Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission zum Zustand des Jordans unter besonderer Berücksichtigung des Gebiets an seinem Unterlauf von Paolo De Castro, Véronique De Keyser, Jo Leinen und Adrian Severin, im Namen der S&D-Fraktion (O-0092/2010 - B7-0452/2010).
Paolo De Castro, Verfasser. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Fluss Jordan ist ein wichtiges ökologisches, landwirtschaftliches und wirtschaftliches Gut für Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete, und seine Schädigung muss uns beunruhigen.
Es sei darauf hingewiesen, dass geschätzte 98 % der 1,3 Milliarden Kubikmeter umfassenden Süßwasserressourcen des Unterlaufs pro Jahr umgeleitet werden und weite Abschnitte des Flusses von Austrocknung bedroht sind. Das hat verheerende Auswirkungen für die Artenvielfalt, vor allem aber auch für die Gemeinden vor Ort hinsichtlich ihres Zugangs zu Wasserressourcen. Mehrere internationale Akteure, darunter die Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer und der Senat der Vereinigten Staaten, haben sich mit der tief greifenden Schädigung des Jordan befasst.
Auch wir müssen die Regierungen und Behörden vor Ort aber auch den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auffordern, einzugreifen, um die technische sowie finanzielle Unterstützung für die Sanierung des Flusses bereitzustellen. Insbesondere müssen wir die Kommission auffordern – wie aus der gemeinsamen Entschließung aller Fraktionen hervorgeht, denen ich für ihre uneingeschränkte Unterstützung danke –, einen klaren und konkreten Verweis auf dieses Projekt in die Aktionspläne der Europäischen Nachbarschaftspolitik mit Israel, Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde aufzunehmen.
Ein erster Schritt wäre eine gemeinsame Studie über den Zustand des Jordan. Uns ist wohl bewusst, dass Wasser ein kostbares, unveräußerliches Gut ist, und deshalb möchte ich betonen, dass eine gerechte Wasserverteilung bedeutet, den Bedürfnissen aller in der Region lebenden Gemeinden gleichermaßen Rechnung zu tragen. Diese Frage ist für die Nachhaltigkeit des Friedens und der Stabilität im Nahen Osten von allerhöchster Bedeutung.
Wir verfolgen die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen den Israelis und Palästinensern in den vergangenen Tagen mit einer gewissen Hoffnung, denn in diesen Verhandlungen wurde die Wasserbewirtschaftung als entscheidender Punkt hervorgehoben. Wir hoffen, dass die Regierungen, die Gemeinden vor Ort und die Organisationen der Zivilgesellschaft in den betreffenden Ländern und Gebieten schnellstmöglich mit einer effektiven Zusammenarbeit beginnen, um den Unterlauf des Jordan zu retten. Das ist eine Pflicht, denn es geht nicht allein um den hohen symbolischen Wert des Flusses, sondern vor allem um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Gemeinden vor Ort.
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, über die kritische Situation des Wassers im Nahen Osten zu sprechen.
Für die Europäische Union stellt die Frage der Wasserressourcen ein ernsthaftes Problem in der Region dar, und ich teile voll und ganz die Besorgnis der Abgeordneten dieses Hauses, denn die Gebiete sind von Wasserknappheit, Wasserstress und einer Verschlechterung der Wasserqualität betroffen, was durch die Auswirkungen des Klimawandels in Zukunft wahrscheinlich noch schlimmere Ausmaße annehmen wird.
Wir sind uns der daraus resultierenden möglichen Folgen für die Menschen in der Region, für die Umwelt und für die Sicherheit vor Ort bewusst. Die Europäische Union ist der Ansicht, dass Wasser für den Frieden in der Region von entscheidender Bedeutung ist und diese regionale Herausforderung eine regionale Lösung erfordert.
Wie Sie wissen, unterstützt die Europäische Union die wichtigen Schritte für ein umfassendes Friedensabkommen zwischen israelischer und palästinensischer Seite, bei dem Wasser eine der zu klärenden Fragen in Bezug auf den endgültigen Status ist, ebenso wie die Grenzen, die Flüchtlingsproblematik, Jerusalem und die Sicherheit.
Die Europäische Union erkennt die spezifische Situation des Jordanbeckens sowie die Notwendigkeit einer effizienteren Wasserbewirtschaftung des Unterlaufs und seiner Zuflüsse. Wir engagieren uns deshalb in einer Reihe von Aktivitäten auf nationaler, subregionaler und regionaler Ebene mit allen betroffenen Parteien. Wir unterstützen Wasserreformen sowie Strategien zur Förderung einer nachhaltigen Wasserbewirtschaftung.
