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Verfahren : 2009/2632(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0026/2009

Aussprachen :

PV 16/09/2009 - 15
CRE 16/09/2009 - 15

Abstimmungen :

PV 17/09/2009 - 4.6
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2009)0019

Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 16. September 2009 - Straßburg Ausgabe im ABl.

15. Lage in Litauen nach der Annahme des Gesetzes zum Schutz der Jugend (Aussprache)
Video der Beiträge
Protokoll
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  Die Präsidentin. − Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über:

- die mündliche Anfrage an den Rat von Frau Sophia in ’t Veld, Frau Jeanine Hennis-Plasschaert, Herrn Leonidas Donskis,Herrn Gianni Vattimo, Frau Sarah Ludford, Frau Ulrike Lunacek, Herr Raül Romeva i Rueda, Hernn Jean Lambert und Frau Judith Sargentini im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz bezüglich des litauischen Gesetzes zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (O-0079/2009 – B7-0201/2009),

- die mündliche Anfrage an die Kommission von Frau Sophia in ’t Veld, Frau Jeanine Hennis-Plasschaert, Herrn Leonidas Donskis, Herrn Gianni Vattimo, Frau Sarah Ludford, Frau Ulrike Lunacek, Herrn Raül Romeva i Rueda, Herrn Jean Lambert und Frau Judith Sargentini im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz bezüglich des litauischen Gesetzes zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (O-0080/2009 – B7-0202/2009),

- die mündliche Anfrage an den Rat von Herrn Rui Tavares, Frau Cornelia Ernst, Herrn Cornelis de Jong, Frau Marie-Christine Vergiat, Herrn Willy Meyer and Herrn Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke bezüglich des litauischen Gesetzes zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (O-0081/2009 – B7-0204/2009),

- die mündliche Anfrage an die Kommission von Herrn Rui Tavares, Frau Cornelia Ernst, Herrn Cornelis de Jong, Frau Marie-Christine Vergiat, Herrn Willy Meyer und Herrn Kyriacos Triantaphyllides im Namen der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke bezüglich des litauischen Gesetzes zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (O-0082/2009 – B7-0205/2009),

- die mündliche Anfrage an den Rat von Herrn Michael Cashman, Herrn Claude Moraes und Frau Emine Bozkurt im Namen der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament bezüglich des litauischen Gesetzes zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (O-0083/2009 – B7-0206/2009) und

- die mündliche Anfrage an die Kommission von Herrn Michael Cashman, Herrn Claude Moraes und Frau Emine Bozkurt im Namen der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament bezüglich des litauischen Gesetzes zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (O-0084/2009 – B7-0207/2009).

 
  
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  Sophia in 't Veld, Verfasserin. − Frau Präsidentin, ich finde, wir reden hier heute über ein sehr wichtiges Thema. Dabei geht es um europäische Werte. Wie haben eine mündliche Anfrage vorgelegt. Zudem haben wir eine gemeinsame Entschließung über das angeblich den Schutz der Jugend behandelnde litauische Gesetz verfasst. In Wirklichkeit bewirkt es das genaue Gegenteil, denn dieses Gesetz begünstigt möglicherweise Ignoranz, Tabuisierung und Stigmatisierung. Es wird junge und verletzliche homosexuelle bzw. transsexuelle Menschen Schikanen und Ausgrenzung aussetzen. Es wird daher zu unermesslichem Leid bei jungen Leuten führen, genau den Leuten, die dieses Gesetz vorgeblich schützen soll. Statt Schutz bringt es den jungen Leuten Unglück.

Deshalb haben wir diese Anfrage gestellt. Ich bin sehr froh darüber, dass wir im Sommer einen Brief von Herrn Kommissar Barrot erhalten haben, in dem er die Besorgnis der Europäischen Kommission über dieses Gesetz ausdrückt. Zudem teilt er mit, dass die Europäische Kommission das Gesetz genau im Auge behalten und die Übereinstimmung nationaler Rechtsvorschriften mit den europäischen Rechtsvorschriften und Prinzipien sicherstellen wird. Ich halte dies für sehr wichtig, denn die Europäische Kommission sollte nicht nur bei einer Verletzung von Binnenmarktvorschriften intervenieren, sondern auch, und zwar insbesondere, wenn europäische Werte missachtet werden. Wir können Diskriminierung nicht einfach hinnehmen. Europa ist eine Wertegemeinschaft – Werte, die meines Wissens von der Mehrheit unserer litauischen Mitbürger geteilt werden. Wir alle sind Europäer.

Was die Entschließung angeht, wehrte Kollegen, so möchte ich um Ihre ausdrückliche Unterstützung für die Entschließung bitten, insbesondere für die darauf abzielende Änderung, einen Verweis auf die bestehenden Antidiskriminierungs-Richtlinien einzufügen, denn dies ist meiner Meinung nach das absolut Mindeste. Ich bitte ebenfalls um Ihre Unterstützung für den Entschließungsantrag, die Agentur für Grundrechte um ein Rechtsgutachten zu diesem Gesetz zu ersuchen.

Schließlich bin ich der Meinung, dass wir als ein Europäisches Parlament – falls wir die Entschließung morgen annehmen stolz sein können, das Sprachrohr für die gemeinsamen europäischen Werte zu sein.

 
  
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  Ulrike Lunacek, Verfasserin. − Frau Präsidentin! Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, gefährdet dieses Gesetz, das in Litauen beschlossen wurde, die europäischen Werte, europäisches Recht, aber auch die Freiheit von Menschen, nämlich die Freiheit gerade von jungen Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell oder vielleicht auch transgender sind, ihr Leben ohne Angst leben zu können. Denn diesem Gesetz zufolge sind diesbezügliche sachliche Informationen für diese Jugendlichen angeblich schädlich. Ich kann Ihnen sagen, was das bedeutet: Es bedeutet, dass diese Jugendlichen in Angst leben müssen, möglicherweise Depressionen bekommen. Wir wissen, dass gerade bei jungen Menschen, die lesbisch oder schwul sind oder denen in dieser Coming-out-Phase unklar ist, wie sie leben werden, eine erhöhte Rate von Selbstmordversuchen zu verzeichnen ist.

