Der Präsident – Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den Fall Sakineh Mohammadi-Ashtiani richten, die im Iran zum Tode verurteilt wurde. Wir wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Oberste Gerichtshof gegenwärtig eine Berufung prüft, die gegen dieses Urteil eingelegt wurde. Kürzlich wurde Frau Ashtiani zudem zu 99 Peitschenhieben verurteilt, da sie ihr Foto angeblich in europäischen Zeitungen veröffentlicht hätte. Ich fordere die iranischen Behörden auf, beide Urteile aufzuheben und den Fall von Frau Ashtiani auf transparente und gerechte Weise zu untersuchen. Ich möchte erneut darauf hinweisen, dass sich das Europäische Parlament unabhängig von den Umständen gegen die Anwendung der Todesstrafe ausspricht.
3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
Der Präsident. – Der endgültige Entwurf der Tagesordnung, der am 2. September durch die Konferenz der Präsidenten gemäß Artikel 137 der Geschäftsordnung erstellt wurde, wurde verteilt. Folgende Änderungsanträge wurden gestellt:
Ich habe einen Dringlichkeitsantrag (Artikel 142) von Frau Angelilli und Herrn Pittella und mindestens 40 weiteren Abgeordneten mit dem Ziel erhalten, die Aussprache zum Fall Sakineh Mohammadi-Ashtiani von Donnerstagnachmittag auf heute, Montag, den 6. September, vorzuverlegen.
Gianni Pittella (S&D). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wende mich an Frau Angelilli und die anderen Unterzeichner. Ich möchte nur anmerken, dass Sie einige vernünftige und fundierte Punkte zum Fall Sakineh Mohammadi-Ashtiani vorgebracht haben. Es muss jedoch unterschieden werden zwischen Worten, die einen großartigen Beifallssturm ausgelöst haben, und einer offiziellen Erklärung des Parlaments. Wir müssen Letztere schnellstmöglich abgeben, weil das Schicksal dieser Frau von den Entscheidungen abhängt, die in den nächsten Stunden getroffen werden.
Es werden immer mehr Stimmen laut, die eine Urteilsänderung fordern; das Parlament darf jedoch nicht versäumen, seine Kompetenz zu nutzen und sich dieser Forderung anzuschließen. Aus diesem Grund möchte ich Sie und das gesamte Plenum nachdrücklich bitten, die für Donnerstagnachmittag angesetzte Aussprache vorzuverlegen.
Mario Mauro (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich ergreife das Wort, um diesen Antrag in dem Wissen zu unterstützen, dass Europa zum gegebenen Zeitpunkt Stellung beziehen muss, wenn es eine führende Rolle in Friedens- und Kriegsangelegenheiten spielen soll.
Es ist uns bewusst, dass wir in vielerlei Hinsicht den Zeitplan des Parlaments durcheinander bringen; gleichzeitig sind wir jedoch davon überzeugt, dass das, was wir unter diesen Umständen zu tun angehalten sind, unbedingt erforderlich ist. Ich unterstütze daher den Antrag meiner Kolleginnen und Kollegen und hoffe, dass alle das Gleiche tun werden.
Hannes Swoboda (S&D). - Herr Präsident! Ich möchte nur bitten, dass wir möglichst bald über den Text abstimmen, wenn es geht, schon am Mittwoch. Denn es hat keinen Sinn, wenn wir heute schon diskutieren, aber dann erst spät abstimmen.
Der Präsident – Vielen Dank. Meine Frage ist nun: Möchte sich jemand gegen den Antrag aussprechen? Da sich niemand gegen den Antrag aussprechen möchte, werden wir nun zur Abstimmung übergehen. Wer spricht sich für den Antrag von Frau Angelilli und Herrn Pittella aus, die Aussprache vom Donnerstag auf heute vorzuverlegen? Ich danke Ihnen, der Antrag wird angenommen. Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Erklärung der Kommission zu Sakineh Mohammadi-Ashtiani findet zum Beginn des heutigen Arbeitsplans statt, sofort nachdem der Arbeitsplan erstellt wurde. Die Frist für die Einreichung von Entschließungsanträgen endet heute Abend um 19.00 Uhr, und die Frist zur Einreichung von gemeinsamen Entschließungsanträgen endet am morgigen Dienstag um 12.00 Uhr. Dies sind die kürzest möglichen Fristen. Bitte reichen Sie Entschließungsanträge heute bis spätestens 19.00 Uhr ein, und gemeinsame Entschließungsanträge im Namen des Parlaments können bis morgen 12.00 Uhr eingereicht werden. Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt. Es handelt sich hierbei um ein außerordentliches Schnellverfahren. Meine Damen und Herren, gibt es weitere Vorschläge für Montag? Ich sehe keine. Es gibt keine weiteren Anträge.
Meine Damen und Herren, auch ich habe keine Anträge für Dienstag und Mittwoch, möchte jedoch einige Worte in Verbindung mit der morgigen Debatte über die Lage der Union sagen. Diese Debatte, die zum ersten Mal vom Europäischen Parlament geführt wird, ist von äußerster Wichtigkeit. Wir fordern, dass die Debatte den Schwerpunkt insbesondere auf die Rolle legt, die dem Europäischen Parlament bei der Gestaltung der Zukunft der Union zukommt. Meiner Ansicht nach sprechen wir uns allgemein für eine angemessene und verantwortungsvolle Durchführung der Debatte aus und dafür, dass wir im Rahmen der Bestimmungen des Vertrages von Lissabon Verantwortung für zahlreiche Angelegenheiten übernehmen wollen, die sich in den kommenden Jahren in der Union ereignen werden. Ich glaube daher auch, dass wir alle diese Themen mit großer Ernsthaftigkeit behandeln. Wie Sie sicherlich alle wissen, wurde diese Angelegenheit auch bei der Konferenz der Präsidenten am vergangenen Donnerstag erörtert. Es wurde auf die sehr geringe Beteiligung im Plenum an wichtigen Debatten und insbesondere an Debatten über interinstitutionelle Themen hingewiesen.
Vor vier Tagen wurde die Lage der Union in der Konferenz der Präsidenten ausführlich erörtert. Nach dieser Vorbesprechung wird morgen um 9.00 Uhr eine Plenardebatte zu diesem Thema stattfinden. Die Fraktionsvorsitzenden haben mit Nachdruck auf die Bedeutung hingewiesen, die einer größtmöglichen Beteiligung während dieser äußerst wichtigen Debatte, die die erste ihrer Art ist, zukommt. Im Juli entschieden die Fraktionsvorsitzenden, dass während des Verlaufs dieser Debatte keinerlei Sitzungen genehmigt werden sollten. Daher finden morgen von 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr keine sonstigen Sitzungen, Debatten oder andere für die Abgeordneten des Europäischen Parlaments anberaumten Termine statt.
Am vergangenen Donnerstag fassten die Fraktionsvorsitzenden zudem den Entschluss, die Anwesenheit der Abgeordneten dieses Plenums während der Aussprache gesondert zu überprüfen. Zur Überwachung der Anwesenheit sollen die Abgeordneten zu drei verschiedenen Uhrzeiten einen Knopf drücken. Ich werde das Präsidium über diese Entscheidung in Kenntnis setzen, weil für das Präsidium heute eine Sitzung um 18.30 Uhr anberaumt ist, und ich werde das Präsidium als zuständige Behörde auffordern, darüber zu entscheiden, wie genau vorzugehen ist und wie die Informationen, die wir über die Anwesenheit erhalten, zu verwerten sind. Abgesehen von der Entscheidung, die das Präsidium treffen wird und die wir bisher nicht kennen, möchte ich Sie persönlich dazu aufrufen, während dieser wichtigen Vorstellung des Arbeitsprogramms der Europäischen Union für das nächste Jahr anwesend zu sein. Noch einmal: Die Debatte wird morgen um 9.00 Uhr stattfinden und ich möchte Sie alle dazu auffordern, in diesem Plenum anwesend zu sein und sich an der Erörterung zu beteiligen. Dies ist auch für das Image des Parlaments wichtig und wird unsere Bereitschaft bezeugen, die Verantwortung für die zukünftigen Vorgänge in der Union übernehmen zu wollen. Ich wiederhole: Bisher wurden keine gesonderten Entscheidungen darüber getroffen, wie die Informationen über die An- oder Abwesenheit der Abgeordneten dieses Plenums zu verwerten sind. Gemäß der Geschäftsordnung kann diese Entscheidung einzig vom Präsidium getroffen werden.
Bernd Posselt (PPE). - Herr Präsident! Wir sind frei gewählte Abgeordnete und setzen nach bestem Wissen und Gewissen unsere Prioritäten. Ich hatte fest vor, morgen an der Debatte teilzunehmen, und erwäge es immer noch. Aber ich sage ganz klar, sollten elektronische Kontrollen vorgenommen werden, so werde ich mich an diesen Kontrollen nicht beteiligen, und sollte die Verwaltung andere Zählmaßnahmen durchführen, dann werde ich das Gebäude während dieser Debatte verlassen. Ich hatte vor zu kommen, aber diese Methoden sind eines gewählten Parlaments und gewählter Parlamentarier unwürdig.
(Lebhafter Beifall)
Sarah Ludford (ALDE). – Herr Präsident! Ich stimme in allen Punkten mit Herrn Posselt überein und das Tragische an der Sache ist, dass dies ein massives Eigentor ist.
Wenn Sie uns lediglich zur Anwesenheit aufgefordert hätten, hätte ich natürlich Ihre Kompetenz und Ihre Führungsbefugnisse anerkannt. Ich hatte fest vor, anwesend zu sein. Wenn ich nun morgen früh anwesend bin, werde ich mit Sicherheit nicht an irgendwelchen elektronischen Abstimmungen teilnehmen und ich denke, dass Sie dem Ruf der Europäischen Union und in der Tat auch dem von Präsident Barroso wirklich geschadet haben.
Dies wird nun eine Farce sein. Ich hoffe, dass das Präsidium diesen Vorschlag in einer Stunde herausstreichen wird. Andernfalls werden nämlich die Menschen sagen, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments lediglich anwesend sind, weil sie dafür bezahlt wurden, Herrn Barroso anzuhören.
Dies ist wirklich ein Paradebeispiel dafür, wie man sich in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit ins eigene Fleisch zu schneidet, und ich bin erstaunt darüber, dass die Konferenz der Präsidenten diesen Vorschlag überhaupt eingebracht hat.
(Beifall)
Der Präsident. – Ich habe bereits zur Teilnahme an der Debatte aufgerufen, ich bin mir jedoch angesichts dieser überhitzten Atmosphäre und ungeachtet der Entscheidung des Präsidiums sicher, dass wir alle im Plenarsaal anwesend sein und das gewünschte Ergebnis erreichen werden.
Joseph Daul (PPE). – (FR) Herr Präsident! Es ist richtig, dass wir in der Konferenz der Präsidenten eine Entscheidung getroffen haben, für die ich mich verantwortlich fühle. Selbst wenn ich nicht persönlich anwesend sein konnte, bin ich mir meiner Verantwortung bewusst. Es muss jedoch auf zwei Punkte hingewiesen werden.
Zunächst treffen wir in der Konferenz der Präsidenten Entscheidungen, über die wir im Rahmen von Fraktionssitzungen informieren. In der Fraktionssitzung mit den Kolleginnen und Kollegen, die ich zu Rate gezogen habe, und die in meiner wie auch in anderen Fraktionen stattgefunden hat, hat man sich gegen die Entscheidung ausgesprochen, die wir vielleicht zu rasch in der Konferenz der Präsidenten getroffen hatten.
Ich mache Ihnen daher den Vorschlag, dass im Präsidium, das die Fraktionsvorsitzenden in diesem Parlament darstellen, die Situation neu geprüft wird. Wie Sie wissen, wird allgemein Veränderung gefordert. Etwas zu verändern ist jedoch zuweilen schwieriger, als manche sich vorstellen können. Das ist der erste Punkt.
Zweitens möchte ich Sie, meine Damen und Herren, dennoch an all die Debatten erinnern, die hier mit dem Präsidenten der Kommission stattgefunden haben. Man kann mit ihm einer Meinung sein oder auch nicht. Tatsache ist jedenfalls, dass in diesem Parlament 27 Kommissare anwesend sind – ja, tatsächlich sind während dieser Debatten für gewöhnlich 27 Kommissare anwesend – und wenn dann Präsident Barroso das Wort vor den Fraktionsvorsitzenden ergreift, tut er das vor einem leeren Plenarsaal.
Daher unterstütze ich den Präsidenten des Parlaments, wenn er darauf hinweist, dass wir nicht übernehmen sollten, was wir in der Konferenz der Präsidenten vorgesehen haben, dass wir es überprüfen sollten, dass wir es erneut mit den verschiedenen Fraktionen erörtern und das vorherige Verfahren anwenden sollten, dass wir gleichzeitig jedoch alle Abgeordneten zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der wichtigen Debatte über Europa aufrufen sollten, die morgen früh in diesem Plenarsaal stattfinden wird.
Ich fordere daher das Präsidium auf, eine vernünftige Analyse durchzuführen, die vielleicht vernünftiger ist als die der hier anwesenden Fraktionsvorsitzenden, und wir sollten natürlich die demokratische Debatte fortführen und somit Fortschritte erzielen.
(Beifall)
Der Präsident. – Wie ich bereits sagte, wird das Präsidium dies in einer Stunde erörtern. Ich bin mir sicher, dass das Präsidium Ihre Anmerkungen berücksichtigen wird. Es wurden drei Anmerkungen vorgebracht. Sie entsprachen nicht dem Verfahren, weil in der Geschäftsordnung keine Bestimmungen enthalten sind, die dies gestatten. Ich möchte diese Debatte jedoch nicht ausdehnen. Es sind Vertreter des Präsidiums hier im Plenarsaal anwesend, und auch ich höre Ihre Anmerkungen. Wir alle messen diesem sehr viel Bedeutung bei. Wir werden uns heute Abend damit auseinandersetzen, und die Konferenz der Präsidenten wird am Donnerstag zusammenkommen. Bitte gestatten Sie uns, dies in aller Ruhe zu prüfen. Das Präsidium wird heute eine erste Vorentscheidung treffen. Ich möchte Sie bitten, keine weiteren Wortmeldungen einzureichen, weil ich bereits eine beträchtliche Anzahl vorliegen habe. Wir kennen Ihre Einwände und ich schlage vor, dass wir die Diskussion an dieser Stelle beenden. Wir haben alle Ihre Reaktion und die Weise, wie dies aufgenommen wurde, gehört. Bitte lassen Sie uns nun diese Diskussion dabei belassen, und wir werden sehr ernsthaft darüber nachdenken. Wenn wir jedoch diese Diskussion nun beenden müssen, habe ich noch eine Bitte: Lassen Sie uns hier in diesem Plenarsaal morgen für zweieinhalb Stunden zusammenkommen, denn so lange wird die Debatte dauern.
Wir möchten die Debatte mit der gebührenden Feierlichkeit führen, d. h. dass wir die Präsenz des Europäischen Parlaments bei Unions-Entscheidungen unterstreichen wollen. Es handelt sich hierbei nämlich um eine Präsenz, zu der wir bislang nicht befugt waren. Erst der Vertrag von Lissabon hat uns solche Befugnisse eingeräumt. Unsere Präsenz hier wird für unser eigenes Image und die Stärke der Union ausschlaggebend sein. Ich fordere Sie auf, in diesem Plenarsaal anwesend zu sein und schlage vor, dass wir die Diskussion in diesem Sinne beenden.
Francesco Enrico Speroni (EFD). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte hinsichtlich der Kontrolle der morgigen Teilnahme nicht wieder aufrollen, aber – nicht zuletzt angesichts der Rede von Herrn Daul – da der Zeitplan oder der Arbeitsplan durch dieses Parlament geändert werden kann, fordere ich, dass dieses Parlament befugt ist, über die durch die Konferenz der Präsidenten getroffene Entscheidung abzustimmen und diese gegebenenfalls zu ändern.
Der Präsident. – Wir werden morgen darüber abstimmen können. Ich schlage vor, dass wir die Entscheidungen des Präsidiums abwarten. Herr Speroni, lassen Sie uns bis morgen warten. Wir kommen nun zur ersten Aussprache, die für diese Sitzung auf dem Arbeitsplan steht.
16. Bilaterale Schutzklausel des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Korea (Aussprache)
Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Herrn Zalba Bidegain im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Umsetzung der bilateralen Schutzklausel des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Korea (KOM(2010)0049 - C7-0025/2010 - 2010/0032(COD)).
Pablo Zalba Bidegain, Berichterstatter. – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Präsident des Rates, meine Damen und Herren! Die Annahme des Freihandelsabkommens mit Südkorea wird sowohl für die europäische als auch die koreanische Industrie Möglichkeiten eröffnen. Um jedoch negative Auswirkungen auf die europäische Industrie zu vermeiden, ist eine wirksame Schutzklausel von wesentlicher Bedeutung.
Mit diesem Aspekt haben sich meine Kolleginnen und Kollegen und ich in den vergangenen Monaten im Ausschuss für internationalen Handel befasst. Es ist daher wichtig, dass das Parlament als Ganzes das gesamte Paket an Änderungsanträgen unterstützt.
Der Bericht wurde im Juni mit 27 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen. Im Rahmen dieser Klausel wird die Anwendung von Schutzmaßnahmen möglich sein, wenn der europäischen Industrie infolge einer Senkung von Zöllen auf aus Südkorea importierten Waren eine bedeutende Schädigung zu entstehen droht.
Wie Sie wissen, erfolgt im Rahmen der neuen Befugnisse, die das Parlament mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon erhalten hat, die Annahme dieser Verordnung entsprechend dem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren. Leider war es nicht möglich, mit einem Mandat des Rates einen Trilog vor der Sommerpause zu führen.
Der erste offizielle Trilog fand am 30. August statt, und sowohl die Schattenberichterstatter als auch ich konnten die Reaktionen des Rates auf unsere Änderungsanträge vernehmen. Die Sitzung ermöglichte uns, Fortschritte in vielen Punkten zu erzielen und die endgültige Fassung einiger Absätze festzulegen. Die Sitzung hat uns zudem das Gefühl vermittelt, dass der Rat das ernsthafte Anliegen hat, eine Einigung hinsichtlich der kontroversesten Punkte zu erzielen, und mit aller Kraft darauf hinarbeitet. Dies erachten wir natürlich als äußerst positiv.
Gleichzeitig sind wir jedoch der Überzeugung, dass die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichend war, um die Position des Rates in Bezug auf Themen klar darzulegen, bei denen sein Standpunkt von dem abweicht, der vom Ausschuss für internationalen Handel eingenommen wurde.
Alle Fraktionen haben daher einstimmig beschlossen, dass es nun an der Zeit ist, dass das Parlament im Plenum zu den Änderungsanträgen Stellung bezieht, die im Juli vom Ausschuss für internationalen Handel angenommen wurden und die für die Anwendung und Effektivität der Schutzklausel ausschlaggebend sind.
Gleichzeitig wurde einstimmig die Entscheidung getroffen, eine mögliche Einigung bei erster Lesung nicht auszuschließen, die unserer festen Überzeugung nach möglich ist, wenn der Rat seinen Standpunkt klar dargelegt hat.
Wir werden daher morgen lediglich über die Änderungsanträge abstimmen, die vom Ausschuss für internationalen Handel eingebracht wurden, und werden gemäß Artikel 55 die Abstimmung über den Legislativbericht auf die zweite Sitzungsperiode im Oktober verschieben und hoffentlich zu diesem Zeitpunkt das Gesetzgebungsverfahren zu einem positiven Abschluss bringen.
Wir sind der Ansicht, dass der Bericht eine ganze Reihe von Verbesserungen enthält, wie beispielsweise die Einrichtung einer Online-Plattform, um die Verfahren zu beschleunigen; die Möglichkeit für die Industrie, ein Untersuchungsverfahren einzuleiten; die Verpflichtung der Kommission zur Erstellung von Berichten und Verbesserungen bei der Beobachtung und Überwachung von koreanischen Importen. Wir haben zu diesen Punkten bereits eine grundlegende Einigung mit dem Rat erzielt.
Ich halte dies zwar für ein gutes Ergebnis, unserer Meinung nach ist es jedoch noch nicht ausreichend. Es gibt weitere, grundlegendere Aspekte, denen sich die Verhandlungspartner mit großer Aufmerksamkeit widmen und die alle Fraktionen hier verteidigen müssen, wie wir dies bereits im Ausschuss für internationalen Handel getan haben. Im Wesentlichen geht es mir hierbei um vier Punkte.
Zunächst müssen wir für die schwächeren Mitgliedstaaten das Risiko abmildern, indem eine regionsspezifische Regionalklausel eingeführt wird. Damit soll vermieden werden, dass einige sensible Industrien in Mitleidenschaft gezogen werden. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass die Schutzklausel im Wesentlichen von vorübergehender Wirkung ist und ihr Ziel insbesondere darin besteht, die sensibelsten Wirtschaftszweige zu schützen, damit sie ausreichend Zeit haben, sich an die neue Situation anzupassen.
Zweitens muss eine eindeutige Überwachung für die Produkte eingerichtet werden, die von der Klausel zur Zollrückvergütung betroffen sind.
Drittens müssen wir die Rolle des Parlaments beim Verfahren zur Einleitung von Untersuchungen schützen, und der letzte Punkt ist das Entscheidungsverfahren oder die Komitologieentscheidung.
Erwähnenswert erscheint mir abschließend das Entgegenkommen des belgischen Ratsvorsitzes während der Verhandlungen wie auch die wichtige Rolle, die der Kommission jetzt und auch in Zukunft zukommt, um die Verhandlungen zu einem soliden Abschluss zu bringen.
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Bei der Verordnung zur Implementierung der bilateralen Schutzklausel im Freihandelsabkommen zwischen der EU und Korea handelt es sich um einen sehr wichtigen Rechtsakt, was nicht nur darauf zurückführen ist, dass er der EU-Industrie gegebenenfalls den erforderlichen Schutz bietet, sondern auch auf die Tatsache, dass dies das erste Handelsdossier ist, in das das Europäische Parlament als Mitgesetzgeber involviert ist. Ich freue mich daher über das Engagement und die Verantwortung, mit der das Parlament sich diesem besonderen Vorgang widmet.
Ich begrüße die Bemühungen des Europäischen Parlaments bei der Ausarbeitung der Änderungsanträge zum Vorschlag der Kommission, die unter sehr strengen Fristvorgaben stattfinden musste. Zudem möchte ich bestätigen, dass die Kommission fest entschlossen ist eine Einigung zu erzielen, die einen effektiven Schutzmechanismus gewährleistet, mit dem die potenziellen Bedenken einiger Wirtschaftszweige der EU-Industrie angegangen werden.
Mir wurde mitgeteilt, dass das erste informelle Dreiergespräch in Bezug auf die koreanische Schutzregelung gut verlaufen ist, und dass, wie der Berichterstatter bereits ausgeführt hat, Fortschritte zu einer bedeutenden Anzahl von Änderungsanträgen erzielt wurden. Es wurde beispielsweise eine Einigung in so wichtigen Fragen erreicht wie dem Recht der EU-Industrie, die Einleitung einer Schutzuntersuchung beantragen zu können, und der Einbeziehung von internen Regeln zur Zollrückvergütung in die Schutzregelung.
Ich bin mir im Klaren darüber, dass die schwierigsten Themen im Rahmen des Trilogs bisher noch nicht im Detail erörtert wurden. Ich hoffe jedoch, dass die nächsten Treffen zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission, die in naher Zukunft organisiert werden dürften, wesentliche Fortschritte und eine Einigung auch zu den schwierigsten Fragestellungen hervorbringen werden.
Ich möchte den verehrten Abgeordneten und insbesondere den Mitgliedern des Ausschusses für internationalen Handel (INTA) dafür danken, dass sie diesem Vorgang Priorität eingeräumt haben. Außerdem möchte ich erneut auf das Engagement der Kommission zur konsequenten Umsetzung des gesamten Freihandelsabkommens hinweisen. Dies bezieht sich nicht nur auf den Schutzmechanismus, sondern auch auf andere Aspekte des Freihandelsabkommens, insbesondere Bestimmungen für nachhaltige Entwicklung und Disziplinen für nicht-tarifäre Handelshemmnisse.
Abschließend möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um Sie über die jüngsten Entwicklungen hinsichtlich des Annahmeverfahrens für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Korea durch den Rat zu informieren. Wie Sie vielleicht wissen, wird der für den 10. September anberaumte Rat für Auswärtige Angelegenheiten hoffentlich die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens genehmigen. Sobald dieser Beschluss getroffen ist, wird eine offizielle Unterzeichnung und Übertragung der Einigung an das Parlament für das Zustimmungsverfahren möglich sein.
Das Datum der vorläufigen Anwendung wird zu einem späteren Zeitpunkt durch den Rat festgelegt. Diese Beschlussfassung erfolgt sehr wahrscheinlich sobald das Parlament seine Zustimmung zum Freihandelsabkommen erteilt hat und eine Einigung zur Schutzverordnung erzielt wurde.
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar, für die Darstellung der Standpunkte der Europäischen Kommission.
Daniel Caspary, im Namen der PPE-Fraktion. – Her Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Was Parlament, Rat und Kommission in den letzten Wochen und Monaten hier gemeinsam erreicht haben, ist vorbildlich. Ich möchte besonders dem Kollegen Zalba für seine Arbeit danken!
Das Europäische Parlament zeigt beim ersten außenhandelspolitischen Thema nach dem Vertrag von Lissabon, bei dem wir maßgeblich mitbeteiligt sind, dass wir handlungsfähig sind. Wir hatten im Juli im Ausschuss die erste Lesung, wir haben heute Abend die Debatte. Wenn es nach uns im Parlament ginge, könnten wir morgen über die Schutzklauseln abstimmen. Aber leider ist es an der anderen Institution — also am Rat — bisher gescheitert, dass wir das Abkommen morgen verabschieden können. Ich wäre dankbar, wenn der Rat heute anwesend wäre. Und ich wäre dankbar, wenn der Rat bei dem Thema etwas mehr Flexibilität und etwas mehr Geschwindigkeit gezeigt hätte.
Zur Rolle des Europäischen Parlaments möchte ich ganz klar Folgendes sagen: Die Kommission, die Mitglieder und die Industrie werden künftig das Recht haben, eine Überprüfung nach der Schutzklausel zu starten. Wir im Europäischen Parlament wollen dieses Recht auch! Ich denke, ich kann für alle Kollegen sprechen: Wir werden auf dieses Recht nicht verzichten. Und ich rufe Kommission und Rat auf, hier in den Verhandlungen möglichst schnell zuzustimmen.
Der nächste Punkt: Bei den Zollrückerstattungen schlägt die Kommission vor, das Thema in die Schutzklauseln aufzunehmen. Ich rufe den Rat auf, hier seine Blockadehaltung aufzugeben und das Thema zu akzeptieren.
Drittens: Auch das Thema CO2-Regulierung in Südkorea sollte angesprochen werden. Die koreanische Regierung plant eine CO2-Regulierung im Automobilsektor. Wir alle haben die Sorge, dass diese Regulierung dazu dienen könnte, die Öffnung des koreanischen Marktes für Automobile aus Europa wieder zurückzunehmen. Ich rufe die Kommission auf, hier wirklich hart mit den Koreanern zu sprechen. Dieses Thema CO2-Regulierung ist ein Lackmustest. Wenn die Koreaner gleich bei der ersten neuen Gesetzgebung gegen unser Freihandelsabkommen arbeiten sollten, wäre das nicht zielführend.
In diesem Sinne wünsche ich dem Berichterstatter und allen Beteiligten weiter viel Erfolg. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir das Thema dieses Jahr noch abschließen könnten.
Bernd Lange, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte dem Berichterstatter erst einmal für die gute Zusammenarbeit danken, die dazu beigetragen hat, dass das Parlament im Ausschuss einstimmig eine sehr fundamentale Position verabschiedet hat – was ich sehr begrüße – und damit noch einmal die Bedeutung klarmacht, die diese Safeguard Regulation hat.
Zusammen mit dem Abkommen mit Südkorea ist dies das erste Abkommen nach dem Vertrag von Lissabon, über das wir verhandeln, und damit hat das Parlament eine neue Rolle, die es eben auch ausfüllen muss. Zum Zweiten sind dieses Freihandelsabkommen mit Südkorea und die Safeguard Regulation auch quasi die Blaupause für zukünftige Abkommen, und insofern müssen wir hier auch besonders sorgfältig handeln. Dies sind zwei gewichtige Gründe, die eigentlich dafür sprechen, nicht nonchalant Positionen zu verwässern, sondern wirklich darum zu kämpfen, dass man sich auf vernünftige Regelungen einlässt.
Herr Kommissar, Sie wissen es, es sind sechs Punkte, die uns besonders am Herzen liegen. Ich will sie in aller Kürze noch einmal nennen: Erster Punkt: Der Zollrückerstattungsmechanismus. Wenn koreanische Hersteller Teile aus Drittländern bei der Herstellung ihrer Waren verwenden, dann müssen sie dafür keine Zölle entrichten und können sie nach Europa exportieren, wohingegen Hersteller aus Europa – selbst wenn sie die gleichen Teile verwenden – keine solche Zollfreiheit haben. Also ein Wettbewerbsvorteil für die koreanischen Hersteller! Hier muss man genau überwachen, ob das zu Marktverzerrungen führt. Und das lässt sich nicht mit einer einfachen Erklärung bewerkstelligen, sondern das muss rechtsverbindlich als ein Grund zur Einleitung von Untersuchungen in die Safeguard Regulation aufgenommen werden.
Zweiter Punkt: Es wird auch regionale Besonderheiten geben, und nicht alle sensiblen Sektoren sind in allen Mitgliedsländern gleich stark vertreten. Deswegen muss man besonders darauf achten, wie man sensible Sektoren in einzelnen Regionen gegen gezielte Angriffe schützen kann. Das ist keine einfache Operation, weil wir uns im Binnenmarkt befinden, aber das muss politisch gelöst werden.
Dritter Punkt: Weil dies eben das erste Abkommen nach dem Vertrag von Lissabon ist, Herr Kommissar, geht es auch um eine neue Balance zwischen Rat und Parlament, und weil wir ja auch die Vereinbarungen mit der Kommission getroffen haben, ist es mehr als recht und billig, überall in dem Abkommen eine gleichberechtigte Rolle von Parlament und Rat zu verankern.
Vierter Punkt: Die Abläufe in der Umsetzung sind natürlich Ihr Geschäft – in die operative Umsetzung wollen wir uns auch nicht einmischen –, aber wir müssen als Parlament sicherstellen, dass im Komitologieverfahren die Rechte des Parlaments nicht in Frage gestellt werden. Insbesondere brauchen wir ein Rückholrecht, auch das muss gesichert werden.
Fünfter Punkt: Wir haben mit Südkorea über viele Jahrzehnte die Erfahrung gemacht, dass neben der tarifären Handelspolitik immer nichttarifäre Handelshemmnisse aufgebaut worden sind. Deswegen müssen wir auch einen klaren Mechanismus der Überwachung, der Berichterstattung und auch der Einleitung von Konsultationen haben, wenn im nichttarifären Handelsbereich Probleme entstehen.
Und sechster Punkt: Wenn wir es mit der neuen Form der Handelsabkommen ernst meinen, dann kommt es auch darauf an, die Zivilgesellschaft einzubeziehen und zu stärken. Das heißt, grundlegende Normen der ILO müssen verankert und umgesetzt werden, zum Beispiel die Norm 87, wonach den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Streikrecht gewährt wird. Dem steht entgegen, dass im Strafgesetzbuch von Südkorea der Artikel 314 „Störung des Betriebsfriedens” ein Straftatbestand ist. Da müssen wir ran – die Zivilgesellschaft muss gestärkt, grundlegende ILO-Normen und grundlegende Umweltstandards müssen gesichert werden, und auch bei der Überwachung des Abkommens muss die Zivilgesellschaft in Form der Domestic Advisory Groups einbezogen werden.
Letzter Punkt, Herr Kommissar: Sie haben gesagt, die vorläufige Umsetzung wird höchstwahrscheinlich erst dann erfolgen, wenn wir uns geeinigt haben. Dieses „höchstwahrscheinlich” möchte ich streichen. Es kann keine vorläufige Inkraftsetzung geben, solange das Parlament nicht in dieser Frage entschieden hat!
(Beifall)
Michael Theurer, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Schattenberichterstatter der ALDE-Fraktion danke ich Herrn Kommissar De Gucht und auch unserem Berichterstatter Zalba für die gute Zusammenarbeit im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen mit Südkorea und den Schutzklauseln.
Zunächst möchte ich unterstreichen, dass wir als Liberale und Demokraten hier im Europäischen Parlament eine möglichst baldige Ratifizierung und Verabschiedung des Abkommens wollen, weil wir für Freihandel sind und weil wir in einem Abkommen mit Südkorea große Chancen für die Wirtschaft in der Europäischen Union und auch in Südkorea sehen. Bei den Schutzklauseln ging es uns aber darum, die Bedenken, die aus der europäischen Industrie an uns herangetragen wurden, sehr ernst zu nehmen. Wir glauben, dass mit dem Instrument der Schutzklauseln diesen Bedenken auch Rechnung getragen werden kann. Wir wollen mit der Abstimmung in dieser Woche signalisieren, dass im Parlament die politischen Kräfte einig sind und mit diesen Schutzklauseln hier ein funktionsfähiges Abkommen abgeschlossen wird. Deshalb rufen wir den Rat und die Kommission auf, in den wichtigen noch strittigen Punkten auf uns zuzukommen.
Wir wollen vor allen Dingen, dass die Zollrückerstattung nicht missbraucht wird. Es kann nicht sein, dass durch Zollrückerstattung über Südkorea ein Einfallstor für Billigprodukte, billige Vorprodukte aus China und aus anderen asiatischen Ländern entsteht. Wir wollen, dass außerdem die nichttarifären Handelsbarrieren, etwa die CO2-Regeln bei Kfz, von Seiten der Südkoreaner abgebaut werden, so dass nicht durch die Hintertür neue Handelsbarrieren entstehen.
Wir wollen, dass soziale und ökologische Standards eingehalten werden. Und natürlich muss eine Regelung für die Frage der Komitologie gefunden werden, also für die spätere Anwendung des Abkommens. Hierbei setzen wir auf eine starke Rolle des Parlaments. Wir setzen uns auch dafür ein, dass die Industrie selbst und die Mitgliedstaaten eine solche Untersuchung und Überprüfung in Zukunft einführen können.
Ein letzter Punkt macht mir Sorge: Der Rat wird in den nächsten Tagen über die vorläufige Anwendung des Abkommens diskutieren und möglicherweise auch abstimmen. Ich kann hier nur warnen. Nach dem Vertrag von Lissabon muss das Parlament zustimmen. Eine vorläufige Anwendung würde dem Geist des Vertrags von Lissabon entgegenstehen. Deshalb rufe ich den Rat auf, keine vorläufige Anwendung des Abkommens zu beschließen, sondern zunächst die Entscheidung des Parlaments abzuwarten. Wir haben alles getan, um eine zeitnahe Entscheidung möglich zu machen, und das sollten wir auch durch große Einigkeit in der Abstimmung zum Ausdruck bringen!
Helmut Scholz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar De Gucht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte im Namen meiner Fraktion deutlich machen, dass wir hinter dem eingeschlagenen Weg des Ausschusses stehen, in dieser Plenarwoche den Vorschlag für eine Verordnung zur Umsetzung der bilateralen Schutzklausel des Freihandelsabkommens zur Abstimmung zu bringen.
Transparenz, Offenheit – unter Verdeutlichung der Rechte des Europäischen Parlaments als künftig alle Handelsabkommen mitentscheidende gesetzgebende EU-Institution –, und damit das Ernstnehmen der Meinungen, Sorgen und Bedenken vieler beteiligter und betroffener Akteure hinsichtlich des noch zu ratifizierenden Freihandelsabkommens, all das wird von der Schutzklauselverordnung direkt berührt. Lassen Sie mich bekräftigen: Zum Inhalt und vor allem zum Text des Freihandelsabkommens gibt es nicht nur hier im Europäischen Parlament durchaus unterschiedliche Ansichten, sondern noch viel mehr in den Betrieben bei den Beschäftigten, und zugleich auch bei den Unternehmensleitungen, und zwar in den großen, aber mehr noch in den kleinen und mittelständischen Betrieben auf beiden Handelspartnerseiten.
Es ist das erste Freihandelsabkommen des 21. Jahrhunderts zwischen hochentwickelten Volkswirtschaften in einer globalisierten Wirtschaftswelt, und es wird unter der Bedingung der Wirtschafts- und Finanzkrise in Kraft treten. Deshalb kommt dem Schutzklauselmechanismus eine erhebliche Bedeutung zu, die weit über den hier konkret dargelegten Aspekt hinausgehen dürfte.
Die Rechtssicherheit hinsichtlich der Umsetzung und der Anwendungsmöglichkeiten der im Vertrag vorgesehenen Schutzmaßnahmen ist unverzichtbar, wenn Handelszusammenarbeit, Weltoffenheit und gemeinsames Herangehen an die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der jeweiligen Volkswirtschaften im Interesse der Beschäftigten, der Bürgerinnen und Bürger beider Handelsseiten positiv vorangetrieben werden soll. Zeitplanung und Fristen, regionale Schutzmaßnahmen, Beweisführung, Überwachungsmaßnahmen – und zwar, wie meine Kolleginnen und Kollegen hier schon dargelegt haben, gleichberechtigt mit dem Rat durch das Europäische Parlament – sind unverzichtbar. Gerade die aus eigenem Erleben erwachsenen Bedenken zivilgesellschaftlicher Akteure, von Gewerkschaften und Unternehmen hinsichtlich der Zollrückvergütung machen ein spezifisches Festlegen der Herkunftsregeln notwendig.
Ich unterstütze auch den Ansatz, dass die Klausel sowohl wirksam sein als auch tatsächlich geltend gemacht werden können muss. Die Klausel muss ein im Ernstfall durchsetzbares Mittel sein. Ich halte es für dringend notwendig, heute noch einmal zu betonen, dass diese Verordnung im Rat und von allen 27 Mitgliedstaaten getragen und entschieden werden muss, sonst kann das Abkommen nicht in Kraft treten.
Anna Rosbach, im Namen der EFD-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Dieses Freihandelsabkommen ist für Korea und für die EU sowohl in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als auch unter Umweltaspekten eine „Win-Win-Situation“. Es liegt im Interesse der EU, dass dieses Abkommen angenommen wird, bevor Korea ein ähnliches Abkommen mit den Vereinigten Staaten abschließt. Dies sollte möglichst rasch erfolgen, da Präsident Obama kürzlich in Toronto angekündigt hat, dass die USA beabsichtigt, im nächsten Jahr ein Handelsabkommen mit Korea zu ratifizieren. Ich beginne jedoch anzuzweifeln, ob dieses Abkommen wirklich so einfach ist. In Korea wurde gerade ein weit gespanntes Korruptionsnetzwerk aufgedeckt. Wir müssen daher die Entwicklungen mit unseren wichtigsten Handelspartnern sehr aufmerksam verfolgen. Mit einem Freihandelsabkommen wird die Tatsache betont, dass Korea zu dieser Gruppe gehört.
Zudem müssen wir Wege auftun, um sicherzustellen, dass unabhängige Spezialisten für Arbeitsrecht oder die EU selbst direkten Zugang zu Beschäftigten im Industriekomplex Kaesong (KIC), d. h. in anderen Worten zu den Handelsgebieten in Kaesong haben, in denen Nordkoreaner für südkoreanische Unternehmen arbeiten. Andernfalls gehen wir das Risiko ein, Produkte zugänglich zu machen, die unter Anwendung von Zwangsarbeit und ohne Rücksicht auf Menschenrechte hergestellt werden. Ohne Zugang zu diesen Gebieten müssen wir eine Aufnahme von KIC-Produkte in das Abkommen ablehnen. Insgesamt ist es jedoch begrüßenswert, dass dieses Abkommen zu mehr Transparenz führen wird und dass gegen Unternehmen vorgegangen werden kann und diese gerichtlich belangt werden können, wenn sie die festgelegten Anforderungen nicht erfüllen. Gleichermaßen wurden nun die Bedingungen der Arbeitnehmer offengelegt und können daher erörtert und untersucht werden. Wenn uns dies gelingt, ist dies definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.
Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass die Union am meisten von dem Abkommen profitieren dürfte. Es wird hoffentlich zu mehr Beschäftigung führen und das europäische Wachstum ankurbeln.
Der Präsident. – Meine Damen und Herren! Wie ersichtlich ist, besteht im Hinblick auf den Vorschlag volle Übereinstimmung, und wir können uns selbst dafür beglückwünschen, dass wir alle eine rasche Implementierung fordern und dass dies für uns von großer Bedeutung ist.
Christofer Fjellner (PPE). – (SV) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Herrn Zalba Bidegain danken, weil ich weiß, dass er sehr hart gearbeitet und meiner Ansicht nach ein sehr gutes Ergebnis erzielt hat.
Die morgige Abstimmung zu den Schutzklauseln für das Freihandelsabkommen mit Südkorea wird aus zwei Gründen historisch sein. Erstens leitet sie unsere Debatten zum umfassendsten Freihandelsabkommen ein, das die Union jemals abgeschlossen hat. Dieses Abkommen ist unter all den Abkommen, in die wir eingebunden sind, das radikalste und das gewinnträchtigste. Natürlich ist dies nicht außergewöhnlich, sondern im Wesentlichen auf die Tatsache zurückzuführen, dass Südkorea einer unserer wichtigsten Handelspartner, die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt und einer der ersten OECD-Staaten ist, mit dem die EU ein Freihandelsabkommen abschließt.
Außerdem handelt es sich hierbei um das erste Abkommen, in dem wir das „Globale Europa“ nutzen, bei dem der Ausgangspunkt die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist und das, was eher wirtschaftlich als lediglich politisch von Bedeutung ist. Es ist offensichtlich, dass wir Ambitionen haben. Beispielsweise sind wir in Bezug auf den Freihandel im Bereich Landwirtschaft aktiver, als wir dies jemals zuvor waren. Dies wird unserer Industrie viele Möglichkeiten eröffnen. Selbstverständlich wird es auch für die Industrie unserer südkoreanischen Freunde Möglichkeiten bieten, denn genau darum geht es beim Freihandel. Es ist schwierig, es war schwierig und es wird auch in Zukunft schwierig sein, aber wichtige Dinge sind häufig mit großen Schwierigkeiten verbunden. Das ist der Sinn und Zweck.
Zweitens ist es das erste Mal, dass das Europäische Parlament involviert ist und über Mitbestimmungsbefugnisse verfügt. Wir mussten deshalb zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen können, und dies ist uns meiner Ansicht nach auch gelungen. Wir müssen beweisen, dass wir etwas beitragen können und die Rolle der EU eher stärken anstatt nur als Bremse zu wirken. Ich denke, das haben wir geschafft. Natürlich wird nicht auf all unsere Forderungen eingegangen, aber allein die Tatsache, dass wir sie vorgebracht haben, wird die Kommission zwingen, Themen wie beispielsweise gesellschaftliche Rahmenbedingungen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse verstärkt zu berücksichtigen.
Ich möchte insbesondere auf eine Stellungnahme hinweisen, weil ich nicht mit allem einverstanden bin, über das wir im Ausschuss abgestimmt haben. Es betrifft die Frage der regionalen Schutzmaßnahmen. Nach dem Vertrag von Lissabon habe ich hierbei meine Zweifel und ich denke, es wäre besser, wenn wir stattdessen Schutzmaßnahmen in der gesamten EU einführen würden. Im Rahmen des Binnenmarktes und der Freizügigkeit gibt es erhebliche Möglichkeiten, diese Art regionaler Schutzmaßnahmen zu umgehen, und ich glaube nicht, dass irgendjemand hier die Freizügigkeit oder den Binnenmarkt verändern oder in Frage stellen möchte. Insgesamt ist die morgige Abstimmung jedoch ein wichtiges Signal dafür, dass wir bei der Handelspolitik in eine neue Zeit eintreten, und das ist begrüßenswert.
Gianluca Susta (S&D). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst einmal sollten wir uns selbst fragen, welches Europa wir uns wünschen, was wir für Europa fordern und welche Verpflichtungen wir einzugehen beabsichtigen hinsichtlich dieser schwerwiegenden Wirtschafts- und Finanzkrise, der Depression, die weltweit spürbar ist, und des schwierigen Aufschwungs, mit dem wir konfrontiert sind.
Meines Erachtens sollte ein Freihandelsabkommen in einer Zeit, in der multilaterale Beziehungen sich so schwierig gestalten, in der die Verhandlungen von Doha zu einem Stillstand gekommen sind, mindestens zwei Haupterfordernisse erfüllen. Einerseits sollte das Abkommen auf internationaler Ebene wahrhaftig gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen uns und den anderen Wettbewerbern im Welthandel herstellen, und auf der anderen Seite sollte das Abkommen der Welt die Richtung aufzeigen, in die Europa seine Wirtschaft und Entwicklung lenken will.
Dieses Abkommen ist weit entfernt von diesen Punkten. Es berücksichtigt in keiner Hinsicht den globalen Kontext. Es vertritt einerseits einen Aspekt und dann dessen Gegenteil. Es ist lediglich ein sehr ausgeklügelt entworfenes Freihandelsabkommen. Es ist ein wichtiges konzeptuelles Dokument und würde sicherlich nützliche Szenarien in einer völlig regulierten Welt eröffnen, einer Welt, in der Gegenseitigkeit, gemeinsame Bestimmungen und gemeinsame Qualitätsstandards an der Tagesordnung sind. Die Welt ist jedoch ganz anders. Was wir tatsächlich beobachten, ist, dass die europäische Fertigungsindustrie, auf die das Abkommen zur Schaffung von mehr Entwicklung, mehr Beschäftigung und zusätzlichen Arbeitsplätzen aufbauen sollte, benachteiligt wird, wohingegen dem Sektor für Finanzdienstleistungen wieder einmal Vorteile eingeräumt werden.