Im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik und anderer Maßnahmen unterstützt die Europäische Union vertrauensbildende Maßnahmen, fördert die grenzübergreifende Zusammenarbeit und führt die Gemeinden zusammen, die hinsichtlich der Wasserversorgung gemeinsame Sorgen teilen.
Die Arbeit der Europäischen Union konzentriert sich auf den Aufbau von Kapazitäten verschiedener Wasserbehörden und -nutzer, die Erhebung und den Austausch von Daten, die Zugänglichkeit von gereinigtem Abwasser, Maßnahmen zur Wassererhaltung, einschließlich der Wassernetze, sowie effiziente Bewässerungsanlagen.
Die Europäische Union berücksichtigt in ihren Bemühungen sowohl das Angebot und die Nachfrage des Wassersektors und schafft die Voraussetzungen für eine integrierte Bewirtschaftung der Wasserressourcen in der Zukunft.
Dabei ist die Europäische Union nicht allein. Die Mitgliedstaaten und andere Geber sind aktiv beteiligt, und wir stimmen unsere Arbeit eng miteinander ab, um Komplementarität sicherzustellen.
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, im Namen der PPE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament geht mit dem Aufzeigen der Herausforderungen, denen der Jordan heute gegenübersteht, einen Schritt in die richtige Richtung. Die Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer hat eine spezielle Studie über den Jordan und das Jordantal erstellt und in ihren Entschließungen deren Schutz gefordert, da der Fluss ein Monument unseres gemeinsamen Weltkulturerbes ist, ein religiöses und kulturelles Symbol für Millionen von Menschen weltweit und ein wichtiges ökologisches, touristisches und wirtschaftliches Gut der Region.
Da Ziel heute ist demnach, die Probleme des Flusses sowie die Notwendigkeit entsprechender Schutzmaßnahmen aufzuzeigen und die Bemühungen der Europäischen Union zu verstärken – die Kommission hat diese Bemühungen angesprochen, und auch wir haben an verschiedener Stelle während unserer Arbeit an einem gemeinsamen Standpunkt darauf Bezug genommen. Wir müssen darüber hinaus eine regionale Zusammenarbeit bei der Gewährleistung des gerechten Zugangs zum Jordan für alle betroffenen Menschen sowie die gemeinsame Verantwortung seinen Schutz betreffend fordern.
Der Entschließungsantrag verweist auch auf bewährte Verfahren, wie etwa den von Israel erarbeiteten speziellen Gesamtplan, in dem der Austausch von bewährten Verfahren und Erfahrungen gefordert wird, denn der Fluss Jordan ist ein gemeinsames Problem der Region. Wichtig ist, dass auch die tatsächlichen Gefahren hervorgehoben werden: nicht nur der Wassermangel und die Verschmutzung, sondern auch der Verlust der Artenvielfalt und die mögliche Austrocknung des Flusses, sofern nichts unternommen wird.
Um die internationale und regionale Zusammenarbeit zu unterstreichen, wird in dem Entschließungsantrag eine Sonderkommission für das Jordantal vorgeschlagen, bei der die Länder, die unmittelbar durch die Probleme des Jordan betroffen sind (Israel, die palästinensischen Gebiete, Jordanien), mitwirken können, gemeinsam mit anderen Ländern, in denen der Jordan entspringt und die auch eine gewisse Verantwortung tragen, wie etwa Libanon und Syrien. Ich hoffe, dass diese Entschließung die Unterstützung des Plenums findet und vom Europäischen Parlament eine wohl durchdachte, gezielte und deutliche Botschaft ausgehen wird.
Véronique De Keyser, im Namen der S&D-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Wie bereits erwähnt wurde, ist die Situation des Toten Meeres und des Jordan äußerst beunruhigend, da der Fluss allen Voraussagen nach, sofern sich 2011 nichts ändert, einfach austrocknen wird.
Wenn auf internationaler und regionaler Ebene keine Maßnahmen ergriffen werden, um diese Entwicklung zu stoppen, wird das einen außerordentlich großen Verlust für das kulturelle Erbe zur Folge haben, für die Artenvielfalt – Frau Kratsa-Tsagaropoulou hat diesen Punkt angesprochen – aber auch für die Sicherheit und die Wirtschaft der Region.
Ich möchte Sie auf eine Nichtregierungsorganisation aufmerksam machen, die meiner Ansicht nach eine absolut bemerkenswerte Initiative ergriffen hat. Die NRO „Freunde der Erde Mittlerer Osten“ hat sich entschlossen, die palästinensischen, jordanischen und israelischen Bürgermeister der Anrainergemeinden des Flusses zusammenzubringen und zu ermutigen, darüber nachzudenken, auf welche Weise sie etwas zur Verbesserung der Lage beitragen könnten.