Dieses Gesetz verstößt massiv gegen europäische Werte. Deswegen hat es mich gefreut, Kommissar Barrot, dass es von Ihnen schon im Juli eine Antwort gab. Sie haben auch dem europäischen Regionalverband des Internationalen Lesben- und Schwulenverbands (ILGA) geantwortet, dass die Kommission diesen Text analysieren und dann ihre nächsten Schritte darlegen würde. Mich interessiert heute: Was beabsichtigen Sie zu tun? Was haben Sie – und auch der Rat – schon gegenüber dem litauischen Parlament unternommen? Wir wissen, dass der frühere litauische Präsident und auch die neue Präsidentin, die früher Kommissarin war, dieses Gesetz nicht gutheißen. Aber das Parlament beharrt darauf. Ich bin froh, dass hier jetzt ein Vorschlag vorliegt, auch für eine Entschließung.

Ich hoffe sehr, dass wir alle gemeinsam morgen diese Entschließung annehmen und die Europäische Grundrechteagentur ersuchen können, zu diesem Gesetz Stellung zu nehmen, denn dafür ist sie da. Es müsste in diesem unserem gemeinsamen Europa mittlerweile ganz klar sein, dass lesbisches und schwules Leben nicht aus Familien und nicht aus Schulen verschwindet, nur weil ein Gesetz die Information darüber verbietet. Anderssein ist normal – auch in diesem unserem gemeinsamen Europa!

 
  
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  Rui Tavares, Verfasser.(PT) Meine Damen und Herren, zu Beginn dieses Gesetz steht der Anspruch, Kinder gegen das Propagieren von Homosexualität in öffentlichen Informationen schützen zu wollen. Was heißt das eigentlich? Bedeutet es, dass ich als Kinobesitzer in Vilnius nicht kein Poster für den Film Brokeback Mountain aufhängen kann, obwohl ich es vielleicht möchte? Heißt es, dass ich in einem öffentlich zugänglichen Raum, Theater oder einer Universität in Litauen nicht über Homosexualität referieren kann? Heißt es – wie bereits im litauischen Parlament erörtert –, dass ich gemäß den in Litauen derzeit diskutierten Änderungen des Strafgesetzbuches eine Geldstrafe von bis zu 1 500 EUR werde zahlen oder einen Monat lang gemeinnützige Arbeit werde leisten müssen? Kann zum Beispiel in einem Fernsehprogramm ein glückliches homosexuelles Paar gezeigt werden, oder dürfen nur unglückliche Paare auftreten?

Meine Damen und Herren, gerade das Datum, an dem diese Änderungen des Gesetzes über den Schutz der Jugend in Litauen verabschiedet wurden, hat mich erstaunt: Es war der 14. Juli 2009. Nun ist der 14. Juli natürlich der Tag, an dem wir uns hier das erste Mal im Rahmen dieser siebten Wahlperiode versammelt haben und auch der Tag, der den 220. Jahrestag unserer europäischen Grundsätze kennzeichnet, einschließlich des Rechts auf das Streben nach Glück, des Prinzips der Meinungsfreiheit und sogar des Prinzips der Versammlungsfreiheit. Auch diese Versammlungsfreiheit ist nun in Gefahr, denn das litauische Parlament hat kürzlich erneut die Möglichkeit diskutiert, Veranstaltungen wie Gay Pride-Märsche zu verbieten.

Nun, als wir uns hier am 14. Juli 2009 zum ersten Mal versammelt haben, geschah dies weil wir die Pflicht hatten – eine heilige Pflicht, würde ich sagen – diese Werte zu verteidigen, und es sind genau diese Werte, die auf dem Spiel stehen. Wir wissen, wie so etwas anfängt, und wir wissen auch, wohin es unabwendbar führt. Was werden wir als nächstes tun? Einen Ausschuss einsetzen, um zu bestimmen, was und was nicht als das Propagieren von Homosexualität gilt? Wo – in Büchern, Theatern, Kinos, in der Werbung?

Vilnius ist eine der diesjährigen europäischen Kulturhauptstädte, und zwar verdientermaßen sowie sicherlich sehr zur Freude aller Europäer. Der Status einer europäischen Kulturhauptstadt bringt auch Verpflichtungen mit sich: Die Verpflichtung allerdings, europäische Kultur in bester Absicht zu fördern und sie in diesem Jahr nicht aus den falschen Beweggründen ins Scheinwerferlicht zu rücken.

Ich rufe daher zu einer Stimmabgabe zugunsten unserer Entschließung auf und ersuche die Agentur für Grundrechte, ein Gutachten zu diesem sehr ernsten Thema zu erstellen. Das ist sicherlich das Mindeste, das die Mitglieder dieses Parlaments unternehmen können.

 
  
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  Michael Cashman, Verfasser. − Frau Präsidentin, als Homosexueller darf ich wohl sagen, stolz darauf zu sein, dass dieses Parlament und auch andere die Stimme gegen das geplante Gesetz erheben. Zweifelsohne wird das geplante Gesetz die EU-Menschenrechtsverträge verletzen, insbesondere Artikel 6, sowie die Beschäftigungsrahmenrichtlinie und die allgemeinen Strategien zum Diskriminierungsverbot. Interessanterweise verletzt es auch gegen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, indem es der Diskriminierung junger Lesbierinnen und Homosexueller Vorschub leistet. Wer wird also dadurch geschützt und wovor?

1998 brachten die britischen Konservativen ein ähnliches Gesetz in Großbritannien ein. Damals wie heute wurde erkannt, dass solche Gesetze zu Zensur führen sowie Diskriminierung und Homophobie fördern: Diskriminierung und Homophobie, die das Leben der Menschen zerstören und auch ihre Spuren in den Seelen der Täter hinterlassen. Das geplante Gesetz ist von nichtstaatlichen Organisationen, einschließlich des Internationalen Lesben- und Schwulenverbands, des Europarates und Amnesty International und Anderen verurteilt worden. Es greift junge Lesbierinnen und Homosexuelle an – Lehrer, Beamte – und könnte dazu herangezogen werden, jungen Menschen den Zugang zu allen Arbeiten von Homosexuellen oder Lesbierinnen – Filmen, Büchern, Theaterstücken, Kunstwerken – zu verwehren. Wird man versuchen, junge Menschen davon abzuhalten, die Werke von Plato, Shakespeare, Oscar Wilde, Walt Whitman, Tennessee Williams, Tschaikowsky und anderen zu lesen, die Musik von Elton John zu hören, oder Tennisasse wie Martina Navratilova zu Idolen zu machen? Es wird sogar die Art beeinflussen, wie junge und auch Menschen sonst sprechen, denken oder handeln. Und wozu? Junge Menschen benötigen Bildung anstatt Isolierung; sie müssen die Welt in ihrer ganzen Vielfalt verstehen und Respekt gegenüber denen, die anders sind, lernen. Die Liebe eines Menschen zu einem anderen wird nicht durch Geschlecht oder Sexualität gemindert: es bleibt Liebe.

