wird genehmigt)
***
Martin Schulz (S&D). - Herr Präsident! Ich habe keine Bemerkungen zum Protokoll der gestrigen Sitzung, sondern zu einem Vorfall in der Sitzung von heute Morgen. Meine Kollegin Kinga Göncz, Abgeordnete meiner Fraktion, ehemalige Außenministerin Ungarns, ist heute Morgen in der Debatte von der Abgeordneten Krisztina Morvai von der faschistischen Partei Jobbik auf unerträgliche Art und Weise beleidigt worden. Frau Göncz hat sich als Außenministerin Ungarns wie kaum jemand anderer in diesem Land für den internationalen Ausgleich zwischen Ungarn und seinen Nachbarländern eingesetzt. Ich weise diese üble Beleidigung der Kollegin Göncz durch die Kollegin Morvai, die einer neofaschistischen Partei angehört, mit Empörung zurück!
(Beifall) <BRK>
Kinga Göncz (S&D). – (HU) Danke für diese Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Es tut mir sehr leid, dass diese Diskussion hier im Europäischen Parlament geführt wird. Ich möchte auch kurz antworten und sagen, dass die Partei, die von Krisztina Morvai vertreten wird, im Jahr 2006 eine paramilitärische Einheit eingerichtet hat und seitdem diese einsetzt, um die friedlich gesinnte öffentliche Mehrheit einzuschüchtern.
Dazu gehören insbesondere Minderheiten, Schwule, Roma und Juden. Diese paramilitärische Einheit wurde vor Kurzem von den Gerichten aufgelöst, aber ein Abgeordneter dieser Partei trug die Uniform dieser Organisation in diesem Plenarsaal in der Sitzungsperiode im Juli. In Ungarn führte diese Partei eine Kampagne voller anti-europäischer, rassistischer, homosexualitätsfeindlicher, Roma-feindlicher und fremdenfeindlicher Hetzreden an und betitelte Ungarn in ihren Äußerungen immer wieder als Kolonie der Europäischen Union. Das Ereignis, von dem Krisztina Morvai sprach, fand im Jahre 2006 statt, als diese rechtsradikalen Demonstranten das Hauptgebäude der ungarischen Fernsehübertragungsgesellschaft in Brand setzten und tagelang randalierten, was dazu führte, dass 113 Polizeibeamte verletzt wurden.
Am 23. Oktober randalierten sie wieder. Sie versuchten, in Wirklichkeit, eine nationale Feierlichkeit gewaltsam zu unterbrechen. Seit dem Regimewechsel war dies das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass die Polizei Erfahrungen mit rechtsradikalen Protesten machte. Danach richtete die Regierung einen unabhängigen Ausschuss ein, dessen Berichte auf zahlreichen Websites, auch in englischer Sprache, zugänglich sind. Dieser Ausschuss machte Vorschläge und es wurden auch zahlreiche Gerichtsverfahren eröffnet. Die Organe der ungarischen Regierung untersuchten diese Missbräuche.
Es gab in der Tat Probleme. Ich möchte jedoch Folgendes zu Krisztina Morvai sagen: Wenn sie das institutionelle System in ihrem eigenen Land als diktatorisch bezeichnet, ist das Problem daran, dass sie ihren Vortrag vor diesem Plenarsaal gerade eben nicht hätte halten können, wenn die Demokratie in Ungarn nicht funktionieren würde. Ich entschuldige mich noch einmal dafür, dass dieses Thema vor dem Parlament erörtert wurde und ich hoffe aufrichtig, dass diese Diskussion hier nicht fortgeführt wird.
Zoltán Balczó (NI). – (HU) Herr Präsident, der Geschäftsordnung zufolge habe ich eine halbe Minute, um eine Frage zu stellen. Diese Frage richtet sich an Herrn Schulz. Wie kann er es wagen, auf der Grundlage der beleidigenden Worte, die sein Kollege hier verlauten ließ, in diesem Sitzungssaal eine Partei als faschistisch zu bezeichnen, einfach nur, weil sie nicht jeden Aspekt der wesentlichen Ausrichtung der Europäischen Union teilt? Diese Partei hat in Ungarn 430 000 Stimmen erhalten. Daher bezeichnen Sie 430 000 Wähler als Faschisten. Ab jetzt sollten Sie nachdenken, bevor Sie etwas sagen!
10. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll
Der Präsident. – Der nächste Punkt ist die Erklärung des designierten Präsidenten der Kommission.
José Manuel Barroso, designierter Präsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir leben in einer Zeit, die es so noch nicht gegeben hat. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass die Geschichtsbücher der Zukunft auf eine Zeit vor der Finanzkrise und eine Zeit nach der Finanzkrise verweisen werden. Doch diese Krise betrifft nicht nur den finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Sie ist auch eine Krise der Werte. Aus diesem Grund glaube ich, dass wir unser europäisches Sozialmodell, unsere soziale Marktwirtschaft, in den Mittelpunkt unserer Reaktion auf diese Krise rücken müssen.
Gleichzeitig hat die Krise gezeigt, wie wir in dieser globalisierten Zeit voneinander abhängig geworden sind. Es gibt die Finanzkrise, aber auch die Energiekrise. Es gibt die Probleme der Nahrungsmittelsicherheit und den Klimawandel, einen Bereich, in dem Europa nun führend ist. Deswegen meine ich, dass wir sagen können, dass dies der Augenblick der Wahrheit für Europa ist. Wollen wir die Globalisierung mit unseren Werten gestalten, indem wir unsere Interessen vertreten oder wollen wir unter der Globalisierung leiden, indem wir der Führerschaft von anderen folgen?
Für mich ist die Entscheidung eindeutig. Wir müssen uns dieser Herausforderung gemeinsam stellen, denn wenn wir dies nicht gemeinsam tun, läuft Europa Gefahr, ausgegrenzt zu werden. Wir haben Erfahrung. Ich glaube nicht, dass irgendeine andere Region auf der Welt dieselbe Erfahrung darin hat, wie wir, einen Binnenmarkt, gemeinsame Bestimmungen, gemeinsame Institutionen und auch eine einzige Währung sowie Solidaritäts- und Kohäsionspolitiken einzuführen. Wir haben diese einzigartige Erfahrung. Ich glaube deshalb, dass wir, anstatt die Globalisierung zu erdulden, diese gestalten können, weil wir von Natur aus ein Globalisierungslabor sind; wir sind die Verfechter der Global Governance.
Jetzt ist nicht die Zeit für einen Status quo oder für Routine. Wir brauchen eine Agenda für den Wandel. Jetzt mehr denn je brauchen wir ein starkes Europa. Mit dem Vertrag von Lissabon werden wir in Zukunft stärker sein und werden besser agieren können.
Wenn ich ein stärkeres Europa sage, soll uns klar sein, was das bedeutet. Dies bedeutet nicht unbedingt eine stärkere Zentralisierung von Befugnissen. Ich bin dem demokratischen Prinzip der Subsidiarität verpflichtet, Subsidiarität natürlich verbunden mit Solidarität, wobei Entscheidungen dort getroffen werden, wo es am angemessensten ist.
Wenn ich von einem stärkeren Europa spreche, spreche ich auch von einem Europa des Esprit, der Kultur der europäischen Entscheidungsfindung, der Gemeinschaftsmethode und des Willens, gemeinsam zu agieren – nicht nur der Fähigkeit zu agieren, sondern auch des Willens zu agieren, des politischen Willens. Wir brauchen ein Europa, das keine Kompromisse eingeht, wenn es um die Verteidigung seiner Werte und Interessen geht, das Protektionismus jeder Art ablehnt, aber nicht naiv ist, und das diese proaktive Haltung demonstrieren kann. Es ist diese proaktive Haltung, mit der das Dokument entworfen wurde, das ich Ihnen allen vor dieser Sitzung übermittelte.
Das Mandat der Kommission, deren Vorsitz ich derzeit innehabe, war das der ersten Kommission des erweiterten Europas, des großen Europas der 27. Ich glaube, dass jetzt, da wir dieses Europa konsolidiert haben, die Bedingungen für einen neuen Anspruch vorliegen: einen neuen sozialen Anspruch, da es eine Krise gibt und Arbeitslosigkeit das wesentliche Problem ist, dem die Europäer sich ausgesetzt sehen; ein neuer Anspruch bezüglich der Bekämpfung des Klimawandels, eines Bereichs, in dem wir bereits eine führende Rolle übernommen haben; und ein neuer Anspruch in Bezug auf die Art, wie wir mit der Globalisierung umgehen.
Die zweite Frage ist - wir sprechen über Diskriminierung bei der Verteilung öffentlicher Gelder auf geografischer Grundlage oder zwischen Nationen und Staaten - wie sieht es mit Sektoren aus? Ist es gerecht, dass diese großen Konzerne öffentliche Mittel aus Steuergeldern erhalten, während Klein- und Familienunternehmer diese Mittel nicht erhalten? Ist dies nicht ein grundsätzlicher Verstoß gegen das Prinzip der Chancengleichheit zwischen den Wirtschaftsakteuren in der Europäischen Union?
Ich glaube, dass die Zeit reif dafür ist, dass wir uns weitgehend einig werden und auf dem Weg in die Zukunft ein gewisses Maß an Einvernehmen erzielen. Vor Ihnen allen verpflichte ich mich heute dazu – falls ich von diesem Parlament bestätigt werde –, dass ich diese politischen Leitlinien in meiner zweiten Amtszeit anwenden werde und dass ich diese, gemeinsam mit den neu eintretenden Kommissarinnen und Kommissaren, in das nächste Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission aufnehmen werde. Ich werde diese Leitlinien jetzt nicht wiederholen, aber nach den Diskussionen mit Ihnen allen, glaube ich, dass es sinnvoll ist, einige der Elemente der Leitlinien etwas konkreter darzustellen und auch einige Ihrer Vorschläge aufzunehmen. Im Sinne der Transparenz möchte ich diese Bereiche mit Ihnen allen jetzt herausstellen.
Zunächst, der Grundansatz: Wenn wir unseren Konjunkturplan vollständig umsetzen, um aus dieser Wirtschafts- und Finanzkrise herauszukommen, müssen wir die Zukunft im Auge behalten. Wir müssen unserer inklusiven sozialen Marktwirtschaft wieder mehr Stärke verleihen. Wir werden in neue Quellen des nachhaltigen Wachstums investieren, im kluges grünes Wachstum, in die Netzwerke der Zukunft, von der digitalen Infrastruktur bis hin zu den Großversorgern für Strom und Gas – all dies, um hohe Beschäftigungsraten und die Sozialversorgung zu fördern und das europäische Gesellschaftsmodell zu stärken, während wir in einer Welt Erfolg haben, die zunehmend auf Wettbewerb ausgerichtet ist.
Solidarität muss der Schlüssel bleiben. Das ist der Grund, warum ich, abgesehen von all den bereits getroffenen und geplanten Entscheidungen in Bezug auf Strukturfonds und in Bezug auf die Verdopplung unserer Zahlungsbilanzunterstützung für einige Länder in schwieriger Lage, die Zusage geben möchte, alle mir zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um diesen Mitgliedstaaten mit ernsthaften Haushaltszwängen - nämlich den neuen Mitgliedstaaten - auf ihrem Weg zurück zum Aufschwung zu helfen.
Aber wir können nicht zum bisherigen Wachstumsmodell zurückkehren. Es hat sich eindeutig nicht als nachhaltig erwiesen. Wir müssen die Bedingungen schaffen, so dass die Umstellung auf emissionsarme Wirtschaftssysteme eine Quelle von Wettbewerbsvorteilen für unsere Wirtschaft, eine Quelle von Arbeitsplätzen für unsere Arbeitnehmer und eine Quelle der Hoffnung für die zukünftigen Generationen ist. Ja, ich stimme mit denen von Ihnen überein, die sagten, dass Koordinierung nicht ausreicht. Ja, wir müssen eine echte europäische Agenda ausarbeiten. Ja, wir brauchen eine integrierte Vision für eine kohärente europäische Strategie, eine Strategie der Europäischen Union für das Jahr 2020, die auf offenen Märkten aufbaut, indem sie neue Quellen des nachhaltigen Wachstums, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt, unsere Klima- und Energiesicherheitsagenda, einen neuen Ansatz für die Industriepolitik und einen Schritt hin zu einer Wissensgesellschaft kombiniert. Ich stehe dafür ein, einen besonderen Schwerpunkt auf Innovation und Unterstützungsmaßnahmen für KMU zu legen. Ja, das heißt, die Strategie von Lissabon nach 2010 zu überprüfen. Ja, wir brauchen einen deutlich stärker integrierten Ansatz für die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Handlungsstränge der verschiedenen Strategien. Als Präsident der Kommission verpflichte ich mich dazu, mein Bestes zu geben, um die Mitgliedstaaten zu überzeugen, auch diesen Kohärenz- und Koordinierungsansatz zu akzeptieren.
Ich sagte in den Leitlinien, dass die Wirtschaft ein Finanzsystem benötigt, das ethischer, widerstandsfähiger und verantwortungsvoller ist. Regulierung und Überwachung haben mit der Integration und Innovation der Finanzmärkte nicht Schritt gehalten – nicht in Europa; nicht auf globaler Ebene. Lassen Sie mich sagen, dass ich schockiert war von dem Ausmaß an unethischem Verhalten, dessen Zeugen wir waren. Wir können eine Rückkehr zum „business as usual‟ nicht zulassen. Das Thema der Boni, zum Beispiel, erfordert dringende Maßnahmen. Wir sind jetzt in einer führenden Position unter den G20 – ein Prozess, der übrigens in Europa seinen Anfang fand – aber es stimmt, dass mehr getan werden muss. Nächste Woche, am Vorabend des G20-Gipfels in Pittsburgh, wird die Kommission Vorschläge verabschieden, um ein echtes europäisches System der Aufsicht einzurichten — ein System, das die integrierte Natur unseres Binnenmarkts widerspiegelt.
Eine Überprüfung unserer Maßnahmen in drei Jahren wird Gelegenheit bieten, festzustellen, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir die Verantwortung und die Rechtmäßigkeit des Finanzsektors sicherstellen, ohne Innovationen zu behindern. Ich möchte, dass Europa seine Weltführerschaft bei Finanzdienstleistungen beibehält.
In meinen Leitlinien habe ich auch erläutert, warum die Krise einen stärkeren Fokus auf die soziale Dimension in Europa auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung erforderlich macht – in Europa, aber auch auf nationaler Ebene. Der Finanzsektor und die Wirtschaft mögen Zeichen des Aufschwungs aufweisen, aber – um es deutlich zu sagen – die Krise ist nicht vorbei für diejenigen, die ihre Arbeit verloren haben, und wir können erst sagen, dass die Krise überstanden ist, wenn wieder Arbeitsplätze geschaffen werden anstatt dass eine steigende Arbeitslosigkeit verzeichnet wird.
Ich möchte mich zu einem hohen Beschäftigungsniveau und einem hohen Maß an sozialer Kohäsion durch eine Reihe von Maßnahmen, die ich mit einigen von Ihnen erörtert habe, verpflichten.
Ich habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich an der Einhaltung der sozialen Rechte und am Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer festhalte. Die Interpretation und die Umsetzung der Entsenderichtlinie werden beiden Aspekten nicht gerecht. Aus diesem Grund engagiere ich mich, so rasch wie möglich eine Verordnung vorzuschlagen, um die entstandenen Probleme zu lösen. Diese Verordnung unterliegt der Mitentscheidung durch das Europäische Parlament und den Rat. Eine Verordnung hat den Vorteil, dass sie viel mehr Rechtssicherheit bietet, als die Überprüfung der Richtlinie selbst, die immer noch zu viel Raum lassen würde für divergierende nationale Umsetzungen und mehr Zeit benötigen würde, um dort, wo Bedarf besteht, echte Ergebnisse vorzubringen. Aber wenn wir bei der Ausarbeitung der Verordnung entdecken, dass es Bereiche gibt, wo die Richtlinie selbst ausgebessert werden muss, werde ich nicht zögern, dies zu tun. Ich sage es in aller Deutlichkeit – ich verpflichte mich dazu, das Sozialdumping in Europa zu bekämpfen, gleich welche Form es annimmt.
Es kam auch die Frage nach Sozialverträglichkeitsprüfungen für alle zukünftigen Vorschläge auf und ich stimme darin überein, dass diese erforderlich sind. Der erste Testfall für eine solche Sozialverträglichkeitsprüfung sollte die Arbeitszeitrichtlinie sein. Auf der Grundlage dieser Verträglichkeitsprüfung wird die nächste Kommission Sozialpartner konsultieren und eine umfassende Gesetzesvorlage vorbringen.
In den Leitlinien betone ich die Bedeutung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für unser europäisches Gesellschaftsmodell. Der Vertrag von Lissabon macht diesen Punkt sehr deutlich und ich bin bereit, mit Ihnen zu arbeiten, um einen qualitativen Rahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu entwickeln.
Ich habe auch die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Notwendigkeit, das geschlechtsspezifische Lohngefälle abzuschaffen, hervorgehoben, daher verpflichte ich mich jetzt dazu, mit Ihnen an einer Frauencharta zu arbeiten, auch als Art des Gedenkens an den 15. Jahrestag der Peking-Konferenz im Jahr 2010.
In meinen Leitlinien bringe ich meine Entschlossenheit zum Ausdruck, die Neuerungen des Vertrags von Lissabon in internationalen Beziehungen, einschließlich des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Stelle des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten der Kommission, effektiv arbeiten zu lassen. Ich glaube, es ist eine der bedeutendsten Neuerungen unseres Vertrags von Lissabon und ich verpflichte mich dazu, die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament im Bereich der Außenbeziehungen im Allgemeinen zu stärken.
Europa benötigt indes die Mittel, um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Wie ich in den Leitlinien sagte, erfordert dies eine radikale Reform des Haushalts der Europäischen Union, welche die Ausgaben- und die Einnahmenseite umfasst. Wir müssen aufhören, uns mit Scheuklappen auf Nettobilanzen zu konzentrieren, und uns zu einem Ansatz hinbewegen, der auf Solidarität, Lastenverteilung und Gerechtigkeit basiert. Dies umfasst auch die Frage der Eigenmittel. Die Europäische Union muss eine transparentere und effizientere Weise der Finanzierung ihrer Strategien haben und ich bin bereit – hoffentlich mit der Unterstützung dieses Parlaments –, diesen Kampf in die Mitgliedstaaten zu tragen, wenn wir den Haushalt der Union neu gestalten. Ich möchte auch enger mit der Europäischen Investitionsbank zusammenarbeiten, um mir innovative Finanzierungsformen anzuschauen.-
Ich verpflichte mich ebenfalls zu kluger Regulierung und ich möchte wiederholen, dass die Vereinfachung der Verfahren und die Senkung der Verwaltungslasten auf Unternehmen, insbesondere KMU, eine Priorität der nächsten Kommission bleiben werden. Diese Aufgabe wird – wie der Ausschuss für Folgenabschätzung und die Ex-post-Bewertung – direkt unter meiner Weisungsbefugnis angeordnet sein, um zu verdeutlichen, welche Priorität ich ihr beimesse. Ich werde ebenfalls – wie wir dies in den letzten Jahren und manchmal unter schwierigen Umständen getan haben – die Integrität des Binnenmarktes verteidigen, denn ohne einen Binnenmarkt und ohne eine Kohäsionspolitik werden wir niemals eine Europäische Union haben.
Aber warum sollten wir hier aufhören? Warum nur den Binnenmarkt verteidigen? Ich möchte die fehlenden Bindeglieder ergänzen, um die ganzen Vorzüge für Unternehmen und Verbraucher freizusetzen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich verpflichte mich dazu, diese Prioritäten in die Organisation des nächsten Kollegiums zu überführen, sobald ich von Ihnen bestätigt wurde, aber ich kann Ihnen bereits heute einige organisatorische Änderungen mitteilen, die ich beabsichtige, einzuführen.
Ich werde die Stelle des Kommissars für Justiz, Grundrechte und bürgerliche Freiheiten, einschließlich der Rechte von Bürgern und Minderheiten, einrichten, um zu zeigen, dass die Europäische Union eine Gemeinschaft von Rechten und Werten ist.
Ich werde ebenfalls die Stelle des Kommissars für innere Angelegenheiten und Migration, einschließlich Sicherheit, einrichten. Eine der wesentlichen Aufgaben dieses Kommissars wird darin bestehen, einen wahrlich gemeinsamen Ansatz für die Migration zu entwickeln: Förderung der Integration von rechtmäßigen Migranten, Bekämpfung der illegalen Einwanderung und damit verbundenen kriminellen Aktivitäten sowie Gewährleistung der Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander. Wir brauchen Solidarität. Wir brauchen Solidarität, wenn wir unsere baltischen Freunde oder Länder unterstützen müssen, die von der Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine betroffen sind, aber wir brauchen auch Solidarität, wenn wir unsere Mittelmeerfreunde unterstützen müssen, wenn sie vor Herausforderungen stehen, die sie nicht alleine bewältigen können.
Ich werde auch die Stelle des Kommissars für Klimamaßnahmen einrichten, um zu zeigen, dass der Klimawandel eine Herausforderung ist, der wir uns in all unseren Strategien widmen müssen. Ein engagierter Kommissar für Klimamaßnahmen wird auch ein bedeutendes Signal aussenden, das, unabhängig vom Maß des Bestrebens, das sich aus Kopenhagen ergibt, zeigt, dass Europa ernsthaft den Schwung der Maßnahmen beibehält.
Wir brauchen auch eine grundlegende Überprüfung der Art und Weise, wie die europäischen Institutionen wissenschaftliche Gutachten in Anspruch nehmen und verwenden. In der nächsten Kommission möchte ich die Stelle des Leitenden Wissenschaftlichen Beraters einrichten, der über die Befugnisse verfügt, proaktive wissenschaftliche Gutachten in allen Phasen der Politikentwicklung und -umsetzung abzugeben. Dies wird die wesentliche Priorität widerspiegeln, die ich der Forschung und Innovation einräume. Ich glaube, dass wir in diesem Bereich viel zu tun haben. Wenn es einen Bereich gibt, wo die bruchstückhaften Anstrengungen in Europa nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, dann ist das genau auf dem Gebiet der Forschung und Innovation. Ich glaube, dass es, von der Bekämpfung des Klimawandels bis hin zur Sicherheit der Energieversorgung, Potenzial gibt, wenn wir bei Forschung und Innovation zusammenarbeiten wollen.
Was ich vorschlage, ist nichts Anderes als eine Transformationsagenda für Europa. Um dieses Streben umzusetzen, habe ich eine besondere Partnerschaft zwischen dem Parlament und der Kommission vorgeschlagen. Wir vertreten die beiden europäischen Institutionen par excellence und das gibt uns eine besondere Verantwortung, um einen echten europäischen öffentlichen Raum für Aussprachen zu schaffen. Ich verpflichte mich, meinen Beitrag zu einer europäischen parlamentarischen Demokratie zu leisten.
Ich habe die Gelegenheit gehabt, dies in den letzten Monaten mit Präsident Buzek zu erörtern, was zu vielen der Verbesserungen geführt hat, die ich in meinen Leitlinien vorgeschlagen habe, wie eine regelmäßige Fragestunde. Nach meinen Sitzungen mit den Fraktionen bin ich bereit, die Anregung einiger von Ihnen aufzugreifen und mich nicht nur regelmäßiger mit der Konferenz der Präsidenten zu treffen, sondern auch einen angemessenen Dialog mit der Konferenz der Ausschussvorsitzenden aufzubauen. Ganz konkret werde ich die Konferenz der Ausschussvorsitzenden einladen, jedes Jahr mit dem gesamten Kollegium der Kommissare zusammenzukommen, bevor die Kommission ihr Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm verabschiedet.
Wir leben in der Tat in sehr außergewöhnlichen Zeiten, Zeiten der Unsicherheit und der Machtwechsel. Es mag einen grundlegenden Wandel in den Beziehungen zwischen den bedeutendsten Weltmächten geben und es besteht in dieser Zeit der Sorge wegen des Aufkommens von nationalem Egoismus, von nacktem Nationalismus, von hässlichem Nationalismus und einiger Arten von Extremismus eine große Gefahr. Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass unsere Errungenschaften für die europäische Integration in Frage gestellt werden. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, diese besondere Beziehung zwischen Kommission und Parlament zu haben und jene nationalen Egoismen zu bekämpfen.
Lassen Sie mich mit einer Bitte an jeden einzelnen von Ihnen zum Ende kommen. Wir brauchen jetzt, mehr denn je, ein starkes Europa und eine starke Europäische Kommission – eine starke Kommission, lassen Sie uns offen sein, muss eine politische Kommission sein – aber eine politische Kommission darf keine parteiische Kommission sein. Als Präsident der Kommission ist meine Partei Europa. Dem nächsten Kollegium wird, wie dem derzeitigen, eine beträchtliche Anzahl an Mitgliedern von einer Vielzahl von politischen Familien angehören. Ich verpflichte mich dazu, die politische Vielfalt Europas im Kollegium und in den wichtigsten Positionen widerzuspiegeln. Wir können in der Tat jedoch nur mit einer parteiübergreifenden Unterstützung ein starkes Europa und eine starke Kommission haben.
Wir brauchen eine Kommission, die ihre Versprechen in die Tat umsetzt. Wir brauchen auch ein Parlament, das in der Lage ist, die effektiven Mehrheiten zu mobilisieren, die für ein handlungsfähiges Europa erforderlich sind. Wenn Sie eine starke Kommission wollen, die sich manchmal gegen die Mitgliedstaaten und gegen nationalen Egoismus behauptet, dann sollten Sie der Kommission die starke Unterstützung geben, die sie benötigt.
Wir haben alle unsere unterschiedlichen politischen und ideologischen Meinungen und wir kommen aus sehr unterschiedlichen politischen Familien, aber ich glaube, dass wir in Zeiten, wie diesen, in denen wir jetzt leben, in Zeiten der Krise, abgesehen von unseren Überzeugungen, auch eine starke Moral der europäischen Verantwortung brauchen. An diese Moral der europäischen Verantwortung appelliere ich bei Ihnen allen – mein Appell mit Leidenschaft für Europa. Lassen Sie uns diese europäische Reise gemeinsam antreten.
(Andauernder Beifall)
Joseph Daul, im Namen der PPE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren, letzten Juni bekräftigten die Menschen in Europa ihre Unterstützung für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), indem sie unsere Fraktion zum dritten Mal nacheinander zur führenden Kraft dieses Parlaments machte.
Durch ihre Stimmabgabe haben unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger eine klare Wahl zum Ausdruck gebracht: die Wahl eines stabilen und starken Europas in einer Zeit der Krise und des Zweifels; die Wahl einer sozialen Marktwirtschaft ausgestattet mit ethischen Regeln; und die Wahl einer verantwortungsbewussten Klima- und Energiepolitik. Da die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) die einzige Partei war, die mehrere Monate vor den Wahlen einen Kandidaten für die Präsidentschaft der Kommission vorgeschlagen hat, folgte daraus, dass die Menschen in Europa implizit der Wahl von Herrn Barroso zustimmten, indem sie uns die meisten Stimmen gaben.
Ich für meinen Teil bin stolz, dass die EVP-Fraktion diese Wahl getroffen hat und ich wage zu sagen, ich bin stolz, dass sie dieses Risiko eingegangen ist.
Jeder kennt die Prioritäten der EVP-Fraktion: Es sind jene, die die Väter Europas inspirierten und die immer noch die Mehrheit der Regierungen im heutigen Europa inspirieren. Die meisten dieser Ziele teilt der derzeitige Präsident der Kommission Herr Barroso und hält sie aufrecht.
Meine Damen und Herren, die EVP-Fraktion unterstützt Herrn Barroso, weil er sich bewährt hat. Er hat sich bewährt in Bezug auf das Energie- und Klimapaket und hat Europa dazu gebracht, in der Welt die Vorreiterrolle bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung einzunehmen. Es ist diese Vorreiterrolle Europas, die bei der Konferenz in Kopenhagen Vorbild sein wird. Er hat sich bewährt bei der Anhebung der moralischen Anforderungen in den Finanzsystemen und hat Europa dazu gebracht, als erstes die Lektionen einer Finanzkrise zu lernen, die niemand, und ich meine niemand, vorausgesehen hatte. Es sind Europa und die Barroso-Kommission, die unseren Partnern in den USA und in Asien die Richtung weisen, die beim G20-Gipfel einzuschlagen ist.
In der Vergangenheit wurde Europa als politischer Zwerg beschrieben. Wie könnte jemand nicht zufrieden sein angesichts der Tatsache, dass Europa bei den beiden Themen, die den Europäern die meisten Sorgen bereiten – die Krise und der Klimawandel – endlich an vorderster Front stehen.
Ich möchte hinzufügen, dass Herr Barroso der erste Kandidat für die Kommissionspräsidentschaft ist, der das Parlament so stark in seine Arbeit und in die Definition seiner Leitlinien eingebunden hat. Er ist der Erste, der eine echte Partnerschaft zwischen diesen beiden Institutionen durch eine Reihe konkreter Maßnahmen angeboten hat.
Ich glaube, das ist eine bedeutende Entwicklung für den europäischen Parlamentarismus; es ist eine Chance, die wir Mitglieder des Europäischen Parlaments ergreifen müssen. Aus diesem Grund hofft meine Fraktion, dass Präsident Barroso so schnell wie möglich eine neue Kommission bilden und mit der Arbeit beginnen wird.
Offensichtlich könnte der Kommissionspräsident nicht eine einzelne Partei vertreten. Offensichtlich muss er mit einem Kollegium von Kommissaren übereinkommen, die zu mehreren politischen Familien gehören. Wir begrüßen dies, denn Europa kann nur in einem Geist aus Offenheit und Konsensfindung erbaut werden.
Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, nach diesen Worten möchte ich eine Bitte an Sie richten. Wenn der Kommissionspräsident gewählt ist, müssen Sie umgehend das übrige Kollegium zusammenstellen, unabhängig vom geltenden Vertrag.
Wenn, wie ich hoffe, eine Mehrheit der Abgeordneten Ihnen morgen ihre Unterstützung gibt, Herr Barroso, wird das für Sie kein Blankoscheck sein. Sie wissen das, aber es ist meine Pflicht, Ihnen dies hier noch einmal zu sagen. Da die EVP-Fraktion die meisten Ihrer Überzeugungen teilt, haben Sie auch eine Verantwortung: sicherzustellen, dass die Arbeit Ihrer Kommission in den nächsten fünf Jahren unseren Erwartungen und denen der Europäerinnen und Europäern entspricht.
Wir vertrauen Ihnen, aber zweifeln Sie nicht daran, dass wir auch unsere Pflicht als Gesetzgeber im Rahmen der Partnerschaft, die Sie vorschlagen werden, erfüllen werden.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Martin Schulz, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich in den letzten Tagen, warum ein Kandidat, der in diesem Parlament quer durch alle Fraktionen so umstritten ist, im Rat so unumstritten ist. Ich glaube, die Antwort liegt auf der Hand. Wenn ich Regierungschef gewesen wäre, hätte ich auch José Manuel Durão Barroso gewählt. Einen besseren Anwalt der Interessen des Europäischen Rates hätte man in den letzten fünf Jahren gar nicht bekommen können. Deshalb ist Ihr Appell, Herr Barroso, für die Zusammenarbeit mit dem Parlament richtig, aber dieser Appell kommt spät!
(Beifall)
Ein Element der letzten fünf Jahre war, dass Sie den Regierungen in der Europäischen Union stets zu Diensten waren, und das ist genau einer der Punkte, warum es soviel Skepsis Ihnen gegenüber gibt. Manche Freunde sind gefährlicher als Feinde. Kaum schließen Sie Ihre Rede mit dem Appell: „Ich bin der Kandidat aller!“, erklärt der werte Kollege Daul: „Das ist der Kandidat der EVP.“ Was für eine Gefahr für Sie, Herr Barroso! Denn welches Motiv sollte eine andere mögliche Mehrheit in diesem Hause haben, Sie zu wählen, wenn Ihr Programm das Programm der Europäischen Volkspartei ist?
Wir hätten mit einer anderen Mehrheit starten können. Wir haben im Juli gesehen, dass sich in diesem Haus auf der Grundlage von verschiedenen Erwägungen der unterschiedlichen Fraktionen eine Mehrheit bildete, die Guy Verhofstadt zusammengefasst hat mit einer reformorientierten pro-europäischen Mehrheit, die möglich ist. Diese hatte auch die Abstimmung jetzt in den September verlegt, und es wäre vielleicht auch noch anderes möglich gewesen. Leider hat die Fraktion der Liberalen ihren Vorsitzenden nicht weiter unterstützt, sonst wäre das möglich gewesen. Deshalb stimmen wir heute ab und wägen dabei ab, ob das, was Sie hier sagen, überzeugt.
Aber kaum, dass Sie sich auf ein Programm konzentrieren müssen, machen Sie schon wieder etwas anderes. In den letzten Tagen schicken Sie Ihre reitenden Boten aus, um überall zu erzählen: „Moi, j’ai la majorité, ich habe die Mehrheit“. Ja, vielleicht haben Sie morgen eine Mehrheit, das kann sein. Vielleicht haben Sie morgen eine Mehrheit, bestehend aus der Europäischen Volkspartei und den Liberalen, die mehrheitlich für Sie stimmen, und sicher der einzigen Fraktion, die einstimmig und ohne jedes Zögern sofort für Sie gestimmt hat: die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten, die Partei der Herren Kaczyński, die Partei des Herrn Klaus, die Partei der Tories. Sie wollen mit denen eine Lissabon-Mehrheit, wie Sie sagen, aber das ist die Partei der Leute, die den Lissabon-Vertrag ablehnen. Wie kann man Europa pro-europäisch führen, wenn man solche Allianzen eingeht?
(Beifall)
Es geht im Übrigen nicht nur um Sie. Es geht auch um Sie, ja. Es geht auch um die Frage: Barroso – ja oder nein? Es geht auch um die Frage, ob Sie eine Mehrheit bekommen – ja oder nein? Aber es geht auch um etwas anderes. Es geht um die Richtung Europas insgesamt. Und dann entscheiden Sie nicht allein. Dann entscheidet auch der Rat, ja, dann entscheidet am Ende vor allen Dingen dieses Parlament über die Zusammensetzung des Kollegiums und über die Portfolios, die Sie verteilen, und über Ihr Programm, das Sie für die nächsten fünf Jahre vorlegen.
Es geht auch um Sie, aber es geht auch um die Frage, ob wir es endlich schaffen, dass dieser Binnenmarkt reguliert wird, dass die Finanzmärkte reguliert werden, ob wir es endlich schaffen, dass dieses wandernde Lohndumping in Europa, das den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zerstört, endlich beendet wird. Es geht auch darum, ob wir es schaffen, eine Richtungsänderung in der Europäischen Union herbeizuführen, für die dann die Kommission als Ganzes stehen muss.
Deshalb geht es für uns auch um programmatische Fragen. Europa auf die Frage einer einzelnen Person zu reduzieren sowie darauf, ob diese einzelne Person eine Mehrheit hat oder nicht, das reicht nicht. Wir brauchen mehr! Wir brauchen die Frage der sozialen Folgenabschätzung. Gut, Sie haben gesagt, Sie machen das. Wir werden Sie daran messen, ob Sie es tatsächlich machen, ob Sie bereit sind, das als Regelfall mit dem Parlament in einer interinstitutionellen Vereinbarung festzulegen.
Die Kommission muss in Zukunft vorher überlegen, welche Auswirkungen ihre Maßnahmen auf die Systeme der sozialen Sicherung der Mitgliedstaaten haben. Ja, wir wollen und wir brauchen eine Richtlinie für die öffentlichen Dienstleistungen, für die Daseinsvorsorge. Es kann nicht sein, dass in Ihrer Kommission keine Ruhe gegeben wird, bis der letzte Kommunalfriedhof in Europa privatisiert ist. Diese Strategie muss endlich ein Ende haben! Und auch bei der Lohnpolitik brauchen wir in Europa eine Richtungsänderung.
Welches Instrument wir auch immer wählen werden, Herr Barroso, ich erwarte von Ihnen einen Satz. Sie haben ihn heute wieder nicht gesagt. Aber ich erwarte, dass Sie ihn einmal aussprechen. Das Ziel der Kommission – gerade nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Fällen Viking, Laval und Rüffert – muss sein: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, für Männer und Frauen gleichermaßen.
Das sind die programmatischen, die inhaltlichen Dinge, über die wir mit Ihnen diskutieren wollen, aber nicht nur mit Ihnen. Es geht eben auch darum, wer Kommissar ist und welches Portfolio er hat. Ich weiß nicht, wodurch Europa größeren Schaden erlitten hat, durch Sie oder dadurch, dass Sie Herrn McCreevy nicht daran gehindert haben, das zu tun, was er tun konnte. Wir brauchen eine Richtungsänderung in der EU! Daran werden wir Sie messen.
(Beifall)
Und deshalb sehen wir zwischen der Abstimmung morgen und der Schlussabstimmung über die Kommission einen Zusammenhang. Es gibt einen Weg dorthin. Es gibt die Möglichkeit, mehr Zustimmung und Vertrauen zu erwerben, als heute vorhanden ist. Aber in der Summe Ihrer Bilanz der letzten fünf Jahre und mit dem, was Sie bisher vorgetragen haben – ich sage nicht, mit dem, was noch kommen kann, sondern mit dem, was auf dem Tisch liegt –, kann ich Ihnen eines mit Sicherheit sagen: Die Unterstützung meiner Fraktion haben Sie nicht!
(Beifall) <BRK>
Der Präsident. – Ich möchte Sie darüber informieren, dass wir eine neue Geschäftsordnung haben. Vielleicht haben noch nicht alle dies zur Kenntnis genommen. Die Regel besagt, dass, wenn im Parlament anwesende Abgeordnete während einer Rede eine blaue Karte hochhalten, sie eine Frage an den Redner richten dürfen. Die Frage darf nicht länger als eine halbe Minute lang sein und darf nur mit dem Einverständnis des Redners gestellt werden. Dies ist eine neue Regel, die wir vorher nicht hatten. Dies soll unsere Debatten beleben.
Miguel Portas (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident, ich werde mich sehr kurz fassen: Herr Schulz, ich habe Ihnen sehr sorgfältig zugehört und ich teile viele der Themen, die Sie beim Kommissionspräsidenten vorgebracht haben, der jetzt wieder kandidiert. Ich hörte Sie auch sagen, dass die Sozialisten nicht nur die Rechten unterstützen und dass Europa nicht nur aus den Rechten besteht. Ich frage Sie, wie viele Abgeordnete Ihrer parlamentarischen Fraktion – Sozialisten, Portugiesen, Spanier oder Engländer – haben bereits ihre Unterstützung für den neuen Kandidaten zugesagt, unabhängig von den Meinungen, die Sie selbst haben, Herr Schulz?
