Die Präsidentin. – Das nächste Thema ist der Bericht von Werner Langen im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über Derivatemärkte: Künftige politische Maßnahmen (KOM(2009)0563 – 2010/2008(INI)) (A7-0187/2010).
Werner Langen, Berichterstatter. − Frau Präsidentin! Ich möchte zuerst den Kollegen, die gemeinsam mit mir einen sehr breit angelegten Bericht nach den Mitteilungen der Kommission verfasst haben, dafür danken, dass sie kompromissbereit waren, dass wir uns nicht auf eine Minimallösung geeinigt haben, sondern auf tragfähige Kompromisse.
Ich möchte aber auch dem Kommissar Barnier Dank sagen dafür, dass er jetzt Nägel mit Köpfen machen will. Herrn McCreevy – Ihren Vorgänger, Herr Barnier – haben wir zum Jagen tragen müssen. Bei Ihnen sind wir sicher, dass Sie schnell, zuverlässig und korrekt die Vorschläge zur Finanzmarktregulierung vorlegen und gemeinsam mit uns umsetzen können. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie tun recht daran, dass Sie nicht auf den Letzten im Geleitzug oder die Störrischen im Rat warten. Sie haben das Parlament bei einer klaren und fairen Regulierung der Derivatemärkte voll an Ihrer Seite.
Wir haben im Ausschuss den Bericht mit breiter Mehrheit – 43 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme, 1 Enthaltung – angenommen, und die professionellen Beobachter aus anderen Mitgliedstaaten haben sich zum Teil gewundert, dass nach der kontroversen Diskussion so eine einvernehmliche Regelung zustande gekommen ist. Alle haben sich um sachgerechte Kompromisse bemüht, auch in den beiden Punkten, die bis zuletzt umstritten waren: der Governance, die Bedingungen für die Clearing-Stellen, und zum andern der Formulierung, die wir lange heftig und umstritten diskutiert haben, über die Drittstaatenregelung. Sie haben heute ein Anhörverfahren, eine öffentliche Konsultation zu zwei Teilbereichen eingeleitet – die Dokumente liegen seit heute Nachmittag vor – zu Shortselling und zu Derivaten und Marktinfrastrukturen. Ich glaube, dass wir bei der Regulierung schärfere Regeln brauchen und dass wir uns nicht darauf einlassen sollten, jetzt, nachdem der erste Teil der Finanzmarktkrise einigermaßen bewältigt wurde und der zweite Teil der Finanzmarktkrise ansteht, es weiter zuzulassen, dass ein gewaltiger Markt mit dem zwölffachen Volumen des Weltsozialproduktes unreguliert bleibt. Das sind die OTC-Derivate, das sind aber auch andere Punkte, und jeder von uns weiß, dass das nur ein Teil der Finanzmarktregulierung ist und nicht alles.
Finanzmarktkrise und Derivate, die nicht an den Börsen gehandelt werden, haben die Krise zweifellos verstärkt. Die Bilanzierungsregeln aus den USA und das Netting im Innerbankenverkehr haben Transparenz behindert, und insbesondere die Kreditausfallversicherungen auf Staatsanleihen sind in Verruf geraten.
Auch im Falle Griechenlands gibt es keine Beweise dafür, dass die CDS die Krise verursacht haben, sondern es ist ganz klar, dass in erster Linie nicht Spekulanten, sondern die Verschuldungsprobleme der Mitgliedstaaten die Ursache sind. Deshalb wird man das Problem nur lösen können, wenn man die Verschuldungsprobleme löst.
Wir haben ein weiteres Problem aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre erkannt, dass nämlich die Marktmacht der sechs größten Institute ein Problem ist. Diese sechs größten Institute – davon drei aus Europa und drei aus den USA – haben 80 % des Derivatemarktes zu verantworten. Es ist die historische Erfahrung von 1992, als gegen das britische Pfund spekuliert wurde und damals wurde unter dem Namen Soros der Beitritt des britischen Pfundes zum Euro verhindert, und es ist auch die historische Erfahrung einzelner Aktivisten, die gesehen haben, dass damals einige Zentralbanken ihr gesamtes Vermögen aufbrauchen mussten.