Die positiven Aspekte des Abkommens werden sich kaum in einem Anstieg des BIP niederschlagen: Im besten Fall wird das Abkommen eine Steigerung von 0,03 % bewirken. Ich sehe keinen Bedarf dafür. Nach den vorsichtigen Annäherungsversuchen von Präsident Obama treten selbst die Vereinigten Staaten auf die Bremse. Sie stehen nun unter dem Druck von mindestens 100 Kongressmitgliedern der Mehrheitspartei, die diese Art von Abkommen, die dem von uns zu unterzeichnenden Abkommen ähnelt, als „Beschäftigungskiller“ bezeichnen.
Das Ratifizierungsverfahren in Korea geht sehr schleppend voran, und weder die Umwelt- noch die Sozialstandards sind gewährleistet. Trotzdem streben wir eine sehr rasche Ratifizierung an.
Wir müssen jedoch eins einfordern. Wir haben diese Forderung bereits in den vorbereitenden Phasen mittels der durchgeführten Abstimmung gestellt. Es darf keine vorläufige Implementierung dieses Freihandelsabkommens geben, solange die Schutzregelung nicht angenommen wurde. Zudem haben wir in diesem Parlament einige wichtige Änderungsanträge eingebracht, die uns ermöglichen, die nachfolgenden Phasen effektiver anzugehen.
(Der Präsident unterbricht den Redner.)
Niccolò Rinaldi (ALDE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wir sind ein wenig wie die Ryong, die Drachen der koreanischen Mythologie, die sanft, gutwillig, aber sehr entschlossen sind. Darüber hinaus sind wir uns bewusst darüber, dass wir die europäische Institution sind, die von unseren Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt wird, und dass wir daher eine wirksame Schutzklausel einfordern müssen.
Das Parlament ist bereit, das Abkommen in erster Lesung abzuschließen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es konkrete Vorschläge gibt, die die Interessen der europäischen Arbeitnehmer und Industrien und insbesondere die institutionellen Vorrechte des Parlaments berücksichtigen. Wir haben sechs Forderungen, die bereits in Teilen von anderen Abgeordneten vorgebracht wurden.
Die erste Forderung ist, dass es keine vorläufige Implementierung gibt, bevor nicht die Schutzregelung angenommen wurde und das Parlament das Abkommen genehmigt hat.
Die zweite Forderung ist eine regionale oder in jedem Fall flexible Schutzklausel, weil Europa vielfältig ist und es wichtig ist, dass dieses Abkommen von seinen verschiedenen Interessengruppen akzeptiert und begrüßt wird.
Die dritte und noch wichtigere Forderung betrifft die Rolle des Parlaments in den Verfahren: das Recht, eine Untersuchung zu beantragen – natürlich haben wir gefordert, dass dieses Recht auf die Industrie ausgeweitet wird –, das Recht auf vollständige Informationen und Zugang zur Online-Plattform.
Die vierte Forderung betrifft die Komitologie bei der Implementierung der Verordnung: Dem Rat kann keine wichtigere Rolle als dem Parlament zukommen. Wir bestehen auf die starke Rolle des Parlaments und einem Verfahren – dem Beratungsverfahren –, das für Fälle, in denen die Kommission eine Nichtanwendung von Maßnahmen nach einer Untersuchung beschließt, ein Vetorecht vorsieht.
Fünftens, im Hinblick auf die Zollrückvergütung, müssen Zölle in die Schutzklauseln aufgenommen werden und einer der Faktoren bei Untersuchungen und Überwachung sein.
Die sechste Forderung schließlich besteht darin, dass es eine Überwachung von Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards geben muss und dass gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten, die Koreaner und Europäer hinsichtlich CO2 gleichstellen.
Dieses und jedes andere Freihandelsabkommen, das ein Instrument für Stabilität und Frieden ist, hat unsere volle Unterstützung. Es sollte jedoch niemand in Bezug auf seinen Inhalt blauäugig sein, und der Rat darf die Rolle des Parlaments nicht ignorieren.
Maria Eleni Koppa (S&D). – (EL) Herr Präsident! Wir sind heute aufgefordert, einen wichtigen Gesetzestext in Bezug auf den internationalen Handel anzunehmen, dessen Implementierung schwerwiegende Folgen für den europäischen Markt haben wird. Angesichts der gegenwärtigen internationalen Wirtschaftskrise muss bei der Ausführung eines Freihandelsabkommens jederzeit und schrittweise Sorge dafür getragen werden, dass für produktive Sektoren in der Union keine schwerwiegenden Verlustrisiken bestehen.
Die Schutzklausel im Freihandelsabkommen mit Korea ist notwendig, damit sie in die EU-Rechtsvorschriften integriert werden, rechtsverbindlich sein und somit ohne Komplikationen in Anspruch genommen werden kann. Gleichzeitig muss die Europäische Kommission systematisch die Ein- und Ausfuhrstatistiken überwachen, um somit direkt eingreifen zu können, wenn Ungleichgewichte auftreten. Auch die Einhaltung von Spezifikationen im Hinblick auf Arbeits- und Umweltstandards erfordert eine sorgfältige Überwachung, um auf diese Weise die Schaffung eines unfairen Wettbewerbs zwischen gleichen oder direkt konkurrierenden Produkten zu vermeiden, der sich daraus ergeben kann, dass die obengenannten Kriterien nicht wortgetreu zur Anwendung kommen.
Abschließend möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass wir die Anwendung der Regionalklausel unterstützen, die die optimale Funktionsweise des Binnenmarktes schützen soll, denn sie ermöglicht die Ergreifung von Maßnahmen in Regionen und Ländern mit produktiven Sektoren, die häufig einen großen Anteil am Kernmarkt haben. Da das Freihandelsabkommen mit Korea Europa erstmalig Zugang zu einem so großen asiatischen Markt eröffnet, ist besondere Vorsicht geboten, weil das Abkommen als Präzedenzfall für weitere Abkommen dieser Art dienen wird.
Marielle De Sarnez (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Jedem Freihandelsabkommen muss der Grundsatz der Gegenseitigkeit oder ein beidseitiger Nutzen zugrunde liegen, und ehrlich gesagt zweifele ich daran, dass dies beim Abkommen mit Südkorea der Fall ist.
Ich möchte zur Veranschaulichung eine Zahl nennen: 50 % unseres gegenwärtigen Handels mit Südkorea betrifft den Automobilsektor; die Europäische Union importiert jedoch 450 000 südkoreanische Fahrzeuge und exportiert lediglich 33 000 europäische Autos. Vor dem Hintergrund einer außerordentlich schweren Krise ist dies gelinde gesagt eine sehr unausgewogene Handelsbeziehung.
Dabei wird das Abkommen einen Präzedenzfall setzen. Es wird den Weg für andere Abkommen mit größeren asiatischen Ländern ebnen, wobei ich insbesondere an Japan, aber auch an andere Länder denke. Darüber hinaus ist es das erste Abkommen, das nach dem Vertrag von Lissabon abgeschlossen wird, und somit ist es für das Europäische Parlament von wesentlicher Bedeutung – und ich unterstütze unseren Berichterstatter in diesem Punkt – sich bei der Kommission Gehör zu verschaffen.
Aus diesem Grund müssen wir in jedem Fall – ich greife damit der Abstimmung über das Freihandelsabkommen nicht voraus – die Schutzklausel strenger gestalten und insbesondere den Mechanismus zur Zollrückvergütung überprüfen, eine regionale Schutzklausel implementieren, die Rolle des Europäischen Parlaments im Verfahren stärken, ein Ad-hoc-Ausschussverfahren einleiten, im Rahmen dessen den Rechten des Parlaments Rechnung getragen wird, und Sozial- und Umweltstandards integrieren.
Zum Abschluss, wie Sie zugesagt haben, Herr Kommissar, wollen wir nicht, dass dieses Freihandelsabkommen befristet in Anwendung kommt, bevor das Europäische Parlament definitiv darüber abgestimmt hat.
Vielen Dank, dass Sie mich angehört haben. Ich hoffe, dass Sie auf meine Forderungen eingehen werden.
Evelyn Regner (S&D). - Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar! Dieses erste Freihandelsabkommen nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon enthält etliche positive Elemente: Die Rolle des Europäischen Parlaments wurde gestärkt, und es sind Schutzmaßnahmen im Falle der Verletzung von Gewerkschafts- bzw. Arbeitnehmerrechten vorgesehen.
Nichtsdestotrotz darf das Freihandelsabkommen mit Südkorea aber nicht als Mustervereinbarung für künftige Freihandelsabkommen der Europäischen Union herangezogen werden. Warum? Die Europäische Union hat sich selbst mit den Zielen und Werten, die in den Verträgen, insbesondere im Vertrag von Lissabon, festgelegt sind, Ehrgeiziges auferlegt und sollte sich auch daran halten, etwa was Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit angeht, um nur zwei Eckpfeiler zu nennen.
Daher möchte ich den Bogen zu allen anderen aktuellen Freihandelsabkommen spannen, insbesondere jenem mit Kolumbien und Peru, mit den Andenstaaten, das fix und fertig ausgehandelt ist und der Zustimmung bedarf. Es ist nötig, mit Drittstaaten vor dem Abschluss eines Abkommens einen sehr sorgfältigen Menschenrechtsdialog zu führen. Die Inhalte der Freihandelsabkommen müssen maßgeschneidert an die jeweilige Situation der Länder angepasst sein, vor allem in den Bereichen Handel, Sozial- und Umweltstandards. Insbesondere ist zu verhindern, dass die Staaten – genau wie die EU – nur der Karotte des Freihandelsabkommens nachlaufen und dann, sobald sie die Karotte erreicht haben, wieder zu ihrem Alltag zurückkehren, denn dies würde bedeuten, dass diesen Staaten die Absolution für Menschenrechtsverletzungen erteilt wird!
George Sabin Cutaş (S&D). – (RO) Die bilaterale Schutzklausel im Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Korea ist eine Schutzmaßnahme, die erforderlich wäre, wenn koreanische Importe für die Industrie und die Beschäftigungslage in der Europäischen Union eine schwerwiegende Gefahr darstellen würden.
Das Prinzip der Zollrückvergütung, nach dem koreanische Unternehmen Recht auf eine Zollrückvergütung für Hauptkomponenten haben, ist von besonderer Brisanz, da es für Letztere von Vorteil sein und sich erheblich auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit auswirken könnte.
Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Korea ist eine vorteilhafte Vereinbarung, solange es dem Prinzip eines fairen Wettbewerbs Rechnung trägt. In diesem Kontext muss die Kommission die die Entwicklung der Exporte zwischen Südkorea und der Europäischen Union insbesondere in den Sektoren streng überwachen, die als gefährdet gelten, und rasche Maßnahmen ergreifen, um jedwede Unregelmäßigkeiten zu berichtigen.
Das angewandte Kontrollsystem muss zudem verstärkt werden, um es Vertretern der betroffenen Industrien, Gewerkschaften und Sozialpartnern sowie dem Europäischen Parlament in seiner Rolle als direktem Vertreter der Bürgerinnen und Bürger der EU zu ermöglichen, die Alarmglocke zu ziehen und die Einleitung einer Untersuchung zu beantragen.
Die Rolle des Europäischen Parlaments im Kontrollsystem und die Bedenken zur Zollrückvergütung sind Themen, zu denen das Parlament, der Rat und die Europäische Kommission rasch einen Kompromiss finden müssen. Vor diesem Hintergrund ist die Abstimmung über den Bericht während dieser parlamentarischen Sitzung ein positiver Schritt, der auf die Bereitschaft des Parlaments hinweist, diese Verordnung schnellstmöglich annehmen zu wollen.
VORSITZ: Roberta ANGELILLI Vizepräsidentin
Elisabeth Köstinger (PPE). - Frau Präsidentin! Ich danke dem Berichterstatter und den Schattenberichterstattern für die geleistete Arbeit und für die Zusammenarbeit und wünsche Ihnen für den Verlauf der Verhandlungen weiterhin viel Erfolg.
Ich begrüße vor allem das schnelle Vorankommen in den Verhandlungen zur Safeguard-Klausel des Korea-Abkommens. Das Europäische Parlament hat durch die schnelle Abstimmung im Ausschuss im Juli und die geplante Abstimmung über die Änderungsanträge im September sowie die Handlungsfähigkeit in den Verhandlungen gezeigt, dass wir im Zuge von Lissabon effizient und konstruktiv arbeiten. Jetzt ist der Rat gefordert, dies ebenfalls zu tun, damit eine schnelle Einigung zur Safeguard-Klausel gefunden werden kann.
Ich begrüße den Vorschlag der Kommission für eine Erklärung zu den Sozial- und Umweltstandards. Dies ist ein guter Kompromiss, um die Wichtigkeit dieses Punktes hervorzuheben. Vor allem sehe ich die Stärkung der Rolle des Parlaments als wichtigen Schritt zur Demokratisierung der Handelspolitik und fordere den Rat und die Kommission auf, eine Lösung zu finden, wie das Europäische Parlament am effektivsten und stark miteinbezogen werden kann.
Ich möchte noch einmal betonen, dass das Parlament in diesem Punkt unnachgiebig sein wird. Vor allem sehe ich den Vorschlag der Kommission zur Einbindung von duty drawback in die Schutzklausel als wichtigen Schritt und fordere auch den Rat auf, diesen Vorschlag zu unterstützen.
Meine Bitte an die Kommission wäre, verstärkte Aufmerksamkeit auf die geplante CO2-Regulierung der koreanischen Regierung zu richten und hier in den Verhandlungen auf eine faire und freie Regelung für unsere europäischen Unternehmen zu drängen. Die Frage der CO2-Regulierung sollte vor dem Inkrafttreten des Abkommens geregelt sein.
Es gibt viele positive Rückmeldungen aus fast allen Bereichen und Branchen: dem Maschinenbau, der Pharmaindustrie, der Elektrotechnik, der Chemie sowie von zahlreichen Dienstleistern. Sicherlich hätten sich einzelne Branchen mehr gewünscht, aber grundsätzlich herrscht große Zufriedenheit, mit Ausnahme des Fahrzeugbaus. Und auch hier ist der Unterschied zwischen einigen Herstellern und Zulieferern deutlich erkennbar. Wir sind im Bereich des Korea-Abkommens auf einem sehr guten Weg.
Miroslav Mikolášik (PPE). – (SK) Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea sollte grundsätzlich dazu beitragen, den Handel zu stimulieren und die Arbeitslosigkeit zu senken. De facto werden aber einige Branchen erheblich davon profitieren, andere dagegen stark darunter leiden.
Ich bin dafür, den berechtigten Bedenken bestimmter Wirtschaftszweige, einschließlich der Automobilindustrie, Rechnung zu tragen und befürworte daher auch die Annahme einer Verordnung zur Umsetzung einer Schutzklausel in Bezug auf den freien Handel zwischen der EU und Korea. Angesichts der Tatsache, dass sich das Freihandelsabkommen auf die Wirtschaftszweige in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich auswirken kann, unterstütze ich den Vorschlag des Berichterstatters, dass die Möglichkeit bestehen sollte, in Ausnahmefällen Schutzmaßnahmen auf regionaler Ebene anzuwenden, da die spezifischen Situationen in den verschiedenen Mitgliedstaaten angemessen berücksichtigt werden müssen und die betroffenen Regionen die Möglichkeit haben müssen, Maßnahmen zu ergreifen, um ernsthafte negative Folgen für die regionale Wirtschafts- und Beschäftigungslage zu vermeiden.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommission für die ordnungsgemäße und rasche Umsetzung dieses Rechtsinstruments verantwortlich ist, damit negative Konsequenzen für einen Bereich der EU vermieden werden können.
Bogusław Liberadzki (S&D). – (PL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte einige Aspekte im Hinblick auf die Automobilindustrie ansprechen. Der erste Aspekt ist der Wert von Autoteilen, die nach Korea eingeführt und anschließend an uns verkauft werden, wofür es ja gewisse Schwellenwerte gibt, und der zweite betrifft die Methode der Berechnung von Zöllen für die montierten Teile im Rahmen der Quote. Mehrere große europäische Automobilhersteller haben bezüglich dieser beiden Schwellenwerte – des Umfangs der von Korea importierten Teile und der Zollberechnungsmethode – Befürchtungen geäußert. Ich möchte anregen, darüber nachzudenken, wie wir die maßgeblichen Verordnungen durchsetzen können.
Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Frau Präsidentin! Ich denke manchmal, dass wir uns selbst wieder ins Bewusstsein rufen müssen, was die Stärke Europas – die grundlegende Stärke für die Entwicklung Europas – eigentlich ausmacht. Worin bestand diese Stärke seit jeher? Sie bestand in der Fähigkeit, Märkte zu eröffnen und Möglichkeiten für einen freieren Handel zu schaffen. Die gegenwärtige Situation in Europa ist nicht gerade gut, aber sie könnte sehr viel schlechter sein.
Trifft es denn nicht zu, dass wir mit dem globalen freien Handel auf genau diese Weise Armut bekämpfen und Freiheit in der Welt schaffen wollen? Insofern beunruhigt es mich manchmal ein wenig, wenn ich gewisse Kollegen hier sprechen höre, die tatsächlich neue Schranken aufbauen und die Weiterentwicklung des freien Handels erschweren wollen.
Meiner Meinung nach ist das genau der falsche Weg. Das wollte ich hier nur anmerken und meine Unterstützung für Herrn Kommissar De Gucht zum Ausdruck bringen. Der freie Handel ist es, der Freiheit schafft und die Menschen vor Armut bewahrt. Das ist der Weg, den das Europäische Parlament einschlagen sollte.
Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin! Als wir letztes Jahr über dieses Thema diskutierten, habe ich mich dafür ausgesprochen. Ich freue mich sehr über die seither erzielten Fortschritte und gratuliere dem Berichterstatter und der Kommission.
Ich finde es ausgesprochen wichtig, dass wir in der Europäischen Union über vorteilhafte Freihandelsabkommen verfügen, insbesondere mit Ländern, deren politische Philosophie wir gutheißen können. Ich denke, ein Land wie Korea braucht enge Beziehungen mit der Europäischen Union, gerade weil es von feindlich gesonnenen Nachbarländern umgeben ist. Für uns würden sich daraus mit Sicherheit große Vorteile ergeben. Es kommt nun darauf an, dass wir diese Vorteile allen unseren Bürgerinnen und Bürgern verdeutlichen, damit sie ihrerseits davon profitieren können.
Korea muss dasselbe bei seinen Bürgerinnen und Bürgern tun. Zwar gibt es da einige Fallstricke, aber ich stimme meiner Kollegin, Frau Köstinger, zu, dass diese durch die Schutzklauseln überwunden werden können. Ich begrüße dieses Abkommen rückhaltlos. Ich hoffe, dass es so bald wie möglich zustande kommt und dass wir weitere Abkommen mit Ländern abschließen können, deren politische Philosophie der unseren ähnelt, vor allem in Asien und hier insbesondere mit Japan.
Jiří Havel (S&D). – (CS) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich begrüße es, dass bei der Aushandlung eines Abkommens mit Korea so große Fortschritte erzielt wurden. Natürlich ist unser Ziel die Entwicklung des Marktes, die Entwicklung von Wettbewerb ist vorteilhaft für uns und Korea ist zweifellos ein wohlwollendes Land. Andererseits bleiben wichtige Fragen offen, denen das Abkommen in seiner jetzigen Fassung nicht gerecht wird. So bleibt die Frage nach möglichst wechselseitigen Verpflichtungen im Umweltbereich; es bleibt die Frage nach den Menschenrechte und ob sichergestellt werden kann, dass über dieses Abkommen mit Korea nicht Erzeugnisse aus anderen Ländern schließlich in Europa landen. All dies könnte unsere Arbeitsplätze gefährden. Es könnte auch unsere Wirtschaft gefährden. Ich hoffe, dass wir auch hier schnell vorankommen und einen akzeptablen Kompromiss finden. Ohne einen solchen Kompromiss würden wir uns in der Tat sehr schwer damit tun, für dieses Abkommen zu stimmen.
Czesław Adam Siekierski (PPE). – (PL) Der Vorschlag der Europäischen Kommission erfüllt die Erwartungen des Europäischen Parlaments und insbesondere unserer Industrie in Bezug auf den Schutz der Letzteren und auf die Einhaltung der Grundsätze des wettbewerbsorientierten Handels. Das Europäische Parlament, das ja die europäische Gesellschaft vertritt, sieht in Schutzklauseln eine sehr wichtige Voraussetzung für die Ermöglichung von Chancengleichheit für besonders anfällige Wirtschaftssektoren. Freier Handel und die Teilhabe am Weltmarkt sind der Motor für Entwicklung, aber nur dann, wenn alle Beteiligten sich an Umwelt- und Beschäftigungsstandards halten und es keine anderen Formen der staatlichen Unterstützung gibt, der Handel also auf den Grundsätzen der vollen Wettbewerbsfähigkeit beruht.
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Wie bereits mehrere Kolleginnen und Kollegen sagten, sind die Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Parlament und dem Rat derzeit im Gange, daher möchte ich mich auf ein paar zusammenfassende Bemerkungen beschränken.
Über das Thema der CO2 -Regulierung habe ich vor etwa zehn Tagen in Da Nang ein Gespräch mit dem koreanischen Handelsminister geführt. Wir sprachen über die CO2 -Bestimmungen, die in Korea eingeführt werden sollen. Diese sind von großer Bedeutung, denn wenn sie inhaltlich nicht akzeptabel wären, könnte das die Zugeständnisse der Koreaner bezüglich europäischer Autoexporte relativ stark aushöhlen.
Fest steht, dass die koreanische Regierung bis zum 15. Oktober Vorschläge machen wird, wir also genau über deren Inhalt informiert sein werden, bevor wir endgültig über die Ratifizierung sprechen. Wir werden diese Thematik sehr aufmerksam verfolgen. Ich habe dem koreanischen Minister deutlich zu verstehen gegeben, dass die EU unbefriedigende Ergebnisse in diesem Punkt auf keinen Fall akzeptieren wird.
Auch zum Abkommen möchte ich noch etwas hinzufügen. Tatsächlich gibt es bereits ein Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Korea, aber bis jetzt hat die US-Administration es dem Kongress nicht vorgeschlagen. Es heißt, dass es neue Gespräche zwischen Korea und den Vereinigten Staaten geben wird. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass der koreanische Minister klar und deutlich geäußert hat, dass Änderungen an dem Abkommen zwischen den USA und Korea sich automatisch auch auf Europa auswirken würden. Daher ist die Befürchtung, dass zwischen Korea und den USA etwas vorfallen könnte, was nachteilig für Europa wäre, so nicht angebracht. Es wird sich vielmehr automatisch auch auf Europa auswirken.
Was die Zollrückvergütung angeht, haben wir uns darauf geeinigt, diese ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens in den sensiblen Wirtschaftszweigen zu überwachen. Die entsprechenden Informationen können wir auch bei Untersuchungen von Schutzmaßnahmen berücksichtigen. Wir stehen in unseren Trilog-Gesprächen kurz vor einer Einigung in diesem Punkt.
Mehr Probleme habe ich dagegen damit, dass das Parlament die Möglichkeit zur Einleitung von Verfahren haben soll, und mit den regionalen Schutzmaßnahmen, da regionale Schutzmaßnahmen meiner Ansicht nach gemäß dem Vertrag von Lissabon nicht mehr möglich sind. Wir sind bereit, zu dieser Frage über Alternativen zu diskutieren, doch der Juristische Dienst des Rates hat unmissverständlich klargestellt, dass dies im eindeutigen Widerspruch zum Vertrag von Lissabon stünde. Hier müssen wir also vorsichtig sein.
Was die Möglichkeit der Einleitung von Verfahren betrifft, muss ich leider sagen, dass ich da nicht viel Spielraum sehe. Meines Erachtens gehört dies nicht unbedingt zu den eigentlichen Funktionen des Parlaments. Es ist doch so, dass Sie die Kommission per Abstimmung über einen Entschließungsantrag ersuchen können, entsprechende Verfahren einzuleiten, ich habe aber meine Zweifel, ob es eine Berechtigung zur offiziellen Einleitung dieser Verfahren geben sollte.
Erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung zu meiner Eröffnungsansprache. Ich danke Ihnen, dass Sie dem, was ich zu Beginn sagte, so aufmerksam gefolgt sind, dass nämlich höchstwahrscheinlich ein Beschluss verabschiedet wird, wenn das Europäische Parlament dem Freihandelsabkommen zugestimmt hat und eine Einigung über die Schutzklauselverordnung erzielt worden ist.
Vielleicht haben Sie gewisse Schwierigkeiten mit dem Begriff „höchstwahrscheinlich“, aber ich vermag es nicht anders zu sagen aus dem einfachen Grund, dass der Rat diesen Beschluss fasst. Ich kann nicht für den Rat sprechen. Ich kann nur den Standpunkt der Kommission wiedergeben, und die Kommission wird zusammen mit dem Rat darauf beharren, dass dies erst geschieht, wenn die Schutzklauselverordnung angenommen wurde und das Parlament dem Freihandelsabkommen zugestimmt hat.
Das ist ganz klar unser Standpunkt. Das Parlament sollte den Rat selbst ersuchen, sich hier zu engagieren und zu sagen, dass er dies erst tun wird, wenn die Schlussabstimmung im Parlament erfolgt ist. Ich kann aber nur „höchstwahrscheinlich“ sagen, da ich nicht befugt bin, dem Rat Vorschriften zu machen. Zwar kann ich die Haltung der Kommission erläutern, aber ich kann nicht für den Rat sprechen.
Das also ist unser derzeitiger Stand der Dinge. Die Gespräche zwischen Rat, Kommission und Parlament laufen gut. In den nächsten Tagen werden wir erneut diskutieren, und ich bin überzeugt, dass wir zu einer Lösung kommen können, die für alle akzeptabel ist.
Pablo Zalba Bidegain, Berichterstatter. – (ES) Frau Präsidentin! Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre freundlichen Worte danken.
Herr Kommissar De Gucht, wie wir heute erfahren haben, nimmt das Europäische Parlament eine sehr klare Haltung ein.
Wie einer der Abgeordneten sagte, ist dies ein historischer Moment, der Präzedenzwirkung haben wird, und dies ist ein historischer Bericht, der Schule machen wird für zukünftige Einigungsprozesse. Das Parlament will eine Einigung in erster Lesung erzielen, und es wird alles tun, was in seiner Macht steht, um dies zu erreichen.
Um mit einem meiner Kollegen zu sprechen, ist dies ein entscheidender Moment für die europäische Wirtschaft, die die neuen Impulse und die neuen Märkte braucht, die dieses Abkommen auf jeden Fall bringen wird.
Es ist aber auch ein heikler Zeitpunkt für die Beschäftigungslage, und wir müssen die Beschäftigung in Europa garantieren. Wir müssen auch garantieren, dass dieses Abkommen der europäischen Industrie keinen Schaden zufügt, und aus diesem Grund brauchen wir eine starke Schutzklausel, z. B. jene, die der Ausschuss für internationalen Handel angenommen hat und die wahrscheinlich in den morgigen Abstimmungen des Parlaments befürwortet und bestätigt wird.
Von daher ist es sowohl für den Rat als auch für die Kommission Zeit, zu handeln. Die Kommission muss uns weiterhin unterstützen, und wir appellieren an beide Organe, Verantwortung zu übernehmen. Ich betone, dass wir uns um eine Einigung in erster Lesung bemühen, aber wir müssen ein bisschen Gas geben. Ich bin überzeugt, dass dies möglich ist, und wir erwarten die Vorschläge.
Robert Sturdy (ECR). – Frau Präsidentin! Leider hatte mein Zug, nämlich der Zug aus Brüssel, in dem, soweit ich weiß, auch einige belgische Ratsmitglieder gereist sind, eine gute Stunde Verspätung. Ich habe im Voraus angerufen, damit man meinen Namen von der Liste streicht, da ich meine Redezeit in diesem Plenarsaal sehr ernst nehme. Ich habe versucht, rechtzeitig anzurufen und meine Sekretärin bat daraufhin, meinen Namen von der Rednerliste zu streichen.
Entschuldigen Sie, dass ich Sie damit behellige. Ich hätte gesprochen, wenn ich hier gewesen wäre. Leider konnte ich dies wegen der Zugverspätung nicht tun, aber mein Name stand immer noch auf der Liste. Im Übrigen hat Herr Zalba meine volle Unterstützung.
Die Präsidentin. – Vielen Dank, ich nehme das zur Kenntnis.
17. Gerechte Einkommen für Landwirte: Die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette in Europa verbessern (Aussprache)
Die Präsidentin. – Der nächste Punkt ist der Bericht von José Bové im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu dem Thema „Gerechte Einnahmen für Landwirte: Die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette in Europa verbessern“ (KOM(2009)0591 - 2009/2237(INI)) (A7-0225/2010).
José Bové, Berichterstatter. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich allen meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und insbesondere den Schattenberichterstattern für ihre Unterstützung bei dieser Aufgabe danken.
Dieser Bericht ist, ebenso wie der von Herrn Lyon, Teil unserer wichtigen Debatte über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Wir haben zahlreiche Kompromisse erzielen können, die von einer großen Mehrheit unserer Fraktion angenommen wurden, nämlich mit 32 gegen 4 Stimmen.
Ich denke, dass unsere Botschaft an die Kommission eindeutig ist: Wir alle wollen mehr Transparenz entlang der Lebensmittelversorgungskette und Rechtsvorschriften, die einen fairen Wettbewerb zwischen Landwirten und allen Wirtschaftsakteuren in der Lebensmittelversorgungskette garantieren. Darüber hinaus wollen wir konkrete Maßnahmen in Europa und anderswo, um Spekulation und Missbrauch von Marktmacht zu bekämpfen und die Einkommen für Landwirte zu sichern.
Es überrascht mich, dass man uns auf Initiative einer oder zweier Fraktionen in diesem Haus gebeten hat, morgen über eine lange Liste gesonderter Abstimmungen, die der mächtigen und einmütigen Botschaft zuwiderlaufen, die wir im Ausschuss mit großer Mehrheit angenommen hatten, abzustimmen.
Kann es denn sein, dass Sie aufgrund der Ereignisse des Sommers Ihre Meinung geändert haben? Ich glaube eher, dass die intensive Lobbyarbeit, die der mächtige Handelssektor und gewisse Wirtschaftsakteure in der Agrar- und Ernährungsindustrie in den vergangenen Tagen geleistet haben, der Grund für diese ungewöhnlich große Zahl gesonderter Abstimmungen ist. Auf jeden Fall, meine Damen und Herren, kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie diesem Druck nachgeben würden, der ausgeübt wird, um unsere gemeinsame Botschaft zu schwächen.
Unser Ausschuss hat sich eingehend mit der Krise befasst, der die europäischen Landwirte ausgesetzt sind. Er will konkrete und effektive Maßnahmen vorschlagen. In weniger als 10 Jahren hat die Europäische Union 3,5 Millionen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren. Das ist eine hochdramatische Entwicklung. Bulgarien zum Beispiel hat die Hälfte aller seiner Landwirte verloren. 2009 sind die Einkommen regelrecht abgestürzt. In Frankreich und Deutschland haben Landwirte durchschnittlich 20 % ihrer Einnahmen eingebüßt, in Ungarn waren es über 35 %. Landwirtschaft und ländliche Gemeinden drohen ganz zu verschwinden.
Unter dem Druck der verzweifelten Landwirte und der Demonstrationen von Milchviehzüchtern veröffentlichte die Europäische Kommission im Dezember 2009 eine Mitteilung mit dem Titel „Die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette in Europa verbessern“. Diese belegt, dass der Anteil des Mehrwerts der Lebensmittelversorgungskette, der an die landwirtschaftlichen Erzeuger ging, zwischen 1995 und 2005 von 31 % auf 24 % gesunken ist. Die an die Landwirte gezahlten Preise fallen in praktisch allen Sektoren, ohne dass die europäischen Verbraucher davon profitieren würden.
Die Kommission sagt, dass diese Probleme mit der zunehmenden Konzentration der Großhandels-, Verarbeitungs- und Einzelhandelsbetriebe zusammenhängen, die den nicht organisierten Erzeugern ihren Willen aufzwingen.
Die Kommission zeigt sich besorgt über die mangelnde Transparenz in Bezug auf Preisgestaltung und Gewinnspannen. Sie erkennt, dass es schwierig ist, genaue und zuverlässige Daten zu bekommen, und räumt ein, dass sie nicht über die Informationen verfügt, die erforderlich wären, um ihre Strategien schnell und effektiv anzupassen.
Um hier Abhilfe zu schaffen, schlage ich der Kommission vor, nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten eine europäische Beobachtungsstelle für Preise und Gewinnspannen im Agrarsektor einzurichten. Diese Stelle wäre dann verantwortlich für die Festlegung der Produktionskosten der europäischen Landwirte. Dann wüssten wir, was ein Liter Milch, ein Kilo Weizen oder ein Kilo Rindfleisch beim Verlassen des Hofes tatsächlich kostet. Diese Angaben könnten als Verhandlungsgrundlage zwischen Landwirten und den anderen Wirtschaftsakteuren in der Lebensmittelversorgungskette dienen. Die Beobachtungsstelle wäre darüber hinaus dafür verantwortlich, zu beurteilen, welche Sektoren den gesamten Mehrwert zu Ungunsten von Erzeugern und Verbrauchern beanspruchen.
Die Europäische Kommission wäre somit in der Lage, jene Akteure zu ermitteln, die das Kräftegleichgewicht missbrauchen und ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen. Es scheint auch geboten, von den 20 größten europäischen Gesellschaften einen jährlichen Bericht über ihren Marktanteil und die von ihnen erzeugten internen Gewinnspannen zu verlangen.
Transparenz stellt keine Bedrohung für die Marktwirtschaft dar. Im Gegenteil, sie ist eine absolute Notwendigkeit, wenn wir die Missbräuche verhindern wollen, die in der Landwirtschaft und in vielen anderen Sektoren aufgetreten sind, vor allem auch im Finanzsektor.
Wer würde behaupten, dass Landwirte, die ihre Milch oder ihr Fleisch verkaufen, multinationalen Konzernen gleichgestellt sind, die Einfluss nehmen auf die Preisbildung für landwirtschaftliche Grunderzeugnisse auf den Weltmärkten? Das Kräftegleichgewicht ist absolut unausgewogen; manch einer würde sagen, ungerecht.
Um dieses Gleichgewicht wiederherzustellen, wäre es eine erste Notmaßnahme, Landwirten den Zusammenschluss in Erzeugerorganisationen zu gestatten. Eine zweite, zusätzliche Maßnahme wäre ein Verbot, Waren gemeinschaftsweit unterhalb des Einkaufspreises zu vermarkten.
Erzwungene Rabatte, nachträgliche Abänderungen von Vertragsbedingungen und ungerechtfertigte Einlistungsgebühren sind leider die übliche Praxis. Landwirte und Tausende kleiner und mittlerer Verarbeitungsbetriebe werden davon hart getroffen, denn sie müssen den Großhandel passieren, um ihre Erzeugnisse zu verkaufen. Die Europäische Kommission muss das Ausmaß dieser wettbewerbsfeindlichen Praktiken genau analysieren und die nötigen Maßnahmen ergreifen, um ihnen Einhalt zu gebieten.
In jedem Fall ist die Spekulation mit landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen ein schlimmes Übel. Finanziers und Spekulanten sind nur am schnellen Geld interessiert. Für sie sind Armut, Hunger und Not Synonyme für Profit. Wir hätten nicht gedacht, dass wir die Aufstände von 2008 noch einmal erleben würden, aber da haben wir uns gründlich geirrt. Seit Juni ist der Weizenpreis um mehr als 70 % gestiegen. Die Preise für Mais, Soja und Reis sind ebenfalls im Steigen begriffen. In der letzten Woche wurden sieben Menschen in Maputo in Mosambik getötet, als sie gegen eine 30 %ige Erhöhung der Lebensmittelpreise demonstrierten.
Sollen wir etwa weiter zusehen und nichts tun, genau wie vor zwei Jahren? Werden wir es weiter hinnehmen, dass Investmentbanken europäische Landwirte in den Bankrott treiben und Menschen vernichten?
Ich appelliere an die Europäische Union, die Initiative zur Schaffung einer weltweiten Regulierungsstelle für die Märkte zu ergreifen.
Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie auf, sich stark zu machen für eine gerechtere GAP zugunsten der europäischen Landwirte und Verbraucher und für einen fairen Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsakteuren, der die Schaffung eines Rahmens für die Regulierung der Märkte ermöglicht und Spekulanten Einhalt gebietet. Es ist die Pflicht des Europäischen Parlaments, das ja in Kürze seine Mitentscheidungsbefugnis in Agrarfragen wahrnehmen wird, jedem Druck standzuhalten, woher er auch kommt. Unsere Botschaft muss stets klar und konsequent sein.
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gestiegenen Lebensmittelpreise, die Funktionsweise der Agrar- und Ernährungswirtschaft, Preistransparenz, Verhandlungsmacht und die Rückwirkungen auf die Einnahmen der Landwirte standen in den letzten Monaten ganz oben auf der politischen Agenda.
Der Bericht, der uns heute von Herrn Bové vorgestellt wurde – ich möchte ihm im Übrigen persönlich danken, ebenso allen Mitgliedern des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und der anderen Ausschüsse, die an diesem Berichtsentwurf mitgewirkt haben –, umreißt daher die wichtigsten Herausforderungen, denen wir uns heute stellen müssen. Darüber hinaus sind dies, wie Herr Bové schon sagte, nicht nur hochaktuelle Themen, sondern sie gehören auch zu den kurz- und mittelfristig anstehenden Entscheidungen, insbesondere vor dem Hintergrund der angestrebten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik.
Die meisten in diesem Bericht geäußerten Bedenken teile ich. Ich bin überzeugt, dass die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette verbessert werden muss. Alle betroffenen Wirtschaftsakteure können dabei nur gewinnen: die Verbraucher, der Einzelhandel, der verarbeitende Sektor und, wie Herr Bové bereits sagte, die Landwirte, die es wahrscheinlich am schwersten haben, einen gerechten Anteil an den Einnahmen zu erzielen, die innerhalb der Kette aufgeteilt werden.
Die Kommission hat vor Kurzem diesbezüglich zahlreiche Initiativen gestartet. Ich würde gern eine oder zwei davon nennen. Erstens hat die Hochrangige Gruppe für die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie mehrere strategische Empfehlungen gegeben. Herr Bové greift in seinem Bericht einige der Analysen auf und arbeitet einige der Vorschläge weiter aus. Diese Vorschläge sollen ergänzt werden durch ein Hochrangiges Forum, das kürzlich von Kommissar Tajani ins Leben gerufen wurde, und das sich insbesondere mit Themen wie Vertragsbeziehungen, Logistik und Wettbewerbsfähigkeit beschäftigen wird.
Was die Preistransparenz angeht, wird diese ganz zu Recht als Voraussetzung für ein reibungsloses Funktionieren der Kette betrachtet. In diesem Bereich gibt es noch Handlungsbedarf. Wie Sie wissen, wurde im Rahmen von Eurostat ein Instrument zur Überwachung der Lebensmittelpreise eingeführt, das aber noch nachgebessert werden muss. Es wird auch noch nachgebessert werden, damit die erfassten Daten für Akteure in der Lebensmittelversorgungskette, für Landwirte und Verbraucher und alle anderen Betroffenen wirklich von Nutzen sein können.
Die Kommission hat kürzlich einen Bericht zur Überwachung des Handels- und Vertriebsmarktes veröffentlicht, in dem bestätigt wird, dass eine „strukturelle Ineffizienz“ in der Lebensmittelversorgungskette zur „asymmetrischen Transmission und Starrheit der Preise sowie zu unfairen Vertragsbedingungen für die Primärerzeuger“ beitragen könnte. Ich möchte daran erinnern, dass Interessierte bis zum 10. September dieses Jahres gerne Kommentare zu diesem Bericht einreichen dürfen. Dieser Bericht fällt in den Kompetenzbereich der Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission und wird uns zweifellos einige neue Elemente an die Hand geben, um Maßnahmen zu entwerfen, mit denen diese asymmetrische Transmission der Preise, die eine strukturelle Ineffizienz entlang der Kette verursacht, abgestellt werden kann.
Die Kommission bereitet darüber hinaus einige Legislativvorschläge vor, um die Rechtsvorschriften bezüglich der Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu verbessern. Wir hatten bereits Gelegenheit, über dieses Thema zu sprechen, auch in diesem Plenarsaal. Bis zum Ende des Jahres wird die Kommission das Gesetzespaket zu dieser Angelegenheit vorlegen, und wir werden u. a. einige Vorschläge machen, um lokale und regionale Initiativen zur Lebensmittelvermarktung zu unterstützen und Erzeugern, vor allem kleinen landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben, die versuchen, in Direktabsatzmärkte oder kurze Lebensmittelversorgungsketten hinein zu gelangen, dabei zu helfen, ihre Produkte auf den Märkten leichter erkennbar zu machen und es damit auch den Verbrauchern zu ermöglichen, beim Einkauf von Lebensmitteln eine bessere Wahl zu treffen.
Im Rahmen der Vorschläge bezüglich der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 will ich auch dafür Sorge tragen, dass die Instrumente zur Förderung von Agrarprodukten verbessert werden. Ich denke, dass dies ein Bereich ist, in dem die Europäische Kommission, gerade unter den neuen Bedingungen, mehr tun kann, um den Erzeugern und der Lebensmittelversorgungskette zu helfen, die Erzeugnisse sowohl auf dem europäischen Markt als auch auf dem Weltmarkt effektiver zu vermarkten.
Ich möchte hier auch erwähnen, dass die hochrangige Expertengruppe „Milch“ ihren Bericht vorgelegt hat. Im Anschluss an diesen Bericht wird die Kommission – ich erinnere daran – bis zum Ende des Jahres einen Legislativvorschlag für den Milchsektor vorlegen, der sich u. a. mit der Verhandlungsposition der Erzeuger und deren Möglichkeiten, sich zu organisieren, um bessere Vertragsbedingungen auszuhandeln, sowie mit den Vertragsbeziehungen innerhalb der Kette auseinandersetzt. In diesem Zusammenhang will ich außerdem der Frage nachgehen, welche Rolle Branchenverbände für das reibungslose Funktionieren der Kette, insbesondere im Milchsektor, spielen.
Was Derivate, landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und das Problem der Spekulation betrifft, legt die Europäische Kommission gerade letzte Hand an einen Legislativvorschlag mit allgemeiner Geltung; bei diesem Thema arbeite ich in Abstimmung und sehr eng mit meinem Kollegen, Kommissar Barnier, zusammen. Weitere Vorschläge werden im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente folgen.
Auch bei der Analyse der Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der gesamten Agrarlebensmittelversorgungskette müssen wir vorankommen. Dieser Punkt verdient besondere Beachtung. Wie ich bereits sagte, hat das Ungleichgewicht zwischen den Verhandlungspositionen der Erzeuger und der übrigen Akteure in der Lebensmittelversorgungskette die Gewinnspannen der Agrarerzeuger stark unter Druck gebracht. Daher glaube ich, dass auch hier im Zusammenhang mit der GAP-Reform noch Handlungsbedarf besteht.
Dazu möchte ich außerdem betonen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Agrar- und Ernährungswirtschaft der EU nicht zu Lasten eines Teils ihrer Beteiligten garantiert werden kann, und meines Erachtens sollten die Akteure in der Lebensmittelversorgungskette sich im Klaren darüber sein, dass zu viel Druck auf die Erzeuger von Agrarrohstoffen, die Landwirte, letztendlich der gesamten Kette, ihrer wirtschaftlichen Stärke und ihrem repräsentativen Charakter innerhalb des europäischen gewerblichen Sektors Schaden zufügen könnte.
Ich danke Ihnen nochmals für den Bericht des Europäischen Parlaments. Er ist ein sehr nützlicher Beitrag zur Erreichung unserer gemeinsamen Zielsetzung, nämlich einer besseren Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette. Ich werde Ihre heutige Aussprache und die Abstimmung über diesen Bericht sehr genau verfolgen.
Esther Herranz García, Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme Kommissar Cioloş zu, dass dieser Bericht von grundlegender Bedeutung ist und genau zur rechten Zeit kommt, weil er die Missbräuche aufgezeigt hat, die durch die Großformen des Handels verursacht werden, die die verschiedenen Akteure in der Lebensmittelversorgungskette massiv stören.
Der Bové-Bericht mag zwar in einigen Punkten zu weit gehen, weil er zu viel Einmischung verlangt, es muss jedoch anerkannt werden, dass er unter dem Aspekt der sozialen Marktwirtschaft, für die wir in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) einstehen, Antworten auf die berechtigten Klagen europäischer Erzeuger bietet.
Er bringt auch Transparenz in die verschiedenen Glieder der Lebensmittelversorgungskette, was immer zu begrüßen ist, er bietet den schwächsten Sektoren in dieser Kette viele zusätzliche Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, und er trägt natürlich dazu bei, dass die europäischen Verbraucher mehr über diese Lebensmittelversorgungskette erfahren.
Zwar hätte der Bericht vielleicht etwas mehr auf die europäische Lebensmittelindustrie eingehen sollen, aber er beinhaltet auch Maßnahmen zur Eindämmung der Preisschwankungen, was dringend nötig war.
Darüber hinaus werden Maßnahmen dargelegt, wie das vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit geforderte Kräftegleichgewicht innerhalb der Kette erreicht werden kann, und es wird verlangt, missbräuchliche und ungerechte Praktiken der Großformen des Handels zu bekämpfen. Es ist Zeit, missbräuchliche Praktiken, die von den europäischen Rechtsvorschriften streng zu untersagen sind, in einer Liste zu erfassen.