Lesbierinnen und homosexuelle Männer sind gewöhnliche Männer und Frauen, die auf Grund der Besessenheit von Extremisten mit unserem Sexualleben und die Verleumdung, Lesbierinnen und homosexuelle Männer seien eine Gefahr für die Gesellschaft, zu etwas Außergewöhnlichem erhoben werden. Dies ist eine abscheuliche Verdrehung der Fakten. Zivilisierte Gesellschaften werden nicht danach beurteilt, wie sie ihre Mehrheiten, sondern wie sie ihre Minderheiten behandeln. Daher sage ich den Litauern und Menschen in ganz Europa: Lehnen Sie diesen gefährlichen Rückschritt in die Vergangenheit ab.

(Beifall)

 
  
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  Cecilia Malmström, amtierende Präsidentin des Rates.(SV) Frau Präsidentin, erlauben Sie mir, zu Beginn hervorzuheben, dass die Meinungsfreiheit und das Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und Geschlechtszugehörigkeit Meilensteine unserer demokratischen Gesellschaften sind. Unsere Union stützt sich auf verschiedene Prinzipien und Werte, und es wird erwartet, dass diese von allen Mitgliedstaaten hochgehalten werden. Wir können nicht auf die Achtung von Menschenrechten in anderen Ländern bestehen und uns dafür stark machen, wenn wir selbst nicht in der Lage sind, diese wesentlicher Grundsätze innerhalb der EU aufrecht zu erhalten.

Diese Grundrechte und insbesondere die Meinungsfreiheit sowie das Recht, nicht diskriminiert zu werden, würdigt Artikel 6 des Gründungsvertrages der Europäischen Union, weiterhin finden sie sich in den Artikeln 10 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zudem sind diese Prinzipien in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufgeführt. Auf Gemeinschaftsebene gibt es Rechtsvorschriften, um diesen Bereich abzusichern. Die Richtlinie 2000/78/EG verbietet eine Diskriminierung am Arbeitsplatz wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Im letzten Jahr hat die Kommission einen Vorschlag eingebracht, um diesen Schutz auf weitere Bereiche auszuweiten.

Dieser Vorschlag wird gegenwärtig im Rat diskutiert und das Parlament hat bereits eine befürwortende Stellungnahme abgegeben. Wir begrüßen diese Initiative und hoffen, dass sie in Kürze angenommen werden wird.

Hier geht es um Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene. Auf nationaler Ebene können Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften in dem Bereich Grundfreiheiten und -rechte beschließen, vorausgesetzt – und ich wiederhole: vorausgesetzt –, diese Rechtsvorschriften befinden sich vollständig im Einklang mit den primären und sekundären Rechtsvorschriften der Union und der Gemeinschaft, fallen in einen Bereich, in dem die Gemeinschaft keine ausschließliche Kompetenz hat und werden durch die Tatsache rechtfertigt, dass es auf Unions- bzw. Gemeinschaftsebene keine Rechtsvorschriften gibt.

Das umstrittene, im Juli vom litauischen Parlament angenommene Gesetz und der derzeit zur Diskussion stehende Änderungsvorschlag zum Strafgesetzbuch und Verwaltungsrecht erregen selbstverständlich große Besorgnis bei dem schwedischen Rastvorsitz. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass das Gesetz noch nicht in Kraft getreten ist.

Aus unserer Sicht missachtet ein Gesetz mit dem Anspruch, das Propagieren einer bestimmten sexuellen Ausrichtung zu verbieten, Grundwerte wie Meinungsfreiheit und die Tatsache, dass alle Menschen gleich sind. Diese Haltung hat der Ratsvorsitz bei Kontakten mit der litauischen Regierung wiederholt deutlich gemacht.

Was die von Mitgliedern in ihren Reden angesprochenen überwiegend rechtlichen Fragen angeht, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Rat hier keine förmliche Einflussnahme ausüben kann. Die Vereinbarkeit von nationalen Rechtsvorschriften mit den Verträgen ist weder eine Angelegenheit des Rates, noch der Agentur für Grundrechte. Es ist Aufgabe der Kommission zu beurteilen, ob ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen gemäß den Verträgen nachkommt. Dies beinhaltet nicht nur die Überwachung, ob die Rechtsvorschriften der Union und Gemeinschaft ordnungsgemäß umgesetzt und auf nationaler Ebene eingeführt werden, sondern auch die Sicherstellung, dass Primärrecht auf europäischer Ebene konsistent eingehalten wird. Um vorwegzunehmen, was Herr Barrot sicherlich sagen wird: Die Kommission kann geeignete Verfahren einleiten, wenn sie der Ansicht ist, dass von einem Mitgliedstaat primäre oder sekundäre Rechtsvorschriften nicht eingehalten werden.

Was Artikel 13 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft anbelangt, so wäre der Rat sehr beunruhigt, wenn ihm Fälle von Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zur Kenntnis gelangen würden. Es ist jedoch ein Vorschlag der Kommission erforderlich, um den Rat zu veranlassen, eine Diskussion einzuleiten, ob eine Diskriminierung stattfindet und welche Maßnahmen ggf. zu treffen sind. Ebenso kann der Rat gemäß Artikel 7 des Vertrages nur dann tätig werden, wenn ein Drittel der Mitgliedstaaten oder die Kommission einen solchen ordnungsgemäß begründeten Vorschlag vorbringen. Da das Gesetz noch nicht in Kraft getreten ist, ist kein entsprechender Vorschlag vorgelegt worden.

Ich kann den Mitgliedern versichern, dass das Thema der Diskriminierung von Menschen, die unter den Begriff LGTB fallen, auf der Agenda des schwedischen Vorsitzes steht. Wir werden anlässlich eines Gleichstellungsgipfels vom 16.-17. November in Stockholm darüber sprechen.

Selbstverständlich nehmen wir die Sorgen des Europäischen Parlaments sehr ernst. Es geht hier um die Achtung von Grund- und Menschenrechten. Formal gesehen, muss dieses Thema jedoch innerhalb des rechtlichen und institutionellen Rahmens behandelt werden. Als Vertreterin des Rates habe ich mich bemüht, die Fragen so genau wie möglich zu beantworten sowie die Grenzen aufzuzeigen. Ich freue mich darauf, die Standpunkte der Vertreter der Kommission in dieser Angelegenheit zu hören.