Martin Schulz (S&D). - Herr Präsident! Ich muss gestehen, ich kenne den Kollegen nicht. Insofern freue ich mich, dass wir als neue Kollegen...
(Zwischenruf)
Er ist schon länger da? Bis dato ist er mir aber nicht sonderlich aufgefallen. Nach dem, was ich gehört habe, verstehe ich das auch.
Wir werden über die Schlussabstimmung unserer Fraktion heute Abend entscheiden. Ich weiß nicht, wie intensiv demokratisch die Strukturen Ihrer Partei sind, aber da wir eine demokratische Partei sind, wird das heute Abend in demokratischer Abstimmung entschieden. <BRK>
Der Präsident. – Ich möchte sagen, dass nur eine Frage pro Rede vorgesehen ist, da wir sonst mit unserer Debatte nicht fertig werden.
Guy Verhofstadt, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, seit dem Beginn dieses Ernennungsverfahrens hat die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa gesagt, dass es hier um das Programm für die nächsten fünf Jahre geht und nicht um Menschen oder Persönlichkeiten. Folgendes zählt: Das Programm, das der Kandidat vorstellt, das Programm, das er jetzt in groben Zügen vorstellt, dann das Programm im Detail, das er gegen Jahresende vorstellen wird, hoffe ich, wenn die Zusammensetzung der Kommission feststeht.
Zweitens hat unsere Fraktion auf Anfrage einiger meiner Kolleginnen und Kollegen lange erörtert, ob wir mit einer abschließenden Entscheidung warten sollten. Wir unterstützten dies im Juli, weil wir es für notwendig hielten, dass der Kandidat mit einem Programm aufwarten solle, was in der Vergangenheit nicht der Fall war. Ich glaube, dass dies so die richtige Entscheidung war, im Juli zu warten, nicht zu ernennen und auf die Vorschläge zu warten, über die wir jetzt diskutieren werden. Wir waren jedoch der Auffassung, dass es keinen Grund dafür gäbe, noch einmal zu sagen, dass wir einige Wochen oder Monate warten würden, nachdem der Kandidat seine Leitlinien vorgestellt hatte.
Wir durchlaufen eine Wirtschafts- und Finanzkrise, daher brauchen wir europäische Institutionen und wir brauchen eine Kommission. Es ist nicht sehr verantwortungsbewusst ...
(Beifall)
... Es ist nicht sehr verantwortungsbewusst, heute zu sagen: „Lasst uns warten‟. Worauf warten? Zwei Wochen, drei Wochen, zwei Monate warten, bis sie Vorschläge unterbreiten? Sie liegen vor. Lassen Sie uns unsere Verantwortung übernehmen, ob wir nun dafür oder dagegen stimmen, aber lassen Sie uns unsere Verantwortung übernehmen.
Drittens waren wir nicht sehr überzeugt von den Leitlinien, die der Kandidat vorgestellt hat. Ich glaube, dass diese Vorschläge, so detailliert, wie sie manchmal sind, auf einer fehlerhaften Philosophie basieren, nämlich auf der Annahme, dass die Rezession vorüber ist, dass ein Aufschwung im Gang ist und dass wir keine zusätzlichen Gemeinschaftspolitiken benötigen, um aus der Krise herauszukommen. Das ist ein dürftiger Ausgangspunkt, denn das Ende der Rezession bedeutet nicht, dass dies der Anfang des Aufschwungs ist. Wir könnten in eine wirtschaftliche Stagnation verfallen, wie dies in Japan der Fall ist, wo sie seit 10 bis 15 Jahren auf Wachstum warten. Daher rührt die Notwendigkeit, zusätzlich über eine neue integrierte Gemeinschaftsstrategie zu verfügen, die über die 27 Nationalpläne hinausgeht. Das ist der Anspruch, den wir als Liberale und Demokraten stellen, und es ist für die Kommission ebenso wichtig, so schnell wie möglich einen Plan zur Sanierung der Banken vorzulegen. Nicht 27 verschiedene Pläne, wie wir sie heute haben, sondern einen gemeinsamen konsequenten Ansatz, der durch die Kommission dargelegt wird.
Herr Barroso, ich hörte, dass Sie in unserer Fraktion sagten, dass Sie bereit seien, Vorschläge sowohl im Hinblick auf diese neue integrierte Gemeinschaftsstrategie, die über die 27 nationalen Pläne hinausgeht, als auch auf diese europäische Stabilisierung des Bankensektors vorzulegen. Das ist positiv, und wir bitten darum, dass diese beiden Elemente in dem Programm, das Sie erarbeiten und mit der Kommission vorstellen werden, detailliert ausgearbeitet sind.
Unsere Unterstützung ist sehr klar. Sie ist an Bedingungen gebunden. Das bedeutet, dass unsere Unterstützung so lange anhalten wird, wie wir sehen, dass diese Elemente, also eine neue integrierte Gemeinschaftsstrategie, ein Plan zur Stabilisierung des Bankensektors, über die Dinge hinaus, die Sie heute in Ihrem Vortrag wiederholt haben, ein Haushalt, der auf Eigenmitteln gründet, und eine mittelfristige Überprüfung der Finanzkontrolle in jedem Teil des Programms der Kommission verwirklicht werden. Zu diesem Thema muss ich Ihnen sagen, dass ich weiterhin glaube, dass die Struktur der Europäischen Zentralbank weiterhin genutzt werden sollte und nicht die Vorschläge von de Larosière, die zurzeit noch Ausgangspunkt der Kommission und des Rates sind.
Schließlich wird unsere Unterstützung, wie Sie wissen, auch von der Struktur der Kommission abhängig sein. Wir wollen eine effektive Kommission mit gleichmäßiger verteilten Befugnissen als dies in der Vergangenheit der Fall war und in diesem Zusammenhang zählen wir auch auf das Versprechen, das Sie unserer Fraktion gegeben haben, nämlich dass einem bestimmten Kommissar aus dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres mit Verantwortung für Grundfreiheiten und bürgerliche Freiheiten ein Platz in Ihrem Team gegeben wird. Es ist wichtig, dass dieser Kommissar gemeinsam mit den anderen Kommissaren Verantwortung trägt und nicht nur jemand ist, der ihnen Stellungnahmen abgibt.
Für das gemeinsame Wohl Europas brauchen wir deshalb mehr Mut und eine ehrgeizigere Kommission, und wir hoffen, dass Sie dafür Sorge tragen werden und hoffen ebenfalls, dass Sie unsere Erwartungen in Ihrem endgültigen Programm erfüllen werden.
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr designierter Präsident, meine Damen und Herren, ich gestehe, ich glaube, ich halluziniere.
Zuerst wird uns gesagt: „Alles hat sich verändert, also bleibe ich!‟ Der Grund, warum Herr Barroso bleiben muss, ist dass alles sich verändert und er die Stabilität in einer sich wandelnden Welt ist. Sei's drum.
Dann höre ich, was Herr Daul zu sagen hat. Ich gehörte zur Wahlkampagne in Frankreich. Während der Wahlkampagne wurde uns in Frankreich gesagt, wegen der Banken, schaut zu Herrn Sarkozy, wegen des Klimawandels, schaut zu Herrn Sarkozy, wegen des Wandels in Europa, schaut zu Herrn Sarkozy. Jetzt höre ich Herrn Daul sagen, wegen des Klimawandels, schaut zu Herrn Barroso, zum Thema X, Y oder Z, schaut zu Herrn Barroso. Sie werden einen Rüffel vom Elysée-Palast bekommen, mein Freund! Sie werden einen Rüffel bekommen! Einerlei, das Ganze ist unglaublich! Ja, ja, ich weiß, Mai 1968 langweilt Sie, Sie kommen immer mit denselben alten Kamellen. Ich werde es Ihnen eines Tages erklären, wenn Sie es hören wollen.
Ich sage nur, dass dieser Ort, genau hier, ein Ort ist, an dem wir das Recht haben, alles zu sagen. José Manuel Obama: Yes, he can! Er kann jetzt alles tun, was er will; er kann fünf Jahre lang alles tun, was er vorher nicht konnte. Sie werden sehen, was passiert, und in diesem Sinne, Staats- und Regierungschefs, Frau Malmström, seien Sie wachsam, denn die Tage des kleinen Herrn Barroso, der auf Sie hört, sind vorbei. Sie werden jetzt auf ihn hören müssen, er wird Ihnen eine neue integrierte Politik auferlegen, keine Politik der Koordinierung, Sie werden seiner Führung folgen müssen... Nein, aber halt, halt, Herr Barroso! Wir wissen, wie Sie sind! In fünf Jahren haben Sie in diesem Parlament nicht ein einziges Mal gesagt: „Ich war im Fehler‟, wie ich, Daniel Cohn-Bendit, und andere es getan haben..
Sie sprechen über europäische Werte, Sie sprechen über europäische Moral, aber das Problem ist Folgendes, Herr Barroso. Wenn Sie Dinge wirklich verändern wollen, müssen Sie den Abgeordneten und den Bürgerinnen und Bürgern etwas erklären: Die Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise muss gleichzeitig eine Reaktion auf die Umweltkrise sein. Ferner, wenn Sie auf diese Krisen reagieren wollen, müssen Sie Europa transformieren – reformieren reicht nicht aus – und damit meine ich, dass Sie es in Bezug auf umweltrelevante und soziale Aspekte reformieren müssen. Unsere Produktionssysteme müssen in Frage gestellt werden. Die Banken: Warum haben sie verrückt gespielt? Weil wir ein System haben, das sie völlig verrückt macht. Warum? Aus dem einfachen Grund, weil es darum geht, mehr und mehr zu bekommen, und noch mehr und noch schneller.
Ist es der Fall, Herr Barroso, ist es der Fall, Staats- und Regierungschefs, dass die Mehrheit dieses Parlaments heute bereit ist, den Ansatz des „immer mehr in immer kürzerer Zeit‟ in Frage zu stellen? Dies ist der Ursprung der Krise, und wenn Menschen über nachhaltige Entwicklung sprechen, geht es nicht nur um ein paar bruchstückhafte Maßnahmen, es geht darum, zu versuchen zu erklären und zu verstehen, dass, während es Bereiche gibt, die Wachstum brauchen, also selektives Wachstum – erneuerbare Energien usw. – , es eine ganze Menge von Bereichen gibt, die gedrosselt werden müssen. Es muss eine Maßnahme geben, und hier halluziniere ich noch mehr.
Sie sprachen über den Prozess von Lissabon. Sie sprachen über Forschung. Herr Barroso, erklären Sie mir eines. Fünf Jahre lang – genau genommen, vier Jahre lang: letztes Jahr, nach der Krise, waren Sie vorsichtiger – haben Sie uns erklärt, dass die Grundlage für wirtschaftliche und ökologische Effektivität die Deregulierung sei. Deregulierung. Ja, in der Tat, ich erinnere mich an Ihre Reden, ich erinnere mich an Ihre Worte. Dann, im Zuge der Krisen, erkannten Sie plötzlich, dass es so nicht lief. In den Krisen sagten wir nie, und das geht zu Ihren Gunsten, dass Sie ein unehrenhafter Mann seien, wir sagten lediglich, dass wir angesichts der Art, wie Sie, Herr Barroso, die Kommission geleitet haben, kein Vertrauen zu Ihnen haben. Sie sind Europäer, aber gleichzeitig sind Sie in einer Ideologie verschlossen, die genau die Ideologie ist, die zur Krise geführt hat, und nicht jene, die sie löst.
Und, Herr Verhofstadt, das schießt jetzt den Vogel ab. Während der Kampagne sagten wir – ich komme hier zum Schluss, und nebenbei bemerkt, Herr Barroso wird uns dafür dankbar sein – dass wir nicht im Juli abstimmen wollten. Nicht jeder ist uns dafür dankbar, dass im Juli nicht gewählt wurde, weil schließlich Herr Barroso sein Programm vorstellen konnte. Wenn es nach Herrn Daul gegangen wäre, wenn es nach Herrn Barroso gegangen wäre, hätten wir im Juli ohne ein Programm abgestimmt und alles wäre in Ordnung gewesen! Also danken Sie uns zumindest für die Gelegenheit, Ihr Programm vorstellen zu können.
Bitteschön, bitteschön, Herr Barroso.
Zweitens – aber das ist der Hammer – sagen Sie: „Warum noch weiter vertagen?‟ Aus dem einfachen Grund, und das hat es nie zuvor gegeben, weil die Menschen in Irland in drei Wochen abstimmen werden und wenn sie, wie ich glaube und wie erwartet wird, für den Vertrag von Lissabon stimmen, es eine andere Bedingung für diese Kommission gibt. Sie sagen uns: „Es ist unbedingt erforderlich, weil wir in einer Wirtschaftskrise stecken, Sie werden sehen, was geschieht.‟
In den nächsten zwei Monaten wird Herr Barroso seine Kommission bilden müssen. Er wird keine Zeit haben, sich mit Lissabon oder mit Kopenhagen zu befassen, weil er mit Herrn Sarkozy verhandeln müssen wird. Bekommt Herr Barnier den Binnenmarkt? Falls Herr Barnier den Binnenmarkt bekommt, was wird er den Polen geben, denen er eine großartige Kommission versprochen hat? Was wird er den Deutschen geben? Was wird er den Briten geben? Denn bei der Kommission geht es nur ums Feilschen! Und das Feilschen wird ihn beschäftigen, aber während er mit dem Feilschen beschäftigt ist, werden die anderen in Kopenhagen feilschen.
Das ist das Problem; das ist die Realität. Also möchte ich schließen und Ihnen sagen, Herr Barroso, dass Sie ein ehrenhafter Mann sind, aber Sie sollten eines wissen: Die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz hat kein Vertrauen in Sie und wird gegen Ihre Ernennung stimmen, weil wir glauben, dass Europa jemand Besseren braucht, jemand Besseren als Sie, Herr Barroso!
(Beifall)
Michał Tomasz Kamiński, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Herr Cohn-Bendit mag zu lange gesprochen haben und es mag sein, dass ich kaum mit ihm einer Meinung bin, aber er hat immer Interessantes zu sagen, und das ist schließlich wichtig im Parlament. Das gibt dem Parlament die Dynamik, von der Sie in Ihrer Rede heute zu Anfang gesprochen haben, Herr Präsident.
Die Europäischen Konservativen und Reformisten werden für den designierten Präsidenten Barroso stimmen. Wir werden dies nicht tun, weil wir mit Ihnen in allem übereinstimmen, Herr Präsident. Es gibt leider viele Fragen, bei denen wir nicht einig sind. Ich werde Ihre begeisterte Unterstützung des Vertrags von Lissabon eingangs erwähnen. Wir teilen diese begeisterte Unterstützung nicht, aber wir teilen die Abneigung und die Verurteilung aller Formen von nationalem Egoismus und Nationalismus, die Sie in Ihrer Rede zum Ausdruck gebracht haben.
Es war in der Tat Europa, unserem Kontinenten, der Frieden haben will und auf dem wir in Frieden leben wollen, dem nationaler Egoismus und Chauvinismus eine Flut von Elend gebracht hat. Wir danken Gott, dass wir heute in Frieden in Europa leben.
Wir stimmen mit einigen Angelegenheiten, von denen Herr Barroso sprach, nicht überein. Wir haben das Recht dazu, anderer Meinung zu sein, und wir werden dieses Recht verteidigen, auch wenn einige ständig die einfache Tatsache in Frage stellen, dass Wählerinnen und Wähler in Europa die Europäischen Konservativen und Reformisten gewählt haben, und ich verspreche, dass sie noch mehr von ihnen wählen werden. Wir werden hier sein und unsere Stimme wird gehört werden.
Wir sind daher berechtigt, im Namen unserer Wähler zu sagen, dass wir Herrn Barroso bei seinem schwierigen Auftrag unterstützen werden. Ich bin froh, dass heute die europäische Solidarität erwähnt wurde. Ich bin froh, dass gesagt wurde, dass die Kommission – die neue Kommission unter der Führung von Herrn Barroso – ihre Anstrengungen darauf ausrichten wird, dass wir die Wirtschaftskrise überwinden können. Dies ist äußerst wichtig und wir freuen uns, dass dieses ehrgeizige Programm, das Herr Barroso vorgestellt hat, tatsächlich auf die wichtigsten Bereiche ausgerichtet zu sein scheint, wo Maßnahmen unsererseits erforderlich sind. Dies zeigt übrigens, wie stark die Notwendigkeit ist, dass die Nationen im heutigen Europa zusammenarbeiten. Die Krise hat uns alle getroffen, unabhängig von der politischen Struktur und Wirtschaft, der wir angehören, unabhängig von der Region Europas, wo sich unsere Länder befinden. Die Krise betrifft uns alle und wir alle müssen die Krise bekämpfen.
Herr Präsident, ich sage Ihnen die Unterstützung im Namen unserer Fraktion zu und gleichzeitig bitte ich Sie, sicherzustellen, dass Europa in den nächsten Monaten nicht gleichgültig angesichts der Geschehnisse in der Weltpolitik bleibt. Ich verheimliche nicht die Tatsache, dass eine der wichtigsten Prüfungen, die die westliche Welt erwartet, ist, was heute im Iran vor sich geht.
Der Iran ist ein Land, das keinen Hehl aus seinen nuklearen Ambitionen macht. Der Präsident dieses Landes leugnet nicht nur das schreckliche Verbrechen des Holocaust, sondern droht auch heute Israel mit Zerstörung. Ich bin der Ansicht, dass es für ein solches Verhalten keinen Raum geben sollte, und es sollte in einer modernen, demokratischen Welt keine Zustimmung finden. Unsere Fraktion erwartet, dass die Europäische Kommission unter Ihrer Führung sich resolut gegen die undemokratischen Verfahren und undemokratischen Politiken der derzeitigen Behörden im Iran zur Wehr setzen werden, die gegen unseren größten Verbündeten im Nahen Osten, gegen den Staat Israel, gerichtet sind.
Wir erwarten ebenfalls – und ich bin froh, dass dies immer stark aus Ihren Worten herausklingt, Herr Präsident – dass die Außenpolitik der Europäischen Union stets die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger im Fokus haben wird und dass sie auch unsere gemeinsamen europäischen Werte jenseits unserer Grenzen voranbringen wird.
Ich bin sicher, dass es Ihnen nicht gelungen ist, Fehler in der vorherigen Wahlperiode zu vermeiden, aber dann vermeidet es niemand, der mit Politik zu tun hat, Fehler zu machen – so sind die Dinge leider in dieser Welt. Bei der harten Arbeit, die Sie übernehmen, zählen wir jedoch darauf, dass Sie die Fahne mit den europäischen Werten hochhalten und dass Sie für das Wohl – und dies möchte ich betonen – eines gemeinsamen und vereinten Europas arbeiten.
Lothar Bisky, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Präsident Barroso, Kolleginnen und Kollegen! Herr Barroso, Sie repräsentieren die Kontinuität einer Politik, die zur größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte beigetragen hat. Während das Spielkasino an den großen Finanzplätzen wieder eröffnet, zahlen die Bürgerinnen und Bürger weltweit die Zeche. Die Folgen der Krise sind Arbeitslosigkeit, Armut, weniger Einkommen, weniger Bildung. Sie sagen, die Finanzkrise käme im Wesentlichen aus den USA, lediglich die Banker hätten versagt. Nein, sagen wir, die Politik, auch die Politik der EU-Kommission, hat den Kasinokapitalismus gefördert. Die Ideologie von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung hat in die Krise geführt. Ein „Weiter so“ führt in eine noch schlimmere Krise.
Politik muss Verantwortung übernehmen, aus Fehlern lernen und mit neoliberalem Denken brechen! Europäische Politik muss sich konsequent an den Interessen der Menschen orientieren. Solches kann ich in Ihren Leitlinien nicht erkennen. Gleichwohl freut es mich, dass soziale Fragen heute in Ihren Ausführungen ein höheres Gewicht hatten als noch vor einem Jahr.
Einige Beispiele sollen unseren politischen Dissens illustrieren: Sie wollen an der Lissabon-Strategie festhalten. Die Menschen in Europa brauchen aber gute Arbeit zu Löhnen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Nicht Verlängerung, Verkürzung der Arbeitszeit muss auf die Tagesordnung!
Wir erwarten von der neuen Kommission eine konsequente Neugestaltung der Entsenderichtlinie. Europa muss endlich garantieren, dass soziale Rechte nicht dem Wettbewerbsdenken zum Opfer fallen. Deshalb haben wir zusammen mit anderen eine rechtsverbindliche Klausel für den sozialen Fortschritt und eine Charta über öffentliche Dienstleistungen vorgeschlagen, die den Vorrang des sozialen Schutzes und der Daseinsvorsorge vor den Binnenmarktregeln festlegen. Ihren Darlegungen entnehme ich, dass Sie davon wenig halten.
Das Europäische Parlament fordert im Bericht Zimmermann Mindestlöhne von mindestens 60 % des jeweiligen Durchschnittseinkommens in allen Mitgliedstaaten. Sie behaupten, dafür nichts tun zu können. Ich denke, Sie könnten, zum Beispiel über die beschäftigungspolitischen Leitlinien.
Sie setzen strikt auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der sich gerade in der Krise als unwirksames Instrument erwiesen hat. Wir wollen einen Sozialpakt, der die Lissabon-Strategie und den Stabilitätspakt ersetzt.
Sie glauben, ein paar neue Regeln zur Finanzaufsicht würden die Gier der Finanzwelt zügeln. Wir fordern das Verbot besonders risikoreicher Anlageformen und eine Steuer auf Kapitalbewegungen.
Sie – ich zitiere – „unterstützen jeden Paragraphen des Lissabon-Vertrags“. Wir wollen ein soziales Europa statt weiterhin radikaler Binnenmarktorientierung. Wir wollen eine Verpflichtung zu Abrüstung und ziviles Konfliktmanagement statt der Weiterentwicklung der militärischen Fähigkeiten.
Sie sehen Europa als Führungsmacht und wollen die Ideologie von Freihandel und Vermarktwirtschaftlichung aller Lebensbereiche überall auf der Welt durchsetzen. Wir stehen für interkulturellen, multilateralen Dialog und größtmögliche Unterstützung der ärmeren Länder bei der Bewältigung der Wirtschafts-, Nahrungsmittel-, Finanz- und Klimakrise.
Liebe Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam eine Kommission wählen, die sich das Ziel einer sozialen, friedlichen, wirtschaftlich nachhaltigen und demokratischen Europäischen Union auf die Fahnen schreibt! Wenn wir die Menschen in Europa für das Projekt EU gewinnen wollen, brauchen wir einen Bruch mit den marktradikalen Konzepten und mehr direkte Demokratie. Herr Barroso als Präsident ist dafür der falsche Mann! <BRK>
Nigel Farage, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident, ich möchte Herrn Barroso fragen: Warum die unziemliche Eile? Warum die Spielregeln ändern? Warum muss Ihre Wiederwahl zum Kommissionspräsidenten für fünf Jahre jetzt stattfinden? Nun, natürlich, die Antwort lautet Irland und der Vertrag von Lissabon. Der Plan besteht darin, jedem zu zeigen, dass das Schiff stabil ist, dass alles gut läuft, dass die Iren nur ihren ziemlich dummen kleinen Fehler korrigieren müssen – und in der Tat ist Ihr Arbeitspapier so geschrieben, als ob der Vertrag bereits ratifiziert wäre.
Aber ein recht wichtiger Punkt wurde hier übersehen: Sie waren der Chef; Sie waren die letzten fünf Jahre der Präsident. Sie waren damit beauftragt, zu überwachen, dass der Vertrag über eine Verfassung für Europa durchgesetzt würde. Aber es ging schief, nicht wahr? Die Franzosen sagten „Nein‟ und die Niederländer sagten „Nein‟, aber Sie weigerten sich, diese demokratischen Ergebnisse zu akzeptieren und zusammen mit vielen Abgeordneten dieses Parlaments beteiligten Sie sich an dem absoluten Betrug, dem Vertrag von Lissabon.
Sie sagten uns, dass die Flagge und die Hymne verworfen würden, aber ich habe nicht viele Anzeichen dafür gesehen. Nein, Sie gaben dem Ganzen einen neuen Namen, den Vertrag von Lissabon, aber sie konnten die Iren nicht daran hindern, abzustimmen und die Iren sagten „Nein‟. Aber wieder einmal konnten Sie ein demokratisches Ergebnis nicht akzeptieren, oh nein – die Iren müssen noch einmal abstimmen!
Vorausgesetzt, dass Sie zuständig sind, wo bleibt bei all dem die demokratische Verantwortung? Nun, Sie mögen einwenden, dass jetzt in der Europäischen Union nicht viel Demokratie übrig ist, aber es sollte zumindest ein gewisses Maß an Verantwortung vorhanden sein, und ich möchte behaupten, dass dieses Parlament am Vorabend von dem, was eine vierte Ablehnung des Vertrags werden könnte, wodurch er endgültig vom Tisch wäre, sie nicht als Kommissionspräsident für die nächsten fünf Jahre einsetzen sollte, bis wir dieses Ergebnis haben.
Wenn die Iren ein zweites Mal „Nein‟ sagen, dann müssen wir einfach respektieren, was sie sagen, und Sie müssen als Kommissionspräsident gehen. Das würde in jeder anderen Gesellschaftsschicht passieren, es würde in jedem Geschäft passieren, und ich schlage vor, dass es wirklich in der europäischen Politik passieren sollte.
Und wie sieht Ihre Bilanz aus? Sie haben die Agenda von Lissabon übersehen: Sie war spurlos verschwunden, bevor uns die Kreditkrise traf. Jetzt erzählen Sie uns, dass wir einen Kommissar für Einwanderung haben müssen, der den Nationalstaaten ihr Grundrecht nimmt, zu entscheiden, wer in ihre Länder zum Leben, Arbeiten und Wohnen kommt. Sie haben Ihre Besessenheit mit dem Klimawandel durchgesetzt, was zu hohen Kosten und keinerlei materiellem Nutzen geführt hat. Aber es ist vor allem die Tatsache, dass Sie das irische Referendum ignoriert haben, dass Sie sagten, dass die Iren den Vertrag nicht aufhalten können: Allein aus diesem Grund kann ich Sie nicht unterstützen.
Aber es ist möglich, dass ich das alles furchtbar falsch aufgefasst habe. Es ist möglich, dass Sie doch der richtige Mann sind, denn gestern wurde bei einer Umfrage im Daily Telegraph gefragt: Wenn Lissabon ohne Referendum durchgeht, wollen Sie, dass Großbritannien in der Europäischen Union bleibt? Und mit einer großen Mehrheit von 43 % zu 26 % – zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren – sagten die Briten, dass sie aus der Europäischen Union austreten wollen, falls Herr Barroso seinen Kopf durchsetzt. Also habe ich es vielleicht falsch aufgefasst: Vielleicht sind Sie der richtige Mann. Wir werden es sehen.
(Beifall und Gelächter aus bestimmten Reihen)
Ja, er ist sehr froh, gehen zu können!
Krisztina Morvai (NI). – (HU) Herr Präsident, Europa hat einen historischen Wendepunkt erreicht. Millionen Menschen, die von ehrlicher Tagesarbeit leben, wollen eine grundlegende Veränderung. Sie wollen die großen Ungerechtigkeiten des Neoliberalismus und des globalen Großkapitals bekämpfen. Dazu zählen bäuerliche Kleinbetriebe, Kleinaktionäre, Kleinunternehmer und Regierungsmitarbeiter. Um dies zu tun, brauchen sie dringend Menschenrechte. Es tut mir leid, dass der Kommissar jetzt nicht anwesend ist und mich für Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten sprechen hört. Diese Rechte sind notwendig, so dass die Menschen ihre Meinungen äußern können, anders gesagt, die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Redefreiheit genießen können, ohne als Faschisten bezeichnet zu werden, wie es sich heute in diesem Parlament zugetragen hat, oder einen Schuss ins Auge zu bekommen, durch Polizeigewalt eingeschüchtert zu werden, misshandelt, ins Gefängnis gesteckt oder fingierten Verbrechensprozessen ausgesetzt zu werden.
Als all diese Ereignisse sich im Herbst 2006 in Ungarn zutrugen, wandten wir uns an Sie, damit Sie etwas tun sollten. Sie haben nichts unternommen. Warum nicht? Ich würde gerne den Vizepräsidenten des Parlaments, Herrn Schmitt, bitten zu bestätigen, was geschah, warum wir uns an Sie wandten. Es war wegen der Ereignisse bei einem Treffen, das von der Fidesz-Partei, einer bürgerlichen Partei organisiert wurde …
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort)
Cecilia Malmström, amtierende Präsidentin des Rates. – (SV) Danke, Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete, danke für die Gelegenheit, ein paar Worte in dieser Diskussion zu sagen. Ich muss sagen, dass es wunderbar ist, zurück im Europäischen Parlament zu sein. Die Diskussion und die Reden hier sind unbestreitbar dynamischer und unterhaltsamer als zu Hause in Schweden.
Ich möchte Herrn Barroso dazu beglückwünschen, dass er uns die Rolle, die die Kommission nach seinen Vorstellungen spielen soll, so klar aufgezeigt hat, und zu seiner Reformagenda für die nächsten fünf Jahre. Ich habe auch sehr aufmerksam zugehört, was die Berichterstatter aus den Fraktionen zu sagen hatten. Es gibt natürlich furchtbar viel, wozu ich etwas sagen könnte, aber das werde ich nicht heute tun, denn dies ist nicht die Debatte im Rat. Es ist die Aussprache des Parlaments mit dem designierten Präsidenten der Kommission.
Wie ich sagte, ist es nicht meine Aufgabe, einen Kommentar zu dem Gesagten abzugeben, aber ich habe der Debatte sehr aufmerksam zugehört. Ich möchte nur zwei Dinge sagen. Das Erste ist offensichtlich: José Manuel Barroso wurde einstimmig von 27 Staats- und Regierungschefs mit unterschiedlichen politischen Gesinnungen ernannt. Er hat unsere klare Unterstützung, um die Kommission für eine weitere Amtszeit zu führen. Dies schmälert natürlich nicht die Pflicht des Parlaments, ihn eingehend zu prüfen und eine Entscheidung zu treffen, ob er bestätigt wird oder nicht.
Meine zweite Anmerkung ist auch offensichtlich, aber sie kann ruhig wiederholt werden. Wir leben in außerordentlich unsicheren Zeiten mit beträchtlichen und schwierigen Herausforderungen. Wir brauchen ein starkes Europa, das in der Lage ist, Maßnahmen zu ergreifen, und eines, in dem die europäischen Institutionen ordnungsgemäß funktionieren und miteinander kooperieren können. Wir brauchen Sicherheit, Klarheit und Stabilität, so dass wir zusammen die Themen angehen können, bei denen unsere Bürgerinnen und Bürger Ergebnisse erwarten und sie erwarten, dass Europa sie bringt.
José Manuel Barroso, designierter Präsident der Kommission. − Herr Präsident, lassen Sie uns zunächst einige Themen von politischer Substanz ansprechen.
Die Kommission befürwortet nicht die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen und hat dies auch nie getan. Wir glauben, dass die öffentlichen Dienstleistungen ein wesentlicher Teil unseres europäischen Gesellschaftsmodells sind.
Was wir für wichtig halten, ist dass jene öffentlichen Dienstleistungen im Rahmen eines starken Binnenmarktes unter Einhaltung der Regeln der Gemeinschaft funktionieren. Dies ist sehr wichtig. Wenn wir eine echte Europäische Union haben wollen, müssen wir diesen Binnenmarkt respektieren.
Lassen Sie uns offen darüber reden: Manchmal sagen Politikerinnen und Politiker der Mitgliedstaaten, wenn es ein Problem gibt, dass Brüssel die Schuld habe, und wenn sie Erfolg haben, sagen sie, es sei ihr Verdienst. Bitte lassen Sie uns nicht mit diesen Anschuldigen anfangen, dass es die Privatisierung nur wegen Brüssel gibt. Dies sind nationale Entscheidungen. Wir haben unter unseren Mitgliedstaaten einige Länder, die entschieden haben, einige ihrer öffentlichen Dienstleistungen zu privatisieren, aber dies ist keine Auflage von Brüssel.
Ich glaube, dass die ständige Schuldzuweisung nach Brüssel manchmal zu weit geht. Jeder sollte seine Verantwortung übernehmen.
Der zweite Punkt betrifft die Entsendung von Arbeitskräften. Die Grundsätze der Richtlinie sind in der Tat die, die genannt wurden, nämlich von der sozialistischen Fraktion: die Achtung der Grundrechte der Beschäftigten; ich habe es sehr oft gesagt. Für uns sind das heilige Rechte: das Streikrecht; das Versammlungsrecht;
Grundrechte sind etwas sehr Wichtiges. Ich komme aus einem Land, in dem es eine Zeit gab, da es keine bürgerlichen oder sozialen Rechte gab, daher weiß ich, was es bedeutet, Zugang zu diesen sozialen Rechten zu haben.
Gleichzeitig verpflichten wir uns zur Freizügigkeit in Europa. Ohne Freizügigkeit werden wir kein Europa haben. Also lassen Sie uns versuchen, beide Grundsätze irgendwie zu vereinen. Lassen sie uns nicht in Interpretationen des Europäischen Gerichtshofs schwelgen. Aus diesem Grund habe ich hier einen Weg nach vorne vorgeschlagen, der durch Ihre Anregungen inspiriert war, und ich bin bereit, loyal mit allen Mitgliedern dieses Parlament zu arbeiten, um ihn zu erreichen, so dass wir ein stärkeres Europa haben, dabei unseren Binnenmarkt erhalten, aber die sozialen Rechte unserer Arbeitnehmer umfassend achten.
Zur Regulierung und Deregulierung, lassen Sie mich dies sehr deutlich sagen, und ich bitte Sie, Herr Cohn-Bendit, finden Sie eine Aussage, in der ich Deregulierung befürworte. Ich habe immer von „besserer Regulierung“ oder „kluger Regulierung“ gesprochen. Ich kann nichts dafür, dass es auf Französisch mit „Deregulierung“ übersetzt wird. Bessere Rechtsvorschriften: mieux légiférer, nicht moins légiférer.
designierter Präsident der Kommission(FR) Und Herr Cohn-Bendit, ich möchte Ihnen etwas sagen. Sie sind zwanghaft auf mich fixiert. Ich bin nicht auf Sie fixiert. Im Gegenteil, ich habe fast Mitleid mit Ihnen, weil Sie mich an meine Jugend erinnern ...
(Beifall)
Es gibt ein politisches Thema, das sehr wichtig ist. Man mag mich für vieles kritisieren, und ich bin der Erste, der zugibt, dass es Themen gibt, weswegen man mich und die Kommission kritisieren kann. Wir müssen jedoch unserer Verpflichtung in Bezug auf den Klimawandel nachkommen: Jeder räumt ein, dass wir die führende Rolle in der Welt bei diesem Thema innehaben. Ich habe für die Kommission Komplimente von Präsident Obama, vom Generalsekretär der Vereinten Nationen und vom Nobelpreis-Gewinner Herrn Pachauri bekommen, der mir einen bewegenden Brief geschrieben hat. Ich werde der Erste sein, der diesen Erfolg für Europa mit Ihnen teilt, da die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz einen Beitrag zur Agenda für grünes Wachstum geleistet hat.
Machen Sie keinen Fehler: Ich bin für grünes Wachstum; ich bin nicht für den Niedergang Europas. Dies ist wichtig. Ich bin für grünes Wachstum, für realisierbares Wachstum, aber ich bin nicht für den Industrieabbau in Europa. Ich bin nicht für den Abbau unserer Arbeitsplätze in Europa. Fakt ist, dass es die Kommission war, die das meiste für den Klimawandel getan hat, und es ist gerade die Kommission, die Herr Cohn-Bendit von Anfang an zum Sündenbock gemacht hat. Noch bevor ich die Leitlinien vorgestellt und noch bevor ich mich selbst Ihrer Fraktion vorgestellt habe, hatten Sie schon „Nein‟ gesagt. Sie haben sogar T-Shirts gemacht. Sie haben sich nicht gut verkauft, die T-Shirts mit „Stop Barroso“.
Sie sprechen von Halluzinationen, Herr Cohn-Bendit. Hören Sie! Eine Partei hat einen Kandidaten vor den Wahlen aufgestellt. Ich habe Ihre Vorschläge selbst gehört. Sie haben einen Konservativen aus dem Vereinigten Königreich, Herrn Patten, vorgeschlagen. Ich glaube, Sie haben sogar den französischen Premierminister als Kandidaten aufgestellt, was zeigt … aber nein, Sie haben es nicht getan, weil ich glaubte, dass dies noch ein weiterer Gefallen war, wie der, den Sie Herrn Sarkozy getan haben, als Sie die Linke in Frankreich geteilt haben.
Herr Cohn-Bendit, die Wahrheit ist: Wenn wir ein Europa wollen, das seinen Bürgerinnen und Bürgern näher ist, müssen wir unsere Wahl auf der Grundlage von Politiken treffen. Ich wäre sehr froh, wenn die pro-europäischen Kräfte ein pro-europäisches Programm unterstützen würden. Ich habe Ihnen ein sehr pro-europäisches Programm vorgestellt. Es liegt an Ihnen, für mich zu stimmen. Es liegt nicht bei mir zu entscheiden, wer mich unterstützt. Sie müssen abstimmen. Ich habe ein pro-europäisches Programm, das mit dem Vertrag von Lissabon verknüpft ist. Diese Neuigkeiten mögen nicht jedem gefallen, aber ich glaube daran. Ich schlage Ihnen jetzt ein neues Ziel für Europa vor. In der Tat waren die letzten fünf Jahre die Jahre der Konsolidierung des erweiterten Europas. Ich entschuldige mich nicht dafür, dass ich die Unterstützung von 27 Staats- und Regierungschefs habe, die demokratisch gewählt wurden und die natürlich auf allen politischen Seiten vertreten sind, weil ich glaube, dass meine Rolle im Wesentlichen darin bestanden hat, die Menschen zusammenzuführen. Dies ist das erste Mal, das wir dieses erweiterte Europas hatten. Ich entschuldige mich nicht dafür, dass ich neben diesen Staats- und Regierungschefs loyal gearbeitet habe. Es versteht sich von selbst, dass ein wiedergewählter Kommissionspräsident über stärkere Autorität verfügen wird. Ich ersuche Sie, einer Kommission starke Unterstützung zu bieten, die für mehr Streben, für entschiedeneren Fortschritt und ein europäisches Projekt von Solidarität und Freiheit ist. Ich biete Ihnen loyale Zusammenarbeit an. Einige Menschen haben sich selbst ausgeschlossen. Das ist eine Schande! Ich werde jedenfalls meinen Werten treu bleiben und auch den Werten, für die Sie zweitweise eintreten.
