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Verfahren : 2009/2678(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0062/2009

Aussprachen :

PV 17/09/2009 - 9.2
CRE 17/09/2009 - 9.2

Abstimmungen :

PV 17/09/2009 - 10.2

Angenommene Texte :

P7_TA(2009)0023

Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 17. September 2009 - Straßburg Ausgabe im ABl.

9.2. Kasachstan: der Fall Jevgenij Zhovtis
Video der Beiträge
Protokoll
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  Der Präsident. − Ich habe fünf Anträge für eine(1) Entschließung zu Kasachstan erhalten:
der Fall Yevgeny Zhovtis (Artikel 122).

 
  
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  Heidi Hautala, Verfasserin. − (FI) Herr Päsident, ich möchte einen abschließenden Kommentar zu der soeben stattgefundenen Debatte abgeben und sagen, dass ich in meiner Funktion als Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte kürzlich ein Schreiben an die Konferenz der Ausschussvorsitzenden geschickt habe, in dem ich sie aufgefordert habe, es in Erwägung zu ziehen, diese Diskussion vorzuziehen, damit das Parlament vollzählig versammelt sein würde und der Rat eine wichtigere Rolle in der Diskussion spielen kann . Ich hoffe, dass meine Abgeordnetenkollegen dieses Thema mit den Vorsitzenden ihrer Fraktionen diskutieren werden, da die Autorität des Parlaments im Schwinden begriffen ist, da immer nur so wenige von uns anwesend sind.

Wir wollen uns jetzt mit dem Fall Zhovtis befassen. Kasachstan ist ein wichtiges zentralasiatisches Land, und es wird nächstes Jahr den Vorsitz derOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa übernehmen. Es kann uns daher nicht gleichgültig sein, wie in einem Land über Verbrechen geurteilt wird, das hinsichtlich der demokratischen Bestrebungen aller Länder innerhalb eines riesigen Gebiets Europas eine Führungsrolle einnehmen wird. Entsprechend sollten wir uns auf den Fall des Menschenrechtsverteidigers Yevgeny Zhovtis konzentrieren. Er wurde unter äußerst verdächtigen Umständen des Totschlags für schuldig befunden und zu fünf Jahren in einem offenen Gefängnis verurteilt, weil er im Juli dieses Jahres einen Fußgänger überfahren hatte.

Wir müssen die Tatsache berücksichtigen, dass sich die OSZE die Frage stellt, ob das Verfahren gegen Zhovtis möglicherweise gegen den Grundsatz eines fairen Prozesses verstoßen hat, wie er in der Verfassung von Kasachstan garantiert ist. Das Europäische Parlament muss diese Debatte auch mit dem Rat und der Kommission weiterführen, damit diese diesen Fall thematisieren und einen fairen Prozess verlangen.

Herr Präsident, das Europäische Parlament kann maßgeblichen Einfluss darauf ausüben, in welchem Umfang die Länder Zentralasiens den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit befürworten, indem diese einzelnen Fälle aufgezeichnet werden, und der Fall Yevgeny Zhovtis ist zweifellos einer davon.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis, Verfasser. − (LT) Während sich der Zeitpunkt nähert, an dem es den Vorsitz über die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa übernehmen wird, distanziert sich Kasachstan bedauerlicherweise von seinen Verpflichtungen hinsichtlich einer Anpassung an europäische Standards. Indem es unberechtigterweise auf seine einzigartige und spezielle Stellung hinweist, berücksichtigt das Land nicht die Empfehlungen der OSZE zum Wahlrecht und zur Pressefreiheit. Wiederholte Menschenrechtsverletzungen und die direkte Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern sorgen immer mehr für Zweifel, ob dieser Staat geeignet ist, einer Organisation vorzustehen, die sich für die Umsetzung demokratischer Grundsätze einsetzt. Wir fordern Astana dringend auf, konkrete Fortschritte in den Bereichen Demokratisierung, Schutz der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit zu machen. Die Gesetze Kasachstans, die auf internationalen Gesetzen beruhen, müssen angemessen und nachvollziehbar in den Gerichtsverfahren gegen die Menschenrechtsaktivisten Yevgeny Zhovtis, Yesingepov und Dubanov angewendet werden. Wir müssen hoffen und verlangen, dass die richterlichen Entscheidungen unparteiisch gefällt werden, und dass die Beteiligung der Gefangenen an der Menschenrechtsbewegung keinen Einfluss auf das Urteil hat. Wir fordern den Rat dringend auf, die Fälle dieser Menschenrechtsverteidiger bei der nächsten Menschenrechtsdialog-Sitzung zwischen der EU und Kasachstan im Oktober zu thematisieren. Wir fordern die Europäische Kommission auf, Kasachstan intensive Unterstützung zu gewähren, wenn es sich auf den Vorsitz der OSZE vorbereitet, um zu gewährleisten, dass diese wichtige internationale Organisation nicht kompromittiert wird.

 
  
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  Renate Weber, Verfasserin. − Herr Präsident, ich möchte zuerst den Angehörigen der Opfer des Autounfalls, in den Herr Yevgeny verwickelt war, mein Mitgefühl aussprechen. Eine unglücklicherweise geschehene menschliche Tragödie, bei der ein Mann sein Leben verloren hat. Lassen Sie mich jedoch gleichzeitig meiner Besorgnis über die Situation, in der sich Herr Yevgeny Zhovtis gegenwärtig befindet, Ausdruck geben.

Es ist unbestreitbar, dass jede Person, die eine Straftat begeht, die gesetzlichen Sanktionen akzeptieren muss, die unterschiedslos angewendet werden; Herr Zhovtis weiß dies als hervorragender Menschenrechtsanwalt besser als jeder andere. Wir wollen jedoch gleichzeitig sicherstellen, dass die kasachischen Behörden diese unglückliche Situation nicht dazu benutzen, um Herrn Zhovtis für etwas anderes als den Autounfall, in den er verwickelt war, zu bestrafen. Herr Zhovtis darf nicht für seine Menschenrechtsaktivitäten bestraft werden oder dafür, dass er eine sehr kritische Stimme gegen die kasachische Regierung darstellt.

Daher bin ich der Ansicht, dass es von größter Wichtigkeit ist, dass die kasachischen Justizbehörden umgehend und unter voller Berücksichtigung von Transparenz und Rechtsstaatlichkeit eine zweite umfassende und faire Untersuchung der mit dem Ereignis verbundenen Umstände durchführen und die Verurteilung und das Strafmaß von Herrn Zhovtis revidieren.

 
  
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  Elisabeth Jeggle, Verfasserin. − Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass meine Fraktion etwas überrascht war, die juristische Bewertung eines dramatischen Autounfalls als Entschließung im Rahmen der Dringlichkeiten zu Menschenrechtsfragen auf der Tagesordnung wiederzufinden.

Für die EVP ist es daher wichtig, festzustellen, dass wir Urteile, die von einem unabhängigen Gericht gefällt werden, grundsätzlich zuerst einmal nicht in Frage stellen wollen, es sei denn, es handelt sich um offensichtliche Schauprozesse, die keinerlei Rechtsgrundsätzen genügen. Das haben wir ja gerade im Iran erlebt. Hier muss ein klarer Trennstrich gezogen werden. Für uns ist ein unabhängiges Justizsystem Kernelement jeder demokratischen Grundordnung. Insoweit müssen wir das vorliegende Urteil zunächst einmal zur Kenntnis nehmen.

Weiters muss man als Faktum zur Kenntnis nehmen, dass ein Mensch bei einem Autounfall zu Tode gekommen ist – das muss uns leidtun, das tut uns leid –, dass aber auch eine juristische Aufarbeitung stattgefunden hat. Die Tatsache, dass mit Jevgenij Zhovtis ein bekannter Bürgerrechtler in diesen Fall verwickelt ist, hat ihm die weltweite Aufmerksamkeit verschafft und das Echo hervorgerufen, aufgrund dessen wir uns heute damit befassen.

Die EVP erkennt Kasachstans Bemühungen und Fortschritte auf dem Weg hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an. Wir versichern Kasachstan unsere ausdrückliche Unterstützung und ermutigen dieses Land, diesen Weg entschlossen weiterzuverfolgen. Mit Blick auf den konkreten Fall fordern wir die kasachischen Behörden im eigenen Interesse auf, mit möglichst ausführlichen Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen und ihre Sicht der Dinge darzulegen und Herrn Zhovtis ein faires, rechtsstaatliches Berufungs- bzw. Revisionsverfahren zu ermöglichen.

Kasachstan soll Vorsitzender der OSZE werden. Das ist eine ganz besondere Herausforderung!

 
  
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  Struan Stevenson, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident, ich muss Frau Jeggle zustimmen. Ich bin äußerst erstaunt darüber, dass wir hier in Straßburg vor dem gesamten Parlament eine wichtige Debatte über einen Verkehrsunfall in Kasachstan führen, auch wenn es sich dabei um einen Unfall handelt, bei dem jemand tragischerweise getötet wurde und der Fahrer des Wagens ein Menschenrechtsaktivist war, der ordnungsgemäß von einem Gericht zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde - in einem Gefängnis mit niedriger Sicherheitsstufe, das plötzlich, im Wortlaut der Entschließung, zu einem "Arbeitslager" geworden ist. Ich fürchte, dass die Behandlung einer solchen Sache in diesem Parlament dem Ruf dieses Hauses abträglich ist und bedeutet, dass die gute Arbeit, die wir in Bezug auf Menschenrechte leisten, abgewertet wird, wenn wir anfangen, über Verkehrsunfälle zu reden.

Wollen wir allen Ernstes behaupten, dass die kasachische Regierung einen Zivilisten vor den Wagen eines Menschenrechtsaktivisten geworfen hat? Wollen wir ernsthaft behaupten, dass das Urteil zu hart ist, für jemanden, der des Totschlags für schuldig befunden wurde? Wir können nicht damit fortfahren, ein Land wie Kasachstan aus politischen Beweggründen zu verleumden und zu versuchen, seinem Ruf zu schaden, bevor es nächstes Jahr den Vorsitz der OSZE übernimmt. Dieses Vorgehen ist politisch motiviert, und es ist eine Schande, dass es auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Ich hoffe, dass das Parlament diese Entschließungen abweisen und die Änderungen unterstützen wird.