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, die Frau Ministerin hat die rechtlichen Aspekte dieses Problems hervorragend erläutert.

Ich möchte hierzu sagen, dass die Kommission wiederholt jegliche Form von Homophobie scharf verurteilt hat. Dieses Phänomen stellt eine ungeheuerliche Verletzung der menschlichen Würde dar. Namentlich am 23. April 2007, während der Plenarsitzung, in der die Entschließung zu Homophobie in Europa angenommen wurde, hat die Kommission diese Haltung vor dem Europäischen Parlament nochmals bekräftigt.

In Bereichen, die in unter die Zuständigkeiten der Gemeinschaft fallen, wird von der Europäischen Union die Achtung der Grundrechte verlangt, dasselbe gilt für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Unionsrecht. Hierbei handelt es sich um zwingende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.

Das litauische Gesetz zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen fällt weitgehend in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft, da seine Inhalte die Umsetzung der Richtlinien über audiovisuelle Dienste und über den elektronischen Geschäftsverkehr betreffen.

Daher hatte die Kommission die litauischen Behörden sogar schon vor der Annahme des Gesetzesentwurfes darüber informiert, dass bestimmte Maßnahmen in diesem Gesetz ernste Bedenken bezüglich deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten und dem Gemeinschaftsrecht hervorrufen würden. Trotz dieser Warnung scheint es, dass die aktuelle Fassung des am 14. Juli dieses Jahres angenommenen Gesetzes die seitens der Kommission zuvor zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen nicht zerstreut.

In diesem Zusammenhang kann die Kommission lediglich Vorbehalte äußern, und zwar ernste Vorbehalte, hinsichtlich der Vereinbarkeit dieses Gesetzes mit den Grundsätzen der Meinungsfreiheit, dem allgemeinen Diskriminierungsverbot und mit den Kinderrechten, einschließlich deren Recht auf Zugang zu notwendigen Informationen für ihre Entwicklung.

Die Kommission wird nicht zögern, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts und in diesem Zusammenhang natürlich auch der Grundrechte sicherzustellen.

Nach der Kommission übermittelten Informationen ist auf Initiative der Präsidentin, Frau Grybauskaitė, eine Arbeitsgruppe in Litauen gebildet worden, um zusätzliche Änderungen zu diesem Gesetz einzubringen. Diese Änderungsvorschläge müssten Ende Oktober erfolgen. Die Kommission wird selbstverständlich das Ergebnis der Arbeit dieses Ausschusses und den Inhalt der Änderungen abwarten, bevor sie eine endgültige Stellungnahme zu der in Kraft tretenden Gesetzesfassung abgeben wird. Ich kann in der Tat nur Frau Malmströms sehr klare Position unterstützen, dass es Aufgabe der Kommission ist, die Situation zu beobachten und letztendlich Sanktionen vorzuschlagen bzw. Verletzungen von Verordnungen der Europäischen Union und erst recht von Grundrechten zu ahnden.

Diese Informationen wollte ich Ihnen mitteilen und Ihnen zeigen, dass unsere Haltung in dieser Angelegenheit sehr eindeutig ist.

 
  
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  Vytautas Landsbergis, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, ungeachtet der Tatsache, dass es erst im März in Kraft treten wird, enthält das derzeit kritisierte und erörterte Gesetz nur eine einzige Zeile, in der das Propagieren von Homosexualität gegenüber Jugendlichen verboten wird; das ist der überaus störende Teil.

Die Präsidentin der Republik Litauen hat die Initiative ergriffen, indem sie unverzüglich klärende Änderungen vorgelegt hat. Somit rennt unsere Entschließung praktisch offene Türen ein. Was wir jedoch tun sollten, ist uns auf die Absicht des Parlaments zu konzentrieren.

Die Schlüsselwörter in der störenden Zeile über das Propagieren von Homosexualität gegenüber Jugendlichen sind „Propagieren“ bzw. „Jugendliche“ – und nicht „Homosexualität“, wie manche meinen. Der Möglichkeit eines direkten Propagierens gegenüber Jugendlichen wurde durch die Verabschiedung eines Gesetzes Rechnung getragen. „Propagieren “ stellt eine absichtliche Handlung dar, die über die derzeit im Rahmen der Sexualerziehung vermittelten einfachen und notwendigen Informationen hinausgeht, zu der es auch eine Toleranzklausel in Bezug auf homosexuelle Anziehung und Liebe geben sollte.

Wenn wir die Angelegenheit mit offenen Augen betrachten, kann das Propagieren von Homosexualität gegenüber Jugendlichen ziemlich oft deutlich mehr beinhalten, von der Ermutigung, es auszuprobieren, bis zu der Verführung von Jugendlichen, sogar für die homosexuelle Prostitution. Die Medien könnten von diesem Geschäft profitieren, möglicherweise indem sie das Propagieren gegenüber der Jugend weiter verbreiten.

Liebe Kollegen, Eltern und Großeltern, bitte hören Sie jetzt auf ihr Gefühl. Würden Sie es befürworten, ihren Nachwuchs all diesen Gefahren frei auszusetzen?

(Zwischenrufe aus dem Plenarsaal)

OK, bei Ihnen ist das der Fall.

Was, wenn er diesem speziellen „Propagieren “ regelmäßig und ohne Einschränkungen ausgesetzt ist? Es scheint, als müssten wir uns zwischen zwei Erwägungen entscheiden: zum einen – falls jemand durchtriebene Doktrinen mag – dem Recht der Kinder auf geistige Misshandlung, zum anderen dem Recht der Kinder auf Schutz vor Misshandlung. Die Selbstbestimmung der Kinder ist für ihre späteren Jahre geeignet.

Ich schlage vor, die sich sowohl auf die Konvention über die Rechte des Kindes als auch auf die Erklärung der Rechte des Kindes berufenden Haltungen zu unterstützen und Absatz 1, der im Augenblick irrelevant und daher unangemessen für Europas höchstes Parlament ist, zu löschen.

 
  
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  Claude Moraes (S&D). – Frau Präsidentin, Herr Landsbergis hat eine überhaupt nicht überzeugende Rechtfertigung dieses Gesetzes vorgebracht. Das hat mich erstaunt; ich dachte er würde stärker dafür eintreten. Der Rat und die Kommission haben ihre große Besorgnis zum Ausdruck gebracht, und das ist der richtige Weg. Antidiskriminierung und Meinungsfreiheit sind tragende Grundsätze im europäischem Recht.