(Beifall)
(Herr Cohn-Bendit hält eine blaue Karte hoch)
Der Präsident. − Ich muss erklären. Herr Cohn-Bendit hält eine blaue Karte hoch, aber wir haben vor einer halben Stunde entdeckt, dass die fragliche Regel nur für Redner gilt, die Mitglieder des Europäischen Parlaments sind, und nicht für Redner von außerhalb des Parlaments, wie Redner von der Kommission.
Vielleicht sollten wir dies in Zukunft ändern, aber im Moment müssen wir die Regeln beachten.
Othmar Karas (PPE). - Meine Herren Präsidenten, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einen etwas anderen Ton in diese Debatte bringen und uns einmal selbst fragen: Wer von uns sollte sich nicht weiterentwickeln? Wer von uns könnte nicht besser werden? Wer von uns ist fehlerlos? Viele Weichen sind neu zu stellen, nicht nur vom Kommissionspräsidenten, sondern auch von uns! Manche Wege sind neu zu beschreiten.
Ich habe das Gefühl, dass manche hier ausschließlich einen Schuldigen für die Probleme suchen, statt mit neuer Kraft und neuen Ideen, mit Elan und Visionen an die Lösung unserer gemeinsamen Probleme heranzugehen. Manche unterstellen und misstrauen, um von eigenen Schwächen abzulenken, und ignorieren das Wahlergebnis vom 7. Juni 2009, das die demokratische Grundlage auch der heutigen Debatte ist.
Wir werfen dem Kommissionspräsidenten vor, dass er Dinge tut, wozu er verpflichtet ist, nämlich die Verträge einzuhalten und die Beschlüsse umzusetzen. Heute ist der schöne Satz gefallen: „Ohne Freiheit gibt es keine Solidarität, ohne Solidarität gibt es keine handlungsfähige, starke Europäische Union“ – ich sage auch: keine starke Europäische Kommission. Wir sitzen in einem Boot. Jeder von uns ist mitverantwortlich, jeder von uns trägt sein Maß an Verantwortung. Der Kommissionspräsident trägt ein hohes Maß an Hauptverantwortung. Aber, wie hat Martin Schulz gesagt: Es geht nicht nur um ihn alleine. Seine Stärke ist auch von uns abhängig, von den Mitgliedstaaten, von der Kompetenz und Qualität der Kommissare.
Und das ist das nächste Kapitel, das wir aufzuschlagen haben. Wie setzen wir die ökosoziale Marktwirtschaft um? Wie schaffen wir die Neuordnung der Kommission? Wie schaffen wir einen Finanzmarktkommissar? Wie den diplomatischen Dienst? Wie den Klimaschutz? Unser Präsident hat heute zum Schluss in Abwandlung eines Zitats von Bronisław Geremek gesagt: „Treten wir in die Pedale, jeder an seiner Stelle, und nützen wir die Chance der Veränderung statt uns gegenseitig schlecht zu machen!“
Stephen Hughes (S&D). – Herr Präsident, Herr Barroso mag sich an meinen Beitrag erinnern, als er letzte Woche zu unserer Fraktion kam. Wie ich damals sagte, Herr Barroso, ich habe Ihre politischen Leitlinien für die neue Kommission mit beträchtlichem Interesse gelesen und ich fand, dass vieles von der in den Leitlinien enthaltenen Rhetorik meinen eigenen Vorstellungen und politischen Prioritäten entspricht. Ich bin sicher, auch von vielen anderen der Linken.
Das Problem ist jedoch, dass Sie ziemlich viel derselben Rhetorik einsetzten, als Sie vor fünf Jahren herkamen, um sich für die Kommissionspräsidentschaft zu bewerben. Damals gaben sie eine Reihe von Versprechungen in Bezug auf ein soziales Europa zur Erneuerung der sozialen Agenda für fünf Jahre, die nicht gehalten wurden. Sie erinnern sich vielleicht, zum Beispiel, was Sie vor fünf Jahren über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gesagt haben: „Ich schließe die Möglichkeit einer Rahmenrichtlinie nicht aus.“
Jetzt, fünf Jahre später, könnte die EU, wie Sie heute wieder gesagt haben, einen „Qualitätsrahmen für öffentliche und soziale Dienstleistungen“ einrichten. Wir sind nicht ganz sicher, was das bedeutet. Wir wissen, was eine Rahmenrichtlinie ist, und für uns ist dies eine sehr wichtige Zusage, die wir von Ihnen haben möchten. Dieses Mal reicht es einfach nicht aus, uns zu sagen, dass Sie die Möglichkeit einer solchen nicht ausschließen.
Als wir uns letzte Woche Ihr Dokument angeschaut haben, haben wir nach bestimmten konkreten Zusagen gesucht, aber eigentlich haben wir keine gefunden. Was wir – dank Google – fanden, ist, dass die Leitlinien selbst, die in Form einer Transformationsagenda präsentiert wurden, im Großen und Ganzen nichts Anderes sind, als eine Aufbereitung von vorhandenen Kommissionstexten und der bestehenden politischen Agenda.
Drei umfassende Punkte Ihrer Leitlinien:
Zunächst greifen Sie nicht die Ernsthaftigkeit der schweren Arbeitslosigkeit und sozialen Krise auf, in der wir uns befinden und die sich in den nächsten Monaten, wenn nicht sogar in den nächsten Jahren, verschlimmern wird.
Zweitens, glauben wir, dass Ihre Worte über die Strategie zum Ausstieg aus der Krise vorschnell sind. Sie haben dies mit Ihren heutigen Worten geändert. Aber wir sollten über eine Eintrittsstrategie sprechen, eine Strategie für eine positive Intervention auf dem Arbeitsmarkt, nicht nur auf Ebene der Mitgliedstaaten, sondern auf europäischer Ebene.
Drittens, Ihre Transformationsagenda ist eine Agenda der Vergangenheit. Die Krise bedarf ehrgeizigerer und weitsichtigerer Politiken, als die, die Sie im Sinn haben. Stattdessen muss oberste Priorität der neuen Kommission die Einführung einer modernisierten und ehrgeizigen europäischen sozialen Agenda sein.
Ich habe heute wieder sehr aufmerksam zugehört, was Sie zur Reaktion auf das Laval-Urteil in Bezug auf die Entsenderichtlinie gesagt haben. Sie haben heute wieder gesagt, dass eine Durchführungsverordnung, ohne Änderung der Richtlinie, der einzuschlagende Weg ist. Das wird einfach nicht funktionieren. Das Problem liegt in der Richtlinie selbst, die immer wieder wiederholt, dass die „Mitgliedstaaten... können“. Sofern die Durchführungsverordnung diese Richtlinie nicht ersetzt oder überarbeitet, wird das Laval-Problem bleiben.
Sehen Sie uns ebenfalls nach, wenn wir Sie nach Ihrer Erfolgsgeschichte beurteilen. Laval ist nicht gestern geschehen. Was haben Sie in den beinahe zwei Jahren getan, seit das Laval-Urteil Schockwellen durch die Bewegungen der Gewerkschaften sendete?
Eine abschließende Frage: Werden Sie sich heute dazu verpflichten, alles Mögliche zu tun, um eine Ausgewogenheit von Männern und Frauen bei der Besetzung des nächsten Kollegiums der Kommission zu erreichen?
Alexander Graf Lambsdorff (ALDE). - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Warum jetzt? Warum Barroso? Das sind die beiden Fragen, auf die wir eine Antwort geben müssen.
Die Frage „Warum jetzt?“ ist hier bereits erörtert worden. Wir stecken mitten in einer Finanz- und Wirtschaftskrise, und die Rahmenbedingungen für ein starkes Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitsplätze werden nicht über Nacht geschaffen. Wir brauchen eine handlungsfähige Kommission, wir brauchen eine gemeinsame, europäische, langfristig wirkende Strategie. Damit können wir nicht erst nächstes Jahr anfangen, damit müssen wir sofort anfangen. Deswegen müssen wir auch jetzt abstimmen.
Warum Barroso? Ich freue mich über das klare Bekenntnis des Kommissionspräsidenten – des Kandidaten – zur sozialen Marktwirtschaft, zum Wettbewerb und zum Binnenmarkt. Wir als Liberale haben da auch hohe Erwartungen und Forderungen. Wir erwarten, dass gemeinsam mit den Mitgliedstaaten tatsächlich eine gemeinsame Strategie entwickelt wird.
Es wird mittelfristig nicht ausreichen, dass nur ein Netzwerk von Regulatoren die Finanzmärkte überwacht. Wir brauchen eine einheitliche europäische Finanzaufsicht. Guy Verhofstadt hat es eben gesagt: Diese Halbzeitüberprüfung wird für uns entscheidend sein.
Wir als Liberale sehen es positiv, dass der Grundrechtekommissar kommt. Wir wollen, dass er wirkliche Kompetenzen bekommt. Für alle, die nicht wissen, was damit gemeint ist: Datenschutz, die Behandlung von Flüchtlingen an den Außengrenzen Europas – das sind alles Themen, die nach mehr Aufmerksamkeit verlangen.
Lassen Sie mich ein paar Worte zu dem sagen, was hier gerade zur politischen Konstellation angeführt worden ist. Ich bedaure es ausdrücklich, dass die Mehrheit der Sozialdemokraten morgen nicht für Sie stimmen wird. Die Sozialdemokratie verabschiedet sich damit aus der pro-europäischen Allianz, die wir gerade bei europapolitischen Fragen haben wollen. Die Herren Schulz, Bisky und Cohn-Bendit organisieren hier eine rot-rot-grüne Blockade Europas oder sie versuchen es zumindest. Entscheidend ist Folgendes: Wir können uns gegen die Zustimmung der Europäischen Konservativen nicht wehren, aber entscheidend ist, dass Liberale und Christdemokraten die Handlungsfähigkeit Europas erhalten.
Jill Evans (Verts/ALE). – Herr Präsident, ich spreche im Namen der Abgeordneten der Freien Europäischen Allianz in der Fraktion der Grünen/FEA. Wir glauben an die Gleichheit für alle Menschen in Europa. Wir unterstützen die Unabhängigkeit für die Nationen und die Regionen Europas, die derzeit selber keine Mitgliedstaaten sind, aber dies anstreben, und wir setzen uns ein für die Gleichberechtigung für Rednerinnen und Redner aller Sprachen, ob es sich um Amtssprachen der EU oder Nebensprachen handelt und ob sie von der Mehrheit oder der Minderheit in einem Mitgliedstaat gesprochen werden.
Herr Barroso, in Ihren Leitlinien sprechen Sie von der Notwendigkeit, ein Gefühl der Verbundenheit zwischen der EU und ihren Bürgerinnen und Bürgern aufzubauen, und heute haben Sie wieder davon gesprochen, aber dies kann erst erreicht werden, wenn die EU die echten Nationen und Menschen anerkennt und wenn Subsidiarität auf allen Ebenen befolgt wird und nicht nur zwischen der EU und der Regierung des Mitgliedstaates.
Wenn die Europäische Union uns durch die Wirtschaftskrise hindurch effektiv unterstützen soll, uns den Weg bei der Bekämpfung des Klimawandels aufzeigen soll, wie sie müsste, öffentliche Dienstleistungen schützen, für Menschenrechte eintreten und einen Beitrag zum internationalen Frieden und zur Abrüstung leisten soll, dann benötigt sie den Input von uns allen, und dazu zählen auch Wales, Schottland, Katalonien, Korsika, Flandern und viele andere.
In ganz Europa gibt es derzeit Diskussionen, Beratungen und Referenden und ich spreche nicht von Lissabon, sondern über Vorschläge zur Verfassungsänderung und für eine größere Unabhängigkeit in diesen Ländern. Ich bedauere, dass Sie diese aktuellen Entwicklungen in Ihren Leitlinien nicht bestätigt, erkannt oder angesprochen haben und keine Vorschläge für eine stärkere Beteiligung der Länder und Regionen vorgebracht haben, die Gesetzgebungsbefugnis im Entscheidungsprozess der EU haben, etwas was wir in der FEA als wesentlich einschätzen. Ich möchte Sie erneut bitten, zuzustimmen, dass Sie dies tun werden.
Timothy Kirkhope (ECR). – Herr Präsident, eine der harschesten Kritiken an der EU ist die, dass sie mehr mit ihrem eigenen internen System befasst ist, als damit, Führerschaft bei globalen Themen zu zeigen oder sich so zu verhalten, dass ein Mehrwert im Leben der Bürgerinnen und Bürger entsteht. Diese Tendenz war nirgendwo offenkundiger als in den absurden Diskussionen, die wir über uns ergehen lassen mussten, darüber, ob und wann nun der Präsident der Kommission zu ernennen ist.
Der heutige Jahrestag des Zusammenbruchs der Lehman Brothers ist eine zeitgerechte Mahnung zum prekären Zustand der europäischen Wirtschaft und insbesondere der des Vereinigten Königreichs. Egal wohin wir blicken, die Arbeitslosigkeit ist auf dem Vormarsch und es bleiben nur ein paar Wochen bis zu einem wichtigen internationalen Gipfel zum Klimawandel. Unter diesen Umständen war es absurd zu versuchen, die Ernennung des Kommissionspräsidenten über den September hinaus zu verschieben.
Ich lese die Leitlinien von Präsident Barroso mit großem Interesse. Ich begrüße sehr, dass die EKR-Fraktion Gelegenheit zu einer lebhaften Diskussion mit ihm dazu hatte. Zunächst muss unsere oberste Priorität sein, das Wirtschaftswachstum in Gang zu bringen und langfristige Wettbewerbsfähigkeit aufzubauen. Auf kurze Sicht bedeutet dies weniger wirtschaftliche Intervention und Abwendung vom Protektionismus. Dann müssen wir die Rückkehr zu gesunden öffentlichen Finanzmitteln sicherstellen und daran arbeiten, eine weitere Marktliberalisierung zu sichern, um das Vertrauen in den Handel und die Unternehmen wieder herzustellen und zu gewährleisten, dass angemessen in Fähigkeiten und Humankapital sowie in Innovation und Forschung investiert wird.
Die Kommission muss eine wesentliche Rolle bei der Gewährleistung spielen, dass die Gemeinschaftsorgane den Wirtschaftsaufschwung nicht dadurch unterwandern, dass sie den Unternehmen unnötige und überzogene Belastungen auferlegen. Die Arbeit, die Präsident Barroso und Kommissar Verheugen in diesem Bereich verrichtet haben, ist bedeutend. Die überzogene Regulierung anzugehen und die Agenda der „besseren Regulierung“ zu fördern – obwohl ich selbst, Herr Barroso, es bevorzugt hätte, wenn man „Deregulierung“ gesagt hätte – war eine Erfolgsgeschichte der letzten Kommission. Dennoch ist es bedauerlich, dass dieser Erfolg nicht stärker ausgeprägt war und es ist sicherlich mehr Arbeit erforderlich. Wir brauchen einen erfahrenen Vizepräsidenten der Kommission, der für diesen Arbeitsbereich verantwortlich ist. Ich bitte Sie dringlichst, Präsident Barroso, eine solche Ernennung vorzunehmen, falls Sie morgen gewählt werden.
Zum Thema des Klimawandels ist es so, dass die EU bei internationalen Verhandlungen die führende Rolle in diesem Bereich übernommen hat und diese muss sie fortführen. Ich begrüße den Nachdruck, mit dem Präsident Barroso die Notwendigkeit angesprochen hat, zu zeigen, wie die Bekämpfung des Klimawandels bei der Modernisierung unserer Wirtschaften helfen kann.
Ein anderer Bereich, den ich hervorheben möchte, ist die Verpflichtung zur Neugestaltung des EU-Haushalts durch eine radikale Reform. Eine solche Reform ist lange überfällig und es sollte eine verbindliche Zusage gewesen sein.
Auch wenn ich persönlich und meine Fraktion die Wiederernennung des Präsidenten stark unterstützen und einige der bedeutenden Elemente begrüßen, stimmen wir nicht mit allem überein, wie mein Freund Michał Kamiński sagte. Ich mache mir große Sorgen um die genannten Pläne der Kommission im Bereich von Einwanderung und Asyl und, soweit es das Vereinigte Königreich betrifft, ist die Beibehaltung der nationalen Kontrolle über unsere Grenzen immer noch von wesentlicher Bedeutung.
Wie Präsident Barroso aus unseren Diskussionen weiß, gibt es Probleme mit den Vorschlägen der Kommission im Bereich der Finanzkontrolle. Es besteht eine echte Gefahr, dass bedeutende Finanzunternehmungen sich außerhalb der EU niederlassen, was nur zum Nutzen unserer Wettbewerber sein wird.
Schließlich gab es Verweise im Zuge der Aussprache auf den Vertrag von Lissabon. Ich verberge nicht die Tatsache und beschränke mich darauf, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die EU in den letzten drei oder vier Jahren ohne den Vertrag von Lissabon perfekt funktioniert hat. Es gibt keinen Grund, warum dies nicht weiterhin der Fall sein könnte.
Schließlich zitiere ich einen Absatz gegen Ende des Manifests von Präsident Barroso. Er sagte: „Die EU funktioniert am besten, wenn sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentriert. Ich möchte unsere beschränkten Ressourcen darauf konzentrieren, wo wir die meiste Wirkung und wo wir den meisten Mehrwert erzielen können.‟ Anders gesagt, ich glaube, dies bedeutet, dass die EU weniger tun könnte, aber dies besser tun muss.
Präsident Barroso, wenn dies die Parole für die nächsten fünf Jahre sein soll, wäre dies eine ausgezeichnete Basis für Fortschritt, aber in jedem Fall verdienen Sie morgen eine überwältigende Stimmenmehrheit als Unterstützung von uns.
Jean-Luc Mélenchon (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, die Institutionen erlauben es den Linken nicht, einen Kandidaten vorzuschlagen.
Wir beklagen diese Bedingung der Einzelkandidatur und die politischen Vereinbarungen zwischen rechten und sozialdemokratischen Regierungen, die dies ermöglichen.
In der Tat verneint diese Bedingung die Existenz einer weit verbreiteten Meinung in Europa, die dem liberalen Modell der europäischen Integration, die Sie verkörpern, völlig zuwiderläuft. Dies ist das Modell, das, ohne dass Sie ein Wort dazu sagen, das europäische Ideal in die Tiefen der ablehnenden Stimmenthaltungen bei europäischen Wahlen stürzt, insbesondere, und das ist bemerkenswert, in den neuen Mitgliedstaaten.
Dies ist das Modell, das den Traum von einem schützenden Europa in eine Maschine der Zerstörung unserer sozialen Rechte und unserer nationalen Industrien verwandelt, und das dazu führt, dass Menschen miteinander konkurrieren, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Immer mehr Menschen sagen: „Es kommt nichts Gutes aus Europa‟.
Sie haben das Finanzdebakel und die Umweltkatastrophe trotz aller Warnungen nicht kommen sehen, denn es hat Warnungen gegeben. Sie haben dazu beigetragen, dass sie geschehen sind – Sie und die anderen – mit dieser Diktatur des freien und gerechten Wettbewerbs, der unsere Gesellschaften lähmt und deren öffentlichen Geist und unsere öffentlichen Dienstleistungen zerstört.
Jetzt verwenden Sie andere Worte, aber ändern die Taten nicht. Ihr Programm lässt sich jedenfalls in einem Satz zusammenfassen – ich weiß nicht, ob das französische Wortspiel sich übersetzen lässt – nämlich: „Von nun an wird es dasselbe sein wie zuvor.‟ Aber eine große Veränderung braucht Europa, um sich von einer Epoche abzuwenden, von einer archaischen und vergangenen Zeit, der des finanziellen Kapitalismus und maximaler Produktivität.
Der Wandel könnte daher damit beginnen, dass man Ihnen die Präsidentschaft verwehrt. Deshalb wird Ihnen unsere Delegation die Stimme versagen.
Timo Soini (EFD). – (FI) Herr Präsident, Präsident Barroso, Sie sind gekommen, um unsere Fraktion der Euroskeptiker zu treffen und wir schätzen das. Es war an der Zeit, Themen zu diskutieren und Sie bekamen einige schwierige Fragen, von mir unter anderem. Die Tatsache, dass es nur einen Kandidaten gibt, gefällt mir allerdings nicht. Wird es außerdem so sein, wie in Irland, falls wir Sie jetzt nicht akzeptieren, dass Herr Barroso in einigen Monaten mit einem anderen Schlips ankommt und erneut über dasselbe Thema abgestimmt wird? Sie mögen die Kommission. Ich habe dieses Dokument sehr aufmerksam gelesen. Sie sagen darin, dass die Kommission nicht zu ersetzen ist und dass nur die Kommission die Befugnis hat, Vorschläge vorzulegen, welche die Interessen aller unserer Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen und dass nur die Kommission über Kompetenz und Unabhängigkeit verfügt.
Meine Damen und Herren, wo sind die Nationen Europas? Wo sind die Parlamente Europas und wo sind die europäischen Wählerinnen und Wähler? Wird nicht behauptet, dass diese Union nur ihretwegen aufrechterhalten wird? Ich glaube nicht sehr daran. Herr Barroso, setzen Sie sich ein für die Beschäftigten, setzen Sie sich ein für die Arbeitnehmer, denn die müde Linke kann es nicht länger tun. Setzen Sie sich ein für die Kleinunternehmer: wir haben keinen Arbeitskräftemangel; uns fehlen die Arbeitgeber. Leisten Sie gute Arbeit von unten nach oben, so dass die Menschen in der Lage sind, andere zu beschäftigen, und so kann Europa Fortschritte erzielen. Schließlich Präsident Barroso, keine EU-Steuern, danke; wir haben bereits genug Steuern.
(Beifall)
Francisco Sosa Wagner (NI). – (ES) Herr Präsident, ich möchte meine Anmerkungen an Herrn Barroso richten.
Herr Barroso, ich habe Ihnen lange Zeit mit großem Interesse zugehört und auch mit großem Respekt, in der Tat seit Sie Politiker in einem Land waren, das uns und unseren Herzen sehr nahe steht, nämlich Portugal.
Dennoch haben Sie mich eben völlig überrascht. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens haben Sie die Fraktion, zu der ich gehöre – die Fraktionslosen – mit Verachtung gestraft, da Sie uns nicht einmal eine Minute Ihrer Zeit gewidmet haben, um Ihre politischen Vorschläge zu erläutern. Wir vertreten viele europäische Bürgerinnen und Bürger und Sie haben Verachtung für alle unsere Wählerinnen und Wähler gezeigt.
Zweitens, Ihr politischer Plan ist schwach und Ihre politischen Vorschläge im Dokument „Politische Leitlinien für die nächste Kommission‟ sind ärmlich. Diese Vorschläge enthalten nicht einmal das, wofür Sie selbst während Ihrer Amtszeit als Kommissionspräsident eingetreten sind. Ich bin überrascht, dass Themen wie Energie, die während Ihrer Amtszeit gut gehandhabt wurden, jetzt bei der Vorstellung Ihrer Vorschläge für die nächste …
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort)
Carlos Coelho (PPE). – (PT) Herr Präsident, Frau Malmström, Präsident Barroso, ich möchte Ihnen zunächst meine Glückwünsche aussprechen. Zunächst beglückwünsche ich Sie zu den fünf Jahren Arbeit an der Spitze der Kommission, in denen Sie Entschlossenheit gezeigt haben, wenn Sie mit den Mitgliedstaaten zu tun hatten, zum Beispiel bei der Frage zu Klima und Energie, und eine Fähigkeit, Kompromisse und Konsens zu erzielen, zum Beispiel zur finanziellen Perspektive, trotz der zusätzlichen Schwierigkeiten, die sich aus der Erweiterung, der institutionellen Krise und der internationalen Finanzkrise ergeben.
Zweitens beglückwünsche ich Sie zu den politischen Leitlinien für die nächste Kommission, die Sie dem Parlament vorgestellt haben. Leider können Sie es in einer Demokratie nicht jedem Recht machen, Herr Barroso. Einige Menschen mögen Sie nicht, weil Sie zu europäisch sind, und andere wegen ideologischer Vorurteile. Andere Menschen vergleichen Sie mit der Vergangenheit und vergessen dabei, dass es 27 Mitgliedstaaten gibt, deren Interessen vereint werden müssen, nicht mehr nur zwölf, und dass glücklicherweise dieses Parlament größere Befugnisse hat und die interinstitutionelle Zusammenarbeit anspruchsvoller ist.
Andere wollen die Entscheidung verschieben. Sie zu verschieben, würde ein Vakuum schaffen und sowohl die Kommission als auch Europa schwächen. Die Welt wartet nicht auf uns. Gerade gestern hat der Präsident von Brasilien eine Aussage getroffen, welche die G8 in den Mülleimer der Geschichte warf und die G20 unterstützte. Die Welt steht nicht still, während Europa seinen Plenarsaal in Ordnung bringt und seine Führer wählt. Eine Entscheidung zu verschieben, würde bedeuten zu akzeptieren, dass Europa in einer globaleren Welt unwichtig ist.
Ich bin natürlich stolz, dass ein Portugiese den Vorsitz der Europäischen Kommission übernimmt, aber meine Unterstützung ist nicht nur ein Ausdruck nationaler Solidarität. Sie stellt meine Anerkennung für die geleistete Arbeit dar und meine Zustimmung zu Ihren Prioritäten, die ich zu meinen mache: Wirtschaftswachstum; Investition in Innovation, Weiterbildung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit; Fokus auf die Bedeutung der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion; Investition in die Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels; größere Sicherheit ohne Einschränkung der Freiheit; und Stärkung der Staatsbürgerschaft und Bürgerbeteiligung.
Ich begrüße das, was Sie eben in Bezug auf die Zusammenarbeit vorgeschlagen haben, um dieses Parlament und Ihre Kommission um unseres gemeinsamen Europas willen enger zusammenzubringen. Es ist Zeit, dass dieses Parlament den Staatschefs der verschiedenen politischen Familien einen Grund gibt, um Sie einstimmig erneut zum Vorsitzenden der Kommission zu ernennen. Viel Glück, Präsident Barroso, und Erfolg bei Ihrer Arbeit.
Hannes Swoboda (S&D). - Herr Präsident, Herr Präsident Barroso! Ich habe meinen Wahlkampf als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten in Österreich für eine starke europäische Finanzmarktregulierung, für eine Änderung der Entsenderichtlinie, für den Schutz der öffentlichen Dienstleistungen und für die Abschätzung der sozialen Folgen der Gesetzgebung geführt. Da all das in der früheren Kommission, die Sie geleitet haben, nicht erfolgt ist, bin ich davon ausgegangen, dass wir eine neue Kommission, einen neuen Kommissionspräsidenten brauchen. Jetzt sagen Sie, dass Sie all das, was ich gefordert habe, tun werden. Wie sollen wir Ihnen denn auf einmal glauben?
Mein Kollege Stephen Hughes hatte schon darauf hingewiesen, dass die Kommission Barroso I manches von dem, was Sie schon vorher versprochen haben, nicht geliefert hat. Sie haben in den nächsten Wochen noch Zeit zu beweisen, dass Sie es wirklich ernst meinen. Ernst meinen heißt, dass Sie dann doch die Unterstützung von denjenigen bekommen, die diese Punkte durchsetzen wollen.
Denn morgen werden Sie – das ist schon angekündigt worden – von vielen Unterstützung bekommen, die mit diesen inhaltlichen Zielsetzungen nichts zu tun haben. Sie werden viel Unterstützung von jenen Abgeordneten bekommen, die verhindert haben, dass diese Ziele realisiert werden, bzw. die diese Ziele wie etwa bei der Entsenderichtlinie und bei den öffentlichen Dienstleistungen abgelehnt haben und sehr wohl für eine Privatisierung eingetreten sind. Diese Abgeordneten werden Sie morgen unterstützen. Und dann müssen Sie beweisen, dass Sie mit der Kommission eine neue Mehrheit bilden können, die die genannten Ziele wirklich erreichen will.
Wenn der Kollege Lambsdorff meint, das kann ja nur deutscher Wahlkampf sein und die Sozialdemokraten verlassen die europäische Schiene, dann muss ich ihm antworten: Nicht die Sozialdemokraten, Sie gehen in eine Gemeinschaft mit echten Antieuropäern, und das ist das Problem! Viele von uns wären bereit, Sie zu unterstützen, wenn es eine klare soziale Linie der Kommission gäbe. Wir nehmen Ihre Versprechungen von heute zur Kenntnis, aber wir erwarten auch eine Entscheidung, dass die Politik der zukünftigen Kommission die von mir erwähnten Anliegen ernst nehmen wird. <BRK>
VORSITZ: Stavros LAMBRINIDIS Vizepräsident
Marielle De Sarnez (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, in diesem Haus gibt es Abgeordnete, zu denen ich auch gehöre, die Ihnen ihr Vertrauen in der morgigen Abstimmung nicht aussprechen werden. Ich möchte an dieser Stelle die Gründe für diese Entscheidung nennen und Ihnen ebenso unsere Bedenken mitteilen, weil ich der Auffassung bin, sie verdienen es, gehört zu werden.
Wir glauben, dass die Kommission heute eher schwächer ist als vor fünf Jahren. Wir glauben, dass sie zu häufig dem Rat bewusst nachgegeben hat, um niemanden zu verärgern. Wir glauben auch, dass sie unfähig war, die durch die Verträge an sie übertragene Macht zu nutzen, dieses Initiativrecht, das in Krisenzeiten eine echte Initiativpflicht sein sollte. Außerdem sind wir der Ansicht, dass die Kommission nicht mehr der Ort ist, an dem das europäische Allgemeininteresse gebildet wird, um so von jedermann gehört werden zu können und dass dies alles nicht gut für Europa ist.
Dieses Europa benötigt eine Vision, es benötigt Kapazitäten, um nachzudenken und ein Modell der Neuentwicklung hervorzubringen, und es benötigt neue Lösungen für wirtschaftliche Probleme: Wie können wir eine stärkere industrielle und etatmäßige Integration erreichen? Wie können wir den langfristigen Maßnahmen Priorität über die kurzfristigen Maßnahmen geben? Wie können wir beispielsweise sicherstellen, dass die Banken zuerst für die Unterstützung des Wirtschaftslebens, der Haushalte und der europäischen Investoren im Bereich der Verordnungen zur Verfügung stehen? Wie können wir eine europäische Regulierungsbehörde einsetzen, die soziale Fragestellungen gleichberechtigt mit ihrem US-amerikanischen Gegenstück diskutieren kann? Wie können wir einen Beschäftigungspakt verwirklichen? Wie können wir auf monetärem Gebiet eine Harmonisierung erreichen, die sich an höchsten Standards orientiert? Wie können wir Solidarität zeigen und nutzen? Wie können wir, vielleicht in Zukunft, eine weitere Ausbreitung des Euro-Gebiets erreichen, einschließlich des Bereiches der nachhaltigen Entwicklung? Und wie können wir erreichen, dass dieser Übergang funktioniert, und zwar nicht bloß in Europa, sondern auch in Entwicklungsländern?
Das, Herr Barroso, sind einige der Fragen, denen Sie gegenüberstehen. Deshalb glaube ich, dass wir eine Kommission brauchen, die das europäische Allgemeininteresse und ihre Vision wiederbelebt, ganz einfach, um die Bedeutung der europäischen Idee wiederherzustellen. Auf dieser Grundlage werden wir Ihre künftigen Handlungen bewerten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sven Giegold (Verts/ALE). - Herr Präsident! Die Tiefe der Krise in Europa kam nicht nur durch unethisches Verhalten auf den Finanzmärkten, Herr Barroso. Da sind die wachsende soziale Ungleichheit, die gefährlichen und unsolidarischen makroökonomischen Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten, und da ist die Abhängigkeit Europas von steigenden Ressourcenpreisen.
Die Bürgerinnen und Bürger Europas haben eine Kommission verdient, die diese tieferen Ursachen immer wieder auf die Tagesordnung setzten, anstatt sie zu tabuisieren, anstatt das Gegenteil davon zu tun, anstatt die Verantwortung auf die Mitgliedstaaten zu schieben. Wir brauchen eine echte europäische Koordination der Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Wir brauchen eine steuerliche Zusammenarbeit in Europa, die Steuerdumping ein Ende setzt. Erst dann wird es möglich, die soziale Spaltung aufzuhalten und die notwendigen ökologischen Investitionen zu finanzieren. Wir brauchen eine Politik, die grüne Technologien und Lebensstile so konsequent fördert, dass die Abhängigkeit der EU von endlichen Ressourcen rapide sinkt. Das ist eine ökologische grüne Revolution!
All das finde ich so in Ihrem Programm nicht, Herr Barroso. Das ist der Grund, warum ich Sie nicht wählen kann.
Roberts Zīle (ECR). – (LV) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Barroso, einige Jahre lang hatten einige der kleineren neuen Mitgliedstaaten einen festen Wechselkurs für ihre nationalen Währungen auf den Euro bezogen benutzt, bevor sie der Europäischen Union beigetreten sind. So konnte die Finanzbranche in der Europäischen Union äußerst gewinnbringend in diesen Ländern investieren. In der jetzigen Krise jedoch führt die Beibehaltung des starren Wechselkurses bei diesen Ländern zu einer sozial dramatischen Abwertung des Volkseinkommens und zu spekulativen Angriffen auf die Devisenreserven der Zentralbanken dieser Länder. Dafür müssen sowohl ihre Bürgerinnen und Bürger als auch die Europäische Kommission als Darlehensgeber teuer bezahlen. Eine schnellere Einführung des Euro in diesen Ländern würden diese Kosten senken und Stabilität schaffen. Deshalb, Herr Barroso, hätte ich gern, dass Sie in diesen Krisenzeiten eine Anwendung der Maastricht-Kriterien mit ebenso viel Elan unterstützen, wie Sie den Vertrag von Lissabon verteidigen. Vielen Dank.
Joe Higgins (GUE/NGL). – Herr Präsident, ich war gegen die Nominierung Herrn Barrosos als Präsident der Kommission. Herr Barroso benutzt die EU-Kommission dazu, das demokratische Recht des irischen Volkes in Frage zu stellen, mittels dessen es frei entscheiden kann, den Vertrag von Lissabon in einer Volksabstimmung am 2. Oktober anzunehmen oder abzulehnen.
Auf sehr zynische Art und Weise hat seine Kommission kürzlich Beschäftigte der Kommission in Schulen in ganz Irland geschickt, um angeblich darüber zu reden, wie gut die Kommission der Europäischen Union ist - in Wirklichkeit als Signal an ihre Eltern, dass diese mit „Ja“ für den Vertrag von Lissabon stimmen sollten. Außerdem hat ein führender Beamter der Kommission offen an öffentlichen Versammlungen von Organisationen teilgenommen, die für den Vertrag von Lissabon eintreten.
Wie Caesar Augustus, so sendet auch Herr Barroso seine Botschafter aus, um dem irischen Volk mitzuteilen, was es tun soll. Wir werden mit jedermann eine demokratische Debatte beginnen, es würde aber eine große Verschwendung der Gelder der Steuerzahler darstellen, wenn Beamte sich an dieser Debatte beteiligen sollten.
(GA) Die Vorgehensweisen des Herrn Barroso sind keineswegs alle zum Vorteil der europäischen Erwerbstätigen und der Vertrag von Lissabon ist nicht von Vorteil für die europäischen Erwerbstätigen, sondern fördert eher die Militarisierung und Privatisierung. Folglich werden wir Herrn Barroso von jetzt an nicht als Präsident akzeptieren.
Nicole Sinclaire (EFD). – Herr Präsident, Herr Präsident Barroso tritt für ein ehrgeiziges Europa ein. Die EU hat dies gewiss erreicht: Siebenundzwanzig Staaten in fünfzig Jahren und der Vertrag von Lissabon – sofern ratifiziert durch Irland – werden den Tod ihrer nationalen Souveränität und den Start für die Übernahme durch die Europäische Union kennzeichnen.
Aber wir in der UKIP (United Kingdom Independence Party) weisen Herrn Barrosos Plan für eine europäische Integration zurück, weil wir wissen, dass einzelne Mitgliedstaaten nicht irrelevant sind. Die nationale Souveränität ist die Grundlage unserer Werte und der Grundpfeiler der Demokratie des Vereinigten Königreichs. In der EU stehen die Menschenrechte – entweder des Einzelnen oder in ihrer Gesamtheit – nach der Solidarität auf dem zweiten Platz für die Europäer. Die beiden sind unvereinbar miteinander, für Präsident Barroso jedoch stehen sie zusammen in den nächsten fünf Jahren im Zentrum seiner Vision der EU, wobei die Solidarität der Grundpfeiler für die europäische Gesellschaft ist.
Wir in der UKIP ziehen die Souveränität der Solidarität vor. Wenn die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten ihre Meinung im Rahmen von Volksabstimmungen kundtun, sollte das Ergebnis rechtskräftig sein, wobei das Recht der Meinungsfreiheit respektiert werden sollte. Aber die EU-Version der Rechte der Bürgerinnen und Bürger ist, sie wieder und wieder in nationalen Referenden abstimmen zu lassen, bis sie dem Druck nachgeben und „Ja“ stimmen.
Auf diese Weise wurden der Vertrag von Maastricht und der Vertrag von Nizza durchgesetzt, und jetzt benutzt die EU die gleiche Taktik und zwingt Irland dazu nochmals abzustimmen, wo es den Vertrag bereits abgelehnt hat, so wie sie dies auch in Frankreich und in den Niederlanden getan hat. Was sind das für Rechte, wenn sie im Namen der Solidarität kurzerhand zurückgewiesen werden? Für die UKIP stehen die Souveränität und die Bürgerrechte über der Solidarität. Wir lehnen den Vertrag von Lissabon und die Vision Präsident Barrosos über den Vertrag ab.
Hans-Peter Martin (NI). - Herr Präsident! Wir brauchen eine Revolution der Demokratie! Herr Barroso, stellen Sie sich vor, Sie würden sich in Europa einer Wahl stellen, nur Sie ganz allein, kein anderer Kandidat! Wie viel Prozent der Stimmen würden Sie bekommen? Was würden die Bürgerinnen und Bürger tun?
Sie hätten Ihnen wohl heute zugehört und gesehen, dass Sie allen alles versprochen haben. Sie würden hoffentlich auch die Information bekommen, was Sie vor fünf Jahren gemacht haben. Da haben Sie den meisten sehr, sehr viel versprochen. Dann muss man vergleichen zwischen dem, was Sie schon einmal versprochen haben, dem, was Sie jetzt versprechen, und dem, was zu erwarten ist. Ich denke, das ist sehr, sehr wenig.
Sie stehen für das alte, für das gescheiterte Europa, für den Beitrag zur Finanzkrise, weil die Kommission versagt hat, für mangelndes Engagement in Klimafragen und und und. Ich würde mich auf die Seite der Mehrheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger stellen, weil ich glaube, sie würden nicht mehr als 10 oder 12 oder 15 % der Stimmen bekommen.
