Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von József Szájer im Namen des Rechtsausschusses zur Übertragung legislativer Zuständigkeiten (KOM(2009)0673 - 2010/2021(INI)) (A7-0110/2010).
József Szájer, Berichterstatter. – (HU) Frau Präsidentin, Herr Šefčovič! Viele Redner beginnen ihre Rede hier im Parlament damit, zu sagen, dass ihr Thema wichtig, sehr wichtig oder gar eines der wichtigsten ist. Auch ich möchte dies sagen, aber aus einem wesentlich triftigeren Grund als viele andere, da das Thema, das wir nun besprechen, nämlich die Befugnis des Parlaments, die Gesetzgebung an die Kommission zu übertragen, die vielleicht wichtigste und gleichzeitig die am öftesten vernachlässigste Innovation des Vertrages von Lissabon ist.
Diejenigen, die den Vertrag von Lissabon kritisieren, sprechen von einem Demokratiedefizit. Meine Damen und Herren, ich möchte sagen, dass diese Änderung, nämlich die Garantie der Befugnis des Parlaments zur Übertragung der Gesetzgebung, eine der bedeutendsten Erweiterungen der Zuständigkeiten des Parlaments ist. Das bedeutet, dass direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Vertreter künftig in der Lage sein werden, im Parlament und aufgrund ihrer legislativen Befugnisse, die von der Europäischen Kommission vorgelegten Durchführungsentschließungen und -entscheidungen zu überwachen und Einspruch dagegen zu erheben. Mit anderen Worten, dieses Element des Vertrages von Lissabon, das oftmals in Verbindung mit der Erweiterung der Befugnisse des Parlaments erwähnt wird, nämlich, dass die Anzahl der Mitentscheidungsverfahren bedeutend gestiegen ist und dass die Bereiche, an denen das Parlament sich beteiligen kann, erweitert wurden, stellt zusammen mit der Frage der Befugnis des Parlaments, die Gesetzgebung zu delegieren, nicht nur eine quantitative, sondern auch eine bedeutende qualitative Erweiterung dar. Mit anderen Worten wird uns von nun an, als Ergebnis eines langen Kampfes, der hier viele Jahre lang ausgetragen wurde und der von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments nach wie vor ausgetragen wird, garantiert, dass die von der Europäischen Kommission getroffenen Entscheidungen, die nicht in ihren eigenen Zuständigkeitsbereich fallen, sondern mittels delegierter gesetzgebender Befugnisse angenommen werden, vom Parlament überwacht werden. Viele werden sagen, dass diese Überwachung formal bereits existierte. Auf gewisse Art und Weise stimmt das, jedoch verhinderten enge Terminvorgaben und die Umstände sowie eine gesetzgebende und interinstitutionelle Zusammenarbeit eine effektive Überwachung. Des Weiteren möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass diese neue Möglichkeit, d.h. Artikel 290 des Vertrages von Lissabon, auch die Arbeit des Parlaments in den kommenden Jahren verändern wird, insbesondere dann, wenn wir, die Mitglieder des Parlaments, diese Befugnisse ernst nehmen und wirklich dazu in der Lage sind, Entscheidungen im Hinblick auf diese Angelegenheiten zu treffen.
Wenn Außenstehende und nicht auf diesen Bereich spezialisierte Personen ebenfalls verstehen sollen, worum es hier geht, da es sich hier um ein technisch sehr komplexes Thema handelt, das nichtsdestotrotz eine demokratische Institution betrifft und dazu dient, das so genannte Demokratiedefizit in Europa abzubauen, sollten wir auf Folgendes hinweisen: Dies bedeutet, dass das Parlament und der Rat, die beiden gesetzgebenden Organe der Europäischen Union, sich nicht alleine mit allen Details auseinandersetzen können. Das Parlament tagt einmal im Monat, und manchmal trifft es zu, wie z.B. jetzt, dass wir tagen, aber nicht abstimmen können, obwohl des Parlament diese Angelegenheiten, mit denen der Rat oder die Kommission sich im Rahmen der delegierten Gesetzgebung befassen, im Grunde überwachen muss. Ab sofort wird dies möglich sein.
