Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission von Herrn Karas und Frau Bowles, im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, über die Qualität statistischer Daten in der Union und verstärkte Prüfbefugnisse der Kommission (Eurostat) (O-0080/2010 – B7-0314/2010).
Othmar Karas, Verfasser. − Herr Präsident, Herr Kommissar Olli Rehn, meine Damen und Herren! Die heutige Debatte ist ein wichtiges politisches Signal, das das Europäische Parlament in dieser Zeit aussenden will. Es ist auch ein Zeichen der Entschlossenheit mit dieser mündlichen Anfrage mitten im Prozess der Neugestaltung von Eurostat und der Erarbeitung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments an die Kommission.
Mit der Vorlage einer eigenen Entschließung zeigen wir, dass das Europäische Parlament eine unabhängige, umfassende Tätigkeit von Eurostat will und braucht. Es ist die erste direkte Reaktion der Legislative auf die Erfahrungen in und mit Griechenland. Dabei dürfen wir gleichzeitig nicht vergessen, dass der Rat 2005 den Fünfpunkteplan von Kommissar Almunia abgelehnt und damit verhindert hat, dass die Kommission mit den notwendigen Instrumenten ausgestattet wurde. Wir holen nach, was wir schon lange hätten tun können, ja müssen. Daher mahne ich auch sowohl bei der Kommission als auch beim Rat ein, dass der politische Wille vorhanden ist, sich alle Instrumente zu holen, die wir benötigen, damit der Euro nicht nur auf dem Standbein der Währungsunion, sondern auch auf dem Standbein einer Wirtschaftsunion zu stehen kommt. Den Rat fordere ich auf, nicht zu blockieren, nicht zu verzögern, nicht zu behindern, sondern der Kommission diese Möglichkeiten zu geben.
Wir wollen auch wissen, ob es Untersuchungen gibt, wo es in den letzten Jahren Fehlverhalten bei Eurostat und/oder den Mitgliedstaaten gegeben hat, denn nur wenn wir eine klare Analyse haben, können wir auch wissen, welche Korrekturen und Ergänzungen wir vorzunehmen haben.
Was will das Europäische Parlament? Wir wollen Unabhängigkeit, wir wollen Vergleichbarkeit, daher Mindeststandards für die Statistikerhebung, Mindeststandards für institutionellen Aufbau der Behörden und Kooperation mit der EZB. Wir wollen die Überprüfbarkeit aller Taten, daher muss Eurostat jederzeit umfassend ohne Vorabgenehmigung prüfen können. Wir wollen eine Erweiterung der Kompetenzen, weil wir alle Daten einsehen wollen, auch auf Landes- und Gemeindeebene und bei den Sozialversicherungen. Wir wollen eine lückenlose Zusammenarbeit, wir wollen die Koordinierungsfunktion stärken, und wir wollen von der Kommission wissen, bevor wir unseren Bericht abschließen, ob alles, was derzeit mit dem Rat vereinbart ist, ausreichend ist. Wir meinen nicht. Es ist eine Minimalerklärung, es ist ein Nachholen von Versäumtem, wir haben den nächsten Schritt in Richtung mehr Unabhängigkeit und umfassender Kompetenzen zu gehen.
Sharon Bowles, Verfasserin. – Herr Präsident, der Ausschuss für Wirtschaft und Währung vertritt beständig und einheitlich die Auffassung, dass Eurostat gestärkt werden muss, und wir verfolgen seit langem das Ziel, für statistische Daten von höherer Qualität zu sorgen.
Wir kennen die Vergangenheit, da Herr Karas sie bereits erwähnt hat. 2005 hat der Rat Schande über sich gebracht und den Boden für die momentanen Probleme der Staatsverschuldung bereitet, indem er den Stabilitäts- und Wachstumspakt geschwächt hat und Eurostat gleichzeitig Prüfbefugnisse verwehrt hat. Bei dieser Vergangenheit braucht es Zeit, das Vertrauen wiederzugewinnen, und ein Mangel an Vertrauen hat dazu beigetragen, dass die Mitgliedstaaten bei den jüngsten Problemen sehr tief in die Tasche greifen mussten. Die Worte und politischen Zusagen des Ecofin-Rates haben nicht ausgereicht.