Werner Langen (PPE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es vorab sagen: Die deutschen CDU/CSU-Abgeordneten werden Sie, Herr Barroso, für eine zweite Amtszeit unterstützen. Wir haben allerdings klare Erwartungen an diese zweite Amtszeit – das will ich überhaupt nicht verschweigen –, an Sie und natürlich an die künftige Kommission.
Unsere Forderungen richten sich nach vorne, aber wir haben natürlich fünfjährige Erfahrungen hinter uns, und deshalb möchte ich kurz beleuchten, was wir geändert haben wollen. Die letzten fünf Jahre haben nach unserer Überzeugung Licht und Schatten gebracht. Zu den Schatten gehörten die mangelnde Finanzmarktregulierung – weil der Kommission der Mut gefehlt hat, auch gegen einzelne blockierende Mitgliedstaaten vorzugehen –, der erkennbare Machtzuwachs des Rates und die Selbstherrlichkeit einzelner Kommissare, die sich nicht um das Thema Subsidiarität gekümmert haben.
Wir werden Ihr Programm, Ihre Leitlinien mittragen, wir finden sie im Ansatz richtig, und wir wollen, dass einige unserer Schwerpunkte durchgesetzt werden – und ich bin sicher, Sie werden das berücksichtigen. Zum einen muss das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft Richtlinie unserer gemeinsamen Politik in Europa sein: Freiheit und Verantwortung und nicht nur Freiheit, wie sie am Finanzmarkt vorhanden war.
Die Wettbewerbsfähigkeit Europas und die Sicherheit der Arbeitsplätze in Europa müssen gegen Umweltschutz und Klimaschutz abgewogen werden. Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Sie diese Zusammenschau jetzt durch einen eigenen Klimakommissar möglicherweise gefährden wollen. Wir brauchen eine industrielle Basis in Europa, und die Probleme der Welt – wie Hunger, Armut, Seuchen – können nur gelöst werden, wenn Europa als wirtschaftsstarke Macht diese Basis hat.
Und die Bürgerinnen und Bürger müssen Europa mittragen. Überregulierung stranguliert den Leistungswillen und entfremdet den Menschen von der europäischen Idee, und deshalb wollen wir eine unabhängige Gesetzesfolgenabschätzung.
Und viertens und letztens: Wir wollen eine substantielle Neuauflage der interinstitutionellen Vereinbarungen. Unter diesen Bedingungen werden wir eine gute fünfjährige Amtszeit erleben.
Adrian Severin (S&D). – Herr Präsident, man kann weder einen Politiker der Volkspartei bitten, ein Sozialist zu sein, noch einen Sozialisten, für einen Politiker der Volkspartei zu stimmen. Das wäre so einfach, wenn es nicht viel komplizierter wäre.
Warum sind wir jedoch peinlich berührt und uneins, wenn wir um die Unterstützung Ihres Kandidaten gebeten werden? Lassen Sie uns offen miteinander sein. Die Liste der Enttäuschungen und Fehler während der Amtsperiode dieser Kommission ist bei weitem zu lang, ebenso wie die der nicht eingehaltenen Versprechen und Initiativen. Folglich haben unsere europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht nur ihr Vertrauen in die europäischen Institutionen verloren, sondern auch ihre Hoffnung und Leidenschaft.
Fairerweise müssen wir auch zugeben, dass Sie nicht allein dafür verantwortlich sind. Die Hauptverantwortung liegt bei den nationalen politischen Führungskräften, die die Errungenschaften immer ihrem Land zuschrieben und die Niederlagen auf Europa bezogen und die den nationalen Egoismen meistens den Vorrang gegenüber der europäischen Solidarität gaben.
Viele Ihrer Kommissionsmitglieder, einschließlich der Sozialisten, und unterstützt durch die gleichen nationalen Führungskräfte, mangelt es auch an Vision, Mut, Kompetenz und Willen. So treten wir heute nicht nur Ihnen entgegen, sondern auch denjenigen, die Sie als den einzigen Kandidaten für einen der wichtigsten europäischen Posten nominiert haben. Natürlich haben sie das nicht aus Respekt vor Ihren Qualitäten und Stärken getan, sondern vor dem, was sie für Ihre Schwächen halten. Nicht, weil sie der Meinung sind, dass Sie für eine immer engere Union mit einer starken sozialen Anziehungskraft arbeiten werden, sondern weil sie glauben, Sie werden sie einzeln anrufen, um sie vor jeder Initiative der Europäischen Kommission um die Zusage ihres Landes zu bitten.
Es ist zumindest paradox, dass das Europäische Parlament heute als eine Gemeinschaftsinstitution nicht die demokratische Rechtmäßigkeit des künftigen Präsidenten der Gemeinschaftsinstitution, die die Kommission ist, mit einem überwältigenden „Ja“ stärkt, sondern die zwischenstaatliche Institution, die der Rat ist, über diesen Kandidaten herausfordert.
Aus diesem Grund wird es am Ende unserer Abstimmung für das Kollegium wichtig sein, wenn Sie zeigen könnten, dass Sie einer von uns sind und nicht einer von ihnen.
Andrew Duff (ALDE). – Herr Präsident, man sollte Präsident Barroso für seine standfeste Unterstützung der Agenda der Vertragsänderung während seiner gesamten letzten Amtsperiode beglückwünschen. Ich bin der Meinung, man sollte ihm für die Veröffentlichung eines guten Stabilitätsprogramms sowie notwendiger Verbesserungsvorschläge in den herausfordernden Politikbereichen, über die wir alle einer Meinung sind, danken.
Ich muss aber sagen, dass wir in der Zeit bis zum Jahr 2014, da das Bruttoinlandsprodukt sinkt und unsere Ausgaben zunehmen, vor einer neuen Haushaltskrise stehen, und bis zu diesem Zeitpunkt hoffe ich, dass Präsident Barroso fest auf der Seite des Parlaments steht und er die voraussichtlichen Positionen der Finanzministerien der einzelnen EU-Länder ablehnt.
Fakt ist, dass die Union einen größeren Haushalt und eine Haushaltspolitik benötigt, die entworfen wurde, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen. Die nationalen Ausgaben sollten auf den europäischen Haushalt dort übertragen werden, wo es eine deutliche Kosteneffizienz, Größeneinsparungen und Mehrwert gibt und wo ein Marktversagen stärkere europäische Verfahrensweisen zu seiner Korrektur erfordern.
Wir müssen den Haushalt mit einem unabhängigen und fortschrittlicheren sowie transparenten System versehen.
Hans-Peter Martin (NI). - Herr Präsident! Ich meine jetzt natürlich nicht meinen Vorredner, aber ich bitte Sie schon, fair beim Unterbrechen von Rednern, die ihre Redezeit überschreiten, zu sein! Manchen entziehen Sie dramatisch das Wort, andere lassen Sie sehr lang überziehen. Das ist nicht in Ordnung! <BRK>
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, ich möchte lediglich klarstellen, dass Irland nicht nochmals abstimmen muss, weil jemand dies gesagt hat: Das irische Volk stimmt nochmals ab, weil es aus eigenem Antrieb so entschieden hat, und es wird seine eigene Entscheidung fällen. Zum Zweiten unterscheidet sich die jetzige Abstimmung von der letzten. Wir haben Garantien, die die Dinge für das irische Volk klarstellen, und wir haben auch eine Garantie, dass wir unseren Kommissar behalten können.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
Der Präsident. − Herr Kelly, es tut mir Leid, dies ist ein neues Verfahren, und wir müssen es richtig anwenden. Es gilt nur für Fragen an den vorigen Redner, nicht für Erklärungen. Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung.
José Manuel Barroso, designierter Präsident der Kommission. − Herr Präsident, ich werde mit den Fragen zur Strategie beginnen, dann folgt die Politik, wenn ich noch Zeit dazu habe.
Was die Fragen von Herrn Hughes anbelangt, so halte ich es für wichtig, jene Fragen klarzustellen, die sehr wichtig für Ihre Fraktion und für mich sind und ebenso für unser Engagement für eine soziale Marktwirtschaft. Bezüglich der Entsendung von Arbeitnehmern zielt meine Verpflichtung hinsichtlich einer Verordnung darauf ab, genau das von Ihnen erwähnte Problem anzugehen, Herr Hughes. Die Fragen zur Umsetzung und Auslegung haben zu Unsicherheit geführt und sind das Problem. Ich erinnere Sie daran, dass eine Verordnung direkt anwendbar ist und weniger Zeit erfordert, als eine Überarbeitung der gesamten Richtlinie. Ich habe jedenfalls gesagt, dass wir die Richtlinie gegebenenfalls überarbeiten können.
Auf Laval hat Kommissar Špidla, ein Mitglied Ihrer sozialistischen Familie, in Absprache mit mir eine sehr gründliche Suche nach praktischen Lösungen durchgeführt. Sie müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass die von Ihnen angesprochenen Probleme nicht in allen Mitgliedstaaten auftreten. Die Verschiedenheit des Arbeitsrechts in den Mitgliedstaaten bedeutet, dass eine Situation wie auf Laval in gewissen Mitgliedstaaten auftreten kann, in anderen aber nicht. Gerade Sie wissen doch, dass Mitgliedstaaten, Sozialpartner und Gewerkschaften sich an den gemeinschaftlichen Besitzstand ihres Arbeitsrechts halten. Wir mussten die Gesamtsituation bewerten, um sicherzustellen, dass die Abhilfemaßnahme kein noch größeres Problem darstellen würde, als das dadurch zu lösende Problem. Herr Špidla hat diese Analyse durchgeführt, und deshalb kann ich Ihnen jetzt eine Lösung vorschlagen, bei der ich versuche, eine breite Zustimmung dafür in diesem Parlament zu erhalten.
Hinsichtlich der öffentlichen Dienste fragte Herr Hughes danach, warum die Kommission bisher keine Rahmenrichtlinie vorgeschlagen hat. Ich werde darauf hinweisen, dass meine Kommission sehr wichtige Arbeit im Bereich der Rechtstexte zur Klarstellung der Anwendung von Vorschriften über staatliche Hilfen bei öffentlichen Diensten geleistet hat. Das war vor fünf Jahren das wichtigste Problem, und die Wahrheit ist, dass die Klarstellung dieser uralten Debatte über die öffentlichen Dienste im Binnenmarkt der Debatte den Sprengstoff genommen hat. Ich habe nicht gesagt, dass es dort keine Probleme mehr gibt. Ganz im Gegenteil, ich erkenne sie. Ich engagiere mich für eine umfassende Bewertung der Situation und werde nicht zögern, gegebenenfalls auch weiterzugehen. Ich habe in den Diskussionen mit Ihrer Fraktion ein ehrliches und loyales Angebot unterbreitet, und ich freue mich darauf, es mit Ihrer Fraktion zu bearbeiten, einschließlich der entsprechenden rechtlichen Instrumente.
Ich engagiere mich für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis und in meiner Kommission gibt es eine Rekordanzahl an Frauen. Ich kann Ihnen ganz offen sagen, dass es ein sehr harter Kampf war, einige Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, kompetente Frauen in die Kommission zu entsenden, weil sie keine Frauen entsenden wollten. Wie Sie wissen, stammt die Initiative hierzu von den Mitgliedstaaten. Ich werde wiederum mein Bestes geben. Ich erinnere mich daran, dass in der ersten Delors-Kommission keine Frauen waren und in der zweiten nur eine. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte ich neun weibliche Mitglieder in der Kommission, was ich für sehr wichtig halte. Ich nominierte überhaupt die erste Frau als Generalsekretärin – der wichtigste Beamtenposten in der Kommission – ich bin also sehr engagiert bei dieser Frage und benötige hier Ihre Unterstützung. Wieder einmal möchte ich Sie jedoch bitten, mit Ihren Mitgliedstaaten daran zu arbeiten, dass diese nicht in die alte Gewohnheit zurückfallen, weil einige Mitgliedstaaten fünfzig Jahre lang unfähig waren, auch nur ein einziges Mal eine Frau für die Kommission vorzuschlagen.
Was die Frage des Sozialen angeht, so lassen Sie uns dies ganz offen sagen. Wenn Sie die Karikatur des Herrn Barroso angreifen möchten, dann tun Sie das, Sie wissen aber ganz genau, dass ich oftmals Vorschläge unterbreitet habe, die vom Rat abgelehnt worden sind – und da waren, nebenbei bemerkt, einige Regierungen aus Ihrer Familie dabei. Seien wir ehrlich. Beim letzten Europäischen Rat habe ich vorgeschlagen, dass wir keine Kofinanzierung des Sozialfonds in jenen Ländern mehr haben, die nicht über diese Möglichkeiten verfügen, nämlich den neuen Mitgliedstaaten, die in Schwierigkeiten sind. Ich habe diesen Vorschlag gemacht. Er wurde von verschiedenen Regierungen abgelehnt, und einige der Regierungschefs, oder der Finanzminister, dieser Regierungen gehören Ihrer Partei an. Deshalb bin ich hier völlig anderer Meinung. Es ist, intellektuell gesehen, nicht korrekt, die Kommission ständig anzugreifen. Sie verfehlen das Ziel. Es ist natürlich einfacher für Sie, aber die Realität ist, dass wir uns sehr bemühen. Nach diesem Rat habe ich einen Vorschlag unterbreitet – den der Rat derzeit berät – die Vorschriften für die Kofinanzierung des Sozialfonds für Länder, die sich in Schwierigkeiten befinden, auszusetzen. Ich engagiere mich für den sozialen Zusammenhalt. Wie könnte ich mich hier denn nicht engagieren, da ich aus einem Land wie Portugal komme, das so stark von der Europäischen Union profitiert? Ich engagiere mich für den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt, und aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass diese Karikatur, die einige vorlegen möchten, Europa schadet. Ich stimme dem zu, was Herr Lambsdorff vorhin gesagt hat. Mir wäre es lieber, ich hätte die Unterstützung der großen pro-europäischen politischen Fraktionen, einige aber schließen sich selbst davon aus. Das ist Ihre Wahl, nicht meine.
Ich möchte den größtmöglichen Konsens erreichen und niemanden ausschließen. Seien wir offen und ehrlich: In der Geschichte der europäischen Integration ist es nicht nur die Europäische Volkspartei, sind es nicht nur die Sozialisten, nicht nur die Liberalen, die große Beiträge geleistet haben. Von Lord Cockfield, einem Konservativen, über einen Kommunisten wie Altiero Spinelli bis zur Bewegung der Grünen gab es viele Beiträge zu unserer europäischen Integration. Nach der Wahl und mit dieser Meinungsvielfalt ist es wichtig, dass wir zusammenarbeiten für Europa. Wir benötigen ein starkes Europa, aber hier besteht ein Widerspruch. Auf der einen Seite sagen Sie, Sie möchten ein starkes Europa, Sie möchten eine starke Kommission, Sie möchten, dass ich mich gegenüber einigen Mitgliedstaaten behaupte, die gerade im Begriff sind, nationale Gesinnungen anzunehmen, gleichzeitig aber sagen Sie „Wir werden nicht für Sie stimmen. Wir werden Ihren Einfluss reduzieren. Wir werden Sie vor den Mitgliedstaaten schwächen.“ Es besteht hier ein Widerspruch, lassen Sie uns also ehrlich sein. Wenn Sie eine starke Kommission möchten, die über alle Rechte und die Initiative verfügt, die europäischen Interessen zu verteidigen, dann geben Sie mir zumindest einen Vertrauensbonus. Wir leben in schwierigen Zeiten, und ich habe Ihnen ein ehrliches Angebot unterbreitet, ein Angebot an alle Parlamentsmitglieder, das absolut transparent ist. Sie können nicht behaupten, dass sich je nach Fraktion meine Aussagen ändern, da ich Ihnen allen das gleiche Programm vorlege. Heute haben wir einige Zusätze und Klarstellungen hinzugefügt, es ist aber das gleiche Programm geblieben. Natürlich stellt es einen Kompromiss dar, aber Europa funktioniert nur als Kompromiss. Europa kann nicht auf der Grundlage von Fanatismus oder Dogmatismus funktionieren.
Ich danke der EVP für die Unterstützung, die sie mir hat zukommen lassen. Ich bin wirklich für die Unterstützung dankbar, die Sie mir gegeben haben, aber die EVP war die erste, die sagte, das wolle sie nicht, weil sie allein sei. Keine Partei verfügt, auf sich gestellt, über eine Mehrheit, deshalb müssen wir in Europa einen Konsens erreichen. Der Aufbau dieses Konsenses in Europa ist von äußerster Wichtigkeit. Natürlich behalten wir unsere ideologischen Unterschiede und halten die politische Debatte am Leben, wir strengen uns aber an, um ein stärkeres Europa zu bekommen. Dafür engagiere ich mich. Und Sie? So lautet meine Frage.
Joe Higgins (GUE/NGL). – Herr Präsident, Herr Barroso hat nicht auf meinen Vorwurf der Einmischung der Kommission in den demokratischen Meinungsbildungsprozess anlässlich der Abstimmung über den Vertrag von Lissabon in Irland geantwortet.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
Hélène Flautre (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, ich habe ein Problem, was heißt, dass ich morgen nicht für Sie stimmen werde, aber Sie wissen, worum es sich handelt, da meine Fraktion es Ihnen gut erklärt hat. Es ist ein politisches Problem. Sie haben kein Projekt für die umweltpolitische und soziale Umgestaltung Europas. Und dabei ist es das, was meiner Ansicht nach heute getan werden muss.
Wie es jedoch Herr Daul elegant formuliert hat, es war die Rechte, die die Wahlen gewonnen hat, deshalb sind Sie auf der Seite der Rechten. Die Situation ist klar.
Ich wünsche mir Respekt vor dem Kommissionspräsidenten haben zu können, habe aber damit ein Problem. Wenn ich Sie sehe, dann denke ich unwillkürlich - und ich versichere Ihnen, dass dies wirklich stimmt – an Ihre Verantwortung bei den Geheimflügen der CIA.
Zwischen 2002 und 2006 wurden 728 Personen mit portugiesischen Flugzeugen nach Guantánamo transportiert. Sie waren von 2002 bis 2004 Minister. Aus diesem Grund kann ich Ihnen nicht glauben, Herr Barroso, wenn Sie Vorträge darüber halten, dass Europa ein Verfechter der Menschenrechte sei. Was ich von Ihnen erwarte – was ich mir von Ihnen erhoffe, weil ich künftig gern Respekt vor Ihnen als Kommissionspräsident hätte – sind nicht Ihre Memoiren, in soundso viel Jahren, sondern dass Sie Ihrer Verantwortung in dieser ernsthaften Angelegenheit gerecht werden, die einen Schatten auf die europäischen Werte wirft.
Derk Jan Eppink (ECR). – Herr Präsident, es gibt ein Sprichwort, das lautet „Ist die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch“. Das nächste Jahrzehnt wird entscheiden, wo Europa hinsteuert. Die aktuelle Führungsgeneration in Westeuropa hat sich eine Zeitlang von der Geschichte verabschiedet. Wir sind in Friedenszeiten aufgewachsen. Wir sind in einem Wohlfahrtsstaat aufgewachsen. Wir haben Schulden gemacht und sie an unsere Kinder weitergegeben. Aber die Geschichte klopft an unsere Tür. Wir werden auf Jahre hinaus eine stockende Wirtschaft haben. Wir stehen vor einer stark anwachsenden Immigration und müssen für eine alternde Bevölkerung sorgen.
Leider verfügt Europa über keine Leistungskultur. Der europäische Traum lautet, sich so bald wie möglich an die französische Riviera zurückzuziehen. Wenn wir nicht innovativ sind und eine wie von Ihnen entworfene Unternehmenskultur entwickeln, werden in Europa die Mäuse auf dem Tisch tanzen.
Ich zähle auf Ihre Führungsstärke. Darf ich Ihnen einen Rat geben? Steuern Sie Europa so, dass es sich auf seine Kernaufgabe konzentriert. Wenn Sie dabei scheitern, werden Sie überall scheitern. Bleiben Sie aufgeschlossen und schlagen Sie keine europäische Steuer vor, weil sie einen Bauernaufstand gegen Europa auslösen wird. Ich habe noch nie eine Demonstration zugunsten einer europäischen Steuer erlebt. Das geht zu weit und wird Ihnen nur die Wut der Öffentlichkeit bringen.
Ich zähle auf Ihren Realitätssinn, damit Europa die Katze im Haus ist, und ich wünsche Ihnen viel Glück in Ihrer zweiten Amtszeit.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Wir wissen, Herr Barroso ist der wandelnde Kompromiss zwischen den Mächtigen in Europa. Wir wissen auch, er ist der kleinste gemeinsame Nenner der Regierungen der Mitgliedstaaten. Und wir wissen, Herr Barroso hat auch für alle etwas: ein bisschen Maoismus für die Linke, ein bisschen Konservativismus für die Christlich-Sozialen, ein bisschen Neoliberalismus, und ein bisschen grün und sozialistisch ist er jetzt auch.
Herr Barroso wird dafür natürlich als Kandidat ohne Gegenkandidat, ohne Alternative dastehen. Dafür hat er jetzt einige schwere Tage, dafür muss er sich Unfreundlichkeiten von der Vereinigten Linken und von anderen Kritikern anhören.
Aber das zahlt sich ja aus, denn wir wissen, dass Herr Barroso wahrscheinlich nach diesen schweren Tagen eben wieder Kommissionspräsident wird und dass es wieder zu faulen Kompromissen zwischen den großen und mächtigen Fraktionen in diesem Haus, aber auch zwischen den Regierungen im Rat kommen wird, und dass Herr Barroso, der die Personifizierung der Fehlentwicklungen dieser europäischen Integration in den letzten fünf Jahren war, es damit wohl auch in den nächsten fünf Jahren bleiben wird. Wir alle haben da im Grunde wenig mitzubestimmen. <BRK>
Jacek Saryusz-Wolski (PPE). – Herr Präsident, lassen Sie mich mit der Aussage beginnen, dass wir die europäische Ambition und das Programm des Herrn Präsidenten Barroso unterstützen, und dies sage ich im Namen der 28 polnischen Abgeordneten, wenn es nicht mehr sind.
Es gibt in diesem Programm jedoch einen Punkt, der uns ganz besonders am Herzen liegt, und das ist die Sicherheit der Energieversorgung. Sie wissen, Herr Präsident Barroso, dass dieses Haus sich sehr viele Gedanken zu diesem Thema macht. Wir müssen uns sowohl den Fortschritt als auch die Mängel in diesem Verfahren nochmals zu Gemüte führen und neu bewerten, sowie Prioritäten für die kommenden Monate und Jahre setzen.
Die gegenwärtige Situation ist nicht zufriedenstellend, sondern eher düster, weil trotz aller Erklärungen und dem offensichtlich guten Willen, der in puncto Energieinfrastruktur und Mechanismen zur Krisenbewältigung erzielte Fortschritt noch alles andere als ausreichend ist. Die getroffenen Maßnahmen erfüllen nicht alle Erwartungen und sind noch nicht zufriedenstellend.
Natürlich heißen wir kurzfristige Maßnahmen, die die Kommission und der Ratsvorsitz getroffen haben, willkommen, wir erwarten aber eine langfristige Vision und Entschlossenheit von seiten des Kommissionspräsidenten und, gegebenenfalls, dass sich der Kommissionspräsident dem Beharrungsvermögen und den Egoismen der Mitgliedstaaten stellt oder diese herausfordert. Wir benötigen eine starke Kommission und eine starke Führung von Ihrer Seite, weil die Kommission im Namen der gesamten Union und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Union handeln muss.
Lassen Sie mich noch betonen, dass eine solche Führung auf dem Konsens beruhen sollte, dass sie sowohl im Parlament und in der Kommission als auch in den Mitgliedstaaten führen und aufbauen sollten. Wie Sie wissen, wurde diese Idee vor drei Jahren hier im Parlament eingebracht, es ist aber noch ein weiter Weg dorthin, und wir müssen immer noch darauf warten, dass dieser Traum Wirklichkeit wird.
Ich hoffe, dass Sie, Herr Präsident Barroso, dieses Wunder bis zum Ende dieser Legislaturperiode Wirklichkeit werden lassen und Ihnen die Möglichkeit gegeben wird, dies zu tun.
In dieser Erwartung unterstützen wir Ihre Kandidatur und drücken Ihnen die Daumen für Ihren Ratsvorsitz.
Marita Ulvskog (S&D). – (SV) Herr Präsident, Herr Barroso, Sie sagten in Ihrer Vorstellung, dass Europa und die Welt eine Wertekrise erlitten hätten. Warum reden Sie nicht im Klartext? Was wir erlitten haben, ist natürlich eine Krise aufgrund des radikalen Marktdenkens, und Sie und Ihre Fraktion gehören zu den Hauptbefürwortern dieser Denkrichtung. Ich versprach meinen Wählerinnen und Wählern nicht für Sie zu stimmen – wie dies viele andere Sozialdemokraten getan haben – wenn Sie nicht garantierten, dass die Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie geändert wird, um die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken.
Jetzt höre ich, dass Sie so zu klingen versuchen, als ob Sie dieser Bitte entsprochen hätten. Sie sagten jedoch, dass dieser Bitte nicht durch eine Änderung der Richtlinie, sondern durch eine neue Verordnung, von der wir wissen, dass sie absolut unzulänglich ist, entsprochen werden würde. Gleichzeitig höre ich, wie Sie ein fehlerhaftes Bild der Folgen dieser Änderung der Entsenderichtlinie zeichnen. Sie sind vorher darüber befragt worden, und Sie haben jedes Mal eine ausweichende Antwort gegeben. Ich frage Sie jetzt nochmals: Werden Sie Maßnahmen zur Änderung der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie ergreifen, sodass europäische Arbeitnehmer den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit in der gesamten Europäischen Union erhalten, anstatt mit Lohndumping leben zu müssen, das uns momentan in ganz Europa zu schaffen macht?
Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Herr Präsident, das heutige Europa ist ein durch Frieden und Demokratie definierter Kontinent. Das war vor siebzig Jahren nicht der Fall, als sich Europa im Krieg befand. Das war auch vor zwanzig Jahren nicht der Fall, als Europa in Ost- und Westeuropa geteilt war.
Unsere Generation hat eine Verantwortung zur Führung unseres Kontinents und zur Wahrung eines offenen und demokratischen Europa. Herr Barroso, Sie haben eine besondere Verantwortung.
Europa benötigt eine klare Führung und eine EU, die sowohl sichtbar als auch erreichbar ist für die Menschen in Europa, sowohl in guten wie in schlechten Zeiten. Wir benötigen eine Führung, die uns zuhört. Sie müssen mehr tun in dieser Hinsicht. Ich würde gern mehr von dem Engagement sehen, das wir heute gesehen haben, mehr den José Manuel Barroso, den wir heute gesehen haben.
Morgen werden Sie die Unterstützung der Liberalen Partei Schwedens erhalten - Cecilia Malmströms Partei, nicht, weil wir Ihnen in allen Punkten zustimmen, sondern weil wir der Meinung sind, Sie können mehr als Sie uns bisher gezeigt haben.
Hier sind einige Leitprinzipien für die Fortsetzung Ihrer Arbeit.
Protektionismus ist ein abscheuliches Laster - sogar für einen früheren Maoisten. Die Stärke der EU liegt in den offenen Grenzen und dem Freihandel.
Menschenrechte gelten für jedermann, egal wo er oder sie sich auch befindet. Sie müssen mehr tun in dieser Hinsicht.
Die Wirtschaftskrise schreit nach einer globalen neuen Ordnung, mit ausgeglichenen Verordnungen, die uns dazu befähigen, mit der Klimakrise fertig zu werden. Befreien wir die europäischen Landwirte und geben wir den Verbrauchern und dem Markt eine Chance.
Die EU benötigt keine weiteren institutionellen Machtkämpfe. Retten Sie uns vor diesem Schicksal! Europa hat mittlerweile genug lahme Enten gehabt! Herr Barroso, morgen haben Sie hoffentlich die Gelegenheit, eine neue Kommission zusammenzustellen. Ich hoffe, Sie werden dann sicherstellen, dass sich in der neuen Kommission ebenso viele Frauen wie Männer befinden.
Michail Tremopoulos (Verts/ALE). – (EL) Herr Barroso, wie Sie wissen, haben Sie Ihre Position bei Fragen wie dem Schutz der Artenvielfalt oder Ihres Engagements bezüglich der Milleniums-Entwicklungsziele und der EU-Strategie einer nachhaltigen Entwicklung bislang in keiner Weise zum Ausdruck gebracht.
Ich werde mich auf die Bedeutung der Flexicurity konzentrieren, die Sie oft verwenden, um Flexibilität und Sicherheit zu kombinieren. Dieses Konzept scheint ernste Gefahren in puncto Arbeitnehmerschutz in sich zu tragen. Teilzeitbeschäftigung beispielsweise ist gut, wenn es die Wahl des Arbeitnehmers ist. Erzwungene Beschäftigung jedoch, bei welcher der Arbeitnehmer keine andere Wahl hat, sondern möglicherweise nicht in der Lage ist, eine Beschäftigung zu finden, sieht wie Teilzeit-Arbeitslosigkeit aus.
Es gibt ein ähnliches Problem mit der erzwungenen Beschäftigung bei Stellen und mit Arbeitszeiten, die eine schädliche Wirkung auf das Privatleben der Menschen und ihre Lebensqualität haben. Wenn Sie gewählt werden, welche politischen Leitlinien beabsichtigen Sie dann, in diesen Punkten herauszubringen, in Fällen, die Sie betreffen? Warum erwähnen Sie eigentlich keine spezifischen Ziele für grüne Berufszweige und weitere derartige Initiativen, nicht, dass Sie „grün“ werden sollen, sondern, dass Sie zumindest anzeigen, welchen Weg aus der Krise Sie einschlagen möchten?
George Becali (NI). – (RO) Herr Barroso, ich habe Ihr Dokument gelesen, werde aber, ganz ehrlich, morgen für Sie stimmen, weil ich denke, dass Europa einen religiösen Christen wie Sie braucht, mit dieser Art der Erziehung. Ich glaube, dass Sie morgen zum Präsident der Kommission gewählt werden, und ich dränge Sie, Herr Barroso, Gott um das zu bitten, was er Salomon gegeben hat: die Weisheit, die Europäische Kommission zu leiten. Bitte, Gott.
Mario Mauro (PPE). – (IT) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die italienische Delegation der Europäischen Volkspartei wird Sie mit unserem gewohnten Respekt, unserer gewohnten Freundschaft und unserer gewohnten Treue unterstützen, Herr Barroso.
Nichtsdestotrotz fordern wir Sie auf, mehr Mut zu zeigen, damit unsere Institutionen fähig sind, sich diesen bedeutsamen Zeiten, die wir gerade erfahren, zu stellen, und sich nicht nur auf die legitimen Anliegen der Regierungen zu konzentrieren, sondern in erster Linie die Bedürfnisse der jungen Generationen im Auge zu haben, ihren Wünschen hinsichtlich der Gründung einer eigenen Familie mit Kindern und einem eigenen Haus: im Wesentlichen der Mut, für ein echtes Europa zu kämpfen, eines, das durch unseren Verantwortungssinn und nicht durch unsere politische Mischung gestützt wird. Aus diesem Grund fordere ich meine sozialistischen Kolleginnen und Kollegen auf, den gleichen Mut zu zeigen.
Natürlich ist die erneute Wahl von Herrn Barroso möglicherweise eine Notlösung für die Konsenskrise sein, die deutlich am Ergebnis der Wahlen abzulesen ist, aber eine Ja-Stimme, wenn auch eine Ja-Stimme mit Bedingungen, die der Kandidat für die Position des Kommissionspräsidenten erfüllen muss, würde Ihnen allen eine Gelegenheit geben, Ihre Rolle in diesen schwierigen Zeiten zu spielen, und ein klares Signal an die europäische Öffentlichkeit aussenden, und zwar, dass das uns Verbindende stärker ist als das uns Teilende, und dass wir nur auf diese gemeinschaftliche Weise einander davor bewahren können, in den Abgrund zu stürzen.
Kurzum, es ist nicht einfach ein Ja für Herrn Barroso, sondern ein Ja für ein klares und einfaches Rezept. Eine Kommission, die mit einem Beitrag von Ihnen allen geschaffen wurde, bedeutet, diese Kommission wird unabhängiger sein, wirkungsvoller, stärker und, mit anderen Worten, europäischer.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Ich würde gern ein Thema diskutieren, das vielen Menschen in der Europäischen Union, einschließlich mir, Sorgen bereitet. Unsere Volkswirtschaften machen gerade eine schwierige Zeit durch, eine Krisenzeit, deren Auswirkungen insbesondere die so genannten gewöhnlichen Leute derzeit zu spüren bekommen. Diese Menschen kämpfen um ihre Arbeit, um ihre Existenz und ihre Kinder, und genau diese Angst ist es, die einen so fruchtbaren Boden für das Aufkommen des Rechtsextremismus in der EU und den Mitgliedstaaten bereitet.
In der Vergangenheit verbargen die Rechtsextremen ihre Gesichter hinter den unterschiedlichsten Masken und Verkleidungen. Heute ziehen sie mit Paraden über öffentliche Plätze und sprechen offen mit den Medien. Zusätzlich gründen diese Personen, die Hass gegen Roma, Juden, Immigranten und Homosexuelle verbreiten, in diesen schwierigen Zeiten politische Parteien und stellen, leider erfolgreich, Kandidaten sowohl für nationale Parlamente als auch für das Europäische Parlament auf.
Schließlich sind wir vor gar nicht so langer Zeit sogar an dieser Stelle, auf dem Boden dieser demokratischen Institution, hier im Europäischen Parlament, Zeuge geworden von der Ankunft oder, besser noch, dem Einmarsch gewisser Abgeordnete in Uniformen, die an die faschistische Zeit im Zweiten Weltkrieg erinnerten.
Deshalb möchte ich Sie, Herr Präsident, gerne fragen, welche Maßnahmen bezüglich Ihrer Rolle, die der Kommission als einer Autorität, um einen derartigen Missbrauch des Europäischen Parlaments zu verhindern, und insbesondere bezüglich des eigentlichen Kampfes gegen den Extremismus, ergriffen werden müssen.
Sophia in 't Veld (ALDE). – Herr Präsident, Herr Barroso stellte fest, dass wir in außergewöhnlichen Zeiten leben – das ist richtig – aber außergewöhnliche Zeiten verlangen eine außergewöhnliche Führung. Sind Sie eine solche Führungskraft, Herr Barroso? Im Jahre 2004 habe ich Sie nicht unterstützt, und leider haben Sie in den fünf Jahren dazwischen nicht genug getan, um mich zu überzeugen.
Eine Mehrheit meiner Fraktion ist jedoch bereit, Ihnen einen Vertrauensbonus zu geben. Wir werden aber unser Schlussurteil für uns behalten, bis wir alle Portfolios der Kommissionsmitglieder und sämtliche Einzelheiten ihrer politischen Programme gesehen haben, weil wir nicht vergessen, und dabei hoffe ich, dass Sie die Ironie in dieser Aussage heraushören, dass der Präsident der Europäischen Kommission ein Politiker ist und kein Beamter, dessen Stelle sicher ist.
Ungeachtet des Wahlergebnisses hat dieses Verfahren die europäische parlamentarische Demokratie gestärkt, weil im Gegensatz zu dem, was einige in dieser Kammer fürchten, die Verpflichtung zum Führen einer Kampagne die Position des Kommissionspräsidenten nicht geschwächt, sondern gestärkt hat. Da, so wie ich es sehe, ein Mandat durch das Europäische Parlament für ein politisches Programm eine wesentlich solidere Grundlage darstellt, als die Nominierung auf der Grundlage eines Hinterzimmertreffens zwischen nationalen Regierungen.
Außerdem glaube ich auch, im Gegensatz zu Ihnen, sofern ich das richtig gehört habe, dass das Aufkommen einer echten Opposition in diesem Haus sehr willkommen und ein gutes Zeichen dafür ist, dass das Europäische Parlament dynamisch und reif ist.
So, Herr Barroso, jetzt sind Sie am Zug. Stellen Sie sich der Herausforderung? Weil Sie mich bisher noch nicht überzeugt haben. Aber, Herr Barroso, das ist nicht einmal annähernd so wichtig wie die europäischen Bürgerinnen und Bürger innerhalb der nächsten fünf Jahre zu überzeugen.
Judith Sargentini (Verts/ALE). – (NL) Frau Präsidentin. Herr Barroso, als die Kreditkrise hereinbrach, haben Sie nichts unternommen. Es war der französische Ratsvorsitz, der den Weg zum Notausgang fand. Sie haben die Zügel nicht wieder in die Hand genommen: weder mit Ihrem Europäischem Konjunkturprogramm – Sie haben versäumt, Staatshilfen für die Autoindustrie von strengen Umweltbedingungen abhängig zu machen –- noch mit einem Vorschlag für eine bessere Finanzaufsicht: Sie haben angesichts der Londoner Opposition gleich kapituliert. Die EU hielt die Zügel zur weltweiten Herangehensweise an die Klimakrise in der Hand, Sie aber sind zügig dabei, diese abzugeben.
Sie laufen Gefahr, den Hauptteil unserer CO2-Reduzierung in Entwicklungsländern zu kaufen, anstatt sicherzustellen, dass wir selbst weniger ausstoßen. Dafür könnten Sie die nationalen Regierungen verantwortlich machen, aber nicht für das letzte Woche unterbreitete, erschreckend kleine Angebot an Klimahilfen für Entwicklungsländer: 2 Mrd. EUR. Das ist nichts im Vergleich zu den 30-35 Mrd. EUR, die Europa zur Verfügung stellen sollte. Dadurch mindern Sie die Erfolgschancen von Kopenhagen beträchtlich. Wir haben die Kreditkrise, die Wirtschaftskrise, die Klimakrise – drei Prüfungen wahrer Führungsqualitäten. Herr Barroso, dreimal haben Sie versagt, den Anforderungen gerecht zu werden.
Diane Dodds (NI) - Frau Präsidentin, als ein neues Mitglied dieses Hauses habe ich vielen Rednern zugehört, die ihre Aufmerksamkeit auf Herrn Barrosos Amtsbilanz lenkten und viele Bedenken zum Ausdruck brachten. Vielen kann ich zustimmen.
Herr Barroso, unsere Wege trennen sich vollständig beim Vertrag von Lissabon. Sie haben allerdings ein großes Interesse an meinem Wahlkreis, Nordirland, gezeigt. Für dieses Engagement möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Wir schätzen die Unterstützung und die auf allen Ebenen bestehenden engen Arbeitsbeziehungen der Kommissionsbeamten mit Nordirland sehr. Ich freue mich auf eine Fortführung dieser Beziehung und den Nutzen, den mein Wahlkreis daraus ziehen kann.
Sie kennen unsere Vergangenheit: die Auswirkung von Gewalt auf Investitionen und unseren Bedarf an neuen Straßen- und Schienenanbindungen. Sie wissen um das große Wirtschaftspotenzial durch die Entwicklung des Tourismus. Um unsere wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, möchte ich die Kommission dringend bitten zu überprüfen, welche Mittel zur Verfügung gestellt werden können, um die Jahre der Unterinvestition wieder gutzumachen.