 
  
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  Janusz Wojciechowski (ECR). - (PL) Herr Präsident, ich habe ähnliche Zweifel wie der vorhergehende Redner, Herr Stevenson. Kasachstan ist ein wichtiges Land. Es unternimmt auf seinem Weg zur Demokratie große Anstrengungen. Natürlich ist es im Moment noch kein Modell demokratischer Freiheiten, aber die Bürgerrechtssituation in diesem Land - und ich kenne Kasachstan ein wenig, da ich es zu verschiedenen Anlässen besucht habe - ist bedeutend besser als in den Nachbarländern der Region, und es hat glücklicherweise nicht die Probleme, wie sie in Russland existieren, und die wir soeben diskutiert haben.

Ich teile die Meinung von Herrn Stevenson, dass das Europäische Parlament nicht seine gesamte Autorität darauf verwenden sollte, seinen Standpunkt in einem einzelnen, dramatischen Rechtsfall darzulegen. Es mag zutreffen, dass in diesem Fall eine gewisse Aufklärung erforderlich ist, aber sicherlich nicht eine Entschließung des Europäischen Parlaments. Dies würde den Wert der Entschließung untergraben, und die Menschen werden nicht mehr auf die Stimme des Europäischen Parlaments hören, wenn es sich durch Sachverhalte ablenken lässt, die keine allgemeine Debatte oder parlamentarische Entschließung verdienen.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE). - (FI) Herr Präsident, Kasachstan kommt eine wichtige Rolle in Zentralasien zu, sowohl in wirtschaftlicher als auch in sicherheitspolitischer Hinsicht, und die Zusammenarbeit des Landes mit der Europäischen Union ist gewachsen. Es war erfreulich zu hören, dass Marat Tashin, der Außenminister von Kasachstan letztes Jahr in Erwartung des Vorsitzes der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, und auch im Mai dieses Jahres erneut Verbesserungen in der Menschenrechtssituation des Landes versprochen hat. Trotz der internationalen Aufmerksamkeit findet jedoch eine strengere Überwachung der Medien statt und bei der Religionsfreiheit sind große Defizite zu verzeichnen. Außerdem haben wir von mehren Fällen erfahren, in denen Menschenrechtsaktivisten willkürlich verhaftet wurden.

Das Urteil für den Menschenrechtsaktivisten Yevgeny Zhovtis wirft ebenfalls Fragen auf, und es ist im Interesse der Regierung von Kasachstan, diese Zweifel in jeder Hinsicht auszuräumen, und dies ist zweifellos der Fall unter Berücksichtigung der anstehenden Amtsperiode im Vorsitz der OSZE. Wir hoffen das Beste und freuen uns auf die Aufklärung dieser Sachverhalte.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE). − Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich sagen: Ich freue mich, dass Heidi Hautala wieder zurück ist. Aber sie war einige Jahre nicht da, und in dieser Zeit hatten wir den Rat am Donnerstagnachmittag hier. Die tschechische und die deutsche Ratspräsidentschaft waren am Donnerstag hier. Ich finde nicht, dass wir die Debatte verlegen müssen, denn wir können nicht alles am Mittwoch machen, sondern wir müssen da sein und wir müssen den Rat zwingen, auch am Donnerstagnachmittag da zu sein. Das – und nicht die Konzentration der ganzen Tagesordnung auf den Mittwoch – ist die Antwort.

In der Tat ist das ein sehr schwieriger Fall. Aber gerade weil wir der Regierung in Kasachstan in punkto Rechtsstaatlichkeit noch nicht voll vertrauen können, müssen wir darauf bestehen, dass der Fall objektiv untersucht wird. Da unterstütze ich Elisabeth Jeggle voll und ganz. Deshalb haben wir die Entschließung unterschrieben. Die Angelegenheit muss objektiv untersucht werden. Da darf nichts vertuscht oder beschönigt werden.

 
  
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  Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, die Kommission hat mit Besorgnis Berichte über Verfahrensverstöße während des Prozesses gegen den kasachischen Menschenrechtsverteidiger Yevgeny Zhovtis festgestellt, der nach einem tödlichen Verkehrsunfall des Totschlags für schuldig befunden wurde. Wie sie wissen, haben die kasachischen Behörden Behauptungen zurückgewiesen, dass das Urteil gegen Herrn Zhovtis politisch motiviert war.

Die Kommission gibt der Erklärung der EU-Präsidentschaft zu diesem Fall beim Ständigen Rat der OSZE am 10. September ihre volle Unterstützung. Aufgrund der Schwere der angeblichen Mängel bei den Ermittlungen und bei der Gerichtsverhandlung fordern wir Kasachstan, das den nächsten Vorsitz der OSZE führen wird, auf, zu gewährleisten, dass die Berufung unter voller Einhaltung der nationalen Gesetzgebung und internationaler Standards erfolgt. Die Kommission wird diesen Fall weiterhin genau beobachten.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Stimmabgabe erfolgt am Ende der Aussprache.

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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