Bald werden wir endlich die Prüfbefugnis für Eurostat haben, die jetzt umso wichtiger ist, da sie der Schlüssel ist, um andere Pläne zur wirtschaftspolitischen Überwachung wirksam zu machen. Ein Instrument, um ein Ergebnis in den Griff zu bekommen ist sehr viel besser als nur Versprechen in den Griff zu bekommen.
Wir möchten, dass die Datenqualität verbessert wird, damit die Daten aktuell sind, und wir wollen in der Lage sein, den Input für die nationalen Konten zu prüfen, und wir fragen: Sind die neuen Befugnisse, die Eurostat erhalten hat, ausreichend? Sogar jetzt hat der Ecofin-Rat einige Bedingungen an die neuen Prüfbefugnisse geknüpft, die allerdings weitaus weniger einschränkend sind, als viele von uns befürchtet hatten, aber hat er die Möglichkeit für wirklich frühe Untersuchungen und Eingriffe untergraben?
Der Bericht des Europäischen Parlaments befürwortet bedingungslose Rechte für Eurostat, um sogenannte methodenbezogene Besuche durchzuführen. Natürlich müssen Ressourcen gezielt eingesetzt werden, wenn dies nötig ist, aber die Untersuchung muss zum Zeitpunkt des Verdachts durchgeführt werden und nicht nach dem Geschehen.
Abschließend möchte ich folgende Frage stellen: Wann werden wir wissen, dass Gleiches wirklich mit Gleichem verglichen wird? Welche Fortschritte werden gemacht, um sicherzustellen, dass die Vorgänge der Buchführung vereinheitlicht und ausreichend transparent sind, um außerbilanzielle Aktivitäten zu erfassen und jegliche andere innovative Praktiken?
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, zuerst möchte ich mich bei Herrn Karas, Frau Bowles und den anderen dafür bedanken, dass sie diese sehr wichtigen Themen in Bezug auf die Qualität von statistischen Daten und Eurostat ansprechen. Ich begrüße auch die Unterstützung, die Sie in ihrem Berichtentwurf hinsichtlich des Vorschlags der Kommission ausgedrückt haben, nach dem die Verordnung über die Anwendung des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (VÜD) abgeändert werden soll.
Ich möchte darauf hinweisen, dass dies der allererste Legislativvorschlag von Herrn Barrosos zweiter Kommission im Februar ist. Ich freue mich, dass er hoffentlich bald angenommen wird und dass er uns dann zur Verfügung steht. Wir hätten ihn schon vor langer Zeit gebraucht, wie Frau Bowles sagte.
Der ursprüngliche Vorschlag dazu wurde im Jahr 2005 gemacht, aber damals wurde er von den Mitgliedstaaten abgelehnt. Die Zeiten haben sich geändert, und nun gibt es eine breite Unterstützung dafür im Rat.
Was diesen Vorschlag anbetrifft, bestätigt der allgemeine Ansatz, auf den sich der Ecofin-Rat am 8. Juni letzte Woche geeinigt hat, die Bedeutung der Gewährleistung von qualitativ hochwertigen Statistiken über die Staatsverschuldung und das Defizit und erkennt die Rolle der Kommission und von Eurostat in dieser Hinsicht an.
Die Verordnung, die fertiggestellt wird, enthält noch immer das wichtigste Ziel des Vorschlags der Kommission, nämlich Eurostat mehr Prüfbefugnisse zu verleihen, wenn ein erhebliches Risiko oder Problem hinsichtlich der Datenqualität festgestellt wurde. Die Kommission kann den Kompromisstext deshalb akzeptieren.
Die Kommission beabsichtigt, mehrere Schritte zu unternehmen, um die Qualität der europäischen Statistiken für die VÜD zu erhöhen. Es wird eine sofortige Aufstockung der Personalressourcen in diesem Bereich geben, hauptsächlich durch interne Versetzungen innerhalb von Eurostat. Die Mitgliedstaaten werden regelmäßiger besucht werden als zurzeit bei den sogenannten VÜD-Gesprächsbesuchen.
Die Kommission wird die Aufnahme von mehr Informationen zu Quellendaten für die Einarbeitung von Statistiken in VÜD-Verzeichnisse gewährleisten, die von der Verordnung vorgesehen werden. Sollte ein Sonderfall auftreten, bei dem wesentliche Risiken oder Probleme hinsichtlich der Qualität der Daten klar festgestellt wurden, wird Eurostat alle relevanten Befugnisse nutzen, die ihm nach der neuen Regelung zur Verfügung stehen, einschließlich natürlich der Prüfbefugnisse.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich ein paar Worte zu Griechenland sagen, über einige aktuelle Themen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und mir vielleicht eine weitere Minute Ihrer Zeit nehmen. Wie allseits bekannt ist, hat die Kommission die griechischen Statistiken mehrere Jahre lang eingehend untersucht. Die geänderte Verordnung sollte in Zukunft die Risiken des Betrugs oder der Manipulation von Statistiken oder jeglicher Art von Unregelmäßigkeit besser reduzieren.
Gestern gab es eine neue Entwicklung in Bezug auf Griechenland. Sie werden wissen, dass Moody's sich gestern entschieden hat, die griechischen Staatsanleihen herunterzustufen. Ich habe auch mit meinem Kollegen Herrn Michel Barnier und dem Kommissionspräsidenten darüber gesprochen. Ich muss sagen, dass der Zeitpunkt von Moody's Entscheidung sowohl überraschend als auch sehr unglücklich ist, nämlich nach einer Einigung auf ein volkswirtschaftliches Sanierungsprogramm zwischen Griechenland und der Kommission, der EZB und dem IWF.
Die von der griechischen Regierung unternommenen Maßnahmen verdeutlichen ihr Engagement, die Strategie zur Reform des Statistiksystems umzusetzen, ihre öffentlichen Finanzen zu stabilisieren und das langfristige nachhaltige Wirtschaftswachstum wiederherzustellen. Diese Entscheidung von Moody's scheint im Widerspruch zu der Entwicklung der griechischen Staatsanleihen und CDS-Spreads zu stehen, die sich seit der Einigung auf das Programm wesentlich verengt haben. Dadurch werden erneut Fragen bezüglich der Rolle von Rating-Agenturen im Finanzsystem und der Aufsichtsvorschriften aufgeworfen.
Diese und andere Fragen werden bei den Überlegungen der Kommission über die Zukunft von Rating-Agenturen berücksichtigt werden. Insbesondere wird sich die Kommission in den kommenden Monaten mit Fragen über das Wettbewerbsniveau in diesem Sektor auseinandersetzen – der momentan stark konzentriert ist – sowie mit der Transparenz in Bezug auf die Methodik und den Interessenkonflikt, da das System immer noch auf dem Modell basiert, dass derjenige zahlt, der die Leistung ausgibt.
Zum Abschluss möchte ich vermerken, dass es von größter Bedeutung ist, dass wir über genaue und verlässliche statistische Daten über die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung verfügen. Dies ist einer der Eckpfeiler einer Wirtschafts- und Währungsunion, die korrekt und reibungslos funktioniert, wie beispielsweise bereits von Herrn Karas hervorgehoben wurde. Deshalb ist dieser Änderungsantrag über die Befugnisse von Eurostat ein fester Bestandteil der Stärkung der wirtschaftlichen Governance in Europa, die in der Tat ein notwendiges Ziel ist.
Edward Scicluna, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident, ich freue mich, dass die Kommission Legislativvorschläge für die Stärkung von Eurostat vorgelegt hat, welche zurzeit vom ECON-Ausschuss geprüft werden.
Bei der Krise in der Eurozone steht die Qualität der statistischen Governance im Mittelpunkt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Eurostat mehr Befugnisse haben sollte, insbesondere um vor Ort in den Mitgliedstaaten Untersuchungen durchzuführen. Aber solche Untersuchungen sollten nicht nur zusammen mit Beamten des Finanzministeriums des Mitgliedstaats oder mit staatlichen Statistikämtern oder sogar mit staatlichen Unternehmen durchgeführt werden; sie sollten, wenn die Arbeit das erfordert, auch akademische Wirtschaftswissenschaftler, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen usw. umfassen. Das tun Rating-Agenturen oder sogar IWF-Delegationen nämlich, um genau zu sein.
Zweitens benötigen wir ein gemeinsames Buchführungssystem, das von allen Mitgliedstaaten genutzt wird, auf einer einheitlichen und international akzeptierten Buchführungsmethode basiert und zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission und dem Parlament vereinbart wurde. Dies sollte nicht nur für Finanzberichte gelten, die der Kommission vorgelegt werden, sondern sollte auch in den öffentlichen Bereichen der Mitgliedstaaten selbst genutzt werden.
Über ein Jahrzehnt nach der Schaffung der Eurozone und der Einführung des Euro, haben wir grundlegende Fehler im System ermittelt, die Schaden anrichten. Diese Fehler haben wir ironischerweise ignoriert, da uns der Erfolg des Euro ein fälschliches Gefühl der Sicherheit vermittelt hat. Wir müssen sicherstellen, dass die Märkte in Zukunft den Wirtschaftsprognosen und Statistiken der Regierungen vertrauen. Wir müssen diese Fehler korrigieren und zwar schnell.
Deshalb fordere ich die Kommission dazu auf, weiterhin eng mit dem Parlament und dem Rat zusammenzuarbeiten, um diese Probleme so schnell wie möglich zu beheben.
Sylvie Goulard, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, die aktuelle Krise im Euroraum kann natürlich nicht den Mängeln des gemeinsamen statistischen Systems zugeschrieben werden. Trotzdem hatten diese Mängel ernsthafte Konsequenzen. Es gibt die wirtschaftlichen Konsequenzen, über die wir schon viel gehört haben, aber es gibt auch Konsequenzen in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Hier schneiden wir meiner Ansicht nach eines der größten Probleme der heutigen Funktionsweise der Union an. Regierungen geben ihren Bürgerinnen und Bürgern Versprechen, zu Recht; sie sagen, dass gegenseitige Verpflichtungen stark kontrolliert werden, dass die Kriterien bis auf die allerletzte Dezimalstelle geprüft werden – im deutschen Originaltext beläuft sich das auf drei Komma null – aber genau diese Regierungen haben es Jahr für Jahr abgelehnt, Eurostat die Ressourcen zu geben, um seine Arbeit durchzuführen. All das schädigt das Gemeinwohl, denn alles, was die Kommission schwächt, schwächt uns alle.
Deshalb unterstützen wir diese Entschließung voll und ganz, die fordert, dass die Kommission, beziehungsweise Eurostat, Prüfbefugnisse erhält und dass die gemeinsamen Standards gestärkt werden. Ohne diese Bemühungen, Präzision bei der Nutzung und Erfassung von Daten sicherzustellen, sind die Sorgfaltsversprechen nicht zu halten. Unter den Europäer wird zunehmende Verwirrung herrschen, und die Europäische Union wird ihr Gesicht verlieren.
Franz Obermayr (NI). - Herr Präsident! Die Diskussion um die Erweiterung der Befugnisse von Eurostat geht das Problem nicht wirklich richtig an. Es soll nie wieder vorkommen, dass ein Mitgliedstaat mit Budgetdaten trickst und jahrelang auf Kosten der anderen über seine Verhältnisse lebt, und dort, wo berechtigte Zweifel bestehen, muss auch nachgeprüft werden. Die EU darf aber Griechenland und die aktuelle Eurokrise nicht zum Anlass nehmen, die Kompetenzen der Mitgliedstaaten betreffend die Budgethoheit völlig auszuhöhlen. Vielmehr muss das Problem an der Wurzel gepackt werden.
Die sozioökonomischen Strukturen der Mitgliedstaaten unterscheiden sich zum Teil massiv. Auch Eurostat muss diese Realität als Zahlenjongleur der EU anerkennen. So ist etwa ein Arbeitsloser in London etwas anderes als ein Arbeitsloser in Paris, weil die Kriterien für diesen Begriff unterschiedlich ausgelegt werden. Noch eklatanter sind die Unterschiede der sozioökonomischen Realitäten zwischen den traditionellen Hartwährungs- und Weichwährungsländern.
Eurostat darf nicht um jeden Preis den Mythos der Vergleichbarkeit aufrecht halten, vielmehr muss die Vergleichbarkeit der Eurozonenländer grundsätzlich überdacht werden.
Anni Podimata (S&D). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, erlauben Sie mir zu Anfang meine vollste Zufriedenheit über den Kommentar auszudrücken, den Sie zuvor über die gestrige plötzliche und unberechtigte Entscheidung der Rating-Agentur Moody's, die Bonität Griechenlands herunterzustufen, gemacht haben. Eine Entscheidung, die Sie unglücklich und falsch genannt haben, und damit bestätigt haben, dass unser Entschluss, eine grundlegende Revision des operativen Rahmens dieser Firmen auf europäischem Gebiet vorzunehmen und ernsthaft die Schaffung einer öffentlichen europäischen Rating-Agentur zu erwägen, richtig war.
Was die heutige Debatte und den Vorschlag, die Verordnung zur Qualität statistischer Daten im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu überprüfen, anbetrifft, wissen wir alle, dass dies aus der sogenannten „griechischen Angelegenheit“ in Bezug auf falsche Statistiken resultiert.
Als griechische Abgeordnete, bin ich natürlich nicht glücklich darüber, dass Griechenland in einer solchen Debatte als Negativbeispiel benutzt wird. Allerdings möchte ich das Parlament daran erinnern – wie auch Sie es getan haben, Herr Kommissar –, dass Griechenland, beziehungsweise die aktuelle griechische Regierung, das Problem als Erstes erkannt hat und sofort radikale Maßnahmen zu dessen Behebung getroffen hat, erstens indem es das staatliche Amt für Statistik zu einer vollständig unabhängigen Behörde umgewandelt hat, die vom Parlament überwacht wird, und zweitens, indem es Schritte unternommen hat, um einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der die Beteiligten in diesem inakzeptablen Verfahren ermitteln und für schuldig befinden soll.
Trotzdem müssen wir anerkennen, dass diese Debatte auf europäischer Ebene zu spät stattfindet, da es bereits 2005 ausreichende Statistiken gab, die uns hätten wachrütteln und Maßnahmen ergreifen lassen müssen.
Dimitar Stoyanov (NI). – (BG) Ich möchte die Debatte in eine praktischere Richtung lenken, denn vergangene Woche hat der Kommissar erklärt, dass Eurostat eine spezielle Prüfung der statistischen Daten durchführen wird, die die Kommission aus Bulgarien erhalten hat.
Allerdings ging leider aus der Erklärung von Herrn Rehn nicht klar hervor, weshalb so eine Prüfung nötig war. Deshalb möchte ich jetzt diese Gelegenheit nutzen, um ihm eine Frage zu stellen.
Mittels welcher Kriterien wurde der stabilste Mitgliedstaat der Balkanregion ausgewählt, wo alle anderen Mitgliedstaaten in dieser Region mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben? Welche waren diese Kriterien, die festgelegt haben, dass gerade in Bulgarien eine solche Prüfung vorgenommen wird? Ist dies nicht auch ein Zeichen für Ihre Unbeweglichkeit, die sich aus Ihrem vorherigen Zuständigkeitsbereich, der Erweiterung, ableiten lässt?
Auch haben Sie gerade gesagt, dass es sehr unglücklich ist, dass Moody's die Bonität Griechenlands heruntergestuft hat. Haben Sie allerdings begriffen, dass durch die Verbreitung solcher Dinge in der Öffentlichkeit als Nächstes auch die Bonität Bulgariens heruntergestuft werden könnte? Dann können Sie Moody's nicht böse sein. Dann haben Sie das in dem Fall selbst zu verantworten.
Olle Ludvigsson (S&D). – (SV) Herr Präsident, es müssen einfache Maßnahmen ergriffen werden, um wirtschaftliche Stabilität in der EU zu schaffen. Eine der einfachsten, aber zugleich auch wichtigsten Maßnahmen ist es, die Qualität wirtschaftlicher Statistiken zu erhöhen. Auf diesem Gebiet ist es gut möglich, relativ schnell erhebliche Verbesserungen zu erzielen. Deshalb begrüße ich die positiven Signale sowohl von der Kommission als auch vom Rat. Ich hoffe, dass es schnell möglich sein wird, eine Einigung über wirksame Maßnahmenpakete zu erreichen, die die Qualität statistischer Daten auf eine höhere Ebene bringen.
Ich bin der Ansicht, dass wir die Rolle und die Befugnisse von Eurostat stärken müssen. Eurostat muss auch weiterhin mit den staatlichen Datenerhebern zusammenarbeiten, aber die Hierarchie und die Ebenen der Entscheidungsfindung müssen klarer definiert werden. Eurostat muss in der Lage sein, Einsicht in korrekte nationale Daten zu erbitten und Sanktionen sowie Sonderuntersuchungen anzuwenden, wenn die Qualität nicht ausreichend ist.
Es werden mehr Ressourcen benötigt, wenn die Statistiken verbessert werden sollen. Es ist wichtig, dass wir begreifen, dass höhere Qualität auch größere Investitionen in dieser Hinsicht erfordert. Wir müssen einen Plan für Eurostat einrichten. Die Kapazitäten müssen erhöht werden, und wir müssen sicherstellen, dass das Budget Raum für diese Kapazitätserhöhung bietet. Ich bin besorgt darüber, dass Statistiken bisher in diesem Bereich in den laufenden Gesprächen zur Entscheidungsfindung keine Priorität hatten. Ich hoffe, dass die Investitionen ansteigen werden.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Wir wissen alle, dass die Novellierung der Verordnung hinsichtlich der Qualität der statistischen Daten im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit angesichts der gegenwärtigen Probleme in den meisten Staatshaushalten der Mitgliedstaaten eine besonders wichtige und vordringliche Maßnahme darstellt. Denn ohne exakte und klare Daten ist es schwierig, weitergehende Maßnahmen zu beschließen und festzulegen. Insofern muss also ein Kontrollmechanismus eingebaut werden, damit die Daten, die von den nationalen Behörden eingereicht werden, rechtzeitig überprüft werden können. Es darf jedenfalls nicht mehr – wie im Falle Griechenlands – vorkommen, dass man erst im Nachhinein darauf kommt, dass man auf der Basis falscher oder gefälschter Daten weitreichende Entscheidungen getroffen hat. Hier gilt es auch, Strafen für diejenigen Staaten in Erwägung zu ziehen, die absichtlich inkorrekte Daten oder Statistiken übermitteln. Die Aufwertung von Eurostat und dessen Ausbau zu einer unabhängigen Behörde sollte daher auf alle Fälle in Erwägung gezogen werden. Dies bedeutet keinesfalls einen Eingriff in die Budgethoheit der Mitgliedstaaten, es geht vielmehr um die wirksame Kontrolle von Daten.
Liisa Jaakonsaari (S&D). – (FI) Herr Präsident, ich denke, dass der Kommission dafür gedankt werden sollte, dass sie solch schnelle Fortschritte hinsichtlich dieser Themen macht. Vor einigen Monaten noch wurde beispielsweise das Einsehen von statistischen Daten eines Landes als Einmischung in Bezug auf die nationale Souveränität gewertet. Zu der Zeit hielt man es quasi für unmöglich und bis zu dem heutigen Standpunkt hat sich offensichtlich viel verändert. Es ist ausgezeichnet, dass die Befugnisse von Eurostat ausgebaut werden sollen. Europa wäre in eine Art moralische Krise geraten, wenn die Menschen – wie zuvor – nur aus dem Augenwinkel beobachtet hätten, dass die Statistiken verzerrt werden.
Ich stimme mit meiner Kollegin, Frau Podimata, überein, dass die Leute nun aufhören sollten, Griechenland auf diese Art und Weise zu verspotten. Griechenland sollte Respekt dafür gezollt werden, einige sehr schwere Entscheidungen getroffen zu haben. Die Menschen dort sollten außerdem besseren Zugang zu statistischen Daten und allgemeinen Informationen über die Wirtschaft erhalten als zuvor.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte Ihnen für eine äußerst substanzielle Diskussion danken und für Ihre Unterstützung für diesen Vorschlag, die Befugnisse von Eurostat zu verstärken. Ich muss sagen, dass ich mit Frau Jaakonsaari übereinstimme, dass wir eine grundlegende Veränderung erlebt haben – einen richtigen kulturellen Wechsel –, was die Haltungen in Bezug auf die Koordination der Wirtschaftspolitik in Europa in den vergangenen Monaten betreffen.
Die Annahme dieses Vorschlags ist einer der Eckpfeiler unserer Bemühungen, unsere Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken. Es wurden mehrere Anmerkungen zu Griechenland und Bulgarien gemacht, und ich möchte einige Fragen klarstellen und beantworten, die heute diskutiert wurden. In Bezug auf Griechenland werde ich nicht auf die ganze lange Geschichte dieser Sage eingehen. Ich stimme mit denen überein, die sagen, dass es nicht fair ist, mit dieser Kritik an Griechenland fortzufahren, denn Griechenland hat sich nun gefangen und sein Programm wird wirksam umgesetzt. Griechenland verdient Kredite und Unterstützung und keine weitere Kritik. Was die statistischen Reformen angeht, arbeiten wir mit den griechischen Behörden zusammen. Wir haben im Laufe dieses Winters und Frühjahrs zahlreiche Besuche durchgeführt und uns kürzlich auf einen Aktionsplan geeinigt, der darauf abzielt, die Kapazität des griechischen statistischen Systems zu stärken und die Statistiken der öffentlichen Finanzen Griechenlands zu verbessern.
Bei Bulgarien beziehen sich unsere Bedenken hauptsächlich auf zwei Aspekte der Haushaltsvorausschätzung. Ich hoffe, dass zumindest die bulgarischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments meinen Erklärungen zu Bulgariens Verfahren bei einem übermäßigen Defizit und zu den statistischen Problemen dieses Landes zuhören.
Erstens wurde die Kommission von Bulgarien zu spät über die erheblichen Revisionen in den Haushaltsprognosen informiert, was einen Verstoß gegen die Vertragsverpflichtungen darstellt. Zweitens haben wir keinerlei Informationen darüber erhalten, warum Bulgarien seinen Haushaltsplan für 2010 innerhalb von wenigen Wochen von einem ausgeglichenen Haushalt auf ein Defizit von 3,8 % korrigiert hat, obwohl die volkswirtschaftliche Lage gleich geblieben ist oder sich sogar verbessert hat. Infolgedessen ist die Kommission zurzeit nicht in der Lage, eine Bewertung des bulgarischen Haushaltsplans für dieses Jahr vorzunehmen.
Der geplante Einsatz von Eurostat in Bulgarien, der für die zweite Hälfte dieses Jahres vorgesehen war, wird sich nicht mit den Unterschieden und Fragen bezüglich der Prognose für 2010 beschäftigen. Dies ist keine Angelegenheit der Statistik. Stattdessen wird sich Eurostat auf mögliche Risiken für Vergangenheitsdaten über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit für das Jahr 2009 konzentrieren, die sich auf vorherige, nicht deklarierte Vertragsverpflichtungen der Regierung beziehen.
Ich bin sehr dankbar über die Aufmerksamkeit, die diesen wichtigen Themen geschenkt wird, welche auch Auswirkungen auf Bulgariens Position auf den Märkten haben könnten. Nach den Informationen der bulgarischen Behörden werden die internen Haushaltsprüfungen erst Mitte des Sommers abgeschlossen werden. Das Ergebnis dieser Prüfungen wird von Eurostat vor dem Hintergrund des geplanten VÜD-Besuchs in Bulgarien genutzt werden. Abhängig davon, wie schnell die überarbeitete Verordnung angenommen wird, die Eurostat mehr Befugnisse verleiht, kann Eurostat diese Befugnisse, sofern nötig, bei seiner Arbeit nutzen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nochmals für Ihre Aufmerksamkeit danken und besonders für Ihre breite und nachdrückliche Unterstützung unseres Vorschlags, welcher der allererste Legislativvorschlag der zweiten Barroso-Kommission ist. In der Tat ist seine Annahme für das effiziente Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion von wesentlicher Bedeutung.
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar und vielen Dank auch für Ihre wohlmeinenden Worte über uns; wir haben Ihren Worten nicht aufmerksam genug zugehört. Ich finde es bedauerlich, wenn jemand in diesem Haus spricht und es Bekundungen, wie Beifall, gibt, die nichts mit der Thematik und dem Beitrag, der während unserer Debatte gemacht wird, zu tun haben.
Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 16. Juni 2010, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Enikő Győri (PPE) , schriftlich. – (HU) Das Europäische Parlament muss bei der heutigen Debatte Stellung zu einem sehr wichtigen Thema nehmen, nämlich zu der Richtung, in die sich das statistische Informationssystem, das momentan unter der Aufsicht von Eurostat arbeitet, entwickeln soll, um in Zukunft Situationen zu vermeiden, die dem griechischen Skandal ähnlich sind. Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Betrug, der von den griechischen Behörden verübt wurde, bereits im Jahr 2004 ans Licht gekommen ist, und zur gleichen Zeit waren auch die Finanzen der sozialistischen ungarischen Regierung fragwürdig. Trotzdem hat die EU immer noch keine Schritte unternommen, um das statistische Informationssystem zu reformieren. Obwohl ich glaube, dass der Plan der Kommission, Eurostat Prüfbefugnisse zu verleihen, ein Schritt in die richtige Richtung ist, bin ich der Überzeugung, dass wir mehr tun müssen, da nun die Zukunft der gemeinsamen Währung auf dem Spiel steht. Was man meiner Meinung nach als Nächstes tun sollte? Meiner Ansicht nach sollten bei Verfahren bei einem übermäßigen Defizit nicht nur Mitgliedstaaten, die wiederholt ihre Verpflichtungen nicht erfüllen und das Maastrichter Kriterium für das Haushaltsdefizit von 3 % nicht einhalten, Strafen auferlegt werden, sondern auch denjenigen, die jahrelang falsche statistische Daten angegeben haben und dadurch Investoren und die EU in die Irre geführt haben und die Stabilität des Euroraums gefährdet haben. Ich stimme mit dem Ansatz überein, die Beamten von staatlichen Statistikämtern persönlich für die Qualität der Daten, die an Eurostat übermittelt werden, verantwortlich zu machen. Aus diesem Grund schlage ich vor, dass wir, unter Berücksichtigung der Arbeit der Arbeitsgruppe des Rates unter der Leitung von Herrn Herman Van Rompuy, die Kommission bitten, ein strengeres Sanktionssystem auszuarbeiten, um das aktuelle System zu ersetzen.