Der Markt braucht Regeln, er muss streng reguliert werden, und die Beschlüsse des Wirtschafts- und Währungsausschusses umfassen insgesamt 48 Einzelpunkte. Die Standardisierung der Derivate, Transaktionsregister, Aufbau von zentralen Gegenpartei-Clearingstellen, Rückgriff auf organisierte Märkte, Verbesserung der Marktintegrität und Marktaufsicht, die Derivate für Unternehmen, Endnutzer müssen eine besondere Regulierung haben, und wir brauchen die schon genannten Eigentumsregeln.
Zum Schluss möchte ich Ihnen, Herr Kommissar, die uneingeschränkte Unterstützung des Parlaments mit breiter Mehrheit zusichern. Fahren Sie nicht im letzten Wagen des Zuges, sondern im ersten und Sie werden uns an Ihrer Seite haben.
Kay Swinburne (ECR). – Frau Präsidentin, ich begrüße den Bericht von Herrn Langen als Teil des steinigen Weges in Richtung einer wirksamen Regulierung von Derivaten. Es wurde auf eindeutige Weise aufgezeigt, dass die mangelnde Transparenz in diesem Bereich ungeahnte Risiken für unser Finanzsystem bedeuten kann. Der Bericht von Herrn Langen erkennt jedoch auch an, dass Derivate im Gegensatz dazu auch zur Risikominderung für kleine und mittlere Unternehmen beitragen können, die die Grundlage für den Wiederaufschwung in Europa bilden werden.
Ich bin erfreut, dass das Parlament seinen Standpunkt klar gemacht hat, nämlich, dass viele Endnutzer nicht nur von Clearing-Anforderungen, sondern auch von Besicherung und Kapitalanforderungen befreit werden sollten. Zwar stimme ich nicht allen Punkten im Bericht von Herrn Langen zu, insbesondere hinsichtlich des Verbots bestimmter Produktarten, da dies meiner Ansicht einer eingehenden Untersuchung bedarf, um zu verhindern, dass die Innovatoren im Finanzsektor neue Wege des Rebrandings oder der Entwicklung noch komplexerer Produkte finden, um die Vorschriften zu umgehen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass der Prozess der europäischen und globalen Rechtsetzung anhält und wir eine umsetzbare und wirksame Lösung für Derivate finden werden.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Ich möchte zunächst Herrn Langen zu seinen Bemühungen bei der Erstellung dieses Berichts gratulieren. Derivate gelten als eine der Hauptursachen für den Ausbruch der Finanzkrise. Mit dem Ziel der Vorbeugung neuer Krisen werden die von der Kommission erarbeiteten Vorschläge für den Derivatemarkt das Risiko mindern, das diese Produkte für die europäische Wirtschaft darstellen.
Um das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen, ist eine Rechtsgrundlage erforderlich, um die Transparenz zu verbessern und die Marktakteure bei der genauen Bewertung damit verbundener Risiken zu unterstützen. Kurzfristig ist die Minderung des Gegenparteiausfallsrisikos eine wichtige Zielsetzung Dies kann durch den häufigeren Einsatz zentraler Clearingstellen erreicht werden. Transaktionen müssen durch eine zentrale Gegenstelle zentralisiert werden, um die Transparenz zu verbessern. In dieser Hinsicht tragen zentrale Gegenstellen dazu bei, die Integrität des Aktienmarktes zu erhalten.
Michel Barnier, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zunächst Herrn Langen für seinen Bericht und dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung danken. Dieser Bericht ist von höchster Qualität und kommt gerade zur richtigen Zeit, was wirtschaftlich und politisch sehr wichtig ist. Herr Langen hat gute Fragen gestellt – was mich bei ihm keineswegs überrascht – und einen ehrgeizigen Standpunkt eingenommen bzw. vorgeschlagen. Ich glaube, das ist für diese Frage angesichts ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Wichtigkeit genau der richtige Ansatz.