Die Organisation und die Bürgermeister haben einige interessante Studien darüber durchgeführt, welche Maßnahmen jedes Land ergreifen könnte und welche Auswirkungen sie hätten. Sie erstrecken sich von wasserlosen Toiletten über Reformen der landwirtschaftlichen Verfahren bis hin zu alternativen Anbauarten, da die jetzigen zu viel Wasser absorbieren, usw. Es gibt ein breites Spektrum von Maßnahmen, die ergriffen werden können. Es geht hier also nicht um eine politische Debatte, auch wenn wir alle genau wissen, dass die Dinge, sobald wir über Wasser in der Region sprechen, politisch werden.
Ich glaube, jeder könnte das unterstützen und hoffe, dass Europa und die Kommission sich in ihren Beziehungen mit diesen Ländern von den sehr deutlichen Schlussfolgerungen dieses Berichts inspirieren lassen, insbesondere im Rahmen der Aktionspläne.
Es gibt jedoch einen kurzen Absatz, auf den ich sehr viel Wert lege – Absatz E, in dem es heißt, dass es eine übermäßige Nutzung der Wasserressourcen vonseiten der israelischen Siedler gibt. Das stimmt; Berichte der Weltbank und von Amnesty International bestätigen das. Das bringt uns zurück zum Kernpunkt der Politik, doch es ist eine Tatsache, die manchmal gesagt werden muss. Wir haben das nicht zum Kernpunkt unserer Entschließung gemacht, aber wir erachten es als sehr wichtig.
Antonyia Parvanova, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Energie, Umwelt und Wasser der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer hatte ich im vergangenen Februar bei einem Vor-Ort-Besuch die Gelegenheit, die tatsächliche und dramatische ökologische Realität des Jordan mit eigenen Augen zu sehen.
Im Sonderbericht über die Lage des Jordantal, für den ich Berichterstatterin war, wurde hervorgehoben, dass alle betroffenen Parteien – insbesondere Israel, die Palästinensische Autonomiebehörde, Jordanien, aber auch Libanon und Syrien – eine gemeinsame Lösung für die zwei dringlichsten Probleme finden müssen: eine gerechte Wasserverteilung, bei der die Bedürfnisse aller Menschen der Region berücksichtigt werden, sowie eine gesunde und geschützte Umwelt für die künftigen Generationen.
Aus unserem Bericht geht hervor, dass sich Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde zunächst einmal auf gemeinsame Daten in Bezug auf die verfügbaren Wasserressourcen und die Demografie einigen müssen, die Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen sind, denn beide Seiten sowie auch unabhängige Berichte haben bislang unterschiedliche Zahlen präsentiert.
Eine unserer wichtigsten Schlussfolgerungen war, dass es für eine gemeinsame Lösung des Wasserproblems notwendig ist, Pläne für eine gemeinsame Verwaltung, eine gleichberechtigte Entscheidungsfindung und eine gemeinsame Wasserbewirtschaftung in der Region umzusetzen. Ich glaube, dass die Empfehlungen in unserem Bericht an Bereiche anknüpfen, in denen die Europäische Union über konkrete Fachkenntnisse verfügt und als engagierter Akteur tätig werden kann, um den Weg für eine künftige Partnerschaft zwischen allen Beteiligten zu ebnen.
Ich möchte Sie abschließend daran erinnern, dass wir in Anbetracht der derzeitigen Bemühungen um die Wiederaufnahme von Gesprächen für ein umfassendes Friedensabkommen die Verantwortung haben, die Situation im Jordantal nicht für politische oder ideologische Zwecke zu missbrauchen.
Ich hoffe, unsere heutige Aussprache dient dem Interesse aller Parteien in der Region und führt zu konkreten und unvoreingenommenen Schlussfolgerungen für eine aktive Beteiligung der Union bei der Erarbeitung künftiger nachhaltiger Lösungen.
Margrete Auken, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Ich kann mich den beiden Vorrednern nur anschließen, möchte bei dieser Gelegenheit aber auch sagen, dass sich sehr viele hier gar nicht im Klaren darüber zu sein scheinen, dass es unmöglich ist, von den Palästinensern zu verlangen, ihren Teil der Verantwortung zu tragen. Sie haben dazu einfach keine Möglichkeit. Wie vielen der hier Anwesenden ist bewusst, dass seit 1967 50 % des Flussufers im Westjordanland von israelischen Siedlungen besetzt sind? 50 %! Darüber hinaus sind 45 % als Militärgebiet und Naturschutzgebiet vorgesehen. Die palästinensische Bevölkerung wurde ganz einfach ausgeschlossen. Das Furchtbare für diese Menschen ist – insbesondere für die Palästinenser im Jordantal –, dass sie einfach in Vergessenheit geraten, weil sie keinen gewaltsamem Widerstand geleistet haben. Wenn es keine Militäraktionen und dramatischen Ereignisse gibt, werden sie einfach vergessen.