Wie viele in diesem Plenarsaal heute schon gesagt haben, es sind Taten und Ergebnisse, die zählen.
Jaime Mayor Oreja (PPE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, lassen Sie mich eine einführende Bemerkung machen.
Wir können aus Respekt vor den Wahlen und vor der europäischen Bevölkerung nicht dieselben Debatten nach den Wahlen wie vor den Wahlen führen. Wir sollten diesbezüglich die Dinge nicht anders handhaben als die nationalen Parlamente.
Da die europäischen Kommissare aus einer Mehrheit im jeweiligen Land resultieren, muss es unser Hauptanliegen sein, dass der Präsident der Kommission für das steht, wofür die europäische Bevölkerung in den Europawahlen gestimmt hat. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass Herr Barroso Präsident der Kommission wird. Dabei handelt es sich um ein streng demokratisches Prinzip.
Herr Barroso hat zwei Aussagen gemacht, die ich ohne Bedenken klar und deutlich unterstützen möchte. Die erste betrifft die Einschätzung der derzeitigen Situation, die er in seiner Rede und seinen Bemerkungen erwähnte. Wir befinden uns nicht nur in einer wirtschaftlichen und finanziellen Krise, sondern auch in einer Wertekrise. Das war das erste Mal, dass ich in diesem Haus eine Bestätigung dessen gehört habe. Wir befinden uns nicht nur in einer Krise, sondern auch in einer sich verändernden Welt. Deshalb ist es heutzutage wichtiger als jemals zuvor, dass den positiven Taten eines jeden Einzelnen und einer Einstellungsänderung gegenüber dem Staat und den Märkten Bedeutung beigemessen wird, denn in vielen EU-Ländern lebten und leben die Menschen wohl über ihre Verhältnisse.
Der zweite, ebenfalls von mir unterstützte Ansatz ist Herrn Barrosos Zielsetzung für Europa. Europa muss abstimmen, Prioritäten setzen und gestalten, dabei sind die Krise und der Vertrag von Lissabon die zwei Hauptthemen, auf die sich der Kommissionspräsident besonders konzentrieren sollte. Es bedarf einer entschlossenen Kommission, um die Krise anzugehen sowie eines Parlaments, das in der Lage ist, die schwierigen Umstände, die wir erleben, zu bewältigen.
Die Krise ist noch nicht vorüber und ihre Auswirkungen sind bisher nicht absehbar. Sie zwingt uns auch dazu, uns mit den sozialen Ungleichheiten in der Europäischen Union zu befassen. Wir brauchen deshalb den politischen Ehrgeiz, den Sie, Herr Barroso, heute Nachmittag unter Beweis gestellt haben.
Juan Fernando López Aguilar (S&D). – (ES) Frau Präsidentin, Herr designierter Präsident, nachdem ich Ihnen aufmerksam zugehört habe, möchte ich einige Punkte, denen viele uns Ihnen wohl zustimmen, unterstreichen.
Erstens, es ist offensichtlich, dass wir einer Krise entgegentreten, jedoch sind viele von uns der Ansicht, dass Europa während der letzten Jahre nicht in der Lage war, Erwartungen und Hoffnungen zu schaffen, die den Pessimismus überwinden können.
Zweitens ist es klar, dass wir die Europäische Union brauchen sowie starke europäische Organe und eine Kommission, die weiß wohin Europa steuert. Aber viele von uns sind der Überzeugung, dass Sie nicht der Kandidat für eine Wiederwahl für dieselbe Kommission sein können, sondern für eine neue Kommission, um so diese neue Ära zu beginnen, in der wir mit weit mehr und schwierigeren Herausforderungen konfrontiert sind.
Wir brauchen ein Europa, das in der Lage ist, Märkte zu regulieren und Rechte, besonders soziale Rechte, zu garantieren. Am dringendsten brauchen wir jedoch ein Europa der Wertschöpfung, um so globalem Missbrauch und Ungerechtigkeiten an der Quelle zu beheben.
Ich habe mir Ihre Vorschläge bezüglich einer Berufung eines Kommissars für Migration und Sicherheit in Ihre Kommission angehört und ich möchte betonen, dass Einwanderung sich nicht allein oder hauptsächlich auf unsere Sicherheit auswirkt, sondern auch auf unsere Werte und unsere Fähigkeit, Ungerechtigkeiten an ihrer Quelle zu korrigieren.
Daher wird die morgige Abstimmung nicht das Ende eines Prozesses kennzeichnen, sondern vielmehr den ersten Schritt bzw. den Ausgangspunkt einer gewaltigen Aufgabe, die von der neuen Kommission übernommen werden muss, so dass sie alldenjenigen zum Trotz, die eine Lähmung oder einen Rückzug der Europäische Union wollen, den Antrieb zu einem Europa geben kann, das besser ist, als das, das wir in den letzten Jahren kenngelernt haben. Die neue Kommission muss in der Lage sein, sich gegen Menschen mit anti-europäischer Einstellung und Euroskeptiker durchzusetzen. Sie muss in der Lage sein, ihre Unabhängigkeit als europäischen Motor gegenüber dem Rat zu verteidigen; und sie muss in der Lage sein, nicht nur mit diesem Parlament zu kooperieren, sondern auch unaufhörlich auf es zu reagieren.
Michel Barnier (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Barroso, es gibt verschiedene Faktoren und Gründe für unseren morgigen Vertrauensbeweis und ein deutliches Wahlergebnis.
Der erste Faktor ist die demokratische Kontinuität: in Bezug auf die Wahl der 27 Staats- und Regierungschefs, die Sie einstimmig gewählt haben; in Bezug auf unsere Aussagen während des Wahlkampfes – das ist noch nicht allzu lange her – und in Bezug auf die Wahl der Bürgerinnen und Bürger. Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir die Wahl gewonnen haben, obwohl wir uns bewusst sind - ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen sagen, sehr bewusst sind - dass wir Ihnen mehr Ideen liefern müssen, als nur diejenigen der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten). Darüber hinaus herrscht demokratische Kontinuität in Bezug auf die Tätigkeit, die Sie seit mehreren Wochen praktizieren, indem Sie mit dem Parlament in einen anspruchsvollen, ernsthaften und bescheidenen Dialog getreten sind, und wir sind hier, um das zu bezeugen.
Es gibt noch einen zweiten Grund, bei dem es sich um eine Überzeugung handelt: die sehr feste Überzeugung, dass es in Europa keine starke Politik geben wird, solange die europäischen Organe schwach sind. Wir brauchen starke europäische Organe. Deswegen hoffen wir, dass der Vertrag von Lissabon ratifiziert wird. Dies ist ein Instrument, das die europäischen Organe funktionieren lässt Wir brauchen eine starke Kommission, die die Krise so schnell als möglich angeht.
Der dritte Grund ist der Vertrauenspakt, den wir mit Ihnen unterzeichnet haben. Im Angesicht der ernsthaftesten und größten Wirtschafts-, Finanz-, Nahrungsmittelkrise – die weltweit eine Milliarde hungernder Menschen nicht zu vergessen – und Umweltkrise muss die Kommission uns ihren Kampfgeist zeigen. Sie müssen, und wir mit Ihnen, alle möglichen Lektionen bezüglich Regierungsführung, Regulierung, Innovation und neuer Strategien aus der Krise lernen – Ich denke dabei an die Idee einer europäischen Sparkasse zur Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben in strategischen Bereichen – und in Bezug auf die schwerste aller Krisen, die Umweltkrise, die Einführung eines neuen Models von wirtschaftlichen und sozialem Wachstum, von grünem Wachstum, wie Sie es selbst nannten.
Dies sind die Gründe, Herr Barroso, derentwegen wir morgen bereit sein werden, den Vertrauenspakt mit Ihnen zu unterzeichnen.
David-Maria Sassoli (S&D). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Ihre heutige Rede, Herr Barroso, hat unsere Meinung nicht geändert. Unsere Auffassung bleibt sehr negativ. Während der Jahre Ihrer Präsidentschaft hat sich die Kommission als unfähig und nicht ausreichend autonom erwiesen. Das galt für die Finanzkrise und ist auch bei der Migrationspolitik der Fall: der Schutz der Grundrechte und die Einhaltung des Gemeinschaftrechts müssen zwei Seiten derselben Politik repräsentieren.
Sie haben diesem Plenarsaal gesagt, dass Sie beabsichtigen einen Kommissar für Justiz und Rechte sowie einen Kommissar für innere Angelegenheiten und Migration zu ernennen. Bitte tun Sie das nicht, Herr Barroso: Einwanderung und Grundrechte müssen zusammen bleiben, sodass eine fremdenfeindliche Politik nicht unterstützt wird. Hier im Parlament verfügen Sie über eine Mehrheit, dabei handelt es sich um eine rechte Mehrheit und wir fühlen uns eindeutig nicht in der Lage, uns mit dieser Mehrheit zu identifizieren. Ich verstehe die Schwierigkeiten der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, aber Herr Verhofstadt, Sie können uns nicht erzählen, dass das zusammenhängende Konzept, das Sie forderten, um die Krise zu bewältigen, aus der Eile, mit welcher die Barroso-Kommission gebildet wird, besteht.
Es ist deutlich, dass wir uns nicht mit dieser Mehrheit identifizieren können. Wir können unsere Position nicht mit denen in Übereinstimmung bringen, die nicht entschieden für eine vollständige und unerschütterliche Informationsfreiheit kämpfen, nicht mit denen, die nicht für den Schutz von Grundrechten kämpfen und nicht mit denen, die das Parlament nur als Forum für die Präsentation nationaler Regierungen ansehen.
Marian-Jean Marinescu (PPE). – (RO) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, die Verbesserung der Sicherheit der Energieversorgung ist ein wichtiger Punkt in Ihrem Programm. Der Erfolg der Verhandlungen mit der Türkei, die zu einer Unterzeichnung der Vereinbarung von Nabucco führten, hebt hervor, dass die Europäische Union in der Lage ist, Mitgliedstaaten auf einer internationalen Ebene zu vertreten und ich möchte Ihnen zu dieser Errungenschaft gratulieren. Ich hoffe, dass unter Anwendung der gleichen Vorgehensweise ein ähnlicher Erfolg erreicht werden kann in der Sicherstellung des benötigten Gasvolumens zu einem Zeitpunkt, an dem die Länder in dieser Region bereit sind, ihre Ressourcen dem Projekt zur Verfügung zu stellen. Die zukünftige Kommission muss einen Energiebinnenmarkt, effektiven Wettbewerb und ein hohes Maß an Liefersicherheit für alle Mitgliedstaaten schaffen.
Insofern wird der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden eine bedeutende Rolle zukommen. Rumänien hat sich um den Hauptsitz dieser Agentur beworben, und ich hoffe, dass es jede notwendige Unterstützung bekommen wird. Die Sicherheit der Energieversorgung hängt auch von den Nachbarn der Europäischen Union ab. Wir müssen Nachbarländer unterstützen, die europäische Werte anerkennen und bestrebt sind, Teil der europäischen Familie zu werden.
Ich möchte ihre Aufmerksamkeit ferner auf die immer noch zerbrechliche politische Situation und die schwierige wirtschaftliche Lage der Republik Moldau lenken. Die neuen politischen Landesbehörden in Chişinău bedürfen dringender Unterstützung, um diese schwierige Situation zu überstehen.
Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich überzeugt bin, dass die morgige Abstimmung die Stabilität der Organe der Europäischen Union unter Beweis stellen wird und einen positiven Beitrag zum Ergebnis des Referendums in Irland leisten wird.
Catherine Trautmann (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Barroso, ich kann es genau so gut sofort sagen: Sie vermochten die französischen Sozialisten während der letzten fünf Jahre nicht zu überzeugen und Sie können uns auch jetzt nicht überzeugen mit einem Projekt, bei dem Sie so großzügig mit Worten wie allgemein hinsichtlich der Zielstellung sind.
Wie können Sie zu uns sagen: „Stimmen Sie für mich, wenn Sie ein Europa wollen, dass in seiner Vielfalt vereint ist“, wenn wir, die wir ein solches Europa wollen, genau deshalb empfehlen, die irische Abstimmung abzuwarten, ehe wir über Ihre Kandidatur abstimmen?
Gestärkt durch die Unterstützung der Mitgliedstaaten, zogen Sie es vor, Ihre Berufung im Voraus zu bewirken und damit ein geringeres Risiko bezüglich der benötigten Stimmen einzugehen. Sie haben gedacht, dass Ihr Antrag ans Parlament eine reine Formalität wäre: Dem ist aber nicht so und das hier ist nur der Anfang. Ihre Reaktion erfüllt nicht die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, die unter der Krise leiden und die Ihren Ärger gegenüber unseren Einrichtungen durch ihre geringe Wahlbeteiligung ausgedrückt haben.
Sie sagen, dass die Krise Sie verändert hat und Sie treten als der große Navigator eines vereinten Europas auf, aber es ist Ihnen nicht gelungen, die Mitgliedstaaten zu einem wahrhaftigen europäischen Konjunkturplan zu führen und wir erwarten immer noch die konkreten und rechtsverbindlichen Maßnahmen, die für eine Finanzregulierung notwendig sind.
Sie behaupten, dass Sie Garantien bezüglich der Sozialagenda gegeben haben, aber Sie treten nur für eine neue Bestimmung ein, nicht für eine Überprüfung der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie. Zudem haben Sie keine feste und vor allem keine klare Zusage bezüglich der Richtlinie zum Schutz der öffentlichen Dienste gegeben.
Sie schätzen das Erinnerungsvermögen der Abgeordneten wohl sehr gering ein. Wir haben nicht vergessen, dass, während der letzten fünf Jahre, soziale Themen nie im Mittelpunkt der vorgeschlagenen Lösungen standen. Erst jetzt haben Sie zugestimmt, für jede europäische Rechtsvorschrift eine Studie über die sozialen Auswirkungen durchzuführen.
In Zeiten einer nie dagewesenen Krise, die hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet, muss alles daran gesetzt werden, dass die Zahl der Arbeitslosen in Europa und der Geringverdiener im Jahr 2010 nicht 25 Millionen erreicht. Dafür müssen wir einen industriepolitischen Kurs festlegen.
Um die Krise zu bekämpfen, müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern ein Beispiel an Solidarität bieten. Eine Anregung hierzu finden sie heute weder in Ihren Worten noch in Ihren Zielvorgaben für Europa.
So weiterzumachen wie zuvor ist verhängnisvoll, sagte der Philosoph Walter Benjamin. Sie haben noch einen langen Weg vor sich, um die Sozialisten und die Sozialdemokraten für sich zu gewinnen. Um der politischen Konsistenz willen und aus Respekt vor unseren Wählerinnen und Wähler, werden wir morgen nicht für Sie stimmen.
Wim van de Camp (PPE). – (NL) Frau Präsidentin. Herr Barroso, die Mitglieder der niederländischen Delegation in der Gruppe der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) werden morgen mit Überzeugung für Sie stimmen. Nicht nur weil wir überzeugt von Ihren Qualitäten sind, sondern auch weil wir uns beeilen müssen. Unserer Meinung nach sind die letzten beiden Monate eine verpasste Gelegenheit gewesen, die Wirtschaftskrise zu bekämpfen - und wir, die Niederländer, haben es eilig. Wir wollen tatsächlich mehr soziale Marktwirtschaft in Ihrem Programm sehen - unserer Ansicht nach war die letzte Kommission in diesem Punkt zu liberal. Wir hoffen, dass Sie den Kampf gegen eine übermäßige Regulierung fortführen und Kopenhagen zu einem Erfolg machen werden, aber auch, dass Sie die Anzahl der erschaffenen europäischen Agenturen verringern werden.
Eine andere Angelegenheit betrifft die europäischen Bürgerinnen und Bürger. Am heutigen Nachmittag, wurde das Wort schon zwei- oder dreimal verwendet. Das ist aber nicht häufig genug. Die Europawahlen haben uns gezeigt, dass es viel Mühe kostet, die Durchschnittsbevölkerung für Europa zu gewinnen. Die arbeitslos werdenden Opel-Mitarbeiter müssen sofort an Europa als eine Quelle der Hoffnung, eine Quelle der Arbeit denken.
Zum Abschluss muss ich sagen, dass Sie mir in den letzten sechs Wochen wie ein Mann mit Leidenschaft und Enthusiasmus vorkamen Bei Herausforderungen blühen Sie auf. Ich bitte Sie dringend diese Einstellung während der nächsten fünf Jahre beizubehalten. Ich würde dies gerne jede Woche sehen.
Glenis Willmott (S&D). Frau Präsidentin, wir leben tatsächlich in außergewöhnlichen Zeiten, Herrn Barrosos Antwort auf die Wirtschaftkrise fehlt es jedoch an Stärke und Wirkung und seine Versprechungen für ein soziales Europa wurden nicht eingehalten. Herr Barroso, Ihre politischen Leitlinien bieten wenige Hinweise auf Ihre Absichten und benutzen zum größten Teil immer noch dieselbe Rhetorik wie vor fünf Jahren. Natürlich brauchen wir einen starken und lebendigen Binnenmarkt, der Arbeit und Wohlstand schafft, dieser muss allerdings mit verbesserten sozialen Rechten in Europa für Arbeitnehmer und Bürger einhergehen und darf nicht auf deren Kosten erreicht werden.
Trotz des starken Drucks dieses Hauses, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren, und der Forderung nach einer Überprüfung der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie, nach Studien über die sozialen Auswirkungen und nach einem ambitionierten Wirtschaftskonjunkturpaket, warten wir immer noch. Vorhin bezeichneten Sie Gewerkschaftsmitgliedschaften und das Streikrecht als sakrosankt. In Großbritannien halten die Gewerkschaften zum wiederholten Mal Gespräche ab über mögliche Streiks als Antwort auf die Probleme, die mit der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie zusammenhängen. Sie befürchten, Löhne könnten unterboten und Tarifabkommen unterwandert werden.
Ihre Antwort auf meine Frage zu diesem Thema letzte Woche waren freundliche Worte, allerdings gaben Sie auch zu, dass die Richtlinie ihre Ziele nicht erfüllt. Die Probleme liegen an der Durchsetzung und Interpretation der Richtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften. Sie versprachen, Änderungen durch ein neues Rechtsmittel vorzunehmen, aber die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes haben gezeigt, dass wir die Richtlinie stärken müssen, um ein Untergraben von Gehältern zu verhindern.
In Zeiten einer Finanzkrise brauchen wir klare rechtliche Leitlinien und, Herr Barroso, wir brauchen gleichen Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort, unabhängig vom Geschlecht. Inwieweit können Sie uns garantieren, dass dies der Fall sein wird?
Marianne Thyssen (PPE). – (NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, Herr amtierender Ratsvorsitzender, meine Damen und Herren, dies sind schwierige Zeiten, Zeiten des Übergangs und der Veränderung - aber auch interessante Zeiten. Institutionell gesprochen, befinden wir uns auf dem Weg von Nizza nach Lissabon. Ich hoffe, dass wir unbeschadet ankommen: finanziell, wirtschaftlich, ökologisch, demographisch, sogar in Bezug auf Energie, Einwanderung, Sicherheit und nicht zu vergessen die Globalisierung, das Nahrungsmittelproblem, den Kampf um den Erhalt unseres Sozialmodells - in all diesen Bereichen befinden wir uns im Umbruch. Ob dies nun Gefahren oder Möglichkeiten darstellen, hängt zum größten Teil von uns selbst ab.
Eine Sache ist in diesem Zusammenhang sicher: nur wenn wir den Herausforderungen mit einem europäischem Ansatz begegnen, nur wenn wir sie mit einem soliden, gut orientierten europäischen Programm angehen - etwas, das Sie, Herr designierter Kommissionspräsident, getan haben - und nur wenn wir mit starken europäischen Organen arbeiten können, können wir selbst dazu beitragen, die Zukunft zu verändern und unsere sozial und ökologisch angepasste Marktwirtschaft weiterentwickeln. Wir haben keine Zeit zu verlieren - „wir haben es eilig”, wie mein Nachbar es gerade ausdrückte - und auch aus diesem Grund müssen wir mit der Angelegenheit einer neuen Kommission weitermachen. Im Moment, meine Damen und Herren, haben wir einen designierten Kommissionspräsidenten und nur diesen.
Wir müssen José Manuel Barroso unser Vertrauen schenken. Ich möchte jeden der widerspricht bitten, Freunde von Feinden zu unterscheiden - was erreichen Sie denn mit ihren Verzögerungen und abweichenden Stimmabgaben? Wenn Sie nicht Herrn Barroso wollen, wen wollen Sie dann? Ich frage die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz und die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament, wer ihr Kandidat war, wer ihr Kandidat ist. Sollten Sie mit Ihrer Absicht Erfolg haben, sind Sie sich sicher, dass Sie einen Kandidaten bekommen, den Sie für besser halten, einen besseren Präsidenten der Kommission?
Herr designierter Kommissionspräsident, Sie haben mein Vertrauen und meine Stimme und die meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen. Ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg, auch mit der Bildung einer neuen Kommission: Sie brauchen Bewegungsfreiheit, um damit weiterzumachen.
Edite Estrela (S&D). – (PT) Präsident Barroso, der Vertrag von Lissabon wird ratifiziert werden und innerhalb von ein paar Monaten in Kraft treten. Das ist zumindest meine Hoffnung. In Ihrem Programm und Ihrer heutigen Rede war allerdings deutlich, dass Sie zunächst die Rechte des Europäischen Parlamentes stärken wollen. Ich stimme Ihnen zu, denn wir können nicht in eine Zeit zurückkehren, in der die Zukunft Europas zwischen dem Rat und der Kommission entschieden wurde, während das europäische Parlament nur die Rolle des Zuschauers wahrnahm.
Ich bin der Meinung, Herr Barroso, dass Ihre nächste Amtszeit entscheidend sein wird, um dieses neue institutionelle Gleichgewicht zwischen Kommission, Rat und Parlament zu stärken. Unsere Unterstützung ist daher kein Blankoscheck, sondern eine Investition.
Unsere demokratische Tradition, der Schutz der Menschenrechte sowie Innovationen in der Herstellung sauberer Energieformen und eine verbesserte Umweltpolitik sind markante europäische Eigenschaften, aber was uns tatsächlich vom Rest der Welt abhebt, ist unsere Sozialpolitik. Ich muss deshalb meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Kommission, über die Sie den Vorsitz haben werden, dessen bin ich mir sicher, die Verantwortung übernimmt für den Schutz, die Stärkung und die Verbesserung des europäischen Gesellschaftsmodells und die Förderung der Geschlechtergleichstellung.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich betonen, dass ich mir notiert habe, was Sie heute gesagt haben, ihr Engagement für die Zukunft. Sie können auf die Stimme der portugiesischen Sozialisten zählen. Allerdings können Sie auch auf eine Beziehung vertrauen, die sicherlich loyal, aber auch fordernd sein wird.
Ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg bei Ihrer Arbeit.
Markus Ferber (PPE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, Frau Ratspräsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Worum geht es bei der morgigen Abstimmung? Es geht darum, das zu tun, was manche hier im Hause nicht können und andere nicht wollen. Es geht nämlich darum, Verantwortung für Europa zu übernehmen. Ich möchte schon eines in den Mittelpunkt stellen – und, Herr Barroso, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie in Ihrem Zwischenruf das vorhin auch noch einmal angesprochen haben: Es geht darum, jetzt in einer schwierigen Zeit Verantwortung für die Handlungsfähigkeit Europas zu übernehmen, um all das zu überwinden, was die Menschen und auch dieses Parlament zu Recht kritisiert haben. Insofern glaube ich schon, dass die heutige Debatte auch zur Klärung der Frage beigetragen hat, auf wen Europa in Zukunft bauen kann und auf wen sich Europa nicht verlassen kann, wenn es darum geht, in den kommenden Jahren politische Verantwortung zu übernehmen.
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, Herr Kommissionspräsident, dass natürlich eine Reihe von Themen auf der Tagesordnung stehen, die einer Bearbeitung bedürfen, und Sie haben hier eine große Verantwortung, weil Sie nämlich das Monopol haben, Initiativen auf europäischer Ebene auf den Weg zu bringen.
Ich möchte noch ein Thema ansprechen, das mir bisher in der Debatte zu kurz gekommen ist, nämlich die Agrarpolitik. Denn hier stehen wir vor ganz aktuellen Herausforderungen. Es reicht nicht, darauf hinzuweisen, dass die Agrarminister noch im Herbst letzten Jahres etwas beschlossen haben. Es reicht nicht, dass wir hier eine umfassende Agrarreform auf den Weg gebracht haben, sondern wenn sich die Randbedingungen geändert haben, muss natürlich von Ihrer Seite aus eine entsprechende Initiative ergriffen werden, um den Bäuerinnen und Bauern in der Europäischen Union zu helfen. Und da wäre meine Bitte an Sie, dass Sie die Frau Agrarkommissarin mal auf die Seite nehmen und sie darauf hinweisen, dass ihr Modell nicht erfolgreich sein wird, um diesen wichtigen Sektor aus der Krise zu führen.
Wir sind bereit – und ich darf das für meine Kolleginnen und Kollegen sagen –, im Interesse der Europäischen Union und der Menschen in Europa die Verantwortung für Europa zu übernehmen. <BRK>
Csaba Sándor Tabajdi (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Barroso, im Februar 2008, sechs Monate vor der weltweiten Finanzkrise, schlug der ungarische Premierminister die Einführung einer europäischen Behörde zur Überwachung und Kontrolle globaler Finanzentwicklung vor. Leider entschieden der Rat und Ihre Kommission sich erst nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise für die Schaffung einer solchen Einrichtung.
Herr Barroso, wie weit sind die Vorbereitungen für diese Einrichtung? Wann wird die Einrichtung Ihre Arbeit aufnehmen?
Meine zweite Frage lautet: Während der letzten Jahre war die Kommission nicht erfolgreich im Kampf gegen die Vorherrschaft der großen Handelsketten und hat weder Landwirte noch Verbraucher geschützt. Können wir von der Kommission konkrete und effektive Maßnahmen erwarten?
Meine dritte Frage lautet: Es herrscht zurzeit in ganz Europa eine ernste Milchkrise, mit sehr schwerwiegenden gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen. Haben Sie die Absicht, die derzeit von der Kommission verfolgte neoliberale Politik, die vollständig versagt hat, abzuändern oder zu überprüfen?
Meine vierte Frage lautet: Als Kandidat für die Präsidentschaft, haben Sie die Absicht Vermittlungsverfahren einzurichten? Werden Sie Ihre Absicht nochmals bestätigen, dem neuen Kommissar für Grundrechte auch die Verantwortung für traditionelle nationale Minderheiten, eingewanderte Minderheiten und die Roma zu übertragen?
Simon Busuttil (PPE). – (MT) Frau Präsidentin, Herr Barroso, die finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen wurden bereits ausführlich diskutiert. Ich würde mich heute aber gerne auf die Bürgerrechte und das Europa der Bürger konzentrieren. Wir sprechen von einer europäischen Staatsbürgerschaft, den Bürgerrechten, der Freizügigkeit, den Kampf gegen Kriminalität, die Stärkung der Sicherheit, den Kampf gegen Terrorismus und eine moderne Einwanderungspolitik. Jedes dieser gerade aufgeführten Themen betrifft die europäischen Bürgerinnen und Bürger genauso wie es die wirtschaftlichen und finanziellen Themen tun. Allerdings gibt es auch noch andere Herausforderungen, die das tägliche Leben unserer Bürgerinnen und Bürger beeinflussen und die es deshalb auch verdienen, angesprochen zu werden.
Wir haben einen Plan, den Plan, einen europäischen Raum zu schaffen, der auf Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit basiert. Wir hatten das Tampere-Programm, das Haager Programm und jetzt haben wir das Stockholmer Programm. Ich bin der Meinung, dass wir uns diesem Thema erneut widmen müssen. Das Stockholmer Programm wird neue Möglichkeiten eröffnen. Darüber hinaus gibt es den Vertrag von Lissabon, der dem Parlament in diesen Bereichen neue und wichtige Rechte gewährt, sowie ihm eine neue Rolle zusprechen wird. Am heutigen Abend haben Sie, Herr Präsident Barroso, uns mitgeteilt, dass es für diesen Bereich nicht mehr nur einen sondern zwei Kommissare geben wird. Sie haben uns informiert, dass es einen Kommissar für innere Angelegenheiten und Migration geben wird und einen anderen für die Bereiche Justiz, Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Lassen Sie uns eine Partnerschaft eingehen; eine enge Partnerschaft zwischen der Kommission und dem Parlament für ein Europa, das tatsächlich ein Europa für unsere Bürgerinnen und Bürger ist, ein Europa, das die Bürgerrechte verteidigt; das die Freiheit unserer Bürgerinnen und Bürger schützt und deren Sicherheit gewährleistet.
Ja, ich glaube, gemeinsam können wir den Aufbau eines Europas für unsere Bürgerinnen und Bürger gestalten und ich wünsche Ihnen für die morgige Abstimmung viel Glück.
Zoran Thaler (S&D). – (SL) Ich möchte mich gerne den Bemerkungen vieler meiner Vorredner anschließen, erlauben Sie mir jedoch bitte, Ihnen die folgenden Fragen zu stellen, Herr Barroso: Haben Sie die Bilanz Ihrer letzten Amtszeit gezogen? Sind Sie mit Ihren Errungenschaften der letzten fünf Jahre zufrieden? Ich könnte mir vorstellen, dass dem so ist und dass dies der Grund ist, weshalb Sie sich wieder für die Kommissionspräsidentschaft haben aufstellen lassen. Allerdings frage ich mich, ob Sie auch mit der Effektivität zufrieden sind, mit der Sie bisher die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise versuchen abzuwenden? Können Sie, mit einem reinen Gewissen, dem erschütternden Anstieg der Arbeitslosenzahlen zusehen, die in der Europäischen Union mittlerweile Millionenhöhe erreicht hat, und den schamlosen Boni die vom Finanzsektor wiederum an diejenigen ausgezahlt werden, die uns nicht nur in die schlimmste vorstellbare Krise gestürzt haben, sondern durch die uns auch Armut droht?
Können Sie uns heute sagen, ob Sie in Ihrer zweiten Amtszeit anders vorgehen werden? Werden wir wieder das Gleiche erleben oder etwas Neues? Gibt es etwas, worauf wir uns freuen sollten? Was denken Sie, sollten Sie an der Art und Weise ändern, mit der Sie Ihre Arbeit erledigen?
Erlauben Sie mir, Ihnen noch eine Frage zu stellen: Es ist eine Frage, der Sie sich in Ihren politischen Leitlinien große Mühe gegeben haben auszuweichen. Es ist sehr deutlich, dass Sie den Vorsitz über die Kommission der Europäischen Union, die 500 Millionen Menschen umfasst, anstreben. Wo sind der Ehrgeiz und der Tatendrang unserer großen Gemeinschaft, wenn es um das Öffnen von Türen für die europäischen Mitbürger geht, die gerne dabei sein möchten? Welche zusätzlichen Bemühungen wird Ihre Kommission unternehmen, um dieses Verfahren zu beschleunigen? Werden Sie der Zentralregierung von Bosnien und Herzegowina greifbare Unterstützung anbieten, d. h. Fachkenntnisse und materielle Ressourcen, um ihr zu helfen, ihren Fahrplan und die Kriterien zu erfüllen, die notwendig sind, damit die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes frei innerhalb der Europäischen Union reisen können?
Gunnar Hökmark (PPE). – Frau Präsidentin, Herr Barroso wird morgen unsere Unterstützung bekommen, nicht nur weil Sie von allen 27 Mitgliedstaaten nominiert wurden, und nicht nur weil wir anfangen müssen zu arbeiten, sondern auch weil Sie eine umfangreiche politische Tagesordnung vorgestellt haben, die die größten Herausforderungen unserer Zeit aufgreift. Natürlich haben wir alle verschiedene Ansichten zu diesem Thema.
Wir erwarten von Ihnen und Ihrer Kommission Initiativen, die auf Parlamentsmehrheit basieren, und nicht auf dem Versuch, Minderheitenpositionen durchzusetzen. Wir werden Ihre Vorschläge diskutieren und genau prüfen und danach Entscheidungen treffen, die auf einer Parlamentsmehrheit beruhen. So funktioniert Demokratie und so arbeiten wir. Wir vertrauen nicht nur Ihnen, sondern auch diesem Parlament. Lassen Sie mich bemerken, dass eine morgige Nein-Stimme ohne Alternativvorschlag bedeutet, keinen Alternativvorschlag zu haben. Während wir zum Handeln aufrufen, gibt es auch diejenigen, die das Handeln stoppen wollen. Und ich muss sagen, zu einem Zeitpunkt, an dem es nur noch Wochen bis zur Kopenhagener Konferenz sind, ist es unverantwortlich, in einer solchen Art und Weise zu handeln, wodurch wir womöglich ohne Kommissionsleitung bleiben. Zu einem Zeitpunkt, an dem wir uns um die Ausrichtung und Gesetzgebung bezüglich der Finanzmärkte kümmern müssen, ist eine Nein-Stimme zu einer neuen Kommission unverantwortlich. Zudem ist es unverantwortlich, dergestalt zu handeln, dass wir die politischen Prozesse nicht in Gang bringen können, die für eine wirtschaftliche Erholung zu einer Zeit, in der in ganz Europa Arbeitsplätze gefährdet sind, notwendig sind.
Frau Präsidentin, die morgige Stimmabgabe ist auch eine Wahl über das Ansehen des Europäischen Parlaments. Wir als Parlamentarier sagen, dass Europa eine Führungsrolle in der Welt innehaben soll. Wir werden jedoch nie eine weltweite Führungsrolle einnehmen können, wenn wir nicht in der Lage sind, die Führung der Europäischen Union sicherzustellen. Sie werden unsere Unterstützung bekommen und wir werden alle Vorschläge genauestens prüfen und wir werden mit Ihnen diskutieren, weil wir Vertrauen in die Demokratie und in unsere Mehrheit im Parlament haben. Viel Glück morgen.
(Beifall)
Erminia Mazzoni (PPE). – (IT)Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Barroso, nachdem ich diese Debatte verfolgt habe, bin ich noch überzeugter davon, dass es richtig ist, den Vorschlag der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) zur Unterstützung Ihrer Kandidatur zu befürworten und als Vorsitzende des Petitionsausschusses erlauben Sie mir einen kleinen Beitrag zu leisten: Herr Barroso, ich unterstütze Ihre Ziele und Ihre gesetzten Prioritäten, aber bitte erlauben Sie mir, zwei Bereiche vorzuschlagen, die besondere Aufmerksamkeit verdienen, besonders in Bezug auf dass, was Sie das Entkommen aus dieser Wirtschafts- und Finanzkrise nannten.
Ich bin genau wie Sie der Meinung, dass diese Krise auch und vor allem eine Krise der Werte ist, der Grundwerte unserer Gesellschaft. Während der nächsten fünf Jahre muss die Kommission große Herausforderungen angehen. Die geopolitischen Rahmenbedingungen haben sich extrem verändert. Schwellenländer, d. h. Schwellenmärkte wie Indien, Brasilien, und Afrika spielen heutzutage eine bedeutende Rolle in der Realwirtschaft. Dies bietet uns auf der einen Seite neue Wachstumsmöglichkeiten, auf der anderen Seite setzt es uns dem Risiko der Entstehung einer Hegemonie der Marktgesellschaft aus, die langfristig gesehen zu noch größerer Armut führen könnte.
Deshalb ist die Rolle Europas, seiner Zivilisation und seiner Weisheit unerlässlich dafür, ein umfassendes, ausgeglichenes Wachstum zu fördern und gleichzeitig die Erlangung der Bürgerrechte zu unterstützen. Dies stellt die echte Integration der verschiedenen Wurzeln und Kulturen dar. Ich beziehe mich auf unsere Wurzeln, unsere christlichen Wurzeln, die ein Instrument darstellen können, mit dem wir den Werteaspekt dieser sehr ernsten Krise angehen können, allerdings nur, wenn wir sie als Richtschnur für die Förderung der Entwicklung und der Integration von Rechten und Pflichten eines jeden Einzelnen nutzen.
Auf einer finanziellen Ebene, Herr Barroso, müssen wir den Reformbedarf der Geldmarkt- und Finanzpolitik bestimmen, um so den Kampf zwischen unserer Währung, dem Euro, und der alten Vorherrschaft des Dollars beizulegen, sowie den Kampf mit den Währungen der Schwellenländer China und Indien; um so eine strengere Regulierung der Finanzmärkte zu erreichen, sowie ein Spekulationsverbot für Energierohstoffe und am wichtigsten der zur Ernährung dienenden Rohstoffe, deren Preise viele Wirtschaftssysteme austrocknen lassen können; um die Finanzwirtschaft wieder ihrer Hauptaufgabe zukommen zu lassen, nämlich der Produktion zu dienen; und um die traditionellen wirtschaftlichen Beihilfen für wirtschaftlich schwache europäische Regionen durch Steuervergünstigungen zu ersetzen oder zu unterstützen.
Bezüglich der Entwicklung eines Europas der Bürger, das Sie in der Intensivierung der Dialoge und der Verbreitung von Informationen sehen, fühle ich mich als Vorsitzende des Petitionsausschusses persönlich angesprochen. Der Ausschuss sollte daher in Anspruch genommen werden, für den Fall, dass der während der letzten Wahlperiode gefasste Parlamentsbeschluss weiterverfolgt wird.
Der Petitionsausschuss ist der erste Berührungspunkt der Bürgerinnen und Bürger mit den Organen der Europäischen Union. Als Antwort auf die zahlreichen und verschiedenen Beschwerden der europäischen Bürgerinnen und Bürger, versucht er Lösungen zu finden, Erklärungen zu geben und Änderungen zu bewirken. In diesem Zusammenhang bitte ich Sie dringend, Herr Barroso, die Beziehung zwischen der Kommission, die Sie die Ehre haben zu führen, und dem Ausschuss, dem ich vorstehe, dem Petitionsausschuss, zu stärken und für diesen Ausschuss einen eigenen Kommissar einzusetzen. Sie haben bereits die Einführung zweier neuer Kommissare verkündet.
Ein Europa, das seine Arbeitsprogramme auf die Bürgerinnen und Bürger konzentriert, ist Ihren Worten nach ein Europa, in dem ein solcher Ausschuss - schließlich ist er das Forum, der Ort, an dem die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eine Stimme haben - mit mehr Rechten und größerer Würde ausgestattet werden muss.
