Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sieben Entschließungsanträge zu Venezuela, insbesondere zum Fall von Maria Lourdes Afiuni(1).
Santiago Fisas Ayxela, Verfasser. − (ES) Frau Präsidentin, Richterin Afiuni hat gemäß venezolanischem Recht und entsprechend der Stellungnahme der UN-Arbeitsgruppe „Willkürliche Inhaftierungen“ die bedingte Freilassung von Eligio Cedeño verfügt. Dies führte zu ihrer Inhaftierung in einem Hochsicherheitsgefängnis unter Haftbedingungen, die ihr Leben gefährden. Präsident Chávez hat öffentlich gefordert, dass die Staatsanwaltschaft die Höchststrafe beantragt und dass die Nationalversammlung ein Gesetz erlässt, um ihre Strafe rückwirkend zu erhöhen.
Amnesty International und der UN-Hochkommissar für Menschenrechte haben ihre große Sorge zum Ausdruck gebracht.
Es handelt sich hierbei nicht um einen Einzelfall, meine Damen und Herren. Im Gegenteil, er veranschaulicht die autokratische und autoritäre Tendenz eines Regimes, das, einher mit scheinbar demokratischen Wahlen, oppositionelle Medien ausschaltet, Beschlagnahmungen anordnet und politische Gegner verhaftet und somit keinerlei Achtung vor den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit zeigt.
Daher haben wir gefordert, dass Richterin Afiuni unverzüglich freigelassen wird.
Renate Weber, Verfasserin. − Frau Präsidentin, wieder einmal diskutieren wir in diesem Parlament über die Situation in Venezuela – und zwar nicht weil wir es wollen, sondern weil wir es müssen.
Die Dinge haben sich seit unserer letzten Entschließung nicht verbessert; ganz im Gegenteil. Der bloße Gedanke der Rechtsstaatlichkeit verschwindet langsam unter all dem Druck, der auf Richter und die Justiz ausgeübt wird, und das hat Auswirkungen auf die Ausübung einer ganzen Reihe von Menschenrechten, von der Redefreiheit – insbesondere der Pressefreiheit – bis zum Privateigentum.
In Artikel 26 der venezolanischen Verfassung heißt es ganz klar, dass die Justiz unabhängig ist und der Präsident der Garant dieser Unabhängigkeit ist. Dennoch diktiert Präsident Hugo Chávez in zunehmendem Maße ganz einfach über öffentliche Reden den Staatsanwaltschaften und Richtern, wie sie zu handeln und zu entscheiden haben.
Mehrere Richter sind Opfer dieser Handlungsweise des Präsidenten geworden. Einige sind ihrer Ämter enthoben worden; andere haben das Land verlassen. Der Fall von Richterin Maria Lourdes Afiuni ist nur der jüngste und hervorstechendste in dem Sinne, dass ein Richter aufgrund einer gefällten Entscheidung inhaftiert und angeklagt wurde. Wie könnten die Richter, die sich mit ihrem Fall befassen, unabhängig handeln, wenn der Präsident des Landes, anstatt die Gerichtsverhandlung und die Auswertung der Beweise durch die Justiz abzuwarten, Richterin Afiuni öffentlich als Banditin bezeichnet und eine Höchststrafe fordert?
Maria Lourdes Afiuni hat die letzten sieben Monate an einem Ort verbracht, an dem ihre körperliche Unversehrtheit und sogar ihr Leben in Gefahr sind. Sie befindet sich mit mehr als 20 weiblichen Gefangenen im Gefängnis, die sie im Laufe der Jahre aufgrund schwerer Verbrechen verurteilt hat. Es gibt keinen Zweifel daran, dass diese Maßnahme ergriffen wurde, um sie zu demütigen und ihr Angst einzujagen.
Da ich mir von den venezolanischen Gerichten nicht viel erwarte, wage ich es, Präsident Chávez zu ersuchen, sie freizulassen.
Verfasserin. − (ES) Präsident Chávez, Richterin Afiuni muss unverzüglich freigelassen werden. Es muss unverzüglich eine faire Gerichtsverhandlung mit allen notwendigen Garantien geben, damit sie in der Lage ist, sich selbst gegen die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft zu verteidigen. Das wäre nicht nur Ihrerseits fair, sondern auch eine bemerkenswerte humanitäre Geste.
Véronique De Keyser, Verfasserin. − (FR) Frau Präsidentin, geht es im Fall von Maria Lourdes Afiuni in Venezuela um die Bekämpfung der Korruption, wie die offizielle Version lautet, oder um die Verfolgung eines politischen Gegners, wie die Version lautet, die der Korrespondent der New York Times, Simon Romero, berichtet?
Die Frage verdient es sicherlich, gestellt zu werden, da beide Kombinationen in kompromisslosen Regimen üblich sind. Meine Fraktion hat jedoch ihre Unterschrift unter den Kompromiss zurückgezogen und ist bereit, eine eigene Entschließung vorzubringen. Ich glaube, Sie übertreiben es, meine Damen und Herren, und ich will diesen Fall, der meiner Ansicht nach geklärt werden muss, nicht zum Anlass nehmen, um das ganze venezolanische Regime zu kritisieren, was Ihre Absicht ist.
Worum geht es hier? Unter der Verwendung eines außergewöhnlichen Verfahrens hat Richterin Afiuni die Freilassung eines Bankiers angeordnet, der beschuldigt wurde, durch den Einsatz eines gefälschten Einfuhrvertrags 27 Mio. USD von einer staatlichen Behörde gestohlen zu haben. Sie wurde nach seiner Freilassung verhaftet und inhaftiert. Es stimmt, dass ihre Haftbedingungen absolut schrecklich sind, wie in allen venezolanischen Gefängnissen. Aber wir führen hier keine Dringlichkeitsdebatte über Gefängnisse. Darum macht das die Richterin noch lange nicht zu einer Menschenrechtsaktivistin – sie hat sich zu diesem Punkt nie geäußert.
Wie Sie, fordere ich ein schnelles und faires Verfahren mit allen dazugehörigen Garantien auf eine Verteidigung, die Fortsetzung des Kampfes gegen die Korruption, die es im Justizapparat gibt, und die strenge Trennung von Politik und Justiz. Darin stimme ich mit Ihnen überein, aber bei allem anderen kann ich Ihnen nicht zustimmen.
Raül Romeva i Rueda, Verfasser. − (ES) Frau Präsidentin, ich bin der gleichen Ansicht wie Frau De Keyser. Als wir vor ein paar Tagen aufgefordert wurden, die Angelegenheit als einen dringenden Fall zu debattieren, habe ich erklärt, dass der spezielle Fall von Richterin Afiuni Aufmerksamkeit verdient. Vielleicht nicht in Form einer Dringlichkeitsentschließung. Vielleicht in Form eines Briefes, den mehrere Abgeordnete unterzeichnen könnten und in dem unsere Sorge zum Ausdruck gebracht wird und unsere Forderung ausführlich dargelegt wird – oder vielmehr die Forderung, die wir stellen sollten, was wir bisher noch nicht getan haben –, dass die rechtlichen Garantien bei allen Gerichtsverfahren, einschließlich des Falles von Richterin Afiuni, eingehalten werden.
Das war die Absicht und mit dieser Absicht hat unsere Fraktion einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem wir verschiedene Punkte vorbringen, die mit einigen der vorgetragenen Ansichten übereinstimmen und an die man sich meiner Meinung nach unbedingt erinnern sollte.
Wir sind während dieses Prozesses jedoch zu der Erkenntnis gelangt, dass es nicht nur um eine Entschließung zu einem spezifischen Fall von Menschenrechtsverletzungen oder die spezifische Situation, in der sich derzeit eine Richterin befindet, geht, sondern es gibt auch eine Anschuldigung aus Sicht der venezolanischen Opposition.
Es ist sicherlich niemandem entgangen, dass sehr bald Wahlen stattfinden werden. Außerdem ist es sicherlich niemandem entgangen, dass diese Entschließung politisch – politisch! – in Venezuela genutzt wird.
Ich verspüre bestimmt keine besondere Verbundenheit oder politische Nähe zu Herrn Chávez; überhaupt keine. Ich will jedoch auch nicht, dass das Europäische Parlament von der Opposition zu Wahlkampfzwecken benutzt wird, die derzeit einen Einzelfall nutzt, um die Glaubwürdigkeit einer gesamten Politik zu schädigen, der man sich anschließen kann oder auch nicht, über die jedoch stets politisch debattiert werden muss. Das ist nicht die Debatte, die wir heute führen, die vielleicht in einem anderen Rahmen stattfinden muss, aber nicht heute, nicht hier, nicht jetzt.
Die Entschließung über Fälle von Menschenrechtsverletzungen, über die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit hat ein sehr spezifisches Mandat und einen sehr spezifischen Zweck, wobei Sie sehr viel Zeit darauf verwendet haben, um diesen Raum für andere Dinge zu nutzen, die nichts mit den jeweiligen und spezifischen Berichten über Menschenrechtsverletzungen zu tun haben. Es scheint mir, als ob es notwendig war, dass das gesamte Haus, alle Fraktionen, um der Menschenrechte willen, darüber nachdenken mussten.
Charles Tannock, Verfasser. − Frau Präsidentin, die blanke Demagogie des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez scheint keine Grenzen zu kennen. Er hat es jetzt auf die Unabhängigkeit der Justiz als nächstes Hindernis für seine Erlangung der absoluten Macht abgesehen. Die Verhaftung und die Inhaftierung von Richterin María Lourdes Afiuni Mora stellt bisher den unverfrorensten und dreistesten Versuch dar, abweichende Meinungen verstummen zu lassen und die Gewaltenteilung und die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben.
Wie diese Richterin auf ein faires Gerichtsfahren hoffen kann, ist mir unverständlich. Chávez hat sie bereits als Banditin bezeichnet, sie der Bestechlichkeit beschuldigt und erklärt, dass man sie zu 30 Jahren Haft verurteilen sollte. Er hat außerdem gesagt, dass Simón Bolívar sie hätte erschießen lassen, was eine äußerst hetzerische Erklärung in Chávez’ immer diktatorischerem Regime und meiner Ansicht nach einen rücksichtslosen Aufruf zu Gewalt darstellt.
Dennoch kommt Chávez mit seiner Verhaltensweise davon, was größtenteils daran liegt, dass er ein hysterischer Kritiker der Vereinigten Staaten bleibt und als solcher bei vielen Linken in Europa und in diesem Haus beliebt ist. Dieses Paradoxon unterwandert weiterhin die gemeinsamen Anstrengungen der EU, die alarmierende Entwicklung hin zum Totalitarismus in Venezuela aufzudecken.
(Beifall)
Bernd Posselt (PPE). - ("Blaue Karte" Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 GO an Raül Romeva i Rueda) Frau Präsidentin! Ich möchte den Kollegen Romeva fragen, ob er weiß, dass in der Geschäftsordnung nicht nur die Menschenrechte genannt sind, sondern auch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Gegenstand dieser Debatten sind. Und weiß er, dass Herr Chavez eine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist?
Raül Romeva i Rueda, Verfasser. – (ES) Herr Posselt, das ist eine Frage der Prioritäten. Vor zwei Monaten haben wir genau über diese Frage im Zusammenhang mit einer Dringlichkeitsentschließung zu Venezuela hier debattiert. Was ich eigentlich sage, ist, dass wir uns darüber im Klaren sein sollten, was wichtig ist und was die Prioritäten sind. Wenn wir eine Debatte über Venezuela im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten führen müssen, sollten wir sie führen, aber wir sollten diese Sitzung nicht für Dinge nutzen, die nichts mit den grundlegenden, spezifischen und aktuellen Berichten über Menschenrechtsverletzungen zu tun haben.
Joe Higgins, Verfasser. − Frau Präsidentin, diese Entschließung, in der es angeblich um die Menschenrechte in Venezuela geht, entblößt die kolossale Scheinheiligkeit der rechten Parteien in diesem Parlament. Die wirkliche Absicht hier ist es nicht, die Menschenrechte zu verteidigen, sondern tatsächlich den Sturz der Regierung von Hugo Chávez voranzubringen und der rechten unternehmerfreundlichen Opposition in Venezuela Unterstützung zu leisten, die immer noch große Teile der privaten Medien und der Industrie und des Grundbesitzes kontrolliert und zu der diejenigen gehören, die vor weniger als 10 Jahren einen offenen Staatsstreich versucht haben.
Die Regierung Chávez hat bestimmte progressive Maßnahmen ergriffen, die das Leben der ärmsten Teile der Gesellschaft verbessert haben, was aber nicht bedeutet hat, dass Chávez die neoliberale Wirtschaftspolitik ablehnt, die die Europäische Union und die Vereinigten Staaten vielen Ländern in Lateinamerika aufgezwungen haben: Politiken wie die Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung ihrer Wirtschaft, wovon hauptsächlich die großen transnationalen Unternehmen mit Sitz in der EU oder den Vereinigten Staaten profitieren. Darum gibt es diese Verunglimpfungskampagne.
Ich fordere, dass diese Richterin Afiuni und alle Häftlinge in Venezuela mit Würde behandelt werden und ihnen ein absolut faires Gerichtsverfahren zuteil wird. Ich und meine sozialistischen Kollegen in Venezuela, zum Beispiel Socialismo Revolucionario, haben große Probleme mit einigen Aspekten der Politik von Chávez: die zunehmende Tendenz zur Bürokratisierung und eine stalinistische Tendenz mit dem Versuch, die Opposition zu schädigen und zu diskreditieren, die aus der Linken in Venezuela und in der Arbeiterbewegung kommt. Wir wollen, dass die großen Bodenschätze in Venezuela in den öffentlichen Besitz übergehen und zwar in einem echten System der Kontrolle und Verwaltung der demokratischen Arbeiter, das den Grundstein für genügend Reichtum und Dienstleistungen legt, um das Leben der großen Mehrheit der Menschen in Venezuela zu verändern, den entsetzlichen Problemen wie der Armut und der Kriminalität ein Ende zu bereiten und außerdem allen volle demokratische Sozial- und Menschenrechte zu bieten.
Bogusław Sonik, im Namen der PPE-Fraktion. – (PL)Frau Präsidentin, in diesem Plenum stellen wir uns oft eine Frage, die uns auch in unseren Wahlkreisen gestellt wird: Wie wirksam ist unsere Arbeit beim Schutz der Menschenrechte? Wenn ich dem kommunistischen Kollegen zuhöre, der sagt, dass die hier gehaltenen Reden zum Sturz eines Regimes führen könnten, freue ich mich darüber, und ich würde mich freuen, wenn die diktatorischen Regimes in Weißrussland, Simbabwe und überall dort, wo Menschen unter solchen Regimen leiden, aufgrund dessen, was in diesem Plenum gesagt wird, stürzen.
Zudem stimmen mich die Einstellung von Frau De Keyser und Herrn Romeva i Rueda traurig. Vor zwei Monaten haben Sie das Gleiche erklärt – dass dies weder das richtige Forum noch die richtige Zeit ist, um über Venezuela zu sprechen. Dies ist jedoch sehr wohl der geeignete Zeitpunkt und der geeignete Ort, und wir sollten diese Menschen unabhängig von unseren politischen Präferenzen beschützen. Präsident Chávez und der von ihm kontrollierte Apparat begehen ständig zahlreiche Akte der politischen Verfolgung und der Schikane von Vertretern der demokratischen Opposition. In diesem Zusammenhang fordere ich die Freilassung von Richterin Afiuni und ich bitte die Hohe Vertreterin für Auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik – ich komme jetzt zum Schluss – eine Petition an die venezolanische Regierung zu schicken, in der die Befürchtungen der Europäischen Union im Hinblick auf die Verletzungen der Menschenrechte, der demokratischen Grundsätze und von Recht und Ordnung in Venezuela zum Ausdruck gebracht werden.
Anneli Jäätteenmäki, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, es freut mich, dass das Europäische Parlament den Fall von Richterin Afiuni auf die Tagesordnung gesetzt hat und seine Stimme gegen Menschenrechtsverletzungen in Venezuela erhebt.
Außerdem ersuche ich die venezolanische Regierung, die Menschen in Venezuela sowie die internationalen Menschenrechtschartas zu respektieren und wirkliche Schritte hin zur Demokratie zu unternehmen, wo Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit respektiert werden.
Der Fall von Richterin Afiuni erinnert auf traurige Weise an Venezuelas negative Einstellung zu den Menschenrechten. Richterin Afiunis Inhaftierung stellt eine Verletzung ihrer grundlegenden Persönlichkeitsrechte und eine sehr ernsthafte Bedrohung der Unabhängigkeit der Justiz dar.
Eija-Riitta Korhola (PPE). - (FI) Frau Präsidentin, wir haben die fortdauernde Aushöhlung der Demokratie in Venezuela schon bei einer früheren Gelegenheit vor sechs Monaten hier diskutiert. Eine besonders alarmierende, sichtbare Entwicklung ist der Angriff der Regierung auf die Presse und die Freiheit des Internets und die Schließung von Zeitungen, Radiostationen, Websites und Fernsehsendern. Wir kennen vermutlich nicht alle Fakten, aber wir müssen uns dennoch mit den Problemen und Grundsätzen, die mit dieser Situation in Verbindung stehen, beschäftigen. Bei seiner offenen Verfolgung von Afiuni hat Präsident Chávez eine Rolle übernommen, in der er die Unabhängigkeit der Justiz angreift, obwohl er ihr oberster Beschützer sein sollte.
Die Gewaltentrennung ist die Grundlage der Demokratie und des Verfassungsstaates und die Freiheit der Medien ist von entscheidender Bedeutung für die Demokratie und die Achtung der Grundfreiheiten. Die freie öffentliche Äußerung von Meinungen und Gedanken ist eine Garantie für die Teilnahme am demokratischen Verfahren und ermöglicht freie und gerechte Wahlen und good governance. Ich hoffe, dass dies hier niemand anders sieht.
Monica Luisa Macovei (PPE). - Frau Präsidentin, die Demokratie in Venezuela ist in Gefahr und ich möchte einen weiteren Fall hinzufügen, in dem es um die Einschränkung der Redefreiheit durch die Regierung und ihre Kontrolle über die Zivilgesellschaft geht.
Ein jüngstes Beispiel mit Auswirkungen auf die gesamte Region ist der Versuch Venezuelas im Juni 2010, einen Entschließungsentwurf über zivilgesellschaftliche Teilhabe an der Organisation Amerikanischer Staaten zu ändern. Venezuela wollte die zivilgesellschaftliche Teilhabe dem innerstaatlichen Recht unterstellen. Es gibt einen schlechten Präzedenzfall. Ein ähnlicher Paragraph in dem Vertrag über die Umsetzung der Interamerikanischen Konvention gegen Korruption wurde von Venezuela verwendet, um NROs daran zu hindern, über Korruption in diesem Land zu berichten.
Die Kommission und der Rat müssen eindringlich und offen die Zivilgesellschaft in Venezuela unterstützen und sehr aufmerksam die bevorstehenden Parlamentswahlen beobachten. Die Legitimität des nächsten Parlaments ist in diesen Zeiten, in denen die Demokratie ausgehöhlt wird, von entscheidender Bedeutung. Schließlich möchte auch ich in die Forderung zur Freilassung der Richterin einstimmen.
Corina Creţu (S&D). – (RO) Ich möchte noch einmal wiederholen, dass der Schutz der Menschenrechte für uns immer von Vorrang gewesen ist und es auch weiterhin sein wird. Darum ist es nur natürlich, dass wir über die Bedingungen, unter denen solche Verfahren ablaufen, und über die Haftbedingungen besorgt sind.
Ich bin der Überzeugung, dass wir sicherstellen müssen, dass das Gerichtsverfahren gerecht und transparent ist und den grundsätzlichen Normen der Rechtsstaatlichkeit entspricht. Andererseits halte ich es jedoch nicht für angemessen, dass wir solche Fälle, mit denen wir nicht immer hinlänglich vertraut sind, als Vorwand für innerpolitische Kämpfe nutzen.
Miroslav Mikolášik (PPE). – (SK) Ich bin empört über die Art, in der Präsident Chávez in Venezuela regiert. Seine Art linksgerichteter Führung erinnert an die schlimmsten kommunistischen Regierungen in Ost- und Mitteleuropa in der Zeit vor dem Fall der Berliner Mauer.
Maria Lourdes Afiuni wurde fälschlicherweise inhaftiert und es wurde gegen ihre Grundrechte sowie gegen ihr Recht, als Richterin Entscheidungen zu treffen, verstoßen. In dem vorliegenden Fall ist es klar, dass die Justiz nicht unabhängig ist, und Venezuela und Chávez machen die Demokratie zum Gespött.
Gabriel Mato Adrover (PPE). – (ES) Frau Präsidentin, dies ist nicht das erste Mal, dass ich über Venezuela und die Verletzung der Menschenrechte gesprochen habe, die in diesem schönen Land geschehen, und ich fürchte, es wird nicht das letzte Mal sein.
Bei meiner letzen Rede habe ich über die Journalisten gesprochen. Heute spreche ich über Richter wie Richterin Afiuni und wie immer über gewöhnliche Venezolaner, die wie die tausenden Kanarienvögel, die dort leben, nur in Frieden und Freiheit leben wollen. Diese Menschen streben danach, ihr Land und ihre Angelegenheiten ohne die ständige Unsicherheit des „Was wird morgen sein?“ zu schützen.
Venezuela ist für viele ein Land der Zuflucht gewesen. Heute ist es leider ein Land, in dem die Freiheit der Meinungsäußerung und andere Freiheiten und Rechte nur noch Erinnerungen sind. Wir sprechen hier und heute über Menschenrechte und darüber, wer diese verletzt. Möge unsere Unterstützung von hier aus zu Richterin Afiuni und zu allen, die in Venezuela leben, ausgesendet werden, zusammen mit unserer Hoffnung, dass politische Freiheiten wieder Wirklichkeit werden.
Kristalina Georgieva, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin, die EU verfolgt die Situation in Venezuela sehr genau. In dieser Hinsicht möchte ich betonen, dass wir die hier zum Ausdruck gebrachten Sorgen über die Verhaftung und Inhaftierung von Richterin María Lourdes Afiuni und die darauffolgenden Erklärungen der venezolanischen Behörden in Bezug auf ihre Verhaftung teilen.
Es ist wichtig festzustellen, dass der UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten und die UN-Arbeitsgruppe „Willkürliche Inhaftierungen“ die Verhaftung von Richterin María Lourdes Afiuni als einen zutiefst beunruhigenden Schlag gegen die Unabhängigkeit der Justiz bezeichnet haben. UN-Experten gingen noch weiter, indem sie erklärten, dass Repressalien für die Ausübung ihrer verfassungsmäßig garantierten Funktionen und die Schaffung eines Klimas der Furcht unter Juristen und Rechtsanwälten lediglich dem Zweck dienen, die Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen und die Justiz zu behindern, und argumentierten, dass die unverzügliche und bedingungslose Freilassung von Richterin Afiuni unbedingt erforderlich sei. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat Schutzmaßnahmen für Richterin María Lourdes Afiuni gefordert und dabei die Verantwortung betont, ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit zu schützen und sie an einen sicheren Ort zu überführen. Obwohl die venezolanischen Behörden berichtet haben, dass sie von anderen Häftlingen getrennt in Haft gehalten werde, wie hier bereits erwähnt wurde, befindet sie sich weiterhin hinter Gittern im Staatlichen Frauengefängnis, zu dessen Insassinnen von ihr Verurteilte gehören könnten.
Im Zusammenhang mit unserem Dialog, den wir mit den venezolanischen Behörden führen, haben wir stets die Bedeutung der völligen Achtung der internationalen Verpflichtungen und Zusagen zu den Menschenrechten betont, einschließlich der Freiheit der Meinungsäußerung, der Achtung der Rechtsstaatlichkeit und insbesondere der Achtung der Unabhängigkeit der Justiz. Diese Fragen wurden im Rahmen unseres Dialogs mit den venezolanischen Behörden in aller Deutlichkeit angesprochen und obgleich die Behörden behauptet haben, diese Inhaftierung sei mit der venezolanischen Gesetzgebung konform, handelt es sich dabei für uns, auf der Grundlage der Einschätzung der UN und der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte und unserer eigenen Einschätzung, um ein Thema, über das wir sehr besorgt sind.
Wir beobachten die Tendenz zur neu entstehenden politischen Polarisierung in diesem Land mit Besorgnis. Die Parlamentswahlen im September werden weitgehend als ein Meilenstein für die Zukunft des Landes angesehen und es ist nun an der Zeit, dass die EU die Bedeutung unterstreicht, dass diese Wahlen in einer friedlichen, transparenten und vollständig demokratischen Atmosphäre ablaufen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um zu betonen, dass die EU alle Beteiligten ermutigt, sich im Geiste der Toleranz, der Bürgerorientierung und der Achtung vor der Meinungsvielfalt am Wahlverfahren zu beteiligen.
Wir werden die Entwicklungen in Venezuela weiterhin aufmerksam verfolgen im Zusammenhang mit und auf Grundlage unserer Verpflichtung, die Demokratie und die Förderung der Menschenrechte und Grundrechte überall auf der Welt, auch in Venezuela, zu unterstützen und zu stärken.
(Beifall)
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung wird in Kürze stattfinden.
Schriftliche Erklärungen (Regel 149)
Cristian Dan Preda (PPE), schriftlich. – (RO) Der Fall von María Lourdes Afiuni ist für jeden, der für demokratische Werte einsteht, erschreckend. Er unterstreicht die Tatsache, dass die Rechtsstaatlichkeit in Venezuela nur ein bedeutungsloser Begriff ist. Die Politisierung der Justiz hat zugenommen, seitdem Hugo Chávez an die Macht gelangt ist. Die Justizbehörden wagen es gemeinhin nicht, sich gegen die Regierung auszusprechen. Wenn dies doch geschieht, hat es drastische Folgen. Es ist nicht hinnehmbar, dass eine Richterin, die nur ihre Pflicht tut, indem sie den Bürgerinnen und Bürgern ihre Grundrechte gewährt, derartigen Repressalien unterzogen wird. Die Regierung Venezuelas muss Richterin Afiuni schnellstens freilassen und ihre Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz einstellen.
Gleichzeitig müssen wir den Fall auch in den Kontext der Parlamentswahlen im September stellen. Die Praxis, die Handlungen der Kritiker der Regierung zu kriminalisieren, muss ein Ende finden, wozu auch die Versuche gehören, die Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse einzuschränken. Die autoritäre Tendenz des Chávez-Regimes ist äußerst Besorgnis erregend und ich finde, dass wir keine Angst davor haben dürfen, dies zu sagen.