Es ist natürlich eine schreckliche Lehrstunde, insbesondere für die armen Palästinenser – dass sie auf sich aufmerksam machen müssen, und das sogar laut. Dieses Problem muss gelöst werden. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass das Leiden der Palästinenser in diesem Gebiet sogar noch schlimmer ist als im restlichen Westjordanland – sofern das überhaupt möglich ist – und sie in der derzeitigen Situation gar nicht die Möglichkeit haben, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Es bedarf also einer integrierten Lösung und wir müssen daher auch die politische Lage berücksichtigen. Es geht nicht allein um Israel, nicht allein um Syrien und nicht allein um Jordanien – nein! Die Palästinenser können jedoch nicht miteinbezogen werden, solange sie nicht die Möglichkeit dazu haben.
Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident! Wasser ist in der Tat ein sensibles und prekäres Thema im Nahen Osten. Hochrangige Delegationen aus Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde diskutieren derzeit das Wasserrecht als Teil eines umfassenden Rahmens für den Frieden.
Als Mitglied des Quartetts unterstützt die EU eine Zwei-Staaten-Lösung als Schlüssel für Frieden und Stabilität in der Region. Aus diesem Grund müssen wir sehr auf der Hut sein, die derzeit in Washington laufenden schwierigen Verhandlungen nicht zu gefährden. Eine Schuldzuweisung an die israelischen Siedler, insbesondere im Hinblick auf die übermäßige Wassernutzung, wie das Frau De Keyser zu versuchen scheint, sendet an die Menschen in Israel – unserem demokratischen Verbündeten – genau das falsche Signal über die erklärte Haltung der EU als ehrliche Vermittlerin.
Die Erhaltung der Wasserscheide des Jordan ist ein wichtiger regionaler Aspekt, der natürlich nicht allein die Israelis und Palästinenser betrifft, und dennoch versuchen Israel-Gegner in diesem Haus und anderswo auf unverfrorene Weise, dieses Thema für die Unterminierung des jüdischen Staates auszuschlachten.
Wenn wir uns erneut dieser anti-israelischen Haltung beugen, laufen wir Gefahr, dass Israel die EU ihrer privilegierten Rolle als Partner für den Friedensprozess als unwürdig erachtet.
Willy Meyer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Es ist kein Problem, wenn Frau De Keyser eine bestimmte Einschätzung vornimmt, überhaupt nicht. Tatsache ist jedoch, dass in dem 1994 zwischen Israel und dem Königreich Jordanien unterzeichneten Friedensvertrag beide Parteien übereinkamen, entlang der gemeinsamen Grenzen bei der ökologischen Sanierung des Jordan zusammenzuarbeiten und seine Wasserressourcen zu schützen.
Dieses sowie auch andere Abkommen, die Israel 1994 unterzeichnet hat, werden von dem Staat nicht eingehalten. Und das ist das Problem mit Israel: es hält sich nicht an die Abkommen, die es unterzeichnet.
Aus diesem Grund ist es von größter Bedeutung, dass der 2008 von Präsident Jacques Chirac geforderten Initiative für das Jordanbecken von der Europäischen Union Substanz verliehen und sie unterstützt wird.
Unserer Ansicht nach ist es sehr wichtig, eine Kommission für das Jordanbecken einzusetzen, die als trilaterales Forum für die Zusammenarbeit bei der Sanierung des Flusses dient und Strategien zur Wassererhaltung und -sanierung erarbeitet und anwendet. Es stimmt, dass die Palästinenser infolge der Nichteinhaltung des Friedensvertrags von 1994 aus der im Westjordanland entlang dem Unterlauf des Jordan errichteten israelischen Sicherheitszone ausgeschlossen wurden und die Siedler illegal Land besetzen, das ihnen nicht gehört. Da die Besetzung mit einer irregulären und illegalen Wassernutzung einhergeht, kommt zu dem politischen Problem noch das Problem der Umweltverträglichkeit hinzu.
Da 2011 neue Kläranlagen in Betrieb genommen werden sollen, hoffe ich, dass die Europäische Union die notwendige Einsetzung der Kommission für das Jordanbecken unterstützt, fördert und vorantreibt.