Wie Herr Cashman zuvor erwähnte, gab es 1988 ein solches Gesetz in dem Mitgliedstaat, aus dem ich stamme, aber das ist nun Geschichte, und dieses Gesetz wird auch Geschichte werden, da die größte Stärke der EU in ihrer Eigenschaft als eine Wertegemeinschaft in unserem gemeinsamen Streben liegt, die Messlatte für Menschrechte und den Schutz unserer Grundfreiheiten immer höher zu legen. Ferner ist es schwierig, wenn ein Mitgliedstaat wegen einer möglichen Verletzung dieses Gesetzes im Mittelpunkt des Interesses steht, aber durch unsere Wertegemeinschaft können wir diese Gesetze analysieren und ebenso wie die Kommission und der Rat zum Ausdruck bringen, dass sie große Besorgnis bei uns hervorrufen.

Die Agentur für Grundrechte sollte ihre Arbeit tun und ihr Gutachten abgeben, laut Feststellung der Kommission und des Rates bestehen Probleme mit der Rechtslage, den Antidiskriminierungsgesetzen in der Europäischen Union. Wir sollten das, was wir haben, verteidigen und sicherstellen, dass die Sozialistische Fraktion gemeinsam mit unserer Schwesterpartei in Litauen dieses Gesetz verwerfen wird, und lassen Sie uns hoffen, dass dies auch geschehen wird – dass es in der Mottenkiste der Geschichte verschwinden wird.

(Beifall)

 
  
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  Leonidas Donskis, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, das litauische Gesetz zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen stellt sich in den Augen von Menschenrechtsverteidigern und Medienleuten in Litauen sowie darüber hinaus als übermäßig homophob und zutiefst undemokratisch dar.

Lassen Sie mich bitte Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass der frühere Präsident von Litauen,Valdas Adamkus, Veto gegen dieses Gesetz eingelegt hatte, er wurde jedoch von dem litauischen Parlament überstimmt. Darüber hinaus ist dieses Gesetz von der aktuellen Präsidentin von Litauen, Dalia Grybauskaitė, scharf kritisiert worden. Es wurde in den litauischen Medien, von Kommentatoren und Bürgerrechts- und Menschenrechtsverteidigern, die seinen homophoben Gehalt zusammen mit den außerordentlich gefährlichen politischen Begleiterscheinungen wie Zensur und Selbstzensur herausstellten, vehement verurteilt.

Wenn überhaupt, hat dieses Gesetz wenig mit dem Schutz von Kindern zu tun. Stattdessen richtet es sich gegen die homosexuellen und lesbischen Bürger des Landes. Wie auch immer der Fall gelagert ist, die Gleichsetzung von Homosexualität mit physischer Gewalt und Nekrophilie ist moralisch abstoßend und zutiefst verachtenswert. Trotzdem fällt es schwer zu glauben, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Verabschiedung eines solchen Gesetzes in einem EU-Land möglich ist. Für mich persönlich stellt dieses Gesetz gelinde gesagt einen unglücklichen Schachzug und ein schwerwiegendes Missverständnis dar.

Derzeit werden im litauischen Parlament Änderungen des Paragraphen 310 des Strafgesetzbuches und Paragraphen 214 des Verwaltungsgesetzbuches erörtert, die unter Androhung einer Geldstrafe, gemeinnütziger Arbeit oder einer Gefängnisstrafe die Kriminalisierung aller an dem Propagieren von Homosexualität in einem öffentlichen Raum beteiligten Personen zur Folge haben werden. Wenn dies kein Ruck in Richtung staatlich geförderter Homophobie und Kriminalisierung der öffentlichen Äußerung unserer homosexuellen und lesbischen Bürger ist, was ist es dann?

Zu guter Letzt ist dieses Gesetz eine Schande, der Versuch jedoch, es zu verschleiern, zu trivialisieren und im Grunde zu rechtfertigen, wäre noch erbärmlicher. Damit möchte ich sagen, dass ich die Entschließung voll und ganz unterstütze.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(ES) Meine Damen und Herren, dies ist ein entscheidender Moment im europäischen Integrationsprozess, denn noch bis vor kurzem hätten wir diese Art von Aussprache sicherlich nicht geführt. Der Grund dafür liegt schlicht und ergreifend in der Tatsache begründet, dass kein Parlament jemals die Verabschiedung eines solchen Gesetzes in Erwägung gezogen hätte.

Dies bedeutet, dass es sich hier nicht um eine interne Frage litauischer Politik handelt. Einfach gesagt, müssen wir die Schlussfolgerung ziehen, dass wir es hier mit einem Punkt zu tun haben, der den Fortbestand europäischer Glaubwürdigkeit direkt angeht. Kein Teil der Europäischen Union – und hier haben wir die drei Organe – kann es sich leisten, seine Stimme nicht zu erheben, derweil ein Mitgliedstaat Gesetze verabschiedet, die etwas so Universelles verfolgen und kriminalisieren wie das Recht, sich die Person, mit der man emotionale oder sexuelle Bindungen eingehen möchte, und zwar unabhängig von Alter und Geschlecht, selbst auszuwählen.

Herr Landsbergis, normal über Homosexualität, Bisexualität und Transsexualität zu sprechen, ist der beste Garant dafür, einem Kind die Möglichkeit zu geben, mit seiner oder ihrer Sexualität zu leben, mit Respekt vor der eigenen Person und der übrigen Gemeinschaft.

Dies ist wichtig, denn zur Zeit liegt uns besonders die Gewährleistung einer gesunden Entwicklung, ohne Zwang bzw. negative Klischees oder eine Kriminalisierung der Kindheit am Herzen. Genau das können wir schaffen, indem wir eine normale Aussprache über die Situation führen, so wie wir es gerade tun, und nicht auf Verbote bzw. eine Kriminalisierung zurückgreifen.

 
  
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  Konrad Szymański, im Namen der ECR Fraktion.(PL) Das Gesetz zum Schutz der Jugend in Litauen wurde aus Besorgnis über die emotionale und psychologische Entwicklung jüngster Konsumenten von Medien entworfen, deren Präsenz im Leben der Kinder zunimmt. Ein weiteres Anliegen der litauischen Gesetzgeber war, dass Kinder gemäß den Überzeugungen ihrer Eltern aufgezogen werden sollten. Meiner Ansicht nach würde keiner in diesem Parlament behaupten, hierbei handele es sich nicht um wichtige und brennende Fragen. Die Absichten verdienen Wertschätzung und keine Kritik, auch wenn es jetzt hauptsächlich nicht darum geht.

Kein Artikel dieses Gesetzes verstößt gegen europäisches Recht, und in den meisten Fällen berührt das Gesetz noch nicht einmal europäisches Recht. Die in der schriftlichen Anfrage angesprochenen Punkte fallen mit Bestimmtheit unter die Zuständigkeit nationaler Gesetze der Mitgliedstaaten. Niemand hat der Europäischen Union die Befugnis erteilt, in diesen Bereichen tätig zu werden. Das ist der wesentliche Grund, aus dem wir es ablehnen, diese Frage auf europäischer Ebene zu behandeln, und weshalb wir niemals einer gewissen Ideologie zustimmen werden, die eine Überschreitung der Befugnisse europäischen Rechts rechtfertigt.

Dies ist auch der Grund dafür, weshalb wir keine der in dieser Angelegenheit vorgebrachten Entschließungen unterstützen können.

 
  
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  Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(SV) Frau Präsidentin, hier geht es nicht um Ideologie. Meiner Meinung nach geht es um die Gleichwertigkeit aller Menschen. Auch ich möchte der Kommission und dem Rat für ihre außergewöhnlich klare Haltung danken. Ich bin davon überzeugt, dass Parlament, Kommission und Rat in Bezug auf diese Verletzung von Grundwerten jetzt im Einklang miteinander handeln.

Wir reden über die EU und die Achtung der EU vor grundlegenden Menschenrechten. Das muss auch für alle einzelnen Mitgliedstaaten gelten. In der Praxis laufen die geplanten Rechtsvorschriften Gefahr, alle Informationen, die mit lesbischen, homo-, bi- und transsexuellen Themen (LGBT) zu tun haben, für illegal zu erklären. Stellen Sie sich nur einmal vor, wenn es den Menschen plötzlich verboten wäre, für die Gleichheit aller Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Ausrichtung, zu kämpfen.

Es steht außer Zweifel, dass die geplanten Rechtsvorschriften einen Angriff auf die Menschenrechte darstellen. Ich möchte nicht einmal nachzählen, wie viele Menschenrechte betroffen sind. Ich möchte einfach kurz und bündig sagen: Diese Entschließung wird von mir nach besten Kräften unterstützt. Ich hoffe, dass sich das Parlament bei der Abstimmung zugunsten dieser Entschließung morgen so geschlossen wie möglich zeigen wird.

 
  
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  Véronique Mathieu (PPE).(FR) Frau Präsidentin, ich möchte vor allem unterstreichen, wie wichtig der Europäischen Union, dem Parlament und allen unseren Kolleginnen und Kollegen der Kampf gegen jegliche Form von Diskriminierung ist, insbesondere Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung.

Worüber sprechen wir heute? Wir sprechen über einen Gesetzesentwurf in Litauen, der ein Problem darstellt, ein so großes Problem, dass Frau Grybauskaitė sich eingeschaltet hat. Sie hat ihr Veto eingelegt; sie hat sogar eine Arbeitsgruppe gebildet, die uns Änderungsvorschläge unterbreiten wird. Daher habe ich vollstes Vertrauen in sie, und ich bin sicher, dass das Problem geklärt werden und der betroffene Mitgliedstaat eine Lösung für die schwerwiegende Problematik der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung finden wird. Wir haben Konsultationen geführt, einige Fraktionen haben eine Entschließung vorgeschlagen, und erfreulicherweise ist uns eine gemeinsame Entschließung gelungen. Daher bin ich überzeugt, meine Damen und Herren, dass diese gemeinsame Entschließung morgen angenommen und das Problem gelöst werden wird.

Natürlich ist der Schutz der geistigen und seelischen Gesundheit unserer Kinder wichtig, ich möchte Sie aber auch daran erinnern, dass der Kampf gegen jegliche Form sexueller Diskriminierung von zentraler Bedeutung ist. Darauf haben wir viele Jahre hingearbeitet. Wir haben die Agentur für Grundrechte. Diese hat einen Zweck. Wir haben für ihre Einrichtung gekämpft, und es kann heute keine Rede davon sein, sie aufzugeben oder auszuschließen.

Ich möchte Ihnen daher für Ihre Bereitschaft danken, diese gemeinsame Entschließung zu verabschieden. Ich danke all meinen Kolleginnen und Kollegen, die sich so intensiv bei den Verhandlungen eingesetzt haben. Es ist eine große Freude zu sehen, dass wir bei der Ausarbeitung dieser gemeinsamen Entschließung erfolgreich waren und ich hoffe, dass sie morgen in diesem Parlament verabschiedet wird.

 
  
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  Vilija Blinkevičiūtė (S&D).(LT) Ich begrüße die Initiative des Europäischen Parlaments, eine Aussprache über das auf Grund der Bemühungen litauischer Parteien des rechten Flügels verabschiedete Gesetz zum Schutz der Jugend vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen anzustrengen. Es ist bedauerlich, dass das Gesetz ohne hinreichende Erörterung und Bewertung seiner Übereinstimmung mit internationalem Recht und dem Recht der Europäischen Union verabschiedet wurde. Die Stimmen nichtstaatlicher Organisationen trafen ebenfalls auf taube Ohren. Unter dem Deckmantel des hehren Ziels, die Rechte von Kindern zu schützen, wurde hier in Wirklichkeit eine rechtliche Basis geschaffen, um die Gesellschaft zu spalten, Informationen einzuschränken und einzelne Gesellschaftsgruppen zu diskriminieren. Der frühere litauische Präsident hat gegen den Gesetzesentwurf Veto eingelegt, während die neue Präsidentin eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat, die dem Parlament im Laufe seiner Sitzungsperiode in diesem Herbst einen neuen Gesetzesentwurf vorlegen wird.

Ich hoffe, dass der politische Wille in Litauen ausreichen wird, um das Gesetz zu verbessern, zumal wir in der Verabschiedung und Umsetzung fortschrittlicher Gesetze in diesem Bereich Erfahrung haben. Dank der Bemühungen der litauischen Sozialdemokraten wurde vor sechs Jahren das Gesetz zur Chancengleichheit angenommen. Dieses verbietet jegliche direkte oder indirekte Diskriminierung wegen des Alters, der sexuellen Ausrichtung, einer Behinderung, der Rasse oder der ethnischen Herkunft in allen Lebensbereichen. Ein ähnlicher Richtlinienvorschlag wird derzeit im Ministerrat diskutiert. Diese Entschließung des Europäischen Parlaments dürfte das litauische Parlament dazu ermutigen, ein entsprechendes, die Menschen- und Freiheitsrechte achtendes Gesetz anzunehmen, in dem kein Platz für irgendeine Art von Diskriminierung ist, auch nicht für Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung.

 
  
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  Emine Bozkurt (S&D).(NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Frau Ministerin, meine Damen und Herren, wie Sie alle bin ich schockiert über die Tatsache, dass es in Europa ein Parlament gibt, welches nicht nur in der Lage ist, Verordnungen dieser Art vorzuschlagen, sondern auch diese tatsächlich zu verabschieden. Dieses Gesetz stellt nicht nur eine unerträgliche Verletzung der Rechte von Homosexuellen und Lesbierinnen in Litauen dar, es schadet auch erheblich der Stellung von Homosexuellen in ganz Europa. Das litauische Parlament gibt ihnen zu verstehen, dass ihre sexuelle Ausrichtung etwas ist, wofür sie sich schämen und wovor Kinder geschützt werden müssen.

Ich erwarte von der Kommission und dem schwedischen Ratsvorsitz, gegenüber dem litauischen Parlament keine Zweifel daran zu lassen, dass Grundwerte wie die Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot in Europa nicht verhandelbar sind – nicht jetzt, nicht in Zukunft und mit niemandem! Aus diesem Grund erwarte ich von dem Herrn Kommissar hier und jetzt das ausdrückliche Versprechen, dass die Kommission keinen Moment zögern wird, Litauen vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, falls dieses Gesetz in Kraft tritt.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE).(SK)Litauen hat ein Gesetz verabschiedet, das einen wichtigen Schutz für Kinder und junge Menschen gegen die externen Folgen von Informationen bietet, die ihrer weiteren Entwicklung möglicherweise gravierend schaden. Es ist unstrittig, dass die Sozial- und Familienpolitik unter die Zuständigkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten der EU fallen und daher kann Litauen durch keine europäische Initiative dafür verurteilt werden.

Das umstrittene Gesetz steht nicht im Widerspruch zu den internationalen Standards auf dem Gebiet der Menschenrechte. Ich habe mich mit dieser Frage befasst, und so liegen die Dinge. Ich bin ganz im Gegenteil davon überzeugt, dass das Gesetz die Abläufe stärkt, die Kinder davor zu schützen sollen, Informationen oder Bildern ausgesetzt zu werden, vor denen – und das möchte ich betonen – ihre eigenen Eltern sie schützen wollten.

Ich möchte auf eine einheitliche Anwendung des Subsidiaritätsprinzips drängen, welches von Irland in das dem Vertrag von Lissabon beigefügte Protokoll eingearbeitet wurde. Gleichwohl sind diese „Warnungen gegenüber Mitgliedsländern und Mitgliedstaaten“ in so deutlich sensiblen Bereichen wie die Familie ein ernst zu nehmender Präzedenzfall.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (S&D).(LT) Zum ersten Mal in der Geschichte des Europäischen Parlaments, in diesem hohen Haus, werden die Handlungen des litauischen Parlaments in einem negativen Zusammenhang erörtert. Egal wie unschuldig oder mit guten Absichten ausgestattet die Verfasser und Anhänger der erörterten Gesetze sind, sie haben uns bestimmt nicht den Weg ins Europa des 21. Jahrhunderts gewiesen. Meiner Meinung nach hat das übermäßige Vertrauen der Mehrheit im litauischen Parlament namens Seimas in den eigenen Gerechtigkeitssinn eine Rolle gespielt – uns kann keiner etwas vorschreiben, wir tun, was uns gefällt und scheren uns nicht um internationale Verpflichtungen. Diese Aussprache stellt eine sehr ernst zu nehmende Reaktion des Rates und der Kommission dar. Sie ist ein Warnsignal an die Gesetzgeber Litauens, dass wir keine Rückschritte beinahe ins Mittelalter machen dürfen, sondern in unseren Handlungen den Blick nach vorne richten müssen, indem wir von der Erfahrung und den Traditionen der Länder der Europäischen Union profitieren. Deshalb sind diese Diskussionen erforderlich, ebenso wie die Entschließung.

 
  
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  Cecilia Wikström (ALDE).(SV) Frau Präsidentin, alle Menschen sind von Geburt an gleich und haben den gleichen unantastbaren Wert. Daher muss das Parlament heute eindeutig klarstellen, dass wir über die Bürger Europas reden, ungeachtet des betroffenen Mitgliedstaates. Da die Grundwerte der EU Toleranz, Offenheit und Freiheit sind, freut es mich, dass der neu gewählte Präsident der Kommission heute seine Absicht deutlich gemacht hat, einen Kommissar zu ernennen, dessen Portfolio genau diese Menschenrechtsfragen und Fragen der Grundfreiheiten umfassen wird.

Es ist besonders bedauerlich, dass ein Land wie Litauen – welches ehemals Unterdrückung und Diktatur erfahren hat – nun als ein freier und unabhängiger Staat ein so verachtenswertes Gesetz, das für Zensur, Unfreiheit und Intoleranz steht, initiiert hat. Alle unter uns, die demokratische Prinzipien befürworten und etwas gesunden Menschenverstand haben, müssen dieses litauische Gesetz nun auf das Heftigste anprangern, und morgen müssen wir abstimmen. Die Mitglieder dieses Parlaments sollten sich gegenseitig daran erinnern, dass die Liebe das Größte ist.

 
  
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  Anna Záborská (PPE). (SK) 2006 wurde die Slowakei für das Ersuchen um Gewissensfreiheit verurteilt. Heute sieht sich Litauen mit der Gemeinschaft konfrontiert, weil das Land Kinder vor der Sexualisierung der Gesellschaft schützen möchte. Meiner Ansicht nach stellt diese Diskussion eine Verfälschung der Charta der Grundrechte dar, eines rechtsverbindlichen Dokumentes.

Dieses Parlament missachtet die Legitimität eines nationalen Parlaments, welches das Gesetz zweimal ohne Kritik angenommen hat. Dieses Parlament fordert ein Gutachten der Agentur für Menschenrechte. Die Agentur ist jedoch gar nicht befugt, die Auswirkungen nationaler Gesetze zu erforschen. Ich habe eine Frage: Was müssen wohl die Iren vor dem anstehenden Referendum denken? Sicherlich denken sie, dass schon in nicht allzu langer Zeit sie hier in diesem Parlament für ihre Gesetze zum Schutz der Familie und zum Schutz des Lebens kritisiert werden.