Darüber hinaus müssen unbedingt Maßnahmen ausgearbeitet werden, um problematische Praktiken mit Eigenmarken zu verhindern, die dem Wettbewerb und dem geistigen Eigentumsrecht zuwiderlaufen.
Aus den dargelegten Gründen sollten wir den Bové-Bericht unterstützen, ebenso all unsere Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, die hart gearbeitet haben, damit dieser Bericht schließlich veröffentlicht werden konnte, um die Bedingungen der europäischen Erzeuger verbessern zu helfen.
Ashley Fox, Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. – Frau Präsidentin! Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat eine Stellungnahme angenommen, die die Probleme der Lebensmittelversorgungskette als Ganzes analysiert.
Wir empfehlen darin, Landwirte zu motivieren, ihre Effizienz zu steigern und ihre Verhandlungsposition zu stärken, und in allen Mitgliedstaaten Ombudsleute einzusetzen, die Streitigkeiten in der Lebensmittelversorgungskette schlichten und damit einen harten, aber fairen Wettbewerb zwischen allen Akteuren in der Lebensmittelversorgungskette sicherstellen, sodass möglichst niedrige Lebensmittelpreise für die Verbraucher gewährleistet werden, aber gleichzeitig anerkannt wird, dass Eigenmarken von Einzelhändlern ein wertvoller Beitrag zu mehr Wettbewerb sowie zu einer größeren Auswahl und niedrigeren Preisen für die Verbraucher sind.
Es enttäuscht mich, dass Herr Bové und der Landwirtschaftsausschuss diese Empfehlungen kaum berücksichtigt haben. Sie hören das vielleicht nicht gern, aber Märkte funktionieren, und je freier ein Markt ist, desto besser funktioniert er – zugunsten aller Beteiligter, insbesondere der Verbraucher.
Ich rufe deshalb alle Abgeordneten dazu auf, diesen Entschließungsantrag abzulehnen und stattdessen den alternativen Entschließungsantrag der EKR-Fraktion zu unterstützen.
Elisabeth Köstinger, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Anlass für den Initiativbericht war die Mitteilung der Kommission über die erheblichen Probleme innerhalb der Lebensmittelversorgungskette in Europa. Vor allem die landwirtschaftlichen Akteure sind erheblich benachteiligt. Diese alarmierenden Probleme werden durch die dramatischen Schwankungen der Rohstoffpreise im Agrarsektor sichtbar.
Die Wirtschaftskrise hat vor den landwirtschaftlichen Betrieben nicht haltgemacht. Das Betriebseinkommen ist teilweise um bis zu 28 % zurückgegangen. Die Produktionskosten haben den höchsten Stand seit fünfzehn Jahren erreicht. In manchen Ländern haben Landwirte bereits erhebliche Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme. Die Kommission stellte fest, dass einzelne Akteure am Ende der Lebensmittelkette aufgrund der monopolistischen Konzentration ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen. Die Praktiken, die dabei zum Teil angewandt werden – sie umfassen hohe Listungsgebühren für Produkte, undurchsichtige Preisgestaltung und Benachteiligungen bei Preisverhandlungen –, gehen immer zulasten der bäuerlichen Produzenten.
Die größten Gewinnmargen werden offensichtlich in der verarbeitenden Industrie und im Handel erzielt. Der Landwirt ist teilweise mit Preisen konfrontiert, die unter den Produktionskosten liegen. Es darf nicht sein, dass Liquiditätsprobleme auf die bäuerlichen Produzenten abgeschoben werden, weil die nachgelagerten Akteure ihren Zahlungen monatelang nicht nachkommen. Landwirtschaftliche Betriebe sind keine Banken für den Handel.
Ein Kernpunkt des Berichts ist unter anderem die Vorgabe von Zahlungszielen. Der Verhandlungsprozess zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 wurde von Ihnen, Herr Kommissar, eingeleitet. Und innerhalb der Berufsgruppe herrscht Unsicherheit darüber, welche Richtung die Agrarpolitik in Europa einschlagen wird, welche Art der landwirtschaftlichen Produktionen in Zukunft in Europa gefragt sein wird: alleinig eine intensive, produzierende und industrialisierte Landwirtschaft oder eine multifunktionale, nachhaltige und vor allem flächendeckende Landwirtschaft?
In den kommenden Monaten werden die Weichen dafür gestellt. Das Parlament ist aufgefordert, sich für ein Bekenntnis zur Multifunktionalität und letztendlich für die Versorgungssicherheit in Europa einzusetzen. Die Fragen: „Was essen wir morgen?“, „Wo wohnen wir morgen?“ und „Wie heizen wir morgen?“ sind aktueller denn je. Und die Antworten liegen in der Landwirtschaft, weil die Landwirtschaft mehr Funktionen erfüllt als nur die Produktion hochwertiger Qualitätsprodukte. Die Gesellschaft erwartet sich von der Politik richtige Maßnahmen, um die nachhaltige Produktion in Europa abzusichern!
Marc Tarabella, im Namen der S&D-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab möchte ich mich im Namen meines Kollegen, Herrn Alves, entschuldigen, der der Schattenberichterstatter für unsere Fraktion war. Sein Gepäck ist verlorengegangen, sodass er nicht rechtzeitig hier sein konnte. Deshalb hat er mich gebeten, ihn zu vertreten, was ich sehr gerne tun will.
Ich begrüße den hervorragenden Bericht unseres Kollegen, Herrn Bové, in dem wir für gerechtere Einnahmen für Landwirte und eine transparentere und bessere Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette in Europa eintreten. Darüber hinaus bin ich hocherfreut über den Kompromiss, den wir im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung erzielt haben.
Gerade nach der schweren Milchkrise des Jahres 2009, deren Ursachen noch heute präsent sind, bestand in der Tat die Notwendigkeit, die negativen Faktoren auszumachen, die für die lange Talfahrt dieses Sektors verantwortlich waren.
Man hat potenzielle Lösungswege ausgearbeitet, um es unseren Bauern zu ermöglichen, dass sie am Ende nicht nur gerade ihre Produktionskosten decken, was im Übrigen nicht einmal immer der Fall ist, sondern dass sie mit ihrer Arbeit ein gerechtes Einkommen erwirtschaften können.
Obwohl uns klar ist, wie wichtig eine Lebensmittelversorgungskette ist, in der Erzeuger und Verbraucher nicht mehr die ultimativen Verlierer an den beiden Enden der Kette sind, und obwohl wir endlich mit Erfolg einige ausgewogene Lösungswege ausgearbeitet haben, scheint es, als würden die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) gewisse grundlegende Ziffern der Kompromissänderungsanträge, die vor der Sitzungspause ausgehandelt wurden, zurücknehmen wollen.
Leider ist meine Redezeit zu kurz, als dass ich die Ziffern, die bei der Abstimmung im Plenum möglicherweise abgelehnt werden, hier im Einzelnen angeben könnte. Eine jedoch muss ich erwähnen, nämlich Ziffer 21, wo es heißt, dass die Vermarktung unterhalb des Einkaufspreises gemeinschaftsweit verboten werden sollte. Ich erlaube mir zu sagen, dass ich den Standpunkt der ALDE- und der EVP-Fraktion für skandalös halte: Damit wird etwas, was für unsere Landwirte von existenzieller Bedeutung ist, in Frage gestellt. Wie können wir es zulassen, dass unsere landwirtschaftlichen Erzeugnisse zugunsten des Handelssektors und – noch krasser – zugunsten des verarbeitenden Sektors zu Schleuderpreisen verkauft werden?
Wie kann man durch die Ablehnung von Ziffer 41 in Frage stellen, dass eine unabhängige weltweite Regulierungsstelle gegen die Spekulation mit Lebensmittelgütern geschaffen werden muss?
Ich könnte auch Ziffer 52 nennen, die besonders wichtig für mich ist, seit ich sie zusammen mit meinem Kollegen, Herrn Tabajdi, in meiner Fraktion eingebracht habe. In dieser Ziffer wird die Ansicht geäußert, dass Erzeugerorganisationen, landwirtschaftliche Genossenschaften und KMU bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der Lebensmittelversorgungskette bevorzugt werden sollten, und daher wird die Kommission darin aufgefordert, diesbezüglich entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Auch dies war Gegenstand eines Kompromisses, der anscheinend heute sowohl von der PPE- als auch von der ALDE-Fraktion in Frage gestellt werden soll.
In einer Zeit, da Millionen Menschen weltweit an Mangelernährung und Hunger leiden und die finanzielle Situation von Familien durch Spekulation immer schwieriger wird – die Spekulation mit Weizen nach den Waldbränden dieses Sommers in Russland ist momentan ein anschauliches Beispiel dafür –, sollen da die Lobbys der Agrar- und Ernährungswirtschaft die Oberhand gewinnen? Ich frage mich, was für ein schlechtes Stück wir hier eigentlich spielen. Wiegen etwa für die PPE- und die ALDE-Fraktion die Anliegen der verarbeitenden Industrie und des Handels schwerer als der Schutz der Erzeuger, die heute sowieso schon in ihrer Existenz bedroht sind?
In einer Zeit, da die Sicherheit und die Unabhängigkeit der Lebensmittelversorgung gefährdet ist, ist es im Hinblick auf die Bürger und unsere Bauern verantwortungslos, unseren ursprünglichen Entschließungsantrag zu zerpflücken, der dringend notwendig ist für unsere Landwirtschaft, die ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft ist, falls manche das schon vergessen haben sollten.
Marian Harkin, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Bové, für seine Arbeit an diesem Bericht danken. Die Lebensmittelversorgungskette ist ein außergewöhnlich komplexes Gebilde, dessen Funktionsweise von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Ich denke, wir müssen hier größte Sorgfalt walten lassen, damit wir nicht am Ende mit ungeplanten Folgen zu kämpfen haben.
Es gibt ein Problem, ein wirkliches Problem. Wir kennen es aus unseren eigenen Mitgliedstaaten. Vor Kurzem hat eine Umfrage in Irland gezeigt, dass 74 % der Verbraucher glauben, dass Landwirte keine gerechten Preise für ihre Erzeugnisse erzielen. In Irland erhalten Landwirte ungefähr 33 % des Einzelhandelspreises für Milch, 50 % des Einzelhandelspreises für Rindfleisch und 20 % des Einzelhandelspreises für Käse. Wir wissen aber auch, dass das auf EU-Ebene zutrifft, da Untersuchungen der Kommission klar nachgewiesen haben, dass seit 1995 die einzigen Akteure in der Lebensmittelversorgungskette, deren Anteil am Einzelhandelspreis sich verringert hat, die Primärerzeuger sind, also die Bauern.
So kann es nicht weitergehen. Wenn doch, werden wir viele unserer Primärerzeuger verlieren; aber was wird dann aus der Ernährungssicherheit und der Eigenständigkeit der Lebensmittelversorgung in der EU? Wir müssen uns mit diesen Problemen im Rahmen der GAP auseinandersetzen. Die Lebensmittelversorgungskette funktioniert nicht reibungslos und Landwirte erhalten keine gerechten Einnahmen. In einem Punkt kann ich Herrn Fox nicht zustimmen: Meines Erachtens liegt hier ein Fall von Marktversagen vor, sodass ein Einschreiten in gewissem Maße erforderlich ist. Die entscheidende Frage lautet jedoch, wie wir einschreiten sollten.
Meiner Meinung nach muss die Kommission Untersuchungen anstellen und gegebenenfalls Maßnahmen gegen jegliches wettbewerbswidrige Verhalten ergreifen. Ohne Zweifel wirken sich vertragliche Ungleichgewichte in Verbindung mit ungleichen Verhandlungspositionen negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit in der Lebensmittelversorgungskette aus, insbesondere für die kleineren Akteure. Das Missverhältnis bezüglich der Verhandlungsmacht, das zwischen den verschiedenen Vertragsparteien besteht, und auf das die Kommission verwiesen hat, führt unter Umständen dazu, dass größere und mächtigere Akteure versuchen, für sie vorteilhafte Vertragsbedingungen zu diktieren. Mit anderen Worten, die Schwachen werden verdrängt.
Ein sehr interessanter Aspekt, der in dieser Diskussion zwar nicht zur Sprache kam, aber nichtsdestoweniger wichtig ist, ist die Tatsache, dass wir ganz offensichtlich unsere ungerechten Handelspraktiken in Entwicklungsländer exportieren, wo große multinationale Konzerne aus der EU ihre Marktdominanz missbrauchen. Vor diesem Hintergrund brauchen wir meines Erachtens eine globale Lösung. Ich bin für freiwillige Verträge anstelle von erzwungenen und unterstütze die Einsetzung von EU-Ombudsleuten in allen EU-Mitgliedstaaten. Schon aus persönlichen Gründen bin ich gegen eine Vermarktung unterhalb des Selbstkostenpreises.
Abschließend möchte ich betonen, dass mir die Anmerkungen des Kommissars gefallen haben und ich seine Vorschläge sehr lobenswert finde. Diese Angelegenheit ist sehr komplex und erfordert einen mehrdimensionalen Ansatz.
Martin Häusling, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! José Bové hat einen sehr guten Bericht vorgelegt, und wir waren uns im Ausschuss alle sehr einig – bei nur vier Gegenstimmen.
Nun wundert es uns natürlich, dass nun Anträge von der EVP-Fraktion und der ALDE-Fraktion gestellt werden, bestimmte Teile aus dem Bericht wieder herauszustreichen. Es ist schon verwunderlich, wenn man einen bereits erzielten Kompromiss später wieder in Frage stellt. Ich frage mich nach den Gründen, frage mich aber auch, warum man überhaupt lange zusammensitzt und gemeinsam etwas erarbeitet.
Einige Beispiele: In Ziffer 8 wird gefordert, dass eine Beobachtungsstelle für Preis- und Gewinnspannen im Agrarsektor eingerichtet wird. Darüber besteht Einvernehmen, aber dafür müssen natürlich – und das ist der zweite Absatz – auch Preise verglichen werden! Genau das will die EVP-Fraktion nicht mehr. Und da frage ich mich, Frau Köstinger, dann schon, wie Ihren Worten schließlich auch Taten folgen sollen.
Noch besser wird es bei dem Teil, dessen Streichung die ALDE-Fraktion fordert. Es besteht allgemein die Absicht, die Vermarktung unterhalb des Einkaufspreises gemeinschaftlich zu verbieten. Das war einmal Konsens. Ich glaube, wir verlangen von allen, dass wir gegen Dumping-Praktiken sind, das verlangen wir auch von unseren Handelspartnern in der WTO. Warum will die ALDE-Fraktion ausgerechnet diesen Punkt streichen? Dafür haben wir kein Verständnis.
Ein weiterer Punkt ist, dass wir die Kommission auffordern, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, durch die Instrumente zur Einschränkung von Preisschwankungen geschaffen werden, um die große Abhängigkeit der Erzeuger zu verringern. Auch das soll gestrichen werden. Insofern gibt es eine Menge Fragen, warum diese Konsense jetzt wieder aufgekündigt werden und Positionen, die sogar schon im Bericht Leinen auch von ALDE-Fraktion mitgetragen wurden, jetzt wieder in Frage gestellt werden.
Insofern appelliere ich an alle Agrarpolitiker, eine gemeinsame Haltung einzunehmen, denn die Bauern erwarten endlich Antworten von uns, wie wir diesen unhaltbaren Zustand, dass die Bauern die Verlierer in der Lebensmittelkette sind, endlich beenden wollen.
Zurzeit erleben wir wieder eine Welle von Spekulationen im Agrarbereich, die letztendlich weder den Bauern noch den Verbrauchern dienen. Wir müssen endlich etwas tun. Auch die Verbraucher verlangen das von uns, und ich erwarte einfach, dass wir unseren Worten, die wir draußen vor den Bauern äußern, in diesem Parlament auch Taten folgen lassen. Insofern hoffe ich, dass dieser Bericht letztendlich doch so, wie er vorgelegt wurde, angenommen wird.
James Nicholson, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin! Der Bericht von Herrn Bové ist hochaktuell und ich begrüße es, dass wir die Gelegenheit bekommen, diese Fragen zur Funktionsweise der europäischen Lebensmittelversorgungskette im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu untersuchen.
Zweifellos gibt es in der europäischen Lebensmittelversorgungskette gewisse Probleme. Die derzeitigen extrem hohen Preise für landwirtschaftliche Grunderzeugnisse sowie Marktschwankungen haben meines Erachtens die Stabilität der Lebensmittelversorgungskette untergraben. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass Landwirte konfrontiert sind mit stetig fallenden Ab-Hof-Preisen bei ständig steigenden Betriebskosten, während Einzelhändler und Verbraucher nach wie vor in den Genuss hübscher Gewinne beziehungsweise niedriger Preise kommen. Ich stimme mit Herrn Bové darin überein, dass es Probleme gibt, die gelöst werden müssen, damit Fairness und Rentabilität gleichermaßen gewährleistet sind.
In der Auffassung, wie dieses Ungleichgewicht behoben werden soll, kann ich den Vorschlägen in Herrn Bovés Bericht allerdings nicht ganz zustimmen, und habe daher im Namen meiner Fraktion einen alternativen Entschließungsantrag eingereicht.
Ich glaube ganz gewiss nicht, dass es richtig wäre, hier noch mehr EU-Rechtsvorschriften einzuführen, um Landwirten obligatorische Verhaltenskodizes aufzuerlegen. Das bestehende EU-Wettbewerbsrecht ist ausreichend und sollte ordnungsgemäß durchgesetzt werden. Die Lebensmittelversorgungskette muss im Rahmen des freien Marktes funktionieren dürfen und, soweit als möglich, frei sein von unnötigen und belastenden Reglementierungen und von Bürokratie. Größere Preistransparenz in der Lebensmittelversorgungskette ist erforderlich, ebenso muss Schluss sein mit den unlauteren Praktiken von Einzelhändlern, mit Lagerungsgebühren und unannehmbarem Zahlungsverzug gegenüber Erzeugern.
Auf der anderen Seite müssen Landwirte motiviert werden, sich wirksamer selbst zu organisieren, damit sie ihre Verhandlungsposition gegenüber großen Verarbeitungsbetrieben und Einzelhändlern verbessern können. Ich halte es für zielführend, wettbewerbswidrige Praktiken zu bekämpfen und freiwillige Verhaltenskodizes zu fördern.
Im letzten Sommer konnten wir erleben, wie die Getreidepreise explodiert sind, was nur noch größere Probleme für die Lebensmittelversorgungskette aufwerfen wird. Solche Schwankungen zerstören den Markt wirklich.
Jacky Hénin, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mehrheit der Landwirte in der EU lebt von einem Hungerlohn und, was noch schlimmer ist, leidet unter dem Dauerstress, der durch die absurde Spekulation an den Finanzmärkten verursacht wird. Die meisten Landwirte sind überzeugt, dass sie keine Zukunft mehr haben. Ihre soziale Gruppe weist eine der höchsten Selbstmordraten auf.
Wenn Europa weiterhin seine Bauern und landwirtschaftlichen Arbeitnehmer arm macht, dann wird es sie eines Tages nicht mehr geben, und das wird schreckliche Konsequenzen für die Landbewirtschaftung, die Lebensqualität und die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln haben. Dies würde eine Umweltkrise schüren, die noch schlimmere und raschere Auswirkungen hätte als die schmelzenden Polkappen.
Dieser Entwurf ist voller guter Vorsätze, und er beinhaltet einige interessante Vorschläge, auch wenn er auf raffinierte Weise die Ursachen umschifft, denen die aktuelle Katastrophe und die deswegen notwendigen Radikallösungen zu verdanken sind. Es geht nicht allein darum, Bauern und landwirtschaftlichen Arbeitnehmern – die von diesem Entschließungsantrag am meisten von allen übergangen werden – ein gerechtes Einkommen zu sichern. Es geht vielmehr darum, ein Einkommens- und ein Preisniveau zu erzielen, das es allen im Agrarsektor ermöglicht, von ihrer Arbeit zu leben.
Wir müssen den Großhandel und die dahinter stehenden Finanzquellen anprangern und, wenn nötig, bestrafen für den sinnlosen Druck, den sie ausüben, um die Preise zu senken, aber auch für ihre schlechte Zahlungsmoral, ebenso die Fonds, die mit Lebensmittelgütern spekulieren und unsere Bevölkerung dadurch ernsthaft gefährden. Auch die Rolle der Banken bei den Schwierigkeiten, mit denen die Landwirte zu kämpfen haben, muss ans Licht gebracht werden.
Dieser Bericht geht in die richtige Richtung, aber wir müssen noch darüber hinausgehen.
Anna Rosbach, im Namen der EFD-Fraktion. – (DA) Frau Präsidentin! Der Vorschlag von Herrn Bové besagt, dass es eines der Hauptziele der Gemeinsamen Agrarpolitik war und ist, gerechte Einkommen für Landwirte zu garantieren. Da bin ich vollkommen anderer Meinung. Die Agrarpolitik beansprucht 40 % des EU-Haushalts. In meinem Land befürwortet fast jeder eine Abschaffung der Agrarsubventionen, da wir die Landwirtschaft für eine freie und wettbewerbsorientierte Branche halten. Dieser Bericht geht genau in die entgegengesetzte Richtung. Er empfiehlt mehr EU-Gremien, für die der Steuerzahler aufkommen muss, und die einen ganzen Wirtschaftszweig vereinheitlichen und kontrollieren sollen, vom Erzeuger bis zum Verbraucher. Das kann ich einfach nicht unterstützen. Es ist klar, dass auch Spediteure, Zwischenhändler und Einzelhändler Geld mit Waren verdienen, aber der Preis wird letzten Endes von den Verbrauchern gesteuert, mit anderen Worten, von uns allen, die wir einkaufen gehen. Der Vorschlag fordert auch eine Informationskampagne über die Anstrengungen der Landwirte im Bereich des Umweltschutzes. Es ist aber nicht die Aufgabe der EU und sollte es auch nicht sein, eine solche Kampagne durchzuführen. Wenn Landwirte so etwas für nötig halten, sollten sie es über ihre eigenen Organisationen tun. Dafür sind sie doch schließlich da.
Dass wir Reformen in der Agrarpolitik brauchen, ist ebenfalls klar. Aber was Herr Bové da vorschlägt, wurde schon einmal versucht und für unmöglich und unzweckmäßig befunden. Man nannte es zentrale Planwirtschaft. Die Landwirtschaft in den EU-Ländern ist extrem vielfältig, und daher halte ich dieses Thema für eine nationale Angelegenheit, die dicht an den einzelnen Landwirten und deren Problemen verwaltet werden sollte.
Diane Dodds (NI). – Frau Präsidentin! Herr Bové hat mit diesem Bericht eine große Leistung vollbracht. Mir gefällt auch die Debatte, die die Notwendigkeit von Transparenz entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette deutlich macht.
Transparenz ist unverzichtbar, aber die Art und Weise, wie wir mit großen Einzelhandelsorganisationen umgehen, deren einzige Motivation das Wohlergehen ihrer Aktionäre ist, ist ebenso wichtig. Ihr Streben nach größeren Marktanteilen und Profiten hat sich negativ auf Landwirte und in einigen Fällen auch auf verarbeitende Betriebe ausgewirkt.
Zurzeit belohnt der Markt die Landwirte nicht für den Zeit- und Geldaufwand, den sie betreiben, um hochwertige, sichere und nachhaltige Nahrungsmittel zu produzieren.
In Nordirland steht die Rindfleischindustrie unter großem Druck, und viele landwirtschaftliche Betriebe können ihre Kosten nicht decken. Natürlich muss jede Intervention im Zusammenhang mit der GAP betrachtet werden. Ansonsten müsste dieser Wirtschaftszweig ständig ums Überleben kämpfen. Wir in diesem Parlament müssen die Bedeutung dieser Politik erkennen und auch den Nutzen, den er für unsere Landwirtschaft bringt.
Schon seit Jahren wirft der Markt für den Milch- oder Rindfleischsektor nichts ab. Wir hatten viele Aussprachen in diesem Plenarsaal, insbesondere was den Milchsektor betrifft.
Wenn wir wollen, dass unsere Landwirte in einem freien Markt konkurrenzfähig sind, müssen wir die Probleme innerhalb der Lebensmittelversorgungskette angehen, nämlich Einfuhren aus Drittländern und die Verbraucherpreise für Lebensmittel unter Berücksichtigung der fallenden Ab-Hof-Preise.
Mit dem Einfluss der Spekulation und der notwendigen Eindämmung von Marktschwankungen müssen wir uns unverzüglich auseinandersetzen. Einfuhrverbote und Panikmache durch Spekulanten haben weltweit eine gigantische Erhöhung der Getreidepreise ausgelöst. Dies kann einen Dominoeffekt für die Lebensmittelversorgungskette bedeuten.
Europa hat die Pflicht, seinen Bürgerinnen und Bürgern Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Das erreicht man aber nicht, indem man Landwirte in den Bankrott treibt oder mehr Regulierung einführt, sondern indem man faire Preise garantiert, sowohl für die Bauern als auch für die Verbraucher.
Albert Deß (PPE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke allen Beteiligten, die an diesem Bericht mitgewirkt haben. Es ist im Großen und Ganzen ein guter Bericht herausgekommen.
Bei der Diskussion wurde mir klar, dass die Situation in Europa sehr unterschiedlich ist. Es gibt Mitgliedstaaten, wo einige wenige Konzerne marktbeherrschend sind, und es gibt – Gott sei Dank – auch Mitgliedstaaten, wo es noch viele Einzelhändler gibt. Ebenso unterschiedlich ist die Situation, was die Entwicklung der Lebensmittelpreise anbelangt. Es gibt Mitgliedstaaten, in denen in letzter Zeit die Lebensmittelpreise stark gestiegen sind, und es gibt Mitgliedstaaten, wie z. B. meinen Heimatstaat Deutschland, wo ein gnadenloser Wettbewerb zwischen den Unternehmen herrscht und die Lebensmittelpreise laufend zulasten der Landwirte gesenkt werden.
Unser Hauptanliegen ist es, die Kommission und die Mitgliedstaaten zu bitten, die Situation zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Landwirten eine entsprechende Wertschöpfung in der Lebensmittelkette zu ermöglichen. Der Bericht enthält aber auch ganz konkrete Forderungen. Ich kann aus Zeitgründen nur einige herausgreifen, z. B. Ziffer 30 mit der Forderung nach einem Zahlungsziel. Es ist unerträglich, dass Landwirte, kleine Unternehmen und Genossenschaften Zwischenfinanzierungen für Konzerne übernehmen müssen! Dafür sind die Banken zuständig, nicht die bäuerlichen Genossenschaften!
Auf den Prüfstand, Herr Kommissar, müssen auch die so genannten Listungsgebühren. Hier ist europaweit eine einheitliche Regelung erforderlich, um den Wettbewerb sicherzustellen. Um die Ernährungssicherheit für eine halbe Milliarde Menschen in der EU zu gewährleisten, sind faire Wettbewerbsbedingungen auch für unsere Bauern notwendig, so wie es in dem Bericht gefordert wird.
Eines möchte ich noch anmerken: Mitglieder meiner Fraktion haben gefordert, dass in verschiedenen Punkten getrennt abgestimmt wird. Als Demokraten müssen wir das akzeptieren, aber ich gehe davon aus, dass die große Mehrheit meiner Fraktion den meisten Punkten zustimmen wird, damit wir faire Bedingungen für unsere Bauern erreichen.
Stéphane Le Foll (S&D). – (FR) Frau Präsidentin! Auch ich möchte meinen Respekt vor der Leistung des Berichterstatters, Herrn Bové, zum Ausdruck bringen, den Herrn Kommissar willkommen heißen und darüber hinaus den Redebeitrag von Herrn Deß, der soeben über die Zielsetzungen dieses Berichts gesprochen hat, loben.
Ich halte es für außerordentlich wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir in dieser Debatte ein Problem lösen müssen, das mit den Preisschwankungen für Agrarprodukte zusammenhängt, aber vor allem auch mit der Tatsache, dass Preiserhöhungen zwar sehr schnell an den Handel weitergegeben werden, Preissenkungen auf Erzeugerebene sich dagegen aber kaum für den Verbraucher auswirken.
Also gibt es offensichtlich innerhalb der Kette ein Organisationsproblem, nämlich ein Problem, wie die sogenannte Wertschöpfung innerhalb der Kette verteilt wird. Ich finde, der Bericht von Herrn Bové zeigt in einigen Bereichen Ideen auf, die wir weiterverfolgen müssen – und da ist wirklich die Kommission gefragt –, um zu versuchen, aus dieser Negativspirale herauszukommen.
Als erstes geht es natürlich darum, die Versorgungskette und deren Kräftegleichgewicht zu organisieren. Welche Vorschläge gibt es, um sicherzustellen, dass die Erzeuger, wenn sie sich zusammenschließen und sich organisieren, mehr Verhandlungsmacht innerhalb der Kette bekommen? Das ist die Frage, die Sie im Hinblick auf die Branchenverbände gestellt haben, Herr Kommissar, aber diese Frage betrifft auch die angestrebten Vertragsgrundlagen. Ich trete dafür ein, dass diese Vertragsgrundlagen in einen europäisches Rahmen gestellt werden, was im Übrigen auch der Bericht fordert. Wir können die Lösung dieses Problems nicht den einzelnen Ländern überlassen. Wir brauchen einen europäischen Rahmen. Einen flexiblen Rahmen, aber einen Rahmen. Für mich ist dieser Vorschlag bzw. dieser Weg unverzichtbar.
Zweitens haben wir natürlich den Punkt der Preistransparenz. Hier befürworte ich die Schaffung der besagten Beobachtungsstelle, die unbedingt notwendig ist, damit die Verbraucher über Preisentwicklungen informiert werden können.
Das waren meine Bemerkungen. Ich unterstütze die gemachten Vorschläge und hoffe, wie Herr Deß sagte, dass die Vorschläge des Berichterstatters die Unterstützung der Mehrheit finden werden.
VORSITZ: RAINER WIELAND Vizepräsident
Marit Paulsen (ALDE). – (SV) Herr Präsident! Meine erste Antwort an Herrn Bové ist, dass ich in der Lage bin, „Nein“ zu sagen, wenn ein Lobbyist versucht, mich zu beeinflussen, aber ich habe noch keinen gesehen.
Wenn wir möchten, dass unsere ländlichen Gemeinschaften florieren, wenn wir eine angemessene Lebensmittelversorgung in Europa sicherstellen möchten, wenn wir unser kulturelles Erbe erhalten, Tierschutz sicherstellen und unseren Bedarf an Lebensmitteln und an Landwirten decken möchten, müssen Landwirte für ihre Produkte besser bezahlt werden.
Zweifellos besteht das größte Problem mit der aktuellen Situation und unserer zukünftigen Agrarpolitik in der geringen Bezahlung, die Landwirte für ihre Produkte erhalten. Ich denke, dass es unsere soziale Verantwortung ist, mittels unserer Steuern für das zu zahlen, was Landwirte produzieren und was von Nutzen für die Allgemeinheit ist, unter anderem im Interesse unseres kulturellen Erbes. Wir benötigen mehr Offenheit und Transparenz - darüber sind wir uns alle einig - und wir müssen die Wettbewerbssituation in den großen Industrien verbessern. Zunächst einmal die Betriebsmittelindustrie, die vor den Landwirten kommt und das weltweit größte Geschäft ist, wobei die meisten Unternehmungen vollständig globalisiert sind, und die großen Lebensmittelversorgungsketten. Wir müssen uns den Wettbewerb ansehen und für Transparenz sorgen.
Janusz Wojciechowski (ECR). – (PL) Ich gratuliere Ihnen, Herr Bové. Sie haben Ihre Aufgabe sehr gut gemacht. In dem Bericht werden die Ideen, die das Europäische Parlament 2008 in einer schriftlichen Erklärung ausgedrückt hat, die damals angenommen wurde, brillant ausgearbeitet. Ich war stolz darauf, einer der Verfasser zu sein. Zum ersten Mal haben wir uns kompromisslos dagegen ausgesprochen, dass große Wirtschaftsnetzwerke ihre Monopolposition gegenüber Landwirten und Lieferanten missbrauchen. Dieses Dokument entwickelt diese Ideen.
Meine Damen und Herren, heute feiern wir in Polen das Ende der Ernte. Diese Feier wird als dożynki bezeichnet, und wir teilen Brot, das aus frisch geerntetem Getreide gebacken wurde. Dieses geteilte Brot erzeugt immer weniger Einkommen für den Landwirt, weniger als 10 %, vor nicht all zu langer Zeit waren es noch 25 %. So ist es in Polen und überall in Europa.
Landwirte sind das schwächste Glied des Marktes. Abgeordnete, die eine stärkere Marktbeteiligung für erforderlich halten, vergessen anscheinend, dass der Markt keine Sicherheitsprobleme löst, ob es nun um die Sicherheit der Energieversorgung oder, wie in diesem Fall, um die Ernährungssicherheit geht. Ansonsten ist es gut, wenn der Markt frei ist, aber nicht, wenn er wild ist. Dieser Markt, der landwirtschaftliche Erzeugnisse betrifft, ist jedoch sehr oft wild: Mächtige Firmennetzwerke und große Unternehmen diktieren den schwächeren Landwirten Bedingungen, sogar denen, die organisiert, aber immer noch schwächer sind. Das muss sich ändern. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Bericht dieses Mal nicht nur ein Blatt Papier bleiben wird, sondern dass auch Maßnahmen auf EU-Ebene ergriffen werden. Wir haben einen gemeinsamen Markt in der Europäischen Union, und europäisches Recht sollte regulieren, wie er funktioniert.
João Ferreira (GUE/NGL). – (PT) Statt lediglich auf Probleme hinzuweisen, die in diesem Fall nur zu offensichtlich sind, müssen deren Ursachen identifiziert und Lösungen gefunden werden, die effektiv, fair und dauerhaft sind.
Wie der Berichterstatter anerkennt, bleibt die Kommunikation der Kommission zwar weit hinter den Anforderungen in diesem Bereich zurück, die Wahrheit ist jedoch, dass der Bericht selbst auch hinter den Anforderungen zurückbleibt. Es sind konkrete Maßnahmen erforderlich, um eine Manipulation von Lebensmittelpreisen und die Kartellisierung durch Zwischensektoren in der Versorgungskette wie Großhändler, denen die Liberalisierung der Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu Gute gekommen ist, zu beenden.
Die Garantie fairer Mindestpreise muss wieder aufgenommen werden, um sicherzustellen, dass Landwirte ein Einkommen erhalten, das es ihnen ermöglicht, sich in diesem strategisch wichtigen Sektor zu halten, und der Aufgabe der Produktion und der Zunahme der Lebensmittelabhängigkeit in einer Reihe von Ländern und Regionen, wie in Portugal, entgegenzuwirken. Die Festlegung von Marketing-Höchstmargen im Verhältnis zu den an Produzenten gezahlten Preisen muss, nicht zuletzt für Supermärkte, in Erwägung gezogen werden, um die faire Verteilung des Mehrwerts innerhalb der gesamten Lebensmittelversorgungskette sicherzustellen.
Es werden Maßnahmen und Politiken - insbesondere budgetärer Art - benötigt, die den Betrieb und die Modernisierung lokaler und regionaler Märkte beleben und unterstützen. Die Sicherheit der Lebensmittelversorgung, die Erhaltung von Ökosystemen und die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts des Primärsektors machen es auch erforderlich, internationalen Handel auf eine solche Weise zu organisieren, dass Produzenten und ihre Produkte sich ergänzen statt miteinander zu konkurrieren. Es ist erforderlich, ein System zu hinterfragen und damit zu brechen, das Lebensmittel wie jedes andere Gut behandelt und die Spekulation mit Lebensmitteln ermöglicht. Das führt zu explosiven Situationen aufgrund von Lebensmittelabhängigkeit und Preisinstabilität, wie bereits geschehen.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Zwar sind die Lebensmittelpreise bekanntlich in letzter Zeit ständig gestiegen – und uns steht ja beim Weizen aufgrund der Wetterkapriolen und der Agrarspekulationen angeblich eine Preisexplosion bevor –, die Ladenpreise stehen allerdings in keiner Relation zu dem, was die Kleinbauern für ihre harte Arbeit erhalten. Mit den Weltmarktpreisen kann ein EU-Produzent ohnedies kaum konkurrieren, so hoch sind unsere Sozial-, Qualitäts-, Tierschutz- und Umweltstandards – jene Standards, die wir bei Nahrungsmittelimporten nicht kontrollieren können oder wollen.
Damit wir unserem daraus resultierenden rasanten Bauernsterben vor allem in den kleinbäuerlichen Strukturen Einhalt gebieten und die kaum mehr vorhandene Selbstversorgungsfähigkeit nicht gänzlich verlieren, sollten wir selbstverständlich unsere Landwirte fördern. Um das Aussterben der ländlichen Regionen und das Bauernsterben einzubremsen, ist es also höchste Zeit, die Agrarförderungen endlich nicht mehr den Agrarkonzernen zu gewähren, sondern denjenigen, die das Geld wirklich zum Überleben brauchen, also den kleinen Bauern. Wenn das im EU-Zentralismus nicht möglich sein sollte, bleibt meines Erachtens nur die Renationalisierung der Landwirtschaftsförderungen!
Michel Dantin (PPE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Der Bericht, der unserem Kollegen, Herrn Bové, anvertraut wurde, spricht etwas an, das heute ein wesentliches Problem für die Gesellschaft ist, von Verbrauchern bis hin zu Erzeugern.
Die Zahlen der Kommission sprechen Bände, Herr Kommissar: Vor 20 Jahren haben Milchproduzenten 31 % des Umsatzes der Kette erhalten, was damals etwas über 450 Millionen EUR entsprach. Heute erhalten sie nur 24 % des Umsatzes, oder knapp unter 550 Millionen EUR. Es gibt andere Beispiele für Obst, Fleisch usw.
Eine Klarstellung der Preisgestaltung ist somit heutzutage eine Voraussetzung für die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), denn wenn wir sie nicht klarstellen, wird die GAP in Zukunft aus Sicht der Öffentlichkeit und der Landwirte selbst wie ein Fass ohne Boden erscheinen. Die Profite der GAP werden heute abgeschöpft, aber zum Nutzen für wen, oder was? Meine Damen und Herren, es ist unsere Pflicht, zu verstehen, was vor sich geht.
Im Gegensatz zu dem, was ich von gewissen Seiten höre, sind die Erzeuger heute nicht weniger gut organisiert als sie es vor 20 oder 30 Jahren waren. Die anderen Interessengruppen sind jedoch gewachsen, und die Anzahl der Erzeuger ist noch schneller gesunken als die der Landwirte. Die Kette ist auch länger geworden. Diese Situation erfordert, dass wir das Wettbewerbsrecht anpassen und die Werkzeuge für Marktkrisenmanagement ergänzen, die für die neue Architektur der Kette zwischen Erzeugern und Verbrauchern nicht mehr geeignet erscheinen. Schließlich gibt es das spezielle Problem von Qualitätsprodukten, insbesondere in Bezug auf importierte Imitate.
Wir brauchen Klarheit. Herr Kommissar, Ihre Dienste untersuchen die Funktion der französischen Beobachtungsstelle für Preise und Gewinnspannen. Es gibt Verbesserungsbedarf, aber sie liefert bereits umfangreiche Informationen zu Verbraucherpreisen und den Nischen, in denen Gewinnspannen versteckt sind. Ich möchte die Arbeit würdigen, die auch von unserer Schattenberichterstatterin, Frau Köstinger, geleistet wurde.
Heute wurden hier und da Angriffe vorgetragen. Einer der Verdienste unseres Parlaments ist, dass wir unterschiedliche Standpunkte respektieren. Das gilt auch in Bezug auf die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten). Jeder hat das Recht, so zu wählen, wie er möchte. Ich meinerseits werde bei meiner Stimme im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung keine Kompromisse eingehen.
Iratxe García Pérez (S&D). – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Probleme der Lebensmittelkette haben in den letzten Jahren im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden.
Wie wir es im Batzeli-Bericht getan haben, fordern wir die Kommission auf, Mehrwert fair und nachhaltig innerhalb der Lebensmittelkette zu verteilen. Das kann durch ein proportionales Kräftegleichgewicht zwischen den betroffenen Partien erreicht werden, welches es nicht gibt oder welches schlicht versagt, was zu Lasten des Einkommens der primären Produzenten geht. Die Situation ist von Sektor zu Sektor unterschiedlich: In einigen Fällen geht es um Verarbeitung, in anderen um Massenvertrieb, aber in allen Fällen sind es die Produzenten, die aufgrund ihrer mangelnden Verhandlungsmacht am stärksten leiden.
Der Bové-Bericht identifiziert die Aspekte, an denen wir weiter arbeiten müssen, da dies ein Problem ist, das gemeinsame Aktion an verschiedenen Fronten erfordert, einschließlich des Wettbewerbsrechts. Genossenschaften und Verbände landwirtschaftlicher Produzenten müssen ausgeweitet und konsolidiert werden, und die verschiedenen Glieder der Lebensmittelkette müssen durch spartenübergreifende Organisationen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene stärker integriert werden.
Ich möchte meine Unterstützung für den Bericht und die Kompromisse zum Ausdruck bringen, die in der Abstimmung im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung erreicht wurden, die in dieser Plenarsitzung respektiert werden muss.
Britta Reimers (ALDE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Kollegen! Die Gewinnverteilung in der Lebensmittelkette ist aus dem Gleichgewicht geraten, meist zulasten der Landwirte. Dies ist die richtige Schlussfolgerung des vorliegenden Berichts.
Leider orientiert sich der Berichterstatter an den alten Instrumenten der Agrarpolitik. Er glaubt, mit planwirtschaftlicher Regulierung des Angebots das Einkommen für Landwirte verbessern zu können. Planwirtschaft geht erfahrungsgemäß mit mehr Schreibwirtschaft einher, doch die Landwirte wollen produzieren und nicht noch mehr schreiben. Maßnahmen, die sich nicht an den Grundprinzipien der sozialen Marktschaft orientieren, haben in der Vergangenheit versagt. Planwirtschaft hat in der Agrarwirtschaft schon in den letzten Jahrzehnten nicht funktioniert.
Die soziale Marktwirtschaft hingegen bietet den Landwirten die Chance, als Unternehmer erfolgreich zu sein. Um die Situation der Landwirte zu verbessern, muss die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft langfristig gesichert werden. Dafür ist eine Verbesserung der Verhandlungsposition der Landwirte gegenüber den anderen Akteuren der Lebensmittelkette unausweichlich. Dies könnte unter anderem durch eine faire Markttransparenz, die auch auf dem globalen Markt tragfähig ist, erreicht werden. Ich hege derzeit noch Zweifel, ob ich dem Bericht zustimmen kann.
Richard Ashworth (ECR). – Herr Präsident! Wir haben eine nicht funktionierende Marktpreiskette. Das Ungleichgewicht der Kräfte zwischen den Akteuren in der Kette hat zu oft dazu geführt, dass die Lieferseite keinen fairen Gegenwert für ihr Produkt erhält, und somit kann ich, obwohl ich mit den groben Zielen dieses Berichts einverstanden bin und sie unterstütze, die Vorschläge und Lösungen, die der Berichterstatter vorschlägt, nicht unterstützen.
Mehr Richtlinien, bindende Befugnisse und Markteingriffe sind nicht die Lösung und spiegeln nicht die Interessen aller Interessengruppen und insbesondere nicht die von 500 Millionen Verbrauchern wider.
Ich begrüße eine größere Transparenz in der Industrie und glaube, dass diese benötigt wird, und dass zu diesem Zweck ein Verhaltenskodex und die Ernennung von Ombudsmännern hilfreich wären, aber ich fordere den Kommissar hier auf, dieses Problem mit minimaler Regulierung anzugehen.
Unterstützen Sie unbedingt freiwillige Initiativen; ermutigen Sie unbedingt eine Selbstorganisation der Versorgungsseite in Genossenschaften, um eine bessere Präsenz auf dem Markt zu erzielen; und helfen Sie ihnen unbedingt, ihre Produkte zu bewerben und zu vermarkten und ermutigen Sie insgesamt alle Akteure auf dem Markt, durchdachte vertragliche Vereinbarungen zu treffen. All diese Maßnahmen begrüße ich, und ich behaupte, dass es realistische Vorschläge sind, die die Kommission vorlegen kann.
Letztendlich ist meine Botschaft jedoch, dass Sie auf eigene Gefahr in die Arbeitsweise des freien Marktes eingreifen.
Elie Hoarau (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident! Der Bericht von Herrn Bové erläutert in groben Zügen die Hindernisse, mit denen Landwirte in ihrer primären Rolle konfrontiert sind; diese Rolle besteht darin, die Welt zu ernähren und gleichzeitig ein faires und angemessenes Einkommen für sich selbst und für ihre Frauen und Kinder zu verdienen, nicht nur während ihres Arbeitslebens, sondern auch im Ruhestand.
Die weltweite Lebensmittelkrise zeigt, dass der landwirtschaftliche und der agroindustrielle Sektor schlecht funktionieren. Die Fakten sind klar: Aufgrund von Spekulation verdienen Produzenten immer weniger Geld, und Verbraucher zahlen immer mehr für ihre Produkte.
Darüber hinaus unterliegen unsere Landwirte strengen Standards, während Freihandelsabkommen es ermöglichen, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse nach Europa gelangen, die definitiv keine vergleichbaren Standards erfüllen.