Cristian Dan Preda (PPE). – (RO) Die heutige Aussprache über den Zustand des Jordan ist für meine Fraktion äußerst wichtig und es sei mir gestattet, in diesem Zusammenhang insbesondere das Engagement unserer Kollegin und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Kratsa-Tsagaropoulou, zu begrüßen.
Ich möchte auch betonen, dass Umweltschutzorganisationen, wie Sie sehr wohl wissen, schon seit langem vor dem kritischen ökologischen Zustand des Jordan warnen. Dieser Fluss scheint an einer allgemeinen Gleichgültigkeit zu sterben.
Wiederum habe ich in der Presse gelesen, dass Christen, insbesondere orthodoxe, trotz der äußerst kritischen Bedingungen weiterhin im Jordan getauft werden.
Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Fluss 2011 austrocknet, was mit dramatischen Folgen für das ohnehin bereits empfindliche Ökosystem der Region verbunden wäre, insbesondere für das Tote Meer. Das heißt, dass hunderttausende Palästinenser, Jordanier und Israelis von einer ökologischen Katastrophe betroffen sein werden.
Wie andere Kolleginnen und Kollegen hier im Plenarsaal bereits hervorgehoben haben, ist die Situation des Jordan, neben dem ökologischen Aspekt, der natürlich dringend mithilfe der EU angegangen werden muss, jedoch auch von besonderer Bedeutung als Faktor für die Förderung der regionalen Zusammenarbeit.
Ich glaube, wir müssen eine Situation vermeiden, in der die Wasserressourcen nur von einem Land genutzt werden und die gesicherte Wasserversorgung der gesamten Region völlig missachtet wird.
Die Zusammenarbeit zwischen den Flussanrainerstaaten und Gemeinden vor Ort ist deshalb für die Sanierung dieser für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigen Quelle von größter Bedeutung. Auf diese Weise kann der Jordan auch in kultureller Hinsicht wieder zu einem Symbol der Zusammenarbeit und des Miteinanders werden, sofern dafür der entsprechende politische Wille vorhanden ist.
Schließlich ist die Situation des Jordan auch wichtig für die Wiederaufnahme direkter palästinensisch-arabischer Verhandlungen, da die Kontrolle der Wasserressourcen zu den bislang ungelösten Problemen gehört.
Proinsias De Rossa (S&D). – Herr Präsident! Darf ich Herrn Tannock darauf hinweisen, dass es in keiner Weise hilfreich ist, die Tatsache zu ignorieren, dass die Siedler gezielt Grundstücke mit einer guten Wasserversorgung auswählen, und die Palästinenser damit wiederum ihres Wasserzugangs beraubt werden. Sie stellen nicht das einzige Problem in Bezug auf das Wasser in der Region dar, aber sie spielen dabei mit Sicherheit eine Rolle.
Leider werden dem Jordan geschätzte 98 % seiner Wasserressourcen entzogen, da sie von anderen Staaten, einschließlich Israel, umgeleitet werden. Es ist ein grenzüberschreitender Fluss, mit etwa vier Anrainerstaaten, einschließlich des palästinensischen Westjordanlandes. Sofern richtig damit umgegangen und Europa seinen Aufgaben in diesem Gebiet angemessen gerecht wird, kann der Fluss eine Quelle der Aussöhnung sein durch die Förderung einer gemeinsamen Bewirtschaftung dieses für die Region so wichtigen kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Guts.
Mit Ihrem Standpunkt, Herr Tannock, dass jede kleine Kritik an Israel in gewisser Weise einen Angriff auf den Staat darstellt, ignoriert man schlicht und einfach die Realität. Auch andere haben dort Wasser umgeleitet. Die „Freunde der Erde Mittlerer Osten“ haben beispielsweise in einem kürzlich von meiner Fraktion der Sozialdemokraten organisierten Seminar darauf hingewiesen, dass der Jordan im Durchschnitt einst 1,3 Milliarden Kubikmeter Süßwasser ins Tote Meer abführte. Nunmehr sind es nur noch 20–30 Millionen pro Jahr. Wenn wir nichts unternehmen, könnte der Fluss bis Ende nächsten Jahres tot sein.
Alexandra Thein (ALDE). - Herr Präsident! Ich möchte zunächst den zahlreichen Vorwürfen von außerhalb des Parlaments, aber auch teilweise von innerhalb des Parlaments, widersprechen, dass wir dieses Thema zum falschen Zeitpunkt, nämlich nach Beginn der Friedensverhandlungen behandeln. Die parlamentarische Anfrage, die ich auch mitverfasst habe, wurde zu einem Zeitpunkt eingebracht, als uns allen noch nicht klar war, dass wieder direkte Friedensgespräche beginnen würden. Mit dieser Thematik befasse ich mich bereits seit Beginn der 90er Jahre, und sie wird auch in diesem Parlament eigentlich schon seit langem diskutiert.
Es geht hier im Endeffekt darum, den Unterlauf des Jordans vor seinem endgültigen Tod zu bewahren. Der Fluss ist in seinem Unterlauf bereits jetzt nur noch ein Rinnsal. Er besteht dort nur noch aus Abwässern und hat dort überhaupt kein frisches Wasser mehr. Sämtliche Wissenschaftler sind sich eigentlich einig, dass der Jordan in ein oder zwei Jahren in seinem Unterlauf praktisch tot sein wird.
Was mich an der Entschließung etwas stört ist, dass Israel, Jordanien, Syrien und die Palästinensische Autonomiebehörde gleichberechtigt angesprochen werden. Der Unterlauf des Jordans befindet sich ausschließlich in der Zone C, das heißt, die Palästinensische Autonomiebehörde hat dort praktisch noch nicht einmal ein Zugangsrecht, geschweige denn irgendwelche Verwaltungsrechte oder überhaupt irgendeinen Einfluss. Es wurde hier schon gesagt, dass die Palästinensische Autonomiebehörde hier vor Ort überhaupt nichts machen kann. Insofern sind die Adressaten dieser Entschließung andere.
Es ist ein politisches Thema, wenn ein Land – und das ist nun mal Israel – 75 % des im Unterlauf des Jordans noch vorhandenen Wassers – wobei ein Teil des Wassers vorher schon von anderen Ländern weggenommen wurde – verbraucht und den Palästinensern praktisch überhaupt kein Wasser mehr zum Leben übrig bleibt. Dies ist im Oslo-Vertrag eigentlich schon geregelt worden. Wir sind seitdem nicht weitergekommen.
Wir haben im Moment konkret das Problem, dass die Palästinenser immer wieder versuchen, Brunnen zu bohren, die aber sofort wieder vernichtet werden, dass andererseits die israelische Wasserbehörde, eine Monopolbehörde, keine Brunnen für Palästinenser bohrt, sondern nur für die illegal errichteten Siedlungen.
Nicole Kiil-Nielsen (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zunächst einmal die Koalition von Umweltschützern zu würdigen, die wir vor einigen Monaten in Brüssel begrüßen durften, ein Zusammenschluss von Israelis, Jordaniern und Palästinensern. Sie haben einige ausgezeichnete Berichte über die Situation in der Region, den Zustand des Jordan und die Gefahr seiner Austrocknung erarbeitet.
Die Europäische Union, die erhebliche Finanzmittel für Entwicklungsprojekte im Nahen Osten bereitstellt, muss sich verstärkt für die Aufstellung und Umsetzung eines Rettungsplans einsetzen, der alle Parteien in der Region mit einschließt. Die Flussanrainerstaaten wie Syrien, Jordanien und Israel leiten die größten Wassermengen ab, wohingegen die Palästinenser – wie hier bereits gesagt worden ist – nur etwa 5 % der Ressourcen erhalten.
Die israelischen Siedler im Jordantal verbrauchen im Vergleich zu den Palästinensern sechsmal so viel Wasser, was insbesondere auf den umweltschädigenden intensiven Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse zurückzuführen ist, die für den Export nach Europa bestimmt sind. Die Ausweitung der Siedlungen mit ihrer üppigen Vegetation muss gestoppt werden, ebenso wie die Zerstörung der Beduinenlanger und ihrer Wasserzisternen, zu der es in diesem Sommer, vor einigen Wochen, erneut kam. Das ist Wahnsinn!
Wir müssen der Erhaltung und gerechten Verteilung der Wasserressourcen in der Region Priorität einräumen.
Mário David (PPE). – (PT) Die Umweltkatastrophe, um die es heute hier geht, betrifft uns als Europäer alle, auch wenn sie außerhalb des Gebietes der Europäischen Union geschieht.
Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung, an den wir glauben, kennt keine Verwaltungsgrenzen oder religiösen Überzeugungen. Er sieht den Planeten in seiner Gesamtheit und nicht als Summe seiner Teile. Daher ist der Jordan ein Problem der gesamten Menschheit, und nicht nur der Menschen und Gemeinden, die unmittelbar von Wasserknappheit oder schlechter Wasserqualität betroffen sind. Der gesunde Menschenverstand sagt uns: „Global denken, lokal handeln“. Und genau deshalb sind wir heute hier: um global zu denken.