Sophie Briard Auconie (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren, ich habe die Leitlinien in Ihrem Programm geprüft und freue mich über Ihr Engagement in den wichtigen Politikbereichen, wie der Wirtschaftspolitik, in der Maßnahmen fortgeführt und geschaffen werden; dem Konjunkturprogramm; für sozialen Zusammenhalt; der Umweltpolitik, und besonders der nachhaltigen Entwicklung; Projekte, die sich an die jungen EU-Bürgerinnen und -Bürger richten; der Stärkung der europäischen Verteidigung; und dem Fortführen einer starken und nachhaltigen Agrarpolitik.
Ich begrüße Ihr Engagement, mit dem Sie - wie wir auch - ein siegreiches, vereintes und schützendes Europas anstreben. Allerdings bezweifle ich die Finanzierungsmöglichkeiten der Europäischen Union hinsichtlich Ihrer Projekte. Die Union muss über die finanziellen Mittel für Ihr Engagement verfügen. Einiger meiner Kolleginnen und Kollegen haben diesen Punkt bereits betont. Herr Barroso, meiner Meinung nach ist es unabdingbar, dass Sie die Mitgliedstaaten zu einer erheblichen Steigerung ihres Beitrags zum Haushaltsplan der Gemeinschaft ab dem Jahr 2014 aufzufordern. Sicherlich sind die Haushalte der Mitgliedstaaten zurzeit durch die Krise unter Druck geraten. Trotz alledem müssen wir uns auf die Zeit nach der Krise konzentrieren und die Arbeit an einem Haushaltsplan der Gemeinschaft beginnen, der den finanziellen Bedarf europäischer Maßnahmen abdeckt. Ich weiß, dass Sie sich des finanziellen Bedarfs bewusst sind, da Sie auf diese in Ihrem Programm eingegangen sind. Notwendig ist heute allein, sich zu verpflichten sicherzustellen, dass wir, das Parlament und der Rat, zukünftig die Mittel zur Verfügung haben werden, um unsere Konzepte umzusetzen.
Sandra Kalniete (PPE). – (LV) Ich möchte gerne bestätigen, dass die lettischen Mitglieder der Fraktion der Europäischen Volkspartei die Kandidatur von Präsident J. M. Barroso unterstützen werden. Wir unterstützen Sie, weil wir hoffen, dass Sie, Herr Barroso, als Präsident der Europäischen Kommission, Ihre Arbeit für ein gerechteres Europa fortsetzen werden. Wir sind der Meinung, dass Gerechtigkeit zwischen allen Mitgliedstaaten herrschen soll bezüglich der Unterstützung für Landwirte, unabhängig von der Länge ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Wir erwarten auch, dass Sie die Führungsrolle übernehmen bei der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik und bei der Sicherstellung eines gerechten Wettbewerbs für alle Mitgliedstaaten. Wir fordern Sie auf, sich einer weiterführenden Liberalisierung des europäischen Dienstleistungssektors anzunehmen.
Europa wird diese Krise nur erfolgreich überstehen, wenn es seine Strategie auf einem starken Binnenmarkt und gleichen Wettbewerbsbedingungen basiert. Die Organe der Europäischen Union haben in den am meisten von der Krise betroffenen Mitgliedstaaten tatsächlich eine stabilisierende Funktion, worüber sich Lettland bewusst ist. Ich möchte mich bei der Europäischen Kommission für Ihre Zusammenarbeit mit uns bedanken. Die gemeinsame europäische Währung hat unter diesen Krisenbedingungen ihre stabilisierende Wirkung gezeigt. Die baltischen Staaten haben sich das Ziel des Beitritts zum Europäischen Währungsraum gesetzt, was während der weltweiten Rezession keine leichte Aufgabe ist. Deshalb bitten wir die Kommission für einen vernünftigen, flexiblen Ansatz zur Auslegung der Bedingungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der Maastricht-Kriterien zu werben, der in der Krise zweckdienlich ist. Ich bin überzeugt davon, dass eine zeitigere Aufnahme der baltischen Staaten und aller europäischen Länder in den europäischen Währungsraum im Interesse Gesamteuropas ist.
Herr Präsident, wir möchten Sie dringend bitten, eine gemeinsame Energiepolitik schneller voranzutreiben, so dass Europas Abhängigkeit von Monopolen vermindert werden kann. Ich wünsche Ihnen für die morgige Abstimmung viel Erfolg.
Damien Abad (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Barroso, als Mitglied der französischen Delegation der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und als Vertreter des Nouveau Centre, einer französischen Partei, die aus der UDF entstanden ist, ist mir sehr daran gelegen, Sie heute direkt anzusprechen. Vor allem möchte ich Sie an die Unterstützung des Präsidenten der Republik und der französischen Regierung erinnern und möchte Sie zu Ihrem Beitrag zum Erfolg des französischen Ratsvorsitzes beglückwünschen.
Herr Barnier und all meine Parlamentskolleginnen und -kollegen von der französischen präsidentiellen Mehrheit, erwarten nunmehr, dass unsere Mission, ein politisches Europa aufzubauen, das die wichtigsten globalen Themen der Zukunft beeinflussen kann, durch die Kommission aufgegriffen und geteilt wird.
Um ein solches Europa zu erschaffen, müssen unserer Meinung nach, Herr Barroso, zwei Fallen vermieden werden. Erstens, Wettbewerb als absolutes und unüberwindbares Dogma dazustellen. Tatsächlich benötigt Europa eine Industriepolitik, Agrarpolitik, Energiepolitik, sowie eine Energiepolitik, die neue Technologien unterstützt, genauso, wie es eine Wettbewerbspolitik benötigt.
Die zweite Falle, die wir vermeiden müssen, ist, dass diese Kommission zu einem lediglich allgemeinen Sekretariat des Rates wird. Wir brauchen eine Kommission, die stark ist, die Vorschläge unterbreitet, innovativ ist und die europäische Integration vorantreibt. Deshalb bin ich bereit - entgegen der von meiner eigenen Partei in Frankreich zum Ausdruck gebrachten Vorbehalte - Ihre Maßnahmen zu unterstützen und Sie auf dem zielgerichteten Weg, den Sie anscheinend einschlagen wollen, zu begleiten, nicht zuletzt in Bezug auf nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz.
Um sicherzustellen, dass meine Stimmabgabe und die mehrerer meiner Parlamentskolleginnen und -kollegen, bei denen heute noch Fragen offen sind, so informiert wie möglich erfolgen kann, bitte ich Sie, zwei feste Verpflichtungen gegenüber diesem Haus einzugehen. Erstens eine wirklich zielgerichtete Politik zugunsten der europäischen Unternehmen, der europäischen Gebiete und allem, was eine europäische Identität schafft, einzuführen.
Zweitens alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um sicherzustellen, dass das europäische Model dasjenige ist, das am optimalsten Marktwirtschaft und Solidaritätsbedarf der Mitgliedstaaten, Regionen und Bevölkerungen in Einklang bringt.
Herr Barroso, die jungen Menschen von heute brauchen ein Europa, das sie in der Globalisierung unterstützt und das eine neue Hoffnung darstellt, und als das jüngste Mitglied der französischen Abgeordneten, bin ich absolut davon überzeugt, dass diese jungen Menschen ein Europa wollen, das sie gleichzeitig beschützt und das sie nach neuen Zielen streben lässt. Es wird zukünftig unsere Aufgabe sein, Europa gemeinsam aufzubauen. Ich zähle auf Sie, so wie auch Sie auf mich zählen können.
Czesław Adam Siekierski (PPE). – (PL)Frau Präsidentin, Europa ist vereint. Es ist ein Europa des Friedens, der Freiheit und der Demokratie. Wir achten Menschenrechte und wollen ein Programm der sozialen Marktwirtschaft umsetzen - ein Programm, das die Menschen in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit rückt. Allerdings ist Europa auch durch Unterschiede gekennzeichnet. Wir haben sehr arme Regionen und deshalb besteht Bedarf an einer echten Kohäsionspolitik. Die gemeinsame Agrarpolitik sanktioniert im Grunde zwei Europas - das alte und das neue. Das bedarf einer Änderung und der Schaffung eines echten, vereinheitlichten, vereinten und sozial zusammenhaltenden Europas. Sie, Herr Präsident, wissen das am besten. Welche Maßnahmen planen Sie in diesem Bereich zu ergreifen, um die Situation zu ändern?
Hannu Takkula (ALDE). – (FI) Frau Präsidentin, Herr Präsident Barroso, meiner Meinung nach haben Sie die Funktion des Kommissionspräsidenten mit Bravour erfüllt. Es ist leicht zu kritisieren, aber wo jemandem Anerkennung zusteht, muss man diese auch geben. Die Führung von 27 verschiedenen Ländern in einem pluralistischen Europa ist eine große Herausforderung, die Sie gut gemeistert haben. Sie waren ein ausgleichender Faktor zwischen den großen und kleinen Ländern und in diesem Zusammenhang möchte ich mit den Worten des Vorsitzenden meiner Partei, des finnisches Premierministers Matti Vanhanen, sprechen, der sagte, Sie haben sich eine weitere Amtszeit verdient. Ich bin sehr für Ihre Wiederwahl und werde entsprechend abstimmen. Was Sie in fünf Jahren erreicht haben, spricht für sich. Meiner Meinung nach, besteht kein weiterer Bedarf an Vorschlägen für neue Programme, denn die durchgeführten Maßnahmen sprechen für sich, und ich hoffe, dass der finnische Kommissar, Olli Rehn, ebenfalls eine gute und starke Position in der neuen Kommission innehaben wird. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir Sie durch unsere Abstimmung morgen in die Lage versetzen, eine neue Kommission zu bilden. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Ulrike Lunacek (Verts/ALE). –Frau Präsidentin, Herr Barroso hat ziemlich häufig von den außergewöhnlichen Zeiten, in denen wir leben, den wichtigen Themen, denen wir uns gegenübergestellt sahen und der Führungsposition, die die EU auf dem Finanzmarkt an den Tag legen muss, gesprochen.
Es gibt allerdings eine Sache, Herr Barroso, zu der ich Ihnen gerne eine Frage stellen möchte - und Sie haben sie in dem von Ihnen vorgestellten Papier erwähnt - nämlich die Frage nach den finanziellen Eigenmitteln der Europäischen Union. Sie sagen nicht, wo diese herkommen sollen.
In diesem Zusammenhang stellte ich Ihnen letzte Woche in der Anhörung mit der Fraktion der Grünen/FEA eine Frage. Leider bekam ich keine Antwort von Ihnen; hoffentlich werde ich das jetzt. Meine Frage lautet: Was ist mit einer Steuer auf finanzielle Transaktionen?
Selbst Herr Sarkozy hat sie jetzt vorgeschlagen und auch andere, wie zum Beispiel Herr Steinmeier sprechen nun davon. Belgien und Frankreich verfügen bereits über die rechtlichen Mittel sie einzuführen, warum sprechen wir also nicht darüber und üben Druck aus, damit die Kommission eine Steuer auf finanzielle Transaktionen vorschlagen kann?
Nikolaos Chountis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, Ich habe Herrn Barroso zweimal gehört, einmal im Plenum und einmal bei einer Konferenz der Vereinigten Europäischen Linken, und ich habe seine vorgeschlagenen Positionen gelesen.
Ich habe eine spezielle Bemerkung: Wir kennen Herrn Barrosos Position zu den Gentechnikbestimmungen. Aber wir haben seine Einstellung gegenüber genmanipulierten Produkten noch nicht erfahren. Bedeutet das, dass die Einfuhr und Vermarktung von kontaminierten Produkten in Europa toleriert wird?
Im Grunde, und obwohl Herr Barroso behauptet, neue von Europa benötigte Ideen zu unterstützen, unterstützt und schlägt er jedoch die gleichen, bereits gescheiterten, neoliberalen Rezepte vor, die zum Konjunkturtief in Europa, zu Arbeitslosigkeit in Europa und zu großen sozialen Ungleichheiten in Europa geführt haben.
Dieser Ansatz und damit meine ich Ihren Ansatz, Herr Barroso, und den Ihrer Kommission, hat eine Vertrauenslücke zwischen der Führung der Europäischen Union und den Bürgerinnen und Bürgern Europas geschaffen. Diese wurde deutlich in den letzten Wahlen durch die große Anzahl der sich enthaltenen europäischen Bürgerinnen und Bürgern widergespiegelt.
Abschließend möchte ich sagen, da Sie jeden, der nicht Ihrem Programm zustimmt, antieuropäisch nennen, haben Sie nicht das Ohr aller Europäer, ganz besonders nicht derjenigen, die ein anderes Europa wollen und deshalb ist es meine Meinung Herr Barroso, dass Sie für diese Position nicht geeignet sind.
Barry Madlener (NI). – (NL) Herr Barroso, Sie haben es nicht geschafft, die Unterstützung der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament oder die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz zu gewinnen - etwas, das eigentlich für Sie spricht. Es wird eine aufregende Abstimmung: Wenn ich mich so umschaue, können Sie auf ungefähr die Hälfte aller Stimmen zählen, daher ist jede Stimme von Bedeutung. Natürlich hätten Sie auch gerne unsere Stimme, die der zweitgrößten niederländischen Partei im Parlament, der Partei für Freiheit. Wir sind bereit, Ihnen unsere Stimme zu geben, aber Sie müssen versprechen, die Verhandlungen mit der Türkei einzustellen, sicherstellen, dass die Niederlande nicht mehr der größte Nettobeitragszahler für diese bürokratische EU ist und sich für ein Europa einzusetzen, dass ein Europa mit souveränen Mitgliedstaaten ist und nicht der föderale Superstaat, den Sie anstreben. Ich lade Sie ein, heute um 22.00 Uhr uns einen Besuch abzustatten, um dies zu besprechen. Wer weiß, vielleicht geben Sie uns diese Versprechen, erhalten unsere Unterstützung und werden in der Lage sein, Ihre Arbeit fortzusetzen - nur in einer vollständig anderen Art als in den letzten fünf Jahren.
Brian Crowley (ALDE). Frau Präsidentin, zuallererst möchte ich Herrn Barroso alles Gute für die morgige Abstimmung wünschen. Ich war bedauerlicherweise der Ansicht, die Abstimmung hätte im Juli stattfinden sollen, um gar nicht erst eine derart tiefe Unsicherheit entstehen zu lassen. Und obwohl ich das sage, bin ich der Meinung, dass die Leitlinien, die Sie aufgestellt haben, Herr Barroso, deutlich machen, welche Vision und Ideen Sie haben, um die Situation wieder ins Lot zu bringen.
Vielleicht ist meine größte Bitte an Sie, neben Ihrer Rückkehr ins Parlament, dass Sie etwas kritischer mit den Regierungen sind, wenn diese den vereinbarten Zielen nicht nachkommen, denn selbst wenn wir uns die Strategie von Lissabon ansehen, wird deutlich, dass 90 % der Strategie von Lissabon nicht umgesetzt wurde, weil Mitgliedstaaten versäumten zu handeln, um uns zur wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaft der Zukunft zu machen.
Ich weiß, dass es schwierig ist, einen bestimmten Staat zu benennen. Ich würde das auch nicht wagen, aber wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen und wenn wir zwischen dem Parlament und der Kommission Ideen entwickeln, wie neues Wachstum und Innovation innerhalb der Informationswirtschaft erzielt werden kann, dann müssen die Mitgliedstaaten zur Tat schreiten und diese Maßnahmen umsetzen.
Letztendlich betrübt es mich, dass wir in einer Zeit weltweiter nie da gewesener wirtschaftlicher Schwierigkeiten, wenn wir in Europa als diejenigen angesehen werden, die die Führung bei der Bankenregulierung und ähnlichen Gebieten übernehmen sollen, diese Gelegenheit aufgrund unreifer politischer Spielchen innerhalb bestimmter Fraktionen verpasst haben.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – (ES) Herr Barroso, Sie werden als ein Verfechter des Umweltschutzes angesehen und dazu gratuliere ich Ihnen.
Tatsächlich gab es letzte Woche gute Nachrichten, da endlich entschieden wurde, den vom Aussterben bedrohten Blauflossen-Thunfisch zu schützen, in dem man ihn in die Liste der durch CITES geschützten Arten aufnahm. In diesem Sinne bitte ich Sie, diese zeitweise Unterstützung zu einer dauerhaften Unterstützung werden zu lassen.
Das Problem und globale Paradox daran ist aber, dass die neoliberale Politik, die Sie bis heute befürworten, uns in diese Situation gebracht hat. Denn dies ist die Politik, die einfach Profit privatisiert und Kosten vergesellschaftet.
Insofern werden wir ein ernstes Umweltproblem bekommen. Seit Jahren subventionieren wir Fangflotten, die Raubbau an unseren Meeren betrieben haben und die deswegen überwiegend mitverantwortlich sind für diese Katastrophe. Sie fragen jetzt nach Geldern, um wiedergutzumachen, was wir verursacht haben.
Das ist absurd und wahrlich schwierig demokratisch zu rechtfertigen. Wir dürfen nicht solche Fehler mit den Geldern der Menschen begehen.
Wir bitten deshalb um eine Überarbeitung der Gemeinsamen Fischereipolitik, besonders auf der Grundlage dieser neuen Grundsätze.
Pat the Cope Gallagher (ALDE). – Frau Präsidentin, ich bin mir sehr sicher, dass es Herrn Barroso morgen gelingen wird, das Mandat für fünf weitere Jahre als Kommissionspräsident zu gewinnen. Er ist der richtige Kandidat für den Posten und seine Erfolgsgeschichte ist beeindruckend.
Ich bin zudem der Überzeugung, dass die EU effektiver funktionieren wird, falls der Vertrag von Lissabon in meinem Land angenommen wird. Vertragsgegner in Irland verbreiten die skurrile Information über einen Mindestlohn von 1,84 EUR.
Man spricht von jungen Trieben als Teil der wirtschaftlichen Konjunkturerholung in Europa. Die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon ist ein junger Trieb an sich. Die Gemeinschaft der Investoren und Menschen, die Arbeitsplätze schaffen, wollen, dass der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt.
Die Tatsache, dass wir in Irland uns seit dem letzten Referendum das Recht gesichert haben, ein Mitglied der Europäischen Kommission für die Zukunft zu benennen, ist eine große Veränderung. Außerdem sind die Rechtsgarantien bezüglich Neutralität, Steuer, dem Recht auf Leben, Bildung und die Familie wichtig.
Diese Garantien sind uns wichtig. Protokolle sind das gleiche wie der Vertrag und sicherlich braucht Irland Europa; und Europa braucht Irland.
(GA) Ich wünsche Ihnen morgen viel Glück.
Martin Ehrenhauser (NI). - Frau Präsidentin! Die Europäische Union leidet unter einem eklatanten Demokratiedefizit. Das hat sich leider auch in den letzten fünf Jahren unter Herrn Barroso nicht geändert. Während seiner Amtszeit sind wir in eine sehr schwere wirtschaftliche Krise geschlittert, und es hat sich gezeigt, dass sämtliche Warnungen in Bezug auf die Instabilität des Finanzsystems schlichtweg ignoriert wurden. Diese Warnungen hat es sehr wohl gegeben. Wenn Herr Barroso in seiner Rede nun davon spricht, dass die Finanzarchitektur geändert werden muss, dass zum Beispiel das Bonussystem für Manager reformiert werden soll, dann sage ich ganz klar: Herr Barroso, das war Ihre Aufgabe in den letzten fünf Jahren, und dieser Aufgabe sind Sie nicht nachgekommen! Aus diesem Grund werde ich Sie abwählen.
Ich persönlich würde mir einen jungen Kommissionspräsidenten wünschen, der sein Amt mit viel Kreativität, mit Mut zu großen Veränderungen und vor allem auch mit Unabhängigkeit ausfüllt, jemand, der Europa hin zu einer echten Demokratie führt. Denn ich bin mir sicher, dass Europa eine neue Aufbruchstimmung braucht. Die geht sicherlich nicht mit Herrn Barroso, sondern nur ohne ihn.
Zoltán Balczó (NI). – (HU) Vielen Dank für die Gelegenheit sprechen zu dürfen. Ich würde Herrn Präsident Barroso gerne zwei Fragen stellen. Die erste lautet: In Ihrer Rede haben Sie Ihre politische Zukunft deutlich mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verknüpft. Bedeutet das auch, falls Sie morgen gewählt werden sollten und der Vertrag von Lissabon nicht durch das irische Referendum angenommen wird, dass Sie dann zurücktreten?
Meine zweite Frage ist folgende: Sie haben dem nationalen Egoismus den Krieg erklärt, der Ihrer Definition nach aus Angst resultiert und zum Extremismus wird. Meine Frage lautet: Wer entscheidet ob Einzelne, Organisationen oder Parteien immer noch schädlichen Handlungen nachgehen oder an ihnen beteiligt sind? Oder geht es um diejenigen, die sich, wie in unserem Fall, die Förderung des Nationalbewusstseins, den notwendigen Schutz der nationalen Selbstbestimmung, zum Ziel gesetzt haben? In anderen Worten, stattet uns dies mit der Grundlage aus, hier in Europa über nationale Kulturen, Sprachen und Unterschiede zu sprechen?
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. − (FR) Frau Präsidentin, Ich möchte gern mit einer verfahrenstechnischen Angelegenheit beginnen. Ich möchte besonders zu den fraktionslosen Abgeordneten sagen, dass ich Ihre Fraktion nicht besuchte, weil ich keine Einladung erhielt. So einfach ist der Grund. Natürlich gibt es starke Meinungsunterschiede zwischen mir und einigen dieser Abgeordneten aber auch mit anderen; ich besuchte jedoch alle Fraktionen, die mich einluden, zumindest jede rechtmäßig gebildete Fraktion. Ich ging dorthin, um demokratische Debatten zu führen. Ich mag demokratische Debatten. Lassen sie uns darüber im Klaren sein.
Ich werde versuchen kurz und bündig auf eine große Anzahl von Fragen einzugehen. Darüber hinaus sehe ich, dass einige Abgeordnete gar nicht mehr anwesend sind, um mir zuzuhören, aber ich werde mir trotzdem Mühe geben.
Ich möchte mit dem Thema der letzten Frage, den Bonuszahlungen beginnen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit gerne auf die Tatsache lenken, dass am Ende des Jahres 2004 die Kommission - meine Kommission - eine Empfehlung zu unverhältnismäßig hoher Vergütung aussprach, nicht nur in Banken, sondern auch in der Wirtschaftsordnung im Allgemeinen. Leider hat zu diesem Zeitpunkt niemand unserer Empfehlung Beachtung geschenkt.
Ich bin froh, dass das Thema der Bonuszahlungen und übermäßiger Entlohnung jetzt eine größere Priorität gewinnt und ich hoffe, dass wir eine Lösung finden werden, wie ich hinzufügen darf, auf Grundlage der dem Rat unterbreiteten Vorschläge. Sie liegen auf dem Tisch: eine Empfehlung, aber auch ein verbindlicher Abschnitt in der Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen für Banken.
Vielen Fragen drehten sich um die Sicherheit der Energieversorgung: die von Herrn Saryusz-Wolski, Herrn Marinescu und anderen. Die Sicherheit der Energieversorgung zählte tatsächlich zu den Hauptprioritäten dieses Kollegiums und ich beabsichtige, sie auch zu einer Priorität der nächsten Kommission zu machen, falls ich die Zustimmung Ihres Parlaments bekomme, denn es ist die Kommission, auf die alle Europäer, nicht nur die Europäer der Union, schauen. Als wir das Problem zwischen Russland und der Ukraine hatten, rief Präsiden Putin mich gezielt an, um mich über die Schwierigkeiten zu informieren, und sie wissen sehr gut, wie viel Zeit und Energie wir in der Kommission zusammen mit unseren Partnern in eine Lösungsfindung für ein Problem investiert haben, das zwar Russland und die Ukraine betraf, welches aber auch Auswirkungen auf die europäischen Verbraucher hatte.
Ich fühle mich diesen Themen persönlich sehr verpflichtet. Aus diesem Grund haben wir, wie ich hinzufügen möchte, den Verbundplan für die baltischen Staaten ins Leben gerufen und es ist daher ein Verdienst der Kommission, den toten Punkt beim Nabucco-Projekt überwunden zu haben - und es sei darauf hingewiesen, es befand sich an einem vollkommen toten Punkt. Ich werde diese Themen mit in die Hauptprioritäten der Kommission aufnehmen, allerdings gibt es tatsächlich Widerstand gegen die Schaffung eines echten Energiebinnenmarkts. Ich hoffe, dass es uns, mit ihrer Unterstützung, in der nächsten Amtszeit gelingen wird, diesen - und lassen Sie uns das klar und deutlich ansprechen - immer noch bestehenden Widerstand überwinden werden, um so einen echten Energiebinnenmarkt in Europa zu schaffen.
Sie können darauf zählen, dass ich in der Kommission die europäischen Interessen kompromisslos verteidigen werde. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass das Problem der Energiesicherheit entscheidend ist im Kampf gegen den Klimawandel.
Ich möchte es noch einmal sagen, besonders für die Mitglieder der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz: man kann immer noch ambitionierter sein, aber ehrlich gesagt glaube ich, dass wir die Tatsache begrüßen sollten, das die Europäische Union, auf der Grundlage eines Kommissionsvorschlags, den Kampf gegen den Klimawandel anführt. Im Nachhinein ist deutlich zu sehen, dass wir nicht die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erhalten hätten - und ich möchte das besonders erwähnen - hätten sich nicht Frau Merkel unter ihrem Ratsvorsitz und danach Herr Sarkozy unter seinem Ratsvorsitz dafür engagiert, denn sie haben sich ebenfalls dafür eingesetzt, was anerkannt werden muss. Alle Mitgliedstaaten waren sehr bemüht, doch erst aufgrund eines ambitionierten Vorschlags der Kommission konnten wir diesen Kampf gegen die Klimaerwärmung führen und ich verlasse mich sehr auf ihr Engagement, so dass Europa weiterhin führend in diesem Kampf bleibt.
In Bezug auf soziale Themen, habe ich bereits alles gesagt: Ich habe bereits sehr konkrete Zusagen gemacht bezüglich der Themen, die mit der Entsendung von Arbeitnehmern zusammenhängen, und den Problemen der öffentlichen Dienste. Ich bin bereit, mit Ihnen auf Grundlage der von mir erwähnten und heute nochmals mit aller Deutlichkeit aufgeführten Prinzipien zu arbeiten: gegen soziales Dumping, für soziale Marktwirtschaft.
Ich bin mir wohl bewusst, dass es sich hier um eine interessante ideologische Debatte handelt, aber ich glaube, dass wir in Europa die Antwort haben. Wir brauchen einen Binnenmarkt - dies ist unser Stärke - und gleichzeitig ein hohes Maß an sozialem Zusammenhalt. Das ist eine europäische Erfindung; das ist ein Beitrag. In dem von mir am Anfang des Dokumentes aufgeführten Zitaten, zitierte ich einen großen zeitgenössischen europäischen Historiker, Tony Judt, der Vorlesungen an der New Yorker Universität hält. Er sagte: „Die Vereinigten Staaten verfügen vielleicht über die mächtigste Armee in der Welt, China verkauft vielleicht die billigsten Güter, doch nur Europa hat ein Model, dass als Inspiration für den Rest der Welt dienen kann“.
Das 21. Jahrhundert kann sehr wohl das Jahrhundert Europas werden. Davon bin ich überzeugt. Ich vertrete die Ansicht, dass die Globalisierung nicht mit Macht bewältigt werden kann, sondern mit Inspiration. Wir verfügen über eine soziale Marktwirtschaft, die nicht Eigentum der Christdemokraten, der Sozialdemokraten oder der Liberalen ist. Sie wurde von Europa geschaffen, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg; Nicht nur der europäische Integrationsprozess, sondern auch die soziale Marktwirtschaft, haben zum Ziel, freie Märkte, offene Märkte, miteinander zu verbinden.
Europa ist die weltweit größte Exportmacht. Wir Europäer müssen deshalb Protektionismus ablehnen und gleichzeitig das Model des europäischen sozialen Dialogs, das europäische Model der sozialen Sicherheit, fördern. Wenn ich bestimmte pessimistische Stimmen - die der „Krisen-Liebhaber“ - sagen höre, dass nunmehr die Amerikaner und Chinesen alles unter ihrer Kontrolle haben, dann antworte ich ihnen: Das mag vielleicht der Fall sein, aber was macht Präsident Obama gerade? Präsident Obama versucht gerade - und ich wünsche ihm dabei viel Erfolg - ein nationales Gesundheitssystem einzuführen, etwas das wir praktisch überall mit geringen Unterschieden in ganz Europa haben. Jetzt sind es die Amerikaner, die sich vom europäischen Model inspirieren lassen. Was machen die Chinesen gerade? Sie ziehen in Betracht - mit dem zusätzlichen Ziel, die Nachfrage zu erhöhen - ein Sozialversicherungssystem einzuführen und ich denke, sie werden es einführen, da es eine Wohlstandssteigerung in diesem Land mit sich bringen wird und dieser Anstieg des Wohlstands in China tut dem Rest der Welt gut.
Was machen die Amerikaner und die anderen große Mächte zurzeit? Sie beginnen mit uns, über den Kampf gegen den Klimawandel zu sprechen. Ich erinnere mich deutlich daran, als wir früher mit den Amerikanern in Dialog traten, weigerten sie sich strikt, Klimaschutzvorgaben zu erfüllen.
Wie sie sehen können, kann ich nicht ganz so pessimistisch sein, wie einige, die heute hier gesprochen haben. Natürlich haben wir Probleme in Europa, Konsistenzprobleme. Was den politischen Willen betrifft, so müssen wir uns mehr für das Erreichen von Konsistenz einsetzen. Wir haben auch ein sehr deutliches Problem, ein soziales Problem, welches das gravierendste von allen ist: den Anstieg der Arbeitslosigkeit. Eines sollte erwähnt werden: es ist nicht Europa, es ist nicht die Europäische Kommission, die die Finanzkrise geschaffen hat. Sie wissen alle, wodurch diese Krise verursacht worden ist. Wir haben sofort reagiert, und zwar mit konkreten Vorschlägen. Ich war gemeinsam mit dem französischen Präsidenten, während des französischen Ratsvorsitzes, in den Vereinigten Staaten, um dem amerikanischen Präsidenten die Einführung des G20-Prozesses vorzuschlagen. Diese Reaktion wurde von Europa initiiert.
Ich sagte in Camp David, genau so wie offene Gesellschaften Rechtsstaatlichkeit und Rechtsvorschriften brauchen, brauchen auch Märkte Vorschriften, um legitim, glaubhaft und ethisch zu sein. Das ist die Position Europas.
Ich bin sogar der Meinung, dass wir auf die von uns gemachten Vorschläge stolz sein sollen. Sie liegen auf dem Tisch. Ich hoffe, dass sie angenommen werden, und es wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, ob noch weitere Bemühungen notwendig sein werden.
Zum Thema Umwelt. Ich bin der Meinung, dass die Erfolgsgeschichte dieser Kommission bekannt ist. Jemand hat behauptet, dass Biodiversität darin nicht vorkommt. Lesen Sie mein Dokument bitte erneut und Sie werden sehen, dass sie darin vorkommt. Darüber hinaus hat ein Mitglied dieses Hauses unsere Maßnahmen zum Schutz des Blauflossen-Thunfischs begrüßt und ich möchte mich dafür bedanken. Ich denke, dass wir hier einige gute Zeugnisse haben.
Bezug nehmend auf Frau Beňovás Frage zu den Grundrechten möchte ich sagen, dass es richtig ist, dieses neue Zeichen unseres Engagements zu setzen - und ich möchte hinzufügen, dass der Vorschlag hierzu zwar vom Europäischen Parlament kam, ich jedoch von der Angelegenheit bereits überzeugt war - nämlich den Posten eines für Grundrechte und individuelle Freiheiten zuständigen Kommissars einzuführen. Der Kommissar oder die Kommissarin wird sich auch mit dem Minderheitenthema beschäftigen und er oder sie wird in der Lage sein, dem hier erwähnten Petitionsausschuss Bericht zu erstatten.
Ich bin auch der Meinung, dass genau wie in nationalstaatlichen Systemen, wo es in der Regel einen Justizminister und einen Innenminister gibt, wir ebenfalls einen Kommissar für Justiz, Grundrechte und grundlegende Freiheiten haben sollten. Es wird noch einen weiteren Kommissar geben – weil wir auch ernst nehmen müssen, dass es in Europa Probleme hinsichtlich eines Unsicherheitsgefühls gibt und dass es Dinge gibt, die wir zusammen mit der Wertschöpfung, die Europa bedeutet, tun können – der sich zwar auch mit anderen Themen auseinandersetzen wird, doch immer im gleichen Sinne: im Sinne der Sicherheit, mit vollständigem Respekt für individuelle Freiheiten und mit vollständigem Respekt für die Grundrechte. Das ist wiederum, was Europa ausmacht.
Jemand sprach von Guantánamo. Ich war einer der ersten, wenn nicht sogar der erste amtierende Politiker innerhalb einer Regierung, der den amerikanischen Präsidenten zur Schließung von Guantánamo aufforderte - das war während des österreichischen Ratsvorsitzes. Ich verkündete dies öffentlich, da ich glaube, dass wir Europäer gegen Antiterrorismus-Kampagnen sind, bei denen Grundrechte nicht respektiert werden, da so moralische Autorität verloren geht. Zum Thema Grundrechte, denke ich, dass wir uns in einigen Punkten eventuell uneinig sein könnten, es allerdings keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten mit den Mitgliedern gibt, die dieses Thema eingebracht haben. Diesbezüglich brauche ich von niemandem einen guten Rat. Als ich sechzehn war, ging ich bereits auf die Straßen meines Landes, um gegen eine Diktatur zu kämpfen, gegen das Kolonialsystem. Deshalb brauche ich keinen Rat, wie ich meine Verpflichtung den Grundrechten gegenüber unter Beweis stellen soll. Aber trotzdem vielen Dank.
Ich möchte Bezug nehmen auf die Frage zu Nordirland - vielen Dank Frau Dodds: Es ist wahr, dass wir uns in besonderer - diskreter - Weise speziell um Nordirland bemüht haben. Wir haben eine Sonderarbeitsgruppe ins Leben gerufen zu einem Zeitpunkt, an dem der Dialog zwischen den Parteien noch nicht etabliert war, und halfen so, die Aussöhnung herbeizuführen.
Bezug nehmend auf die Frage von Herrn López Aguilar, ja, ich bin der Meinung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für ein neues soziales Engagement ist. Das ist offensichtlich. Wir haben ein Arbeitslosenproblem, dass jetzt viel größer als zuvor ist. Wenn sie sich die Statistiken anschauen, werden sie sehen, dass bis zur Finanzkrise, Beschäftigungszahlen überall anstiegen. Die von einigen kritisierte Strategie von Lissabon ging im Grunde in die richtige Richtung. In Europa kam es zu einem Anstieg von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstums. Erst mit der Finanzkrise gab es in den meisten Ländern, einschließlich dem ihren, Spanien, eine Umkehr dieser Tendenz. Es ist die weltweite Finanzkrise, die uns in eine schwierige Lage gebracht hat. Jetzt in diesem Zustand der sozialen Angst - es gibt nicht nur die schon bestehenden Arbeitslosen, sondern auch die, die möglicherweise arbeitslos werden - ist offensichtlich, dass wir eine soziale Investition tätigen müssen. Deshalb habe ich zu einem neuen sozialen Engagement aufgerufen. Ich war der Meinung, dass es möglich ist, eine große Mehrheit des Parlaments für dieses Thema zu gewinnen und ich glaube es immer noch.
Frau in ’t Veld hat mir gesagt, dass ich sie nicht überzeugt habe. Sie sind sehr schwer zu überzeugen Frau in ’t Veld. Ich werde mein Bestes tun, aber ich sage Ihnen etwas: Ich werde immer mein Bestes tun, nicht nur um Sie zu überzeugen, sondern weil ich wahrhaftig an Grundrechte, Freiheiten und Garantien glaube. Ich bin der Meinung, dass die Kommission eine Funktion in dieser Angelegenheit erfüllen wird, nicht nur im Sinne der Rechtsvorschriften, sondern in Bezug auf die von uns ausgesendeten Signale. Ich kann Ihnen versichern, wann immer es ein Problem in der Welt gibt, sei es Guantánamo oder wenn ich Herrn Putin treffe, frage ich ihn jedes Mal: „Was wird unternommen hinsichtlich den Mördern von Frau Politkovskaja? Wie kann es sein, dass ein System wie das russische, ein System, das über das größte Sicherheitssystem in der Welt verfügt, nie die Mörder von Journalisten findet?“ Ich stelle Präsident Putin diese Frage, genauso wie ich zurzeit Fragen an alle Premierminister richte, sogar an den chinesischen Premierminister, wenn ich im Gespräch mit ihm bin, und zwar genau so, wie ich immer Fragen zu Menschenrechte stelle. Ich frage sogar den japanischen Premierminister, warum Japan in Zeiten eines Moratoriums wieder Todesstrafen ausführt.
Deshalb ist die Kommission wichtig, nicht nur durch Rechtsvorschriften, sondern auch durch die von der Kommission und dem Kommissionspräsidenten ausgesendeten Signale, so zum Beispiel während der Krise anlässlich der dänischen Cartoons, wo ich mich unmissverständlich für die Aufrechterhaltung und Verteidigung der Meinungsfreiheit aussprach. Ich denke, dass wir zu diesem Thema tatsächlich eine grundlegende Übereinstimmung finden können.
Herr Abad stellte einige sehr praktische Fragen und ich möchte ihm sagen, dass ich seine Vorschläge unterstütze und der Überzeugung bin, dass seine Vorschläge wichtig sind. Ich glaube, dass wir eine industrielle Grundlage in Europa brauchen. Wir wollen keine Standortwechsel, aber um eine industrielle Grundlage zu schaffen, ist es wichtig, sich an die Zwänge des globalen Wettbewerbs anzupassen und sich darüber hinaus den Hauptherausforderung von Klimaschutz und nachhaltigerem Wachstum zu stellen. Ich vertrete die Ansicht, dass wir die Mittel haben, dies zu erreichen. Deshalb schlage ich vor, dass zukünftig mehr Mittel dafür auf europäischer Ebene aufgewendet werden.
Bezug nehmend auf die von jemand gestellten Fragen zum Haushalt, möchte ich versuchen, Einigkeit über die wichtigsten Grundsätze zu erzielen. Ich bin überzeugt, es wäre ein Fehler, direkt über einzelne Beträge des zukünftigen Haushalts zu sprechen. Das würde zu Spaltungen führen. Wir müssen zuerst sehen, wo es eine europäische Wertschöpfung gibt, und danach über die Prioritäten entscheiden. Allerdings bin ich der Meinung, dass Forschungs-, Innovations- und Kohäsionspolitik wichtige Prioritäten sein müssen, besonders im Bezug auf nachfolgende Generationen. Zum Wohle des jüngsten Mitglieds der französischen Delegation hoffe ich, dass die jungen Abgeordneten diese Bewegung unterstützen werden.