Ich bedauere, dass wir hier in diesem geschätzten Parlament nicht in der Lage sind, die europäischen Werte zu achten, nicht in der Lage sind, die Vielfalt und nationalen Kulturen zu achten, nicht in der Lage sind, den Schutz von Kindern und das Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder zu achten.

 
  
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  Cecilia Malmström, amtierende Präsidentin des Rates.(SV) Frau Präsidentin, die drei Organe haben in dieser Aussprache meiner Ansicht nach ihren Standpunkt sehr deutlich gemacht. Die Achtung von Menschenrechten, Toleranz, die Unantastbarkeit des Individuums und das Diskriminierungsverbot wegen – unter anderem – sexueller Ausrichtung sind Grundwerte des Projektes Europa und müssen dies auch bleiben. Die Mitgliedstaaten haben die Pflicht, sowohl diese Werte als auch die in diesen Bereichen in der EU derzeit geltenden Rechte zu beachten.

Der Ratsvorsitz ist hinsichtlich des umstrittenen Gesetzes sehr besorgt, wir wissen jedoch, dass es auch in Litauen Aussprachen und Kritik dazu gibt. Wie bereits erwähnt, hat Präsidentin Grybauskaitė – sie war zuvor Kommissarin und ist mit den Werten und Gesetzen der EU bestens vertraut – eigens ein Verfahren angestrengt, in dessen Verlauf dieses Gesetz überprüft und eine Vereinbarkeit mit den EU-Rechtsvorschriften erreicht werden wird. Ich bin außerordentlich erfreut darüber, dass die Kommission so klare Signale über die weitere Vorgehensweise ausgesendet hat, sollte das Gesetz entgegen allen Erwartungen in seiner ursprünglichen Form in Kraft treten.

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, ich stimme den Schlussfolgerungen der Frau Ministerin uneingeschränkt zu. Auch ich möchte einfach hoffen, dass die von Frau Grybauskaitė gebildete Arbeitsgruppe die Einführung eines Gesetzes, das in mancher Hinsicht mit europäischem Recht in Konflikt stünde, verhindern kann.

Einen Punkt möchte ich noch hervorheben: Unsererseits wurde befürchtet, dass einige Bestimmungen dieses Gesetzes bestimmten Richtlinien über audiovisuelle Dienste und den elektronischen Geschäftsverkehr widersprechen könnten. Eigentlich ist es nicht unsere Aufgabe, das unter die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallende Familienrecht zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund ist ersichtlich, dass alles zuvor und im Laufe der Aussprache gesagte eher auf nationaler Ebene bewertet werden sollte, in diesem Fall in Litauen.

 
  
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  Die Präsidentin. − Nach Beendigung der Aussprache habe ich fünf Entschließungsanträge erhalten(1), die gemäß Regel 115 der Geschäftsordnung eingereicht wurden.

Die Aussprache wied geschlossen.

Die Stimmabgabe findet morgen, Donnerstag, den 17. September 2009, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Carlo Casini (PPE), schriftlich.(IT) Mit meinem Urteil über den Entschließungsantrag zu dem Schutz der Jugend in Litauen möchte ich einer sehr ernsten Besorgnis auf institutioneller Ebene Ausdruck verleihen. Einzelne Abgeordnete oder politische Fraktionen beanspruchen oft für sich, die Innenpolitik einzelner Staaten betreffende Fragen anzusprechen: das erscheint falsch. In diesem Fall wird anscheinend mit dem löblichen Ziel des Schutzes der Jugend der Plan verfolgt, das Europäische Parlament dazu zu bewegen, eine überwiegend negative Stellung zu einem litauischen Gesetz zu beziehen dessen gesamter Inhalt nicht bekannt ist –, wobei so insgeheim eine Haltung auferlegt wird, welche die einzelnen Mitgliedstaaten eigentlich nach eigenem Ermessen bestimmen sollten. Ich darf vielleicht hinzufügen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dies wiederholt gefordert hat. Das Gleichheitsprinzip steht außer Zweifel, und niemand versucht, die Würde von Menschen mit bestimmten sexuellen Ausrichtungen in Frage zu stellen. Mein Vorbehalt ist institutioneller Natur, denn er betrifft die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und einzelnen Mitgliedstaaten.

 
  
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  Joanna Senyszyn (S&D), schriftlich.(PL) Laut europäischem und internationalem Recht besteht ein Diskriminierungsverbot. Die Verträge, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte enthalten diesbezügliche Bestimmungen. Kein Mitgliedstaat kann Gesetze erlassen, die im Widerspruch zu diesen Dokumenten stehen.

Das litauische Gesetz ist inakzeptabel, denn es ist absurd und seinem Wesen nach homophob. Homophobie ist eine Krankheit. Menschen, die Hass gegenüber Homosexuellen empfinden, verdienen kein Mitleid. Sie sind nur homophob, sondern zeigen vielmehr eine chauvinistische Einstellung in Bezug auf die sexuelle Ausrichtung. Und wie bei allen anderen Chauvinisten muss dem entgegengetreten werden bzw. es sind angemessene Gesetze gegen sie zu erlassen.

1990 hat die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und Gesundheitsprobleme genommen. Sie bestätigte zudem, dass die sexueller Ausrichtung in keiner Form eine Fehlsteuerung darstellt.

In allen Gesellschaften, einschließlich der litauischen Gesellschaft, gibt es Lesbierinnen, Homosexuelle und Bisexuelle. Ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt 4 bis 7 %. Sie stellen eine Minderheit dar, der sämtliche Rechte zustehen. Die Demonstrationen für Gleichberechtigung, welche manchen Menschen solche Probleme bereiten, werden unter anderem aus dem Grund organisiert, die Menschen an diesen wesentlichen Grundsatz der Gleichberechtigung zu erinnern.

Aus diesem Grund appelliere ich an den Rat und an den Ratsvorsitz, angemessene Schritte zu unternehmen, um Mitgliedstaaten an dem Erlass diskriminierender Rechtsvorschriften zu hindern. Wir müssen zeigen, dass die Europäische Union ein klares NEIN zu Diskriminierung und Intoleranz sagt.

 
  
  

VORSITZ: Diana WALLIS
Vizepräsidentin

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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