Als Europäische Union müssen wir dazu beitragen, vor Ort zu handeln, um die anhaltende Schädigung des Flusslaufs und Verschlechterung der Wasserqualität des Jordan zu minimieren und umzukehren. Die EU verfügt bereits über einen gesetzlichen und institutionellen Rahmen sowie über Instrumente, um zu handeln bzw. um dabei zu helfen. Ich spreche hier von der Union für den Mittelmeerraum, seinem Sekretariat und der Investitions- und Partnerschaftsfazilität Europa-Mittelmeer (FEMIP), die von der Europäischen Investitionsbank verwaltet wird. Das ist natürlich ein Thema, das die Delegation des Europäischen Parlaments, der ich vorsitze, in ihren Beziehungen mit den Ländern des Nahen Osten aufmerksam verfolgen wird.
Es ist klar, dass jede Maßnahme zur Lösung dieser Umweltkatastrophe zuallererst von den Staaten und Behörden vor Ort ausgehen sollte, deren Bevölkerung unmittelbar davon profitieren wird. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Gedanken hervorheben, die in die Entschließung aufgenommen worden sind: erstens die Einsetzung einer Kommission für die Verwaltung des gesamten Jordanbeckens, die aus Vertretern der Staaten oder Behörden besteht, die die Wasserressourcen nutzen. Hier kann Europa helfen, indem es beispielsweise seine Erfahrungen im Zusammenhang mit der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins teilt. Zweitens können bewährte Verfahren im Rahmen gemeinsamer EU-Projekte mit den Jordaniern, Israelis und Palästinensern unterstützt und verbreitet werden, insbesondere jene, die von den „Freunden der Erde Mittlerer Osten“, die Herr De Rossa heute bereits angesprochen hat, gefördert werden, um zu einer effizienten und angemessenen Bewirtschaftung der Wasserressourcen im Jordanbecken beizutragen.
Herr Präsident, ich möchte abschließend und in einem sogar noch größeren Kontext hervorheben, dass dieser Plan ein Beispiel für Zusammenarbeit und ein friedliches Miteinander ist. In einer Zeit, in der wir die Wiederaufnahme neuer unmittelbarer Gespräche zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde befürworten und fördern – obgleich wir die Einbindung der EU in diesen Prozess vermissen – begrüßen wir die direkte Beteiligung beider Parteien.
Olga Sehnalová (S&D). – (CS) Die Austrocknung des Jordan ist zweifelsohne ein schwerwiegendes regionales Umweltproblem, das Auswirkungen auf das Ökosystem der gesamten Region und das Leben und die Gesundheit der dortigen Bevölkerung hat. Die lang anhaltende übermäßige Wasserentnahme sowie Verschmutzung und Dürre sind ebenso Hauptgründe für die gegenwärtige Situation wie auch das Unvermögen, eine effektive Wasserbewirtschaftung sicherzustellen.
Wie einige Abgeordnete bereits gesagt haben, werden mehr als 90 % der Wasserressourcen des Flusses für die Trinkwasserversorgung und insbesondere für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft und Industrie abgeleitet. Der jährliche Durchfluss ist von früheren 1,3 Milliarden Kubikmetern auf etwa 100 Millionen Kubikmeter zurückgegangen. Natürlich erschwert der politische Konflikt die Lösung dieses Umweltproblems.
Dennoch muss Wasser keine Ursache für Konflikte sein. Es kann auch ein Beispiel für eine gute, konkrete Zusammenarbeit in der Region sein und von entscheidender Bedeutung bei der Schaffung gegenseitigen Vertrauens. Frieden, der auf tagtäglicher Zusammenarbeit und gemeinsamen Werten beruht, hat eine größere Chance als alle möglichen Lösungen von einem Runden Tisch aus.
Malika Benarab-Attou (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die fortschreitende Austrocknung des Jordan ist eine direkte Folge der Tragödie, die die Palästinenser erleben. Wasser ist ein höchst politisches Thema. Das dürfen wir nicht vergessen.
Erinnern wir uns an einige Fakten: die Weltbank weist uns darauf hin, dass die anderthalb Millionen Bewohner des Gazastreifens seit zwei Jahren kein Chlor mehr haben, welches für die Desinfektion des Wassers von grundlegender Bedeutung ist; 50 % der Haushalte hatten bereits vor der Bombardierung im Januar 2009 keinen Wasserzugang, stellen Sie sich also vor, wie es jetzt ist. Laut „Ärzten ohne Grenzen“ sind nach den Angriffen der israelischen Armee auf die Infrastruktur nunmehr 90 % des Wassers, das der Bevölkerung zugeführt wird, nicht für den menschlichen Verbrauch geeignet. Infolge der Zerstörung der Infrastruktur in Gaza gelangen jeden Tag 80 Millionen Liter ungereinigten Abwassers in unser Mittelmeer.