In meinem Bericht habe ich mich darum bemüht, klarzustellen, dass das Parlament auf diese Rechte besteht. Wir werden keinerlei zusätzliche Verpflichtungen akzeptieren, die über das, was im Vertrag festgelegt wurde, hinausgehen. Wir werden diese nicht akzeptieren, da wir unsere Rechte vollständig ausüben möchten, und ich bin der Meinung, dass die europäische Demokratie folglich zunehmen wird. Wenn wir dies tun möchten, ist eine enge Zusammenarbeit mit der Kommission und mit dem Rat natürlich notwendig, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Zuständigkeit nun beim Gesetzgeber und somit beim Parlament und beim Rat liegen. Ich möchte mich bei all meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre Kooperation im Hinblick auf dieses komplexe Thema bedanken und wünsche mir des Weiteren, dass das Parlament seine neuen Befugnisse in Zukunft voll und ganz nutzen wird.
Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. – Frau Präsidentin! Ich möchte mich zunächst einmal bei Herrn Szájer für den qualitativ sehr hochwertigen Bericht bedanken, da wir von der Kommission die vom Parlament angedeutete Unterstützung für den horizontalen Ansatz bezüglich der delegierten Rechtsakte sehr schätzen.
Dem Gesetzgeber steht es natürlich voll und ganz frei, alle Fragen bezüglich delegierter Rechtsakte innerhalb aller Basisrechtsakte zu regulieren, es sind jedoch einige Richtlinien nötig, um einen unsystematischen Ansatz zu vermeiden.
Dies war der Zweck der bereits im Dezember erfolgten Mitteilung der Kommission, um dem Gesetzgeber anzuzeigen, welches die bevorzugte Vorgehensweise wäre, um einen guten und praktischen Ansatz für die zukünftige Gesetzgebung zu erzielen.
Ich möchte unterstreichen, dass die Kommission die Idee einer gemeinsamen Vereinbarung, oder sogar einer interinstitutionellen Vereinbarung zwischen den drei Institutionen im Hinblick auf die delegierten Rechtsakte absolut unterstützt, da dies die notwendige Ordnung in die Vorbereitung der Gesetzgebung bringen wird.
Ich kann lediglich wiederholen, dass die Kommission den Bericht im Wesentlichen sehr begrüßt. Im Hinblick auf einige spezifische Fragen sind wir uns vielleicht nicht einig, aber unsere Ziele sind die gleichen. Wir wollen Präzision, Effizienz, Transparenz und klare, faire und ausgewogene Machtverhältnisse sehen.
Wenn Sie mir erlauben, etwas mehr ins Detail zu gehen, dann möchte ich lediglich ein paar kurze Anmerkungen bezüglich einiger bestimmter Teile des Berichts machen.
Bezüglich der einschränkenden Form des Artikels 290, insbesondere des zweiten Absatzes, sind wir im Hinblick auf die Kontrollmittel des Gesetzgebers über die delegierten Rechtsakte etwas anderer Meinung, möchten jedoch nicht auf die rechtliche Kontroverse eingehen, da wir nämlich glauben, dass es sehr wichtig ist, im Hinblick auf spezifische Rechtsvorschriften nach den praktischen Lösungen zu suchen.
Bezüglich der Dauer der Übertragung von Befugnissen begrüßen und unterstützen wir die Idee einer wie in dem Bericht zum Ausdruck gebrachten stillschweigenden Verlängerung sehr, da wir dies sehr konstruktiv finden und wir sagen können, dass einige Lösungen dieser Art bereits in mehreren Gesetzgebungsakten zu finden sind.
Ich habe eine weitere spezifische Anmerkung zur Dauer des Einspruchsrechts. Hierzu würde ich erneut sagen, dass wir am selben Strang ziehen, da wir die Stellungnahme des Berichterstatters bezüglich der Standardabfassung von zwei Monaten, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere zwei Monate, ebenfalls weitgehend teilen, die in einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen unseren drei Institutionen, die wir in Zukunft hoffentlich haben werden, festgelegt werden könnte. Ich glaube, wir haben bereits jetzt ca. 10 positive Beispiele dafür gesehen, wie dieses Konzept bei der gegenwärtigen gesetzgebenden Arbeit angewandt wurde.
Bezüglich des Dringlichkeitsverfahrens hatten wir in der Vergangenheit bereits einige eindeutige Beispiele, dass es z.B. Probleme im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit oder die Sicherheit von Spielzeugen gibt, die manchmal nach einer äußerst dringenden Vorgehensweise verlangen und daher sind wir der Meinung, dass wir etwas noch Dringenderes als die vom Berichterstatter vorgeschlagene frühzeitige Genehmigung finden müssen.
Wenn Sie es mir erlauben, möchte ich abschließend die Anpassung erwähnen, da diese für das Parlament sehr wichtig ist. Auch hier würden wir den pragmatischen Ansatz befürworten, da dieses Parlament zusammen mit der Kommission bereits eine beträchtliche Menge an Arbeit bezüglich der Anpassung von über 250 Basisrechtsakten, die im Rahmen des pragmatischen Ansatzes angepasst wurden.
Wir sind der Meinung, dass die Priorität nun den Bereichen gelten sollte, die wir bisher, vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, noch nicht mittels genauer Überprüfung an das Regulierungsverfahren angepasst haben. Ich denke, dass wir uns auf diese Bereiche konzentrieren sollten. Auch dies wäre ein unglaublicher Arbeitsaufwand, aber wir denken bereits darüber nach, wie wir dies auf die pragmatischste und flexibelste Art und Weise angehen können.
Jo Leinen, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. − Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Auf diesen Moment hat das Europäische Parlament lange gewartet, nämlich bei der Kontrolle von an die Europäische Kommission delegierten Rechtsakten auf gleicher Augenhöhe zu sein mit dem Ministerrat. Um dieses Thema zu beleuchten: Im Jahr 2008 gab es 6 000 delegierte Rechtsakte, also ein großer Berg von Normen, die in einer Art Sekundärgesetzgebung durch die Kommission und das alte Komitologieverfahren abgewickelt wurden. Das Parlament hatte dabei ganz wenige Rechte. Wir wurden informiert, aber wir waren nicht Mitgesetzgeber. Das hat der Lissabon-Vertrag jetzt geändert.
Wir sind bei der Kontrolle der delegierten Rechtsakte auf gleicher Augenhöhe mit dem Rat, und wir möchten dann auch in vollem Umfang auf dieser Höhe sein. Das heißt, Herr Kommissar, wenn Sie dafür plädieren, dass die Dringlichkeit möglich ist, dann brauchen wir auch frühzeitigste Information. Genauso früh, wie der Rat informiert wird, möchten auch wir informiert werden.
Carlos Coelho, im Namen der PPE-Fraktion. – (PT) Ich bin der Meinung, dass es lediglich fair ist, Herrn Szájer zu dem hervorragenden Bericht zu gratulieren, den er uns vorgelegt hat. Wie zu Recht bereits gesagt wurde, stärkt der Vertrag von Lissabon die Befugnisse des Europäischen Parlaments und führt Regelungen zur Stärkung der demokratischen Kontrolle ein. Daher bin ich der Meinung, dass dem Parlament zweifach gratuliert werden sollte: Nicht nur zu Herrn Szájers hervorragendem Bericht, den ich gerade erwähnt habe, sondern auch weil die neuen Regelungen das alte Komitologiesystem abschaffen, das wir in diesem Haus so oft kritisiert haben.
Nun haben wir Artikel 290 des Vertrags von Lissabon und mir ist aufgefallen, dass Herrn Szájers Bericht eine Reihe von Arbeitsweisen vorschlägt, die die Vorrechte des Parlaments schützen. Mittels dieser neuen Bestimmung kann das Parlament sich auf grundlegende Rechtsetzungsakte konzentrieren und der Kommission einen Flexibilitätsspielraum einräumen, um innerhalb der vom Gesetzgeber festgelegten Grenzen Rechtsetzungsakte zum Abschluss zu bringen, die nicht grundlegend sind. Wir Herr Leinen zu Recht angemerkt hat, befinden wir uns nun auf einer Stufe mit dem Rat und das Parlament befindet sich daher nicht in einer untergeordneten Position.
Frau Präsidentin, ich möchte einige Aspekte des Berichts von Herrn Szájer hervorheben, die, wie ich denke, besonders wichtig sind. Der erste ist die Idee, dass wir alle Bestimmungen ablehnen, die dem Gesetzgeber zusätzliche Verpflichtungen auferlegen, zusätzlich zu denjenigen, die bereits in Artikel 290 enthalten sind. Zweitens muss die Kommission eine frühzeitige und fortwährende Übermittlung von Informationen und relevanten Dokumenten sicherstellen. Drittens sollten die Zeitintervalle erst dann beginnen, wenn alle Sprachversionen - ich wiederhole, alle Sprachversionen - zur Verfügung stehen. Abschließend müssen die Ferienzeiten des Parlaments berücksichtigt werden.
Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Diese oft unterschätzten strukturellen Fragen bezüglich des Verhältnisses im institutionellen Dreieck sind in diesem Bericht vom Kollegen Szájer wirklich ausgezeichnet zusammengefasst worden. Es war eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit, für die ich mich auch herzlich bedanken möchte.
Wir haben durch den Vertrag von Lissabon neue Verhältnisse geschaffen, und diese neuen Verhältnisse dürfen nicht durch die Hintertür wieder ausgehebelt werden. Das ist eigentlich der zentrale Punkt, um den es geht. Der Sinn, der dahinterstand, war, die gleiche Augenhöhe zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat auch bei delegierten Rechtsakten herzustellen und zu sichern, dass dies in der Prozedur auch erstens machbar und zweitens garantierbar ist.
Deswegen sind für uns die ganz zentralen Fragen, dass die Bedingungen geschaffen werden, etwa in der Form, dass wir wirklich klar und rechtzeitig die Dokumente und Unterlagen zur Verfügung haben, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen, und zweitens, dass es eben kein common understanding für bestimmte Vorgänge gibt, sondern dass wir Vereinbarungen haben, die fixiert sind und die nicht der politischen Willkür oder dem politischen Tagesgeschäft ausgesetzt werden können.
Dafür brauchen wir feste, gute Regeln, mit denen wir die Rechte des Parlaments in der Realität schützen werden, nicht nur die Theorie zur Kenntnis nehmen. Danke, Herr Kollege Szájer, das war eine gute Zusammenarbeit, und ich hoffe, dass wir damit auch das bewirken, was wir für unsere Kollegen bewirken müssen.
William (The Earl of) Dartmouth, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident! Der Berichterstatter weist zu Recht auf das Demokratiedefizit hin. Das elitäre Konstrukt, das die EU ist, weist ein Demokratiedefizit auf, das sich vergrößert hat, sich weiterhin vergrößert und sich nach dem Vertrag von Lissabon noch weiter vergrößern wird. Ich muss sagen, es verwirrt mich, dass der Berichterstatter Artikel 290 trotz seiner Eloquenz als eine Lösung betrachtet.
Unsere Interpretation des Artikels 290 ist, dass dieser der Kommission die Möglichkeit gibt, Rechtsvorschriften zu ergänzen oder abzuändern. Solch eine Möglichkeit ist weitreichend und lässt sich auf nahezu unbegrenzte Art und Weise interpretieren. Wir sind der Meinung, dass die Schutzmechanismen gegen eine unangemessene Ausnutzung der somit an die Kommission übertragenen Machtbefugnisse ganz klar unzureichend sind. Vielleicht wird der Berichterstatter in seiner Antwort darauf eingehen, weshalb sie unzureichend sind. Dies läuft daher auf eine weitere Übertragung von Befugnissen vom gewählten Parlament zur nicht gewählten Kommission hinaus, was auch immer der Vertrag von Lissabon beinhaltet.
Wir waren schon immer und sind nach wie vor der Meinung, dass es dem Vertrag von Lissabon an demokratischer Rechtmäßigkeit fehlt, vor allem, weil im Vereinigten Königreich von allen drei großen Parteien ein Referendum versprochen wurde, und alle drei großen Parteien haben diesbezüglich auf spektakuläre Art und Weise ihr Wort gebrochen. Artikel 290 ist daher ein Produkt des unrechtmäßigen Vertrages von Lissabon. Er vergrößert das Demokratiedefizit - es würde mich interessieren, vom Berichterstatter zu hören, weshalb dies nicht der Fall ist - und sollte daher abgelehnt werden.
Hans-Peter Martin (NI). - Frau Präsidentin! Als glühender Pro-Europäer war ich gegen den Vertrag von Lissabon, eben weil er solche Argumente, wie wir sie gerade gehört haben, möglich macht, eben weil er nicht diese Klarheit und Eindeutigkeit geschaffen hat, die ich mir vor allen Dingen für die nachfolgenden Generationen wünschen würde. Allerdings bin ich auch Realist und sage, jetzt leben wir damit. Es ist sehr wichtig, noch einmal ausdrücklich festzuhalten, dass genau dieser Artikel 290 ja jedenfalls die Interpretation zulässt, dass nicht nur der Rat, sondern auch das Parlament selbstständig und in relativ einfacher Form die entsprechende Delegierung widerrufen kann. Daran werden wir bei Gelegenheit immer wieder erinnern müssen.
Aber natürlich ist das, was Herr Leinen gesagt hat, auch wahr, nämlich dass wir es jetzt schon mit tausenden von Rechtsakten zu tun haben, die in einer Grausphäre der Nachvollziehbarkeit angesiedelt sind, die wiederum den Antieuropäern, den Gegnern eines Projektes von Europa, einer EU, die dort funktionieren sollte, wo wir sie dringend brauchen, ständig Wasser auf die Mühlen spült. Das hat wieder viel mit Transparenz zu tun. Darum scheint es mir sehr wichtig, wenn in Ziffer 10 angeregt wird, dass unter anderem die Regelung der Übermittlung von Dokumenten eindeutig zu klären wäre.
Nicht wenige von uns kennen den Freedom of Information Act, nicht wenige von uns haben mit den Praktiken in den USA zu tun. Warum machen wir denn nicht einfach copy und paste und ermöglichen es den Bürgern und auch uns Parlamentariern, die entsprechenden Dokumente selbständig und nicht gnadenhalber und erst auf massives Intervenieren durch politische Fraktionen zu bekommen? Warum machen wir daraus kein Recht, wenn wir schon dieses hohe Risiko der tausenden von delegierten Rechtsakten eingehen? In diesem Sinne wünsche ich frohes Schaffen. Wir werden das konstruktiv begleiten auf dem Weg zur Revolutionierung der Demokratie.
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Bezüglich des Prozesses der Übertragung von Exekutivgewalt an die Kommission gibt der Vertrag von Lissabon Einblick in neue Aspekte. Tatsächlich verweist Artikel 290 genau hierauf. Delegierte Rechtsakte sind in Wahrheit allgemeine Rechtsakte, die unter Umständen unnötige Aspekte eines Basisrechtsakts modifizieren und somit ein Mandat für die Übertragung der Exekutivgewalt an die Kommission schaffen.
In der Praxis lässt sich auf diese Weise entsprechend der Dauer der Übertragung - der Zeitraum, in dem das Parlament und der Rat Einspruch erheben können - sowie den Bedingungen für die Aufhebung des Mandats ein Mandat festlegen Das Parlament und der Rat üben Kontrolle aus, jedoch erst nach der Annahme der delegierten Rechtsakte. Delegierte Rechtsakte können auch während des Zeitraums, in dem das Europäische Parlament und der Rat Einspruch erheben können, veröffentlicht werden. Ich bitte Sie, Herr Kommissar, jedoch darum, auch während des Prozesses der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte eine größere Transparenz zu gewährleisten.
Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. – Frau Präsidentin! Erlauben Sie es mir, auf die Anmerkungen der ehrenwerten Mitglieder einzugehen. Ich stimme Herrn Leinen voll und ganz zu, dass der Vertrag von Lissabon gewaltige Veränderungen mit sich gebracht hat. Dies wurde vom Berichterstatter, Herrn Szájer, unterstrichen. Ich möchte Ihnen versichern, dass wir uns dessen voll und ganz bewusst sind und dass wir das Verfahren mit der größtmöglichen Achtung vor dem Gesetzgeber anwenden werden, da dies für unser gegenseitiges Verhältnis und für unsere gute Zusammenarbeit sehr wichtig ist.
Bezüglich der Dringlichkeit und dringender Verfahren möchte ich Ihnen allen versichern, dass wir davon nur in extremen, außergewöhnlichen Fällen Gebrauch machen werden. Wir wissen, dass, wenn wir dieses Instrument missbrauchen, wir ein sehr schwieriges Verhältnis haben würden, und es ist definitiv nicht unsere Absicht, dies zu tun.
Hinsichtlich der Anmerkungen von Herrn Coelho und Frau Lichtenberger möchte ich Ihnen ebenfalls versichern, dass wir unser Möglichstes tun werden, um Ihnen zeitgleich mit dem Rat eine frühzeitige Abschrift aller Dokumente zusammen mit allen nötigen Übersetzungen zu garantieren und zu übermitteln. Wir wissen, dass diese sehr wichtige Änderung mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt wurde, die besagt, dass das Europäische Parlament im Hinblick auf gesetzgebende oder finanzielle Angelegenheiten dem Rat gleichgestellt ist.
Darüber hinaus planen wir die Entwicklung einer neuen Art der Zusammenarbeit, bei der das Europäische Parlament an den vorbereitenden Arbeiten delegierter Rechtsakte beteiligt wäre, und wir möchten dies auf eine sehr solide Grundlage stellen. Diese neue Konstellation wird auch in der Rahmenvereinbarung, die wir gegenwärtig zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament verhandeln, festgelegt.
Ich möchte nun auf die Anmerkungen des Earls of Dartmouth und jene von Herrn Martin bezüglich der uneingeschränkten Befugnisse eingehen, die dieser Artikel 290 der Kommission verleihen sollte. Ich bin der Meinung, dass dies nicht wirklich der Fall ist, da Sie als Gesetzgeber entscheiden werden, die Befugnisse an die Kommission zu delegieren (oder nicht). Sie als Gesetzgeber haben die Möglichkeit diese Befugnisse zu widerrufen oder die Vorschläge der Kommission abzulehnen. Daher kann ich nicht akzeptieren, dass wir uns in eine Grauzone begeben, da ich der Meinung bin, dass die Befugnisse des Gesetzgebers im Vertrag sehr genau festgelegt sind und die Kommission wird diese natürlich respektieren.
József Szájer, Berichterstatter. – (HU) Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen für diese Aussprache bedanken, da die Ausarbeitung dieses Berichts durch die sehr enge Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen - und ich möchte insbesondere den Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit erwähnen, der im Laufe der bevorstehenden Legislaturperiode mit vielen solcher Aufgaben betraut werden wird - und den politischen Parteien ermöglicht wurde. Ich möchte auch hinzufügen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dies ein Kampf ist. Ein Kampf mit der Kommission, ein Kampf mit dem Rat, da es ein Kampf um unsere Rechte ist. In diesem Bericht wird klar bekräftigt, dass dies unsere Rechte sind und dass wir auf diese bestehen. Es ist wesentlich einfacher, dies in einer Situation zu tun, in der die Ausschüsse sowie auch Kolleginnen und Kollegen anderer Parteien hinter mir stehen, damit wir unseren Partnerinstitutionen klar machen, dass das Parlament ganz entschieden auf diese Angelegenheiten besteht. Gleichzeitig, damit wir dieses Recht hoffentlich effektiv ausüben können, betrachte ich die Worte von Herrn Šefčovič als Ermutigung, dass die allgemeine Anpassung in den kommenden Monaten beschleunigt werden kann und dass wir diese Rechte tatsächlich so weit wie möglich ausweiten können. Wir betrachten es hauptsächlich für die Bereiche als wichtig, in denen es bisher keine Mitentscheidung gab.
Ein weiterer sehr bedeutender Aspekt, auf den Kolleginnen und Kollegen hier ebenfalls eingegangen sind, ist, dass der Zugang zu Informationen wichtig ist. Dieser Zugang muss in einer interinstitutionellen Vereinbarung festgelegt werden, und es sind Gespräche mit der Kommission und dem Rat diesbezüglich im Gange. Wir würden jedoch gerne wissen, wie der Rat vorgeht. Welche Gespräche er bezüglich dieser Angelegenheiten führt. Wenn Sie wissen möchten, ob unsere Rechte erweitert oder eingeschränkt wurden, meine Damen und Herren, lesen Sie bitte den Bericht und werfen Sie einen Blick auf die Rechtsvorschriften. Ich kann letztere nur so interpretieren, dass unsere Rechte erweitert wurden. Bisher hatten wir kein Mitspracherecht in Bezug auf die Befugnisse, die wir im Vorfeld delegiert hatten. In der Praxis wurde dem Parlament in diesem Prozess keine Rolle zugesprochen. Sie haben uns aus Höflichkeit zugehört, aber die Termine waren so kurz, dass das Parlament während dieses Zeitraums nicht einmal tagte. Nun hingegen können wir Einspruch gegen diese Entscheidungen erheben oder diese widerrufen und müssen nicht einmal unsere Gründe dafür angeben - mit anderen Worten, dies ist auf alle Fälle eine Erweiterung von Rechten. Wir sind diejenigen mit den gesetzgebenden Befugnissen und wir übertragen diese Befugnisse an die Kommission. Daher kann ich dies nur als eine Erweiterung unserer Rechte betrachten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt nun an uns, alleine zu entscheiden, ob wir diese Rechte in Zukunft ausüben.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während der nächsten Plenartagung in Brüssel statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Raffaele Baldassarre (PPE), schriftlich. – Zunächst einmal möchte ich mich bei Herrn Szájer für die in so kurzer Zeit gelieferte, hervorragende Arbeit bedanken. Die delegierten Rechtsakte werden für die Gesetze der Union und für das interinstitutionelle Gleichgewicht in der EU von höchster Bedeutung sein. Daher ist es elementar, dass sie absolut transparent ausgearbeitet und beschlossen werden, wodurch es dem Parlament und dem Rat gewissermaßen möglich ist, die Ausübung der an die Kommission übertragenen Befugnisse demokratisch zu kontrollieren. Diesbezüglich sind einige Angelegenheiten, wie vom Szájer-Bericht verfochten, von höchster Bedeutung und erfordern ein größeres Engagement unsererseits. Darunter u.a. die Möglichkeit für das Europäische Parlament, die Übertragung jederzeit zu widerrufen und die Gewährleistung, dass das Parlament und der Rat über die gleichen Rechte im Hinblick auf ihre Einbindung in den Prozess der Übertragung verfügen. Abschließend möchte ich betonen, dass es ein Priorität der Kommission sein sollte, alle Gesetzesvorschläge vorzulegen, die für die Anpassung des Besitzstandes an die Vorschriften der Artikel 290 und 291 nötig sind, einschließlich des Besitzstandes in Politikbereichen, die nun gemäß dem Vertrag von Lissabon der Mitentscheidung unterliegen.
Zita Gurmai (S&D), schriftlich. – Ich begrüße den Erfolg des Berichts von Herrn Szájer sehr. Die Definition des neuen Gesetzgebungssystems ist eine schwierige und komplexe Angelegenheit. Ich bin davon überzeugt, dass der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (TFEU) und insbesondere die Artikel 290 und 291 den demokratischen Charakter der Union stärkt und ihre Rechtsordnung effizienter macht. Die Einführung des neuen Konzepts von Rechtsetzungsakten hat weitreichende Auswirkungen. Der Bericht unterstreicht die geringfügigen Unterschiede zwischen den wichtigsten Mitgesetzgebern, die Befugnisse und eine detaillierte Agenda deren Zusammenarbeit. Die wirkliche Frage ist: Für den Fall, dass die EK mehr gesetzgebende Befugnisse und umfassendere gesetzgebende Vollmachten erhält, was mit einer unmittelbaren Zunahme an Gemeinschaftsinteressen einhergeht, welche Kontrollverfahren sollten im Namen des Rates und des EPs eingeführt werden? Das neue rechtliche Regelwerk des TFEU stellt die Mittel zur Verfügung, aber bisher gab es noch keine praktischen Erfahrungen betreffend ihrer Anwendung auf Gemeinschaftsebene. Abschließend fordere ich die Mitgesetzgeber dazu auf, so bald wie möglich eine interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission im Hinblick auf die Umsetzung des Artikels 290 zu treffen, da die dringende Notwendigkeit für mehr Transparenz besteht.
Rafał Trzaskowski (PPE), schriftlich. – (PL) Die Übertragung von Befugnissen im Rahmen der delegierten Gesetzgebung ist, wenn auch verdeckt, ein sehr wichtiger Qualitätsübergang, der mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt wurde. Es sollte als eine Erfüllung des Vertrags betrachtet werden, ohne die die Position des Parlaments in Bezug auf die anderen am Entscheidungsfindungsprozess beteiligten Institutionen nicht vollständig konsolidiert wird. Wir erlangen nämlich nur mittels dieses Verfahrens die vollständige gesetzgebende Gewalt und eine Rolle im Umsetzungsprozess der Rechtsvorschriften. Wir kennen die Frustration im Zusammenhang mit dem mühsamen Prozess des Verhandelns mit dem Rat beim Mitentscheidungsverfahren und im Falle von Entscheidungen, bei denen die Umsetzung im Widerspruch zur interinstitutionellen Vereinbarung steht, sehr gut. Bisher war „Komitologie“ ein Ausdruck für das fehlende Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Kommission, wohingegen die Rolle des Parlaments bei der Umsetzung von Rechtsakten dem Prozess eine größere Rechtmäßigkeit verleiht. Das Parlament und indirekt die Bürgerinnen und Bürger der EU sind nun stärker in den Gesetzgebungsprozess eingebunden, und so sollten wir auch das delegierte Gesetzgebungsverfahren betrachten. Damit dies jedoch Sinn ergibt, muss dem Parlament uneingeschränkt Zugang zu Informationen gewährt werden und dahingehend stimme ich dem voll und ganz zu, was die anderen Teilnehmer in dieser Aussprache gesagt haben.
Zbigniew Ziobro (ECR), schriftlich. – (PL) Die Einführung der delegierten Gesetzgebung zielt darauf ab, sicherzustellen, dass Rechtsvorschriften, und insbesondere technische Rechtsvorschriften, effizienter abgeschlossen und aktualisiert werden, ohne dass dazu jedes Mal ein vollständiges Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden muss. Die delegierte Gesetzgebung sollte daher als ein Mittel zur Verbesserung des Gesetzgebungsprozesses auf EU-Ebene betrachtet werden.
Gleichzeitig ist es unerlässlich, eine angemessene Kontrolle über die Anwendung der an die Kommission übertragenen Regulierungsbefugnisse sicherzustellen. Das Parlament und der Rat müssen u.a. ausreichend Zeit zur Verfügung haben, um von ihrem Recht, geplante Rechtsvorschriften abzulehnen, Gebrauch zu machen. Vor allem müssen sie jedoch angemessenen Zugang zu Dokumenten, Analysen und Beiträgen haben, die während der vorbereitenden Arbeiten an den Entwürfen delegierter Rechtsakte erstellt wurden. Nur so können die Befugnisse der Kommission, delegierte Rechtsakte zu veröffentlichen, wirklich dazu beitragen, den Gesetzgebungsprozess in der Union zu verbessern, während gleichzeitig die notwendige Kontrolle und Transparenz bezüglich der Aktivitäten der Kommission beibehalten wird. Des Weiteren ist es entscheidend, geeignete Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und der Kommission zu entwickeln, damit das Parlament über die laufenden vorbereitenden Arbeiten informiert bleibt und dazu in der Lage ist, einen guten Kenntnisstand über die zu prüfenden Angelegenheiten zu erlangen.
Die Entschließung über die Befugnis der delegierten Gesetzgebung, die das Ergebnis eines zwischen allen politischen Parteien beschlossenen Kompromisses ist, stellt die vorgenannten Angelegenheiten ordnungsgemäß dar und verdient die Unterstützung des Parlaments.