Jemand stellte eine Frage zur globalen Finanzsteuer, zur Steuer auf Finanztransaktionen. Falls sie weltweit erhoben wird, werde ich sie offenkundig unterstützen. Ich vertrete die Ansicht, dass es eine sehr gute Idee wäre, sie einzuführen, aber lassen Sie mich folgendes klarstellen: Ich sehe keinen Sinn darin, die zurzeit in Europa ansässigen Finanzdienstleister, unabhängig davon ob sie in London, Frankfurt oder Paris sind, zu vertreiben. Wenn es um Finanzdienstleister geht, sind wir weltweit führend. Worin liegt der Sinn, diese Führung an Dubai abzugeben? Ich sehe nicht, was der Sinn davon wäre. Das möchte ich klarstellen. Falls es allerdings eine globale Steuer auf finanzielle Transaktionen geben wird, halte ich das für eine exzellente Idee. Ich bin der Meinung, dass bereits jetzt eine Vielzahl an Gründen für sie spricht: zum Beispiel, um Hunger in der Welt zu verhindern, denn es ist ein Skandal, was im 21. Jahrhundert passiert; um Europa zu helfen, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen; und um für mehr Solidarität in Europa zu kämpfen. Sie wissen das vielleicht nicht, aber ich habe dem Rat vorgeschlagen, eine Kreditmöglichkeit, die wir innerhalb Europas haben, um Nahrungsmittelhilfe zu leisten, zu erhöhen, denn es gibt in Europa Armut und „neue Armut“, doch mein Vorschlag wurde abgelehnt. Es gibt viele Gründe für eine Steuer, vorausgesetzt, dass sie wahrhaft global ist und nicht Europas Wettbewerbsfähigkeit untergräbt.
Abschließend möchte ich Ihnen gerne etwas sehr Wichtiges mitteilen. Einige haben gesagt: „Warum sollte ich Sie wählen? Sie sind der einzige Kandidat. Ist das demokratisch?“ Ich habe mich selbst oft gefragt, warum ich der einzige Kandidat bin. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass es falsch, dass ich der einzige Kandidat bin, weil, wie ich betonen möchte, da ich der einzige Kandidat war, war ich auch der Einzige, der die ganze Zeit angegriffen wurde, der Einzige, der kritisiert wurde. Jedes Mal, wenn Sie mich mit Ihrem Idealkandidaten vergleichen, bin ich offensichtlich der Verlierer. Ich verliere gegen einen Idealkandidaten. Ich verliere gegen den Idealkandidaten einer jeden Fraktion. Europa wird jedoch nicht von Idealkandidaten geschaffen. Europa ist eine Übung in Verantwortung. Ich denke, dass es keinen weiteren Kandidat aus dem einfachen Grund gegeben hat, dass die für einen Kandidaten notwendige Unterstützung gefehlt hat. Das ist der Grund. Es wurde eine ganze Anzahl Namen genannt, aber ich habe einen Konsens erreicht und darauf bin ich stolz, da der Aufbau eines Europas in der heutigen Zeit, eine, wie in der Debatte deutlich wurde - und wie jeder von Ihnen zugeben wird - extrem schwierige und extrem mühsame Übung ist. Europa ist sehr unterschiedlich. Es gibt viele Einschränkungen und Prioritäten und so bin ich stolz darauf, der Kandidat der Partei zu sein, die die Wahl gewonnen hat, der Kandidat zu sein, der, quer durch das politische Spektrum, die Unterstützung der demokratisch gewählten Staats- und Regierungschefs bekommen hat, was ich nicht als negativ ansehe. Allerdings bin ich niemandes Generalsekretär und die Kommission ist eine unabhängige Einrichtung. Das kann ich Ihnen versichern. Die Kommission, über die ich den Vorsitz habe und über die ich wieder den Vorsitz haben werde, sollte ich ihre Unterstützung erhalten, wird in ihrer kompromisslosen Verteidigung der allgemeinen Interessen Europas unabhängig sein.
Ich verstehe vollkommen, dass, wie es u. a. Frau Estrela ausgedrückt hat, die Unterstützung derjenigen, die bereit sind mir zu helfen, kein Blankoscheck ist. Ich bin all denjenigen, die mich unterstützt haben, dankbar. Ich kann sie nicht alle einzeln aufzählen. Einige von ihnen sind jetzt noch hier. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Ihre Unterstützung ist kein Blankoscheck. Ich halte große Stücke auf das Parlament.
Einige behaupten: „Sie stehen den Regierungen zu nahe.“ Aber sie vergessen etwas: Bevor ich Premierminister wurde, war ich Oppositionsführer, und bevor ich Oppositionsführer wurde, war ich ein einfacher Abgeordneter. Mit 29 Jahren wurde ich das erste Mal ins portugiesische Parlament gewählt. Ich bin ein Politiker. Ich bin weder ein Technokrat noch ein Bürokrat. Ich verteidige Parlamente und ich möchte mit Ihnen diese Debatte führen.
Deshalb können Ihre Forderungen mir helfen und Sie können der Kommission helfen, bessere Arbeit zu leisten. Das ist mein Ziel, wenn ich Ihre Unterstützung erhalten sollte.
(Beifall)
VORSITZ: Jerzy BUZEK Präsident
Der Präsident. – Ich möchte dem designierten Präsidenten der Europäischen Kommission danken. Ich möchte außerdem allen Anwesenden sowie denjenigen, die vorher gesprochen haben, für eine außergewöhnlich angeregte Diskussion danken. Darüber hinaus möchte ich Frau Malmström dafür danken, dass sie dieser Sitzung beiwohnt.
Meine Damen und Herren, wir führen neue Handlungsgrundsätze und neue institutionelle Lösungen für die Europäische Union ein. Bitte erinnern Sie sich daran, dass der designierte Präsident uns über die Richtungen politischer Maßnahmen für die kommenden fünf Jahre referiert hat. Er hat dies hier, im Parlament, getan, wo er sich mit allen Fraktionen getroffen hat. Er hat uns Informationen geliefert, die sowohl für uns als auch für unsere Bürgerinnen und Bürger sehr wichtig sind. Wir werden morgen, nach der heutigen langen, eingehenden und vernünftigen Diskussion, abstimmen.
(Der Präsident fährt in Englisch fort.)
Nochmals vielen Dank an den designierten Präsidenten! Dies war eine großartige Gelegenheit, Ihre politischen Leitlinien und Diskussion in den Fraktionen und auch im Plenum zu hören.
Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Georges Bach (PPE), schriftlich. – (FR) Herrn Barrosos Programm ist ehrgeizig und zeigt ein überwältigendes Verlangen, unserem krisengeschüttelten Europa den Auftrieb zu geben, den es dringend benötigt. Meiner Meinung nach wäre es falsch, Herrn Barroso persönlich die Schuld für all die Probleme zu geben, die den vorhergehenden Zeitraum charakterisiert haben. Kompromisse mit einer erweiterten Kommission zu finden, in der Entscheidungen jetzt von den 27 Mitgliedstaaten getroffen werden, und eine Finanz- und Wirtschaftskrise vor dem Hintergrund einer schwierigen institutionellen Reform anzugehen, haben die Arbeit von Präsident Barroso sicherlich nicht einfacher gemacht. Zugegeben, man hätte in diesen schwierigen Zeiten hoffen können, ihn mit einer selbstsichereren europäischen Stimme sprechen zu hören. Ich denke jedoch, dass er aus seinen Fehlern gelernt hat und dass er in Zukunft große Anstrengungen sowohl für Europa insgesamt als auch für die kleinen Länder unternehmen wird. Indem er soziale Themen zu einem wichtigeren Teil seines Programms macht, scheint er den Bürgern Europas antworten zu wollen, die nach einem sozialeren Europa verlangen. Die Vorstellung einer echten Partnerschaft zwischen dem Parlament und der Kommission ist lobenswert und eine Gelegenheit, die ergriffen werden muss. Aus diesem Grund unterstütze ich die Kandidatur von Herrn Barroso, aber diese Unterstützung ist kein Blankoscheck.
Diogo Feio (PPE), schriftlich. – (PT) Ich freue mich zu sagen, dass ich als Portugiese und Mitglied des Europäischen Parlaments für die Wiederwahl von José Manuel Durão Barroso zum Präsidenten der Europäischen Kommission stimmen werde. Ich bin der Meinung, dass seine Leistung während des aktuellen Mandats, das mit so vielen politischen, finanziellen und sozialen Schwierigkeiten verbunden war, und die Erfahrung, die er in seinem Amt erworben hat, die Unterstützung der Regierungen und das erneute Vertrauen dieses Hauses rechtfertigen.
Ich bedauere die vielen Versuche – die nicht alle offen oder ernsthaft waren – zur Verhinderung des Erfolgs seiner Kandidatur, und ich stelle fest, dass sie nicht nur aufgrund des Fehlens einer glaubwürdigen Alternative, sondern auch aufgrund der Dummheit ihrer Argumente vergebens waren. Ich bedauere, dass meine eigenen Landsleute sich dem nicht widersetzen können, was ebenso einfach wie inkonsequent ist.
Ich hoffe, dass die zweite Barroso-Kommission fachliche Kompetenz mit dem „gewissen Extra“ kombinieren kann. Ich hoffe außerdem, dass sie das Subsidiaritätsprinzip effektiv achten und nutzen wird und sich für die Sicherheit und Zuverlässigkeit kleiner Schritte entscheiden wird, wie von Jean Monnet empfohlen, anstatt das Schnellverfahren anzuwenden, das viel versprochen hat, aber wenig zu echten Fortschritten in Bezug auf das Europäische Projekt und den Europäischen Traum beigetragen hat. Egal wie sehr wir zum Horizont streben, wir kommen nur dorthin, indem wir einen Fuß vor den anderen setzen. Lassen Sie uns den richtigen Weg gehen!
João Ferreira (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Worum es ebenfalls bei dieser Wahl geht, ist die Richtung, welche die EU in den nächsten paar Jahren einschlagen wird. Der derzeitige Präsident der Kommission, der für eine weitere Amtszeit zur Verfügung steht, symbolisiert eine mögliche Richtung: Die EU, die er repräsentiert, ist die der Interessen der großen Wirtschaftsgruppen.
Das ist die EU der undemokratischen Bürokratie, des politischen und ideologischen Konservatismus, der Akzentuierung und Institutionalisierung tiefer Ungleichheiten und Beziehungen sozialer, regionaler und nationaler Vorherrschaft, des Militarismus und externen Interventionismus und der Institutionalisierung des Neoliberalismus als das einzige akzeptable Wirtschaftssystem. Dies jedoch ist nicht und war zu keinem Zeitpunkt die einzige mögliche Richtung. Die Alternative zu dieser Richtung ist die eines sozialen Europas, des Europas der Arbeitnehmer und Bürger. Einer EU, die Demokratie in ihren partizipatorischen Aspekten wertschätzt und sie nicht auf den formellen repräsentativen Bereich reduziert. Einer EU, die den Willen ihrer Völker und die Entscheidungen, die sie demokratisch ausdrücken, respektiert und die öffentliche Dienste und die Rechte der Arbeitnehmer als wesentliche Instrumente für soziale Entwicklung und Kohäsion schützt. Einer EU freier, souveräner Staaten mit gleichen Rechten, die den Naturschutz, Frieden und die Zusammenarbeit unter den Völkern unterstützt und fördert.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Die Erklärung, die Herr Barroso gerade als designierter Präsident der Kommission abgegeben hat, ist eine Bestätigung der Grundpfeiler der Europäischen Union, die wir kennen. Sie bestätigt außerdem die kapitalistische, föderalistische und militaristische Integration Europas, die in den Verträgen von Maastricht und Nizza verankert ist, welche der Vertragsentwurf von Lissabon noch weiter voranbringen will.
Falls es irgendwelche Zweifel gäbe, so betreffen seine Erklärungen die Bedeutung des Vertragsentwurfs von Lissabon. Sie folgen in der Tat auf den anti-demokratischen Druck, der von den europäischen Staats- und Regierungschefs – was er bemerkte – auf das irische Volk ausgeübt wird, das zu einem neuen Referendum gezwungen wird, das am 2. Oktober abgehalten werden soll.
Selbst wenn er jetzt zu versprechen versucht, die ernsthaften Angriffe auf die sozialen Rechte und die Rechte der Arbeitnehmer wieder gut zu machen, welche die Europäische Kommission, deren Präsident er noch ist, in der vorangegangenen Amtszeit durchgeführt hat, so ist er doch nie diesen Themen oder den Gründen für die aktuelle Krise des Kapitalismus, die wir gerade durchmachen, auf den Grund gegangen. Praktisch schlägt er vor, mit derselben Politik fortzufahren, die freien Wettbewerb, Militarismus und die Interessen der Wirtschafts- und Finanzgruppen, insbesondere die der mächtigsten Länder, vorrangig behandelt. Dies war klar, als er sagte, wir sind die Meister der Globalisierung.
Lívia Járóka (PPE), schriftlich. – (HU) Herr Präsident! Ich möchte Präsident Barroso meine Unterstützung als Delegierte der Europäischen Volkspartei zusichern und äußere die Hoffnung, dass die derzeitige Europäische Kommission in der Lage sein wird, die Arbeit fortzusetzen, die bezüglich der sozialen Integration der Roma eingeleitet worden ist. Wichtige Ergebnisse sind während dieses Zyklus erzielt worden, hauptsächlich in den letzten zwei Jahren, aber wir erwarten künftig ein wesentlich stärkeres Engagement und eine größere Initiative von diesem Organ, das als der alleinige Initiator der Gemeinschaftsgesetzgebung die treibende Kraft im Kampf gegen die Armut und Ausgrenzung sein kann, von der Europas größte Minderheit, die Roma, betroffen ist.
Ich hoffe, dass die Schaffung eines neuen Kommissarressorts für Justiz, Grundrechte und bürgerliche Freiheiten die Organisation der Kommission ermutigen wird, mehr und koordinierter tätig zu werden. Ich hoffe darüber hinaus, dass Präsident Barroso weiterhin aktiv für sein persönliches Engagement für Roma-Angelegenheiten werben wird, was er auch bei mehreren Gelegenheiten geäußert hat, und dass er alles in seiner Macht stehende tun wird, um sicherzustellen, dass die Staats- und Regierungschefs eine aktivere Rolle bei der Ausarbeitung eines umfassenden, integrierten Programms, das sich über Parteien und Zyklen erstreckt, übernehmen werden.
Die sozialen Herausforderungen, die Roma und Nicht-Roma gleichermaßen betreffen, sind so ernsthaft und die Folgen von Untätigkeit sind so gefährlich, dass wir uns die Gleichgültigkeit und Fehler des vorangegangenen Zyklus nicht leisten können. Wir erwarten sofortige, mutige Taten und eine radikale Änderung der bisherigen Einstellung des vergangenen und gegenwärtigen Präsidenten und dass die Kommission das Aushängeschild einer europaweiten Roma-Strategie sein wird, die sobald wie möglich auf der Grundlage von Regulierungsnormen, eines stabilen Haushaltsplans und eines klaren politischen Engagements entwickelt werden muss.
Nuno Melo (PPE), schriftlich. – (PT) Wenn es etwas gibt, das niemand quer durch alle Parteien in Frage stellt, so ist dies, dass wir eine Wirtschaftskrise durchlaufen, welche die Länder beeinträchtigt und die Entscheidungsfindung von Regierungen schwierig macht.
Da dies der Fall ist, macht es einen Unterschied in Bezug darauf, wie effektiv die Europäische Union diese Krise bekämpfen kann, ob man eine validierte Kommission, deren Präsident gewählt worden ist, oder eine vorläufige Kommission hat, in der diese maßgebliche Entscheidung immer verschoben wird.
In Anbetracht dessen werden die von all jenen vorgebrachten Argumente, die José Manuel Durão Barroso ablehnen und versuchen, dessen Wahl zum Präsidenten der Europäischen Kommission zu verhindern, zur bloßen Rhetorik, obwohl sie die Offensichtlichkeit der Krise nicht leugnen und sich sogar wiederholt darauf beziehen.
Mit anderen Worten, diejenigen, die so denken und handeln, sorgen sich wenig oder überhaupt nicht um die Auswirkungen der Krise, sondern denken nur oder fast nur an das Erzielen von Vorteilen durch parteipolitisches Manövrieren, das zumindest unter diesen Umständen zu Recht vermieden werden sollte.
Georgios Toussas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die Unterstützung für Herrn Barroso seitens der konservativen, liberalen und sozialdemokratischen MdEP folgt auf seine einstimmige Benennung als einziger gemeinsamer Kandidat aller Regierungen der EU, sowohl der neo-konservativen als auch der sozialdemokratischen. Die Anti-Arbeiterklasse-Politik der EU hängt nicht von Personen oder dem Präsidenten der Kommission ab; sie wird vor allem durch ihren Charakter als imperialistische Kapitalunion bestimmt.
Die von Herrn Barroso vorgestellten politischen Leitlinien fassen die strategischen Ambitionen des europäischen Monopolkapitals zusammen und bilden das politische Programm, das von den politischen Kräften der europäischen Einbahnstraße in der ganzen EU angewandt wird, einschließlich sowohl von der Neuen Demokratie und der PASOK in Griechenland, unabhängig davon, ob sie in der Regierung oder in der Opposition sind.
Das Hauptziel dieses politischen Programms besteht darin, die Last der Krise auf die Arbeiterklassen abzuwälzen und dadurch sicherzustellen, dass die europäischen Monopolgruppen ihre Gewinne sichern und erhöhen können, sodass sie ihre Stellung als globale imperialistische Wettbewerber verstärken können, wenn sich die kapitalistische Wirtschaft nach der Rezession erholt. Dieses Ziel wird durch die Anpassung an die neuen Bedingungen der arbeitnehmerfeindlichen Strategie von Lissabon bis zum Jahr 2020 und durch einen noch heftigeren Angriff auf die Arbeits-, Lohn-, Sozial- und Versicherungsrechte der Arbeitnehmer erreicht.
Betrifft: Schutz der Unternehmen der Textil- und Bekleidungsbranche im internationalen Handel
Die bedenkliche Lage, in der sich die Unternehmen der Textil- und Bekleidungsbranche in einigen Staaten der Europäischen Union wie Portugal befinden, erfordert eine kohärente und abgestimmte Strategie aus staatlichen Maßnahmen, durch die Investitionen in Innovation, Differenzierung, berufliche Aus- und Fortbildung und Umstellung von Betrieben unterstützt werden.
Zu diesen Maßnahmen gehört aber auch, dass auf der Ebene des internationalen Handels die notwendigen Schritte zum Schutz der Unternehmen in den Ländern der Europäischen Union getroffen werden, gerade in den empfindlichsten Branchen wie Textil und Bekleidung.
Was für Maßnahmen werden von der Kommission ergriffen, um im Zusammenhang mit neuen Freihandelsabkommen mit Drittstaaten, besonders asiatischen Staaten wie Südkorea, die Textil- und Bekleidungsbranche in den Ländern der Europäischen Union zu schützen?
Was unternimmt die Kommission, um auf weltweiter Ebene für die notwendige, zügige Regulierung des Marktes für Produkte und nicht nur für die Regulierung des Finanzmarkts zu sorgen?
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Wir verfolgen die Auswirkungen der Finanzkrise auf unsere Industriezweige sehr genau, natürlich inklusive der Textil- und Bekleidungsindustrie, einer wichtigen und robusten Branche in der Europäischen Union.
Unsere Reaktion auf die Krise war die Einrichtung des Europäischen Konjunkturprogramms, das vom Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung und dem Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen ergänzt wurde. Diese Maßnahmen waren auch für die Textil- und Bekleidungsindustrie von Bedeutung: so wurde z. B. die Unterstützung aus dem Globalisierungsfonds dazu verwendet, vor allem in Klein- und Mittelbetrieben der Branche in Italien, Malta, Spanien, Portugal, Litauen und Belgien entlassene Arbeitskräfte erneut zu integrieren.
Die Textil- und Bekleidungsindustrie stammt von jahrzehntelangem gelenktem Handel. Seit Anfang des Jahres 2009 wurde der Handel in dieser Branche vollständig liberalisiert. Die Branche hat sich der Liberalisierungsherausforderung gestellt und einen Restrukturierungs- und Modernisierungsprozess begonnen, der nicht einfach war.
Die Branche hat die Massenproduktion gesenkt und sich auf hochwertigere Produkte mit hohem technologischem Anteil konzentriert. Heutzutage sind europäische Textilien weltweit für Innovation und technische Leistung bekannt. Die Branche hat sich erfolgreich entwickelt und hält kontinuierlich an erstklassiger Exportleistung fest. Aus diesem Grund stehen Fragen des Marktzugangs an erster Stelle. Ich bin zufrieden, dass unsere erneuerte Marktzugangsstrategie von dieser Branche mit positiven Ergebnissen aufgegriffen wurde.
Und natürlich ziehen wir in unseren Handelsverhandlungen, wie z. B. dem Freihandelsabkommen mit Korea oder bei multilateralen Handelsgesprächen, die Empfindlichkeiten der einzelnen Industriezweige in Betracht, inklusive der Textilbranche. Unser Ziel sind daher ausgewogene Abkommen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Erst gestern haben wir hier das Problem des Freihandelsabkommens mit Südkorea besprochen, und die Kommissarin weiß, dass sie Unternehmensorganisationen braucht. Ich möchte ihr mitteilen, dass ich selbst mit Vertretern verschiedener Unternehmensorganisationen in Portugal gesprochen habe, die mir von ihren ernsten Bedenken bezüglich dieses Freihandelsabkommens mit Südkorea erzählt haben. In ganz Europa gibt es diesbezüglich schwere Bedenken.
Die Gewerkschaften sind ebenfalls besorgt. Jeder, der die Länder in Südeuropa kennt, wie z. B. Portugal und Spanien, und die Gebiete, in denen diese Industriezweige überwiegen, ist sich deutlich bewusst, welch ein ernstes Problem die Arbeitslosigkeit geworden ist. Frau Kommissarin, in einigen Gemeinden liegt die Arbeitslosigkeit bei mehr als 20 %, speziell im Norden von Portugal. Es gibt Gemeinden mit Textilfabriken, in denen die Arbeitslosigkeit 20 % übersteigt. Wir fürchten, dass diese Situation schlimmer werden könnte, und das in einem Land, in dem bereits beträchtliche Armut herrscht. Ich frage Sie deshalb, was genau unternommen werden wird...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort)
David Martin (S&D). – Es ist Frau Figueiredo hoch anzurechnen, dass sie sich derart um die sozialen Auswirkungen der Schließung der Textilfabriken und um den der Branche zugefügten Schaden sorgt. Stimmt die Kommissarin allerdings mit mir überein, dass das südkoreanische Freihandelsabkommen für europäische Textilhersteller nicht nur eine Bedrohung sondern ebenso Chancen bringt, und unseren Qualitätstextilien Zugang zum koreanischen Markt ermöglicht?
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Ich verstehe Ihre diesbezüglichen Gefühle sehr gut. Es handelt sich um eine äußerst wichtige Branche, und ich stimme David Martin vollkommen zu, der sich genau mit den Details des Abkommens mit Südkorea beschäftigt hat.
Es besteht kein Zweifel daran, dass wir viel mehr Bekleidung nach Korea exportieren, als wir von dort importieren. Der Markt bietet echte Chancen. Es trifft absolut zu, dass wir bei allem, was wir in Bezug auf den Wirtschaftsverkehr unternehmen, den Einfluss auf die diversen Branchen nicht aus den Augen verlieren dürfen. Genau das tun wir auch.
Ich würde diesen Dialog sehr gerne weiterführen und über unseren diesbezüglichen Ansatz gerne mehr Informationen liefern. Ich stimme der Ansicht vollständig zu, dass wir unsere Branchen in dieser wirtschaftlichen Rezession unterstützen, an die Armut und die Entbehrungen, die auftreten können, denken und neue Handelsmöglichkeiten verfügbar machen müssen, die tatsächlich zur Belebung dieser Wirtschaftsräume und Branchen beitragen. Das ist genau das, worum wir uns bemühen.
Betrifft: Prioritäten der Europäischen Union auf der Regierungskonferenz zum Klimawandel
Welche spezifischen Prioritäten setzt die Europäische Union für die Regierungskonferenz der Vereinten Nationen zum Klimawandel, die im Dezember dieses Jahres in Kopenhagen stattfindet?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − Das ist eine zeitgerechte Frage und ich könnte ganz kurz darauf antworten: die Prioritäten sind, in Kopenhagen Einverständnis bezüglich der Reduktionsverpflichtungen vonseiten der Industrieländer, national angepasste Minderungsmaßnahmen vonseiten der Entwicklungsländer und Einverständnis bezüglich der Finanzierung zu erzielen.
Allerdings möchte ich gerne dazu ein paar Worte mehr sagen. Uns bleiben weniger als drei Monate bis Kopenhagen und die Klimagespräche befinden sich zurzeit in einer kritischen Phase.
Uns liegen 250 Seiten an Verhandlungsunterlagen vor; allerdings haben die Verhandlungen noch nicht ausreichend an Dynamik gewonnen, um zu einer ausreichend ambitiösen und detaillierten Vereinbarung zu führen. Es besteht allerdings bei den meisten Parteien ein Gefühl der Dringlichkeit sowie die Bereitschaft, sich auf Bereiche zu konzentrieren, bei denen Einverständnis herrscht. Es ist das eigentliche Ziel der Klimavereinbarung, darauf zu achten, dass sich die Erde keinesfalls um mehr als 2 Grad Celsius erwärmt. Dieses Ziel wurde beim letzten G8-Gipfel sowie beim Forum der führenden Wirtschaftsnationen (MEF) bestätigt.
Wir benötigen vergleichbare und ehrgeizigere Emissionsreduktionsziele für die Gruppe der Industrieländer, die heutzutage insgesamt weniger als 15 % Reduktion im Vergleich zu 1990 anbieten. Gemäß den von den Wissenschaftlern geforderten 25-40 % ist das zu wenig. Wir heißen die Tatsache willkommen, dass Japan seine Zielwerte steigern wird. Die EU hat ein Reduktionsziel von bis zu 30 % angeboten, sollten andere Länder ähnliche Verpflichtungen eingehen.
Entwicklungsländer sollten angemessene Minderungsmaßnahmen ergreifen, um das Anwachsen ihrer Emissionen bis 2020 um 15-30 % unter die üblichen Werte zu senken. Die EU schlägt den Entwicklungsländern (außer den am wenigsten entwickelten Ländern) vor, Pläne für kohlenstoffarmes Wachstum zu konzipieren und zu implementieren, die die wichtigsten Minderungsmaßnahmen umfassen. Diese Pläne würden dann die Basis für gezielte finanzielle und andere Unterstützung darstellen.
Eine angepasste internationale Finanzierung ist der Kernpunkt einer effizienten Vereinbarung in Kopenhagen. Geld wird über den Erfolg bzw. Misserfolg des Abkommens entscheiden. Wir müssen private Investitionen mobilisieren sowie die Errichtung eines soliden internationalen Kohlenstoffmarktes fördern, wobei auch beträchtliche öffentliche Fördergelder erforderlich sein werden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die weltweite Technologie-Partnerschaft, die darauf abzielt, die Investitionen für kohlenstoffarme Technologien zu verdoppeln. Außerdem müssen wir die Hilfestellung für die ärmsten und verletzlichsten Länder intensivieren, damit sich diese besser auf die zunehmenden Nebenwirkungen des Klimawandels einstellen können.
Letzte Woche, am 10. September 2009, hat die Kommission eine Mitteilung zur Intensivierung der internationalen Klimafinanzierung angenommen, die eine Beschleunigung der internationalen Verhandlungen zum Ziel hat. Vor uns liegt in den nächsten Monaten die gewaltige Aufgabe intensiver Verhandlungen, bei denen ein Scheitern unmöglich ist.
Brian Crowley (ALDE). – Herr Präsident, ich möchte mich bei Kommissar Dimas für seine Antwort bedanken.
Nur kurz: kennen wir die tatsächliche Position der USA, nachdem es dort eine neue Regierung gibt? Verwenden die USA dieselben Reduktionszahlen, die von der Europäischen Union vorgeschlagen werden? Zweitens im Hinblick auf Brasilien, Russland, Indien und China, riesige Erzeuger von CO2-Emissionen und anderen Abgasen, welche Rolle spielen sie? Welchen Druck können wir in der Europäischen Union auf diese Länder ausüben, damit sie sich dieselben Standards auferlegen, die wir von unseren Mitgliedstaaten verlangen?
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Herr Präsident, Kommissar, jedesmal wenn wir von Klimawandel reden, sprechen wir von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sowie darüber, die Gründe dafür zu reduzieren. Wenn ich an die Konferenz in Kopenhagen denke, habe ich folgende Frage: welche Priorität kommt dem Zuwachs von Energieeffizienz zu, auch in Entwicklungsländern und ebenso, welche Diskussionen führen Sie über die Trinkwasserkrise und offensichtlich über die Nahrungsmittelkrise?
Paul Rübig (PPE). - Gibt es eine Folgenabschätzung darüber, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit in Europa verändern wird, ob wir 20 % oder 30 % einsparen werden, und wie sich das auf die kleinen und mittleren Betriebe und vor allem auf die Arbeitsplätze auswirken wird?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − Was die USA betrifft, so hat die neue Regierung sich zu Reduktionswerten verpflichtet, die viel ehrgeiziger als die der vorigen Regierung sind. Allerdings sind sie immer noch nicht so ehrgeizig, wie die Werte, zu denen sich die Europäische Union verpflichtet hat. Sie liegen auch unter den von der Wissenschaft als erforderlich bezeichneten Werten, um die globale Erwärmung niedriger als 2 °C zu halten. Diesen Werten haben alle Vertreter der großen Volkswirtschaften im Juli 2009 in L'Aquila zugestimmt, darunter auch die Vertreter der USA, China und der anderen Ländern, die Sie erwähnt haben.
Die Diskussionen werden allerdings innerhalb der USA weitergeführt. Es wurde über das Markey-Waxman-Gesetz im Haus abgestimmt, und es liegt nun zur Abstimmung im Senat vor. Es gibt darin einige Bestimmungen, die geklärt werden müssen. Wir werden das Endergebnis abwarten müssen, denn dieses Gesetz kann höhere Auflagen umfassen als es zurzeit den Anschein hat.
Wenn z. B. die Berechnung der Emissionsreduktionen Investitionen in „vermiedene Entwaldung“ umfasst, muss das klargelegt werden. Es hängt davon ab, ob dieser Tatbestand in den verringerten Emissionswerten oder in der Finanzierung mit einkalkuliert wurde. Nur dann kann die Vergleichbarkeit zwischen den Zielwerten der USA, der Europäischen Union und anderer Entwicklungsländer festgelegt werden.
Tatsache ist, dass diese Regierung eine sehr positive Haltung einnimmt, wir eng mit ihr zusammenarbeiten und uns durch gemeinsame Arbeit ein positives Ergebnis in Kopenhagen erhoffen; nämlich eine Vereinbarung mit den zuvor erwähnten Elementen.
Was Brasilien, China, Indien, Mexiko und andere Entwicklungsländer betrifft, erwarten wir uns natürlich auch von ihnen eine Verringerung des Emissionswachstums in der Größenordnung von 15-30 % unter den derzeit beobachteten Trends. Zur Erinnerung, das sind die von der Wissenschaft geforderten Werte, um die globale Erwärmung unter 2 °C zu halten. Reduktionen ausschließlich vonseiten der Entwicklungsländer sind nicht ausreichend.
Einige dieser Länder haben bereits auf nationaler Ebene Maßnahmen ergriffen, die zu Emissionsreduktionen führen werden, entweder durch Maßnahmen zur Energieeffizienz oder durch Investitionen in erneuerbare Energien. Wir müssen allerdings unsere Zusammenarbeit mit diesen Ländern intensivieren, durch Informationsaustausch, Zusammenarbeit in Bezug auf Technologien und Technologietransfer, damit wir die notwendigen Reduktionen erreichen.
Bezüglich der Reduzierung der Kosten oder die von Ihnen erwähnte Energieeffizienz, sind natürlich alle Investitionen auf diesem Gebiet gewinnbringend. Wenn Sie z. B. den Konsum von importiertem Öl reduzieren, sparen Sie nicht nur Geld, indem Sie es nicht an die ölproduzierenden Länder zahlen, sondern Sie reduzieren auch die CO2-Emissionen.
In vielen Ländern, besonders in den Entwicklungsländern, in denen es Probleme durch Luftverschmutzung gibt, wird der zusätzliche Vorteil der Verbesserung der Luftqualität dazukommen. Und das Problem der Luftverschmutzung ist z. B. in China weithin bekannt.
Die damit in Verbindung stehenden Probleme mit Wasser und Nahrungsmitteln gehören zu den Zielen der Richtlinien in der Europäischen Union. Wir unterstützen Richtlinien, die die Wasserqualität und -versorgung besonders in sehr armen Ländern verbessern. Als wir die Biokraftstoffrichtlinie prüften, haben wir hinsichtlich der Nahrungsmittelversorgung besonders darauf geachtet, dass es zu keinem Wettbewerb zwischen den Rohmaterialien für Nahrungsmitteln und Biokraftstoff kommt. Wir ziehen derartig wichtige Anliegen immer in Betracht.
Bei der Annahme des Energie- und Klimapakets wurde lange über die Beurteilung der Auswirkungen und die Probleme des Wettbewerbs diskutiert. Sowohl die Branche selbst als auch verschiedene Industriezweige haben neben der Kommission diesbezüglich zahlreiche Studien angestellt. Unsere Gesetzesvorschriften liefern die erforderlichen Sicherheiten, damit die Wettbewerbsfähigkeit zwischen anderen europäischen Branchen weiterhin gewährleistet ist. Das gilt besonders für Klein- und Mittelbetriebe, denen in vielen Fällen kostenfreie Zertifikate bis zu 100 % ihrer Emissionen gewährt werden.
Also das sind Dinge, die wir in Betracht ziehen. Dasselbe gilt natürlich dafür, wenn wir auf 30 % hinaufgehen. Außerdem bedeutet das, wenn wir auf 30 % hinaufgehen, dass wir in Kopenhagen auf eine ehrgeizige Vereinbarung abzielen, in der sich alle Industrieländer zu mit der Europäischen Union vergleichbaren Reduktionszielwerten verpflichten. Und Entwicklungsländer werden Minderungsmaßnahmen akzeptieren, die für die gesamte Welt die gleiche Ausgangsbasis schaffen. Wir haben dann vergleichbare Verpflichtungen, was bedeutet, dass das Konkurrenzproblem nicht besteht.
Betrifft: Investitionsanreize zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Nutzung erneuerbarer Energien
Die Europäische Umweltagentur hat kürzlich für das Jahr 2008 vorläufige Zahlen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen vorgelegt. Diesen Statistiken zufolge sind die Emissionen gegenüber dem Stand von 2007 in den 15 alten EU-Mitgliedstaaten um 1,3 % und in allen 27 Mitgliedstaaten insgesamt um 1,5 % gesunken, was mit Blick auf die Verwirklichung der Ziele des Kyoto-Protokolls, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2012 im Vergleich zum Bezugsjahr 1990 um 8 % zu verringern, einen wichtigen Schritt darstellt.
Die Verringerung der CO2-Emissionen ist hauptsächlich auf eine Steigerung der Energieeffizienz und auf die Nutzung erneuerbarer Energiequellen im Verkehrssektor und in Wohnungen sowie in energieintensiven Industriezweigen zurückzuführen. Welche konkreten Maßnahmen plant die Kommission, um die Mitgliedstaaten bei der Schaffung von Investitionsanreizen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Nutzung erneuerbarer Energien zu unterstützen?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident, die Abgeordnete hat zu Recht die laufenden Verbesserungen zur Emissionsreduktion der Treibhausgase hervorgehoben. Sie sind teilweise eine Folge von Maßnahmen zur Energieeffizienz sowie der zunehmenden Verwendung erneuerbarer Energien im Transport- und Wohnbausektor.
Die Kommission würde darauf hinweisen, dass Energieeffizienz und erneuerbare Energien auch anderen politischen Zielen dienen, wie z. B. der Verbesserung der Sicherheit bei der Energieversorgung innerhalb der Europäischen Union, der Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der Verbesserung des Lebensstandards ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Aufgrund all dieser Vorteile verbessert die Kommission weiterhin die Rechtsvorschriften und Programme der Europäischen Union auf diesem Sektor und bietet finanzielle Unterstützung.
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Da wir einen Zeitrahmen von 10 Jahren bis 2020 haben, und da nennenswerte Ergebnisse bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen durch verbesserte Energieprofile in Gebäuden und auf dem Transportsektor erzielt werden können, und da wir inmitten einer Wirtschaftskrise stecken und Menschen Arbeitsplätze verlieren, muss darauf hingewiesen werden, dass die „grüne“ Wirtschaft Millionen von Arbeitsplätzen schaffen kann. Wir müssen für spezielle Situationen spezielle Lösungen bereithalten. Deshalb hoffe ich, dass die Lösung sein wird, dass die europäische Kommission gemeinsam mit dem Parlament innovative Lösungen zur Steigerung der Investitionen für Energieeffizienz finden wird. Das Parlament hat diesbezüglich interessante Lösungen vorgeschlagen: eine Erhöhung der Beitragsrate für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung von 2014, die Schaffung eines besonderen Fonds im Jahr 2014 und die Möglichkeit, eine geringere Mehrwertsteuerrate anzuwenden, wobei an Energieeffizienz und die Verwendung erneuerbarer Energien gedacht wird. Vielleicht können Sie uns dazu mehr sagen.
Seán Kelly (PPE). – Eine einfache Frage: wie sollen die Mitgliedstaaten nach Ansicht der Kommission die steigende Verwendung von erneuerbaren Energieformen mit dem Bedürfnis, Strompreise aus Wettbewerbsgründen niedrig zu halten, ausgleichen?
Andreas Mölzer (NI). - Welche Investitionsanreize soll es denn geben, um auch bei privaten Haushalten und nicht nur bei Industrie- und Gewerbebetrieben den Umstieg auf erneuerbare Energien zu forcieren?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident, als Antwort auf die Frage von Herrn Kelly: der Treibhausgasemissionshandel wird die Staatskassen der Mitgliedstaaten füllen. Zu den Maßnahmen, die Regierungen ergreifen können, gehört u. a. diese Gelder für schlecht bezahlte Arbeitskräfte oder für Menschen zu verwenden, die unter hohen Benzinpreisen leiden. Um auf die Frage von Herrn Kelly zu antworten: es gibt eine Möglichkeit und das Geld steht zur Verfügung, abgesehen von allem anderen.
Die neue Richtlinie zu erneuerbaren Energien fordert die Mitgliedstaaten auf, Unterstützung zu leisten und Reformen auf Verwaltungs- und Infrastrukturebene einzuführen, um die Entwicklung von erneuerbaren Energien zu erleichtern. Jeder Mitgliedstaat bemüht sich, bis 2020 gewisse Zielwerte zu erreichen und muss spätestens im Juni nächsten Jahres einen Aktionsplan für erneuerbare Energien vorlegen, in dem erläutert wird, wie die Zielwerte erreicht werden.