Wenn die aktuellen von der WTO festgelegten Marktregeln es Landwirten somit nicht erlauben, sich einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen, oder den Völkern der Welt, gesund zu essen, müssen diese Regeln reformiert werden, denn sie entsprechen nicht mehr.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Maria do Céu Patrão Neves (PPE). – (PT) Dieser Bericht betont eine Angelegenheit, die im Bereich der Landwirtschaft von enormer Bedeutung ist, die einen auf europäischer Ebene koordinierten Eingriff erfordert, da von 1996 bis heute der durchschnittliche Preis von Lebensmittelprodukten jährlich um 3,3 % gestiegen ist, während die Kosten für landwirtschaftliche Erzeugnisse um 3,6 % gestiegen sind und die an Landwirte gezahlten Preise nur um 2,1 % gestiegen sind. Wir sehen uns daher mit schwerwiegenden Ungleichgewichten bei der Verhandlungsmacht in der Lebensmittelvertriebskette konfrontiert, eine Situation, die dringend korrigiert werden muss.
In Übereinstimmung mit den durch die gemeinsame Agrarpolitik festgelegten Zielen halten Landwirte und die Agrar- und Ernährungswirtschaft sehr anspruchsvolle Qualitätsstandards ein und halten die Preise bei der Produktion von Lebensmitteln für Verbraucher erschwinglich. Trotzdem zwingt eine sehr kleine Anzahl mächtiger Großhändler 13,4 Millionen Farmern und 310 000 Agrarindustrieunternehmen in der ganzen europäischen Union ihre Preise auf, fast ohne Verhandlung.
In diesem Zusammenhang befürworte ich es, die Europäische Kommission aufzufordern, Gesetzgebungsvorschläge zur Lösung des Problems vorzulegen, darunter Änderungen an den europäischen Wettbewerbsrichtlinien, die weiter gehen als die reinen Empfehlungen und Strategien, die von der Hochrangigen Gruppe für die Lebensmittelversorgungskette erstellt wurden; eine riesige Informationskampagne für Landwirte in ganz Europa zu ihren Rechten zu organisieren; Missbrauchspraktiken, die sich insbesondere im Sektor schnell verderblicher Produkte wie Obst und Gemüse bemerkbar machen, zu verbieten; und Unterstützung für Landwirtschaftsverbände zu verbessern, so dass diese eine größere kritische Masse erreichen und besser verhandeln können.
Es wäre hilfreich, Landwirtschaftsverbände und -genossenschaften mit Klein- und Mittelbetrieben zusammenzufassen, so dass sie von speziellen Ausnahmegenehmigungen profitieren können.
Wir sehen ein, dass das Gleichgewicht zwischen vollständigem Respekt für die Regeln des freien Wettbewerbs in einer Marktwirtschaft, wie wir es befürworten, und dem dringend benötigten Eingreifen, das von der Europäischen Kommission verlangt wird, nicht immer einfach war, aber wir glauben, dass es im Allgemeinen erreicht wurde; daher billigen und begrüßen wir diesen Bericht.
Csaba Sándor Tabajdi (S&D). – (HU) Wir stehen vor einem europäischen Problem, dass seit mehreren Jahrzehnten ungelöst ist. Mein Vater war Obst- und Gemüsehändler, und ich kann mich daran erinnern, wie er vor 40 Jahren, als ich ein Kind war, die Diskrepanzen zwischen den Preisen, die den Landwirten gezahlt wurden, und den Preisen, die von Verbrauchern in Budapest verlangt wurden, sah. Daher gab es das Problem schon damals, sogar im Rahmen einer zentralisierten Wirtschaftsplanung. Ich stimme fast allen Empfehlungen des Berichterstatters zu, einschließlich der Ausweitung des Preisüberwachungssystems der Mitgliedstaaten und der EU und der Institution eines Ombudsmanns. Ich denke, dass die französische Praxis bindender Verträge ein gutes Beispiel ist. Ich hoffe, dass Herr Cioloş, was die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik betrifft, sowohl dies als auch die Bereitstellung von mehr Unterstützung für Produzentenorganisationen unterstützen wird. Landwirte haben ihre eigenen Aufgaben und Verpflichtungen, und es muss akzeptiert werden, dass sie keine Überlebenschance haben, wenn sie sich nicht organisieren. Dies ist in den neuen Mitgliedstaaten besonders wichtig, denn Organisationen sind keine Erfindung des Teufels.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Esther de Lange (PPE). – (NL) Herr Präsident! Was wir hier über das Funktionieren der Lebensmittelversorgungskette gehört haben, ist zum Heulen. Lassen Sie mich daher nur ein Beispiel nennen, nämlich Zwiebeln: Ich denke, dass sich der Kern dieser Debatte damit gut zusammenfassen lässt. Auf dem derzeitigen Markt erhält ein Landwirt 10 Eurocent für ein Kilonetz, während das gleiche Netz in den Läden für 1 EUR verkauft wird. Zwischen dem Landwirtschaftsbetrieb und der Supermarktkasse sind die Gewinnmargen und die Macht ungleich verteilt. Darum hat dieses Haus schon 2008 eine Untersuchung der Verteilung der Gewinnspannen gefordert. Es ist, nebenbei bemerkt, eine Schande, dass die vorige Kommission sich geweigert hat, eine solche Untersuchung durchzuführen. Es sieht jetzt jedoch so aus, als ob wir stattdessen eine Beobachtungsstelle für Preise haben werden, und dieses Haus sollte dafür sorgen, dass das wirklich geschieht und diese Stelle den Betrieb aufnimmt.
Der Bericht meines Kollegen, Herrn Bové, ist ein guter Bericht, da er wirklich den Nagel auf den Kopf trifft. Der Berichterstatter war vielleicht in einigen Punkten etwas zu enthusiastisch, aber die grundlegenden Punkte dieses Berichts verdienen morgen breite Unterstützung. Ich richte dies insbesondere an die Parteien, die drohen, morgen dagegen zu stimmen. Wissen sie beispielsweise, und hier denke ich besonders an die Liberalen und die Konservativen, wie viel es einen Landwirt kostet, ein Kilo dieser Äpfel herzustellen? Es kostet 30 bis 35 Eurocent, während der gleiche Landwirt für das gleiche Kilo Äpfel 20 bis 25 Eurocent erhält. Das bedeutet, dass er die Äpfel mit Verlust verkauft, während der Verbraucher 1,25 EUR zahlt. Noch einmal, ich wende mich mit diesen Punkten an die Menschen, die gegen den Bericht stimmen möchten. Die Sektion der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa beispielsweise, die immer an erster Stelle steht, wenn es darum geht, noch mehr Anforderungen in Bezug auf Umweltschutz und Biodiversität aufzuerlegen und weniger Pestizide zu fordern. Während diese Anforderungen gerechtfertigt sein mögen, können Sie nicht erwarten, dass der Produzent diese Investitionen tätigt, ohne ein stabiles und angemessenes Einkommen für den Landwirt sicherzustellen. Diejenigen, die morgen gegen diesen Bericht stimmen möchten, werden jegliche Glaubwürdigkeit zerstören, die sie andernfalls das nächste Mal gehabt haben könnten, wenn sie diese Anforderungen in die Höhe treiben möchten. Ich hoffe, sie denken morgen daran, wenn sie dagegen stimmen.
Luís Paulo Alves (S&D). – (PT) Dieser Eigeninitiativbericht, den wir heute diskutieren – für den Herr Bové, dem ich für die Art und Weise, wie er ihn angegangen ist, und das gute Endergebnis gratuliere, verantwortlich ist, und für den ich die Ehre hatte, als Schattenberichterstatter zu fungieren und die 17 erreichten Verpflichtungen zu verhandeln - ist absolut notwendig zu einer Zeit, in der die Agrarpolitik zunehmend marktorientiert ist, europäische Landwirte mit einem extrem geringen Einkommensniveau konfrontiert sind und Millionen von Verbrauchern sich infolge der Krise, die uns alle trifft, dringend gezwungen sehen, Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen zu erhalten.
Die Einkommen von Landwirten werden zunehmend von den auf den Märkten erzeugten Werten abhängen und der Preis für Lebensmittel davon, wie gut diese Märkte funktionieren; das bedeutet, dass eine Verbesserung der Lebensmittelversorgungskette eine absolute Notwendigkeit für eine gerechtere Verteilung des von landwirtschaftlichen Erzeugern bis hin zu Endverbrauchern erzeugten Mehrwerts ist, um faire Einkommen für die Ersteren und angemessene Preise für die Letzteren sicherzustellen.
Damit dies geschieht, müssen die innerhalb der Lebensmittelversorgungskette etablierten Beziehungen wieder ins Gleichgewicht gebracht und transparent gemacht und die Existenz eines Rahmens fairer und wettbewerbsfähiger empfehlenswerter Verfahren sichergestellt werden.
Wir fordern die Kommission daher auf, die Vorschläge zu beachten, die im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung breite Unterstützung genießen.
Astrid Lulling (PPE). - Herr Präsident! Herr Langen hat mir noch eine Minute gegeben, denn er wird selbst nicht anwesend sein. Ich möchte mich zunächst einmal beim Berichterstatter und auch bei den Kollegen dafür entschuldigen, dass ich in der Debatte bisher nicht dabei war, aber das Präsidium des Parlaments tagt gleichzeitig, wie Sie wissen, und berät jetzt gerade darüber, was wir mit dem unausgegorenen Vorschlag der Konferenz der Präsidenten betreffend die morgige Präsenz der Abgeordneten während der Rede des Kommissionspräsidenten Barroso zur Lage der Union machen sollen. Ich hoffe, dass wir diesen unausgegorenen Vorschlag loswerden.
Zum Bericht von Herrn Bové möchte ich sagen, dass die Europäische Kommission gut daran getan hat, in ihrer Mitteilung, die diesem Bericht zugrunde liegt, eine Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette in Europa anzumahnen. Deren Ziel muss natürlich sein, dem Agrarsektor einen gerechteren Anteil an der Wertschöpfung in dieser Kette zu sichern. Dies ist zurzeit leider in manchen Bereichen nicht der Fall.
Ich bin auch einverstanden mit der Auflistung der gravierenden Ursachen dieser Situation, wie Missbrauch der Macht, Zahlungsverzögerungen, beschränkter Marktzugang und viele andere mehr. Wenn die Diagnose stimmt, muss das aber auch der Fall sein für die Therapie. Leider haben wir es bei der Abstimmung im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung nicht fertiggebracht, alle diesbezüglichen Ungereimtheiten aus dem Bericht Bové zu streichen.
Noch leben wir in der Europäischen Union und nicht in einer Sowjetunion, und eine solche wollen wir diesbezüglich auch nicht schaffen. Das System der Sowjetunion war ja bekanntlich weder imstande, die Bevölkerung anständig zu ernähren, noch gab es freischaffende Landwirte. Ich lehne also alle Rezepte von Herrn Bové ab, die mit unserem zwar nicht perfekten, aber besseren System der sozialen Marktwirtschaft unvereinbar sind. Wir haben es Gott sei Dank in Europa nicht mit dem Gespenst der imperialistischen Konspiration zu tun.
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Der Präsident. − Frau Kollegin Lulling! Der Kollege Langen ist in seiner Großzügigkeit nicht zu überschätzen, aber in dem Fall überschätzen Sie sie, denn der Kollege Langen konnte Ihnen keine Minute geben, weil er keine Minute hatte.
Spyros Danellis (S&D) . – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn Landwirte gerechte Einkommen erzielen sollen, müssen unter den derzeitigen Gegebenheiten drei Bedingungen erfüllt sein: erstens müssen sie stabil genug sein, um Produzenten zu ermöglichen, langfristige Pläne zu machen und Investitionen zu tätigen; zweitens müssen sie den Wert und die Produktionskosten widerspiegeln, wie vom freien Markt für landwirtschaftliches Erzeugnisse und Zuströme diktiert, wo es keine exogenen verzerrenden Faktoren gibt, die Instabilität und verzerrte Preisverhältnisse erzeugen, und drittens müssen sie den wahren Beitrag des Werts landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu den von Verbrauchern gezahlten Preisen widerspiegeln.
Wenn diese drei Bedingungen erfüllt werden sollen, benötigen wir eine andere Wahrnehmung der Landwirtschaft und der gemeinsamen Agrarpolitik, und wir müssen drastische Maßnahmen von Seiten der Europäischen Union planen, um die GAP zu ergänzen. Dies ist das Ziel des Bové-Berichts, der eine integrierte Herangehensweise an das Problem zeigt, mit Vorschlägen zu Transparenz, Wettbewerb und Maßnahmen zur Bekämpfung von Machtmissbrauch beim Abschluss von Verträgen, zur Elimination von Spekulation und zur Etablierung von Bedingungen, die eine existenzfähige Produktion unter den derzeitigen Gegebenheiten sichern.
Christa Klaß (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Wenige, das wir uns zum Essen gönnen, muss gut und gesund sein. Mit vielen Gesetzen stellen wir sicher, dass die Landwirtschaft unseren hohen Ansprüchen auch gerecht wird. Die Bauern Europas produzieren und liefern Lebensmittel in hervorragender Qualität. Qualität hat aber auch ihren Preis. Gerechtes Einkommen für die Bauern stand schon in den Gründungsverträgen der Europäischen Union und ist auch heute eines der Hauptziele der GAP. Die Bauern müssen aber zu billigsten Preisen – oft unter den Produktionskosten – verkaufen. Das ist schlichtweg unanständig! Das wollen wir ändern.
Mit dem Bericht Bové laufen wir allerdings Gefahr, die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft stark zu beschädigen. Regulierte Märkte haben keine Zukunft. Das hat uns die Vergangenheit gezeigt. Wie sollen denn Musterverträge aussehen? Es kann nicht gut gehen, wenn Händler regelmäßig über ihre Marktanteile und über ihre Umsätze Bericht erstatten müssen. Damit schaffen wir nur Bürokratie, aber geändert haben wir damit noch gar nichts! Es ist notwendig, die bestehenden Regelungen besser und stärker zu kontrollieren, um einem Missbrauch der Marktposition entgegentreten zu können. Wir brauchen den Handel als Partner, deshalb dürfen wir ihm keine Fesseln anlegen, die ihm dann das Handeln erschweren.
Der Bericht Bové ist eine gut gemeinte Initiative, muss aber in wesentlichen Teilen abgespeckt und praktikabel gemacht werden. Dann kommen wir unserem gemeinsamen Ziel nämlich näher: gesunde Lebensmittel, immer verfügbar, dass alle satt werden, und zu vernünftigen Preisen, dass alle leben können. Das heißt auch, dass Bauern und Erzeugerorganisationen und die Branchenverbände gestärkt werden. Mit gut sortierten gebündelten Angeboten hat die Landwirtschaft eine bessere Verhandlungsposition auf den Märkten. Auch die Bauern müssen erkennen, dass sie durch Zusammenschlüsse mehr erreichen. Hier müssen Handel und Erzeugergemeinschaften aufeinander zugehen. Dann wird daraus für beide ein Gewinn!
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D). – (RO) Ein besonderes Problem, mit dem Landwirte zu kämpfen haben, betrifft die unfaire Verteilung von Gewinnen in der Lebensmittelkette, die beeinflusst, ob Landwirte angemessene Einkommen erhalten.
Es gibt eine große Anzahl von Semisubsistenzbetrieben, die hauptsächlich für den eigenen Verbrauch sowie in sehr geringen Mengen für den Markt produzieren. Mangelnde Effizienz, der große Anteil des persönlichen Verbrauchs an den Erzeugnissen dieser Betriebe und der selbstständige Status der Arbeiter im Agrarsektor sind die Hauptkennzeichen dieser Art von Landwirtschaft. Unter diesen Umständen gibt es Landwirtschaftsbetriebe, die von der durch die gemeinsame Agrarpolitik geleisteten Unterstützung nicht effektiv profitieren können.
Wenn man bedenkt, dass die Landwirtschaft einer der Sektoren ist, die durch die Wirtschaftskrise am stärksten getroffen wurden, muss die Europäische Kommission Maßnahmen vorsehen und garantieren, die das Ziel haben, Landwirte zu ermutigen, eine nachhaltige und ethische Produktion zu erreichen, sowie für die getätigten Investitionen zu kompensieren. Das würde ein Gleichgewicht schaffen und so dazu beitragen, die Funktion der europäischen Lebensmittelversorgungskette zu verbessern.
Giovanni La Via (PPE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Der vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung am 28. Juni angenommene Bericht zu fairen Einkommen für Landwirte ist ein wichtiger Schritt für die Förderung einer besser funktionierenden Lebensmittelversorgungskette in Europa.
Dieser Bericht ist angesichts der schweren Krise, die verschiedene Teile des Landwirtschaftssektors seit einiger Zeit beeinflusst, und aufgrund derer jetzt Tausende von Unternehmen in Schwierigkeiten stecken, somit ein wichtiger Schritt.
Schnelle Aktionen sind daher gefragt, und der Bericht schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, die angenommen werden können, um Preistransparenz und fairen Wettbewerb auf den Märkten sicherzustellen, sowie starke Eingriffe, um den Missbrauch von Kaufkraft, Vertragsgestaltung und weltweiter Spekulation mit Rohstoffen zu eliminieren.
Ich glaube, dass der Sektor neu organisiert werden muss, wobei der Schwerpunkt auf den Landwirten liegen sollte, denen eine angemessene Rolle bei der Innovation neuer Arten von Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse zugestanden werden sollte. Darüber hinaus muss die Lebensmittelversorgungskette rationalisiert werden, um die Umweltauswirkungen des Lebensmitteltransports zu reduzieren, und das Bewusstsein für und die Vermarktung von Produkten mit starkem lokalem Charakter zu fördern.
Ich persönlich unterstütze von ganzem Herzen alles, was der parlamentarische Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung genehmigt hat, und was die Stimmabgabe betrifft, werde auch ich für das stimmen, was der Ausschuss beschlossen hat, wie einige meiner Kollegen bereits zuvor bekannt gegeben haben.
Ich möchte jedoch zwei Themen betonen, die der Bericht unter anderem aufgeworfen hat. Das erste betrifft die Überarbeitung der Wettbewerbsrichtlinien zugunsten von Produzenten, die Produkte mit einem starken lokalen Charakter produzieren.
Das zweite ist eine Aufforderung an die Kommission, Instrumente zur Unterstützung und Förderung von Landwirten verwalteten Lebensmittelversorgungsketten vorzuschlagen, um die Anzahl der Mittelsmänner zu reduzieren und es Produzenten zu ermöglichen, stärker von der Vermarktung ihrer Produkte zu profitieren.
Philippe Juvin (PPE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich bin, was meine Philosophie betrifft, ein Liberaler. In Bezug auf Wirtschaft bin ich der Meinung, dass der Markt und Wettbewerb etwas Gutes sind.
Denjenigen in diesem Haus, die glauben, dass die gleichen alten Marktrichtlinien auf die Landwirtschaft angewandt werden können, möchte ich jedoch Folgendes sagen: Können Sie irgendeinen anderen Sektor nennen, der so wichtig für die Wirtschaft ist wie die Landwirtschaft und der so unvorhersehbare und potenziell variable Preise hat?
Es wird gesagt, dass einige europäische Landwirte eine Halbierung ihres Einkommens erlebt haben. Wer hier würde es akzeptieren, wenn sein oder ihr Einkommen halbiert wird? Wer kann sagen, dass diese eine würdige und gerechte Situation ist? Darüber hinaus haben diese Preise - diese verrückten Preise jetzt - Auswirkungen auf alle. Sie verhindern, dass Landwirte von Erhöhungen profitieren, und sie verhindern, dass Verbraucher von Senkungen profitieren.
Also, ja, das tatsächliche Problem ist das der Preistransparenz; es ist das des Mehrwerts der Arbeit. Wie ich es sehe, Herr Präsident, bedeutet Landwirtschaft nicht, einer vergangenen Ära nachzutrauern. Landwirtschaft ist die Garantie für die Zukunft. Sie ist die Garantie, für Europa, für eine regelmäßige und garantierte Versorgung seiner 500 Millionen Einwohner.
Wer hier kennt ein einziges großes Land im Lauf der Geschichte, das sich keine Sorgen um seine Lebensmittelversorgung gemacht hat? Meine Damen und Herren, wir müssen für unsere Landwirtschaft tun, was für den Finanzsektor getan wurde. Wir müssen sie retten, indem wir sie transparent machen und sicherstellen, dass ihre Kosten klar sind. Europa braucht seine Landwirte, meine Damen und Herren. Ich möchte Herrn Bové sagen, dass er meine Stimme und, ich bin sicher, die Stimme vieler Mitglieder der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) hat.
Peter Jahr (PPE). - Herr Präsident, Her Kommissar, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste an diesem Initiativbericht ist für mich das politische Signal. Es ist das Signal an die Wertschöpfungskette, dass auch und besonders der Landwirt ein Recht auf angemessene Vergütung seiner Arbeit hat. So wie bisher kann es nicht weitergehen! Wenn Lebensmittel verramscht werden, wenn Lebensmittel als Lockangebote missbraucht werden, wenn Landwirte ihre Produkte erst drei Monate nach Abgabe bezahlt bekommen, dann hat das überhaupt nichts mit fairem Wettbewerb und mit fairem Handel zu tun!
Wenn der Wettbewerb nicht funktioniert, dann muss die Politik eingreifen. Marktstrukturen sind kein Schicksal, es ist an der Politik, sicherzustellen, dass es zu einem Ausgleich der Marktungleichgewichte kommt. Zahlreiche Maßnahmen sind nötig, um die Lage dauerhaft zu verbessern. Dazu gehört eine transparente Preisgestaltung genauso wie die Stärkung von Erzeugergemeinschaften, die Beseitigung unfairer Handelspraktiken und die Einführung von garantierten Zahlungsfristen. Die Palette möglicher Maßnahmen ist breit. Nutzen wir sie auch!
Der Initiativbericht ist ein guter und wichtiger Anfang und erhält deshalb meine Zustimmung!
Sophie Auconie (PPE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich die Arbeit des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und somit von Herrn Bové loben.
Die Volatilität von Lebensmittel- und Rohstoffpreisen verursacht große Probleme für unsere Landwirte. Ihr durchschnittliches Einkommen ist 2009 in der Europäischen Union um mehr als 12 % gefallen, wobei es Spitzenverluste bis hin zur Hälfte gab. Unsere Landwirte müssen in der Lage sein, einerseits ein gerechtes Einkommen für ihre Arbeit zu erzielen und andererseits Lebensmittelprodukte zu erzeugen, die anspruchsvolle Qualitätsstandards erfüllen, und das zu Preisen, die für Verbraucher erschwinglich sind.
Unsere drei Herausforderungen sind daher die folgenden: sicherzustellen, dass Landwirte faire Mengen und Preise haben, sodass sie eine stabile, sichere und vor allem profitable Produktion aufrecht erhalten können und dabei eine Vorstellung von ihren zukünftigen Einkünften haben; das Gleichgewicht der Lebensmittelkette und Preistransparenz im Interesse von Verbrauchern zu verbessern; und sicherzustellen, dass die Politik endlich Landwirten und Verbrauchern nützt und nicht anderen Gliedern in dieser Kette, die sie derzeit komplexer machen.
Dank der im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung geleisteten Arbeit ist der Bericht von Herrn Bové ausgewogen. Er schlägt einige Lösungen für die Herausforderungen vor, die ich gerade identifiziert habe. Meiner Ansicht nach muss eine neue Form der Marktregulierung implementiert werden, die insbesondere auf einer besseren Integration der verschiedenen Glieder in der Kette basiert.
Die Stärkung von Produzentenorganisationen, das Anbieten von Standardverträgen in gewissen Sektoren und die Förderung von Selbstregulierungsinitiativen: dies sind meiner Ansicht nach gute Ansätze, die verfolgt werden sollten. Darüber hinaus ist es wesentlich, Qualitätsprodukte und nachhaltige Produktion zu fördern; um dies zu tun, benötigen wir ein glaubwürdiges europäisches System und Qualitätskennzeichnungen und -zeichen. Der Landwirtschaftsmarkt muss reguliert werden, aber auf angemessene und intelligente Weise.
Krisztina Morvai (NI). – (HU) Ich unterstütze den ausgezeichneten Bericht von Herrn José Bové, in dem er verlangt, dass Landwirte endlich angemessene und gerechte Einkommen erhalten, voll und ganz. Wir haben gesehen, was passiert, wenn das Einkommen der Landwirte ausschließlich durch den so genannten freien Markt entschieden wird. Wir haben jetzt einen Punkt erreicht, an dem ein Landwirt in der Zeit den Betrieb aufgeben muss, die einer meiner Kollegen benötigt, um eine kurze Rede zu halten. Infolge des aktuellen Ansatzes gibt alle drei oder vier Minuten ein Landwirt den Betrieb auf, mit den entsprechenden katastrophalen Folgen für Gesellschaft, Menschen und Umwelt.
Ich flehe diejenigen an, die wollen, dass die Einkommen der Landwirte weiterhin nur vom freien Markt entschieden werden, auch diesen Aspekt zu berücksichtigen und anzuerkennen, dass wir Richtlinien benötigen. Ich möchte gern drei Bereiche hervorheben. Einer ist die Regulierung des Anteilsverhältnisses von Vertriebsnetzwerken. Das ist erforderlich. Keiner davon sollte zum Schaden von anderen wachsen, und es sollte Marktgelegenheiten für kleine Ladennetzwerke, kooperierende Geschäfte und Handel der Landwirte geben. Mindesteinkaufspreise müssen garantiert werden. Auch die am stärksten gewinnorientierten Supermarktketten sollten verpflichtet sein, Landwirten den minimalen Einkaufspreis zu zahlen. Landwirtsorganisationen sollten starke Unterstützung erhalten. Fonds für Marktzugang, für EU-Marktzugang, sollten mit Kapital ausgestattet werden und Kettenläden, die lokal erzeugte Produkte, die gesündesten, frischen lokalen Lebensmittel, auf den Markt bringen, sollten unterstützt werden.
Mairead McGuinness (PPE). – Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter gern für diesen Bericht danken. Normalerweise sind Eigeninitiativberichte eher harmlos und wir bekommen keine Gelegenheit, die Probleme zu diskutieren, also denke ich, dass es positiv ist, dass wir eine Diskussion über ein jetzt sehr kontroverses und sensibles Thema haben: Das Thema fairer Preise und gerechter Einkommen für Landwirte.
Allein die Tatsache, dass wir diesen Bericht haben, bedeutet, dass es ein Problem auf dem Markt für Lebensmittel gibt und dass wir politische Maßnahmen benötigen, um dagegen anzugehen. Ich bin besorgt, dass es im Laufe der Sommermonate einige Rückschritte von dieser Position gegeben hat, aber ich trete von meiner Position für den Bové-Bericht sicher nicht zurück. Während ich Bedenken bezüglich gewisser Elemente davon habe, unterstütze ich das Gesamtthema, nämlich dass wir Maßnahmen benötigen, um auf die Sorgen von Produzenten einzugehen und sicherzustellen, dass sie faire Preise erhalten.
Es ist eine einfache Tatsache, dass Produzenten Preisnehmer sind: Sie legen die Preise nicht fest, die sie für ihre Erzeugnisse bekommen. Ich wünschte sie könnten es, und wenn sie schlau wären, sollten sie vielleicht Lebensmittel knapp halten und wir würden alle teuer dafür zahlen. Aber sie sind nicht die Preisgestalter, sie sind Preisnehmer, und sie brauchen Schutz.
Ich möchte auf einige Kommentare der EKR-Kollegen antworten. Es gibt zwei Wörter, vor denen mir graut: minimale Regulierung. Die Idee, dass eine minimale Regulierung für den Lebensmittel- oder Banksektor funktioniert - ich fürchte, das funktioniert nicht. Minimale Regulierung, die nicht überwacht wird, wird versagen, also lassen Sie uns von dieser Idee Abstand nehmen. Das gleiche gilt für die Idee, dass der freie Markt funktioniert. Wir müssen fragen: Für wen funktioniert er? Wie Kollegen gesagt haben, ist die Landwirtschaft - die Lebensmittelproduktionskette - anders. Sie ist nicht wie andere Sektoren.
Ich möchte denjenigen, die sagen, dass der Markt funktioniert, weil er die bestmöglichen Verbraucherpreise ermöglicht, eine Frage stellen: Wie lange kann das andauern? Und wird es langfristig immer noch billige Lebensmittel geben? Wir müssen handeln. Ich unterstütze den Bové-Bericht mit gewissen Vorbehalten, und ich hoffe, dass meine Kolleginnen und Kollegen dies auch tun.
Riikka Manner (ALDE). – (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte zuerst dem Berichterstatter für einen hervorragenden, ausgewogenen Bericht danken.
Für uns ist ein funktionierendes System für Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, das für Europa als Ganzes gilt, eine bedeutende und wichtige Frage der Sicherheit. Dies ist kein herkömmlicher Handelsbereich, der den Marktkräften unterworfen werden darf, wie hier einige Male gesagt wurde. Derzeit betrifft das Problem die Zukunft der Landwirtschaft im Allgemeinen.
Die Investitionen, die junge Landwirte und andere heute in der Landwirtschaft tätigen müssen, wenn sie weiterhin dort tätig sein wollen, sind enorm und haben große Bedeutung. Damit sie weiter den Mut haben, in die Zukunft zu investieren und Risiken einzugehen, benötigen wir stabile Einkommensniveaus für Landwirte und gerechte Einnahmen für die Arbeit, die sie ausführen.
Derzeit ist es eine Tatsache, dass der Handel in vielen Fällen besser in der Lage ist, seine eigenen Bedingungen zu diktieren. Das ist besonders schwer für den Produzenten. Der Bericht erwähnt einige sehr wichtige Elemente für eine Lösung für gerechtere Einkommensniveaus für Landwirte, und ich hoffe, dass diese auch umgesetzt werden können.
Jarosław Kalinowski (PPE). – (PL) Herr Präsident! Die Europäische Kommission sagt in ihrer Mitteilung, dass es entscheidend ist, zu handeln, um unehrliche Praktiken zwischen Wirtschaftseinheiten entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu eliminieren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Kommission zur Bekämpfung dieser Praktiken sind jedoch beschränkt auf den Austausch bewährter Verfahren, Informationskampagnen und die Vorbereitung freiwilliger Standards für Abkommen. Dieser Ansatz wird wenig, wenn überhaupt etwas, ändern, und er wird weder die Abnormalitäten eliminieren noch die konstante Tendenz hin zu einer Senkung des Einkommens der landwirtschaftlichen Erzeuger in Europa stoppen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die gemeinsame Agrarpolitik auch ein gerechtes Einkommen für Landwirte sicherstellt und garantiert, dass Preise für Lebensmittel höchster Qualität keine Wucherpreise und stabil und für Verbraucher transparent sind. Das ist es, was die Vorschläge des Berichts anbieten, und ich werde sie voll und ganz unterstützen.
Derek Vaughan (S&D). – Herr Präsident! Ich unterstütze viele der Vorschläge in diesem ausgezeichneten Bericht. Es gibt keinen Zweifel, dass Supermarktketten ihre Position ausnutzen, um kleine Produzenten unter Druck zu setzen. In einem Punkt habe ich jedoch Bedenken, nämlich jeglicher Vorschlag, der Eigenmarken unterminieren würde.
Im Vereinigten Königreich kaufen viele weniger wohlhabende Verbraucher diese Eigenmarken und bemerken, dass die Qualität oft sehr gut ist. Außerdem - und ich habe dies vor kurzem selbst im Cross Hands Business Park in Wales gesehen - gibt es viele kleine Lebensmittelverarbeitungs- und -verpackungsbetriebe, die für kleine und große Ketten, die Eigenmarken erzeugen, arbeiten. Während es sehr wichtig ist, dass wir absolut alles tun, um die Lebensmittelversorgung sicherzustellen, sollten wir somit nichts tun, was weniger wohlhabenden Verbrauchern und kleinen Unternehmen schadet.
Oreste Rossi (EFD). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir unterstützen diesen Bericht insoweit, als er Vorschläge enthält, die zuvor von der Lega Nord vorgebracht wurden, insbesondere zu Preistransparenz verbunden mit der Zahlung von fairen Preisen für ihre Produkte an Landwirte, die Schaffung von Null-Kilometer-Lebensmittelversorgungsketten und die Unterstützung der Erhaltung der lokalen Produktvielfalt und Produktqualität, wodurch die Entwicklung lokaler Wirtschaften gefördert wird.
Die Angabe der Kosten eines Produkts an der Quelle würde Verbrauchern bewusst machen, wie sehr es den Endpreis beeinflusst, dass das Produkt durch mehrere Hände geht, und würde dazu führen, dass sie eine kurze Versorgungskette wählen und somit lokale Produzenten bevorzugen.
Um die Volatilität auf dem Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu bekämpfen, muss der Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu Preisen unter dem Herstellungspreis unbedingt verboten werden und Kontrollen von Produkten, die auf den europäischen Markt gelangen, müssen verstärkt werden, weil es - unglücklicherweise - häufig vorkommt, dass europäische Landwirte die EU-Richtlinien einhalten, während nicht-europäische Landwirte sie überhaupt nicht befolgen. Diese Bürde wird immer vollständig von unseren Landwirten getragen.
Petru Constantin Luhan (PPE). – (RO) Im Hinblick auf eine Unterstützung der Erholung von der Wirtschafts- und Finanzkrise wird es zu einer besonders wichtigen Angelegenheit, die effizienteste Funktion der Lebensmittelversorgungskette zu erreichen. Angesichts des kontinuierlichen Absinkens der Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger müssen dringend Verbesserungen umgesetzt werden, um einen Anstieg der Lebensmittelverbraucherpreise zu verhindern.
Ich glaube, dass die ungleichmäßige Reaktion der Lebensmittelpreise auf die Fluktuationen der Rohstoffpreise vor allem mit der Anzahl der innerhalb der gesamten Versorgungskette tätigen Zwischenhändler zusammenhängt.
Ich bin dafür, Instrumente anzunehmen, die kurze Versorgungsketten und Märkte, auf denen Landwirte ihre eigenen Produkte verkaufen können, fördern und unterstützen können. Das wird dazu beitragen, eine direkte Verbindung zwischen Verbrauchern und Landwirten herzustellen, was es den Letzteren ermöglicht, einen größeren Anteil des Wertes des Endpreises zu erhalten, während die Öffentlichkeit von niedrigeren Preisen profitiert.
Luis Manuel Capoulas Santos (S&D). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich möchte meine Stimme zu denjenigen hinzufügen, die dem Berichterstatter und den Mitgliedern gratulieren, die die im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, der diesen Bericht mit einer großen Mehrheit angenommen hat, eingenommenen Standpunkte unterstützen. Ich möchte außerdem den Kommissar gern auffordern, sich von den bewährten Verfahren einiger Mitgliedstaaten inspirieren zu lassen, und möchte ihn insbesondere auf das Beispiel meines Landes, Portugal, verweisen, das letzte Woche wichtige und mutige Maßnahmen in diesen Bereich angenommen hat, indem es eine Frist von 30 Tagen für die Bezahlung von Produzenten verderblicher Waren und von 60 Tagen für Lebensmittelprodukte für den menschlichen Verzehr festgelegt hat. Ich bin der Ansicht, dass diese Auflage an Supermärkte ein gutes Beispiel darstellt, das auf europäischer Ebene übernommen werden könnte, und ich fordere die Kommission auf, sich von den bewährten Verfahren dieses Mitgliedstaats inspirieren zu lassen.
Lara Comi (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Hauptziel der gemeinsamen Agrarpolitik war es immer, gerechte Einkommen für Landwirte zu garantieren, und ich glaube, dass wir auf diesem Weg fortfahren sollten.
Infolge der von der Kommission veranlassten Überprüfung sind eine Reihe von Abweichungen vom Ursprungsprinzip ans Licht gekommen, die wir alle nicht übersehen können. Unsere Landwirte sind davon überzeugt, dass ihre Arbeit wirtschaftlich gesehen unterbewertet ist. Ihr Wechsel von der ersten Stufe in der Lieferkette hin zu wichtigen Akteuren in der zweiten Stufe heute wird nicht länger als entscheidender Faktor für die Stabilisierung des Endpreises gesehen.
Es ist erforderlich, die Fluktuationen der Rohstoffpreise zu kontrollieren, die für Verbraucher nur Nachteile haben. Ich denke, dass es sinnvoll wäre, zu überprüfen, wie sich Artikel entlang der Lieferkette bewegen, um so einen Anstieg von Warenpreisen zu verhindern, der mit einer gerechten Verteilung der Kosten gemäß der geleisteten Arbeit nicht vereinbar ist.
Es ist wichtig, zu überprüfen, ob die Asymmetrie in den Kosten eines Produkts zwischen den ersten und letzten Stufen der Versorgungskette steigt, wodurch Verbrauchern geschadet wird. Es bestände die Gefahr, dass Produkte zu höheren Preisen auf den Markt gebracht werden, mit denen keine Steigerung der Qualität einhergeht.
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Im Anschluss an diese lange Aussprache konnten wir zu dem Schluss kommen, dass es mehr oder weniger allgemeine Zustimmung zu dem in Herrn Bovés Bericht aufgeworfenen Problem gibt, zumindest was die Diagnose betrifft. Ein Problem muss gelöst werden, um die Arbeit von Landwirten effizienter zu gestalten, und soweit ich beobachten konnte, gibt es unterschiedlichen Meinungen zu der Art und Weise, wie es zu lösen ist, zum Umfang der Reformen.
Auf alle Fälle ist für mich eines offensichtlich: Die Tatsache, dass es die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) jetzt seit mehr als 40 Jahren gibt, beweist auch, dass der landwirtschaftliche Markt Regeln braucht, um funktionieren zu können. Diese Regeln verhindern nicht, dass der Markt funktioniert; im Gegenteil, sie machen ihn effektiver und helfen letztendlich, das ultimative Ziel der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu erreichen, das im Vertrag von Lissabon klar definiert ist: sicherzustellen, dass Märkte mit Lebensmittelprodukten versorgt werden und gleichzeitig einen gerechten Lebensstandard für landwirtschaftliche Produzenten zu gewährleisten.
In diesem Sinne denke ich nicht, dass die Erwägung der Einführung von Richtlinien notwendigerweise eine Planung der Wirtschaft und der Produktion bedeutet. Richtlinien sind jedoch notwendig, genau wie sie in der Agrar- und Ernährungswirtschaft notwendig sind. Es wird anerkannt, dass Diskussionen sich vielleicht auf die Agrarlebensmittelkette als Ganzes konzentrieren sollten.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass es zwar einige Punkte gibt, auf die wir im Rahmen der GAP-Reform eingehen müssen, ich aber, um auf einige Ihrer Fragen zu antworten oder vielleicht einige Ihrer Vorschläge zu integrieren, natürlich mit meinen Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Kommission zusammenarbeiten muss, sodass dieses Problem allgemeiner angegangen wird, insbesondere in Bezug auf die Punkte, die genau genommen außerhalb des Umfangs der landwirtschaftlichen Produktion fallen.
Dies ist eine notwendige Übung, weil wir zwar heute stolz auf unsere Agrar- und Ernährungswirtschaft, unsere Agrarindustrie sein können, die einer der wichtigsten wenn nicht der wichtigste Industriesektor in der europäische Union ist, da sie 13 % der Arbeitsplätze im europäischen Industriesektor und 14 % seines Umsatzes ausmacht, wir aber auch einen starken Sektor für die Produktion landwirtschaftlicher Rohstoffe haben.
Diese Beziehung zwischen landwirtschaftlicher Produktion und der Agrar- und Ernährungswirtschaft muss deutlicher gemacht werden, damit das Endergebnis Verbrauchern, aber auch Produzenten, nutzt und die Produktion so fortgesetzt werden kann.
Ich werde nicht auf die Details der Fragen eingehen, die aufgeworfen wurden; ich werde Ihnen und Frau Köstinger, die inzwischen gegangen ist, einfach versichern, dass die Vorschläge, die ich zur Reform der GAP präsentieren werde, in Kürze, im November, folgen werden. Ich bin kein Anhänger von Geheimniskrämerei: der Beratungsprozess nimmt einfach seinen Lauf. Seien Sie jedoch versichert, dass sich diese Beratungen um eine Unterstützung der europäischen Landwirtschaft drehen, die sowohl wettbewerbsfähig als auch nachhaltig ist und ganz Europa betrifft. Genau um dieses Ziel zu erreichen, sollte Landwirtschaft nicht nur in Beziehung zu ihrer Region, sondern auch innerhalb der Lebensmittelkette gesehen werden.
Ich freue mich auf die endgültige Stimmabgabe zu diesem Bericht und kann Ihnen versichern, dass einige dieser Vorschläge in den Vorschlägen enthalten sind, die die Kommission zur Zukunft der GAP vorbringen wird.
VORSITZ: SILVANA KOCH-MEHRIN Vizepräsidentin
Franz Obermayr (NI). - Frau Präsidentin! Zur Geschäftsordnung: Der Sommer ist vorbei, wir sind im Herbst wieder beisammen, aber das Prozedere der Vorsitzführung ist offensichtlich immer noch nicht klar. Ich habe das große Vergnügen, jetzt den dritten Sitzungspräsidenten – in dem Fall Sie, Frau Präsidentin – zu verfolgen, und ich habe mich bei Ihrem Vorvorgänger zu Catch-the-eye angemeldet. Das ist nun nicht speziell Ihr Problem, aber es wäre immerhin doch fair, wenn man die Entscheidung, wer zu Wort kommt, früher treffen könnte. Parallel zur Plenarsitzung laufen nämlich Ausschusssitzungen, und ich war in meinem Ausschuss für regionale Entwicklung. Es wurde mir nicht mitgeteilt, dass ich heute offensichtlich keine Chance habe, zu Wort zu kommen. Ich bin davon ausgegangen, heute hier zu sprechen.
Bitte nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass es für einen Abgeordneten hilfreich wäre, zu wissen, ob man das Wort ergreifen kann oder nicht. Denn wenn ich das gewusst hätte – so interessant die Diskussion war –, dann wäre ich heute noch in meinem Ausschuss für regionale Entwicklung geblieben und würde nicht hier warten und doch nicht zu Wort kommen. Ich bitte um Entschuldigung, aber ich möchte, dass das geklärt wird.
Die Präsidentin. − Ihre Bemerkungen werden auf jeden Fall im Protokoll der Sitzung aufgeführt. Wir haben ja sehr großes Interesse an einer Beteiligung an der Debatte im Catch-the-eye-Verfahren, was ja schön und auch Sinn und Zweck des Verfahrens ist. Leider können jedoch nicht alle Interessenten das Wort ergreifen. Insofern tut es mir leid, dass Sie diesmal Pech hatten, und nicht sprechen konnten. Aber ich hoffe, demnächst haben Sie etwas mehr Glück.
José Bové, Berichterstatter. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst freue ich mich über die Debatte, die wir gerade hatten und in der viele Abgeordnete zu Wort kamen. Es stimmt, zu dieser Zeit, am ersten Tag der Sitzungsperiode, gibt es eher zu viele von uns für diese Debatte, was einfach nur zeigt, wie interessiert alle Fraktionen an der Arbeit des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sind.
Was für mich dabei wichtig ist, ist, dass der Bericht, den wir debattiert haben, der Text also, über den wir morgen hier in diesem Haus abstimmen werden, ein gemeinsamer Text ist. Dies haben auch einige der Redner erwähnt. Ich bin der Berichterstatter, aber dieser Text ist ein gemeinsamer Entwurf des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, und ich glaube, das ist das Wichtigste. Jede und jeder hier hat seine eigenen Vorstellungen und seine eigene Vergangenheit, und wir haben trotzdem diesen Vorschlag zusammen erarbeitet. Ich finde, dass das erwähnenswert ist. Es ist mein Name, der auf diesem Bericht erscheint, aber es ist ein gemeinsamer Bericht, und das wollte ich noch einmal erwähnen.
Mehrere Sprecher betonten die Notwendigkeit, das Einkommen der Landwirte durch den Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu schützen. Das ist das eigentliche Fundament der Landwirtschaft. Landwirte werden durch den Verkauf ihrer Produkte bezahlt, und die Feststellung, dass sie heutzutage nicht unter den Produktionskosten verkaufen können, ist eine wesentliche, unerlässliche Bedingung, falls wir in Europa weiterhin Landwirte haben wollen.
Die Agrarpolitik ermöglicht es, die landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit in den Regionen zu unterstützen und aufrechtzuerhalten und Verzerrungen aufgrund naturbedingter Nachteile oder regionaler Unterschiede zu bekämpfen. Daher ist es eine Tatsache, dass es keine gemeinsame Agrarpolitik geben wird, wenn die Landwirte nicht einmal ihren Lebensunterhalt mit ihrer Produktion verdienen können. Die Landwirte sind diejenigen, die sich diesbezüglich am meisten engagieren, und das Parlament hat nur erfolgreich ihre Forderungen wiederholt.
Der zweite Punkt, der sich meiner Meinung nach aus unserer Debatte gerade herauskristallisiert hat, ist die Notwendigkeit von Transparenz entlang der gesamten Lebensmittelkette. Alle Sprecher kamen immer wieder auf diesen Punkt zurück, insbesondere in Bezug auf den verarbeitenden Sektor bei den Verhandlungen mit den Produzenten, oder den großflächigen Vertriebssektor, der häufig, zum Beispiel im Falle von Obst und Gemüse, unglaubliche Profite absahnt. Heutzutage ist das alles anerkannt; diese Notwendigkeit wird nicht länger in Frage gestellt.
Viele Sprecher sind auch auf das Problem der Spekulation eingegangen; ich werde das jetzt nicht noch einmal wiederholen.
Daher würde ich sagen, dass, sobald morgen im Plenum abgestimmt worden ist – und ich glaube, dass alle Reden den kollektiven Wunsch des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung gezeigt haben, diesen Bericht vorzulegen und alle unsere Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen, – sobald der Text verabschiedet ist und morgen darüber abgestimmt wurde, die Kommission an der Reihe ist. Überdies möchte ich dem Kommissar sagen: Nun sind Sie an der Reihe, etwas zu unternehmen. Dies ist eine Initiative, die wir ergreifen. Wir unterbreiten Ihnen Vorschläge.
Unsere Erwartung ist natürlich, dass diese Arbeit jetzt von der Kommission und dem Rat aufgenommen wird, da es klar ist, dass das Parlament alleine nichts ausrichten kann. Auf der anderen Seite werden wir, indem wir zusammenarbeiten, eine neue gemeinsame Agrarpolitik formen können. Überdies werden wir jedoch den europäischen Landwirten Hoffnung geben können.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, 7. September 2010, 12.30 Uhr, statt.
Als nächster Punkt der Tagesordnung folgt eine Erklärung der Kommission zu den Menschenrechten im Iran, insbesondere den Fällen Sakineh Mohammadi-Ashtani und Zahra Bahrami.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Luis Manuel Capoulas Santos (S&D), schriftlich. – (PT) Ich gratuliere dem Berichterstatter und dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu der signifikanten Abstimmung zugunsten dieses Berichts sowie zu dem Engagement und dem Vorrang, den die Abgeordneten diesem Thema beigemessen haben. Die aktuelle Situation der extremen Preisvolatilität hat eine klare Asymmetrie zwischen den Konsumentenpreisen und den Preisen, die an die Kleinerzeuger gezahlt werden, gezeigt, wodurch klare Ungerechtigkeiten in der Lebensmittelversorgungskette bewiesen sind.
Der Missbrauch der Verhandlungsmacht setzt besonders die Kleinerzeuger unter Druck. Daher fordere ich von diesem Haus, mit großer Mehrheit dafür zu stimmen, damit dieses Zeichen des Europäischen Parlaments die Europäische Kommission und die Landesregierungen dabei unterstützen kann, passende Maßnahmen zu verabschieden. Kürzlich hat zum Beispiel die portugiesische Regierung kühner Weise über die Supermärkte eine 30-Tage-Frist verhängt, innerhalb derer die Landwirte für verderbliche Waren zu bezahlen sind, und eine 60-Tage-Frist für Nahrungsmittel für den menschlichen Verzehr; Ziel ist es, einen größeren Ausgleich bei den vertraglichen Beziehungen zwischen Verarbeitungs-, Vertriebs- und Produktionsindustrie in der Lebensmittelkette zu erreichen.
Robert Dušek (S&D), schriftlich. – (CS) Eines der Hauptziele der gemeinsamen Agrarpolitik ist es, unseren Landwirten gerechte Einkommen zu garantieren. Uns ist die problematische Lage auf dem Lebensmittelmarkt bewusst. Die Landwirte sind bei den Verhandlungen mit Großhändlern und Supermarktketten benachteiligt und dazu gezwungen, immer niedrigere Kaufpreise für ihre Nahrungsmittel zu akzeptieren, während die Bürgerinnen und Bürger Grundnahrungsmittel zum selben oder immer teurer werdenden Preis einkaufen. Die Gewinnspannen der Verkäufer betragen zwischen Landwirt und Kunde über 200 %. Der Bericht hebt eine Reihe unfairer Vertragspraktiken hervor, begrenzten Marktzugang und Gebühren, die Produzenten für ihre Aufnahme in die Nahrungsmittelversorgung im Einzelhandel auferlegt werden, späte und hinausgezögerte Zahlungen, einseitige Vertragsänderungen u. ä. Die Situation auf dem Lebensmittelmarkt muss unverzögert angesprochen und es müssen gesetzliche Rahmenbedingungen für das Management von Einkaufs- und Verkaufspreisen gefunden werden. Es würde helfen, Preistransparenz in der Lebensmittelkette zu haben, die die Wettbewerbsfähigkeit steigern, Preisschwankungen beschränken und zum Bewusstsein unter den Partnern bezüglich Versorgung, Nachfrage, Preise und Verhandeln auf dem Markt beitragen würde. Meiner Ansicht nach besteht jedoch das einzige effektiv funktionierende Instrument darin, die Mindestpreise, die die Produktionskosten decken, festzulegen. Das würde dann den Landwirten ein gerechtes Einkommen garantieren und Verlustverkäufe begrenzen. Dieser Preis könnte der Referenzpreis im Verhandlungsrahmen zwischen Erzeugerorganisationen und nachgelagerten Bereichen der Lebensmittelkette sein.
Jim Higgins (PPE), schriftlich. – Dieser Bericht wird nicht automatisch die Situation verbessern, in der Landwirte als Primärproduzenten in vielerlei Hinsicht von der verarbeitenden Industrie und den Einzelhandelsketten ausgebeutet werden. Der Bericht deckt aber unfaire Praktiken auf und weist auf die Notwendigkeit hin, dass die Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten gemeinsam handeln müssen, um die Kluft zwischen den Produktionskosten der Landwirte und den Kosten, wenn das Produkt im Einkaufswagen landet, zu überbrücken. Als der Bericht im Ausschuss debattiert wurde, betonte ich die frühere, aber jetzt verbesserte Situation, in der Milchbauern Milch mit einem Kostenaufwand von 27 Cent pro Liter produzierten, während ihnen 5 Cent weniger als ihre Produktionskosten bezahlt wurde. Wichtig ist, dass der Bericht nicht verstaubt, sondern auf seine Empfehlungen hin gehandelt wird.
Véronique Mathieu (PPE), schriftlich. – (FR) Der Initiativbericht von Herrn Bové spricht das insgesamt wichtige Problem der Einnahmen der Landwirte an. Die Lebensmittelpreise sind seit 1996 um 3,3 % pro Jahr gestiegen, während die Preise, die die Landwirte erhalten, nur um 2,1 % und ihre Betriebskosten um 3,6 % gestiegen sind.
Als Abgeordneter verstehe ich voll und ganz die Schwierigkeiten, die hin und wieder unüberwindlich und von französischen und europäischen Landwirten auszuhalten sind. Europäische Hilfen, die als Folge von speziellen sektoralen Krisen auf einmaliger Basis zur Verfügung gestellt werden, können die Situation der Landwirte langfristig nicht verbessern. Daher entschied der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, diesen Bericht über die Einnahmen der Landwirte zu entwerfen, der als Aufruf an die Europäische Kommission gedacht ist, eine gründliche Analyse der Lebensmittelversorgungskette zu unternehmen.
Die unklaren Praktiken bremsen alle Bemühungen, um die beträchtlichen Spannungen zwischen den verschiedenen Akteuren zu lösen, und jegliche Versuche, die Ungleichgewichte zu korrigieren, um eine gerechtere Verteilung zu erwirken. Die Landwirte wollen wirklich Lösungen für die Widersprüche, die von den Institutionen selbst beobachtet werden.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE), schriftlich. – (RO) Ganz gewiss berührt der Bericht von Herrn Bové eines der sensibelsten aktuellen Themen. Die Wirtschaftskrise hat sich besonders stark auf das Einkommen der Landwirte ausgewirkt, und es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um landwirtschaftlichen Betrieben und ländlichen Haushalten wieder auf die Beine zu helfen. Die Maßnahmen müssen jedoch auch ihre Modernisierung unterstützen, weil Modernisierung die einzige Möglichkeit ist, wie wir ihre Wettbewerbsfähigkeit und ein vernünftig hohes Einkommen garantieren können. Daher würde ich gerne meine eigene Sicht zum Ausdruck bringen, dass ich glaube, dass sich der Bericht auch mit dem Thema der ländlichen Entwicklung hätte beschäftigen sollen, die eine der Grundlösungen für die Probleme in der europäischen Landwirtschaft ist, besonders in den neuen Mitgliedstaaten.
18. Menschenrechte im Iran, insbesondere die Fälle Sakineh Mohammadi-Ashtiani und Zahra Bahrami (Aussprache)
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da meine Kollegin, die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin der Kommission, Catherine Ashton, nicht hier sein kann, erlauben Sie mir, in Zusammenarbeit mit ihr und im Namen der Kommission die folgenden Erklärungen abzugeben.
Die Menschenrechtssituation im Iran ist ein Problem, das uns große Sorgen bereitet. In den vergangenen Monaten haben die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission, Catherine Ashton, und ihre Bediensteten zu mehreren Gelegenheiten eine Stellungnahme zu den Menschenrechtsverletzungen in diesem Land abgegeben.
Viele von Ihnen haben dasselbe getan. Es ist wichtig, dass wir weiterhin diese unmenschlichen, archaischen Praktiken, die trauriger Weise immer noch im Iran existieren, verurteilen.
Eine im Juni veröffentlichte Erklärung der Europäischen Union fordert den Iran auf, die Freiheit der Meinungsäußerung zu respektieren, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren zu respektieren und jegliche Diskriminierung religiöser und ethnischer Minderheiten und gegenüber Frauen zu beenden.
Die Todesstrafe und die Rechte von Minderheiten waren Thema vieler weiterer EU-Erklärungen dieses Jahr. Die Europäische Union fordert vom Iran nicht mehr als von jedem anderen Land. Wir bitten einfach nur die offiziellen Behörden, durch sowohl öffentliche Stellungnahmen als auch diskrete Schachzüge diplomatischer Vertreter die unter dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in anderen Menschenrechtsverträgen eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu respektieren.
Meine Kollegin, die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission, Catherine Ashton, und ihre offiziellen Vertreter in Brüssel und Teheran haben der Situation von Sakineh Mohammadi-Ashtiani größte Aufmerksamkeit gewidmet.
Am 6. Juli veröffentliche die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission eine Erklärung, die ganz klar von den iranischen Behörden fordert, den Fall von Frau Mohammadi-Ashtiani und mehrerer anderer Personen, deren Todesurteile unter flagranter Verletzung internationaler Vorschriften verkündet wurden, neu aufzurollen, und dies in einem Land, in dem die Todesstrafe leider immer noch legal ist.
Die Angelegenheit ist bereits mit den iranischen Behörden über diplomatische Kanäle angesprochen worden. Das bloße Konzept der Steinigung ist so barbarisch, dass wir es weiter vollständig und absolut verurteilen müssen und unsere Verurteilung weiter aufs Schärfste bekräftigen müssen, bis solche Praktiken endlich abgeschafft werden.
Die Europäische Union hat bei der iranischen Regierung auch direkt den Fall von Zahra Bahrami angesprochen, deren Verhaftung in Verbindung mit den Unruhen während des Aschura-Festes im Dezember 2009 steht. Die Europäische Union hat die Tatsache betont, dass Frau Bahrami, eine iranisch-niederländische Staatsbürgerin, einen fairen, offenen und transparenten Prozess bekommen sollte. Als europäische Bürgerin sollte Frau Bahrami auch vollen Zugang zu Konsulats- und Rechtsbeistand haben dürfen. Die Hohe Vertreterin wird Frau Bahramis Fall in Zusammenarbeit mit den diplomatischen Vertretern der Europäischen Union in Teheran weiterhin genauestens verfolgen.
Ich darf Ihnen versichern, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten nicht davon ablassen werden, Menschenrechtsverletzungen im Iran zu verurteilen, solange sie begangen werden, sei es durch bilaterale Kontakte, öffentliche Erklärungen oder im Rahmen multilateraler Beziehungen.
Roberta Angelilli, im Namen der PPE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Folter, Auspeitschen und Steinigen sind anormale, barbarische, unmenschliche Praktiken, die brutal gegen die fundamentalsten Menschenrechte verstoßen.
Es gibt keine besseren Worte, derartige Gewaltakte zu kommentieren, als die Worte von Sakineh Mohammadi-Ashtiani selber. Ich werde aus einem ihrer Briefe vorlesen: „Fast jeden Abend“, sagt Sakineh, „bevor ich schlafen gehe, frage ich mich: wie bereiten sie das wohl vor, mich mit Steinen zu bewerfen, auf mein Gesicht zu zielen und auf meine Hände?“ Dann ruft sie auf: „Erzählt jedem, dass ich Angst habe zu sterben; helft mir, am Leben zu bleiben.“
Das Parlament muss diesem verzweifelten Hilferuf Beachtung schenken. Wir dürfen Sakineh nicht alleine lassen. Sie muss unser Banner werden, das Banner für Menschenrechte im Iran. Die internationale Gemeinschaft muss einen Aufschub dieser willkürlichen Hinrichtung fordern. Wir müssen den Mut haben, zu sagen, dass wir unsere diplomatischen Beziehungen abbrechen werden, weil es in Sachen Menschenrechte keinen Kompromiss geben kann, und Schweigen heißt Zustimmung.
Indem wir die Hinrichtung entschieden verurteilen, müssen wir Frauen und Männer, die wir in Freiheit leben, diesen Teil der öffentlichen Meinung im Iran, der anderer Meinung als das Regime ist und verzweifelt unsere Unterstützung und Unnachgiebigkeit braucht, unterstützen und ermutigen. Das Regime ist auf Angst, Unterdrückung und Verletzung der Freiheiten und Grundrechte gegründet, und wir in diesem Haus müssen laut und deutlich erklären, dass wir uns alle mit Sakineh identifizieren.
María Muñiz De Urquiza, im Namen der S&D-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin! Ehebruch, Homosexualität und die friedliche Teilnahme an Demonstrationen sind drei Verbrechen, für die drei Menschen im Iran schreckliche Urteile erhalten haben. Sie sollten im Iran nicht als Verbrechen gelten – natürlich sind sie in Europa keine Verbrechen –, weil der Iran durch internationales Vertragswerk zum Schutz der Menschenrechte gebunden ist, das besagt, dass es sich hierbei nicht um Verbrechen handelt, für die Menschen verurteilt werden und erst recht keine derartig schrecklichen Urteile wie die Todesstrafe erhalten können, besonders, wenn es um Minderjährige geht.
Die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament verurteilt daher zunächst die Tatsache, dass Menschen als eines Verbrechens schuldig gelten, weil sie auf diese Weise ihre individuelle Freiheit ausgeübt haben, und wir fordern dringend, dass Sakineh Ashtiani und Ebrahim Hamidi nicht hingerichtet und ihre Fälle noch einmal vollständig aufgerollt werden. Wir fordern, dass die Verurteilung zum Tode durch Steinigung verboten wird und der Iran das Moratorium zur Todesstrafe, für das sich die Vereinten Nationen einsetzen, ratifiziert. Wir fordern, dass eine Mission der Vereinten Nationen eingerichtet wird, um die Menschenrechtssituation im Iran zu überwachen, und dass der Rat nicht nur diese Maßnahmen verurteilt, sondern das Reiseverbot und Einfrieren von Konten auf Einzelpersonen und Organisationen ausweitet, die die Menschen- und Grundrechte im Iran unterdrücken.
Die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten verurteilt die systematische Unterdrückung, der Aktivisten und Menschenrechtsverfechter im Iran ausgesetzt sind, und wir bitten daher den Rat und die Kommission, für Menschenrechtsaktivisten zusätzliche Schutzmaßnahmen vorzuschlagen.
Marietje Schaake, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Als Europäer berührt uns die Menschenrechtssituation im Iran ganz besonders, nicht nur weil wir die EU als eine Wertegemeinschaft sehen, die an eine Welt ohne Todesstrafe glaubt, sondern auch weil wir heute die Einzelschicksale hinter den Zahlen kennen. Mindestens 388 Menschen wurden allein im Jahr 2009 im Iran hingerichtet. Jede dieser Hinrichtungen soll eine Generation in ihrer Forderung nach Freiheit abschrecken, tatsächlich aber inspirieren sie umso mehr.
In den letzten Wochen brach in den Niederlanden eine lebhafte Diskussion über die Menschenrechte im Iran aus, als eine niederländisch-iranische Staatsbürgerin verhaftet wurde. Die iranische Regierung erkennt die niederländische Staatsangehörigkeit der doppelten Staatsbürgerschaft nicht an. Daher konnten die niederländischen Diplomaten und ihre Anwälte nicht mit der Person sprechen. Die niederländische Regierung engagiert sich für Bürgerinnen und Bürger in Gefängnissen überall in der Welt, ungeachtet ihrer Fälle. Es ist eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, sich um das Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger zu kümmern.
Dieses Thema ist für alle Mitgliedstaaten wichtig und sollte in Bezug auf den Iran EU-weit angegangen werden, um den Menschenrechten eine wichtigere Position auf unserer Tagesordnung zu geben Wir sprechen heute über Menschen – Frauen und Einzelpersonen –, deren Leben eigentlich vorbei ist, auch wenn sie immer noch am Leben sind. Zahra und Sakineh sind keine Ausnahmen unter den Tausenden von Häftlingen im Iran, die weniger bekannt sind und vielleicht das Gefühl haben, dass sie nicht wahrgenommen werden. Die iranische Regierung sollte erkennen, dass scharfe Äußerungen, Militärtechnologie oder Zähigkeit in Zeiten von Sanktionen die Selbstisolierung des Landes weder beenden noch das Land voranbringen werden. Vielmehr sorgt die Rechtmäßigkeit, die sich daraus ableitet, sich für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen, für Respekt und Glaubwürdigkeit in der internationalen Gemeinschaft. Gerechtigkeit und Sicherheit sind nämlich zwei Seiten derselben Münze. Es kann keine Straflosigkeit für Menschen geben, die Kinder hängen, die systematisch zensieren und vergewaltigen, und die Frauen steinigen.
Lassen Sie uns bei der Iran-Frage den Menschenrechtsdialog wieder beleben, damit die EU neben finanziellen und anderen Sanktionen ein klares Signal sendet und den Iran an seinem wundesten und unserem grundsätzlichsten Punkt – der Menschenrechte und Grundfreiheiten – packt und deren Verletzung mit Konsequenzen ahndet.
Barbara Lochbihler, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Zum Hintergrund der anstehenden Hinrichtungen der beiden Frauen ist ja schon gesprochen worden. Ich möchte jetzt deshalb kurz darauf eingehen, dass es auch im Iran selbst eine Bewegung von Aktivisten gibt, die sich gegen die Steinigung und für die Beendigung dieser grausamen Praxis einsetzt. Und aufgrund dieser Aktionen ist etwas in Bewegung gekommen.
Der frühere Chef des iranischen Justizwesens, Ayatollah Shahroudi, veranlasste einen Stopp der Steinigungen 2002 und dann nochmals 2008. Das iranische Gesetz erlaubt jedoch dem einzelnen Richter, nach seiner eigenen Entscheidung ein Urteil zu fällen. Das Komitee des iranischen Parlaments für rechtliche und gerichtliche Angelegenheiten empfahl im Juni letzten Jahres die Aufhebung des Artikels über Steinigungen bis zur Revision des Strafgesetzbuches, worüber gerade im Parlament diskutiert wird. Ein dem Wächterrat zur Zustimmung vorgelegter Entwurf benötigt dessen Billigung. Der Wächterrat überprüft, ob die Gesetze in Übereinstimmung mit der Verfassung und den islamischen Vorschriften stehen. Im Entwurf soll – das kann ich jedoch nicht verbindlich sagen – jeglicher Hinweis auf die Strafe der Steinigung fehlen. Der Wächterrat könnte jedoch auch den Artikel über die Steinigung wieder in Kraft setzen.
Die EU muss deshalb alles tun, damit es hier zu einer gesetzlichen Regelung kommt, die die Steinigung verbietet, und hier ist es wichtig, an die Verantwortung des iranischen Parlaments zu appellieren. Es bleibt die ernsthafte Sorge über das Schicksal von Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Es gibt keine Sicherheit, dass sie endgültig nicht gesteinigt wird. Sie könnte auch wegen der behaupteten Verwicklung in den Mord an ihrem Ehemann durch Erhängen hingerichtet werden. Deshalb ist die Forderung, ihre und alle Hinrichtungen im Iran zu beenden! Und es muss eine umfassende unabhängige juristische Überprüfung ihres Falles eingeleitet werden. Es soll damit schon begonnen werden, und es ist sehr richtig, dass die Vizepräsidentin Ashton genau dies gefordert hat.
Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin! Wieder einmal befindet sich dieses Haus in einer Diskussion über das brutale theokratische Regime im Iran. Die iranischen Behörden exekutieren gnadenlos Jugendliche und junge Erwachsene, die als Kinder Verbrechen begangen haben. Frauen, die Ehebruch begehen, werden unter der Scharia zur Steinigung oder Lapidation unter der Kategorie sogenannter Verbrechen sexuellen Fehlverhaltens verurteilt.
Obwohl die meisten Länder der Welt, die immer noch die Todesstrafe gegen Erwachsene verhängen, dies ausschließlich wegen vorsätzlichem Mord tun, ist die iranisch-muslimische Interpretation von Kapitalverbrechen äußerst dehnbar und schließt Homosexualität und Ehebruch mit ein.
Heute möchte ich den Fall von Ebrahim Hamidi, einem 18-Jährigen, ansprechen, der wegen Sodomie hingerichtet werden soll, obwohl sein Kläger zugibt, gelogen zu haben. Laut Helfern hat der Junge, der zum damaligen Zeitpunkt 16 war, weder den anderen Mann angegriffen noch ist er homosexuell – nicht, dass das irgendwie wichtig wäre. Sein Anwalt, Mohammed Mostafaei, musste wegen eines Haftbefehls untertauchen.
Ich spreche auch den Fall von Sakineh Mohammadi-Ashtiani an, dem Thema der heutigen Debatte. Sakineh Mohammadi-Ashtiani wurde des Ehebruchs angeklagt, dann der Korruption und Schamlosigkeit, weil sie in einem ausländischen Journal ohne Kopftuch erschien, obwohl es eindeutig eine Personenverwechslung war. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, ist sie jetzt auch noch der Komplizenschaft an einem angeblichen Mord angeklagt, was sie unter Zwang gestand, als der Fall ins internationale Interesse rückte und Druck auf das iranische Regime ausgeübt wurde.
Wir sollten in unserer Verurteilung der entsetzlichen Menschenrechtsbilanz des Iran genauso unnachgiebig sein, wie wir dies in Bezug auf seine Bemühungen sind, Uran für Nuklearwaffen anzureichern und hinsichtlich seiner Absicht, den Staat Israel zu zerstören und jeglichen demokratischen Dissenz zu unterdrücken. Es gibt auch noch den Fall von Frau Bahrami, mit ihrer doppelten niederländisch-iranischen Staatsbürgerschaft, die dafür verhaftet wurde, dass sie einer monarchistischen Organisation angehörte.
Heute Abend hier in diesem Haus fordern wir den iranischen Präsidenten dazu auf, Milde walten zu lassen, aber ich muss sagen, dass ich sehr wenig Hoffnung habe.
Jacky Hénin, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin! Eine große Welle des Protestes und der Besorgnis bezüglich der Freiheiten im Iran bildet sich.
Wir möchten allen Demokraten unsere Unterstützung anbieten, die wollen, dass das Wort Gerechtigkeit eine Bedeutung hat. Wir verurteilen die Verhaftung und Verurteilung Zahra Bahramis aufs Schärfste. Wir verurteilen Sakineh Mohammadi-Ashtianis Verhaftung und Todesurteil durch Steinigung aufs Schärfste. Wir fordern ihre Entlastung und Freilassung. Wir möchten die Notwendigkeit betonen, dass alle Mitgliedstaaten sich an die Werte und Grundsätze des Säkularismus halten, um jede Verwechslung zwischen Staat und Religion zu vermeiden, was zu einer inakzeptablen und freiheitsfeindlichen Verbindung von Verbrechen mit Sünde führt.
Wir möchten unsere Unterstützung für die Abschaffung der Todesstrafe in jedem einzelnen Land nochmals bestätigen und fordern daher von den iranischen Justizbehörden, in Übereinstimmung mit internationalem Recht ein Moratorium bei Kapitalverbrechen einzuführen, um Hinrichtungen wegen Ehebruchs unmissverständlich zu untersagen und den Einsatz von Foltermethoden abzuschaffen.
Francesco Enrico Speroni, im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich schließe mich all denen an, die fordern, dass dieser barbarische Akt der Steinigung wegen Ehebruchs nicht verübt wird und die Menschenrechte respektiert werden – nicht nur für Sakineh Mohammadi-Ashtiani, sondern für all diese Frauen und auch Männer, die in derselben Situation sind.
Ich möchte etwas betonen, was der letzte Sprecher nur kurz gestreift hat: Vieles von dem, was wir erleben, ist das Ergebnis von Degeneration, religiösem Extremismus und der fundamentalistischen Anwendung islamischen Rechts, das manche leider auch in unser freies und demokratisches Europa einführen möchten.
Erminia Mazzoni (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte diesem Haus dafür danken, fast einstimmig dafür gestimmt zu haben, die Debatte über dieses wichtige Thema voranzubringen.
Der Antrag, der von mir zusammen mit Frau Angelilli vorgelegt und von vielen Kolleginnen und Kollegen unterschrieben wurde, basierte auf der Hoffnung, ein Leben zu retten. Jeder Tag kann der letzte für Sakineh sein, und wir können uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu verlieren. Ihr Urteil darf nicht vollstreckt werden, weil es inakzeptabel ist.
Der Antrag geht jedoch sogar noch darüber hinaus, weil die Erfahrung dieser Frau symbolisch für so viele andere iranische Frauen, Männer und junge Menschen ist. Unser Einsatz für Sakineh Mohammadi-Ashtiani muss einfach nur der Beginn einer neuen Phase unserer Beziehungen mit dem Iran sein. Das iranische Regime verletzt Grundrechte, tritt besonders die Freiheiten von Frauen mit Füßen und ignoriert vor allem Appelle aus den Reihen der internationalen Gemeinschaft.
Dieses Haus hat bereits Entschließungen zu diesem Thema verabschiedet, zwei davon allein im letzten Jahr. Die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik hat im Juni und Juli dieses Jahres zwei Erklärungen abgegeben. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat mehrere Entschließungen verabschiedet, die einen Aufschub von Hinrichtungen bis zur Abschaffung der Todesstrafe fordern. Stellen Sie sich vor, der Iran sitzt jetzt in der UN-Frauenkommission. Die Haltung der iranischen Regierung sagt uns offenbar: „Wenn ihr mit uns zu tun haben wollt, dann müsst ihr uns schon so nehmen wie wir sind“, und das können wir nicht akzeptieren.
Die Förderung der Menschenrechte ist einer der Grundpfeiler der Außenpolitik der Europäischen Union und das verpflichtet uns zu etwas. Die Haltung, die wir gegenüber dieser Angelegenheit einnehmen, kann sogar den Integrationsprozess in Gefahr bringen. Alle nationalen Regierungen machen mobil, und wir müssen uns ihnen anschließen.
Junge Iraner, die in Italien demonstrierten, sagten: „Wir glauben nicht, dass wir viel erreichen können; vielleicht retten wir ein Leben, aber den Iran werden wir nicht retten.“ Durch die Verhängung strenger Sanktionen müssen wir zeigen, dass diese Mobilisierung nur der erste Schritt ist, und dass wir weiter Druck ausüben werden und keine weiteren Beziehungen mit dem Iran pflegen werden, sogar bis hin zu einem Embargo.
Silvia Costa (S&D). – (IT) Frau Präsidentin, Damen und Herren! Durch diese Debatte – von der ich offen gesagt gehofft hatte, dass sie besser besucht sein würde, weil sie eine viel größere Teilnahme verdient – versucht das Parlament, sich den vielen anderen Stimmen weltweit anzuschließen, die in den letzten Tagen, nach dem Aufruf ihres Sohnes Sajad, gegen Sakineh Mohammadi-Ashtianis tragisches Todesurteil durch Steinigung laut wurden, und all die anderen Frauen zu retten, die im Iran in Gerichtsprozessen im Schnellverfahren zum Tode verurteilt oder ungerechterweise ins Gefängnis gebracht wurden, wie Zahra Bahrami.
Im Zeitalter der Globalisierung ist es noch offensichtlicher, dass Menschenrechte und die Rechte der Frauen untrennbar sind. Wenn eine Frau durch die Folter der Steinigung stirbt, ist auch unser Gewissen und unsere Freiheit mit ihr gesteinigt worden.
In unserer Entschließung bitten wir dringend sowohl die Hohe Vertreterin der Europäischen Union, Catherine Ashton, als auch die Kommissarin für Menschenrechte, Viviane Reding, – zwei mächtige Frauen –, ohne weiteren Aufschub alle notwendigen Schritte gegenüber der iranischen Regierung und in internationalen Foren zu ergreifen, damit die Todesstrafe für Sakineh aufgehoben, Zahra freigelassen, die barbarische Praktik der Steinigung aufgegeben wird und erneute Bemühungen unternommen werden im Kampf, ein Moratorium der Todesstrafe zu erwirken und auch die demokratische Opposition im Iran zu unterstützen.
Wir, die weiblichen italienischen Abgeordneten in der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament, halten morgen Abend zusammen mit allen unseren Kolleginnen und Kollegen hier im Hof des Europäischen Parlaments in Straßburg eine Kerzenwache. Wir nennen es „Ein Licht für Sakinehs Leben“ und bitten alle Abgeordneten teilzunehmen, damit über diesen tragischen, äußerst symbolischen Fall kein Dunkel fällt und die Menschen im Iran und die Opposition im Iran nicht im Stich gelassen werden.
Wir fordern weitere, stärkere Interventionen von der Union, weil wir glauben, dass die Verteidigung der Menschenrechte hier und überall auf der Welt ein Bereich ist, in dem die Glaubwürdigkeit und Identität der Europäischen Union auf dem Spiel steht.
Nicole Kiil-Nielsen (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin! Der Fall von Sakineh Mohammadi-Ashtiani, der uns augenscheinlich heute Abend zusammenbringt und der viele Bürgerinnen und Bürger in Europa mobilisiert hat, sollte uns auch die Möglichkeit geben, die Situation einer Anzahl von Frauen zu diskutieren.
Ich denke da im Speziellen an Zahra Bahrami, die sich in derselben Situation befindet. Ihr droht die Hinrichtung nach einem Prozess unter ähnlichen Bedingungen, nämlich, dass sie mehrere Monate lang Druck, Isolation – totaler Isolation – Gewalt und Folter ausgesetzt war, damit sie Geständnisse ablegt, die schließlich, natürlich, nicht länger anerkannt werden. Die Anschuldigungen sind ähnlich: Krieg gegen Gott zu führen. Sie hat weder Kontakt zu einem Anwalt noch zu einem Verteidiger.
Auch wurde gerade erst der Fall eines jungen Mannes, Ebrahim Hamidi bekannt, eines Minderjährigen, der ebenfalls keinen Anwalt hat, und der Fall von Shiva Nazar Ahari, einer Journalistin und Menschenrechtsaktivistin. Für Amnesty International gilt sie als politische Gefangene und sie ist zurzeit in einem Käfig eingesperrt, in dem sie ihre Beine und Arme nicht bewegen kann. Ihr droht ebenfalls der Tod.
Ich glaube, dass unserem Parlament Anerkennung dafür gebührt, dass es sich zur Unterstützung von Frau Mohammadi-Ashtianis Fall und all dieser Situationen zusammenschließt. Wir fordern die Abschaffung der Todesstrafe, ein Moratorium all dieser Hinrichtungen, die unmittelbare Freilassung all derer, die an friedlichen Protesten teilgenommen haben, und natürlich die Freilassung von Minderjährigen, weil in diesem Land ebenfalls viele Minderjährige zum Tode verurteilt werden. Wir fordern auch dringend, dass dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes Zutritt zu den Gefangenen gewährt wird.
Oreste Rossi (EFD). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Vielzahl prominenter Mitglieder der Zivilgesellschaft, politische Führer, Akademiker und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und der katholischen Kirche hat sich zugunsten der Freilassung von Sakineh Mohammadi-Ashtiani, einer 42-jährigen iranischen Mutter, die wegen angeblichen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt ist, in der Öffentlichkeit geäußert. Dieses Urteil wurde auf der Grundlage eines Geständnisses, das nach einer Strafe von 99 Peitschenhieben erzwungen wurde, gefällt.
Die Strafmaßnahme Tod durch Steinigung gilt als eine Form der Folter, bei der das Opfer so eingegraben wird, dass nur noch der Kopf aus dem Boden ragt. Die Steine, die auf sie geworfen werden können, müssen scharfe Ecken und Kanten haben, aber nicht so, dass sie sie gleich töten können, und ihre Todesleiden, während sie noch bei Bewusstsein ist, müssen mindestens 20 Minuten dauern.
In den letzten Jahren sind hunderte von Frauen verschiedenen Alters im Iran für das Verbrechen des Ehebruchs zu Tode gesteinigt worden, und zurzeit befinden sich mindestens 40 weitere Frauen im Gefängnis, die dasselbe Schicksal ereilen wird. Meiner Ansicht nach ist es absolut notwendig, dass sich das Parlament gegen diese Barbarei ausspricht.
Michèle Striffler (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich spreche zu Ihnen im Namen meiner Kollegin, Frau Dati, die diese Entschließung im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) entworfen hat, heute aber leider in Paris aufgehalten wurde.
Frau Dati wollte diese Entschließung aus zwei Gründen einreichen.
Der erste ist natürlich, dass sie wollte, dass das Europäische Parlament den internationalen Organisationen, Regierungen und Personen weltweit, die sich für die Verteidigung von Sakineh Mohammadi-Ashtiani eingesetzt haben, beitritt, um die iranischen Behörden aufzufordern, ihr Todesurteil durch Steinigung aufzuheben.
Eine Institution wie das Europäische Parlament, das immer ein Vorreiter des Menschenrechtsschutzes war, kann nicht einfach schweigen und muss eingreifen, um seiner Weigerung, Frau Mohammadi-Ashtiani sterben zu sehen, Nachdruck zu verleihen. Mit dieser Entschließung muss das Parlament sagen, dass es keine Einmischung ist, auf alle allgemeingültigen Werte, die unser gemeinsames Erbe bilden, hinzuweisen.
Die zweite Begründung hinter dieser Entschließung ist, dass, ganz abgesehen von dem speziellen Fall von Frau Mohammadi-Ashtiani, Frau Dati das starke Engagement des Europäischen Parlaments demonstrieren wollte, alle Formen von Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Dadurch wird Frau Mohammadi-Ashtiani, ungeachtet ihrer selbst, zum Symbol all dieser Frauen, die Opfer von Gewalt sind.
Unsere Kollegin, Frau Oomen-Ruijten, hat schließlich unsere Aufmerksamkeit auf den Fall von Zahra Bahrami gelenkt, der niederländischen Staatsbürgerin, die im Iran verhaftet und gezwungen wurde, im Fernsehen übertragene Geständnisse abzulegen, um die gegen sie gemachten Anschuldigen zu bestätigen. Daher haben wir sie in diesen Entschließungsantrag aufgenommen.
Meine Damen und Herren, wir müssen die Stimme dieser beiden Frauen sein, die sich da, wo sie sind, nicht länger verteidigen können. Im Namen von Frau Dati möchte ich sie einfach darum bitten, mit großer Mehrheit dafür zu stimmen, um Ihre Hilfe anzubieten und gleichzeitig denjenigen eine Botschaft zu senden, die solche Urteile verhängen.
Ana Gomes (S&D). – (PT) Sakineh Ashtiani, Ebrahim Hamidi, Nasrin Sotoodeh, Zahra Bahrami und Mohammad Mostafaei sind nur eine Handvoll unter den Tausenden von Opfern der brutalen Verfolgung durch das Regime in Teheran. Wenn sie Ebrahim Hamidi, einen Minderjährigen, oder Sakineh Ashtiani, der die barbarische Tötung durch Steinigung droht, hinrichten, werden die Behörden in Teheran, zusätzlich zu der Tatsache, dass es sich um einen Verstoß gegen die Verpflichtungen ihres Landes als Vertragspartner des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte handelt, für abscheuliche Verbrechen verantwortlich sein, die Schande über die großartige iranische Zivilisation bringen.
Ich war vor einigen Tagen auf einer Demonstration in Lissabon – eine der vielen weltweit gegen die Verurteilung von Sakineh Ashtiani – und hoffte, dass Stimmen wie die von Präsident Lula da Silva von Brasilien von den Behörden in Teheran mit dem letzten Rest an Vernunft, Mitgefühl und Humanität, über den sie noch verfügen, gehört werden würden.
Unter dem Aspekt der Beziehungen der Europäischen Union mit dem Iran, Frau Präsidentin, sind die wichtigsten Aspekte der Entschließung, die wir morgen in diesem Plenarsaal verabschieden werden, diejenigen, die sich auf die Notwendigkeit beziehen, dass für alle, die für Repression und Unterdrückung der Freiheit im Iran verantwortlich sind, in der Europäischen Union ein Reiseverbot gilt und ihre Konten eingefroren werden, sowie die Forderung, dass die Kommission und der Rat Maßnahmen ergreifen, um denen effektiv zu helfen und die zu beschützen, die für Demokratie und Menschenrechte im Iran kämpfen. Das hat nicht nur damit zu tun, was der Iran im Moment ist, sondern auch und vor allem, mit dem, was wir in Europa sind: Verfechter der Werte von Menschen- und Grundrechten, die nicht nur europäisch sind, sondern universell.
Maria Da Graça Carvalho (PPE). – (PT) Frau Präsidentin! Sakineh Ashtiani ist das Gesicht der Hinrichtungen im Iran und das Symbol der Ungerechtigkeit der Gerichtsverfahren des Landes und seiner Verletzung der Grundrechte. Ich möchte mich den internationalen Solidaritätsbewegungen anschließen, die fordern, dass das Urteil aufgehoben und Sakineh Ashtiani sofort freigelassen wird: ihre Freiheit zu fordern, bedeutet auch, für die Gleichberechtigung der Frau, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit, aktiv an einer freien Gesellschaft teilzunehmen, zu kämpfen.
Ich unterstütze ausdrücklich Antidiskriminierungsanliegen und insbesondere das Anliegen der iranischen Frauen; Ich möchte ihre Rolle im Kampf für die Demokratie im Iran betonen. Der Mut und die Entschlossenheit vieler iranischer Frauen sind eine Inspiration, und wir müssen sie in diesem Kampf für die Demokratie und für die Zukunft des Iran mit Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung unterstützen.
Lena Kolarska-Bobińska (PPE). – (PL) Frau Präsidentin! Die Verurteilung der derzeitigen Geschehnisse im Iran ist extrem wichtig wie auch die Rettung von Menschenleben, aber wir senden auch eine Botschaft damit, die die Opposition erreicht und ihr die Kraft zum Handeln gibt. Wir müssen Einzelpersonen schützen. Ich glaube, dass wir eine detaillierte Debatte darüber führen müssen, was zu tun ist, um effektiver zu sein. Wir verkünden verschiedene Entschließungen, halten Debatten, Frau Ashton unternimmt verschiedene Maßnahmen, aber es gibt keine Reaktion darauf. Wenn wir vor der Welt nicht nur als Verfechter bestimmter Werte gelten wollen, wenn wir sicherstellen wollen, dass Menschenrechte nicht gebrochen werden, und wenn wir nicht nur als edel gelten wollen, sondern auch als effektiv, in dem, was wir sagen, dann müssen wir eine separate Debatte über die verschiedenen Maßnahmen führen, an denen wir nun beteiligt sein sollten, und wie wir effektiv sein können.
Marc Tarabella (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich schlage vor, den Iran zu steinigen. Wie kann man diese Art von barbarischer Behandlung gegenüber einem Menschen akzeptieren?
Wissen Sie, dass Männer während einer Steinigung hüfthoch eingegraben sind und Frauen wahrscheinlich anstandshalber bis zu ihrer Brust? Das islamische Strafgesetzbuch des Iran besagt, dass die Wurfgeschosse sorgfältig gewählt werden müssen. Durchschnittliche Größe ist die Regel. Sie dürfen weder zu groß sein, damit nicht einer schon ausreicht, um zu töten, noch zu klein, um noch Steine genannt zu werden. Darüber hinaus muss der ganze Vorgang etwas unter einer halben Stunde dauern.
Wie können wir außerdem die Reaktion von Hani Ramadan, dem Direktor des Islamischen Zentrums in Genf, verstehen, der uns versichert, dass es verboten ist, die Straffälligen zu beleidigen, und dass nach ihrem Tod für sie gebetet wird? Wie zynisch!
Was können wir in Europa für die angebliche Verbrecherin, Frau Mohammadi-Ashtiani, tun? Ich schlage das Recht auf Asyl in Europa für Frau Mohammadi-Ashtiani vor. Ich glaube nicht, dass das schon vorgeschlagen wurde, und es ist etwas, dass wir in die Entschließung aufnehmen könnten.
Izaskun Bilbao Barandica (ALDE). – (ES) Frau Präsidentin! Das Urteil, das das iranische Regime über Frau Sakineh Mohammadi-Ashtiani gefällt hat, gehört zu den vielen Menschenrechtsverletzungen, die vom Parlament verurteilt werden müssen.
Wie ihr Sohn verkündet hat, könnte sie nach dem Ramadan, der bald zu Ende ist, hingerichtet werden. Daher haben wir nicht viel Zeit und unsere Reaktion muss stark und entschieden genug sein, damit die iranischen Behörden so darauf reagieren, dass sie das Urteil nicht vollstrecken.
Diese Woche werden wir eine Demonstration vor dem Parlament abhalten, die ihre Freilassung fordert. Wir bitten alle Abgeordneten, uns bei diesem Versuch zu unterstützen, die Ausführung eines barbarischen Akts im 21. Jahrhundert zu verhindern. Das ist unsere Pflicht als Abgeordnete, als Bürgerinnen und Bürger und vor allem als Menschen. Ich bitte Baroness Ashton, den Rat und die Menschenrechtskommissarin darum, noch energischer bei der Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen und der Forderung vorzugehen, dass internationale Abkommen und Konventionen befolgt werden müssen, und jede mögliche politische Maßnahme zu verabschieden, um den Druck zu erhöhen und sicherstellen, dass der Iran die Menschenrechte respektiert.
Krisztina Morvai (NI). – (HU) Ich kämpfe seit Jahrzehnten, seit über zwanzig Jahren, gegen das Phänomen der Gewalt gegen Frauen, und in den letzten zehn Jahren als Anwältin für Menschenrechte und die Rechte von Frauen. Ich habe außerdem zwei Bücher über das Thema geschrieben, verstehen Sie mich also nicht falsch: Ich bin strikt gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen. Dennoch möchte ich Frau Ashtons Aufmerksamkeit auf etwas lenken, das sich von den von anderen vorgetragenen Themen unterscheidet. Ich möchte sie gerne nach Ungarn einladen und klarstellen, welche Arten von Menschenrechtsverletzungen direkt hier in Europa stattfinden. Sie haben nicht das Recht, andauernd die ganze Tagesordnung auf den Kopf zu stellen, – ich weiß nicht, zu wie vielen Gelegenheiten im vergangenen Jahr, seit ich hier im Europäischen Parlament bin –, um über Menschenrechtsverletzungen im Iran zu sprechen, während in Ungarn im Jahr 2006 Augen ausgeschossen wurden und unschuldige Menschen während Schauprozessen langzeitig eingekerkert wurden, und die Europäische Union hat überhaupt nichts unternommen. Heute hat einer der Oppositionsführer in Ungarn für eineinhalb.
(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin)
Barbara Matera (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, Damen und Herren! Sakineh Mohammadi-Ashtiani zu verteidigen, bedeutet das Leben zu verteidigen, das Recht auf Leben und daher das Recht, zu leben.
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie alle unsere Staatsverfassungen beinhalten neben ihren Grundsätzen die unantastbaren Rechte des Einzelnen, mit dem Recht auf Würde und Leben überhaupt.
Unser Kampf darf nicht einer Einzelperson gelten, sondern wir müssen uns für alle Menschen einsetzen, die irgendwo auf der Welt aus irgendeinem Grund ihres Lebens beraubt werden. Keine Begründung, keine Tradition, keine Religion, kein Gesetz und keine Behörde kann das Leben eines Einzelnen wegwerfen – und ich meine wegwerfen.
Tiefempfundene, aber entschlossene Maßnahmen sind gegen Länder notwendig, die die Todesstrafe oder jeden anderen Verstoß gegen die Menschenrechte genehmigen und ausführen. Europa muss in dieser Angelegenheit entschlossen vorgehen, einen festen Standpunkt einnehmen und in seinen diplomatischen und Handelsbeziehungen für diese Rechte Respekt erzwingen. Sakineh würde nicht das erste Opfer sein. Lassen Sie uns ihnen mitteilen, dass es reicht!
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich dem Parlament im Namen der Kommission für diese Debatte und die hier deutlich gezeigte Unterstützung für die Menschenrechte danken.
Im Namen der Kommission kann ich Ihnen versichern, dass alles Mögliche getan wird, um sicherzustellen, dass die iranischen Behörden zu Verhandlungen bereit sind und diese Fragen in diplomatischen Gesprächen geklärt werden können.
Im Namen von Baroness Ashton kann ich Ihnen ebenfalls versichern, dass wir uns nicht nur auf öffentliche Erklärungen beschränken werden, und in diesem Zusammenhang kann ich Ihnen sagen, dass ein weiteres Treffen am 29. August zwischen den lokalen Vertretern des EU-Ratsvorsitzes im Iran und der iranischen Regierung abgehalten werden wird. Die Kommission und die Hohe Vertreterin werden ihre Bemühungen fortsetzen, um Ergebnisse zu erzielen.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen. Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Mara Bizzotto (EFD), schriftlich. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte ist heute nötig, weil sich auch dieses Haus dem großen internationalen Bemühen anschließt, Hinrichtungen im Iran zu stoppen, besonders die Steinigung der jungen Sakineh. Dennoch, wie so oft, verlaufen Debatten dieser Art meistens auf Messers Schneide und es fehlt an Zeit, um Hinrichtungen oder andere Fälle grober Menschenrechtsverstöße zu verhindern. Wir sollten stattdessen überlegen, welche Art von Maßnahme wir ergreifen könnten, um die Ursachen der Menschenrechtsverletzungen in der Welt auszumerzen: Ursachen wie Diktaturen, Theokratien, islamischer Radikalismus und Totalitarismus. Was den speziellen Fall Iran betrifft, hoffe ich, dass niemand hier der Illusion unterliegt, dass die Maßnahmen, die wir ergreifen, die Maßnahmen, die das Europäische Parlament im Bereich der Beziehungen zum Iran ergreift, bei den Entschließungen, über die wir abstimmen, aufhören können, wie rechtschaffen sie auch immer sind und wie sehr wir ihnen auch zustimmen. Wir können nicht tolerieren, dass die Theokraten aus Teheran und die Fanatiker, die dieses Land regieren, in unser Parlament kommen, wie das vor ein paar Monaten der Fall war, und uns über Demokratie belehren. Die Maßnahmen, die wir ergreifen, sollten der EU als Impuls dienen, das Problem der Beziehungen mit Teheran bestimmt, unmissverständlich und entscheidend in Angriff zu nehmen.
Zita Gurmai (S&D), schriftlich. – Die Verbrechen, derer Frau Ashtiani angeklagt ist, sind frei erfunden und unklar. Sie wurde während des Gerichtsverfahrens gefoltert und unter Druck gesetzt. Sie wurde aller Rechtsgarantien beraubt. Ihr Anwalt wurde von den Behörden schikaniert. Das ist unmöglich. Zunächst wurde sie wegen Ehebruchs verurteilt. Es ist kaum zu glauben, dass so etwas überhaupt vor Gericht kommt! Keine menschliche Macht hat das Recht, in die Schlafzimmer von Menschen einzudringen, solange ihr Privatleben einvernehmlich und liebevoll ist. Menschliches Leben ist nicht reproduzierbar; jedes Leben ist in seiner Einzigartigkeit wertvoll. Es muss wertgeschätzt und beschützt werden, auch in Strafverfahren. Daher ist die Todesstrafe an sich inakzeptabel. Es gibt keine moralische oder religiöse Rechtfertigung für die Todesstrafe. Diejenigen, die glauben, dass „Gott den Menschen nach seinem eigenen Abbild geschaffen hat“, sollten auf der Grundlage dagegen sein, dass kein Mensch das Recht hat, Gottes Ebenbild zu zerstören oder sein größtes Geschenk zu nehmen: das Leben. Ich bin froh darüber, dass die europäischen Länder ihre Stimmen gegen diese brutale Strafverfolgung erhoben haben. Frau Ashtiani wurde vor zwei Tagen ausgepeitscht, und ihr Sohn befürchtet, dass sie nach dem Ramadan hingerichtet wird. Ich hoffe, dass wir noch genügend Zeit haben.
19. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
Die Präsidentin. – Der nächste Punkt sind die Ausführungen von einer Minute zu Fragen von politischer Bedeutung in Übereinstimmung mit Artikel 150 der Geschäftsordnung.
Rosa Estaràs Ferragut (PPE). – (ES) Frau Präsidentin, Artikel 3 des Vertrages von Lissabon verleiht der Europäischen Union die Verantwortung für eine wirtschaftliche, soziale und territoriale Kohäsion und für die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Diese Kohäsion, und insbesondere die territoriale Kohäsion, ist daher eine der Hauptzielsetzungen der Union, um eine harmonische Entwicklung sicherzustellen und regionale Disparitäten zu beseitigen. Der Vertrag von Lissabon erwähnt auch, dass die Inselregionen unterstützt werden sollen.
Ich spreche, weil die spanische Regierung eine Kürzung der Zuschüsse für Preisnachlässe auf Flüge zu den Balearen, den Kanaren, Ceuta und Melilla für die Anwohner angekündigt hat. Anders ausgedrückt, sie beabsichtigt die Preisnachlässe für Anwohner zu kürzen. Für die Anwohner dieser Regionen ist der Luftverkehr essenziell. Sie können sich das nicht aussuchen, sondern sie sind davon abhängig, da es die einzige Möglichkeit ist, in Kontakt mit der Außenwelt zu treten, und daher wird die Aufrechterhaltung der Preisnachlässe sicherstellen, dass diese Regionen Chancengleichheit haben und konkurrieren können.
Ich bitte das Parlament, diese territoriale Kohäsion zu unterstützen, und ich vertraue darauf, dass die spanische Regierung dadurch die Aufhebung dieser Preisnachlässe überdenken wird.
Alexander Mirsky (S&D). – (LV) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir wissen, dass es nicht richtig ist, zu lügen. Wir wissen, dass das Betrug ist, wenn jemand etwas verspricht, dann aber diese Versprechen nicht einhält. Vor sechs Jahren, als die Verhandlungen über Lettlands Beitritt zur Europäischen Union stattfanden, versprach die lettische Regierung dem EU-Erweiterungskommissar, dass es das Problem der Nicht-Staatsbürger lösen würde. Bis zum heutigen Tage ist dieses Problem nicht gelöst worden. Lettland gehört seit langem zur EU, aber 300 000 Menschen in Europa, die in Lettland leben, haben heute immer noch keinen Status. Es scheint mir, dass Lügen auf europäischer Ebene Mode geworden ist. Vielleicht liege ich falsch. Wenn ich falsch liege, dann muss dieses Problem gelöst werden. Es ist sehr wichtig. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Chris Davies (ALDE). – Frau Präsidentin! Wir haben bei vielen Gelegenheiten die Gaza-Frage und die Wirtschaftsblockade diskutiert, die von Israel aufrechterhalten wird, und das Elend, die diese erzeugt, aber wir haben nicht häufig Gelegenheit, die guten Dinge zu feiern, die aus dem Gaza-Streifen kommen.
Im Verlauf des Sommers wurden dort zwei Weltrekorde von Kindern aufgestellt. Siebentausend Kinder brachen den Weltrekord für Basketballspielen und eine ähnlich hohe Zahl von Kindern brach den Weltrekord für Drachenfliegen. Dies alles ist dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und dem Sommercamp-Programm zu verdanken, das dort für Kinder organisiert wurde, um ihnen unter den wirklich katastrophalen Verhältnissen etwas zu tun zu geben.
Ich hoffe, das Haus wird den Kindern zu dieser Leistung gratulieren und sich daran erinnern, dass die Hälfte der Bevölkerung in Gaza unter 18 Jahre alt ist. Sie haben niemanden gewählt. Sie sind nicht für die Probleme oder Konflikte in dieser Region verantwortlich. Sie wollen nur ein normales Leben und Hoffnung und Träume für die Zukunft. Ich danke außerdem dem UNRWA und seiner Organisation und allen Palästinensern, die dafür arbeiten, um diese Sommercamps zu ermöglichen.
François Alfonsi (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin! Die internationale Presse hat uns einige ermutigende Neuigkeiten aus dem Baskenland beschert. Einer der Protagonisten des bewaffneten Konflikts, die ETA, hat gerade öffentlich die Initiative zugunsten einer politischen und friedlichen Lösung ergriffen. In ihrer Erklärung nennt sie das Ende militärischer Aktionen, was über die einfache Waffenruhe hinaus geht, über die von den Medien berichtet wird, und die Einführung einer internationalen Überwachung beinhaltet, an der sich die Europäische Union in vollem Umfang beteiligen muss.
Die Europäische Union hat schon einmal einen entscheidenden Beitrag zur Implementierung und dann zur Konsolidierung des Friedensprozesses 1998 in Nordirland geleistet. Auch im Baskenland muss die Europäische Union zu ihren Verantwortlichkeiten stehen, die groß sind, damit die heute erneuerte Hoffnung nicht durch all die Vorurteile unterminiert wird, die von den Konservativen immer wieder aufgewärmt werden. Das Europäische Parlament muss sicherstellen, dass es jede mögliche Gelegenheit ergreift, um im Baskenland, das mitten im Herzen der Europäischen Union liegt, endlich Frieden zu verbreiten.
Frau Präsidentin! Ich möchte noch einmal betonen, dass der Baskenkonflikt mitten im Herzen der Europäischen Union stattfindet. Es ist ein gefährlicher Fluch für die Demokratie, und die Union kann daher nur dabei gewinnen, wenn sie aktiv an einer friedlichen Lösung mitwirkt.
Ashley Fox (ECR). – Frau Präsidentin! Jeder Mitgliedstaat der EU befindet sich in einer Epoche der Sparsamkeit. In ganz Europa werden die Staatsausgaben radikal gekürzt, trotzdem sehen sich die Steuerzahler Jahr für Jahr gezwungen, die wachsenden Ausgaben der Europäischen Union zu finanzieren. Wir müssen uns selbst fragen, warum es nicht die höchste Priorität dieses Parlaments ist, die Steuerzahler, die wir repräsentieren, zu beschützen, und die Ausgaben der EU zu reduzieren.
Es ist absurd, dass, während zu Hause an Ausgaben für Gesetz und Ordnung und Ausbildung und für andere wichtige öffentliche Dienste gespart wird, die EU keine solche Disziplin an den Tag legt. Die Gehälter vieler Angestellten im öffentlichen Dienst sind eingefroren oder sogar gekürzt worden – ich frage mich, wie viel Solidarität der Kommissar, der dort sitzt, ihnen zeigen wird. Wenn die Mitgliedstaaten ihre Ausgaben in den nächsten fünf Jahren real um 20 % kürzen, sollten wir fordern, dass die EU dasselbe macht. Dieses Parlament sollte fordern, dass die Kommission ihre Ausgaben senkt und das nicht ausgegebene Geld an die Mitgliedstaaten zurückerstattet.
VORSITZ: DAGMAR ROTH-BEHRENDT Vizepräsidentin
Nikolaos Chountis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Die Kreditkrise im Euroraum, die mein Land, Griechenland, auf Beharren der Europäischen Union zum Internationalen Währungsfonds gebracht hat, hat die ernstlichen sozialen und demokratischen Defizite in der Europäischen Union und vor allem im Vertrag von Lissabon hervorgehoben.
Somit haben wir zu den sozialen Schlägen (in Griechenland wurden zum Beispiel Tarifverträge aufgehoben) auch noch politische Schläge erlitten: Die gewählte griechische Regierung ist unfähig, Entscheidungen zu treffen, weil all das in dem mit der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds unterzeichneten Memorandum festgelegt wurde; das Europäische Parlament ist unfähig, eine diese Entscheidungen gutheißende oder ablehnende Entschließung zu verabschieden, und all dies wird in Präsidialerlassen entschieden.
Was ich jedoch hervorheben wollte ist, dass wir auch einen politischen Schlag auf europäischer Ebene erlitten haben, da weder das Volk noch das Europäische Parlament zu den Finanzierungsmechanismen befragt wurde, die gemäß Artikel 122 geschaffen wurden, um den Ländern Europas die Kreditaufnahme zu ermöglichen.
Mit anderen Worten: Es hat eine Institutionsänderung gegeben, weshalb ich Sie auffordern möchte, Frau Präsidentin, dieses Thema aufzugreifen und diese Angelegenheit gemäß Artikel 218 über den Abschluss internationaler Abkommen im Europäischen Parlament zu diskutieren.
John Bufton (EFD). – Frau Präsidentin! Als Abgeordneter für Wales habe ich mit großer Besorgnis von Kommissar Lewandowskis Plan gehört, den britischen Beitragsrabatt abzuschaffen. Herrn Lewandowski zufolge ist der Beitragsrabatt nicht mehr gerechtfertigt, da sich der EU-Haushalt grundlegend geändert und der Beitragsrabatt damit seine ursprüngliche Legitimation verloren hat.
Herr Lewandowski, Sie bezeichnen sich selbst als einen ehrlichen Makler, dann erklären Sie mir bitte, warum die Briten ständig mehr zahlen sollen. Wo bleibt hier die Ehrlichkeit?
Wie Sie vielleicht wissen, werden die britischen Steuerzahler schlussendlich 10 Mrd. GBP als Teil des Internationalen Währungsfonds beitragen. Zusätzlich werden wir dazu aufgefordert, Griechenland, Lettland und Ungarn, die wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, finanziell zu unterstützen. Anscheinend wird Großbritannien dazu gezwungen sein, etwa 23 Mrd. GBP zur Stützung des Euros aufzuwenden. Was noch? Wie viel werden wir noch zahlen müssen? Die EU fordert die nationalen Regierungen dazu auf, ihre öffentlichen Ausgaben zu kürzen, während der EU-Haushalt im nächsten Haushaltszeitraum absurder Weise zunimmt. Wie lange werden wir noch für die EU und den Euro bezahlen müssen? Welchen Vorteil haben die Briten davon, Teil dieser unechten Union zu sein?
(Die Präsidentin unterbricht den Redner.)
Csanád Szegedi (NI). – (HU) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Ungarn haben wir letzte Woche den 70. Jahrestag des Zweiten Wiener Schiedsspruchs gefeiert. Auf der Grundlage dieses Schiedsspruchs wurde das nördliche Siebenbürgen an Ungarn zurückgegeben und damit die Ungerechtigkeit, die Europa Ungarn durch den auf den Ersten Weltkrieg folgenden Vertrag von Trianon zuteil werden ließ, ein wenig wiedergutgemacht. Mit diesem Schiedsspruch, mit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch, gab Europa zu, dass der Vertrag von Trianon ein schlechter Vertrag war. Leider wurde das nördliche Siebenbürgen seinem Mutterland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder entrissen. Die Bewegung für ein besseres Ungarn vertraut darauf, dass die ungarische Nation nach 70 Jahren sobald wie möglich wieder ohne Grenzen in der Europäischen Union vereint sein wird. Ich rufe das Europäische Parlament dazu auf, für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Regionen Érmellék und Székely offen zu sein. Vor drei Monaten habe ich in Székely ein Büro eröffnet, um mir die Beschwerden der ethnischen Ungarn über die Grenze hinweg aus erster Hand anzuhören. Ich möchte mich an meine Kollegen wenden und ihnen empfehlen, solche Anlaufstellen an so vielen Orten wie möglich einzurichten: im Baskenland, in Südtirol.
(Die Präsidentin unterbricht den Redner.)
Mariya Nedelcheva (PPE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich möchte das Thema ansprechen, das zurzeit in allen Schlagzeilen steht, nämlich die Integration der Roma in Europa. Morgen wird eine Debatte mit der Kommission und dem Rat geführt werden. Ich hoffe, dass diese produktiv sein wird, dass die Kommission ihre Aufgabe, über die europäischen Rechtsvorschriften zu wachen, wahrnehmen wird und dass die in Frankreich ausgelöste Kontroverse keine endlose Flut an instrumentalisierten, populistischen Reden hervorrufen wird.
Was die Roma jetzt brauchen sind keine parteiischen Auseinandersetzungen. Sie brauchen eine wirkliche europäische Strategie, die auf nachhaltige Lösungen zu ihrer Integration abzielt. In diesem Sinne müssen wir uns auf den Zugang zu Bildung konzentrieren, die Einführung geeigneter Ausbildungskurse als wesentlichen Bestandteil der Strategie EU 2020 bedenken, den Zugang zum Gesundheitswesen – Beratung, Behandlung, Medikamente, Familienplanung – fördern und vor allem Lösungen für eine fortdauernde Integration der Roma in den Arbeitsmarkt finden.
Schließlich wird diese Integration mit Hilfe der dafür vorgesehenen europäischen Mittel erfolgreich gelingen. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten diese vernünftig einsetzen.
Lassen Sie uns diese Gelegenheit, das Problem in den Griff zu bekommen, nicht verpassen, sodass wir die Integration der Roma auf intelligente Weise in Angriff nehmen können.
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D). – (RO) Schengen ist ein gemeinsamer Raum zur Förderung der Freizügigkeit. Ich glaube, dass Rumänien die festgelegten Anforderungen für diejenigen Bereiche erfüllt, die bisher bewertet wurden. Dies wurde durch die bislang durchgeführten Bewertungsmissionen bestätigt, und das Bewertungsverfahren soll zum Ende dieses Jahres abgeschlossen werden.
Vor diesem Hintergrund glaube ich fest daran, dass Rumänien in der Lage ist, die Migrantenströme an den Außengrenzen des Schengen-Raumes effizient zu regeln und zwar gemäß den Normen, die von den gegenwärtigen Schengen-Mitgliedstaaten, die sich derzeit mit dieser Angelegenheit befassen, eingehalten werden.
Dieser Aspekt steht jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der Freizügigkeit der europäischen Bürgerinnen und Bürger in der gesamten Europäischen Union. Folglich muss es Ziel der Koordinierung auf EU-Ebene sein, die Lage der Roma in ganz Europa zu verbessern und die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern nicht einzuschränken. Außerdem halte ich es für inakzeptabel, eine Verbindung zwischen der Roma-Angelegenheit und anderen Themen wie Rumäniens Beitritt zum Schengen-Raum herzustellen.
Izaskun Bilbao Barandica (ALDE). – (ES) Frau Präsidentin! Ich möchte das Verprügeln von Menschenrechtsaktivisten am 28. August durch die marokkanische Polizei in El Aaiún verurteilen.
Menschenrechtsverletzungen in Israel, China und Marokko müssen, wie es bereits für Kuba, Venezuela und Honduras mit Recht geschieht, kritisiert werden. Wieder einmal haben wir das nicht getan, und unsere Glaubwürdigkeit in Europa und weltweit steht auf dem Spiel.
Bezüglich der Grundrechte kann ich, als europäische und baskische Bürgerin die Tatsache, dass die ETA gestern einen Waffenstillstand angekündigt hat, nicht ignorieren, jedoch hat diese nicht den Schritt gemacht, den wir uns erhofft haben. Wir wollen, dass sie ihre Aktionen permanent und durch unabhängige Dritte nachweisbar einstellt. Wir wollen hören, dass die ETA der Gewalt für immer abschwört und den Schaden, den sie angerichtet hat, zugibt.
Die Zukunft des Baskenlandes liegt allein in den Händen der baskischen Gesellschaft und ihrer demokratisch gewählten Vertreter. Ich fordere Sie auf, dass wir seitens des Parlaments diese Minimalanforderungen an die ETA stellen, und werde die betreffenden Initiativen dafür ausarbeiten.
Marek Henryk Migalski (ECR). – (PL) Während der Parlamentsferien gab es noch eine weitere Menschenrechtsverletzung durch unseren Partner im Osten, nämlich Russland. Wir haben die Entführungen in Inguschetien und Dagestan beobachtet und mitbekommen, dass verschiedene Demonstrationen nicht erlaubt wurden. Dies war der Fall am 31. Juli, am 30. August und am 31. August. Unter den Verhafteten waren Lev Ponomarev, Sergei Udaltsov, Mikhail Sznaider, Andrei Dmitrev, Aleksandr Gudimov und Andrei Pivarov. Am 25. August wurde während eines U2-Konzerts in Moskau der Stand von Amnesty International geschlossen und niedergerissen. Ich denke, dass bedauernswerte Vorfälle dieser Art immer ein Thema der Diskussionen sein sollten, die alle Gemeinschaftsorgane mit unseren Partnern im Osten führen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Diesen Sommer konnte nicht einmal die Saisonarbeit die Arbeitslosigkeit senken: Gemäß den jüngsten Eurostat-Daten liegt die durchschnittliche Arbeitslosigkeit im Euroraum bei 10 % der aktiven Bevölkerung, jedoch bei über 20 % der jungen Leute in der Europäischen Union.
Besonders bedenklich ist es, dass die Europäische Kommission, der Rat und die nationalen Regierungen diesem Problem keine größere Priorität geben und auf eine eingeschränkte Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zusammen mit Sparprogrammen bestehen. Auf diese Weise zerstören sie auch die Zukunft einer ganzen Generation von jungen Leuten. In einigen Ländern, wie z.B. Frankreich, geht man sogar dazu über, massenweise Gruppen von Roma auszuweisen oder in ihre Länder zurückzuschicken. Dies ist mit einer Förderung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf Staatsebene gleichzusetzen. Dieses Verhalten ist inakzeptabel und verdient unsere Ablehnung. Es wird außerdem deutlich gemacht, dass die Freizügigkeit letzten Endes nur für Kapital und Waren gilt. Ein Bruch mit dieser Politik ist dringend erforderlich. Es ist eine wesentliche Erfordernis für die Europäische Union, die Menschenrechte zu schützen und mit Arbeitnehmerrechten verbundene Arbeitsplätze zu schaffen.
José Manuel Fernandes (PPE). – (PT) In der Europäischen Union verbrennen leider jährlich mehrere hunderttausend Hektar Wald. Allein dieses Jahr sind in Portugal über 100 000 Hektar verbrannt. Nicht einmal geschützte Gebiete wie Peneda-Gerês sind dem entkommen: Über 8 000 Hektar sind allein in diesem Nationalpark verbrannt.
Diese immer wiederkehrenden Katastrophen zerstören Natur- und Kulturerbe, führen zu irreparablen Schäden der Biodiversität, zerstören die Infrastruktur und verschlimmern Umweltprobleme. Die Europäische Union investiert nicht in Brandprävention. Weiterhin sind viele dieser Brände die Folge von Wüstenbildung und fehlenden politischen Strategien für den ländlichen Sektor. Daher trete ich dafür ein, dass es an der Zeit, sogar dringend an der Zeit ist, dass die Europäische Union eine Strategie zur Waldbrandprävention entwickelt und die Hilfsprogramme für den ländlichen Sektor verstärkt.
Corina Creţu (S&D). – (RO) Drei Monate sind vergangen seit László Tőkés zu einem der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments wurde.
Seit seiner kontroversen Wahl hat Herr Tőkés leider die Befürchtungen derjenigen bestätigt, die vor den Risiken der Wahl eines Mannes warnten, der ein eiserner Verfechter des auf ethnischen Kriterien gegründeten Separatismus ist und Hass in einem Gebiet sät, wo sich neue Mitgliedstaaten der EU bemühen, die Wunden der Vergangenheit zu schließen und sich im Sinne eines vereinten Europas zu versöhnen.
In seiner neuen Position als Vizepräsident wurde der Ton von Herrn Tőkés extremistischen, chauvinistischen Botschaften bedauerlicherweise noch härter und es kam sogar so weit, dass er Straßenaktionen zur Unterstützung ethnischer territorialer Autonomie in bestimmten Gebieten Rumäniens initiierte. Dieses Verhalten markiert einen ernsten Angriff auf die Integrität eines Mitgliedstaates der Europäischen Union.
Aus diesem Grund, aufgrund dieses Verhaltens, das europäischen Werten und Normen widerspricht, fordere ich, dass László Tőkés Befugnisse als Vizepräsident des Europäischen Parlaments zur Diskussion gestellt und aufgehoben werden.
Ramon Tremosa i Balcells (ALDE). – Frau Präsidentin! Wie Sie vielleicht wissen, haben wir letzte Woche die Verhandlungen über das Finanzaufsichtspaket, über das bei der nächsten Plenarsitzung abgestimmt werden soll, abgeschlossen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir den Vorschlag, dass der Präsident der Europäischen Zentralbank für die ersten fünf Jahre automatisch Präsident des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken werden soll, bis zum Schluss verteidigt haben.
Meiner Ansicht nach ist diese Reform sehr wichtig. Sie bedeutet, dass die Europäische Zentralbank viel mehr in die Finanzaufsicht der europäischen Finanzmärkte und -institutionen eingebunden wird. Das bedeutet auch, dass Herr Trichet in Zukunft bei seinen regelmäßigen Anhörungen in diesem Parlament auch Fragen zur Finanzaufsicht und nicht nur zur Preisstabilität beantworten muss.
Als Liberaler halte ich mehr von Reformen als von Revolutionen. Dank dieser Reform wird es für die Finanzinstitutionen, die diese Krise verursacht haben, schwieriger sein, weiterzumachen wie bisher.
Marisa Matias (GUE/NGL). – (PT) Vor einigen Tagen wurde in Arouca, Portugal, dem gesamten Personal einer Schuhfabrik ganz einfach per SMS und ohne weitere Erklärung gekündigt. Ich bringe dies hier zur Sprache, weil es sich dabei leider um ein krasses Beispiel für missbräuchliche Massenentlassungen in Europa handelt. Dies läuft jeglichen europäischen Rechtsvorschriften zuwider und verletzt selbst die geringste Spur von gesundem Menschenverstand, Respekt und Würde.
Seit Beginn der Krise sind 8 Mio. Menschen in Europa arbeitslos geworden, und insgesamt liegt die Arbeitslosigkeit bei 25 Millionen. Wie viele dieser Menschen werden wohl auf eine solch schändliche Art und Weise wie diese entlassen worden sein? Ich schätze eine zunehmende Anzahl, leider. Die Europäische Union sagt, dass sie auf eine lange Tradition der Gewährleistung von Arbeitnehmerrechten zurückblickt. Nichtsdestotrotz waren die aktuellen Rechtsvorschriften bislang nicht wirksam. Da dies der Fall ist, möchte ich fragen, welche zusätzlichen Maßnahmen die Kommission treffen wird? Deshalb ist dieses Thema auch von so erheblicher Bedeutung. Es gibt keine Berechtigung für derartige Entlassungen, wie sie in Arouca stattgefunden haben. Menschen per SMS zu entlassen, ist eine Innovation, jedoch keine gute, sondern mit Sicherheit eine der schlimmsten.
Jim Higgins (PPE). – Herr Präsident! Die Anglo Irish Bank ist zum verwesenden Kadaver des Corporate Banking geworden. Ihre Rücksichtslosigkeit hat dazu geführt, dass sie eine Hilfe von 25 Mrd. EUR bekommen hat, bzw. wurde das ursprünglich so gesagt. Nun werden es voraussichtlich 35 Mrd. EUR sein.
Tatsächlich weiß es die irische Regierung nicht. Sie schätzt den Betrag nur. Was wir jedoch wissen, ist, dass dies den irischen Steuerzahler 210 Mio. EUR pro Woche kostet. Was wir wissen, ist, dass die Bank für die ersten sechs Monate dieses Jahres Verluste von 8,2 Mrd. EUR bekannt gegeben hat, und ihre Situation wird immer schlimmer.
Der irische Finanzminister versucht diese Woche in Brüssel, die Erlaubnis der EU zu bekommen, die Hilfszahlungen fortzusetzen. Ich fordere die Kommission und den Kommissar für Wettbewerb auf, dem Minister so offen wie möglich zu sagen, dass die Bank nicht erst, wie die irische Regierung will, in zehn, sondern bereits in zwei oder drei Jahren geschlossen werden sollte. Das ist eine Verschwendung, die wir uns nicht leisten können.
María Muñiz De Urquiza (S&D). – (ES) Frau Präsidentin! Jetzt gerade warten in Chile 33 Bergarbeiter unter Tage darauf, gerettet zu werden. Sie haben die volle Unterstützung der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament so wie auch die Bergarbeiter in den Grubenschächten und Straßen von Asturien, El Bierzo, Aragón und Palencia, die die Rettung des europäischen Kohlenbergbaus fordern.
Diese Rettung liegt in der Hand der Europäischen Kommission, und wenn diese über die Durchführbarkeit der spanischen Königlichen Verordnung und der europäischen Kohlebeihilferegelung entscheidet, wird sie über den Lebensunterhalt von 40 000 Familien in Spanien entscheiden. Sie wird Investitionen in Technologien zur Kohlegewinnung und sauberen Kohleverbrennung fördern oder hemmen und wird daher über die Zukunft vieler europäischer Regionen mit führender Stellung in der Branche, einschließlich meiner Region Asturien, und über das Überleben unserer einzigen einheimischen Energiequelle entscheiden.
Die Kommission muss sich der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und strategischen Folgen einer Entscheidung gegen die Kohle, den Bergbau und seine Arbeitnehmer bewusst sein.
Carl Haglund (ALDE). – (SV) Frau Präsidentin! Letztes Jahr hat der Fischereiausschuss des Europäischen Parlaments aufgrund eines Massakers in der Hauptstadt Conakry gegen die Verlängerung des partnerschaftlichen Fischereiabkommens mit Guinea gestimmt. Diesen Herbst und im August haben wir die Wahlen in Guinea vorbereitet. Das sind die ersten wirklich demokratischen Wahlen seit 1958. Die EU hat glücklicherweise Wahlbeobachter nach Guinea geschickt, und einer unserer Kollegen ist nun dort und leitet eine der Unternehmungen zur Verfolgung der Wahlen und um sicherzustellen, dass sie auf demokratische Weise durchgeführt werden.
Dieser Teil der Welt braucht die Unterstützung der EU. Im Nachbarland Guinea-Bissau war es uns möglich, den Handel von Drogen und anderen Waren zu überwachen, deren Bestimmungsort faktisch Europa ist, wobei die Drogen aus Lateinamerika stammen. Die Wahlen in Guinea haben sich als so schwierig herausgestellt, dass der zweite Wahlgang wegen weit verbreiteten Wahlbetrugs bis zum 19. September verschoben werden musste. Es ist wichtig, dass wir hier im Parlament davon Notiz nehmen und unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, die Lage in Westafrika zu festigen.
Cristian Dan Preda (PPE). – (RO) Meine Rede bezieht sich auf das gestern in der Republik Moldau durchgeführte Referendum, bei dem die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert wurden, zu entscheiden, ob sie damit einverstanden sind, ihren Präsidenten direkt zu wählen. Diese Änderung hätte für ein Ende des schon viel zu lange dauernden politischen Stillstands in Chişinău gesorgt.
Die Kommunisten in der Republik Moldau haben zu einem Boykott des Referendums aufgerufen. Leider war ihre Taktik erfolgreich, denn das Referendum wurde wegen zu niedriger Beteiligung für ungültig erklärt.
Die Gegner der Kommunisten, die Koalition der demokratischen Parteien in Chişinău, müssen über diesen Misserfolg hinwegkommen und vor allem ihren Stolz hinunterschlucken und dann, so glaube ich, müssen sie dem Land helfen, seinen europäischen Weg fortzusetzen. Die Wahlen, die im November stattfinden sollen, sind ein entscheidender politischer Test hinsichtlich der Annäherung der Republik Moldau an die Europäischen Union.
Cătălin Sorin Ivan (S&D). – (RO) Wie Sie bereits gehört haben, befand sich die Republik Moldau während gut über einem Jahr in einer politischen Pattsituation. Dennoch sind wir uns alle bewusst, dass das Land in Anbetracht der kurzen Zeit, die es zur Verfügung hatte, einen großen Schritt in Richtung der Europäischen Union gemacht hat.
Das gestrige Referendum hätte tatsächlich zum Ende dieses politischen Stillstands in der Republik Moldau und zu deren Annäherung an die Europäische Union führen können. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Dennoch denke ich nicht, dass dies einen Sieg der Kommunisten über das Bündnis für europäische Integration bedeutet, sondern lediglich ein kleines Hindernis auf dem Weg der Republik Moldau zur Europäischen Union darstellt.
Ich glaube, dass die Republik Moldau weiterhin unterstützt und ermutigt werden muss, da sie deutlich gezeigt hat, dass ihr Schicksal mit Europa verbunden ist.
Metin Kazak (ALDE). – (BG) Frau Präsidentin! Der Protest der Imame und Muftis aller 1 200 Muslimräte in Bulgarien, der im Juni begonnen hat, weitet sich aus. Am Samstag wurde das Büro des Obermuftis in Sofia von Sicherheitsleuten besetzt, die der Vorsitzende des Obersten Muslimrats, Nedim Gencev, der gegen den Willen der Gläubigen gerichtlich eingesetzt wurde, geschickt hatte. Diese Sicherheitsleute hielten die Angestellten davon ab, das Gebäude an den Tagen vor dem heiligen muslimischen Feiertag Eid al-Fitr zu betreten. Die Muftis legten 213 000 Unterschriften zur Bestätigung ihrer 2009 gewählten legitimen Führung vor, die noch immer vom Gericht abgelehnt wird. Diese lächerliche Situation unterstreicht die grobe Einmischung des Staates in die Selbstverwaltung religiöser Gemeinschaften ganz nach dem Prinzip „Teile und herrsche“.
Die Muslime in Bulgarien sind Opfer illegaler Handlungen, die die Rechtsstaatlichkeit verletzen, und dies aufgrund der Trägheit der Justiz und einer Regierung, die nicht in der Lage ist, den Bürgerinnen und Bürgern Vereinigungs- und Religionsfreiheit zu garantieren. Daher fordere ich, dass die Europäische Kommission Sonderermittlungen in diesem Fall durchführt.
Vielen Dank.
Martin Ehrenhauser (NI). - Frau Präsidentin! Ich möchte mich nur kurz zu den EU-Agenturen äußern. Ich habe heute in Wien ein kleines Taschenbuch zum Thema EU-Agenturen präsentiert. Bei den Analysen für dieses Taschenbuch hat sich gezeigt, dass wir kommendes Jahr mittlerweise über vierzig Agenturen haben werden, wenn man die Exekutivagenturen, die dezentralen Agenturen und die Agenturen des Rates zusammenrechnet. Wir werden dann jährlich insgesamt 1,7 Mrd. Euro ausgeben, und es werden um die 7 000 EU-Beamte in dieser heimlichen zweiten EU-Bürokratie beschäftigt sein.
Der Wildwuchs und die Probleme, die dadurch entstanden sind, sind mittlerweile offenkundig. Was dringend benötigt wird, sind Lösungen. Ich habe in meinem Taschenbuch ein Elf-Punkte-Programm formuliert, wie man jährlich 500 Millionen Euro an Steuergeldern einsparen kann. Jeder Bürger kann sich das gratis bei mir über die Website bestellen.
Miroslav Mikolášik (PPE). – (SK) Der tragische Vorfall, der sich letzten Montag im Stadtteil Devinska Nova Ves in Bratislava abspielte und das Leben von acht slowakischen Bürgerinnen und Bürgern kostete, hat die ganze Slowakei erschüttert und betrübt. Zusätzlich zu den Opfern des Maschinengewehrfeuers wurden weitere 15 Menschen verletzt. Den bisherigen Ermittlungen zufolge waren schlechte Nachbarschaftsbeziehungen das Motiv der Schießerei, die sehr wahrscheinlich eine labile Einzelperson zu dieser entsetzlichen Tat provoziert haben. Sie war jedoch nicht rassisch begründet, da nur eines der acht Opfer den Roma angehörte.
Die Behörden reagierten schnell, das Eingreifen der Spezialeinheit der Polizei war angemessen und die Regierung überwacht nun die Untersuchung dieser brutalen Tat sehr genau und wird durch ihre Politik Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und zum Schutz ihrer Rechte unterstützen. Besondere Aufmerksamkeit gilt so genannten Hochrisikogebieten und der Neubeurteilung. Ich möchte nur noch hinzufügen, Frau Präsidentin, dass die Slowakische Republik einen Staatstrauertag zum Gedenken der Opfer ausgerufen hat.
Derek Vaughan (S&D). – Frau Präsidentin! Da die Mitgliedstaaten ihre öffentlichen Ausgaben drastisch kürzen, möchte ich auf die Rolle hinweisen, die die EU einnehmen kann, um uns dabei zu helfen, die Konjunktur zu beleben.
Der EU stehen viele bedeutende Mittel, einschließlich FP7, der Finanzierung durch den Entwicklungsplan für den ländlichen Raum und der Strukturfonds, zur Verfügung.
Ein neueres Beispiel, wie diese Mittel sinnvoll eingesetzt werden können, ist die heutige Ankündigung einer Verteilerstraße für 107 Mio. GBP in Port Talbot in Wales. Über 50 Mio. GBP dieser Gelder kommen vom EFRE. Durch dieses bedeutende Projekt wird sich ein ganz neues Stadtgebiet für eine zukünftige Erneuerung auftun, und ich möchte besonders dem Neath Port Talbot County Borough Council und natürlich der walisischen Versammlung gratulieren.
Wir müssen sicherstellen, dass diese Art der Finanzierung während des Jahres 2011 und bis zur neuen finanziellen Vorausschau für die Jahre nach 2013 fortgeführt wird.
Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin! Die Sicherheit der Energieversorgung ist ein äußerst wichtiger Teil der Strategie EU 2020. Ohne diese Sicherheit wird es in der Tat schwierig, abzusehen, ob überhaupt eines der Ziele erreicht werden kann.
Natürlich hoffen die Länder, die in dieser Agenda festgesetzten Ziele bezüglich der erneuerbaren Energien erreichen zu können, doch selbst wenn sie das schaffen, werden wir noch immer von der Versorgung durch Drittländer abhängig sein. Zurzeit haben die meisten Länder unilaterale Abkommen. Es wird Zeit, multilaterale Abkommen abzuschließen. Dies wird durch Artikel 194 des Vertrages von Lissabon erleichtert.
Ich würde mir wünschen, dass wir einen Zustand erreichen, in dem wir, so wie wir eine gemeinsame Agrarpolitik und eine gemeinsame Fischereipolitik haben, auch über eine gemeinsame Energiepolitik verfügen, und zwar besonders im Bezug auf Abkommen mit Drittländern – erstens um Versorgungssicherheit zu gewährleisten und zweitens um sicherzustellen, dass Länder wie Russland ihren Vorteil nicht so missbrauchen können, wie sie das in den letzten ein oder zwei Jahren getan haben.
Daciana Octavia Sârbu (S&D). – (RO) Die Ernährung hat einen starken Einfluss auf unsere körperliche und geistige Entwicklung sowie auf unsere langfristige gesundheitliche Verfassung.
Ungesunde Ernährung ist eine wesentliche Ursache von Erkrankungen wie Diabetes, Krebs und Herzkrankheiten. Deshalb ist es wichtig, dass angemessene Ernährungsbildung nicht nur Erwachsenen, sondern gerade Kindern zugänglich ist. In der Tat sind es hauptsächlich die Schulen, die eine Schlüsselrolle bei der Erziehung zu gesunder Ernährung spielen können.
Außerdem möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die nachteiligen Auswirkungen der Verbindung von Spielzeug mit Junkfood lenken und diesbezüglich Alarm schlagen.
Vor diesem Hintergrund müssen wir sicherstellen, dass sich die Europäische Kommission schnellstmöglich mit der Ernährungserziehung und Gesundheit unserer Kinder beschäftigt.
Georgios Papanikolaou (PPE). – (EL) Frau Präsidentin! Wir haben alle betont, dass es notwendig ist, in Bildung und die Wissensgesellschaft zu investieren, und wir haben alle verfügbaren Mittel dafür eingesetzt, dies zu tun. Gleichzeitig müssen wir jedoch die mangelhaften Texte, die in jedem Land Europas im Umlauf sind, erfassen und verurteilen.
Lassen Sie mich ein Beispiel aus Griechenland anführen: In Griechenland müssen die Schüler Hochschulaufnahmeprüfungen bestehen. Die ursprünglich von der griechischen Regierung festgelegte zu erreichende Note war 10. Mit anderen Worten: Man musste 10 von 20 Punkten erreichen, um zum Studium an einer Hochschule zugelassen zu werden.
Die griechische Regierung hat diese Mindestpunktzahl vor Kurzem aus unerfindlichen Gründen abgeschafft. Die Folge davon ist, dass man jetzt mit einer Punktezahl von 0,91 von 20 einen Platz an einer griechischen Hochschule bekommen kann. Dies muss sich unbedingt ändern. Zur Förderung der Hochschulbildung in ganz Europa muss jeder von uns solche Maßnahmen verurteilen.
Edit Herczog (S&D). – (HU) Die gute Nachricht ist, dass auch die wirtschaftliche Lage in Mittel- und Osteuropa wieder bessere Ergebnisse hervorbringt. Außerdem ist ersichtlich, dass, obwohl sich die wirtschaftlichen Aussichten Ungarns verbessert haben, die internationale Beurteilung der wirtschaftlichen Situation des Landes ziemlich beeinträchtigt ist. Daher werden die kurzfristigen Zinssätze in den nächsten sechs Monaten voraussichtlich nicht sinken. Dies entwertet die von etwa 1,5 Mio. Ungarn aufgenommenen Fremdwährungskredite und könnte die Bürgerinnen und Bürger möglicherweise Zwangsräumungen aussetzen. Wir fordern die europäische Verwaltung höflich auf, jegliche Anstrengung zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass das Vertrauen in Ungarn wiederhergestellt wird und dass das Vertrauen internationaler Investoren den ungarischen Forint stärkt. In Anbetracht des Winteranfangs ist dies für 1,5 Mio. Menschen, die Schwierigkeiten mit ihren Fremdwährungsschulden haben, von enormer Bedeutung.
Evelyn Regner (S&D). - Frau Präsidentin! La Macarena ist nicht nur ein lebensfroher Tanz, sondern auch eine kleine Stadt im Herzen Kolumbiens, die traurige Berühmtheit erlangt hat. 2009 beschwerten sich dort lokale Bauern über kontaminiertes Wasser. Der Totengräber von La Macarena gab zunächst an, dass er an die 2 000 anonyme Leichen begraben hätte.
Koordiniert von der Organisation Justice for Columbia nahm eine Delegation aus Abgeordneten und Gewerkschaftsführern an einem Hearing in La Macarena teil. Viele Teilnehmerinnen marschierten tagelang durch den Dschungel, um ihre persönliche Geschichte von vergewaltigten, bedrohten, letztlich verschwundenen Angehörigen zu erzählen. Die Organisatoren teilten uns zwei Tage später mit, Todesdrohungen erhalten zu haben. Wir haben das Massengrab gesehen, bewacht von Soldaten, die im Verdacht stehen, bei den Tötungen selbst beteiligt gewesen zu sein.
Es gibt kein Land weltweit, in dem mehr Menschen erzwungenermaßen verschwinden als in Kolumbien. Die Straflosigkeit bei Gewalttaten liegt bei 90 %. Der baldige Abschluss eines EU-Freihandelsabkommens wäre eine Belohnung für systematische Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien.
Sylvie Guillaume (S&D). – (FR) Frau Präsidentin! Es wurde gerade erst eine Debatte hierüber geführt, doch ich möchte noch einmal die Aufmerksamkeit auf Sakineh Mohammadi-Ashtiani lenken, die von der iranischen Regierung zum Tode verurteilt wurde und täglich von einer Hinrichtung in Form des äußerst barbarischen Rituals der Steinigung bedroht ist.
Letztes Wochenende wurde sie für die Veröffentlichung eines Fotos einer unverschleierten Frau in einer britischen Zeitung zu zusätzlichen 99 Peitschenhieben verurteilt. Dieses Foto war jedoch von einer anderen Frau, doch die Entschuldigungen der Zeitung haben nichts an diesem neuen Urteil geändert. Es hat sich eine große Solidaritätsbewegung zusammengefunden, um Frau Mohammadi-Ashtiani zu retten und diese verachtenswerten Praktiken öffentlich anzuprangern.
Welches Land kann noch im 21. Jahrhundert schwarz auf weiß in sein Gesetzbuch schreiben, wie groß die Steine sein müssen, die auf einen verurteilten Häftling geworfen werden sollen, um ihn zu töten? Dieses Land ist der Iran.
Nur durch die Beteiligung der internationalen und politischen Gemeinschaft war es möglich, Steinigungen in den letzten Jahren zu verhindern, und allein sie wird die iranische Regierung zum Nachgeben bewegen können. Als Politiker, als Bürgerinnen und Bürger, als Menschen haben wir die Pflicht etwas zu verhindern, das nichts anderes als Mord ist. Daher fordere ich die Europäische Union dazu auf, Maßnahmen zur Rettung von Frau Mohammadi-Ashtiani zu ergreifen.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen.
20. Finanzierung und Arbeitsweise des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (kurze Darstellung)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Miguel Portas im Namen des Haushaltsausschusses über die Finanzierung und Arbeitsweise des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (2010/2072(INI) (A7-0236/2010).
Miguel Portas, Berichterstatter. – (PT) Frau Präsidentin! Der Bericht, den ich hier vorstelle, ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen Fraktionen mit sehr unterschiedlichen Ansichten über Beschäftigungspolitik und Arbeitslosenschutz. Daher möchte ich den Schattenberichterstattern sowie dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und dem Haushaltsausschuss für ihre Zusammenarbeit zur Erzielung einer Einigung danken, die für die Opfer von Massenentlassungen in der Europäischen Union von Nutzen sein kann.
Diese Einigung beruht auf zwei Voraussetzungen: Die erste besteht darin, dass die gesellschaftlichen Auswirkungen der Wirtschaftskrise weiterhin zu spüren sein werden, selbst im Falle eines Wirtschaftsaufschwungs, der alles andere als sicher ist. Massenentlassungen gehören daher noch nicht der Vergangenheit an und werden leider auch in Zukunft noch Einfluss auf das gesellschaftliche Leben in unseren Ländern haben. Aus diesem Grund ist die erste Wahl ganz einfach: Wollen wir den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, der Europas einziges den Opfern von Massenentlassungen gewidmetes Instrument darstellt, bis 2020 verlängern oder nicht? Die Antwort dieses Berichts ist klar und deutlich: Ja, wir wollen den Arbeitslosen eine starke Botschaft senden; ja, wir denken, dass sie durch Programme zur Requalifizierung und Reintegration in die Arbeitswelt unterstützt werden müssen, und ja, wir denken, dass sie eine weitere Chance verdient haben und dass wir, die zuständigen Politiker, ihnen das schuldig sind.
Die zweite Voraussetzung besteht darin, dass die Funktion dieses Fonds zu Anfang viele Mängel aufwies, jedoch haben die der Verordnung hinzugefügten Änderungen die Anzahl der Fälle, für die seine Mittel verwendet werden können, bedeutend erhöht. Es ist noch zu früh, um eine Beurteilung abzugeben, doch können wir auf die Hauptprobleme hinweisen und sie identifizieren. Ab dem Zeitpunkt einer Massenentlassung dauert es zwischen 12 und 17 Monaten, bis das Geld in den Ländern ankommt, in manchen Fällen sogar noch viel länger. Wir haben einen Fonds geschaffen, um auf dringende soziale Bedürfnisse zu reagieren, der sich im Schneckentempo fortbewegt. Es sind die sozialen Folgen, die mir Sorgen bereiten: Aufgrund dieser Langsamkeit können viele Arbeitnehmer nicht von diesen Mitteln profitieren. Mehr noch, sie hält sogar die Betroffenen in den Regionen und Ländern, in denen die Gelder am meisten benötigt werden, davon ab, Anträge einzureichen.
Außerdem führen die Regierungen die Anträge nicht aus, bevor diese nicht in Brüssel genehmigt wurden, da sie sonst in einer Zeit knapper Haushaltsmittel mit dem nationalen Anteil der Finanzierung vorangehen müssten. Deshalb schlägt der Bericht eine Reihe von kurzfristigen Maßnahmen zur Verkürzung der Verzögerung um 50 % vor, und deshalb wird auch vorgeschlagen, den Fonds von 2013 an dauerhaft zu erhalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, einige der Mitgliedstaaten, die am meisten von diesen Mitteln profitiert haben, lehnen diese Vereinfachung ab: Sie fürchten, dass eine Beschleunigung dazu führen wird, dass immer mehr Geld erforderlich wird. Seien wir offen und ehrlich: Dieses Risiko besteht, egal ob der Fonds langsam ist oder schnell. Die Gefahr eines langen Zeitraums mittelmäßigen Wachstums besteht, weil es darauf ankommt, welche Auswirkung die Sparprogramme auf die Erholung unserer Ökonomien haben.
Heute wir sprechen jedoch über etwas anderes: über Europas Haltung gegenüber Massenentlassungen und darüber, ob wir die Leidtragenden auf dem Altar der Haushaltsbeschränkungen opfern oder wenigstens in der Lage sind, diesen Menschen mindestens so viel Beachtung zu schenken, wie wir dem Finanzsystem gezollt haben, das durch unsere Steuern gerettet wurde.
Dieser Bericht ist aus moralischen Beweggründen entstanden, daraus, wie wir unsere Mitmenschen und wie wir Europa sehen. Ich möchte ein Europa, das unmissverständlich sozial ist.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Ich möchte einige Punkte zur Finanzierung und Funktionsweise des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung vorbringen.
Neun Mitgliedstaaten, einschließlich Rumänien, das sich hinsichtlich der Auswirkungen der Globalisierung in einer etwas anfälligeren Situation befindet, haben bisher noch keinen Zugang zu diesen Mitteln. Einer der Gründe hierfür ist der restriktive Charakter der Förderkriterien auch noch nach deren Revision im Jahr 2009.
Der EGF ist ein nützliches Instrument, solange er flexibel ist. Ich möchte jedoch die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die zuständigen rumänischen Behörden die für den Zugang zum EGF erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen noch immer nicht angenommen haben. All dies passiert zu einer Zeit, zu der Rumänien in den vergangenen zwei Jahren einen stetigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen erfahren hat, obwohl das Land diesen Sommer die höchste Anzahl von Umstrukturierungsmaßnahmen der ganzen EU angekündigt hat.
Ich glaube, dass der Zugang zum EGF zusammen mit einer sinnvolleren Inanspruchnahme der Strukturfonds und der Heranführungshilfen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in Rumänien hätte mildern können.
Catherine Stihler (S&D). – Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie mir die Gelegenheit geben, einen kurzen Beitrag zu leisten. Der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung ist von entscheidender Bedeutung und sollte unterstützt und geschützt werden. Wir müssen für die Bedürfnisse von Arbeitnehmern, die von ihrem Arbeitgeber hinausgeworfen werden, ohne dass sie etwas dafür können, eintreten.
Ich wurde vor Kurzem von einem an diesen besonderen Mitteln interessierten Einwohner meines Wahlkreises kontaktiert, und es wirft ein bezeichnendes Licht auf die neue Regierung im Vereinigten Königreich, dass die konservativ-liberale Koalition das Ende des Fonds fordert. Ich hoffe, dass sie diese rücksichtslose Haltung gegenüber diesem Fonds, der den Arbeitnehmern tatsächlich hilft, nochmals überdenken. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir ihn unterstützen und absichern und wo nötig auch Anpassungen vornehmen.
Ich unterstütze diesen Fonds. Ich möchte, dass er geschützt und unterstützt wird, und ich möchte außerdem sicherstellen, dass er vernünftig angewendet wird.
Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich Herrn Portas für seine Arbeit danken. Da ich in meinem Wahlkreis mit zwei Bereichen beschäftigt bin, in denen der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung angewendet wurde, kann ich sagen, dass dieser im Großen und Ganzen eine sehr positive Entwicklung ist. Die Kommission kam freundlicherweise bei Waterford Crystal vorbei und erklärte den Arbeitnehmern die Möglichkeiten des Fonds. Einer von ihnen beschrieb diesen als Geschenk der Europäischen Union und als solches war er auch vorgesehen.
Die Anwendung des Fonds hat die Menschen jedoch in ihren Erwartungen ziemlich enttäuscht. Dies ist teilweise auf die staatlichen Einrichtungen zurückzuführen, von denen eine, die FÁS, der Kommission wohlbekannt ist, da sie in der Vergangenheit wegen missbräuchlicher Verwendung von Mitteln vor der Kommission erscheinen musste. Dies hat ihre Stellung bei den Arbeitnehmern untergraben.
Doch neigen wir auch dazu, zu unflexibel zu sein, besonders wenn jemand versucht, ein eigenes Unternehmen zu gründen, und auch hinsichtlich der Zeitspanne, während der wir die Mittel zur Verfügung stellen. Diese beginnt mit dem Tag der Anwendung, wohingegen sie mit dem Tag beginnen sollte, an dem die Mittel gewährt werden. Solche Dinge müssen in Angriff genommen werden. Ich hoffe, dass dies flexibler gestaltet werden kann.
Frédéric Daerden (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatten im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und im Haushaltsausschuss haben einem gut verfassten Berichtentwurf den Weg geebnet.
Ich begrüße den Beitrag, den dieser zu der Diskussion über die Zukunft des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung leistet. Er nimmt zum Beispiel die notwendige Beteiligung der Sozialpartner bei der Dossierzusammenstellung und die Beachtung, die der Integration von KMU als Subunternehmern an großen Standorten, an denen Entlassungen vorgenommen werden, gezollt werden muss, in Angriff.
Weiterhin denke ich, dass die Möglichkeit eines unabhängigen Fonds mit eigenen Zahlungs- und Verpflichtungsermächtigungen für die Zukunft ernstlich in Betracht gezogen werden sollte. Es handelt sich hierbei ganz einfach darum, dem sozialen Europa, das wir so sehr wollen, ausreichende Mittel zu verschaffen.
Einige Leute wollen davon nichts hören, deshalb wurde eine getrennte Abstimmung gefordert, um diese Passage zu streichen. Es wäre sehr nachteilig für diese Debatte, wenn der Bericht nicht alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Finanzierung dieser Mittel aufzeigen würde. Daher, meine Damen und Herren, appelliere ich an Ihren Willen, die Verbesserung dieses Instruments fortzuführen, ohne irgendeine Möglichkeit von vornherein abzuweisen, indem Sie bei dieser Abstimmung für den ganzen Absatz 16 votieren.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Frau Präsidentin! Ich möchte hier drei weitere Punkte hervorheben. Der erste bezieht sich auf die Vorsorgemaßnahmen, die getroffen werden müssen, um multinationale Konzerne von Betriebsverlagerungen abzuhalten, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Anzahl der mit Arbeitnehmerrechten verbundenen Arbeitsplätze zu erhöhen. Der zweite bezieht sich auf die Verwendung dieser Mittel, die niemals ein Vorwand oder eine Rechtfertigung für Entlassungen sein darf, die durch die Umstrukturierung eines Unternehmens oder die Betriebsverlagerung von multinationalen Konzernen begründet sind. Der dritte Punkt bezieht sich darauf, dass der EU-Kofinanzierungsanteil von 65 % auf mindestens 80 % angehoben werden sollte, um die Mittel den Mitgliedstaaten mit den größten finanziellen Schwierigkeiten zugänglich zu machen, sodass die bedürftigsten Arbeitslosen schnell und effektiv unterstützt werden, was bis heute nicht der Fall ist.
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich, im Namen der Kommission, dem Berichterstatter, Herrn Portas, danken für die hervorragende Arbeit bei der Erstellung dieses sehr umfassenden Berichts und für seine Zusammenarbeit mit den Berichterstattern der anderen Ausschüsse, die mit der Ausgabe der Gutachten betraut wurden.
Dieser Bericht ist sehr zeitgemäß, da er leicht in die Arbeit integriert werden kann, die die Kommission gerade durchführt, um zwei Fristen einzuhalten. Zum ersten die sogenannte Krisenausnahmeregelung, durch die der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) den Arbeitern, die als Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise entlassen worden sind, Unterstützung zukommen lassen und eine Kofinanzierung zu einem Prozentsatz von 65 % gewähren kann, die am Ende des Jahres 2011 ausläuft. Wir müssen untersuchen, ob es notwendig ist, diese Ausnahmeregelung zu erweitern, oder ob man auf den 50 %-Kofinanzierungssatz für handelsbezogene Entlassungen zurückgreift.
Die zweite Frist ist das Ende des Jahres 2013, das Datum also, an dem die EGF-Regelung überprüft werden muss. In dieser Hinsicht wird es eine der Hauptfragestellungen sein, zu entscheiden, ob dieser Fonds in den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen integriert werden sollte.
Wir freuen uns festzustellen, dass der Bericht von Herrn Portas die Gründe unterstützt, die zur Schaffung dieses Fonds geführt haben, und dass er die Notwendigkeit zur Beibehaltung dieses Instruments betont. In diesem Bericht wird vorgeschlagen, dass ein ständig zur Verfügung stehendes Instrument eine der Optionen sein sollte, die für die Zukunft ins Visier genommen werden und die Kommission wird aufgefordert, einen diesbezüglichen Vorschlag vorzustellen.
Herr Portas schlägt vor, dass die Halbezeitbewertung, die für das Jahr 2011 geplant ist, nach vorn verschoben werden und bis zum 30. Juni 2011 fertiggestellt sein sollte. Dies stellt ein Problem dar in Bezug auf die geänderte EGF-Regelung, da die Berichte über die ersten Fälle, die nach der Annahme der geänderten Regelung genehmigt wurden, erst Anfang November 2011 zur Verfügung stehen werden. Natürlich verfügen wir über einen vorhergehenden Schlussbericht, den wir zur Überprüfung derjenigen Kriterien der Regelung benutzen können, die nicht geändert worden sind, wie etwa der Erfolgs-Prozentsatz der Handlungen, die sich im Rahmen dieses Fonds befinden, eine vergleichende Analyse dieser Maßnahmen, die Verfahren zur Beratung der Sozialpartner und eine Analyse zu den Auswirkungen des Fonds auf seine Begünstigten.
Im Bericht ist vermerkt, dass bis dato die Durchführung eher bescheidenen Ausmaßes gewesen ist. Eine finanzielle Beteiligung ist nur in 27 Fällen genehmigt worden, und sehr wenige Sektoren sind vertreten. Neun Mitgliedstaaten haben überhaupt keinen Antrag eingereicht. Nur 80 Millionen EUR der zur Verfügung stehenden 1,5 Milliarden EUR sind abgerufen worden. Im Falle der ersten 11 Anträge hat die Kommission die Erstattung von beinahe 40 % der gewährten Beträge gefordert.
Ich würde gern betonen, dass, im Einklang mit diesem Bericht, diese Zahlen nur diejenigen Anträge betreffen, die gemäß der Erstregelung genehmigt worden sind, und dass, wie der Bericht zu Recht feststellt, die Änderung der Regelung zu einer beträchtlichen Zunahme der Zahl der Anträge auf Hilfe aus diesem Fonds geführt hat, was die Zielgruppe der Arbeiter und das Budget angeht.
Der Bericht fordert zu Recht Verbesserungen hinsichtlich insbesondere einer Reduzierung der Zeit zwischen den Entlassungen und dem Datum, an dem Beiträge aus dem Fonds gezahlt werden. Die Kommission ist entschlossen, diese Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen, aber einige dieser Verbesserungen werden einen höheren Organisationsgrad auf Seiten aller Beteiligten erfordern: die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Haushaltsbehörde.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament insbesondere in Bezug auf Zeitplan-Fragen, sollte uns dazu befähigen, einige dieser Verzögerungen zu reduzieren. Die Mitgliedstaaten sollten dazu ermutigt werden, Anträge einzureichen, sobald Entlassungen angekündigt werden. Die Kommission sollte ihrerseits den Mitgliedstaaten mehr Informationen und Beratung bieten und sollte sich selbst eine drei- bis viermonatige Frist für ihre eigene Bewertung setzen.
Wir stellen die Bitte danach fest, einen Vorschlag zu unterbreiten, um die Krisenausnahmeregelung bis zum Ende des mehrjährigen Finanzrahmens auszudehnen. Ich stimme zu, dass die EGF-Frage innerhalb des Gesamtkontextes der Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen untersucht werden sollte und dass die Schaffung eines Dauerfonds zu den zu berücksichtigenden Optionen gehören sollte.
Der Bericht ist voller Ideen und Vorschläge, und er wird einen nützlichen Beitrag zum Entwurf der neuen Regelung leisten. Die Kommission hat auch eine Reihe von Beratungsbesprechungen mit den Mitgliedstaaten und anderen Interessenvertretern geplant. Ich bin sicher, dass der Berichterstatter und auch andere Parlamentsmitglieder ihren Beitrag leisten werden bei diesen Beratungen, da das Ziel lautet, den Fonds zu verbessern und ihn künftig noch effektiver machen wird als ein Instrument, das die europäische Solidarität gegenüber entlassenen Arbeitern bezeugt.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, 7. September 2010, 12.30 Uhr, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Luís Paulo Alves (S&D), schriftlich. – (PT) Ich unterstütze diesen Bericht über die Finanzierung und die Funktionsweise des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF), weil ich in vollem Maße der Idee einer schnelleren Mobilisierung dieses Fonds, wie sie der Berichterstatter befürwortet, zustimme. Der EGF wurde als ein Mittel zur Bekämpfung der nachteiligen Auswirkungen der Globalisierung auf Arbeiter, die von Massenentlassungen betroffen sind, geschaffen, wobei ihnen geholfen wird, neue Arbeitsplätze durch Unterstützung personalisierter Programme zu finden, um entlassene Arbeiter wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der EGF verfügt über einen jährlichen Maximalbetrag von 500 Millionen EUR, der durch die Mitgliedstaaten nie voll abgerufen worden ist. Aktuell verstreichen noch immer 12 bis 17 Monate zwischen dem Zeitpunkt, an dem eine Massenentlassung stattfindet, und dem Zeitpunkt, an dem die EGF-Mittel dem Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt werden. Mit den Vorschlägen des Berichterstatters zur Vereinfachung und größeren Flexibilisierung des Verfahrens könnten wir die Zeit, die zur Mobilisierung des EGF benötigt wird, halbieren. Um auf die Zunahme der Arbeitslosenzahlen zu reagieren, die ein Ergebnis der Wirtschafts- und Finanzkrise sind, ist es wichtig, dass der EGF zu einem dauerhaften Unterstützungsinstrument wird, das tatsächlich flexibel und spezifisch ist. Dies ist die einzige Möglichkeit, dass der EGF zur Förderung neuer Fertigkeiten eingesetzt werden kann, um neue, zukunftsfähige, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und auf diese Weise zur verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der EU im Kontext der Globalisierung beizutragen.
Giovanni Collino (PPE), schriftlich. – (IT) Die Globalisierung stellt eine große Gelegenheit für uns und unsere Kinder dar, aber gleichzeitig bereitet sie uns Angst mit der Schaffung neuer Wohlstandsverteilungsformen, die schwieriger zu kontrollieren und gerecht zu verwalten sind.
Die Tatsache, dass wir über unsere Grenzen hinaus gehen und unsere Identität aufs Spiel setzen, bedeutet, dass wir stärkere Kulturen aufbauen müssen, in denen der gegenseitige Respekt und das ehrliche Verständnis weiterhin gedeihen können. Zu den ersten Dingen, die unser Verständnis verdienen, gehören die Interessen derjenigen Familien, die plötzlich ohne Einkommen dastehen als Ergebnis der zunehmend schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation.
Der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) muss eine Lösung für diese Familien ebenso wie ein wirkungsvolles Instrument für die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinschaft sein. Mitten in einer Wirtschaftskrise können wir es nicht gestatten, dass unsere Durchführungsmethoden zu unflexibel sind, da dies unvermeidlich eher unsere Bürgerinnen und Bürger als unsere Politik treffen würde.
Die bloße Tatsache, dass wir heute immer noch eine große Anzahl an toten Projekten haben, die vorgeschlagen, aber niemals durchgeführt wurden, sollte uns zu denken geben über das Ausmaß, in welchem unsere Programme und Dauerfonds sich selbst überflüssig machen, und aus diesem Grund sehe ich den Wert des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) direkt neben dem Europäischen Sozialfonds als ein stabiles Instrument für die europäische Intervention im Beschäftigungsfeld.
Louis Grech (S&D), schriftlich. – Der EGF ist ein notwendiges Instrument, um dem Trend entgegenzuwirken, dass Bürgerinnen und Bürger der EU ihre Arbeitsplätze durch die Globalisierung und die Finanzkrise verlieren. Außerdem teile ich die Auffassung, dass der Fonds in seiner gegenwärtigen Form noch verbesserungsfähig ist. Obwohl seit seiner Errichtung in Bezug auf die Beschleunigung und Vereinfachung des Antragsverfahrens Fortschritte gemacht worden sind, denke ich, dass die Schwere der Finanzkrise es erforderlich macht, dass wir mehr tun, um seine Arbeitsweise zu optimieren, um die Ziele zu erreichen, für die er geschaffen worden ist. Diejenigen, die diese Mittel wirklich benötigen, sollten sie zeitnah erhalten können, um die vielen negativen Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit zu minimieren. Daher fordere ich die Kommission auf, die Möglichkeit zu prüfen, zu erlauben, dass das Antragsverfahren beginnt, sobald Entlassungspläne bekannt werden, und nicht erst, wenn sie umgesetzt werden, wie es gegenwärtig der Fall ist. Ich würde jedoch gerne weitere Details über die Umsetzung des Programms und insbesondere über seine langfristigen Folgen erfahren. Das Programm demonstriert a priori die Vorteile des Fonds im Vergleich zu seinen Kosten; daher unterstütze ich den Vorschlag, den EGF zu einem unabhängigen Fonds zu machen, der im Rahmen des neuen MFR mit seinen eigenen Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen ausgestattet wird.
Georgios Stavrakakis (S&D) , schriftlich. – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich würde gern damit beginnen, im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten dem Berichterstatter, Miguel Portas, für seinen Bericht und Pervenche Berès für ihren wichtigen Beitrag zu danken. Die anhaltende Wirtschaftskrise und ihre schlimmen Folgen haben den zusätzlichen Nutzen des EGF als ein Werkzeug der Sozialpolitik der EU sogar noch deutlicher hervortreten lassen. Die ins Visier genommene Finanzunterstützung, die er bei Umschulungen und Wiedereingliederungsprogrammen für von Massenentlassungen betroffene Arbeiter zur Verfügung stellt, ist besonders wichtig. Deshalb müssen, wie der Bericht feststellt, die vorübergehenden Änderungen, die den Spielraum des EGF erweitern und die im Jahre 2009 eingeführt wurden und im Jahre 2011 auslaufen, bis ins Jahr 2013 beibehalten werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Änderungen es ermöglichten, wirklich Solidarität mit Arbeitern, die als Ergebnis der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise entlassen wurden, zum Ausdruck zu bringen. Jedoch wird auch eine umfassende Bewertung des Europäischen Globalisierungsfonds benötigt; diese wird eine Grundlage für die Einreichung und Prüfung spezifischer Vorschläge zu seiner Vereinfachung bieten, damit er schneller und wirkungsvoller funktioniert.
Angelika Werthmann (NI), schriftlich. – Das Verfahren, bis zum Zeitpunkt der Bereitstellung von Mitteln des EGF, dauert immer noch zwischen 12 und 17 Monaten. Dieser Zeitraum könnte reduziert werden, wenn die Mitgliedsstaaten schon bei Anzeichen einer Massenentlassung agieren. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert in jeder Hinsicht vorhandenen Synergien zu finden und auch zu nutzen, um somit auf europäischer Ebene eine schnellere und wirksamer Intervention des EGF im Falle von Massenentlassungen zu ermöglichen. Die Kommission wird aufgefordert die Informationen über den EGF und dessen Sichtbarkeit unter den Mitgliedsstaaten und potenziellen Empfängern von Mitteln zu verbessern. Für den Zwischenbericht, den die Kommission dem EP vorlegt, wird unter anderem gefordert, dass dieser die Erfolgsquote bei der Wiedereingliederung und eine Bewertung der Verbesserung der Fähigkeiten der Begünstigten enthält, sowie eine Analyse der Koordinierung zwischen den verschiedenen auf europäischer Ebene finanzierten Programmen. Im Haushaltsentwurf für 2011 sind erstmals Zahlungsermächtigungen für den EGF vorgesehen. Die EGF-Anträge sollten nicht ausschließlich durch Übertragungen von ESF-Haushaltslinien finanziert werden, dazu sind verschiedene Haushaltslinien für diesen Zweck zu bestimmen. Ausdrücklich hervorheben möchte ich, dass der EGF keinesfalls als Backup für die Multis verstanden werden darf, sondern ausschließlich der Unterstützung von ArbeitnehmerInnen, die Opfer von Massenentlassungen sind, dient.
21. Verknüpfung von Unternehmensregistern (kurze Darstellung)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Kurt Lechner im Namen des Rechtsausschusses über die Verknüpfung von Unternehmensregistern (KOM(2009)0614 – 2010/2055(INI) (A7-0218/2010).
Kurt Lechner, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig Unternehmensregister, Handelsregister oder – wie es z. B. in Österreich heißt – Firmenbücher sind, sieht man schon daran, dass sich von den vielen Gesellschaftsrichtlinien die allererste aus dem Jahre 1968 mit dieser Problematik beschäftigt und bereits sehr verdienstvolle Verbesserungen gebracht hat.
Im Jahr 2003 gab es eine wesentliche Änderung, indem die elektronische Führung der Register vorgeschrieben wurde, und zwar vor dem Hintergrund, dass der grenzüberschreitende Zugang entscheidend verbessert werden sollte. Nun werden die Register nach wie vor national geführt, und es wird dort auch nur das eingetragen, was national eben eintragungsfähig ist und wofür man national zuständig ist. Daran wird sich so bald auch nichts ändern.
Dass der Zugang zu den Registereintragungen über die Grenzen hinweg wichtig und verbesserungsfähig ist, liegt auf der Hand, es muss eigentlich nicht besonders betont werden. Die Problematik besteht aus zwei Komplexen: Erstens soll der Zugang für Bürger – Bürger jetzt in ganz umfassendem Sinn, also jeder Interessierte, ob das ein Rechtsanwalt, ein Notar, ein Steuerberater, ein Gewerkschaftsmitglied, ein Arbeitnehmer ist, wer auch immer – über die Grenzen hinweg verbessert werden.
Der zweite Komplex ist, dass die Interoperabilität – die Zusammenarbeit zwischen den Registern – verbessert werden sollte. Das betrifft insbesondere die Fälle, in denen ein Unternehmen in einem Staat mit seiner Hauptniederlassung und in einem anderen Staat mit einer Zweigniederlassung eingetragen ist. In diesen Fällen dauert es oft zu lange, bis Eintragungen in Bezug auf die Hauptniederlassung in das Register des Landes der Zweitniederlassung übernommen werden, und oft erfolgt dies auch nicht ganz korrekt. Dieser Vorgang könnte vielleicht automatisiert werden.
Die Bemühungen der Kommission sind uneingeschränkt zu begrüßen und zu unterstützen. Es werden Kosten gespart, es wird Zeit gespart, der Binnenmarkt wird vorangebracht. Ich will auf wenige Punkte hinweisen. Zunächst darauf, dass Informationen aus dem Handelsregister nicht unbedingt mit sonst zugänglichen Informationen zu vergleichen sind. Sie haben ja eine rechtliche Aussagekraft, und diese rechtliche Aussagekraft ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden. Und darauf müssen die Nutzer unbedingt aufmerksam gemacht werden, damit sie nicht einfach den eigenen Horizont auf die Registereintragungen in einem anderen Staat übertragen.
Gleichwohl wäre es möglich, die Formate in Standardformate zu vereinheitlichen, ein einheitliches Zugangsportal einzurichten, die Sprache in dem Sinne zu verbessern, dass die Eintragungen in mehreren oder gar in allen Amtssprachen zur Verfügung gestellt werden. Nun gibt es bereits mehrere Initiativen. Ich will hier nur das so genannte EBR, das so genannte BRITE erwähnen, und nach der einvernehmlichen Meinung der Kollegen sollte die Zusammenarbeit in diesem Bereich weiter vertieft werden. Diese Register haben den Nachteil, dass die Eintragungen erstens auf freiwilliger Basis erfolgen, dass sich zweitens nicht alle beteiligen und dass sie sich drittens teilweise noch im Erprobungszustand befinden.
Weder mir noch dem Parlament liegt eine technische Expertise vor, das ist auch nicht unsere Aufgabe. Im Rahmen dieser Initiativen sollte dieses Projekt vorangebracht werden, das ist auch die übereinstimmende Meinung der Kollegen. Dies kann wirklich nur dann zum Erfolg führen, wenn sich auch alle daran beteiligen. Wir wollen davon absehen, dies jetzt bereits als Gesetzesvorschlag zu fordern. Wenn sich alle freiwillig beteiligen und es funktioniert, dann braucht man keine gesetzliche Vorgabe. Das Ziel ist jedenfalls, dass das Ganze vorangebracht wird, wenn es technisch und sachlich ausgereift ist, und dass sich alle Mitgliedstaaten daran beteiligen.
Ich darf mit dem Dank an die Kollegen und die mitberatenden Ausschüsse schließen. Insbesondere gehe ich davon aus, dass dieses Vorhaben einvernehmlich verabschiedet wird und Ihre Zustimmung findet.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Ich betrachte die Tatsache, dass die Handelsregister untereinander nicht verbunden sind, als ein Versagen der Koordinierungsfunktion der Kommission. In der Tat sind die Mitgliedstaaten bereits vor drei Jahren dazu aufgefordert worden, Handelsregister in elektronischer Form zu führen. Neunzehn Staaten, einschließlich des letzten neuen Staates, der Tschechischen Republik, tauschen ihre Daten im Rahmen des Europäischen Handelsregisterprojekts aus. Natürlich variieren die Qualität und der entsprechende Wert der Daten enorm. Vielerorts sind die rechtliche Verantwortung und der Wahrheitsgehalt der Daten nicht spezifiziert, oder es existieren lediglich regionale Handelsregister anstelle nationaler.
Ich unterstütze den Berichterstatter und fordere die Kommission auf, dieser Sache die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. Und außerdem, dass die entsprechende Hilfe, einschließlich der Finanzhilfe, den restlichen acht Staaten gewährt wird, die, mit Ausnahme von Portugal, nur aus neuen Mitgliedern bestehen. Der grenzüberschreitende Zugang zu Registern ist nicht nur für Gläubiger, Geschäftspartner und Verbraucher wichtig, sondern auch für die Erhöhung der Rechtssicherheit und Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe.
Evelyn Regner (S&D). - Frau Präsidentin! Ich möchte mich zunächst einmal beim Berichterstatter, Herrn Lechner, für die gute Kooperation bedanken. Es konnten praktikable Kompromisse gefunden werden.
In aller Kürze die wichtigsten Punkte seitens meiner Fraktion: erstens die verbindliche Teilnahme aller Mitgliedstaaten, wie bereits erwähnt; zweitens, der öffentliche Zugang über ein einziges offizielles Zugangsportal; drittens der Aspekt des Verbraucherschutzes, also dass die Informationen verlässlich und aktuell sind. Hier ist es insbesondere auch für die Verbraucher sehr wichtig, entsprechend über die Rechtswirkungen informiert zu sein. Und schließlich soll das System anwenderfreundlich sein. Die Festlegung, wie das technisch umgesetzt wird, wird dann Aufgabe der Kommission sein.
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Da es mehr als 20 Millionen Firmen in der EU-27 gibt, von denen 99 % kleine und mittelständische Unternehmen sind, glaube ich, dass die Verbindung der Handelsregister untereinander zur Sicherstellung des wirkungsvollen Betriebs des Binnenmarktes notwendig ist.
Seit dem 1. Januar 2007 ist es obligatorisch, dass in Handelsregistern enthaltene Informationen elektronisch gespeichert werden und online in jedem Mitgliedstaat zugänglich sind. Die Registerstandards unterscheiden sich jedoch, und Interessenvertreter haben sich mit verschiedenen Sprachen, Suchbedingungen und Strukturen auseinanderzusetzen.
Aus diesem Grund glaube ich, dass alle Mitgliedstaaten an Projekten, wie etwa den Projekten Handelsregister-Kompatibilität innerhalb Europas und Europäisches Handelsregister teilnehmen müssen. Alle Mitgliedstaaten nehmen bereits am Informationssystem des Binnenmarktes teil.
Die Erleichterung des elektronischen Zugangs zu Informationen über Handelsfirmen könnte zu möglichen jährlichen Ersparnissen von mehr als 160 Millionen EUR führen. Diese Ersparnisse könnten jedoch sogar noch höher sein, wenn die E-Rechnungs-Initiative durchgeführt und über einen einzigen Informationszugangspunkt zur Verfügung stehen würde.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Angesichts der Vorteile, die der Binnenmarkt bietet, dem zunehmenden Wachstum der grenzüberschreitenden Handelsmöglichkeiten und der Rechtssicherheit ist es von grundlegender Bedeutung, die in den Handelsregistern enthaltenen Daten und die Methode zum Erhalt und der Verarbeitung solcher Daten zu harmonisieren. Wenn wir es fertigbringen, eine wirkungsvolle Koppelung der Handelsregister sicherzustellen, werden wir nicht nur die Verwaltung von Beziehungen und den Informationserwerb für die Beteiligten erleichtern, sondern auch ihre Position im Hinblick auf die Notwendigkeit für Transparenz in den geschäftlichen und rechtlichen Beziehungen sowie die Rechtssicherheit stärken.
Aus diesem Grund halte ich es für grundlegend, das in den Handelsregistern befindliche Datensystem in allen Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Eine derartige Herangehensweise würde eine deutlich größere Transparenz sicherstellen und wäre nicht nur in Bezug auf die vorher erwähnten Beziehungen nützlich, sondern vielleicht auch bei der Verhinderung von schädlichen Auswirkungen, beispielsweise bei der Änderung der eingetragenen Sitze von Firmen und anderen Körperschaften und der Schaffung von Niederlassungen in anderen Mitgliedstaaten oder bei grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen.
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Verbindung von Handelsregistern ist ein Projekt, das zu einer größeren Transparenz der wirtschaftlich Tätigen, zur Wiederherstellung von Vertrauen und zur Verbesserung des Zugangs für kleine und mittelständische Firmen zum Binnenmarkt beiträgt. Ich gratuliere Herrn Lechner und dem Rechtsausschuss zu diesem Bericht.
Unsere Ansichten sind sich wirklich sehr ähnlich. Die Kommission wird bis spätestens Anfang 2011 einige Rechtsvorschläge vorlegen, die zweifelsohne Ihre Schlussfolgerungen wiedergeben werden.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Bedeutung der Transparenz auf den Finanzmärkten und darüber hinaus hervorgehoben. Wenn die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen haben sollen, dann müssen sie über einen Zugang zu verlässlichen und aktuellen offiziellen Informationen über Firmen verfügen. Dabei spielen Handelsregister eine ganz wichtige Rolle, indem sie firmenrelevante Informationen erfassen und diese der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Während es jedoch einfach ist, Zugang zu diesen Informationen in solchen Mitgliedstaaten zu erhalten, in denen eine Firma ihren Sitz hat, ist es oftmals aus technischen oder sprachlichen Gründen schwierig, Zugang zu den gleichen Informationen von einem anderen Mitgliedstaat aus zu erhalten. Die Verbindung der Handelsregister wird deshalb kleine und mittelständische Unternehmen, Verbraucher und Beschäftigte mit einem zusätzlichen und notwendigen Informationswerkzeug ausstatten.
Jetzt würde ich gern ein paar Kommentare über gewisse Aspekte des Berichts von Herrn Lechner abgeben. Ich stelle Ihre Sorgen bezüglich der zusätzlichen Verwaltungslasten fest, die ein mögliches Ergebnis der Verbindung dieser Handelsregister sind. Ich kann Ihnen versichern, dass wir keinerlei Pläne haben, die Firmen mit neuen Kosten zu belasten, seien sie direkter oder indirekter Natur.
Ich teile auch Ihren Wunsch, die Teilnahme aller Mitgliedstaaten an diesem Kooperationssystem obligatorisch zu machen. In der Tat wird ein derartiger Mechanismus nur dann Sinn machen, wenn er von allen Mitgliedstaaten unterstützt wird.
Was die Zusammenarbeit in Verbindung mit den regelmäßigen Aktualisierungen in Bezug auf ausländische Niederlassungen anbelangt, so hat die Kommission vor, einen Gesetzesvorschlag über einen derartigen Mechanismus vorzulegen, an dem die Mitgliedstaaten verpflichtend teilnehmen müssen. Dies ist unzweifelhaft eine fehlende Verbindung im Binnenmarkt.
Sie empfehlen ebenso die Einführung eines einzigen Informations-Zugangspunkts. Wir teilen das Ziel, die durch die nationalen Register zur Verfügung gestellten Informationen zugänglich zu machen. Verbraucher, Beschäftigte, kleine und mittlere Unternehmen, aber ebenso die nationalen Behörden des anderen Mitgliedstaates müssen in der Lage sein, ungehinderten Zugang zu diesen Dienstleistungen zu haben.
Was noch zum Thema Zugänglichkeit der Daten gehört, wir möchten die Informationen in allen offiziellen Sprachen der Europäischen Union anbieten. Dies ist eine Vorbedingung für das Erreichen unseres Zieles, den Binnenmarkt den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen.
Ferner müssen Nutzer der Register gründlich über den Umfang und die verschiedenen Konsequenzen der im Register enthaltenen nationalen Informationen informiert werden, die von einem Land zum anderen beträchtlich variieren können. Was die Qualität der Information angeht, ist es klar, dass die als Teil der Verbindung zur Verfügung gestellten Informationen verlässlich, aktuell und zugänglich sein müssen. Es handelt sich hierbei um eine starke Mitteilung Ihrerseits, und sie ist von der Kommission ordnungsgemäß empfangen worden.
Zuletzt kann ich Ihnen versichern, dass jegliche Initiative der Kommission den Schutz der persönlichen und geschäftlichen Daten beachten wird.
Meine Damen und Herren, der Lechner-Bericht zeigt deutlich das Niveau des parlamentarischen Engagements auf, bei der wirkungsvolleren Verbindung der Handelsregister zum Vorteil von Verbrauchern, Firmen und ihrer Beschäftigten behilflich zu sein. Dieses Projekt wird den Binnenmarkt stärken. Die Kommission begrüßt dies und freut sich auf die Annahme des Berichts in der Plenarsitzung.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, 7. September 2010, 12.30 Uhr, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Raffaele Baldassarre (PPE), schriftlich. – (IT) Die Verbindung der Handelsregister ist eine wesentliche Vorbedingung für die Förderung der Rechtssicherheit für Firmen und Verbraucher. Im Bericht von Herrn Lechner werden die Prioritätsmaßnahmen sehr deutlich herausgehoben, die unentbehrlich sind, um das Gesetz sicherer und grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktionen transparenter zu machen. Zuerst ist es sehr wichtig, dass die Verbindung der Register und der Zugang zu Daten in einem einzigen Rahmen stattfinden. Zu diesem Zweck wird es notwendig sein, das durch das BRITE-Verbindungsprojekt angebotene Potenzial zu stärken und zu entwickeln, damit ein Binnenmarkt geschaffen werden kann, über den alle unsere Bürgerinnen und Bürger Informationen über europäische Firmen erhalten können. Zweitens wird es von großer Bedeutung sein, dass es angenommen wird mit der Absicht, die Integration der Handelsregister für alle Mitgliedstaaten obligatorisch zu machen, damit alle Staaten so bald wie möglich teilnehmen. Dies deshalb, weil der Erfolg eines jeden Projektes, das darauf abzielt, eine harmonische Entwicklung des Binnenmarktes zu erreichen, die Teilnahme aller interessierten Parteien erfordert, damit dies obligatorisch gemacht werden kann sobald die technischen Normen vollständig entwickelt worden sind.
Sebastian Valentin Bodu (PPE), schriftlich. – (RO) Die Verbindung der Handelsregister der Mitgliedstaaten bedeutet einen Fortschritt in Richtung der Vereinfachung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Reduzierung des Verwaltungsaufwands für Unternehmer. Es handelt sich dabei auch um ein nützliches Instrument, das zur Zusammenarbeit und zum Austausch von Informationen führen wird oder sogar zur Schaffung einer gemeinsamen pan-europäischen Datenbank und eines einzigen Zugangspunkts. Nichtsdestoweniger fühle ich mich verpflichtet, zu erwähnen, dass ich trotz der positiven Auswirkung, die dieser Initiativbericht haben wird, nämlich die Kostensenkung, der Ansicht bin, dass die Übersetzung der Informationen in alle offiziellen EU-Sprachen eine Lösung bieten wird, deren Kosten den Nutzen bei weitem übertreffen werden. Ich glaube, wir müssen unseren nationalen Stolz bezüglich der Sprache jedes einzelnen Mitgliedstaates einfach schlucken und nur eine oder maximal zwei Sprachen fördern, die wirklich weit verbreitet gesprochen werden (Englisch oder Französisch) als Sprachen, die in verschiedenen Verwaltungsverfahren benutzt werden, wie beispielsweise diejenigen, die Thema dieses Berichts ist.
Zuzana Brzobohatá (S&D), schriftlich. – (CS) Der Bericht über die Verbindung der Handelsregister ist eine Reaktion auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 25. und 26. Mai 2010. Es handelt sich dabei um eine Initiative, die Teil eines komplexen Ansatzes der EU im Bereich des Verbraucherschutzes ist. Ich glaube, dass jede Initiative, die zu einer transparenten Vorgehensweise gegenüber Informationen über Handelsfirmen, die auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft tätig sind, führt, Unterstützung verdient. Ich möchte gern betonen, dass ich den Ruf der Kommission nach Schaffung eines einzigen Zugangspunktes für Informationen von Handelsregistern besonders unterstütze, und speziell die Einbeziehung aller EU-Mitgliedstaaten. Nur auf diese Weise ist es möglich, echten und ausreichenden Raum zu erhalten für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger als Verbraucher sowie Rechtssicherheit im Binnenmarkt der Gemeinschaft als Ganzes zu erreichen.
22. Gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (kurze Darstellung)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Tadeusz Zwiefka im Namen des Rechtsausschusses über die Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM(2009)0174 - 2009/2140(INI)) (A7-0219/2010).
Tadeusz Zwiefka, Berichterstatter. – (PL) Frau Präsidentin! Die Brüssel-1-Verordnung beschreibt spezifische Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Wirtschaftsangelegenheiten und die Anerkennung und Durchsetzung von Urteilen aus anderen Mitgliedstaaten regeln. Sie wurde, zu Recht, als großer Erfolg begrüßt. Sie hat die freie Bewegung der Urteile erleichtert; Sie hat zu einer erhöhten Rechtssicherheit geführt und es möglich gemacht, gleichzeitige Verfahren zu vermeiden, obwohl sie in gewissen Kreisen als unpraktisch oder geschäftsschädigend kritisiert worden ist. Die Urteile des Gerichtshofs werden ebenso als widersprüchlich angesehen. Während die Brüssel-1-Verordnung angenommen wurde, fand nur eine Besprechung im Parlament statt. Jetzt wird das Parlament, gemäß dem normalen Gesetzgebungsverfahren, bei all den künftigen Vorschläge bezüglich der Änderung der Verordnung viel zu tun haben, es ist also eine gute Sache, dass wir bereits am Grünbuch der Kommission arbeiten. Zu den Dingen, die im Grünbuch angesprochen werden, gehört die mögliche Abschaffung des Exequaturverfahrens, die Funktionsweise der Regelung im größeren internationalen Rahmen, die Funktionsweise der Klauseln, die sich auf die Auswahl der Gerichte beziehen, die Funktionsweise der Verordnung in den Fällen, in denen das industrielle und geistige Eigentum eine Rolle spielt, und die mögliche Reform des Rechtshängigkeits-Verfahrens: Ich habe versucht, einen ausgewogenen Bericht zu schreiben, der sich mit der Zukunft befasst. Ich war berührt von der Reaktion auf zwei Arbeitsdokumente, in denen ich das Konzept der Abschaffung des Exequaturverfahrens unterstützt habe, das den Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Gemeinschaft konkrete Vorteile bringen sollte. Gleichzeitig bleibe ich überzeugt davon, dass dieser Schritt ausgeglichen werden muss durch ein besonderes Verfahren, das mit entsprechenden Schutzmaßnahmen für Schuldner verbunden ist. Unabhängig von der Abschaffung des Exequatur- Verfahrens bin ich überzeugt davon, dass Regierungsgesetze nicht direkt in dem Staat, in dem sie ihren Ursprung haben, durchgeführt werden sollten ohne von den entsprechenden Gesetzesbehörden dieses Staates geprüft zu werden; und ferner sollte das Prinzip geändert werden, dass die Durchführungsklausel nur in den Fällen zurückgewiesen oder geändert werden kann, in denen die Regelung nicht in Einklang steht mit der öffentlichen Politik des Staates, der die Durchsetzung gewährt hat. Unter gewissen Umständen kann das Regierungsgesetz nicht mit den vorhergehenden Gerichtsentscheidungen im Ursprungsstaat in Einklang stehen.
Ich bin weiterhin gegen die Abschaffung der Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb des Bereichs dieser Regelung. Ich glaube jedoch daran, dass wir die Verbindung zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und Gerichtsverfahren gründlich überdenken sollten und dass wir, bis wir eine vollständige Überprüfung und weitgehende Beratungen durchgeführt haben, nicht versuchen sollten, ein Konzept des Grundlagenschutzes der Schiedsgerichtsbarkeit zu verwirklichen. Für die Zukunft finde ich das Konzept des Gewährens von Feedback auf Bestimmungen der Verordnungen sehr attraktiv. Aktuell ist es jedoch noch einfach zu früh dafür. Ich trete stark für weitreichende Beratung und die politische Debatte ein, bevor diesbezügliche Maßnahmen durchgeführt werden, die über die Vorschläge, die in diesem Berichtentwurf dargestellt werden, hinausgeht. Ebenso unterstütze ich die Idee des Erneuerns der Verhandlungen über Konventionen, die sich auf internationale Urteile im Forum der Haager Konferenz beziehen. Der Bericht handelt von einigen sehr komplizierten Problemen auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts. Trotz der Tatsache, dass die Frage der Verleumdung im Grünbuch der Kommission nicht behandelt worden ist, existiert mit Sicherheit das Problem des Forum-Einkaufs, bei dem die vorteilhafteste Gesetzgebung gewählt wird, um den höchsten Schadensersatzbetrag in Verleumdungsfällen zu erhalten. Die Freiheit des Wortes und der Medien muss im Gleichgewicht bleiben mit den Rechten des Individuums, das verleumdet wurde oder dessen Privatsphäre nicht respektiert worden ist. Daher bin ich gegen den Ausschluss der Frage der Verleumdung aus den allgemeinen Prinzipien der Brüssel-1-Verordnung. Natürlich mache ich mir Gedanken darüber, ob ein Instrument wie Brüssel-1 ein adäquates Instrument ist für die Regulierung der Prinzipien des internationalen Privatrechts. Möglicherweise ist ein anderes Rechtsinstrument notwendig zur Regulierung des Konflikts zwischen der Freiheit der Medien und individuellen Grundrechten. Die Brüssel-1-Verordnung ist nicht entstanden, um die Qualität der Gerichtsurteile der Mitgliedstaaten zu beurteilen. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Lugano-Stellungnahme deutlich erklärt, dass das Brüssel-1-Rechtsinstrument auf gegenseitigem Vertrauen beruhte.
Ich würde gern meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Rechtsangelegenheiten danken, insbesondere Frau Diana Wallis und Frau Evelyn Regner.
Evelyn Regner (S&D). - Frau Präsidentin! Brüssel I ist eine sehr gute Verordnung. Eine Verbesserung wäre daher nicht nur eine umsichtige Abschaffung des Exequaturverfahrens, eine wirkliche Verbesserung ist insbesondere aus Gründen des Arbeitnehmer- und des Verbraucherschutzes angebracht. Deshalb bedaure ich es auch sehr, dass es nicht gelungen ist, hier einen Kompromiss mit Herrn Zwiefka zu erreichen. Brüssel I hält nämlich fest, dass die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung, eine entsprechend bessere Position eben in diesem Werk Brüssel I bekommen kann.
Und dementsprechend wäre es hier durchaus auch aus Gründen des Verhinderns von forum shopping, von law shopping angebracht, einen eigenen Gerichtsstand für Arbeitskampfmaßnahmen einzuführen. Dies ist insbesondere wichtig, um Fälle wie Viking – ein Gerichtsfall, der ja viel Staub aufgewirbelt hat – in Zukunft zu verhindern. Weitere Themen kann ich jetzt leider nicht mehr ansprechen.
Sebastian Valentin Bodu (PPE). – Frau Präsidentin! Dieser Bericht ist sehr wichtig, allerdings auch sehr technisch. Die Standardisierung der Beziehungen des internationalen Privatrechts stellt den Hauptpunkt der Konsolidierung des gesamten Binnenmarktes dar, und die Abschaffung der Exequatur wird sicherlich mit großem Enthusiasmus sowohl von der Geschäftswelt als auch von den Juristen begrüßt.
Die Kosten der Vertragsentwürfe werden sinken, und das Gleiche geschieht mit den Kosten der Schuldeneintreibung, die den Prozessen folgen, die vor die Gerichte der Mitgliedstaaten gebracht werden. Nichtsdestotrotz bringe ich hiermit mein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass die Auswirkungen dieses Berichts sich nicht auch auf die beglaubigten Rechtsabhandlungen erstrecken. Ich hoffe, dass diese Auslassung noch berichtigt wird angesichts der Tatsache, dass derartige Rechtsabhandlungen, sofern sie von öffentlichen Notaren ausgegeben werden, die durch die Gerichte ermächtigt sind, in allen Mitgliedstaaten - außer dem Vereinigten Königreich - in gleicher Weise behandelt werden wie Gerichtsentscheidungen.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Auf dem Gebiet der internationalen Zivilverfahren wird das vernünftige Funktionieren des Binnenmarktes vereitelt von gewissen Unterschieden bei den nationalen Gesetzen, die die Gerichtsbarkeit und die Anerkennung der Entscheidungen regeln. Die achtjährige Existenz der Brüssel-1-Verordnung hat die Bedeutung von und die Notwendigkeit einer Maßnahme aufgezeigt, die, zusammen mit der Brüssel-1-Verordnung, eine umfassende europäische Maßnahme auf dem Gebiet der zivilen und geschäftlichen Verfahrensbeziehungen schafft.
Von dem Moment an, als dieses Instrument Gültigkeit erlangte, sind Streitigkeiten, die in Bezug mit einer internationalen Dimension gestanden haben, mit Hilfe von vereinigten Verfahrensregeln beigelegt worden, die für die Gerichtsbarkeit, die Anerkennung und die Durchführung der Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union gelten.
Die daran beteiligten Parteien haben deshalb eine größere Rechtssicherheit gewonnen, trotz sich unterscheidender substanzieller Gesetzesmaßnahmen. Persönlich halte ich dies für eines der wichtigsten und am verbreitetsten genutzten Instrumente im internationalen Privatrecht, und ich hoffe, diese Verwendung des Instruments wird weiterhin unterstützt, damit es sich konstant entwickelt, und dass es sich auch als notwendig für die entscheidungsfällende Arbeit der Gerichte erweist.
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Wir heißen die parlamentarische Initiative zum Ausdruck seiner Meinung über die künftige Revision der Brüssel-1-Verordnung willkommen. Ich möchte ebenso dem Berichterstatter ausdrücklich danken für diesen gutdokumentierten Bericht, der es dem Europäischen Parlament erlaubt, sich Gedanken zu machen über die künftige Revision.
Dies ist das erste Mal, dass das Parlament bei der Gesetzgebung zu dieser Akte beteiligt ist, bei der es sich um den Kern der zivilen Justizkooperation in Europa dreht. Wir heißen die Unterstützung des Parlaments für das Hauptziel der anstehenden Revision willkommen, die die Verwirklichung eines echten und freien Umlaufs der Urteile in der Gemeinschaft darstellt. Ich würde gern betonen, dass die Abschaffung der Exequatur einen wirklichen Schritt nach vorn in der juristischen Integration darstellt; dass die Kommission dies nicht als die bloße Entfernung einer überflüssigen Formalität sieht, sondern als einen Schritt nach vorn im gegenseitigen Vertrauen in das Rechtssystem des anderen Mitgliedstaates. und dass, als Ergebnis hiervon, die bestehenden Ablehnungsgründe reduziert werden sollten, gemäß den adäquaten Schutzmöglichkeiten.
Wir heißen die Parlamentsvereinbarung willkommen, dass die Wahl des Gerichts und die Schlichtungsvereinbarung in der Gemeinschaft wirkungsvoll geschützt werden sollten. Die Kommission wird das geeignetste Mittel zur Erreichung dieses Ziels der Gemeinschaft studieren, wobei die internationalen Konventionen in der Sache zu berücksichtigen sind. Darf ich jedoch darauf hinweisen, dass der Schutz der Schiedsgerichtsbarkeits-Vereinbarungen den freien Umlauf der Urteile in der Gemeinschaft nicht begrenzen sollte.
Ich würde auch gern betonen, dass die Europäische Gemeinschaft den juristischen Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger auf weltweitem Niveau stärken sollte, wodurch eine Rechtsumgebung geschaffen wird, die den weltweiten Handel fördert und unseren europäischen Firmen ein gleichberechtigtes Betätigungsfeld bietet, wenn sie außerhalb Europas Geschäfte machen.
Die Kommission lädt das Parlament bei der anstehenden Revision ein, seine Position zu dieser Sache darzulegen, was den Zugang zur Justiz in Europa und die Durchführung der durch die Gesetze der Europäischen Gemeinschaft gewährten Rechte wirklich betrifft.
Die Kommission heißt die parlamentarische Unterstützung zur Verbesserung der vorübergehenden Entlastung im Rechtsstreit willkommen und zeigt an, dass sie die beste nach vorn gerichtete Methode untersucht, nicht nur im Zusammenhang mit der Brüssel-1-Verordnung, sondern auch in Bezug auf die Schaffung eines europäischen Bankanhangs.
Ich sehe diesen Bericht als einen ersten Schritt in der künftigen Revision der Brüssel-1-Verordnung. Natürlich werden wir die Gelegenheit haben, dies in Zukunft weiter zu debattieren. Die Kommission beabsichtigt, eine Revision der Regelung bis zum Ende des Jahres vorzulegen, und sie freut sich auf eine erstmalige Kooperation in dieser Sache mit dem Parlament.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, 7. September 2010, 12.30 Uhr, statt.
23. Gesellschaftliche Integration von Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören (kurze Darstellung)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Antonyia Parvanova im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über die gesellschaftliche Integration von Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören (2009/2041(INI) (A7-0221/2010).
Antonyia Parvanova, Berichterstatterin. – Frau Präsidentin! Ich freue mich sehr über die Gelegenheit, heute meinen Bericht zur gesellschaftlichen Integration von Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, vorzustellen – ein Punkt von äußerster Wichtigkeit, der allzu oft unterminiert wird. Diese Diskussion kommt zudem zur rechten Zeit, insbesondere wenn wir uns anschauen, was sich diesen Sommer in Frankreich ereignet hat.
Über Integration wird oft als eine Möglichkeit zur Bekämpfung der Diskriminierung von Minderheiten gesprochen. Eine selten erwähnte Tatsache jedoch ist, dass es die Frauen sind, die am meisten von Diskriminierungen betroffen sind: zum Einen, weil sie einer ethnischen Minderheit angehören, und zum Anderen einfach deshalb, weil sie Frauen sind.
Artikel 21 der Charta der Grundrechte untersagt jede Form von Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, es gibt jedoch ethnische Minderheiten in der EU, die nach wie vor der Diskriminierung, der sozialen Ausgrenzung und der Segregation ausgesetzt sind.
Diese Situation kann nicht hingenommen werden. Sagen wir, dass EU-Grundrechte nicht für alle in der EU lebenden Menschen gelten? Der Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter ist ebenfalls einer der wesentlichen Grundsätze der Charta, aber manchmal hat man den Eindruck, dass diese Tatsache insbesondere bei Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, vergessen wird.
Es gibt keine allgemein anerkannte Definition für „ethnische Minderheit“ und es wurde über die Verwendung dieses Begriffs selbst diskutiert. In meinem Bericht verwende ich den Begriff „ethnische Minderheit“ als Sammelbegriff für die Gruppen, einschließlich beispielsweise der Roma, die von EU-Grundrechten nicht profitieren.
Ich habe versucht einen Bericht zu erstellen, der die Fragen im Zusammenhang mit der Politik zur gesellschaftlichen Integration in der EU, insbesondere mit Blick auf Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, bewertet, und habe versucht hervorzuheben, was funktioniert, wo die Probleme liegen und dabei zu helfen, Lösungen zu finden.
Einer der eklatantesten Punkte ist der des Zugangs zum Arbeitsmarkt und zu öffentlichen Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitsfürsorge, einschließlich reproduktiver Gesundheit, und Sozialdienstleistungen – und wenn ich über reproduktive Gesundheit spreche, spreche ich über das Recht auf ein Kind, nicht nur über das Recht auf Abtreibung.
In den meisten Fällen sind diese Frauen einem größeren Risiko sozialer Ausgrenzung und Armut sowie erheblicher Menschenrechtsverletzungen wie Menschenhandel und Zwangssterilisierung ausgesetzt.
Ich glaube, dass Maßnahmen zur Überwindung der Ausgrenzung von Frauen, gleich welchen ethnischen Minderheiten sie angehören, im breiteren Rahmen der europäischen Gleichstellungs-, Eingliederungs- und Wachstumspolitik erfolgen müssen. Was die Sicherstellung der Entwicklung einer demokratischen, aufgeschlossenen Gesellschaft, welche die Werte der Toleranz und Gleichstellung vermittelt, angeht, möchte ich die entscheidende Rolle der Agentur für Grundrechte hervorheben.
Gemeinsam mit den nationalen Behörden für Gleichstellungsfragen muss die Agentur die Querschnittsperspektive zur Gleichstellung von Frauen und Männern und zu den Frauenrechten in alle Bereiche ihrer Mehrjahresrahmen und Folgeaktivitäten aufnehmen.
Ich bin mir vollkommen darüber bewusst, dass die vor uns liegende Herausforderung eine gemeinsame Verantwortung der europäischen Organe und Mitgliedstaaten ist, die sie wahrnehmen müssen, indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente und Strategien einsetzen. Andererseits jedoch liegt die Verantwortung dafür, dass eine wirksame Eingliederung Realität wird, sowohl bei den ethnischen Minderheiten als auch bei der Mehrheitsgesellschaft.
Abschließend möchte ich allen meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter für die fruchtbaren Diskussionen danken, die wir zu diesem Thema geführt haben.
Ich war jedoch ziemlich überrascht, dass, während der Bericht ausgearbeitet wurde, nationale Erwägungen seiner allgemeinen Zielsetzung, nämlich der Arbeit an einer verbesserten Kooperation zwischen europäischen, nationalen und internationalen Akteuren zusammen mit den jeweiligen ethnischen Minderheiten, sowie der Herbeiführung positiver Veränderungen, zuwidergelaufen sind.
Die jüngsten Ereignisse in Frankreich und die Maßnahmen, die Frankreich mit Blick auf die Roma ergriffen hat, sind in der Tat ein gutes Beispiel dafür, wie wir Probleme nicht aus der richtigen Perspektive betrachten und wie wir diese Frage nicht in geeigneter Weise angehen.
Nur durch einen ganzheitlichen und kooperativen Ansatz mit zielgerichteten Strategien für die Schwächsten, insbesondere für Frauen, werden wir es schaffen, dass Integration in unserer europäischen Gesellschaft für alle Bürgerinnen und Bürger, für alle Frauen, unabhängig von ihrer rechtlichen Situation, ihrer Rasse, ihrem Alter, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen Herkunft oder Religion, Realität wird.
Barbara Matera (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gleichheit ist der Grundsatz, auf den sich Kapitel III der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gründet. Nach der Gleichheit vor dem Gesetz ist Artikel 21 die Bestimmung, die den Inhalt dieses Grundsatzes am besten verdeutlicht: Gleichbehandlung und Chancengleichheit ungeachtet der Unterschiede bei Geschlecht, Rasse, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft.
Wir müssen den Schutz vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und der Herkunft auf allen Ebenen und für alle Menschen, insbesondere für Frauen, und unabhängig davon, ob es sich um europäische Bürgerinnen und Bürger handelt oder nicht, gewährleisten. Gleichheit existiert nur dann, wenn sie keine Untergruppen mit unterschiedlichem Zugang zum gesellschaftlichen Leben schafft, sondern wenn sie den Zugang für alle garantiert.
Forschung spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Die Forschung ist zu einem Instrument für die Umsetzung europäischer Geschlechterpolitik geworden, an dem das europäische Institut sowie die Universitäten und nationalen Institute beteiligt sein müssen, insbesondere, wenn es um die Datenerhebung geht. Abschließend möchte ich noch die wichtige Rolle hervorheben, die interkulturelle Mediatoren spielen.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Dieses Thema passt heute vielleicht besonders gut, da wir gerade vor ein paar Stunden die Gelegenheit hatten, über die katastrophale Situation von Frauen im Iran, denen die Todesstrafe droht, zu diskutieren, und ich hoffe, dass das Europäische Parlament in dieser Sache eine klare Botschaft sendet.
Die gesellschaftliche Integration von Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, ist ein heikles Thema, da wir einerseits den europäischen Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern und Chancengleichheit haben, und es andererseits natürlich die kulturellen Unterschiede bestimmter ethnischer Minderheiten gibt. Unsere Priorität sollte es sein – und damit meine ich uns als Mehrheit oder als Mitglieder der Mehrheitsgruppe in der Gesellschaft – weiterhin in der Lage zu sein, nicht nur nach Chancen, sondern auch nach Kompromissen zu suchen, und bestimmte charakteristische Unterschiede, die Mitgliedern ethnischer Minderheiten eigen sind, zu akzeptieren.
Ich denke daher, dass die Schlüsselbegriffe bei diesem Thema Entgegenkommen, Verständnis und Hilfsbereitschaft sein sollten, und dann werden wir es wirklich schaffen, diese Frauen erfolgreich in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Elisabeth Köstinger (PPE). - Frau Präsidentin! Gleichbehandlung darf in einem vereinten Europa kein Privileg sein, sondern muss als ein Grundrecht verstanden werden. Die Rolle der Frau muss weiterhin gestärkt werden, damit sie auch in der Gesellschaft als gleichberechtigt begriffen wird. Besonders jene Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, müssen sichtbarer werden. Dafür ist eine europaweite Förderung absolut sinnvoll und notwendig. Der Zugang zu Bildung und Beschäftigung und zu sozialen Diensten muss stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Nur so kann vor allem auch Integration funktionieren.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch auf die Rolle der Frau im ländlichen Raum eingehen. Die Bäuerin ist ein elementarer Bestandteil im ländlichen Raum sowie im bäuerlichen Gefüge. Ihre Leistungen sind weitreichend und zeugen von hohem Einsatz. Vor allem die Vermarktung von eigenen Produkten trägt oft die Handschrift von Frauen. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag in allen Regionen Europas. Hier gilt es weiterhin anzusetzen und das Bild der selbständigen und gleichberechtigten Frau auf allen Ebenen zu stärken.
Nicole Kiil-Nielsen (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin! Der Bericht von Frau Parvanova über die gesellschaftliche Integration von Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, kommt gerade zur rechten Zeit, da die französische Regierung mit einer großen Operation zur Ausweisung von Roma-Männern, -Frauen und -Kindern – die am stärksten benachteiligten und diskriminierten Bürger Europas – beginnt.
Roma-Frauen sind Opfer einer doppelten Diskriminierung – aufgrund ihrer Herkunft und ihres Geschlechts. Sie sind Diskriminierungen hinsichtlich der Ausübung der Grundrechte, das heißt hinsichtlich des Rechts auf Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsfürsorge ausgesetzt. Die Gewalt, der sie als Frauen ausgesetzt sind, stellt eine weitere Form der Diskriminierung dar.
Wir müssen von allen Mitgliedstaaten die Einhaltung der Grundrechte der größten ethnischen Minderheit in Europa und in erster Linie die Einhaltung der Grundrechte dieser Frauen einfordern. Das Leben dieser Frauen ist von Zwangsarbeit, Menschenhandel, Zwangssterilisierung, Verheiratung von Kindern und unzähligen Abtreibungen gekennzeichnet, und dadurch, dass man sie von Stadt zu Stadt jagt, sie von einem Ende Europas ans andere setzt, bessert sich ihre Lage nicht.
Es ist die Pflicht der Mitgliedstaaten, einschließlich Frankreichs, den Schutz dieser Frauen zu garantieren und die Ausbildung von Roma-Kindern, Jungen wie Mädchen, zu gewährleisten. Dies ist der Schlüssel für ihre Freiheit und für ihre Unabhängigkeit. Um frei und unabhängig zu sein, brauchen sie Stabilität und Unterstützung; Ausweisungen sind inakzeptabel.
Joanna Katarzyna Skrzydlewska (PPE). – (PL) In unseren Berichten sprechen wir oft über die schwierige Position von Frauen in der Europäischen Union, und wir versuchen ihre Lage zu verbessern und ihnen Chancengleichheit zu bieten. Wie viel schwieriger ist das bei Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, und ebenfalls Teil unserer Gesellschaft sind? Deshalb sollten wir ihnen auch helfen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung zu erhalten. Wir sollten sie vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und vor den vielfältigen Diskriminierungen schützen, indem wir versuchen, sie in verschiedene Arten politischer und gesellschaftlicher Aktivitäten einzubinden. Nur auf diese Weise werden wir Stereotypisierung, Stigmatisierung, ethnische Segregation und ganz einfach auch Gewalt und Aggression verhindern. Wir sollten Chancen und Möglichkeiten für diese Menschen schaffen, sodass Unterschiede in Kultur und Tradition kein Hindernis für das Zusammenleben darstellen, sondern im Gegenteil einen Mehrwert bieten. Die Ereignisse der letzten paar Tage haben gezeigt, dass einige Leute versuchen, die Schwierigkeiten, die sich aus einer multikulturellen Gesellschaft ergeben können, loszuwerden, anstatt sich ihnen zu stellen, und damit noch mehr Verärgerung und gesellschaftliche Missbilligung verursachen.
Franz Obermayr (NI). - Frau Präsidentin! Zwangsverheiratungen, körperliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen, Morddrohungen, totale Unterdrückung, keine Möglichkeit der Selbstbestimmung des eigenen Lebens, archaische Frauenbilder - all das sind Gegebenheiten, die sich nicht nur in fernen Ländern abspielen, sondern hier mitten unter uns, auch in Europa, in zahlreichen Migrantenfamilien. Und manche politische Gutmenschen, die sich gerne zu großen Frauenrechtlern aufspielen, bagatellisieren diese Vorkommnisse zu Einzelfällen. Schwerwiegende Menschenrechtsverstöße werden unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit gerechtfertigt und geduldet.
Wer allerdings Integration will, muss auch lautstark gegen solche Verstöße auftreten. Und die EU ist gefordert, hier und jetzt ein Zeichen für die Frauen zu setzen und gegen die Unterdrückung in patriarchalischen Parallelgesellschaften vorzugehen, sei es in muslimischen Familien oder in Roma-Verbänden, wo junge Mädchen oft von jeder Schulbildung ferngehalten werden.
Ein EU-weites Burka-Verbot und die strafliche Ahndung der Zwangsverheiratung in allen Mitgliedstaaten wären dabei neben Integrations- und Aufklärungsarbeit erste konkrete rechtliche Schritte. Stehen wir doch zu unseren abendländischen Werten der Aufklärung!
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Kommission begrüßt den Bericht von Frau Parvanova über die gesellschaftliche Integration von Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören.
Die Kommission erkennt an, dass diese Gruppe ganz besonders zahlreichen Nachteilen und unzähligen Formen der Diskriminierung in beinahe allen Lebensbereichen, insbesondere wenn es um den Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Unterkunft geht, ausgesetzt ist. Die Kommission hat in ihrer Roadmap zur Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010 hervorgehoben, wie wichtig der Kampf gegen die vielen Formen der Diskriminierung ist, denen Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, ausgesetzt sind.
Mir müssen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration zu fördern, weil wir sowohl die grundlegenden Werte als auch die Grundrechte des Einzelnen achten müssen, und auch, weil die demografischen Entwicklungen dies wirtschaftlich rechtfertigen.
Konkret geht es darum, die volle Ausübung der Rechte des Einzelnen durch die Anwendung aller einschlägigen EU-Rechtsvorschriften, insbesondere der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse, zu gewährleisten; die bestmögliche Verwendung der EU-Strukturfonds sicherzustellen; und auf EU-Ebene den Fokus auf Minderheitengruppen am Arbeitsplatz durch Förderung der gesellschaftlichen Eingliederung und Bekämpfung der Armut zu richten.
Die Kommission wird auch in ihrer kommenden Strategie zur Gleichstellung von Frauen und Männern, die sie diesen Monat annehmen wird, weiter hervorheben, wie wichtig die Integration von Frauen ist, die ethnischen Minderheiten angehören.
Auch unter Bezugnahme auf das, was Frau Köstinger gesagt hat, möchte ich sagen, dass ich mir sehr wohl darüber bewusst bin, dass die Rolle der Frau im ländlichen Raum – selbst in der gemeinsamen Agrarpolitik – eine Frage ist, die in Zukunft klarer angegangen werden sollte.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, 7. September 2010, 12.30 Uhr, statt.
24. Die Rolle der Frau in einer alternden Gesellschaft (kurze Darstellung)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Sirpa Pietikäinen im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über die Rolle der Frau in einer alternden Gesellschaft (2009/2205(INI) (A7-0237/2010).
Sirpa Pietikäinen, Berichterstatterin. – (FI) Frau Präsidentin! In Studien in der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten wird das Altern allzu häufig negativ wahrgenommen, wird als eine Belastung mit Blick auf Renten, Dienstleistungen oder unabdingbare Ausgaben im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge und Medikamenten gesehen.
Tatsächlich jedoch sind das Altern und die Rechte älterer Menschen nicht nur ein Teil der Grundrechte, sondern auch etwas, das die Gesellschaft enorm bereichert. Ältere Menschen übernehmen einen sehr großen Teil der informellen Betreuung ihrer Partner, Ehepartner, Familienangehörigen und Kinder. Sie verfügen auch über einen großen Erfahrungsschatz und implizites Wissen über die Arbeit und das soziale Umfeld, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie eine enorm wichtige Verbrauchergruppe darstellen und sicherlich nicht nur eine Belastung für die Gesellschaft sind.
Die Charta der Grundrechte und der auf Rechten basierende Ansatz mit Blick auf die Alterung verlangen von uns, das Altern oder ältere Menschen nicht negativ zu sehen, sondern gegenüber dem Altern und älteren Menschen eine respektvolle, positive Haltung einzunehmen. Dies ist bei Frauen und älteren Frauen eine besondere Herausforderung. Das Altern ist auch eine Frage, die sehr viel mit Frauen und Gleichberechtigung zu tun hat, weil Frauen bis ins hohe Alter gut leben, übernehmen sie häufiger informelle häusliche Betreuungen und sie arbeiten häufig bei Sozialdiensten und in der Gesundheitsfürsorge, die für die privaten und öffentlichen Pflegedienstleistungen für ältere Menschen verantwortlich sind.
Frauen erleben auch oft eine doppelte oder dreifache Diskriminierung. Für eine ältere Frau ist es in der Arbeitswelt schwieriger, Karriere zu machen, oder sie hat größere Schwierigkeiten, nach einer Entlassung eine neue Arbeit zu finden. Dies gilt zudem gleichermaßen für die Gesundheitsfürsorge oder Dienstleistungen, wenn eine ältere Frau einer ethnischen, sexuellen oder religiösen Minderheit oder einer besonders benachteiligten Gruppe mit Blick auf ihren sozioökonomischen Status angehört.
Frauen sind auch einem höherem Risiko ausgesetzt, in Armut zu leben wenn sie älter werden, und ihre betriebliche Altersversorgung ist oftmals geringer. Leider haben die in der Europäischen Union zur Alterung durchgeführten Studien in den meisten Fällen eine geschlechterspezifische Dimension vermissen lassen und es wurden auch nur selten Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Zusammenhang mit Gesundheitsfürsorge, medizinischer Forschung oder Erforschung von Krankheiten erwähnt.
Aus diesem Grund fordert der Bericht die Kommission auf, bis Ende 2011 einen Aktionsplan vorzulegen, der mehr Mittel für die Altersforschung garantiert. Lassen Sie uns sehen, welche Maßnahmen für die Verbesserung der Qualität der Pflege älterer Menschen, insbesondere von Frauen, und zur Verbesserung des Niveaus der sozialen Sicherheit benötigt werden, und lassen Sie uns eine Richtlinie über Grundversorgungsdienste fordern. Lassen Sie uns auf die Anerkennung geschlechts- und altersbedingter Krankheiten und deren Behandlung bestehen, und lassen Sie uns insbesondere einen Jahresbericht zur Diskriminierung aufgrund des Alters und zu den Schritten, die in der Europäischen Union und auf nationaler Ebene zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund des Alters unternommen wurden und unternommen werden, fordern.
2012 werden wir neue Maßnahmen hinsichtlich der Untersuchung, wie die Diskriminierung in der Europäischen Union beseitigt werden kann, fordern. Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit danken und ich erwarte von der Kommission wirksame Maßnahmen bei der Frage der älteren Frauen und der Frage der Alterung.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Es ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, dass Frauen über 65 Jahren ein 5 % höheres Armutsrisiko haben als Männer. Und das, weil sie sich um ihre Familien gekümmert und Kinder erzogen haben und weil ihr Lebenseinkommen im Durchschnitt geringer als das Einkommen von Männern ist. Das kann so nicht weitergehen. Die Zeit, die sie der Betreuung von kleinen Kindern widmen, darf nicht als Elternurlaub, sondern muss als Arbeitszeit betrachtet werden, für die sie Anspruch auf Bezahlung und auch auf Rentenversicherungsbeiträge haben. Und dies sollte auch für Männer gelten, wenn sie anstelle der Mutter ein Kind betreuen. Natürlich bin ich nicht damit einverstanden, dass Staaten die besondere Situation älterer lesbischer, bisexueller und transsexueller Frauen berücksichtigen. Heißt das, dass ihnen ein höherer Stellenwert als anderen älteren Frauen eingeräumt werden sollte? Ich hoffe, dass solch diskriminierende Artikel bei der morgigen Abstimmung nicht durchkommen.
Karin Kadenbach (S&D). - Frau Präsidentin! Dieser Bericht ist leider immer noch notwendig. Die Frau in einer ständig älter werdenden Gesellschaft ist leider immer noch ein Mitglied der Gesellschaft, das in weiten Bereichen nach wie vor unterprivilegiert ist. Wenn wir uns die Erwerbsbiografien der Frauen anschauen, dann ist es heute immer noch selbstverständlich, dass der Großteil der Betreuungsarbeit, sowohl die Kindererziehung und Kinderbetreuung, als auch die Pflege, an den Frauen hängen bleibt, dass große Teile dieser Arbeit nach wie vor weder finanziell noch sonst wie anerkannt werden. Wir haben es mit einer ständig wachsenden Altersarmut zu tun.
Aber ich möchte noch einen zweiten Punkt hervorheben. Wir brauchen gerade im Bereich der Gesundheitsvorsorge auch einen ganz speziellen Blick auf die Gesundheitsansprüche der Frau. Wir wissen, dass Frauen meistens sehr gut auf die Gesundheit ihrer Familienmitglieder achten, aber viel zu wenig auf ihre eigene. Daher möchte ich die Kommission auffordern, ganz bewusst die einzelnen Mitgliedstaaten daran zu erinnern, dass auch Frauen Vorsorge brauchen.
Petru Constantin Luhan (PPE). – (RO) Ich scheine einer der wenigen Männer zu sein, die zu diesem Thema Stellung nehmen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jedoch insbesondere auf einige der finanziellen Aspekte lenken.
Dieser Bericht kann zusammen mit der Initiative der Kommission, 2012 zum Europäischen Jahr für aktives Altern und der Solidarität zwischen den Generationen zu erklären, den Rahmen bieten, der zur Erarbeitung neuer Leitlinien, einschließlich in der Kohäsionspolitik und regionalen Entwicklung, benötigt wird.
Wir können die in diesem Bericht erwähnten Studien und Analysen durchführen und verwenden, um neue Kriterien für die Mittelzuweisung an und die Unterstützung von Regionen, die mit der vielschichtigen Frage älterer Frauen konfrontiert sind, festzusetzen.
Die Zahl älterer Frauen, die Arten von Krankheiten, die einer bestimmten medizinischen oder sozialen Intervention bedürfen, die Familienstruktur und die Rolle der Frau bei der Betreuung älterer Menschen können Faktoren sein, die die Kommission in die Liste derer aufnimmt, die den Rahmen für den Entwurf regionaler Entwicklungspläne auf nationaler Ebene bilden.
Ich begrüße diesen Bericht ganz besonders, und ich bin davon überzeugt, dass er auch die Art und Weise, wie wir in anderen Ausschüssen mit dieser Frage umgehen, beeinflussen wird.
Catherine Stihler (S&D). – Frau Präsidentin! Ich möchte der Berichterstatterin danken. Ich denke, sie hat einen ausgezeichneten Bericht erstellt. Wie wir alle wissen, wird niemand von uns in diesem Raum jünger, und es ist von zentraler Bedeutung, dass wir das Altern positiv sehen. Es ist ein Wunder, dass wir ein längeres und gesünderes Leben führen, und das sollte uns Anlass zur Freude geben. Auf viele Frauen jedoch trifft dies nicht zu, und darum geht es in diesem Bericht.
2010 sind es vor allem Frauen, die den größten Teil der Betreuungsarbeit in einer Familie leisten, ob es nun um die Betreuung von Kindern oder von älteren Familienangehörigen geht, und dies hat – wie wir aus dem Bericht wissen – zur Folge, dass Frauen im Alter in Armut leben, in einer Zeit, in der sie Würde und Respekt verdient hätten, wie unsere Berichterstatterin sagte.
Dieser Bericht ist auch deshalb wichtig, weil er das Thema der Misshandlung von älteren Menschen anspricht, etwas, das wir in diesem Haus alle verurteilen und ein Punkt, dem eine höhere politische Priorität eingeräumt werden muss.
Wir sollten auch den Austausch vorbildlicher Verfahrensweisen im Zusammenhang mit aktivem Altern, der Seniorenuniversität und der Art und Weise, wie wir neue Technologien nutzen können, einfordern. Ich möchte der Berichterstatterin danken, und ich hoffe, dass wir uns alle dafür einsetzen, dass das Altern so aktiv und würdevoll wie möglich gestaltet werden kann.
Antonyia Parvanova (ALDE). – Frau Präsidentin! Ich möchte die Berichterstatterin ebenfalls beglückwünschen. Es wurde gesagt, dass die Alterung der Bevölkerung erhebliche Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme und die öffentlichen Finanzen hat. Im Gesamtkontext des demografischen Wandels sind Frauen traditionell mehr von Armut und geringen Renten bedroht. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass wir Politiker die Frage und die Belange älterer Menschen – insbesondere der Frauen – weiterhin verfolgen, um sicherzustellen, dass sie nicht ins Abseits gedrängt werden.
In dieser Hinsicht ist es notwendig, unsere Anstrengungen sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene in Richtung des vollen Einsatzes bestehender Instrumente und künftiger Maßnahmen in den Bereichen Rentenpolitik, Langzeitpflegepolitik, Migrations- und Integrationspolitik sowie Ausbau der Infrastruktur zu verstärken.
Dies ist ein Thema, über das wir in diesem Haus häufiger diskutieren müssen.
Barbara Matera (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Berichterstatterin hebt die doppelte Diskriminierung hervor, der Frauen, die zudem auch noch älter sind, ausgesetzt sind. Ich möchte deutlich machen, wie wir von einer Dreifachdiskriminierung sprechen sollten: Frauen, die alt und allein sind.
Dieser Bericht spricht wichtige Fragen an, angefangen mit der Arbeitswelt und der Wiedereinstellung dieser sich aus älteren Menschen, insbesondere älteren Frauen, zusammensetzenden Arbeiterschaft.
Diese Frauen müssen als positive Arbeitskräfte gesehen werden, ausgestattet mit Erfahrung und in der Lage, diejenigen, die jünger sind als sie selbst, zu schulen. Kurz gesagt stellen sie eine Ressource dar, die benötigt wird, damit ganz Europa wächst und die Ziele, die es sich selbst gesetzt hat, erreicht, eine Ressource, mit Blick auf welche wir sicherstellen müssen, dass sie ein würdevolles Leben mit umfassender und wirksamer sozialer Unterstützung und Gesundheitsfürsorge führt, eine Ressource, die in unserer Gesellschaft – einer Gesellschaft die altert, jedoch noch lernen muss richtig zu altern – unterstützt werden muss.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Ich begrüße den Bericht über die Rolle der Frau in einer alternden Gesellschaft sehr, insbesondere da er es ablehnt, das Alter als etwas Negatives zu betrachten. In sozialen Debatten überwiegt nämlich sehr oft der wirtschaftliche Blick auf das Alter. Bei den Reformen des Sozialstaates wird das Alter als ein Problem für das Rentensystem oder das Gesundheitswesen dargestellt.
Alte Menschen erfüllen jedoch zahlreiche wichtige Funktionen. Angesichts ihrer umfassenden Berufserfahrung sorgen sie auch für wichtige soziale oder familiäre Unterstützung. Selbst wenn sie keine ökonomisch wichtigen Funktionen innehatten, sollten wir die höhere durchschnittliche Lebensdauer immer noch als Beleg für eine verbesserte Lebensqualität in der Gesellschaft sehen und ältere Menschen nicht als Last, sondern als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft, die ein würdevolles Leben verdient haben, betrachten. Dies gilt umso mehr für ältere Frauen, die einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt und ganz besonders von öffentlichen und privaten Diensten und auch vom Gesundheitswesen abhängig sind, was auch bedeutet, dass alternde Frauen von unzureichenden oder qualitativ schlechten Diensten betroffen sind.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Ich glaube, dass es bezeichnend ist, dass so viele Leute an der Besprechung dieser Themen interessiert sind. Die Kommission sollte verstehen, dass für diese Probleme eine Lösung gefunden werden muss, da die geschlechtsbedingten Benachteiligungen gerade bei älteren Frauen besonders ausgeprägt sind, ob nun aufgrund der geringen Einkommen der meisten Frauen oder aufgrund der Schwierigkeiten beim Zugang zu qualitativ guten öffentlichen Dienstleistungen und zu Gesundheitsleistungen im Besonderen.
Lohndiskriminierungen in der Arbeitswelt und Diskriminierungen aufgrund von Mutterschaft spiegeln sich in den meisten Renten älterer Frauen direkt wider. Das Ergebnis ist, dass diese Renten niedrig sind, was zu dem sehr hohen Armutsrisiko bei älteren Frauen beiträgt. Alle Frauen haben das Recht, in Würde zu altern, und deshalb muss im Europäischen Jahr für aktives Altern und der Solidarität zwischen den Generationen älteren Frauen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, damit ihre Würde als Frauen und als Bürgerinnen geachtet wird.
Joanna Katarzyna Skrzydlewska (PPE). – (PL) Eine alternde Bevölkerung ist ein Phänomen, das unserer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Zu den Problemen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, zählt das Problem der Armut, das – obgleich es viele Aspekte hat – weitgehend eine Folge der hohen Arbeitslosigkeit ist. Es wurde bereits ein erheblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen festgestellt, von dem insbesondere Frauen betroffen sind. Aufgrund ihres Alters haben sie nicht das Gefühl, für Arbeitgeber interessant zu sein. Manche von ihnen entscheiden sich dafür, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, und ihre niedrigen Renten stürzen sie manchmal in extreme Armut. Um die Beschäftigungsraten in dieser Altersgruppe zu erhöhen, sollten wir in einzelnen Staaten auf Regierungsebene rechtliche Lösungen umsetzen. Unternehmer brauchen Anreize, um über 50-Jährige einzustellen. Dies könnte in Form von Steuererleichterungen, durch Einführung spezieller Lösungen im Rahmen des Gesundheitswesens oder in Form von kostenlosen Schulungen, mit denen diese Angestellten auf den Bedarf der Arbeitgeber eingestellt werden, geschehen. Ähnliche Ansätze würden nicht nur ihren Lebensstandard erhöhen, sondern würden den Haushalten einzelner Staaten auch messbare Vorteile bringen.
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Die Bevölkerung der Europäischen Union altert, wobei die Gruppe der über 65-Jährigen im Jahr 2008 mehr als 17 % der EU-Bevölkerung ausmachte. Der Anstieg der Lebenserwartung der Bevölkerung ist eng mit der Verfügbarkeit von und dem Zugang zu medizinischen Leistungen und einem angemessenen Lebensstandard verbunden.
Der Anteil an im Gesundheitswesen beschäftigten Frauen war schon immer hoch und wächst weiter. Auf EU-Ebene machen Frauen insgesamt etwa drei Viertel der Beschäftigten aus. In manchen Mitgliedstaaten sind mehr als 50 % der Studenten an medizinischen Hochschulen Frauen. Die Steigerung der Geburtenrate und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind ebenfalls entscheidend, um die Tragfähigkeit der Rentensysteme zu gewährleisten.
Die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder von 0-6 Jahren ist für junge Mütter für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von wesentlicher Bedeutung. Jeder in Kinderbetreuungsleistungen investierte Euro bringt der Gesellschaft durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Wiedereingliederung junger Mütter in den Arbeitsmarkt einen Gewinn von sechs Euro ein.
Dacian Cioloş, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, – oder sollte ich sagen „meine Damen“, da ich leider sehe, dass relativ wenige Männer bei dieser Debatte über Frauen anwesend sind – ich möchte Frau Pietikäinen für den Entwurf ihres Berichts über die Rolle der Frau in einer alternden Gesellschaft danken. Der Bericht beschäftigt sich mit einem Thema, das vor dem Hintergrund der heutigen demografischen Herausforderungen von Bedeutung ist, und liefert durch Anwendung eines multidisziplinären Ansatzes eine hilfreiche Analyse dieses Themas.
Die Kommission ist sich darüber bewusst, dass ältere Frauen und Männer mit großen Schwierigkeiten konfrontiert sind, wenn sie versuchen ein aktives Leben zu führen, Rentenansprüche für ihren Ruhestand zu bilden und in Würde zu altern, während ihre körperlichen Fähigkeiten nachlassen.
Die Tatsache bleibt bestehen, dass ältere Frauen aufgrund der sich hartnäckig haltenden Stereotypen hinsichtlich der jedem Geschlecht zugeordneten Rollen und auch aufgrund der Diskriminierung, der sie auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, besonders betroffen sind.
Die Auswirkungen, die Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit oder Auszeiten, die genommen werden, um sich um Angehörige zu kümmern, auf die Rentenansprüche von Frauen haben, führen – gepaart mit dem weiterhin bestehenden Lohngefälle zwischen den Geschlechtern – dazu, dass sie im Alter einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind als Männer.
Die Kommission hat mehrere Initiativen eingeleitet, um die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der alternden Gesellschaften in der Europäischen Union, in denen ältere Frauen eine wichtige Rolle spielen, zu lenken. Erst kürzlich hat die Kommission in ihrem Grünbuch zur Altersversorgung betont, wie wichtig es ist, das Gefälle zwischen Frauen und Männern, insbesondere im Hinblick auf die Betreuung von Personen, die Bezahlung und den Arbeitsmarkt, zu verringern.
Die Kommission wird im Rahmen ihrer Strategie zur Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015, die in diesem Monat angenommen wird, auch weiterhin die Bedeutung der Rolle der Frau in einer alternden Gesellschaft betonen.
Die Kommission wird ebenfalls sicherstellen, dass die Einbeziehung von Gleichstellungsfragen in ihrem Vorschlag, das Jahr 2012 zum Europäischen Jahr für aktives Altern zu erklären, berücksichtigt wird.
Da dies heute Abend meine letzte Rede ist, gestatten Sie mir bitte auch den Dolmetschern zu danken, und mich zu entschuldigen, wenn ich hin und wieder zu schnell gesprochen habe.
Die Präsidentin. − Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, 7. September 2010, 12.30 Uhr, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D), schriftlich. – (RO) Europa ist mit einem ernsten Problem konfrontiert. Seine Bevölkerung altert und es werden geeignete Maßnahmen benötigt, um dieser Realität zu begegnen. Ferner sollte das Potenzial, das ältere Menschen bieten, und das in den Mitgliedstaaten meistens übersehen wird, nicht außer Acht gelassen werden. Die Erfahrung und die Fähigkeiten, über die sie verfügen, können zur Ausbildung junger Leute verwendet werden, mit dem Ziel, den Staffelstab in verschiedenen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen der Fachkompetenz an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Obwohl Diskriminierungen aufgrund des Alters gemäß EU-Rechtsvorschriften verboten sind, kommt es in allen Mitgliedstaaten im Arbeitsbereich häufig zu Situationen offener oder versteckter Diskriminierungen, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Folglich unterstütze ich den Vorschlag, europaweite Aufklärungskampagnen durchzuführen, die auf die Bekämpfung bestehender Diskriminierungen aufgrund des Alters und den Erhalt der Solidarität zwischen den Generationen abzielen. Ich glaube, dass es förderlich ist, europäische Mittel für Projekte bereitzustellen, die beispielsweise sozial benachteiligten alleinstehenden und älteren Frauen zugute kommen. Dies wäre bei der Bekämpfung altersbedingter Diskriminierung eine große Hilfe.
Lena Kolarska-Bobińska (PPE), schriftlich. – (PL) Es ist gut, dass der Bericht des Europäischen Parlaments die Situation von Frauen über 50 im Kontext des sich überall in Europa vollziehenden demografischen Wandels hervorgehoben hat. Die bislang erstellten Berichte haben eine langsame Verbesserung bei den Beschäftigungsaussichten und dem gesellschaftlichen Leben von Frauen erkennen lassen. In den nächsten Jahren könnte es zu einer deutlichen Veränderung kommen – einer Verschlechterung der Lage dieser Gruppe von Frauen, insbesondere in Ländern, die weniger entwickelte oder ineffiziente Sozial- und Gesundheitssysteme haben. In diesen Ländern wird eine alternde Bevölkerung insbesondere Frauen belasten, die für die Pflege von alternden Elternteilen und Angehörigen verantwortlich sind. Schon jetzt tragen Frauen die Last dieser Art Verantwortung, und dies wird in Zukunft noch zunehmen. In vielen Fällen werden sie ineffiziente Institutionen ersetzen und für diese einspringen. Wir müssen uns jetzt auf die demografische Zeitbombe vorbereiten, die sich diesmal in Gestalt einer riesigen Anzahl an älteren und gebrechlichen Menschen zeigen wird. Die Anpassung der Institutionen wird ein langwieriger und schwieriger Prozess, und deshalb müssen wir jetzt entscheiden, wie wir Familien in einer alternden Gesellschaft helfen können. Die Europäische Kommission und das Parlament müssen jetzt gleich damit anfangen, die Anpassung der Institutionen in den Mitgliedstaaten an die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft zu überwachen. Der Bericht betont zu Recht, dass der Zugang zu öffentlichen und privaten Diensten, insbesondere zu Gesundheitsdiensten, erleichtert werden muss. Es ist wichtig, dass sich diese Regelungen im täglichen Leben widerspiegeln und nicht nur als erloschene Bestimmungen in EU-Dokumenten existieren.
Elżbieta Katarzyna Łukacijewska (PPE), schriftlich. – (PL) Frau Präsidentin! In seinem Bericht über die Rolle der Frau in einer alternden Gesellschaft hat der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter ganz richtig festgestellt, dass Frauen im Rentenalter häufiger von einem Leben in Armut bedroht sind. Der Grund für dieses Phänomen sind sehr häufig geringere Rentenansprüche, die auf die niedrigeren Gehälter von Frauen und die zeitweise geringeren Einkommen, z.B. während der Kinderbetreuung, zurückzuführen sind. Im Entwurf werden viele Faktoren erwähnt, die die Lebensqualität von Frauen über 50 verbessern könnten, darunter unter anderem die Aufnahme einer zusätzlichen Teilzeitbeschäftigung. Vor allem aber müssen wir uns entscheiden, was zu tun ist, damit Frauen, die sich dem Rentenalter nähern, nicht um den Verlust ihres Arbeitsplatzes und damit um ihre finanziellen Mittel fürchten müssen. Die Europäische Union sollte einen besonderen Schwerpunkt darauf legen, zu gewährleisten, dass die Gehälter von Männern und Frauen gleich sind. Gemäß der Charta der Grundrechte und dem Vertrag von Lissabon ist die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts am Arbeitsplatz verboten, und daher sollte der Bericht Abschnitte enthalten, die gewährleisten, dass Frauen die gleichen Gehälter erhalten wie Männer. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die öffentliche Meinung alle Fragen in Bezug auf Diskriminierungen von Frauen am Arbeitsplatz hervorhebt.
Siiri Oviir (ALDE), schriftlich. – (ET) Wir alle in der Europäischen Union müssen die gleichen Möglichkeiten haben, vollumfänglich am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, zu arbeiten und erwerbstätig zu sein und über einen Lebensstandard und ein Wohlergehen zu verfügen, wie es in der Gesellschaft, in der wir leben, als normal erachtet wird. Leider hat die derzeitige globale wirtschaftliche und soziale Krise die Armut und Ausgrenzung insbesondere von Frauen, und gerade von älteren Frauen, noch verschärft. Da die Lebenserwartung von Frauen durchschnittlich sechs Jahre über der Lebenserwartung von Männern liegt, wird das Geschlecht beim Altern zu einem entscheidenden Faktor. Ich denke, dass die Bekämpfung der Armut und Ausgrenzung von Frauen weiterhin eine der wichtigsten Herausforderungen der EU sein muss, und dass die Mitgliedstaaten folglich ihre Systeme der sozialen Sicherung verbessern und eine Politik des lebenslangen Lernens sowie eine aktive, integrationsorientierte Politik fördern sollten, um Frauen in den verschiedenen Lebensphasen immer wieder neue Möglichkeiten zu eröffnen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sie vor der Gefahr der Ausgrenzung zu schützen. Es ist wichtig, dass sich die gemeinsamen Anstrengungen der Mitgliedstaaten darauf konzentrieren, Chancengleichheit zu garantieren, da die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern nicht ein Ziel an sich ist, sondern eine Voraussetzung für die Gesamtziele der EU: Wachstum, Beschäftigung und das Erreichen sozialen Zusammenhalts.
25. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll