Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Tadeusz Zwiefka im Namen des Rechtsausschusses über die Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM(2009)0174 - 2009/2140(INI)) (A7-0219/2010).
Tadeusz Zwiefka, Berichterstatter. – (PL) Frau Präsidentin! Die Brüssel-1-Verordnung beschreibt spezifische Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Wirtschaftsangelegenheiten und die Anerkennung und Durchsetzung von Urteilen aus anderen Mitgliedstaaten regeln. Sie wurde, zu Recht, als großer Erfolg begrüßt. Sie hat die freie Bewegung der Urteile erleichtert; Sie hat zu einer erhöhten Rechtssicherheit geführt und es möglich gemacht, gleichzeitige Verfahren zu vermeiden, obwohl sie in gewissen Kreisen als unpraktisch oder geschäftsschädigend kritisiert worden ist. Die Urteile des Gerichtshofs werden ebenso als widersprüchlich angesehen. Während die Brüssel-1-Verordnung angenommen wurde, fand nur eine Besprechung im Parlament statt. Jetzt wird das Parlament, gemäß dem normalen Gesetzgebungsverfahren, bei all den künftigen Vorschläge bezüglich der Änderung der Verordnung viel zu tun haben, es ist also eine gute Sache, dass wir bereits am Grünbuch der Kommission arbeiten. Zu den Dingen, die im Grünbuch angesprochen werden, gehört die mögliche Abschaffung des Exequaturverfahrens, die Funktionsweise der Regelung im größeren internationalen Rahmen, die Funktionsweise der Klauseln, die sich auf die Auswahl der Gerichte beziehen, die Funktionsweise der Verordnung in den Fällen, in denen das industrielle und geistige Eigentum eine Rolle spielt, und die mögliche Reform des Rechtshängigkeits-Verfahrens: Ich habe versucht, einen ausgewogenen Bericht zu schreiben, der sich mit der Zukunft befasst. Ich war berührt von der Reaktion auf zwei Arbeitsdokumente, in denen ich das Konzept der Abschaffung des Exequaturverfahrens unterstützt habe, das den Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Gemeinschaft konkrete Vorteile bringen sollte. Gleichzeitig bleibe ich überzeugt davon, dass dieser Schritt ausgeglichen werden muss durch ein besonderes Verfahren, das mit entsprechenden Schutzmaßnahmen für Schuldner verbunden ist. Unabhängig von der Abschaffung des Exequatur- Verfahrens bin ich überzeugt davon, dass Regierungsgesetze nicht direkt in dem Staat, in dem sie ihren Ursprung haben, durchgeführt werden sollten ohne von den entsprechenden Gesetzesbehörden dieses Staates geprüft zu werden; und ferner sollte das Prinzip geändert werden, dass die Durchführungsklausel nur in den Fällen zurückgewiesen oder geändert werden kann, in denen die Regelung nicht in Einklang steht mit der öffentlichen Politik des Staates, der die Durchsetzung gewährt hat. Unter gewissen Umständen kann das Regierungsgesetz nicht mit den vorhergehenden Gerichtsentscheidungen im Ursprungsstaat in Einklang stehen.
Ich bin weiterhin gegen die Abschaffung der Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb des Bereichs dieser Regelung. Ich glaube jedoch daran, dass wir die Verbindung zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und Gerichtsverfahren gründlich überdenken sollten und dass wir, bis wir eine vollständige Überprüfung und weitgehende Beratungen durchgeführt haben, nicht versuchen sollten, ein Konzept des Grundlagenschutzes der Schiedsgerichtsbarkeit zu verwirklichen. Für die Zukunft finde ich das Konzept des Gewährens von Feedback auf Bestimmungen der Verordnungen sehr attraktiv. Aktuell ist es jedoch noch einfach zu früh dafür. Ich trete stark für weitreichende Beratung und die politische Debatte ein, bevor diesbezügliche Maßnahmen durchgeführt werden, die über die Vorschläge, die in diesem Berichtentwurf dargestellt werden, hinausgeht. Ebenso unterstütze ich die Idee des Erneuerns der Verhandlungen über Konventionen, die sich auf internationale Urteile im Forum der Haager Konferenz beziehen. Der Bericht handelt von einigen sehr komplizierten Problemen auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts. Trotz der Tatsache, dass die Frage der Verleumdung im Grünbuch der Kommission nicht behandelt worden ist, existiert mit Sicherheit das Problem des Forum-Einkaufs, bei dem die vorteilhafteste Gesetzgebung gewählt wird, um den höchsten Schadensersatzbetrag in Verleumdungsfällen zu erhalten. Die Freiheit des Wortes und der Medien muss im Gleichgewicht bleiben mit den Rechten des Individuums, das verleumdet wurde oder dessen Privatsphäre nicht respektiert worden ist. Daher bin ich gegen den Ausschluss der Frage der Verleumdung aus den allgemeinen Prinzipien der Brüssel-1-Verordnung. Natürlich mache ich mir Gedanken darüber, ob ein Instrument wie Brüssel-1 ein adäquates Instrument ist für die Regulierung der Prinzipien des internationalen Privatrechts. Möglicherweise ist ein anderes Rechtsinstrument notwendig zur Regulierung des Konflikts zwischen der Freiheit der Medien und individuellen Grundrechten. Die Brüssel-1-Verordnung ist nicht entstanden, um die Qualität der Gerichtsurteile der Mitgliedstaaten zu beurteilen. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Lugano-Stellungnahme deutlich erklärt, dass das Brüssel-1-Rechtsinstrument auf gegenseitigem Vertrauen beruhte.
Ich würde gern meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Rechtsangelegenheiten danken, insbesondere Frau Diana Wallis und Frau Evelyn Regner.
Evelyn Regner (S&D). - Frau Präsidentin! Brüssel I ist eine sehr gute Verordnung. Eine Verbesserung wäre daher nicht nur eine umsichtige Abschaffung des Exequaturverfahrens, eine wirkliche Verbesserung ist insbesondere aus Gründen des Arbeitnehmer- und des Verbraucherschutzes angebracht. Deshalb bedaure ich es auch sehr, dass es nicht gelungen ist, hier einen Kompromiss mit Herrn Zwiefka zu erreichen. Brüssel I hält nämlich fest, dass die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung, eine entsprechend bessere Position eben in diesem Werk Brüssel I bekommen kann.
Und dementsprechend wäre es hier durchaus auch aus Gründen des Verhinderns von forum shopping, von law shopping angebracht, einen eigenen Gerichtsstand für Arbeitskampfmaßnahmen einzuführen. Dies ist insbesondere wichtig, um Fälle wie Viking – ein Gerichtsfall, der ja viel Staub aufgewirbelt hat – in Zukunft zu verhindern. Weitere Themen kann ich jetzt leider nicht mehr ansprechen.
Sebastian Valentin Bodu (PPE). – Frau Präsidentin! Dieser Bericht ist sehr wichtig, allerdings auch sehr technisch. Die Standardisierung der Beziehungen des internationalen Privatrechts stellt den Hauptpunkt der Konsolidierung des gesamten Binnenmarktes dar, und die Abschaffung der Exequatur wird sicherlich mit großem Enthusiasmus sowohl von der Geschäftswelt als auch von den Juristen begrüßt.
Die Kosten der Vertragsentwürfe werden sinken, und das Gleiche geschieht mit den Kosten der Schuldeneintreibung, die den Prozessen folgen, die vor die Gerichte der Mitgliedstaaten gebracht werden. Nichtsdestotrotz bringe ich hiermit mein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass die Auswirkungen dieses Berichts sich nicht auch auf die beglaubigten Rechtsabhandlungen erstrecken. Ich hoffe, dass diese Auslassung noch berichtigt wird angesichts der Tatsache, dass derartige Rechtsabhandlungen, sofern sie von öffentlichen Notaren ausgegeben werden, die durch die Gerichte ermächtigt sind, in allen Mitgliedstaaten - außer dem Vereinigten Königreich - in gleicher Weise behandelt werden wie Gerichtsentscheidungen.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Auf dem Gebiet der internationalen Zivilverfahren wird das vernünftige Funktionieren des Binnenmarktes vereitelt von gewissen Unterschieden bei den nationalen Gesetzen, die die Gerichtsbarkeit und die Anerkennung der Entscheidungen regeln. Die achtjährige Existenz der Brüssel-1-Verordnung hat die Bedeutung von und die Notwendigkeit einer Maßnahme aufgezeigt, die, zusammen mit der Brüssel-1-Verordnung, eine umfassende europäische Maßnahme auf dem Gebiet der zivilen und geschäftlichen Verfahrensbeziehungen schafft.
Von dem Moment an, als dieses Instrument Gültigkeit erlangte, sind Streitigkeiten, die in Bezug mit einer internationalen Dimension gestanden haben, mit Hilfe von vereinigten Verfahrensregeln beigelegt worden, die für die Gerichtsbarkeit, die Anerkennung und die Durchführung der Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union gelten.
Die daran beteiligten Parteien haben deshalb eine größere Rechtssicherheit gewonnen, trotz sich unterscheidender substanzieller Gesetzesmaßnahmen. Persönlich halte ich dies für eines der wichtigsten und am verbreitetsten genutzten Instrumente im internationalen Privatrecht, und ich hoffe, diese Verwendung des Instruments wird weiterhin unterstützt, damit es sich konstant entwickelt, und dass es sich auch als notwendig für die entscheidungsfällende Arbeit der Gerichte erweist.
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Wir heißen die parlamentarische Initiative zum Ausdruck seiner Meinung über die künftige Revision der Brüssel-1-Verordnung willkommen. Ich möchte ebenso dem Berichterstatter ausdrücklich danken für diesen gutdokumentierten Bericht, der es dem Europäischen Parlament erlaubt, sich Gedanken zu machen über die künftige Revision.
Dies ist das erste Mal, dass das Parlament bei der Gesetzgebung zu dieser Akte beteiligt ist, bei der es sich um den Kern der zivilen Justizkooperation in Europa dreht. Wir heißen die Unterstützung des Parlaments für das Hauptziel der anstehenden Revision willkommen, die die Verwirklichung eines echten und freien Umlaufs der Urteile in der Gemeinschaft darstellt. Ich würde gern betonen, dass die Abschaffung der Exequatur einen wirklichen Schritt nach vorn in der juristischen Integration darstellt; dass die Kommission dies nicht als die bloße Entfernung einer überflüssigen Formalität sieht, sondern als einen Schritt nach vorn im gegenseitigen Vertrauen in das Rechtssystem des anderen Mitgliedstaates. und dass, als Ergebnis hiervon, die bestehenden Ablehnungsgründe reduziert werden sollten, gemäß den adäquaten Schutzmöglichkeiten.
Wir heißen die Parlamentsvereinbarung willkommen, dass die Wahl des Gerichts und die Schlichtungsvereinbarung in der Gemeinschaft wirkungsvoll geschützt werden sollten. Die Kommission wird das geeignetste Mittel zur Erreichung dieses Ziels der Gemeinschaft studieren, wobei die internationalen Konventionen in der Sache zu berücksichtigen sind. Darf ich jedoch darauf hinweisen, dass der Schutz der Schiedsgerichtsbarkeits-Vereinbarungen den freien Umlauf der Urteile in der Gemeinschaft nicht begrenzen sollte.
Ich würde auch gern betonen, dass die Europäische Gemeinschaft den juristischen Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger auf weltweitem Niveau stärken sollte, wodurch eine Rechtsumgebung geschaffen wird, die den weltweiten Handel fördert und unseren europäischen Firmen ein gleichberechtigtes Betätigungsfeld bietet, wenn sie außerhalb Europas Geschäfte machen.
Die Kommission lädt das Parlament bei der anstehenden Revision ein, seine Position zu dieser Sache darzulegen, was den Zugang zur Justiz in Europa und die Durchführung der durch die Gesetze der Europäischen Gemeinschaft gewährten Rechte wirklich betrifft.
Die Kommission heißt die parlamentarische Unterstützung zur Verbesserung der vorübergehenden Entlastung im Rechtsstreit willkommen und zeigt an, dass sie die beste nach vorn gerichtete Methode untersucht, nicht nur im Zusammenhang mit der Brüssel-1-Verordnung, sondern auch in Bezug auf die Schaffung eines europäischen Bankanhangs.
Ich sehe diesen Bericht als einen ersten Schritt in der künftigen Revision der Brüssel-1-Verordnung. Natürlich werden wir die Gelegenheit haben, dies in Zukunft weiter zu debattieren. Die Kommission beabsichtigt, eine Revision der Regelung bis zum Ende des Jahres vorzulegen, und sie freut sich auf eine erstmalige Kooperation in dieser Sache mit dem Parlament.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, 7. September 2010, 12.30 Uhr, statt.