Sehr geehrte Abgeordnete, Sie alle wissen, dass es, wenn wir von Derivatemarkt sprechen, um einen Markt von 600 Billionen US-Dollar geht, und um Produkte, die täglich von Banken, aber auch von Unternehmen verwendet werden, um sich gegen potenzielle Schwankungen bei Wechselkursen und Zinssätzen oder die Volatilität der Ölpreise abzusichern.
Wie Frau Swinburn bereits sagte, diese Produkte sind nützlich für unsere Volkswirtschaften, aber zugleich können Sie auch eine Risikoquelle sein und gegenwärtig liegen sie jenseits jeglicher Transparenz oder Registrierung. Das müssen wir ändern und das ist es, was Sie, Herr Langen, in Ihrem Bericht vorschlagen. Das ist auch der Ansatz, den die Kommission in ihrer Mitteilung über Derivatemärkte im Oktober 2009 angekündigt hat, und den ich selbst dem Parlament gegenüber am 13. Januar 2010 bestätigt habe, wie Sie sich gewiss erinnern. Dies beweist, Herr Langen, dass ich, wie am 13. Januar angekündigt, nicht auf dem Beifahrersitz, sondern hinter dem Steuer sitzen werde.
Mit diesem Bild vor Augen möchte ich meine Absicht bekräftigen, diesen Sommer einen Gesetzesvorschlag über Over-the-counter-(OTC-)Derivate einzubringen – um genau zu sein, Anfang September. Die Zielsetzungen sind klar: Wir wollen die Transparenz erhöhen, einen allgemeinen Normungsprozess in Gang bringen und die Märkte stärken.
All das müssen wir jedoch rasch, effektiv und ohne zu improvisieren tun. Die Bewertung des Parlaments liegt vor. Meine Dienststellen sind seit einigen Monaten im Einsatz und befinden sich im fortwährenden Dialog mit den beteiligten Parteien. Gerade heute haben wir eine öffentliche Konsultation gestartet, um unsere Vorschläge in einigen bestimmten Punkten noch genauer auszuarbeiten. Darunter zum Beispiel die Kriterien, die angewandt werden müssen, um Derivate-Clearing verpflichtend zu machen. Nicht alle Derivate können genormt werden.
Zweitens, Art und Umfang der Vorsichtsmaßnahmen in Form von Risikomanagementanforderungen, die es in Bezug auf Clearing-Stellen geben muss. Frau Băsescu hat die Frage zu Recht angesprochen. Diese Clearing-Stellen sollten es uns erlauben, Systemrisiken zu verringern, und wir müssen dafür sorgen, dass sie in der Lage sind, alle Bedingungen zu erfüllen, die erforderlich sind, damit sie diese Rolle ausüben können.
Drittens, die Bedingungen, unter denen Clearing-Stellen in Drittländern diese Dienstleistungen in Europa anbieten können. Eine weitere Frage ist die mögliche Interoperabilität zwischen Clearingstellen und die Frage der Transaktionsregister. Bei diesen handelt es sich um wesentliche Infrastruktur, da sie sämtliche Informationen über Transaktionen enthalten werden. Wie sollen wir sie regulieren? Sollen wir fordern, dass sie in der Europäischen Union ansässig sind? Mit all diesen Fragen werden wir uns eingehend befassen, und wir sollten die Antworten, die wir erhalten, sorgfältig prüfen. Wir sollten darüber hinaus die Ergebnisse dieser Konsultation bei unserer Bewertung der Auswirkungen und dem Gesetzesvorschlag berücksichtigen.