In Bezug auf die Richtlinie zum Energieprofil von Gebäuden hat sich die Kommission verpflichtet, eine noch höhere gemeinschaftliche Finanzierung zu leisten und zusätzliche Finanzierung zur Umsetzung dieser Richtlinie vorzuschlagen. Die Kommission leistet bereits direkte Finanzierung für verschiedene Projekte, die sich auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien beziehen, wie z. B.:
- eine Reihe von Projekten zu Forschung und Entwicklung, die auf dem Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung basieren;
- 727 Mio. EUR zwischen 2007-2013 für das Programm „Intelligente Energie - Europa“. Es soll Hindernisse für die Entwicklung von erneuerbaren Energien entfernen, das unternehmerische Umfeld verbessern sowie das öffentliche Bewusstsein stärken;
- mehr als 500 Mio. EUR für Projekte im Zusammenhang mit küstennahen Windfarmen im Rahmen des Europäischen Konjunkturprogramms, um private Investitionen in diesem Sektor anzukurbeln und
- die Initiative zur Finanzierung nachhaltiger Energie, die gemeinsam von der Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB) verwaltet wird, über ein Budget von 15 Mio. EUR für 2009 verfügt und so angelegt ist, Fonds von den Kapitalmärkten, den Fonds Marguerite, den Europäischen Fonds für Energie, Klimaschutz und Infrastruktur zu mobilisieren, wobei letzterer von der Europäischen Investitionsbank verwaltet wird.
Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auch dazu auf, einen Großteil des verfügbaren Geldes von Mitteln der Kohäsionspolitik der Europäischen Union zu verwenden, damit Projekte für Energieeffizienz und erneuerbare Energien unterstützt werden können.
Frage Nr. 23 von Czeslaw Adam Siekierski (H-0299/09)
Betrifft: Entwicklungshilfe in Krisenzeiten
Gibt es in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise reale Chancen, spezielle Möglichkeiten für jene Länder zu schaffen, die von diesem Problem am stärksten betroffen sind? Hier sind vor allem die besonders armen Länder der so genannten Dritten Welt gemeint. Ist es möglich, die Hilfsprogramme für Entwicklungsländer aufzustocken? Was wird getan, um die für die Entwicklungsländer bereitgestellten Mittel schneller zu nutzen, falls unsere eigenen Probleme wie z. B. ein unterfinanzierter Haushalt oder auch der kurze Zeitraum, uns diese Möglichkeiten verwehren? Wie können die Verfahren zu ihrer Aufstockung vereinfacht werden?
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. − Im Rahmen ihrer Kompetenz hat die Kommission bis jetzt schnell reagiert, um katastrophalen sozialen Folgen in Entwicklungsländern vorzubeugen. Das betrifft vor allem die am wenigsten entwickelten Länder, von denen die meisten AKP-Staaten sind.
Zu den Maßnahmen vonseiten der Kommission zählen die Einhaltung von Hilfezusagen, der Einsatz neuer Ressourcen, antizyklisches Handeln, Verbesserung der Effizienz von Hilfeleistungen, Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Aktivitäten und Beschäftigung, Wiederbeleben der Landwirtschaft, Investitionen in „grünes“ Wachstum, Belebung von Handel und privaten Investitionen, Kooperation im Hinblick auf Ordnungspolitik und Stabilität sowie der Schutz der Schwächsten in den Entwicklungsländern.
Wir haben bereits konkrete Maßnahmen und Abläufe implementiert, um die Hilfeleistungen zu beschleunigen. Ein spontaner FLEX-Mechanismus wird vom Europäischen Entwicklungsfonds 500 Mio. EUR mobilisieren. Dieser FLEX-Mechanismus kommt zu Maßnahmen der Weltbank und des IWF hinzu. Er dient den verletztlichsten Ländern mit geringer Widerstandskraft, gewährt schnelle Zuschüsse zur Aufrechterhaltung dringlichster Ausgaben, vor allem im Sozialbereich.
Da der FLEX-Mechanismus aus zuvor noch nicht zugewiesenen Reservefonds finanziert wird, stellt er eine zusätzliche Finanzhilfe für diese höchst verletzlichen Länder dar. Im Rahmen des bestehenden EEF FLEX-Mechanismus wurden 80 Mio. EUR für die Finanzierung von Ländern mobilisiert, die 2008 maßgebliche Exportverluste erlitten haben. Außerdem läuft zurzeit die mittelfristige Prüfung der Kooperationsstrategien für Länder, die durch das EG-Budget finanziert werden. Die mittelfristige Prüfung der AKP-Staaten, die vom EEF finanziert werden, wurde beschleunigt, um die nationalen Strategien und Zuweisungen Anfang des Jahres 2010 neu zu definieren und anzupassen.
Dennoch ist es wichtig, daran zu erinnern, dass die Entwicklungspolitik eine gemeinsame Kompetenz innerhalb der Europäischen Union ist. Die Verantwortlichkeit für die Verpflichtungen öffentlicher Entwicklungshilfe fällt den Mitgliedstaaten selbst zu. Ich glaube fest daran, dass die Krise nicht als Entschuldigung für unsere Mitgliedstaaten gelten darf, die Hilfeleistungen und Versprechen zu verringern. Ich werde darauf bestehen, dass das Ausmaß der versprochenen Hilfe von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und anderen Geldgebern weiterhin geleistet wird. Die von den Mitgliedstaaten geleistete öffentliche Entwicklungshilfe wird durch unsere jährliche Monterrey-Umfrage genau überprüft.
Nach den in unseren Mitgliedstaaten erhobenen Informationen nehmen wir an, dass die gemeinsam geleistete öffentliche Entwicklungshilfe der Europäischen Union von 49 Mrd. EUR für 2008 auf 53,4 Mrd. EUR für 2009 und auf 58,7 Mrd. EUR für 2010 ansteigen wird. Das bedeutet auch, dass ohne zusätzliche Schritte vonseiten der Mitgliedstaaten zur Erfüllung der Ziele, die kollektiven Ziele für 2010 nicht erreicht werden können. Die Krise hat auch gezeigt, dass wir den Mechanismus zur Bereitstellung der öffentlichen Entwicklungshilfe stärken müssen, worauf der Herr Abgeordnete zu Recht hingewiesen hat.
Die internationale Agenda für eine Steigerung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit der Paris-Erklärung und der Aktionsplan von Accra sind nun wichtiger denn je. In diesen schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist unsere Verantwortung gegenüber den Ärmsten der Welt besonders groß, die Entwicklungshilfe in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich werde diesen Ansatz persönlich beim Treffen des Rates für Entwicklungshilfe im November verteidigen, und ich werde mich in den kommenden Wochen auf die globale Finanzkrise im Rahmen meiner politischen Aktivitäten konzentrieren.
Czesław Adam Siekierski (PPE). – (PL) Ich bedanke mich für Ihre Erklärung. Sollte die Europäische Union auf internationaler Ebene nicht aktiver sein? Ich denke dabei an finanzielle Einrichtungen wie den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, die bei der Festlegung des Hilfeausmaßes und bei Hilfeleistungen in Krisenzeiten flexibler sein sollten. Wie können wir Ungereimtheiten bei Steuerzahlungen sowie den illegalen Transfer von Profitgeldern durch verschiedene Unternehmen aus armen Ländern ausschalten? Und schließlich, wie können wir auf faire Weise den Austausch von Gütern liberalisieren, damit er denen zugute kommt, die Hilfe verdienen?
Franz Obermayr (NI). - Gerade in Zeiten knapper Ressourcen ist es wichtig, zielorientiert zu handeln, zur richtigen Zeit die richtige Menge an die richtigen Betroffenen zu leiten. Daher meine Frage: Welche Maßnahmen zur Erfassung der Effizienz und der Valorisierung der Wirkung sind im Zusammenhang mit Wirtschaftshilfen künftig vorgesehen?
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. − Um Ihre erste Frage zur Kooperation mit internationalen Einrichtungen wie dem IWF und der Weltbank zu beantworten – wir arbeiten mit diesen Institutionen sehr eng zusammen, z. B. beim FLEX-Mechanismus. Gemeinsam mit diesen Einrichtungen haben wir die Länder ausgesucht, die von diesem neuen Instrument in erster Linie profitieren sollten.
Wir haben auch wiederholt darauf bestanden, dass diese Einrichtungen den Entwicklungsländern mehr Anleihen gewähren. Von den 280 Mrd. USD an Sonderziehungsrechten werden 8 Milliarden für Entwicklungsländer verwendet. Ich denke wirklich, dass wir bei der Einflussnahme auf die internationalen Einrichtungen, sich in diese Richtung zu bewegen, führend sind. Diese Position wird auch Anfang Oktober von der Kommission, Herrn Almunia und mir bei den Besprechungen mit der Weltbank und dem IWF in Istanbul eingenommen.
Was Ihre zweite Frage betrifft, glaube ich wirklich, dass ich sie in meiner ersten Antwort beantwortet habe. Ich habe detailliert angeführt, wie das vor sich gehen sollte. Natürlich bin ich bereit, meine Antwort zu wiederholen, aber es geht im Grunde darum, dass wir besonders darauf achten müssen, dass die Hilfezahlungen richtig eingesetzt werden.
Betrifft: Demographie und Entwicklungspolitik in Afrika
Einer Studie der Vereinten Nationen zufolge könnte sich die Bevölkerungszahl auf dem afrikanischen Kontinent bis zum Jahr 2050 verdoppeln und auf zwei Milliarden Menschen ansteigen. In diesem Jahr betrüge die Bevölkerungszahl Afrikas dann das Doppelte der Bevölkerungszahl des europäischen Kontinents. Eine afrikanische Frau bekommt durchschnittlich fünf Kinder, während der Durchschnitt im Fernen Osten bei 1,7 und in der Europäischen Union bei 1,47 liegt.
Welche Maßnahmen wird die Kommission vorschlagen, auch im Zusammenhang mit der langfristigen Einwanderungs- und Umweltpolitik, um die Außenpolitik und die Politik der Entwicklungszusammenarbeit an diese Daten anzupassen?
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. − Die Kommission stimmt mit der Sorge der Frau Abgeordneten überein, dass das Bevölkerungswachstum in Afrika sowie die langfristigen Folgen der hohen Geburtenziffern maßgeblich zum Druck auf die natürlichen Ressourcen in Afrika sowie auf den Entwicklungsverlauf des afrikanischen Kontinents beitragen könnten.
Geburtenziffern stellen einen wichtigen Teil dieser Geschichte dar; gemäß der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen ist heute die Zahl der Gesamtbevölkerung Afrikas um 8 % geringer, als wenn die Geburtenrate auf dem Niveau von 1970 geblieben wäre. Man rechnet damit, dass die Geburtenrate Afrikas bis 2050 auf unter 2,5 % sinken wird. In den Städten des Kontinents ist eine Mittelklasse im Entstehen, die weniger Kinder hat, wobei die betreffenden Zahlen mit denen von Europäern vergleichbar sind. Diese Geschichte verleiht Hoffnung für die Länder, die politische Stabilität und beeindruckendes Wirtschaftswachstum erreicht haben.
Die Europäische Kommission, die sich dieser Herausforderungen bewusst ist, arbeitet mit einer Entwicklungspolitik, die Armut bekämpft, nachhaltige Entwicklung fördert und sich politischen Herausforderungen stellt, um Stabilität zu fördern. Die Kommission ist in diesem Zusammenhang auch der Strategie verpflichtet, die 1994 von der Weltbevölkerungskonferenz bestätigt und 1999 erneut korrigiert wurde.
Dank der Strategie umfasst das Konzept der Familienplanung nun auch reproduktive und sexuelle Gesundheit und die damit verbundenen Rechte. Das Konzept unterstreicht Menschenrechte, die Teilhabe der Frauen, die Wichtigkeit in Gesundheit und Ausbildung zu investieren sowie umfassende Dienstleistungen zum Schutz der reproduktiven Gesundheit für alle Betroffenen. Ganz besonders wirkt sich die Ausbildung von Frauen auf ihr reproduktives Verhalten aus.
Viele Studien haben die enge Beziehung zwischen Ausbildung und Fruchtbarkeit unterstrichen; sobald die Bildung steigt, beginnt die Geburtenrate zu fallen. Die Kommission wird in den Jahren 2007-2013 etwa 1,7 Mrd. EUR in allen ihren Programmen für Ausbildung bereitstellen. Im Allgemeinen haben wir uns definitiv verpflichtet, das Ausmaß und die Effizienz der kollektiven europäischen Hilfe für Gesundheitssysteme anzuheben, die flächendeckende Versorgung von grundlegenden Dienstleistungen anbieten inklusive der reproduktiven Gesundheit. In diesem Zusammenhang hat sich die Europäische Union in ihrem Maßnahmenkatalog für Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) verpflichtet, zusätzlich 8 Mrd. EUR beizutragen, von denen 6 Mrd. EUR nach Afrika für Gesundheitsmaßnahmen fließen, unter der Voraussetzung, dass alle Hilfsverpflichtungen vollständig erfüllt sind.
In Rücksichtnahme auf die Umweltbelastung ist es von äußerster Wichtigkeit, darauf zu achten, dass die Lebensgrundlage der Bevölkerung vor Ort nachhaltig ist. D. h. der Verwüstung sowie der Verarmung des Bodens vorzubeugen, die landwirtschaftliche Produktivität zu verbessern, die exzessive Ausbeutung von Biodiversität, Wäldern und anderen natürlichen Ressourcen wie Ozeanen und Binnengewässern aufzuhalten; und schließlich sicherzustellen, dass sich der Klimawandel innerhalb bestimmter Grenzen bewegt, sowie den afrikanischen Völkern dabei zu helfen, sich darauf einzustellen.
Die Kommission arbeitet gemeinsam mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union an einer Integrationsstrategie für die Umwelt, die gewährleisten soll, dass die Entwicklungszusammenarbeit diese Ziele unterstützt. Unsere Vorbereitungen für den Klimagipfel in Kopenhagen sind unter dieser Perspektive zu beurteilen.
Zurzeit arbeitet die EU mit der Afrikanischen Union und anderen regionalen Organisationen daran, deren Fähigkeiten zu stärken, Anliegen der Umwelt und des Klimawandels aufzugreifen. Es sollen wichtige Initiativen zur Verbesserung der Politikgestaltung auf dem Forstsektor unterstützt werden. Sie sollen durch Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel in diesem Sektor umgesetzt werden.
Fiorello Provera (EFD). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren. Meine Frage sollte einen besonderen Aspekt hervorheben: dass der Zuwachs der Weltbevölkerung Konsequenzen auf den Einsatz von Rohmaterialien und die Umweltverschmutzung hat. Dennoch ist besonders in den Entwicklungsländern der demographische Zuwachs enorm groß und zieht die üblichen sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen nach sich. Meine Frage ist: wäre es nicht möglich, Richtlinien für Hilfeleistungen in Entwicklungsländern in Verbindung mit Familienplanungsrichtlinien einzurichten, möglicherweise durch das System der Nichtregierungsorganisationen?
Andreas Mölzer (NI). - Ein interessantes Phänomen ist ja auch, dass zwei Drittel der Bevölkerung Afrikas in nur acht von 53 Staaten leben. Das Problem der Überbevölkerung Afrikas ist also klar auf einzelne Staaten eingrenzbar. Inwieweit fließen denn diese Tatsachen in die Entwicklungspolitik der Europäischen Union ein?
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. − Wir haben keine bestimmte Familienplanungspolitik, aber sie kann auf Anfrage der betreffenden Regierungen erfolgen. Zahlreiche Todesfälle unter Müttern sind das Ergebnis von Abtreibungen unter inakzeptablen Umständen. In Ländern, in denen Abtreibung legal ist, wird die Kommission auch diese Programme unterstützen. Ob wir nun derartige Maßnahmen ergreifen, hängt wirklich von den betreffenden Ländern ab.
Was Ihre zweite Frage betrifft: wenn Sie den afrikanischen Kontinent und die Geburtenrate betrachten, besteht, wie ich in der Einführung erklärt habe, eine deutliche Verbindung zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, dem Ausmaß der Urbanisierung und den Geburtenziffern. Das ist kein unbekanntes Phänomen. Wir sehen das in allen Ländern weltweit. Man kann hoffen, dass die Geburtenrate mit globaler Urbanisierung und höheren Zuwachsraten absinkt. Dieses Phänomen ist nicht, wie dies von der Frau Abgeordneten angedeutet wird, auf bestimmte Länder beschränkt. Es ist viel eher ein Phänomen, das mit der Entwicklung des betreffenden Landes in Verbindung steht.
Betrifft: Aussetzung der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien
Es gibt klare Hinweise darauf, dass in Kolumbien nach wie vor Gewerkschaftsaktivisten ermordet werden. Ist die Kommission angesichts dieses Sachverhalts und insbesondere angesichts der Tatsache, dass es im Jahr 2008 eine Zunahme dieser Morde um 25 % gab, bereit, eine Empfehlung zur Aussetzung der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien auszusprechen?
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Der Schutz der Menschenrechte steht bei den Beziehungen der Europäischen Union mit Kolumbien an erster Stelle. Wir verfolgen deshalb die Situation in Kolumbien sehr genau.
Wir sind uns der Schwierigkeiten für die Gewerkschaften in Kolumbien, der kontinuierlichen Ermordung von sowie der Drohungen gegen Gewerkschaftsführer und Mitglieder bewusst.
Die Informationen stammen von unseren Quellen, aus Berichten und Kommentaren, die von internationalen Körperschaften veröffentlicht wurden sowie aus meinen eigenen Diskussionen mit Körperschaften wie z. B. dem Europäischen Gewerkschaftsbund (ETUC).
Die effiziente Umsetzung der wichtigsten IAO-Konventionen bleibt nach wie vor ein ernstes Anliegen in diesem Land. Wir mahnen die Regierung permanent, die Anstrengungen zu intensivieren, die verletztlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen sowie alle Verstöße gegen Menschenrechte zu untersuchen und zu ahnden.
Jüngste Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschaftler waren das Thema von Demarchen vonseiten der Botschafter der EU-Troika in Bogota und kamen auch bei Besprechungen zwischen einflussreichen Amtsträgern der europäischen Union und Kolumbien zur Sprache.
Außerdem haben wir erst kürzlich einen bilateralen Dialog über Menschenrechte mit der kolumbianischen Regierung begonnen. Es ist dies eine Möglichkeit zu regelmäßigerem und systematischerem Austausch von Informationen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Menschenrechte und wird zu diesbezüglicher Zusammenarbeit beitragen.
Wir bemühen uns zusätzlich darum, weitere Garantien im geplanten Vielparteien-Handelsabkommen einzuschließen, um die Umsetzung von wichtigen Arbeits- und Umweltkonventionen in Kolumbien als Bestandteil des Verbands für nachhaltige Entwicklung zu erleichtern. Wir schlagen auch vor, dass Einrichtungen der Zivilgesellschaft die Umsetzung der Arbeitsgesetze überwachen. Wir hoffen, dass die Vereinbarung auf diese Art dazu beitragen wird, die Situation für Arbeitsrechtsaktivisten in Kolumbien zu verbessern.
Jim Higgins (PPE). – Ich weiß, dass Menschenrechte hohe Priorität haben, allerdings verstehe ich nicht, warum die Europäische Union, die sich selbst als Vorkämpfer für Menschenrechte in der Welt sieht, sogar nur mit dem Gedanken einer Handelsvereinbarung mit einem Regime wie Kolumbien spielt.
Seit Anfang Januar 2009 sind siebenundzwanzig Gewerkschafter ermordet worden. Diese Zahl spricht für sich selbst. Wie in der Vergangenheit bewiesen wurde, ist es das Beste, diese Länder wirtschaftlich zu strafen, wie das der Fall bei den Sanktionen gegen Südafrika war.
Ich glaube ernsthaft, dass wir statt eines Dialogs mit dem Land eine Delegation nach Kolumbien schicken sollten, um die Situation vor Ort direkt zu sehen. Wir sollten Beauftragte vor Ort haben. Wir sollten alle Wirtschaftsverhandlungen mit Kolumbien bis zu dem Zeitpunkt unterbrechen, bis wir sicher sein können, dass Menschenrechte dort wie in der restlichen Welt respektiert werden.
David Martin (S&D). – Ich bin sehr erfreut, dass Herr Higgins diese Frage gestellt hat. Er hat was die von ihm beschriebene Situation betrifft absolut Recht und Sie selbst, Herr Kommissar, haben die Fakten dieses Falls zur Kenntnis genommen.
Wird die Kommission angesichts dieser Tatsache, erstens das APS-Plus-Abkommen mit Kolumbien abbrechen und zweitens unsere Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen unterbrechen, bis die kolumbianische Regierung versichert, dass Gewerkschaftler, Menschenrechtsaktivisten und andere ihrer Tätigkeit in diesem Land sicher nachgehen können?
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Ich danke Ihnen beiden und ich verstehe die Leidenschaft und Tiefe Ihrer Gefühle. Ich bin nicht davon überzeugt, dass ein Abbruch der Verhandlungen das erreicht, was beide Herrn Abgeordneten zu erreichen hoffen. Ich glaube, wir müssen den Dialog fortsetzen, und weiterhin daran arbeiten, in unsere Diskussionen und was noch wichtiger ist, in unsere Vereinbarungen die absolute Sicherstellung dessen zu integrieren, wovon beide Abgeordnete gesprochen haben.
Das ist der Ansatz, den ich genommen habe. Und es liegt mir daran hinzuzufügen, dass das nicht bedeutet, dass ich diejenigen, die mit mir bereits darüber gesprochen haben, nicht eingeladen habe, durch ihren kontinuierlichen Beitrag sicherzugehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Natürlich werde ich die Entwicklung im Auge behalten, aber zurzeit ist das die Vorgehensweise, für die ich mich entschieden habe.
Die Wachstumsrate im internationalen Handel hat sich 2008 deutlich verlangsamt und ist 2009 noch einmal zurückgegangen, und zwar in einem Ausmaß, das weitaus größer ist als die Rezession in der Wirtschaftstätigkeit generell. Der Europäische Rat (Brüssel 19. und 20. März 2009) hat festgestellt, “dass freier und fairer Handel eine zentrale Voraussetzung für die weltweite Erholung der Wirtschaft ist“ und hat „in diesem Zusammenhang einen raschen Abschluss der bilateralen Handelsverhandlungen und der WTO-Doha-Entwicklungsagenda“ gefordert.
Kann die Kommission in diesem Zusammenhang mitteilen:
Welche Initiativen hat sie im Bereich Finanzierung des Handels ergriffen? Wie schreiten die laufenden Verhandlungen für den Abschluss von Handelsabkommen voran und wie beabsichtigt sie den Außenhandel der Europäischen Union zu beleben?
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Es ist natürlich wahr, dass der internationale Handel schwer unter der Krise leidet. Das Sekretariat der Welthandelsorganisation schätzt, dass das Welthandelsaufkommen 2009 um 10 % sinken wird, wobei die Industriestaaten einen Rückgang von 14 % und die Schwellenländer von etwa 7 % sehen werden. Deshalb sind ambitiöse Reaktionen erforderlich. Genau das haben wir getan, sowohl bei Handelsfinanzierungen als auch bei multilateralen und bilateralen Verhandlungen.
Wir haben gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zahlreiche wichtige Schritte unternommen, um die Verfügbarkeit der Handelsfinanzierung zu erleichtern. Wo Handelspartner keine Versicherung der Exportfinanzierung mehr leisten konnten oder wollten, haben Mitgliedstaaten über Exportkreditagenturen Unterstützung geboten.
Die Kommission hat in Bezug auf kurzfristige Versicherungsleistungen entschieden, vorübergehend die Bedingungen zu erleichtern, um eine derartige Hilfe anbieten zu können. Außerdem haben wir der vorübergehenden Entspannung der OECD-Vorschriften bei mittel- und langfristiger Kreditversicherung zugestimmt.
Auf multilateraler Ebene unterstützen wir die im Rahmen des G20-Gipfels gegenüber nationalen Exportkreditagenturen eingegangenen Verpflichtungen, vonseiten der Regierung ausreichende Kapazitäten für die Exportkreditversicherung verfügbar zu machen. Wir unterstützen ebenso die Bemühungen multilateraler Finanzorganisationen, neue Einrichtungen zur Handelsfinanzierung zur Verfügung zu stellen oder die bestehenden großzügiger zu fördern.
Zur Sicherstellung der Konsolidierung und Steigerung von Exporten führen wir weiterhin die verschiedenen Wirtschaftsverhandlungen fort, die wir eingegangen sind. Ich bitte die Abgeordneten zu bedenken, dass die Priorität an der multilateralen Front nach wie vor der ehrgeizige, ausgewogene und umfassende Abschluss der Doha-Runde ist. Das würde der ganzen Welt und natürlich der europäischen Wirtschaft große Vorteile bringen.
Die letzte Besprechung in Neu Delhi, an der ich teilnahm, hat neues politisches Momentum gebracht. In Verbindung mit dem bevorstehenden G20-Gipfel in Pittsburgh werden wir hoffentlich den Deal 2010 zu Ende führen können.
Wir rufen wichtige Partner der Welthandelsorganisation in den kommenden Monaten auf, die Besprechungen auf Basis des Pakets voranzutreiben, das vorläufig bis zu diesem Zeitpunkt verhandelt worden war. Wie den Abgeordneten bekannt ist, verfolgen wir zahlreiche bilaterale Vereinbarungen in diesem Zusammenhang.
Georgios Papastamkos (PPE). – (EL) Herr Präsident, unter dem Druck der Wirtschaftskrise führen viele Staaten Maßnahmen ein, um die heimischen Industrien zu beleben. Das letzte Beispiel dafür ist die Entscheidung von US-Präsident Barack Obama, Zoll für den Import von Reifen aus China zu erheben.
Hat die Kommission die Auswirkungen der Vorschriften unserer Handelspartner aus Drittländern auf europäische Exportartikel untersucht, z. B. die Kampagnen „Buy American“ oder „Buy Chinese“?
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Ich habe tatsächlich mit den USA und China, von wo ich letzte Woche zurückgekehrt bin, die besagten Kampagnen besprochen. Es handelt sich dabei um zwei sehr unterschiedliche Programme. Zumindest hat man mir das verlässlich mitgeteilt. Ich habe die Rechtsvorschriften für „Buy American“ gelesen. Ich mache mir um die Umsetzung dieses Programms durch einzelne Staaten der USA viel mehr Sorgen als um die eigentlichen Vorschriften.
„Buy Chinese“ ist ein anderer Vorschlag. Die Kommentare des Handelsministers, Chen Deming, sowie des Vizepremiers, Tang Jiaxuan, zum Ziel der Kampagne und zur Art wie europäische Unternehmen behandelt würden, haben mich letzte Woche in gewissem Umfang beruhigt. Ich bleibe dennoch wachsam, damit ich sicher sein kann, dass europäische Unternehmen weder direkt noch indirekt darunter leiden.
Was die gegenwärtige Position bezüglich der Reifen betrifft, denn ich denke, darauf bezieht sich der Abgeordnete, beobachten wir die Situation genau, um zu sehen, was diesbezüglich passiert. Der Abgeordnete weist zu Recht darauf als einen wichtigen Punkt hin, den wir beobachten müssen, um zu sehen, was passiert. Ich halte Sie darüber offensichtlich gerne auf dem Laufenden.
Der Präsident. − Aufgrund der Abwesenheit von Herrn Moraes fürchte ich, dass Frage 27 entfällt.
Betrifft: Vermarktung von europäischen Rind- und Lammfleischerzeugnissen
Welche Maßnahmen trifft die Europäische Union, um die Vermarktung von europäischen Rind- und Lammfleischerzeugnissen in Drittstaaten zu unterstützen? Beabsichtigt die Kommission, neue Initiativen auf den Weg zu bringen, um die Vermarktung dieser Erzeugnisse zu fördern?
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Wir arbeiten aktiv daran, sehr komplexe Hygienebeschränkungen in Angriff zu nehmen und dadurch den Verkauf von europäischen Produkten wie irisches Rind und Lamm zu fördern. Die Marktöffnungsstrategie und besonders die Partnerschaft der Marktöffnungsstrategie, die 2007 begonnen wurde, ist das Herzstück der Arbeit der Kommission in diesem Zusammenhang. Die Marktöffnungsstrategie schafft eine solidere Partnerschaft zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen, um die Auffindung, Analyse, Festlegung von Prioritäten sowie die Entfernung von Barrieren zu erleichtern.
Das Besondere dieser Strategie ist, dass es mithilfe der richtigen Mischung aus verschiedenen Instrumenten der Handelspolitik erfolgt. Das bedeutet, dass multilaterale und bilaterale Kanäle verwendet, sowie die formelleren mittel- und langfristigen Politikinstrumente mit politischen Kontakten und gemeinsamer Handelsdiplomatie vervollständigt werden.
Wir haben in den letzten Jahren unsere Bemühungen zur Marktöffnung maßgeblich intensiviert und einige Erfolgsberichte zeigen, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. So ist es uns z. B. gelungen, einige Länder dazu zu bringen, die Sperre von EU-Exporten von Fleisch wegen des Zwischenfalls der Dioxin- und PCB-Kontaminierung in Irland im Dezember 2008 aufzuheben. Erst vor kurzem konnten wir Saudi Arabien, Jordanien und die Philippinen für Rindfleischimporte aus der Europäischen Union öffnen und bestimmte SPS-Probleme in einer eher handelsfördernden Weise zwischen Ägypten und Israel behandeln.
Bei Ländern wie Indonesien, Malaysien und Korea üben wir weiterhin Druck auf verschiedenen Regierungsebenen aus, damit diese Länder ihre Gesetze stärker den Anforderungen der SPS-Vereinbarung sowie den internationalen Standards der Weltorganisation für Tiergesundheit anpassen. Wir haben rindfleischverarbeitende Unternehmen in der Europäischen Union aufgefordert, spezifische Anliegen zu nennen und Vorschläge zu machen, wie wir Barrieren in Schlüsselmärkten in Angriff nehmen könnten. Wir haben diesbezüglich kürzlich sehr positives Feedback erhalten. Eine Präsentation, die von einer irischen Unternehmensvereinigung zusammengestellt wurde, wird uns dabei unterstützen, Prioritäten zu setzen und mit unserer Arbeit fortzufahren.
Liam Aylward (ALDE). – Kann ich die Kommissarin fragen, ob Sie eine gründliche und vollständige Überprüfung des Budgets zur Nahrungsmittelförderung in Erwägung ziehen würde? Es besteht seit den 70er Jahren, ist sehr einengend und muss reformiert werden. Außerdem, würde die Kommissarin zustimmen, dass eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Nahrungsmittelsektors der Europäischen Union dazu beitragen wird, die Rezession für unseren Wirtschaftsraum zu beenden?
Seán Kelly (PPE). – Es ist allseits bekannt, dass europäische Rind- und Lammprodukte den höchsten Anforderungen entsprechen. Welche Maßnahmen werden von der Kommission ergriffen, wenn überhaupt, ähnliche Standards von Handelspartnern zu fordern? Ich meine da insbesondere Brasilien.
Catherine Ashton, Mitglied der Kommission. − Erstens bin ich mit dem bestimmten Gebiet, das vom Herrn Abgeordneten erwähnt wurde, nicht vertraut. Wenn Ihnen das recht ist, komme ich darauf später schriftlich zurück.
Allerdings stimme ich vollständig mit der Frage zu Wert und Bedeutung der Branche für die Europäische Union und den Handel überein. Es ist tatsächlich ein Bereich, in dem wir wachsamer sein und auf den wir uns konzentrieren müssen. Bei Handelsvereinbarungen arbeite ich sehr eng mit dem Kommissarin Fischer Boel zusammen, um sicherzugehen, dass der landwirtschaftliche Aspekt unserer Vereinbarungen echte Stärke und Chancen repräsentiert. Ich hoffe, dass der Herr Abgeordnete im Laufe der Verhandlungen deutlicher den Wert sieht, den wir dieser Angelegenheit beimessen.
Im Rahmen des Gegenseitigkeitsprinzips verhandeln wir mit und schulen Amtsträger von Drittländern, damit sie das System der Europäischen Union besser verstehen und dem Schutz eher vertrauen können, der den Konsumenten der Europäischen Union sowie denen in den Drittländern geboten wird.
Wir bestehen darauf, dass Drittländer ihre internationalen Verpflichtungen respektieren, vor allem das SPS-Abkommen mit der Welthandelsorganisation. Dadurch wird sichergestellt, dass bei der Festlegung von Anforderungen Drittländer internationale Standards respektieren und ihre Anforderungen auf wissenschaftlicher Basis formulieren.
Betrifft: Umweltbelastungen durch Braunkohlegewinnung in der Tschechischen Republik und in Mitteldeutschland
Wie beurteilt die Kommission die Umweltbelastungen durch Braunkohletagebau beziehungsweise Braunkohlekraftwerke in der Tschechischen Republik und in Mitteldeutschland und wie beurteilt sie – auch unter dem Sicherheitsaspekt – die Umsetzung von Plänen zur Stilllegung bzw. Renaturierung?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident, der vermutlich durch Bergbau und die Verwendung von Braunkohle in Kraftwerken angerichtete Umweltschaden ist ein Problem, das vom Gemeinschaftsrecht hinreichend aufgegriffen wurde.
Die Richtlinie über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie besagt, dass Einheiten, die diese Abfälle verarbeiten, über die entsprechende Genehmigung verfügen müssen, zu der ein Plan für die Abfallwirtschaft und ein Plan für die Schließung und Rehabilitierung der Anlagen gehört. Diese Anlagen müssen eine finanzielle Garantie leisten, durch die die Kosten der Rehabilitierung des Landes gedeckt werden.
Die Richtlinie plant Prüfungen durch die zuständigen Behörden und umfasst Verpflichtungen, die sich auf die Vorbeugung der Umweltbelastung von Luft, Wasser und Land beziehen. Diese Richtlinie wird seit Mai 2008 auf neue Anlagen angewendet. Bereits bestehende Anlagen müssen die Genehmigung gemäß der Richtlinie bis Mai 2012 einholen.
Die Mitgliedstaaten müssen auch bis Mitte des Jahres 2012 eine Liste zusammenstellen, die verlassene und stillgelegte Anlagen umfasst, die Umweltschäden verursachen oder verursachen könnten.
Die Regelvorschriften der Europäischen Union umfassen auch andere Richtlinien, wie z. B. die IPPC-Richtlinie und die Richtlinie über Großfeuerungsanlagen. Was die Umwelthaftung betrifft, liegt die Landrichtlinie dem Rat vor; allerdings gibt es noch keinen Fortschritt zu verzeichnen. Die wichtigste dieser Richtlinien ist natürlich die IPPC-Richtlinie, die Großfeueranlagen vorschreibt, eine Genehmigung einzuholen, die sich nach der Anwendung der besten Praktiken orientiert.
Gleichzeitig gibt die Richtlinie über Großfeuerungsanlagen Grenzwerte für Emissionen der wichtigsten atmosphärischen Schadstoffe vor. Wenn eine Anlage stillgelegt wird, schreibt die IPPC vor, dass der Betreiber Maßnahmen zur Vorbeugung von Umweltbelastungen ergreifen und Maßnahmen setzen muss, um das Gebiet zu rehabilitieren.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen bieten ein hohes Maß an Umweltschutz, falls es zu einem Ereignis eines potenziellen Umweltschadens durch mit Braunkohle betriebene Anlagen kommen sollte.
Was die Schließung der Anlagen betrifft, wird die jeweilige Entscheidung danach getroffen, ob die Anlagen die gesetzlichen Vorschriften einhalten.
Bernd Posselt (PPE). - Vielen Dank für diese präzise und umfassende Antwort! Ich hatte aber darüber hinaus konkret nach den Grenzgebieten gefragt, also Deutschland/Tschechische Republik, Deutschland/Polen, Polen/Tschechische Republik. Da gibt es besonders viele solche Fälle. Ich wollte fragen, ob Sie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Staaten als ausreichend ansehen und ob die Kommission hier, insbesondere in den Regionalprogrammen, auch grenzüberschreitende Maßnahmen unterstützt.
Stavros Dimas, Μitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident, es gibt sowohl für die Tschechische Republik nach 2007 als auch für Deutschland verschiedene Finanzierungsquellen. Ich muss Sie natürlich auch daran erinnern, dass aufgrund des Energie- und Klimapakets, das letzten Dezember bewilligt wurde, genügend Geld durch den Plan für den Handel von Treibhausgasemissionen verfügbar ist. Die diesbezügliche Vereinbarung schreibt vor, dass Treibhausgasemissionen um 50 % reduziert werden müssen, um den Klimawandel und andere damit in Zusammenhang stehende Probleme zu bekämpfen.
Das bedeutet, dass Anlagen, vor allem Braunkohleanlagen im Tagebau, die Umwelt und Natur zerstören. Dies erfolgt durch verschiedene Probleme, die nicht nur durch eine Störung des natürlichen Zustands des Landes sondern auch des Wassers aufgrund anderer Giftstoffe hervorgerufen werden. Dazu kommt noch die Bildung großer Mengen von Kohlendioxid, die Braunkohle aus dieser Perspektive zum schlechtesten Brennmaterial machen. Auf einer Skala von eins bis zehn ist Braunkohle vermutlich das schlechteste Brennmaterial hinsichtlich der Kohlendioxidemissionen. Ich möchte auch noch hinzufügen, dass Geld durch den Handel mit Emissionen generiert werden kann, und was Deutschland im Besonderen betrifft, wird dort eben in diesem Augenblick mit Emissionen gehandelt. Daher gibt es auch Geld aus dieser Quelle. Dazu gibt es auch noch die gemeinschaftliche Finanzierung, die ebenfalls zur Wiederherstellung der durch Bergbau verursachten Umweltschäden verwendet werden kann.
Regionale operationelle Programme haben von 2000-2006 Projekte finanziert, die Gebiete regenerieren sollten, die durch den Abbau von Braunkohle in gewissen Bundesstaaten im ehemaligen Ostdeutschland wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen schwer gelitten haben. Es wurden Vorkehrungen getroffen, dass diese Art der Hilfe in den betreffenden Programmdokumenten für den Zeitraum 2007-2013 fortgeführt wird.
In der Tschechischen Republik finanziert das regionale operationelle Programm für den Zeitraum von 2007-2013 Maßnahmen zur Wiederherstellung und Rehabilitierung verlassener Abbaugebiete. Das operationelle Programm „Umwelt“ umfasst als eine der Prioritäten die Regenerierung verlassener Abbaugebiete sowie die Zusammenarbeit zwischen Ländern und regionalen Organisationen, von der beide Seiten profitieren.
Der Präsident. − Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).
Das ist das Ende der Fragestunde.
13. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll