Die Präsidentin. – Nächster Punkt ist die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission (B7-0208/2009) von Herrn De Castro im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zur Milchwirtschaftskrise (O-0085/2009).
Paolo De Castro, Verfasser. – (IT) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, der Milchwirtschaftssektor durchlebt derzeit eine der schwersten Krisen der letzten Jahrzehnte. Die sinkenden Milchpreise und die allgemeine Krise des Milchmarktes sind mittlerweile zum Anlass großer Sorge für ganz Europa geworden. Es handelt sich um eine zyklische Krise, ausgelöst durch die schwierige Wirtschaftslage, die zu einer Abnahme des Milchkonsums und zur Stagnation der Märkte geführt hat, während die an die Erzeuger gezahlten Preise sich im freien Fall befinden.
Die Preise sind überall eingebrochen und liegen innerhalb der Europäischen Union nun bei durchschnittlich 24 Cent pro Liter. Vielen Wirtschaftsbeteiligten geht es noch schlechter, sie erhalten Preise von weniger als 20-21 Cent, wobei ihre Produktionskosten mindestens 40 Cent pro Liter betragen.
Auch andere Märkte, wie der Getreide-, Olivenöl-, Obst- und Gemüsemarkt, bieten Anlass zur Sorge. An dieser Front müssen wir zunächst einmal weiterhin sämtliche zu unserer Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um den Markt zu stabilisieren und einen Anstieg des Verbrauchs zu erreichen. Gleichzeitig müssen wir auch an die Zukunft denken und mittel- und langfristige Strategien entwickeln, und alles in unserer Macht Stehende tun, um zu angemessenen und dauerhaften Lösungen für eine Minimierung des Preisschwankungsrisikos zu gelangen.
Die Vorschläge der Kommission zur Verlängerung des Interventionszeitraums für Butter und Magermilchpulver sind innerhalb des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung begrüßt und einhellig angenommen worden, wie die einstimmige Stimmabgabe vom 2. September deutlich gezeigt hat. Wir sind jedoch überzeugt, dass diese Vorschläge nicht ausreichend sind, um die schwerwiegenden Folgen der Krise in diesem Sektor in den Griff zu bekommen. Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung hat daher im Zusammenhang mit der Annahme des Vorschlags der Europäischen Kommission einen Änderungsantrag zu meinem Vorschlag hinsichtlich der Wiedereinführung der Beihilfen für private Lagerhaltung von Käse, die im Rahmen des Gesundheitschecks der gemeinsamen Agrarpolitik im November 2008 abgeschafft wurden, angenommen.
Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, diese einhellige Entscheidung steht für die im Wesentlichen identische Sichtweise der einzelnen Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses, den zu leiten mir eine Ehre ist, und bringt unseren Wunsch zum Ausdruck, dem Rat und der Kommission in einer für diesen wichtigen Sektor der europäischen Landwirtschaft so heiklen Zeit ein deutliches Signal zu geben.
Neben einer ersten wichtigen Demonstration der positiven Führungsrolle, die wir als Europäisches Parlament im Hinblick auf die Mitentscheidung auch in Landwirtschaftsfragen einnehmen wollen, ist dies eine Maßnahme, die den Milchviehhaltern, die mit einer immer schwierigeren Marktlage und einem sichtbar dramatischen Preissturz zu kämpfen haben, sofortige Hilfe bieten kann.
Diese ersten Maßnahmen, über die wir heute abstimmen werden, sind jedoch nicht ausreichend, um die Erzeuger während der Krise zu unterstützen, weswegen der Landwirtschaftsausschuss in einer mündlichen Anfrage und einer Entschließung, über die wir demnächst abstimmen wollen, die Europäische Kommission auffordern wird, neue und wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise und Unterstützung des Sektors einzuleiten.
Wir möchten die Europäische Kommission im Entscheidungsprozess um die Maßnahmen zur endgültigen Überwindung der Krise der europäischen Milchwirtschaft motivieren und unterstützen. In diesem Sinne hoffen wir, dass die Kommission unsere Anfragen ausführlich beantworten wird und unsere Vorschläge ernst nimmt, damit die interinstitutionelle Zusammenarbeit zu den Ergebnissen führt, die die europäische Landwirtschaft braucht, und ihre Solidarität zeigt, indem sie den europäischen Landwirten, die jetzt unsere Hilfe brauchen, praktische Unterstützung bietet.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, bitte gestatten Sie mir, meine Redezeit von drei Minuten etwas zu überziehen, denn ich denke, dass drei Minuten für ein so wichtiges und ernstes Thema nicht ausreichend wären.
Lassen Sie mich eingangs sagen, dass ich mich sehr über die Anfragen des Landwirtschaftsausschusses gefreut habe, weil mir das Gelegenheit gibt, zu erläutern, welche Maßnahmen bereits ergriffen worden sind.
Ich möchte auch dem Parlament für seinen anhaltenden Einsatz in diesem Bereich danken. Wir sind alle dazu verpflichtet, Lösungen zu finden. Sie sind es, und ich bin es.
Nicht alle sind mit meinen Lösungsvorschlägen einverstanden, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie funktionieren werden, jetzt und in der Zukunft, und dass wir diese Lösungen auch aus politischer Sicht rechtfertigen können.
Herr Paolo De Castro ersuchte uns im Namen des Ausschusses, zu erklären, woran wir gerade arbeiten. Gleich zu Beginn die gute Nachricht: Die Preisentwicklung stellt sich positiv dar. Innerhalb eines Monats stiegen zum Beispiel die Butterpreise in Frankreich um 4 %, in Deutschland um 8 % und im Vereinigten Königreich sogar noch mehr an.
Magermilchpulver ist in Frankreich und Deutschland ebenfalls um 4 % und europaweit durchschnittlich um 23 % gestiegen.
Die durchschnittlichen Milchpreise sind angestiegen, und Albert Deß erzählte mir heute Morgen, dass die Spotmarktpreise in bestimmten Regionen nun bei 30 Cent liegen.
Die Interventionsankäufe von Käse wurden beinahe eingestellt, weil der Marktpreis höher liegt als der Interventionspreis, ein weiteres positives Signal.
Wir befinden uns noch nicht dort, wo wir hin wollen, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Dies macht mich zuversichtlicher denn je, dass der politische Kurs, den wir von Anfang an eingeschlagen haben, der richtige ist.
Sie kennen die wesentlichen Punkte unserer Arbeit. Wir haben alle zur Verfügung stehenden Marktmaßnahmen genutzt und werden dafür voraussichtlich über einen Zeitraum von 12 Monaten rund 600 Mio. EUR aufwenden.
Wir haben die Mitgliedstaaten auf die Möglichkeit hingewiesen, die Direktzahlungen der Betriebsprämien für Landwirte schon ab 16. Oktober anstatt ab 1. Dezember einzuführen, und im Rahmen der Reform 2003 beschlossen, die Milchprämie – 5 Mrd. EUR jährlich – abzukoppeln und sie direkt in die Betriebsprämienregelung aufzunehmen.
Es gibt das Konjunkturpaket und die Bestimmungen des Gesundheitschecks, die weitere 4,2 Mrd. EUR für die neuen Herausforderungen, darunter die Umstrukturierung des Milchsektors, vorsehen. Das sind natürlich nur einige der Maßnahmen, die wir im Rahmen der Gemeinschaftspolitik zur ländlichen Entwicklung bereitstellen können.
Nur zur Erklärung für Herrn Paolo De Castro: Die Interventionen für Käse wurden 1994 abgeschafft. Ich denke, dass hier Interventionen und private Lagerhaltung miteinander verwechselt wurden, denn die private Lagerhaltung wurde mit den Bestimmungen des Gesundheitschecks abgeschafft.
Wie ich bereits sagte, unser derzeitiger Ansatz scheint zu funktionieren. Ich bin aus diesem Grund vehementer denn je dagegen, zu Vergangenem zurückzukehren, denn damit würde unser Milchsektor langfristig geschädigt und unsere Milchbauern über die Zukunft im Ungewissen gelassen.
Mit anderen Worten, hinsichtlich der im Rahmen des Gesundheitschecks gefassten Beschlüsse eine Kehrtwendung zu machen, kommt nicht in Frage und ist etwas, das der Europäische Rat und die Staatschefs mich ausdrücklich baten, zu verhindern.
Das Quotensystem auch nach 2013 beizubehalten, steht nicht zur Debatte. Die Quoten auf Eis zu legen, steht nicht zur Debatte, ebensowenig eine Rückkehr zu gewissen teuren aber ineffizienten Marktinstrumenten der Vergangenheit. Das kommt alles nicht in Frage.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass aus politischer Sicht nichts mehr zu tun wäre. Ich denke, die Zeit ist reif für weitere Maßnahmen. Wir müssen uns wieder dem Bericht über den Milchsektor von vergangenem Juli zuwenden, die darin vorgesehenen Maßnahmen umsetzen und dann auf längere Sicht weitere Maßnahmen beschließen.
Um mit dem Bericht zu beginnen, lassen Sie mich zuerst auf die staatlichen Beihilfen eingehen. Der Bericht enthielt den Vorschlag, dass die Mitgliedstaaten während der Krise den Landwirten vorübergehend Beihilfen in der Höhe von bis zu 15 000 Euro gewähren könnten. Die Kommission hat diesen Vorschlag aufgegriffen und sieht vor, die Bestimmungen in den kommenden Wochen entsprechend zu ändern.
Zweiter Punkt ist die Optimierung der Verfahren in Bezug auf die Preise im Milchsektor. Derzeit ist Milch nicht in Artikel 168 der einzigen gemeinsamen Marktorganisation erfasst. Dieser Artikel ermöglicht es der Kommission, eigenmächtig und kurzerhand vorübergehende Maßnahmen bei auftretenden Marktstörungen zu ergreifen. Ich schlage daher vor, dass wir Artikel 186 auf den Milchsektor ausweiten, was uns in Zukunft die Möglichkeit geben wird, rasch zur Tat zu schreiten, wenn wir auf ernste Probleme im Milchsektor stoßen.
Die kürzlich erfolgte Verlängerung der Interventionen musste zum Beispiel vom Rat genehmigt und auch vom Parlament angenommen werden. Wenn der Milchsektor hingegen unter diesen Artikel 186 gefallen wäre, hätten wir sofort handeln können.
Alles in allem könnten wir praktisch unverzüglich Maßnahmen zur Stimulierung der Nachfrage bündeln oder die Vermarktung von Milch einschränken und all dies nur vorübergehend einführen, vorausgesetzt, uns stehen ausreichend finanzielle Ressourcen zur Verfügung.
Der dritte Punkt im Hinblick auf den Bericht betrifft die Ankaufprogramme der Mitgliedstaaten. Eine Möglichkeit der Umstrukturierung ist der Aufkauf von Quoten der Landwirte durch die Mitgliedstaaten und die Integrierung dieser Quoten in die nationale Reserve.
Wie Sie wissen, zählt die nationale Reserve gewissermaßen zum Gesamtquotenanteil der einzelnen Mitgliedstaaten. Wenn also einzelne Erzeuger ihre Quote überschreiten, die gesamten Mitgliedstaaten ihre Quote, einschließlich der nationalen Reserve, jedoch nicht überschreiten, dann muss keine Zusatzabgabe entrichtet werden.
Was ich vorschlage ist, dass diese aufgekauften und in der nationalen Reserve befindlichen Quoten nicht zur nationalen Quote gezählt werden, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob wir von den Landwirten die Zusatzabgabe verlangen sollen oder nicht.
Sollte die Zusatzabgabe dann doch eingefordert werden, könnte der den aufgekauften Quoten entsprechende Teil für Umstrukturierungen verwendet werden. Das klingt vielleicht alles etwas kompliziert, aber es ist tatsächlich ein sehr effizientes Verfahren.
All diese Maßnahmen wirken sich beinahe umgehend auf den Markt aus, wir müssen jedoch auch mittel- und langfristige Schritte ergreifen. Ich möchte Frankreich und Deutschland für ihre Ideen und ihren Input bei diesen schwierigen Fragen danken.
Eine erste langfristige Maßnahme wäre es, die vertraglichen Beziehungen zwischen den Milchbauern und der Milchindustrie zu nutzen, um ein besseres Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot auf dem Milchmarkt herzustellen.
Ich denke, dass dies ein viel besserer Ansatz als das Quotensystem ist, und er funktioniert in einigen Teilen der Europäischen Union bereits.
Milcherzeuger und Molkereien verfügen über klare Abmachungen, was viele Unklarheiten beseitigt. Andererseits ziehen manche Mitgliedstaaten diese Möglichkeit gar nicht in Betracht, was sich jedoch ändern könnte, wenn ein rechtlicher Rahmen für diese vertraglichen Beziehungen ausgearbeitet würde, natürlich unter Gewährleistung des fairen Wettbewerbs.
Bei der zweiten langfristigen Maßnahme geht es um die Machtverteilung, und wie Sie wissen, haben wir diese Diskussion schon sehr oft geführt. Wir müssen in der Lage sein, zu erkennen, wohin innerhalb der gesamten Kette, vom Haupterzeuger bis zu den Supermärkten, der Mehrwert verschwindet.
Wir werden uns ferner mit Zukunftsmärkten auseinandersetzen und, um zum Schluss zu kommen, ich denke, dass hinsichtlich Produktionskosten und Innovation noch viel getan werden kann.
Um diese mittel- und langfristigen Möglichkeiten genau zu evaluieren, möchte ich eine Arbeitsgruppe mit Experten aus den Mitgliedstaaten und der Kommission einrichten, die sich eingehend mit dieser Thematik auseinandersetzen sollen.
Das Problem des Milchmarktes betrifft meiner Meinung nicht nur die Kommission und die Mitgliedstaaten. Gerade das Parlament spielt auch eine wesentliche Rolle, und ich bin schon gespannt auf die heutige Debatte zu diesem wichtigen Thema.
Vielen Dank für Ihre Geduld.
Albert Deß, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich äußerst schwierig, diese Problematik in zwei Minuten darzustellen, doch ich will es stichpunktartig versuchen.
Die Milchwirtschaft ist in einer schwierigen Situation. Viele Milchbauern sind in einer existenzgefährdenden Lage. Hauptursache dafür ist ein massiver Absatzeinbruch bei den Milchprodukten. Hier hätte die Kommission etwas schneller reagieren müssen.
Ich hätte auch stärkere absatzfördernde Maßnahmen anstelle von größeren Interventionsmengen bevorzugt, wie etwa, dass Butterfett wieder in der Speiseeisindustrie verwendet wird. Voriges Jahr, als der Butterpreis kurzfristig mehr als 4 Euro betrug, ist die Speiseeisindustrie weitgehend aus der Verarbeitung von Butterfett ausgestiegen. Aus Deutschland sind mir Zahlen bekannt: Es geht dort um etwa 100 000 Tonnen, die die Lebensmittelwirtschaft nicht mehr verarbeitet hat, das entspricht einer Million Tonnen Milch. Hier müssen wir versuchen, den Absatz wieder anzukurbeln, damit diese Mengen vom Markt sind.
Ich bedanke mich heute bei den Fraktionen, die an der Ausarbeitung unseres Gemeinsamen Entschließungsantrags mitgewirkt haben. Leider hat sich die Fraktion der Grünen an dieser Diskussion nicht beteiligt.
Frau Kommissarin, wir fordern als kurzfristige Maßnahme eine Anhebung der De-minimis-Beihilfen gemäß einem Zusatzantrag, der mit 40 Unterschriften eingebracht worden ist, weil dies eine Möglichkeit wäre, gerade auch den kleineren Milchbauern zu helfen. Sinnvoll wäre es auch, eine Vorruhestandsregelung einzuführen. Ich kenne viele Landwirte, die 58 Jahre alt sind und demnächst aufhören wollen. Hier wäre eine entsprechende Regelung notwendig.
Frau Kommissarin, herzlichen Dank für Ihre Arbeit! Ich bitte Sie, sinnvolle Regelungen zu finden, die die Situation unserer Milchbauern verbessern. Vielleicht haben Sie noch Gelegenheit, dies in nächster Zeit nachzuholen.
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Luis Manuel Capoulas Santos, im Namen der S&D-Fraktion,. – (PT) Frau Kommissarin, es hat lange gedauert, bis Kommission und Rat auf die ernste Krise in diesem Sektor reagiert haben. Darin sind wir uns alle einig. Die entsetzliche Lage, in der sich der Sektor befindet, erfordert rasches und entschlossenes Handeln, sonst kann es passieren, dass viele tausende Landwirte in ganz Europa in den Ruin schlittern.
Meine Fraktion hat sich sehr bemüht, den in der heute besprochenen Entschließung enthaltenen Kompromiss zu erreichen. Ich hoffe, dass die Vorschläge bei Ihnen, Frau Kommissarin, Anklang finden, denn nur durch eine Verringerung des Angebots und gleichzeitige Ankurbelung der Nachfrage wird es möglich sein, das Gleichgewicht auf dem Markt wiederherzustellen und die Preise für die Erzeuger rentabel zu gestalten.
Ich finde es schade, dass der Kompromiss nicht die vorübergehende Aufhebung der erhöhten Quoten oder die Einführung einer ebenfalls vorübergehenden Prämie zur Verringerung der Produktion enthält. Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen stellen jedoch einen wertvollen Beitrag zu einer raschen Überwindung der Krise dar. Es liegt nun an Ihnen, Frau Kommissarin, die nächsten Schritte zu ergreifen.
George Lyon, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, wie wir bereits von anderen Rednern gehört haben, befindet sich der Milchsektor in einer Krise. Es steht außer Zweifel, dass wir Maßnahmen treffen müssen, um die Sorgen der Betroffenen zu lindern, aber ich möchte entschieden darauf hinweisen, dass dies eine kurzfristige Krise ist, die, wie bereits in der Entschließung festgehalten, von der Kommission ausgehende kurzfristige Marktmaßnahmen erfordert.
Wir müssen einsehen, dass die europäischen Verbraucher viel zu lange für eine nicht funktionierende Agrarpolitik gezahlt haben, die sowohl Landwirte als auch Verbraucher geschädigt hat. Diese Krise sollte also nicht als Entschuldigung dafür herhalten, dass wir von einer weiteren Reformierung und Liberalisierung der GAP ablassen. Aus diesem Grund haben wir Änderungsanträge eingebracht, und ich freue mich über Ihre diesbezüglichen bestätigenden Worte.
Wir wollen ferner, dass die Kommission ihren Schwerpunkt auf eine Marktbereinigung legt, worin sie derzeit eindeutig scheitert. Die Verbraucher werden benachteiligt, weil ihnen aus den sinkenden Milchpreisen keine Vorteile erwachsen. Und die Landwirte müssen Verluste hinnehmen, weil sie keinen gerechten Anteil am Einzelhandelsmilchpreis erhalten. Wir begrüßen das Interesse der Kommission für die Lebensmittelkette, aber, Frau Kommissarin, wir wollen nicht, dass Sie es dabei belassen.
Werden Sie sich zu Maßnahmen bekennen, die den Supermärkten den Missbrauch ihrer Monopolstellung verbieten? Werden Sie sich zu einem wettbewerbsfähigen Markt bekennen, der Erzeugern einen gerechten Anteil am Kuchen ermöglicht, und werden Sie sich zu einem funktionierenden Milchmarkt bekennen, der den Landwirten faire Abmachungen und den Verbrauchern faire Preise bietet?
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort, Frau Kommissarin.
José Bové, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, seit Monaten warnen Tierhalter die Kommission und den Rat vor dem Ausmaß der Krise. Zehntausende Arbeitsplätze sind im ländlichen Raum verloren gegangen. Die Europäische Union hatte mit einem Anstieg der weltweiten Nachfrage gerechnet. Ihre Experten lagen völlig daneben. Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die wir derzeit durchleben, hat direkte Auswirkungen auf die Landwirtschaft und den Verbrauch.
Die Entscheidung von Frau Boel, der Landwirtschaftskommissarin, bei der Anhebung der Quoten zu bleiben, und der Wunsch des Rates, die Quoten bis 2015 abzubauen, sind für die Milcherzeuger eine reine Provokation. Die Zeiten haben sich geändert. Die europäischen Strategien müssen den neuen globalen Bedingungen angepasst werden. Die den Erzeugern auferlegten Milchpreise können die Produktionskosten nicht decken. Mit jedem Liter Milch machen Kleinlandwirte bis zu 30 Cent Verlust. Ende des Jahres werden viele von ihnen nicht auch nur einen Euro an Gewinn erwirtschaftet bzw. sogar Geld verloren haben. Einige von ihnen gehen, wie wir von regionalen Beamten erfahren haben, heute sogar so weit, sich das Leben zu nehmen.
In Anbetracht dieser nie dagewesenen Krise muss die Europäische Union bedeutende Schritte ergreifen, und zwar schnell. Wir rufen die Staats- und Regierungschefs, die heute Abend zusammentreffen werden, um sich auf den G20-Gipfel vorzubereiten, auf, die Milchkrise in die Agenda für ihr Treffen aufzunehmen, damit auf die Situation der Tierhalter mit angemessenen Schritten reagiert werden kann.
Die Europäische Union muss das Verhandlungspotenzial der Milcherzeuger erhöhen, damit sie nicht länger dem Diktat der Lebensmittelindustrie unterliegen. Es sollte außerdem ein Sicherheitsnetz zur Gewährleistung einträglicher Preise eingerichtet werden, damit der Preis nicht unter die Produktionskosten fallen kann. Die Europäische Union muss ihr Programm der Ausfuhrerstattungen stoppen. Sie hat vor Kurzem die gewaltige Summe von 480 Mio. EUR aufgewendet, um ihre Überschüsse billig auf den Weltmärkten verkaufen zu können, und erhielt dabei die Unterstützung verschiedener, sowohl rechter als auch linker Fraktionen des Parlaments. Sie zerstört hunderttausende Arbeitsplätze in der südlichen Landwirtschaft und drängt zynischerweise Landwirte dazu, ihren Grund aufzugeben oder auszuwandern.
Zuallererst muss die Europäische Union die europäischen Milchquoten drastisch reduzieren, und zwar um 5 %, damit sie im umgekehrten Verhältnis zum Produktionsvolumen der Kleinlandwirte stehen, um das Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot schnell wiederherzustellen. Eine Politik des „Laissez-faire“ ist inakzeptabel. So etwas hätte schlimme Folgen für Beschäftigung und Bodennutzung.
Ohne Kleinlandwirte kein Europa.
James Nicholson, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich habe sehr stark das Gefühl, dass die Kommission zu spät auf dieses spezielle Problem reagiert hat. Sie hat zu lange tatenlos zugesehen, und viele Landwirte mussten deswegen schwer leiden. Wir können uns entweder dafür entscheiden, der Industrie zu helfen oder unsere Landwirte ihre Betriebe einstellen zu lassen. Dann könnten wir alles aus dem Ausland beziehen, mit allen daraus resultierenden Problemen.
Ich begrüße Ihre Ausführungen über die Zukunft, Frau Kommissarin, aber ich bin nicht glücklich mit Ihren kurzfristigen Plänen. Ich denke, wir müssen mehr auf kurze Sicht tun, um diesen Wirtschaftszweig durch die gegenwärtige Krise zu bringen. Solche kurzfristigen Maßnahmen erfordern unverzügliches Handeln.
Ich erinnere mich natürlich an die Zeit der Milchseen und Butterberge, und ich will keinesfalls dahin zurück. Ich denke, keiner von uns möchte zu dieser Situation zurück: weder die Landwirte, noch die Verarbeiter, noch die Kommission oder wir in diesem Parlament. Wir wollen nicht, dass sich so etwas wiederholt, aber eines der größten Probleme derzeit ist meiner Meinung, dass, während die Einnahmen der Landwirte durch den Verkauf ihrer Milch drastisch gesunken sind, die Verbraucher fast genauso viel bezahlen wie vorher.
Solange wir nicht die Macht der Supermärkte in diesem Bereich einschränken, werden wir zu keiner Lösung gelangen. Sie müssen beaufsichtigt werden. Wir brauchen einen Ombudsmann, jemanden, der den Supermärkten klarmacht, dass sie zu weit gehen, dass sie den Leuten ihr Geld aus der Tasche ziehen, die Landwirte ausnutzen und sie aus dem Geschäft verdrängen.
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Frau Präsidentin, ein weiteres Mal kann ich nur mein Bedauern ausdrücken angesichts der Position des Rates und des soeben hier von der Kommissarin Erklärten, die den Kern der Problematik noch immer nicht erkennen und die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Entscheidungen über den Abbau der Milchquoten nicht einsehen will. Stattdessen will sie die Deregulierung des Sektors gegen die Interessen der Landwirte weiter fortsetzen.
Wir bestehen daher darauf, die Erhaltung des Quotensystems – wenn auch mit gewissen Umstellungen, um sie den Bedürfnissen jedes einzelnen Landes anzupassen – zu unterstützen, einschließlich der Abschaffung der jährlichen einprozentigen Erhöhung bis 2015. Findet sie etwa nicht, dass in einer derart schweren Krise die Unterstützung der Landwirtschaft und des Milchsektors in den Mitgliedstaaten wichtiger ist als dessen Deregulierung oder die Liberalisierung des internationalen Handels, dass der ländliche Raum und die Beschäftigung gefördert werden müssen? Sieht sie es etwa nicht als wesentlich an, einen außerordentlichen Hilfsfonds auf Gemeinschaftsebene für den Milchsektor einzurichten, wovon die am härtesten getroffenen Erzeuger und Länder profitieren würden, und neue Formen der Beihilfen für Milch- und Fleischerzeugung zu entwickeln? Ich sehe das als wesentlich an.
Giancarlo Scotta', im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte meine Zweifel hinsichtlich des Vorschlags zur Verlängerung des Interventionszeitraums 2009-2010 für Butter und Magermilchpulver zum Ausdruck bringen, da dadurch das Risiko entsteht, dass für die aktuelle Marktkrise gedachte, kurzfristige Maßnahmen zu strukturellen Maßnahmen werden, die den Milchsektor in den Zustand zurückversetzen würden, in dem er sich vor der Einführung der Quoten befand.
Mit dem Ziel, die Marktmaßnahmen ausgeglichener zu gestalten, damit nicht nur den Butter und Magermilchpulver produzierenden Mitgliedstaaten Vorteile erwachsen, fordere ich die Wiedereinführung von Gemeinschaftsbeihilfen für die private Lagerhaltung von Käse mit langer Reifezeit.
Abschließend möchte ich Sie auf die Frage der Ursprungskennzeichnung und Etikettierung von Milcherzeugnissen sowie der Rückverfolgbarkeit von Produkten hinweisen. Es handelt sich dabei um eine Anfrage, die direkt von den europäischen Verbrauchern in zunehmenden Maße vorgebracht wird und die uns bei der Überwindung der Milchwirtschaftskrise weiterhelfen könnte. Ich hoffe, dass die Kollegen der anderen Fraktionen diesem Vorschlag ebenfalls zustimmen werden.
Diane Didds (NI). - Frau Präsidentin, ich möchte der Frau Kommissarin für ihre heutigen Worte danken. In meinem Land Nordirland ist der Milchsektor von besonderer Wichtigkeit. Wenn es dem Milchsektor schlecht geht, geht es auch der übrigen ländlichen Wirtschaft schlecht. Derzeit erhalten Milchviehhalter bei immer weiter steigenden Kosten für ihre Milch knapp über 20 Cent pro Liter. Sie hatten in Nordirland nicht nur mit den niedrigen Milchpreisen und hohen Kosten zu kämpfen, wir hatten auch noch den dritten feuchten Sommer in Folge, was sich verherend auf die Milchwirtschaft Nordirlands ausgewirkt hat.
Es war erschütternd, vergangene Nacht die Wut und Hilflosigkeit der Landwirte in Belgien mitzuerleben, die sogar so weit gingen, Milch in ihre Felder zu leeren, um gegen den niedrigen Milchpreis und die Schwierigkeiten, mit denen auch sie konfrontiert sind, zu protestieren. Die Kommission hat zu begrüßende Maßnahmen ergriffen, um eine feste Grundlage für den Markt zu schaffen, aber wir können die Preise nicht auf diesem unwirtschaftlichen, niedrigen Niveau belassen.
Ich rufe die Kommission auf, kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen: Maßnahmen zur Steigerung der Nachfrage nach Milch, Maßnahmen zur Senkung der Produktionskosten, Maßnahmen für die Versorgungskette mit ihren sinkenden ab-Hof-Preisen und hohen Supermarktpreisen, und Maßnahmen, die auf lange Sicht eine nachhaltige Industrie und eine Zukunft für junge Landwirte schaffen, die besonders schwer unter den niedrigen Preisen und hohen Bankgebühren zu leiden haben.
Mairead McGuinness (PPE). - Frau Präsidentin, wenn sogar die Landwirtinnen zu protestieren beginnen, bedeutet das, dass es ein ernstes Problem gibt. Vergangenes Wochenende traf ich mit einer Gruppe irischer Frauen namens „Landwirtinnen für faire Preise“ zusammen, und ich denke, wir sollten dieses Stichwort „faire Preise“ aufgreifen, weil Erzeuger keine anständigen oder fairen Preise erhalten – und darum geht es schließlich in dieser Debatte.
Es wäre unvernünftig, die Aussagen der Kommissarin über die neue, wenn auch geringe Stabilität des Marktes nicht zu begrüßen, und ich erkenne an, dass die Kommission Schritte unternommen und Geld aufgewendet hat, um den Markt zu stabilisieren. Das ist nur leider nicht ausreichend, es hat zu lange gedauert und jetzt haben wir es mit einer schweren Krise zu tun.
Was die Zukunft betrifft, sind Ihre Aussagen wirklich begrüßenswert. Die Spaltung dieses Parlaments hinsichtlich der Milchquoten bereitet mir Sorgen, denn sollte der Vertrag von Lissabon in Kraft treten, wodurch wir die Mitentscheidung erhielten, müssen wir mehr als Gruppe denken und den Landwirten eindeutige und nicht widersprüchliche Signale geben. Lassen Sie mich wiederholen, dass Ihre Anmerkungen zum Schlagen von Brücken zwischen Erzeugern und Verarbeitern, zu den Ebenen der Produktion, etwas sind, das vertieft und weiter ausgeführt werden muss.
Wir fragen Sie, Frau Kommissarin, welche marktunterstützenden Maßnahmen zur Gewährleistung fairer und anständiger Preise für unsere Erzeuger wird es Ihrer Meinung geben, wenn es keine Quoten mehr gibt? Und, bitte, kümmern Sie sich um den Markt: er funktioniert nicht. Alle sagen, dass sie mit Milch nichts verdienen, auch die Supermärkte, was ich stark bezweifle, aber wir brauchen mehr Klarheit und wir brauchen mehr Fairness den Landwirten gegenüber.
Stéphane Le Foll (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, ich werde mich kurz fassen.
Ich denke, es gibt in dieser Debatte zwei Aspekte. Einerseits die dringende Frage, wie wir uns aus dieser Krise befreien können. Sämtliche Maßnahmen, von der Unterstützung der Landwirte bis hin zu Interventionen, sind notwendig, und zwar unbedingt. Wir müssen dahinter stehen und sogar fordern, dass ihr Geltungsbereich ausgeweitet wird. Das ist es, was wir, gemeinsam mit anderen Abgeordneten, hier im Parlament vorschlagen.
Andererseits ist da die strukturelle Frage hinsichtlich der Verwaltung des Milchmarktes, und hier unterscheiden sich unsere Ansichten von Ihren, Frau Kommissarin. Sie schlagen vor, vertragliche Beziehungen einzuführen. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass die Einführung vertraglicher Beziehungen zwischen Industrieunternehmen und Landwirten auf lange Sicht damit enden wird, dass diese europaweit miteinander konkurrieren.
Um den Markt zu regulieren, brauchen wir eine öffentliche Regulierung. Das ist die einzige Lösung. Darum muss es nach dem Ende der Krise gehen. Ich finde, wir müssen in dieser Debatte alle Meinungen und alle Optionen berücksichtigen. Ich befürchte, dass wir zu Zeiten des Gesundheitschecks zu voreilig waren, als wir die Frage der Quoten abgehakt haben, die es immerhin, wie ich allen bisherigen Rednern gegenüber betonen möchte, bis heute ermöglicht haben, die Milchproduktion in Europa aufrechtzuerhalten, die Milchindustrie auf einem hohen Level zu betreiben und gleichzeitig die Preise verbraucherfreundlich zu gestalten.
Liam Aylward (ALDE). - Frau Präsidentin, in den letzten 12 Monaten haben die meisten Milchbauern in Irland und der gesamten Europäischen Union ihre Milch zu Preisen verkauft, die unter den Produktionskosten liegen. Der Lebensunterhalt der Milchbauern steht auf dem Spiel.
Die Entscheidung der Kommission, den Interventionszeitraum für Butter und Magermilch bis 2010 zu verlängern ist sehr begrüßenswert, doch kurzfristige Maßnahmen würden nicht auf lange Sicht den Druck von den Milchbauern nehmen. Es müssen jetzt Maßnahmen getroffen werden, um nicht nur die aktuellen, sondern auch die langfristigen Probleme in den Griff zu bekommen; Maßnahmen, die eine nachhaltige und erfolgreiche Industrie für die Zukunft ermöglichen. Die Milchbauern fordern sofortige finanzielle Unterstützung. Die Schaffung eines EU-Milchwirtschaftsfonds von 600 Mio. EUR, wie vom Parlament im Haushaltsverfahren 2009 eingefordert, ist dringend vonnöten. Die Milchbauern haben ein Recht auf faire Preise, und ein angemessenes Preisstützungssystem muss den Milcherzeugern einen vernünftigen Mindestpreis pro Liter und ein vernünftiges, das Überleben sicherndes Einkommen gewährleisten. Irische und europäische Milchbauern dürfen nicht vom Markt verdrängt werden, weswegen ich die Kommission und den Rat auffordere, unverzüglich und wirksam zu handeln. -
Frau Kommissarin, ich möchte Ihnen abschließend sagen, dass Sie in Ihrem Amt sehr erfolgreich waren, und ich habe große Achtung vor Ihrer Arbeit. Sie haben vor Kurzem angekündigt, dass Sie Ihr Amt niederlegen werden, und ich ersuche Sie, vor Ihrem endgültigen Abschied dieses Problem zu lösen oder so viel wie möglich zur Lösung dieses Problems beizutragen.
Oriol Junqueras Vies (Verts/ALE). - (ES) ¡Bon dia! Ich wende mich an dieses Parlament, ohne das in meiner eigenen Sprache, Katalanisch, tun zu können; einer Sprache, die von über 10 Millionen europäischer Bürgerinnen und Bürger gesprochen wird.
Ich möchte heute im Namen meiner Fraktion unsere Solidarität mit der gesamten Landwirtschaft zum Ausdruck bringen, insbesondere mit dem Streik der Milcherzeuger und ihren Aktionen in ganz Europa. Die derzeitige Lage ist untragbar und verlangt nach einer politischen Lösung. Die bisher von der Kommission ergriffenen Maßnahmen waren eindeutig nicht ausreichend, um der Krise entgegenzuwirken oder eine dauerhafte Alternative zum für 2015 angesetzten Quotenersatzschema darzustellen. In Spanien zum Beispiel – Galizien, um genau zu sein – mussten deshalb 14.000 Milcherzeuger eine radikale Umstrukturierung vornehmen, um überleben und weiter auf ihrem Grund arbeiten zu können, und heute stehen sie immer noch kurz vor dem Ruin.
Aus all diesen Gründen muss die Kommission, genauso wie sie in anderen Sektoren eingegriffen hat, auch beim Milchsektor intervenieren und die Produktion regulieren, die Quoten neu verteilen, vorübergehende Vergütung anbieten, die Rückverfolgbarkeit von Produkten fördern sowie dazu beitragen, Erzeuger und Verbraucher zusammenzubringen, indem sie die vom Verteilungssoligopol verursachten Störungen behebt.
Wieso ist die Kommission nicht eingeschritten und hat den negativen Auswirkungen dieses Oligopols der großen Verteiler vorgebeugt?
Wieso können wir unseren Milcherzeugern bzw. Landwirten im Allgemeinen nicht das Überleben im ländlichen Raum sichern, wo sie doch extrem wichtige Impulse der Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt geben?
Hynek Fajmon (ECR). – (CS) – Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Milchwirtschaftskrise hat gezeigt, dass das gesamte europäische auf Quoten basierende Regulierungssystem fehlerhaft und ineffizient ist. Was wir brauchen, ist nicht mehr Regulierung und Manipulierung der Milchquoten, sondern deren völlige Abschaffung. Die Milchproduktion sollte hauptsächlich von den Erzeugern betrieben werden, die niedrige Ausgaben haben und dadurch Gewinne erwirtschaften können. Der einzige Weg, die Milchkrise zu überwinden, liegt in der Abschaffung der Milchquoten, und zwar so bald wie möglich. Ich unterstütze die Bemühungen der Kommissarin, die Quoten bis 2015 abzubauen, aber ich hätte nichts dagegen, wenn sie schon früher abgeschafft würden.
Patrick Le Hyaric (GUE/NGL) . – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren, Ihre Stellungnahme hat meine Besorgnis weiter verstärkt. Sie haben keine ausreichende Antwort auf das Ausmaß des Leidens der Milcherzeuger und Landwirte im Allgemeinen gegeben.
Diese Krise ist eine strukturelle, und wurde nicht, wie Sie sagten, hauptsächlich durch die derzeitigen Umstände ausgelöst, sondern durch die schrittweise Deregulierung. Aus diesem Grund fordern wir eine außerordentliche Versammlung des Europäischen Rates zur Rettung der Kleinlandwirte.
Der Rat sollte erstens beschließen, einen außerordentlichen Fonds zur Unterstützung nichtindustrieller Milchproduktion einzurichten, zweitens, unverzüglich einen innereuropäischen Mindestpreis festzulegen, den die Einkaufszentralen einhalten müssen, ohne die Verbraucherpreise anzuheben, und drittens, nationale Erzeugerquoten einzustellen und missbräuchlichen Importen von Ländern außerhalb der Gemeinschaft einen Riegel vorzuschieben.
John Bufton (EFD). - Frau Präsidentin, ich mache mir große Sorgen um die Milchindustrie im Vereinigten Königreich. Ich bin der Ansicht, dass das Hauptproblem beim Einzelhandel liegt, der auf Kosten unserer Milchbauern enorme Profite erzielt. Wenn wir uns ansehen, welche Preise Supermärkte von den Verbrauchern für Milch verlangen, und uns dann ansehen, wieviel davon eigentlich an die Milchbauern geht, klaffen die Zahlen auf erschreckende Weise auseinander.
Die Arbeit und die meisten Ausgaben bei der Milcherzeugung haben die Landwirte, aber es sind die Supermärkte, die dabei enorme Profite machen. Der Anteil, der dabei an die Landwirte geht, ist ungerecht klein. Wir müssen Druck auf die Supermärkte ausüben, damit sie der Industrie faire Preise zahlen, und meiner Meinung nach wird man die Milchpreise in den Geschäften dazu nicht ändern müssen. Die Verbraucher werden nicht mehr für ihre Milch bezahlen müssen. Die Supermärkte müssen ihre Gewinnmargen verringern. Es ist skandalös, dass die Supermärkte jedes Jahr massive Gewinne verzeichnen, während unsere Milchindustrie sich durchkämpfen muss. Wenn nicht in nächster Zukunft gehandelt wird, dann befürchte ich wirklich, dass viele unserer Milchbauern in Wales und dem übrigen Vereinigten Königreich den Betrieb einstellen müssen.
Nun noch kurz zu dem, was die Frau Kommissarin heute Morgen über die Zusatzabgabe gesagt hat. Diese Aussagen sind besorgniserregend. Ich befürchte, sie wird besonders unsere effizientesten Erzeuger treffen, jene, die, dem Hinweis der Kommission hinsichtlich der Abschaffung der Quoten folgend, die Herausforderung angenommen, auf den Markt reagiert und massiv in ihre Betriebe investiert haben. Die Durchsetzung der Zusatzabgabe würde den strukturellen Maßnahmen entgegenwirken, die zu unterstützen sowohl die EU als auch das Vereinigte Königreich vorgeben.
Dimitar Stoyanov (NI). - (BG) Frau Präsidentin, die Kommission scheint sehr optimistisch zu sein und sieht sich als Überbringerin guter Nachrichten, ich kann dem jedoch offenbar nicht folgen und nichts Gutes erkennen in tausenden Tonnen Milch, die in einem Protestakt gegen die aktuelle Politik weggeschüttet werden.
Herr De Castro und meine anderen Vorredner haben recht, wenn sie sagen, dass die Kommission und der Rat während des Gesundheitschecks nicht genug getan haben, um der Krise vorzubeugen. Wo sind eigentlich die Vertreter des Rates, die auch Stellung dazu beziehen sollten angesichts der Tatsache, dass bei jeder Reform der Rat die entscheidende Stimme hält?
Meine osteuropäischen Kollegen und ich haben im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass wir entweder eine viel stärkere Anhebung oder aber eine völlige Abschaffung der Quoten bräuchten, weil für unsere Länder die europäischen Systeme neu sind und wir daher die ersten Opfer der Krise waren. Leider wollte aber keiner auf uns hören, und die Schuld dafür ist dem Parlament zuzuschreiben.
Es tut mir von Herzen leid, dass wir, die echten Befürworter einer Reformierung der Landwirtschaftspolitik, zu den Propheten des Unheils geworden sind. Ich hoffe, Sie lernen daraus etwas für die Zukunft.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE). – (RO) Viele Menschen haben in letzter Zeit, gleich von Beginn der Krise an, gefordert, die Anhebung der Milchquoten einzufrieren. Diese Maßnahme würde nicht nur zu keiner Lösung führen, sie wäre darüber hinaus ein Fehler, zumindest angesichts der folgenden Aspekte:
Erstens, es besteht kein grundlegend wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Anhebung der Milchquoten und sinkenden Marktpreisen. Die Quoten sind erhöht worden, während die Produktion gesunken ist. Ich kann hier keinerlei Zusammenhang erkennen. Der Markt selbst ist die Erklärung für die einbrechenden Preise. Ich denke, dass fixe Quotenkontingente mit der Zeit zu einem Preisanstieg führen würden. Wiederum würden jedoch nicht die Erzeuger davon profitieren, sondern die Verarbeiter und Einzelhändler. Wenn wir die Produktion einschränken wollen, sollten wir vielleicht die Erzeuger ermutigen, die Viehzucht freiwillig aufzugeben, und zwar mithilfe bestimmer Anreize anstatt durch Maßnahmen, die zu einer Marktverzerrung führen könnten. Angenommen, die Quoten würden auf Eis gelegt, was würde passieren, wenn beispielsweise die Nachfrage auf dem globalen Markt wieder anstiege? Was könnten europäische Erzeuger da tun? Die Milcherzeugung hat keinen Hahn, den man nach Belieben auf- und zudrehen kann...
(Die Präsidentin unterbricht den Redner)
Was ich sagen wollte, ist, was könnten europäische Erzeuger tun, sollte der globale Markt wieder in Schwung kommen? Die Molkereien haben keinen Hahn, den man einfach so auf- und zudrehen kann wie es einem passt. Wenn wir die Produktion jetzt drosseln, würden die Landwirte wahrscheinlich die Viehzucht einstellen, aber es wäre sehr schwer, den Viehbestand wieder aufzustocken, sollte sich herausstellen, dass das, was viele heute für eine gute Maßnahme halten, in Wirklichkeit ein Riesenfehler ist.
Ulrike Rodust (S-D). - Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Kommissarin, sehr geehrter Rat! Ich möchte mich zuallererst bei meinem Kollegen Luis Capoulas Santos bedanken, der diese Entschließung möglich gemacht hat.
Es geht heute um unsere Milchbauern und darum, ob wir sie im Stich lassen oder ehrlich mit ihnen umgehen. Ich bin der Meinung, dass wir sie nicht im Stich lassen dürfen und ehrlich mit ihnen umgehen müssen. Ja, kurzfristige Maßnahmen, um die Krise zu überwinden, sind dringend notwendig. Ja, Intervention, wenn der Milchpreis ganz unten ist, ist für einen kurzen Zeitraum in Ordnung. Ja, weitere Zuschüsse, Kredite und Gelder gegen die Krise sind vertretbar. Was aber gar nicht geht, ist erstens, die Diskussion um die Milchquote wieder aufzumachen, und zweitens, mit Steuergeldern finanzierte Exporterstattungen für Lieferungen in die Dritte Welt wieder einzuführen. Diese Einbahnstraße haben wir bereits 2003 verlassen, und ich appelliere an Sie, dass es dabei bleibt, und zwar auch im Interesse unserer Milchbauern.
Britta Reimers (ALDE). - Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, werte Kollegen! Die Weltwirtschaftskrise hat den globalen Markt aus dem Gleichgewicht gebracht. Wir Milcherzeuger leiden unter einem Rekordtief bei den Auszahlungspreisen. Es werden nun immer wieder Stimmen laut, man solle die beschlossenen Regelungen bezüglich der Milchquote verändern. Davor kann ich als Milchbäuerin nur warnen.
Auch ist es mit Interventionsmaßnahmen der Kommission gelungen, ein weiteres Absinken der Milchpreise zu verhindern. Der Markt scheint sich zu entspannen. Allerdings halte ich die Intervention nicht für ein wirklich gutes Mittel, weil hierdurch Lagerbestände aufgebaut werden, die später einen sich erholenden Markt belasten könnten. Deswegen fordere ich die Kommission auf, darzulegen, wie sie mit dieser Problematik umgehen möchte.
Richard Ashworth (ECR). - Frau Präsidentin, ich möchte die Frau Kommissarin zu Ihrer Vision zur Zukunft des Sektors beglückwünschen und sagen, dass ich ihre Absicht, die Milchquoten abzuschaffen, voll und ganz unterstütze. Ich denke, dass dies die richtige Entscheidung wäre. Ich begrüße ferner ihre Vorschläge zur Bewältigung der aktuellen Krise, die ich für angemessene Maßnahmen zur Unterstützung der Erzeuger in dieser schwierigen Zeit halte.
Ich möchte jedoch noch zwei Punkte anbringen. Erstens, die Einführung der Zusatzabgabe wäre meiner Meinung zum jetzigen Zeitpunkt unangebracht. Das wäre nichts weiter als eine Kurzschlussreaktion, eine Kurzzeitlösung. Man würde damit nur falsche Signale aussenden und die wirklich effizienten Erzeuger schädigen, die langfristig in diesem Sektor bleiben wollen.
Zweitens, wir müssen einsehen, dass es kaum oder gar kein direktes Verhältnis zwischen den Einzelhandelspreisen und den ab Hof erhaltenen Rohstoffpreisen gibt. Ich würde das einen fehlerhaften Mechanismus in der Preiskette nennen.
Den größten Einfluss wird immer der globale Markt ausüben, und wir müssen einsehen, dass der globale Markt immer Schwankungen unterliegen wird. Ich ersuche daher die Kommission, auf längere Sicht Pläne vorzulegen, um eine Art dauerhaften Stabilitätsmechanismus nicht nur zugunsten der Erzeuger, sondern natürlich auch der Verbraucher, einzuführen.
Esther Herranz García (PPE). – (ES) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, Sie beendeten Ihre Rede mit der Aussage, dass sich der Milchsektor in einer Krise befindet, und doch sagten Sie am Anfang, dass alle möglichen Maßnahmen bereits getroffen worden sind und dass bereits an einer Lösung gearbeitet wird.
Sie sollten wissen, dass eine kluge Frau ihre Fehler einsieht. Das ist eine spanische Redewendung, die die Situation gut beschreibt. Monatelang hat der Milchsektor unter einer der schwersten Krisen in seiner Geschichte zu leiden gehabt. Nichtsdestotrotz weigern sich die Europäische Kommission und gewisse Regierungen – anscheinend auch meine eigene, die spanische Regierung – ihre Entscheidungen im Rahmen des Gesundheitschecks der Gemeinsamen Agrarpolitik zu überdenken, weil sie nicht zulassen wollen, dass man sie unter Druck setzt.
Die Entscheidungen wurden ohne Rücksicht auf die Instabilität dieses Sektors getroffen, und bei einem Marktumfeld, das sich in der Zwischenzeit, seit dieser Kompromiss getroffen wurde, stark verändert hat. Das lässt vermuten, dass die Mitgliedstaaten damals das Unwetter, das immer näher rückte, nicht erkennen wollten oder konnten. Die Reform hat sehr schnell an Bedeutung verloren in Anbetracht des großen Umschwungs auf dem Markt, was beweist, dass dieser Sektor den Preisschwankungen schutzlos ausgeliefert ist.
Die Tatsache, dass große Erzeuger wie Frankreich und Deutschland – Länder, die, um die Wahrheit zu sagen, bei diesem Übereinkommen die größte Anhebung der nationalen Produktionsquoten erreichen konnten – dass nun sie diejenigen sind, die eine Überarbeitung des Gesundheitschecks einfordern, wirft eine Menge Fragen auf.
Wie ich die Sache sehe, lagen die Mitgliedstaaten falsch und hätten besser auf jene gehört, die, wie auch ich, die Aufschiebung einer endgültigen Entscheidung über die Zukunft des Sektors bis 2011 forderten.
Es ist eine Schande, dass keiner auf uns gehört hat. Vielleicht wäre jetzt die Zeit, das zu tun.
Iratxe García Pérez (S&D). – (ES) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, die heutige Aussprache ist sehr wichtig, damit wir unsere Besorgnis über die Krise des Milchsektors zum Ausdruck bringen können. Wir müssen diese Krise überwinden, die eine Bedrohung für die Zukunft zahlreicher Milcherzeuger in der Europäischen Union darstellt.
Dies ist eine europäische Krise, die mit einem europäischen Ansatz, mit Ehrgeiz und unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Gemeinschaftsinstrumente in Angriff genommen werden muss, etwas, wozu die Kommission derzeit nicht im Stande zu sein scheint.
Frau Kommissarin, Sie sollten den schwarzen Peter nicht den Mitgliedstaaten zuschieben, damit sie ihren größtmöglichen Beitrag zur Lösung der Krise leisten. Wir müssen zu gemeinsamen Lösungen gelangen.
Dieses Parlament hat dabei die große Verantwortung, Maßnahmen zur Ankurbelung der Nachfrage einzufordern, und nicht nur die Maßnahmen, die im Entschließungsantrag stehen, sondern auch die, die durch die Gemeinsame Marktorganisation ermöglicht werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der enorme Unterschied zwischen den Preisen, die die Erzeuger erhalten, und denen, die die Verbraucher zahlen, etwas, das nicht nur den Milchsektor betrifft, sondern alle Erzeugnisse der Landwirtschaft und Viehzucht.
Es gibt viele Frauen und Männer, die angesichts der aktuellen Ungewissheit ein klares und entschiedenes Zeichen von uns brauchen, dass die Weiterführung ihrer Tätigkeit gewährleistet ist.
Marc Tarabella (S&D) . – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, gestern schütteten Landwirte in Wallonien angesichts der mit Abstand schwersten Krise dieses Sektors über drei Millionen Liter Milch weg. Sie erhalten nur 19 Cent pro Liter. Die Krise wurde verursacht durch die enormen Überschüsse an Milch, die die Preise zum Einstürzen brachten. Deregulierung fördert Preisschwankungen, und die Marktbedingungen sind heute völlig anders als noch vor kurzer Zeit.
Frau Kommissarin, bitte hören Sie auf, sich stur hinter Entscheidungen zu verstecken, die im letzten Jahr getroffen wurden, und berücksichtigen Sie das, was im Hier und Jetzt geschieht.
Die Schuld liegt auch beim Rat, erstens, weil er nicht anwesend war, um die Debatte hier zu verfolgen, und zweitens, weil er keine klaren Entscheidungen getroffen hat, da er mehr von rein nationalen Interessen als von einer europäischen Sicht auf die Landwirtschaft beeinflusst war.
Der Markt funktioniert nicht. Es gibt eine Überproduktion. Es wäre so leicht, die einprozentige Anhebung der Quoten auf Eis zu legen oder die Quoten sofort um 3-5 % zu verringern, denn was wir unbedingt brauchen sind kurzfristige Lösungen. Diese Maßnahme anzunehmen würde bedeuten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Wir könnten den Erzeugern durch ein Drosseln der Produktion wieder anständige Preise bieten, und wir würden die europäischen Ausgaben in Höhe von hunderten Millionen Euro für diverse Interventionen, darunter die Ausfuhrerstattungen, verringern.
Wojciech Michał Olejniczak (S&D). – (PL) Die Maßnahmen, die ergriffen wurden – ich habe heute mit Landwirten und Erzeugern aus Polen gesprochen – dürften zu einer gewissen, wenn auch geringen Besserung der Lage des Milchsektors beigetragen haben. Die schwierige Situation der polnischen und europäischen Landwirte hat sich jedoch gar nicht geändert. Sie erhalten immer noch sehr wenig Geld für ihre Produkte, weniger als zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich. Dies gilt auch für die Landwirte, die große Summen investiert haben, EU-Beihilfen und Kredite eingeschlossen. Die aktuelle Situation bringt sie in noch ärgere Bedrängnis, und sie sind nicht in der Lage, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
Ich möchte in Anbetracht dieser Probleme über die Zukunft sprechen. Wir müssen auf das reagieren, was derzeit passiert, aber wir müssen auch an das denken, was vor uns liegt, und unsere gemeinsame Strategie so ansetzen, dass auch die Landwirte berücksichtigt werden. Ich möchte an dieser Stelle Folgendes wiederholen: Die gemeinsame Strategie in Bezug auf die Milchbauern muss auch Pläne für sinnvolle Investitionen in diesen Sektor beinhalten, damit wir nicht unnötig Geld verschwenden, was uns aufgrund der erhöhten Produktion wieder in die Zwickmühle bringen würde, in der wir uns heute befinden. Ich vertraue ferner darauf, dass die politischen Mächte zu einer Einigung hinsichtlich zukünftiger Quoten gelangen werden.
Csaba Sándor Tabajdi (S&D). – (HU) Meine Vorredner haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir nicht zu Quotensystem und Ausfuhrbeihilfen zurückkehren sollten, und dass die von der Kommission verfolgte Strategie völlig versagt hat. Die Krise ist noch nicht entschärft. Aus diesem Grund schlagen Herr Le Foll und ich vor, die Quoten auf Eis zu legen, allerdings nur vorübergehend.
Die neuen Mitgliedstaaten sind aufgrund des so genannten „Phasing-In“ besonders benachteiligt, da wir in diesem Jahr nur 60 % der Beihilfen aus dem Topf in Brüssel erhalten. Um ein Gegengewicht dazu zu schaffen, hat die ungarische Regierung vorgeschlagen, die quotenbasierten Beihilfen zu erhöhen, aber die Kommission hat diesen Vorschlag nicht in Betracht gezogen, ebensowenig wie einen anderen, aus Frankreich bzw. dem zuständigen französischen Ministerium stammenden Vorschlag. Abschließend möchte ich sämtliche Abgeordneten auffordern, die Änderungsanträge von Herrn Le Foll und seinen Kollegen zu unterstützen. Wir unterstützen auch den Vorschlag von Elisabeth Jeggle hinsichtlich der Einrichtung eines Molkereifonds in Höhe von 600 Mio. EUR und der Ausweitung des Schulmilchprogramms.
Christel Schaldemose (S&D). - (DA) Frau Präsidentin, vielen Dank Frau Kommissarin, für diesen guten Anfang und für die gute Einleitung der Debatte! Mir ist klar, dass die europäischen Milchviehhalter mit einer schweren Krise zu kämpfen haben, aber ich kann einfach nicht verstehen, wieso meine Kollegen der Meinung sind, die Kommission hätte nicht ausreichend gehandelt. Ich würde Sie, Frau Fischer Boel, ersuchen, zu wiederholen, was Sie alles getan haben. Ich denke, dass die Liste der von der Kommission gesetzten Initiativen sehr lang, beinahe zu lang ist. Es ist fast so, als würden wir die Fortschritte, die wir dank des Gesundheitschecks erzielt haben, wieder zunichte machen. Ich möchte auch betonen, dass die Bemühungen, die bisher zugunsten der Milchviehhalter unternommen wurden, eindeutig nicht vergleichbar sind mit denen für die Beschäftigten der Automobil- oder der Schiffsbauindustrie, die ihre Arbeit aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise verloren haben.
Ich möchte darum bitten, dass wir ein bisschen besser darauf achten, wie wir mit dieser Krise umgehen, und dass wir nicht die großen Fortschritte zunichte machen, die wir trotz allem infolge des Gesundheitschecks gemacht haben. Die Idee, die Milchquoten auf Eis zu legen, ist meiner Meinung völlig sinnlos. Wir können auch nicht zum alten Modell und den Ausfuhrerstattungen zurückkehren – das würde nur die Chancen für andere Marktteilnehmer weltweit zunichte machen. Wir müssen vorsichtig sein. Frau Kommissarin, ich würde Sie dennoch bitten, Ihre lange Liste bereits angegangener Aktivitäten zu wiederholen, damit meine Kollegen sehen, dass es für uns keinen Grund gibt, durchzudrehen und zahlreiche zusätzliche Maßnahmen zu planen, wodurch nur unsere beachtlichen Fortschritte zunichte gemacht würden.
Georgios Papastamkos (PPE). - (EL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, die Maßnahmen sind zweifelsohne unangemessen. Wir schlagen andere, zielgerichtetere Maßnahmen vor, vor allem für die bergigen und benachteiligten Regionen der Europäischen Union, damit alle Mitgliedstaaten gleichermaßen davon profitieren: Interventionen wie der bessere Schutz von Ursprungsbezeichnungen, nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern auf dem internationalen Markt, klare Etikettierung und verpflichtende Angabe des Ursprungs von Milcherzeugnissen, die Wiedereinführung – warum auch nicht? – der privaten Lagerhaltung von Milcherzeugnissen und angemessener Beihilfen, eine größere Auswahl der Bestimmungsorte bei den Ausfuhrerstattungen, volle Transparenz der Versorgungskette und Verkleinerung der Kluft zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen.
Wir vertreten hier nicht einfach die direkten Interessen der Landwirte. Wir sind hier, um auf die Verzweiflung, den Hilfeschrei der schöpferischen Kräfte des ländlichen Räums in Europa aufmerksam zu machen, und es ist dieser Hilfeschrei, der uns dazu verpflichtet, zu handeln.
Michel Dantin (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin – ich hätte mich auch gerne an den Ratsvorsitz gewandt – sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie selbst, Frau Kommissarin, kürzlich vor dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung feststellten, deckt der Preis, der den Milcherzeugern gezahlt wird, nicht mehr die aktuellen Produktionskosten. Dies bedeutet, dass unsere Erzeuger nun mit einem Kapitalschwund zu kämpfen haben.
Sie haben gerade die Maßnahmen aufgezählt, die Sie in den vergangenen neun Monaten ergriffen haben. Diese Maßnahmen existieren wirklich, soviel können wir bestätigen. Sie haben jedoch nicht die erhofften Auswirkungen gehabt, weil sie unserer Ansicht nach nicht flächendeckend genug sind, auch ist es viel zu unsicher, ob das, worauf sie abzielen, überhaupt Wirkung zeigen wird.
Heute Morgen sprachen Sie von einer Besserung der Marktlage, aber die Erzeuger selbst werden davon wohl erst mit den Anfang des nächsten Jahres erfolgenden Zahlungen profitieren. Der Markt der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist nicht identisch mit dem Metall- oder Energiemarkt. Er erfordert Regulierungsmaßnahmen, weil auch die Jahreszeiten und andere natürliche Kreisläufe sich auf die Marktbedingungen auswirken.
Ihre Interpretation des unter dem französischen Ratsvorsitz durchgeführten Gesundheitschecks überrascht uns, da die darin vorgesehenen Zwischenbilanzen hinsichtlich des Milchsektors alles offen lassen, einschließlich der Möglichkeit neuer Entschließungen über Instrumente zur Marktregulierung.
Die französische Delegation, der ich angehöre, ist überzeugt, dass nach 2013 ein erneuertes Quotensystem notwendig sein wird. Die Spannungen, die bereits vor der aktuellen Wirtschaftskrise auf dem Lebensmittelmarkt bestanden, haben bewiesen, wie heikel das weltweite Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch ist.
Nachdem wir die Interventionsmaßnahmen teilweise abgebaut haben, haben wir weder das Recht noch die Berechtigung, die Instrumente für die Produktion abzuschaffen, die wir auf kurze Sicht benötigen werden.
Frau Kommissarin, wir müssen den Landwirten ihre Würde zurückgeben, diesen Frauen und Männern, die vor harter Arbeit nicht zurückschrecken.
VORSITZ: Martinez MARTÍNEZ Vizepräsident
Antolín Sánchez Presedo (S&D). – (ES) Wir können es nicht zulassen, dass der Milchsektor kollabiert. Er ist lebenswichtig für unsere Landwirtschaft und für die Lebensmittelsicherheit und -qualität.
Die Terminbörsen und die mittel- bis langfristigen Aussichten für Milch und Molkereiprodukte in der Europäischen Union zeigen positive Signale. Wir müssen verhindern, dass diese in einen Negativzustand geraten. Wir brauchen antizyklische Maßnahmen und gemeinsame Initiativen.
Der Preisverfall zeigt deutlich die Unzulänglichkeit der Unterstützungsmaßnahmen. Die Verzerrungen im Molkereiproduktemarkt besagen, dass nicht jede Lieferkette effektiv oder ordentlich funktionieren kann.
Die Erzeuger erleiden Preissenkungen, welche den Markt ins Ungleichgewicht bringen, nicht an die Verbraucher weitergegeben werden und die Erholung des Sektors verzögern. Dies muss korrigiert werden. Wir müssen einen fairen Wettbewerb garantieren und auch die Rückverfolgbarkeit während der Vermarktung verstärken.
Riikka Manner (ALDE). - (FI) Frau Kommissarin, Sie haben erwähnt, dass die Rückkehr zum Quotensystem außer Frage steht. Haben wir nicht gesehen, was in der Milchindustrie geschah, nachdem die Kommission im Frühjahr entschieden hatte, diese Quoten schrittweise abzusenken? Das war eine sehr schlechte und kurzsichtige Entscheidung. Die komplette Quotenrücknahme wird vielen kleinen Bauernhöfen den Todesstoß versetzen. Ist dies die Art von Politik, die die Kommission durchführen möchte? Tatsache ist, dass wir ein restriktives System für die Milchindustrie benötigen. Wenn Quoten nicht in Betracht kommen, möchte ich an Sie, Frau Kommissarin, appellieren, sicherzustellen, dass die Kommission andere Lösungen für die Überwindung der Krise findet. Dies ist eine europäische Krise, und wir müssen eine Landwirtschaftspolitik verwirklichen, die für Landwirte unabhängig von Land und Region zumindest einen angemessenen Lebensstandard sicherstellt.
Yannick Jadot (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, ich bin gewählter Abgeordneter einer Region im Westen Frankreichs, wo es eine sehr hohe Konzentration an Milchviehbauern gibt, und ich glaube nicht, dass Sie die schlimme soziale Situation erkannt haben, die diese heute durchmachen.
Frau Kommissarin, wenn Sie von,Erzeugern’ sprechen, höre ich,Industrielle’ und,Großhändler’. Milcherzeuger brauchen nicht Ihr Mitgefühl, Frau Kommissarin. Sie brauchen nicht die antiquierten liberalen Theorien, die uns in eine beispiellose Weltkrise hineingezogen haben. Milcherzeuger brauchen eine aufrichtige Landwirtschaftspolitik. Sie brauchen strikte Quoten. Deshalb fordern wir den Rat dazu auf, Ihre Politik aufzuheben, und stattdessen eine authentische, Milchhersteller unterstützende Politik zu gestalten, und dieser Politik, die sie massenweise vernichtet, ein Ende zu setzen.
Janusz Wojciechowski (ECR). - (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Ihre Debatte hat in der Tat im Schatten dramatischer Ereignisse im Hinblick auf Bauern, die aus Protest Milch ausgießen, stattgefunden. Wir alle sind über die Geschehnisse tief erschüttert.
Ich wollte auf ein Problem verweisen, das durch meinen Kollegen Herrn Nicholson erwähnt wurde, und zwar die Art, mit der große Handelsketten und Großmärkte sowohl ihre Konsumenten als auch speziell ihre Lieferanten missbraucht haben. Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Europäische Parlament während der Amtszeit von 2008 eine schriftliche Erklärung - ich war einer der Koautoren - zur Beendigung dieses Missbrauchs und Durchführung einer eingehenden Untersuchung des Sachverhalts durch die Kommission angenommen hatte. Nach meiner Information sind Maßnahmen ergriffen worden, aber der Prozess scheint zu langsam zu sein. Ich möchte fragen, ob die Kommissarin an diesem Sachverhalt interessiert ist und was generell die künftigen Tendenzen dieser Maßnahmen sind.
Es läuft wirklich etwas falsch in der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union, da Landwirte weniger als 10% des Werts ihres Erzeugnisses erhalten. Das muss sich ändern. Ich möchte die Kommissarin darum bitten, Maßnahmen in dieser Angelegenheit zu ergreifen.
Jaromír Kohlíček (GUE/NGL). – (CS) Frau Kommissarin, Sie sehen einen Anstieg von 3% - 8% beim Preis von Enderzeugnissen wie Magermilch und Butter als Fortschritt. Meiner Ansicht nach ist dies eine Beleidigung für unsere Landwirte. Das Hauptproblem ist der Preis, zu dem Milch von den Landwirten abgenommen wird. In der Tschechischen Republik ist der Abnahmepreis zum Beispiel bis zu 25% niedriger als die Produktionskosten, aber der Preis des in den Geschäften verkauften Enderzeugnisses würde leicht alle Kosten des Landwirts decken. Das Hauptproblem ist demnach, dass es dort irgendwo ein großes Loch gibt. Dieses Problem muss gelöst werden. In der Tschechischen Republik haben wir jetzt weniger Rinder als nach den Napoleonischen Kriegen. Dies gefährdet jetzt sogar den Erhalt landwirtschaftlicher Gebiete. Herr Bové hat ganz Recht und Herr Fajmon hat tiefgreifend...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
Krisztina Morvai (NI). – (HU) Herr Präsident, es werden offensichtlich Hilfsmaßnahmen benötigt, da die Lage katastrophal ist. Aber handelt es sich nicht um grundlegende Probleme? Sicherlich gibt es ein Problem mit einem Modell oder System, bei dem zum Beispiel eine große Sojamenge aus Lateinamerika importiert wird, wobei man das Überangebot in Europa verstärkt, während die Umwelt in Lateinamerika zerstört wird. In der darauffolgenden Krise zerbrechen wir uns dann den Kopf darüber, ob wir landwirtschaftliche Produkte zu Dumpingpreisen in die Dritte Welt exportieren sollten, und vernichten folglich dort den Markt mit den Konsequenzen für die bäuerlichen Kleinbetriebe und Erzeuger. Brauchen wir nicht ein neues Modell wie die Nahrungsmittelhoheit, anstatt der Landwirtschaft eine durch die WTO Welthandelsorganisation diktierte Freihandelspolitik aufzuerlegen? Meine zweite Frage wäre: Wir bitten um einen ausdrücklichen Hinweis oder Vorschlag, wie ... (Der Präsident unterbricht die Rednerin)
Astrid Lulling (PPE). - Herr Präsident! Wir haben die Banken gerettet, als es notwendig wurde. Jetzt sind wir mit einer Lage konfrontiert, wo es darum geht, zu vermeiden, dass Zigtausende Bauernbetriebe kurzfristig bankrott gehen, weil die Preise die Gestehungskosten nicht mehr decken.
Wir müssen doch sicherstellen, dass unser Produktionspotential erhalten bleibt, um die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen. Ich gehöre einer Generation an, die noch erlebt hat, dass Lebensmittel rationiert waren. Ich erinnere mich, dass ich im Winter 1944 acht Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen musste, um zwei Eier zu hamstern. So weit wird es hoffentlich nicht mehr kommen, aber Versorgungssicherheit – nicht nur im Energiesektor – ist auch angesagt.
Wenn wir nicht bereit sind, die Maßnahmen zu ergreifen, die in unserer Entschließung angemahnt wurden, wird der Kostenpunkt der sozialen, wirtschaftlichen, umweltpolitischen Folgen in der EU ein Vielfaches von dem sein, was...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Ricardo Cortés Lastra (S&D). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, wie die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung vom 22.Juli feststellte, hat sich die Lage im Milchwirtschaftssektor in den letzten 12 Monaten dramatisch verschlechtert.
Wenn man indessen den enormen Einfluss der Krise auf die Preise von Molkereiprodukten und insbesondere auf die durch die Erzeuger erwirtschafteten Gewinne in Betracht zieht, sind die durch die Europäische Kommission vorgeschlagenen und durch den Ministerrat erörterten aktuellen Maßnahmen unzureichend, um dem Nachfragerückgang und dessen Folgen entgegenzuwirken.
Die gegenwärtige Krise bietet uns nicht nur die Herausforderung, den Nachfragerückgang umzukehren, sondern auch eine Gelegenheit zur Belebung des Konsums und zur Förderung von Molkereiprodukten. Wir müssen auch gewährleisten, dass die unumstrittene Qualität des ursprünglichen Produkts, bevor es den Endverbraucher erreicht, komplett erhalten bleibt.
In dieser Hinsicht können Maßnahmen wie die Kennzeichnungsverbesserung, die Steigerung des Milchverbrauchs bei bestimmten Bevölkerungsgruppen oder der Einsatz von Milch bei der Kälberfütterung dazu beitragen, nicht nur die aktuelle Situation, sondern auch die gesamte strukturelle Lage im Sektor zu verbessern.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, zunächst möchte ich den Mitgliedern des Parlaments für diese sehr engagierte Debatte danken. Ich habe wirklich sehr genau zugehört. Aber ich habe natürlich auch die unterschiedlichen, von den verschiedenen Mitgliedern dieses Parlaments gehörten Auffassungen zur Kenntnis genommen.
Was das Quotensystem anbelangt, scheint es der Sündenbock für die gesamte Situation zu sein, in der wir uns befinden. Ich unterschätze nicht - und ich bin hierzu von Beginn dieser Diskussion an sehr deutlich gewesen - dass sich der Milchsektor nicht nur in Europa, sondern weltweit in einer noch nie da gewesenen Krise befindet. Das muss sehr klar sein. Demnach verstehe ich mit Sicherheit wirklich die Enttäuschung, die ich bei den Landwirten in den verschiedenen Teilen Europas teilweise sehe.
Die Abschaffung des Quotensystems wurde vorab im Jahr 2003 entschieden. Demnach ist es keine Entscheidung, die über Nacht getroffen wurde oder von der niemand wusste. Dann beim Gesundheitscheck hatten wir die Diskussion zur Quotenerhöhung, um zu versuchen, eine "weiche Landung" für die Milchbauern hinzubekommen.
Aber ich denke, dass diejenigen, die mit dem Finger auf das Quotensystem als Ursache für all die Probleme, mit denen die Milchbauern konfrontiert sind, zeigen, falsch liegen. Denn wir sehen, dass wir sogar mit einem etablierten Quotensystem nicht in der Lage gewesen sind, hohe Preise beizubehalten; und die strukturellen Veränderungen im Milchsektor haben ohnehin stattgefunden. Wenn Sie sich das Jahr 1984, als das Quotensystem eingeführt wurde, anschauen, hatten wir in der alten EU-10 1,6 Millionen Milchbauern. Heute haben wir in der EU-10 300 000 Milchbauern: weniger als ein Fünftel der heutigen Milchbauern im Vergleich zu 1984 mit einem etablierten Quotensystem. Diese strukturellen Veränderungen finden demnach ohnehin statt.
Ich glaube nicht, dass die Umkehr des Beschlusses zum Gesundheitscheck die richtige Politik ist, und hierbei werde ich von allen Staatsoberhäuptern unterstützt, die in ihren Beschlüssen vom Junitreffen deutlich sagen, dass ich an den Beschlüssen zum Gesundheitscheck festhalten soll. Ich habe während der Debatten zum Gesundheitscheck nie in irgendeiner Weise jemals eine Bereitschaft signalisiert, diese Beschlüsse rückgängig zu machen, da dies zweifellos die Prognosen für die Landwirte in der Europäischen Union verschlechtern würde.
Aber, José Bové, ich glaube, Sie sagten, dass ich nicht gewissenhaft gehandelt hätte; das sei die Laissez-faire-Einstellung. Ich glaube nicht, dass es fair ist zu sagen, wir hätten nichts getan. Ich werde all die verschiedenen, durch uns ergriffenen Maßnahmen wiederholen. Ich denke, wenn die Mitgliedstaaten dem Milchsektor besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen möchten, haben sie mit dem Gesundheitscheck jetzt die Möglichkeit zur Umverteilung der direkten Zahlungen, sodass sie den Weidelandgebieten eine besondere Präferenz einräumen. Das ist eine Möglichkeit, und ich weiß, dass mindestens ein großer Mitgliedstaat die Gelegenheit zur Nutzung dieser Option ergriffen hat; für die Berggebiete gibt es eine Menge anderer Wege. -
Wir haben in Europa heute eine Produktion, die 45% unterhalb der Quote liegt, also was würde geschehen, wenn wir die Quote wirklich um 5% kürzen wollten? Wir würden die Situation der jungen Landwirte, die in die Zukunft investiert haben, tatsächlich gefährden.
Deshalb möchte ich den Ländern und Mitgliedstaaten, die ihrem Milchsektor wirklich helfen wollen, empfehlen, den Vorteil des Quotenaufkaufs von denen, die den Milchsektor verlassen wollen, zu nutzen. Das ist ein viel besserer Weg für die Existenzsicherheit derer, die investiert haben, während denen, die den Sektor verlassen möchten, eine helfende Hand gereicht wird. Das, denke ich, ist die richtige Politik.
Kann ich dann auch die missverständlichen Äußerungen zur Supersteuer korrigieren? Wir führen kein neues Supersteuersystem ein. Wir räumen lediglich die Möglichkeit für Mitgliedstaaten ein, Quoten von Landwirten aufzukaufen, um so die Obergrenzen um die aufgekauften Mengen zu kürzen. Aber es ist keine neue Supersteuer, die irgendwelche Landwirte abstrafen wird.
Nur kurz zu einigen Aspekten der Förderung. Wir haben bereits 14 Mio. EUR an Förderung für den Rest dieses Jahres zurückgestellt. Wir haben uns darüber verständigt, das Schulmilchmodell auszubauen; Joghurt mit einem geringen Zuckeranteil - das heißt mit weniger als 7% Zucker - wird jetzt in das Schulmilchmodell eingeführt. Das Thema Kennzeichnung – ich höre von verschiedenen Mitgliedern des Parlaments, dass Interesse an einem Kennzeichnungssystem besteht – lassen Sie uns im Kontext der seriösen Tageszeitung diskutieren, die im Moment gerade auf dem Tisch liegt. Demnach meine ich, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt.
Abschließend möchte ich zur Lebensmittelkette sagen, dass ich völlig mit Ihnen übereinstimme, dass es keine Transparenz in dieser Kette gibt, und wir nicht sehen können, wohin der Mehrwert verschwindet. Daher freue ich mich darauf, diesen Bericht vor Jahresende zu präsentieren, damit wir sehen können, wie die Situation wirklich ausschaut.
Ich muss sagen, wenn man sich die Situation der Supermärkte in ganz Europa ansieht, gibt es große Unterschiede. Discounter haben in Deutschland Tradition. Diese Supermärkte nutzen Molkerei- oder Milchprodukte wie einen Lockartikel, um Verbraucher anzuziehen, und sie offerieren sehr niedrige Preise. Aber sie reichen die Rechnung einfach an die Landwirte weiter und zahlen ihnen den niedrigen Preis. Demnach wäre es sehr interessant und notwendig, wie ich meine, herauszufinden, was in dieser Kette tatsächlich passiert. Lassen Sie uns daher diese Transparenz und den Markt sowohl kommissionsintern als auch in den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten genauer untersuchen.
Es ist hier heute eine sehr interessante Debatte gewesen. Ich hoffe, dass Sie die kurz- und langfristigen Maßnahmen zur Kenntnis genommen haben, die gemeinsam mit Frankreich und Deutschland ausgearbeitet worden sind. Ich bin sicher, dass wir einige sehr interessante Erörterungen zur Zukunft des Milchsektors in Europa haben werden, denn wir alle möchten, dass unser Milchsektor eine Zukunft hat.
Paolo De Castro, Verfasser. − (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte der Kommission dafür danken, dass sie entschieden hat, heute im Parlament dabei zu sein, um neue Vorschläge zur Krise im Milchproduktionssektor zu präsentieren. Für die gerade begonnene Amtszeit ist es wichtig, einen interinstitutionellen Dialog zwischen der Kommission und dem Parlament zu führen, einen positiven Dialog, der in der Tat bereits das Mitentscheidungsverfahren begründet hat.
Wir werden Ihre neuen Vorschläge, Frau Kommissarin, sehr genau beurteilen, und es wird meine Aufgabe sein, den Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung darum zu bitten, umgehend und unverzüglich ein Gutachten zu den neuen Ideen zu erstellen.
Darf ich hingegen mit dem Hinweis schließen, dass, wenn der Änderungsantrag im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung einstimmig angenommen wird, so wird er auch uneingeschränkt durch dieses Parlament im Plenum angenommen, und es wird ein politisches Problem werden, wenn der Rat dann nach der Ratifizierung von Lissabon dagegen stimmen sollte. Ich möchte daher Sie und den Rat darum bitten, dies einer ernsthaften Betrachtung zu unterziehen.
Der Präsident. – Um die Aussprache zu beenden, möchte ich verkünden, dass ich sieben Entschließungsanträge(1) gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung erhalten habe.
Die Aussprache ist beendet.
Die Abstimmung erfolgt heute um 12.00 Uhr.
Schriftliche Äußerungen (Artikel 149).
Luís Paulo Alves (S&D), schriftlich. – (PT) Ich komme aus einer Randgegend, von den Azoren, wo die Milchproduktion der Pfeiler von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt ist. In den letzten Wochen haben wir uns mit den Erzeugern, ihren Verbänden und der verarbeitenden Industrie getroffen. Alle stimmen sie zu. Es ist entscheidend, dass die Kommission effektivere und zwingende umfassende Maßnahmen zur Bewältigung der gegenwärtigen Situation einleitet.
Der Bargeldumlauf im Sektor versiegt. Es ist essenziell, dass die Europäische Union die Randregionen besonders genau in Augenschein nimmt und bei ihren Maßnahmen berücksichtigt, um die Auswirkungen der gegenwärtigen Krise zu lindern.
Sie alle sind der Ansicht, dass wir die Quotenzunahme stoppen müssen. In einem durch Überangebote aus dem Gleichgewicht gebrachten Markt schädigt ein Land, das seine Produktion steigert, alle anderen. Sie glauben auch, dass wir fortfahren sollten, Quoten als einen angebotsregulierenden, ihre Leistung stabilisierenden Mechanismus beizubehalten.
Beim gegenwärtigen Szenario einer totalen Liberalisierung sollten die sozialen, umweltpolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf diese Regionen dringend untersucht werden. Es müssen spezielle Maßnahmen entwickelt werden, um den Einbruch dieser Wirtschaftstätigkeit zu verhindern, die verantwortlich ist für unsere wunderschönen Landschaften, für die Qualität unserer Umwelt und ländlichen Gebiete, für den wirtschaftlichen Fortschritt und die Annäherung, die wir erreicht haben.
Béla Glattfelder (PPE), schriftlich. – (HU) Die aktuelle Milchmarktkrise ist hauptsächlich durch die Anhebung der Milchquoten verursacht worden. Die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten sind gleichfalls für die gegenwärtige ernste, den Milchsektor beeinträchtigende Situation verantwortlich, da sie im Jahr 2008 die Anhebung der Quoten unterstützt haben, was zur Erzeugung einer Milchschwemme und zum Preiszusammenbruch führte.
Diese Entscheidung begründete sich auf falschen Marktprognosen der Europäischen Kommission. Die Europäische Kommission hingegen hatte ihre Absicht auch dann nicht aufgegeben, als offensichtlich wurde, dass die Produktionszunahme gegenläufig zu den Markttrends war.
Daher muss die Europäische Union ihre zu einer Zunahme der Milchproduktion führenden Maßnahmen unverzüglich einstellen. Darüber hinaus lehnen wir die endgültige Quotenaufhebung nach 2015 ebenfalls ab. Die wichtige, aus der gegenwärtigen Krise zu lernende Lektion ist, dass der Milchmarkt reguliert werden muss. Ohne dem werden die Preise unberechenbar werden. Die europäischen Milchproduzenten werden die durch eine große Preisvolatilität verursachten Verluste nicht überstehen können.
Ich bin erfreut, dass der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung mit Blick auf die Entspannung der Krise für meine Initiative gestimmt hat, die den Umfang der Exportsubventionen von 450 Mio. EUR auf 600 Mio. EUR erhöhen würde. Ohne die Exportsubventionen würden einige der Überschüsse auf dem EU-Binnenmarkt verbleiben, was zu einem weiteren Preisrückgang führen würde.
Jim Higgins (PPE), schriftlich. – Die Milchquoten müssen um 5 bis 10 Prozent gekürzt werden, um die Preise auf ein tragfähiges Niveau zurückzudrängen. Nur Quoten allein werden den Milchsektor nicht retten. Auch wenn die Kommission mit ihrer langfristigen Perspektive richtig liegt, kann sie sich nicht von der Realität loslösen - und die krasse Realität ist die, dass die Agrarindustrie, insbesondere der Milchsektor, in wirklicher Gefahr ist. Die niedrigsten Milchpreise seit dem Jahr 1983 in Verbindung mit hohen Kosten, schlechtem Wetter und fehlenden Krediten haben 2009 eine beispiellose Cashflow- und Einkommenskrise für die Familien der Milchbauern verursacht. Während sich abzeichnet, dass die Märkte die Talsohle erreicht haben, scheinen die dringend benötigten Zuschläge noch weit entfernt zu sein, und ein EU-Eingreifen ist erforderlich. Ich stimme mit dem Präsidenten des Irischen Bauernverbands IFA Padraig Walshe und dem Milchpräsidenten Richard Kennedy darin überein, dass der schnellste Weg einer Beschleunigung der Preiserholung für die EU-Kommission ein aggressiverer Einsatz aller Marktstützungsmaßnahmen ist, wie:
- Ausfuhrerstattungen
- Beihilfen im Bereich der Weiterverarbeitung
- Erweiterte Höchstpreisinterventionen
- Längere private Lagerhaltung für Butter
- Sorgsamer Umgang mit Beständen
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – (FI) Herr Präsident, im vergangenen Jahr hat sich die Situation im Milchsektor dramatisch verschlechtert. Der Erzeugerpreis für Milch ist gesunken, und gegenwärtig müssen viele Milcherzeuger Molkereiprodukte zu einem Preis verkaufen, der die Produktionskosten nicht deckt. Das Überleben der Milcherzeuger ist jetzt ernsthaft in Gefahr. Bis heute ist es nicht möglich gewesen, die Krise im Milchsektor mit den durch die Kommission umgesetzten Maßnahmen zu überwinden. Jetzt ist es an der Zeit, unsere Ärmel hochzukrempeln und mit neuen Lösungen aufzuwarten Die Kommission muss den Milchmarkt in Europa rasch stabilisieren. Gleichzeitig sollte sie auch die Zukunft der Milchindustrie gemeinsam mit den Akteuren des Sektors und den Mitgliedstaaten einer gründlichen Einschätzung unterziehen. Vielen Dank.
Véronique Mathieu (PPE), schriftlich. – (FR) Um die besonders schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen, denen gegenwärtig der Milchsektor ausgesetzt ist, zu bewältigen, ist jetzt ein überzeugendes Eingreifen der Europäischen Union dringend erforderlich. Zusammen mit der Mehrheit der Mitgliedstaaten denke ich, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Lösungen unbefriedigend sind. Natürlich begrüße ich die durch die Kommission eingeräumte Flexibilität, die es ermöglicht, den Höchstbetrag der nationalen Beihilfen für die ums Überleben kämpfenden Erzeuger von 7 500 EUR auf 15 000 EUR zu erhöhen. Trotzdem ist es für uns unbedingt notwendig, effektivere Interventionsinstrumente einzusetzen. Um die zunehmende Preisvolatilität zu bewältigen, müssen unsere Märkte in einem größeren Umfang reguliert werden. Die gemeinsam abgegebene Erklärung von 16 Mitgliedstaaten zur Situation auf dem europäischen Milchmarkt eröffnet der Kommission einige wertvolle Anregungen für eine verbesserte Milchmarktregulierung. Da sieben Mitgliedstaaten dies beantragen, meine ich, dass eine Erwägung der zeitweisen Aussetzung der Quotenerhöhung notwendig ist. Auch möchte ich meine Unterstützung für die Einführung eines,Milchfonds’ wiederholen, um den Erzeugerverbänden und -genossenschaften zu helfen, und um landwirtschaftliche Investitionen, Modernisierungen, Diversifizierungen der Milchwirtschaft, Maßnahmen in Verbindung mit der geografischen Lage und Marketingmaßnahmen für Molkereiprodukte gleichfalls zu unterstützen.
Ivari Padar (S&D), schriftlich. – (ET) Wenn wir die aktuelle Lage im Milchmarkt betrachten, wird deutlich, dass unser Sektor immer noch weitestgehend unvorbereitet ist, um die Folgen der globalen Wirtschaftskrise zu meistern. Im Ergebnis sollte die Entwicklung der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik weiterhin auf eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und, auf lange Sicht, weniger Marktverwaltung abzielen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, die gemeinsame Agrarpolitik einem,Check-up’ zu unterziehen, und der einzige Weg zur Stärkung des Sektors ist die Beibehaltung der gleichen Marschroute in den Debatten der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013.
Daciana Octavia Sârbu (S&D), schriftlich. – (RO) Wir durchlaufen derzeit die tiefste durch die globale Krise eingeleitete Krise im Milchsektor, die im Wesentlichen eine Folge des Gegensatzes von Angebot und Nachfrage ist. Der Preisrückgang bei Milch und Milchprodukten betrifft in erster Linie Landwirte mit niedrigen Einkommen. Daher glaube ich nicht, dass das Quotensystem in allen Mitgliedstaaten eingefroren werden sollte, sondern jeder Staat sollte entscheiden, wie die eigenen Quoten festzusetzen sind. Das Problem ist, dass im Vergleich zu 1983-84 nur ein Fünftel der Erzeuger im Markt verblieben sind, und derzeit ist die Existenz weiterer Betriebe gefährdet. Wir müssen daher vorsorgliche Maßnahmen einleiten, um dies zu verhindern. Wir sollten folgende Maßnahmen zur Beendigung der Krise in diesem Sektor ergreifen: Erweiterung der vorgesehenen Maßnahmen für die Butter-, Milchpulver- und Käselagerung, die beschleunigte Einrichtung eines Milchfonds für die Bedürfnisse kleiner Erzeuger und junger Landwirte, und die Erzielung von Absprachen mit den Supermärkten im Sinne von fairen Preisfestlegungen sowohl für landwirtschaftliche Erzeuger als auch für Händler.