Lassen Sie mich noch einige konkrete Punkte aus dem Bericht Langen hervorheben. Erstens, ich habe die Bedenken des Parlaments hinsichtlich der Verwaltungs- und Eigentumsvorschriften von Clearing-Stellen und des Risikos übermäßiger Kontrolle dieser Clearing-Stellen seitens ihrer Benutzer zur Kenntnis genommen. So wie auch Herr Langen möchte ich mir über die Interessenskonflikte im Klaren sein, aber gleichzeitig müssen wir die wesentlichen gemeinschaftlichen Vorschriften im Bereich der Investitionsfreiheit berücksichtigen, die nicht mit den Eigentumsvorschriften für Clearing-Stellen in Einklang stehen. Wir werden uns jedoch weiter mit dieser Frage auseinander setzen.
Das ist eine heikle Angelegenheit, die ich nicht links liegen lassen möchte. Ich habe diese Frage bei der Konsultation zur Sprache gebracht, und in jedem Fall brauchen wir strenge Mechanismen der Governance, um potenzielle Interessenskonflikte zu vermeiden.
Ich habe ferner Ihren Wunsch zur Kenntnis genommen, Clearing-Stellen und Transaktionsregister in Europa einzurichten. Ich persönlich, Herr Langen, bin für diesen Ansatz. Wir haben aus diesem Grund in unserer Konsultation drei verschiedene Optionen in Bezug auf Transaktionsregister vorgestellt.
Sollten diese Strukturen jedoch teilweise in Europa oder anderswo eingerichtet werden, stellt sich die Herausforderung, zu gewährleisten, dass sie alle denselben Vorschriften unterliegen und dass unsere zuständigen Behörden direkten, unmittelbaren und bedingungslosen Zugang zu den erforderlichen Informationen erhalten.
Im vorliegenden Bericht wird ferner der Wunsch geäußert, der Europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (ESMA) einen wichtigen Stellenwert bei der Zulassung der Überwachung von Clearing-Stellen und Einrichtung sowie Beaufsichtigung von Transaktionsregistern einzuräumen. Auch mit dieser wichtigen Frage müssen wir uns weiter auseinander setzen. Herr Langen, die Zuständigkeit im Bereich Überwachung und Zulassung ist mit der Steuerpflicht verknüpft.
Der ESMA Aufsichtsbefugnisse zu erteilen, würde bedeuten, dass die ESMA theoretisch auch eine haushaltstechnische Zuständigkeit erhalten würde, was zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorstellbar ist, aber noch haben wir darüber keinen endgültigen Beschluss gefasst.
Ich teile ferner Ihre Bedenken hinsichtlich der Volatilität der Rohstoffderivatemärkte. Ich befasse mich derzeit mit dieser Frage und, wie ich dem Parlament bereits gesagt habe, mit der Kontrolle sämtlicher Risiken im Zusammenhang mit Spekulation und Hyperspekulation; Risiken, die ich für skandalöse Transaktionen im Bereich der landwirtschaftlichen Grunderzeugnisse halte. Auch in diesem Punkt müssen wir allgemeine Transparenz in diesen Märkten anstreben und Instrumente einrichten, um ihre übermäßige Volatilität zu bekämpfen.
Die Kommission möchte, um zum Schluss zu kommen, zu einer Lösung der kürzlich auf den Derivatemärkten aufgetretenen Probleme gelangen, insbesondere in Bezug auf Staatsanleihen. Sehr geehrte Damen und Herren, heute habe ich ferner den Startschuss für eine Konsultation zum Thema Leerverkäufe gegeben, zu dem auch Credit-Default-Swaps (CDS) gehören. Wir werden im September auch einen Gesetzesvorschlag darüber einbringen.
Aus all diesen Gründen bin ich überzeugt und erfreut, Ihnen persönlich mitzuteilen, dass der Langen-Bericht das nötige Engagement aufzeigt, das bei diesen extrem ernsten Fragen vonnöten ist, um eine Strategie für den OTC-Derivatemarkt festzulegen und einzuführen, um ihn sicherer, transparenter und effizienter zu machen. Darüber hinaus setzt dieser Bericht in vielerlei Hinsicht für unsere Regierungen und für die Kommission sehr nützliche und wichtige Impulse, und dafür möchte ich Ihnen danken.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet morgen statt (Dienstag, 15. Juni 2010).