Es stimmt, dass Frau Ashton schon mehrmals in Gaza war, wo aber bleibt der politische Mut, an Israel die gleichen Maßstäbe anzulegen wie an Europa? Darf sauberes Wasser, ebenso wie das Land, ausschließlich von den israelischen Siedlern beansprucht werden? Die Europäische Union muss folglich das Assoziierungsabkommen mit der derzeitigen israelischen Regierung aussetzen, die taub gegenüber all unseren Forderungen bleibt, während die Besetzung und der Bau illegaler Siedlungen weitergeht. Ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Wie wir in der heutigen Aussprache bereits mehrfach gehört haben und sicherlich auch noch hören werden, ist der Jordan von unschätzbarer kultureller, ökologischer und wirtschaftlicher aber natürlich auch von politischer und strategischer Bedeutung. Die Ausbeutung und der Missbrauch des Flusses sind daher inakzeptabel. Seit 1964 wird sein Wasserlauf nach Israel und auch in andere Länder umgeleitet: Jordanien, Libanon, Syrien und andere Länder, die hier bereits erwähnt worden sind. Viele dieser Länder zerstören und verschmutzen den Fluss. Umweltschützern zufolge wurde durch den Missbrauch des Jordan beinah sein gesamtes Ökosystem zerstört. Die Erholung von seinem jetzigen Zustand würde Jahrzehnte dauern.
Nach Schätzungen zählt der Jordan aus ökologischer Sicht zu den einhundert meistgefährdeten Plätzen der Welt. Natürlich ist dieser Umstand auch darauf zurückzuführen, dass Israel und die arabischen Nachbarstaaten nicht in der Lage sind, sich auf die Erhaltung und den Schutz des Flusses zu einigen. Aus diesem Grund bin ich der festen Überzeugung, dass sich die Europäische Union in diesem Prozess sehr aktiv engagieren sollte und muss, indem sie beispielsweise die finanzielle Unterstützung für Entwicklungsprojekte in Regionen des Nahen Ostens an die Sanierung des Unterlaufs des Flusses knüpft.
Richard Howitt (S&D). – Herr Präsident! Der Wettstreit um Wasser kann Konflikte verschärfen oder gar entzünden, seien es die schmelzenden Gletscher von Jammu und Kaschmir, die Spannungen zwischen den zentralasiatischen Ländern angesichts des erschöpften Aralsees, die rivalisierenden Stämme in Sudan und Somalia, die um dieselben Wasserressourcen konkurrieren, oder eben diese Aussprache über das untere Jordantal.
Die Sanierung des Jordan und die dafür notwendige Zusammenarbeit könnten aber auch die Aussicht auf Frieden erhöhen. Dieser Fluss wurde in den heiligen Büchern des Judentums, des Christentums und des Islam für alle Zeiten verewigt, mit Bezügen zu den Propheten Moses und Elias und als Begräbnisstätte für vier Gefährten des Propheten Mohammed. Die Israeliten haben den Fluss unter Josua durchquert und hier geschah es, dass Jesus auf wundersame Weise über das Wasser ging.
Wir brauchen kein weiteres Wunder, um den Fluss heute zum Wohle der Völker der Region und der künftigen Generationen zu schützen, damit sie in Frieden und Wohlstand leben können.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Ich glaube, dass eine parteiische Entschließung oder ein einseitiger Ansatz in Bezug auf den Jordan im Kontext der wiederaufgenommenen Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht dienlich sind.
Wasserressourcen sind ein sensibles Thema im Nahen Osten und sollten zum Ende der Verhandlungen erörtert werden, um den Friedensprozess jetzt nicht zu gefährden. Die EU darf daraus kein unnötiges Politikum machen, sondern muss die Unterzeichnung eines regionalen Abkommens zur Sanierung des Jordan fördern.
Da der Jordan meines Erachtens ein regionales Problem darstellt, begrüße ich die anhaltende Zusammenarbeit zwischen den israelischen und palästinensischen Behörden bei der Wasserbewirtschaftung. Durch den gemeinsamen Beitrag beider Staaten sind kürzlich 61 der zu diesem Zweck vorgeschlagenen 96 Projekte genehmigt worden. Dennoch ist das Problem der unzureichenden Wasserressourcen noch nicht gelöst.
Ioan Enciu (S&D). – (RO) Die Sanierung des Jordan ist ein vielschichtiges Thema, da der Fluss von universeller historischer und religiöser Bedeutung ist. Die Probleme, mit denen er konfrontiert ist, umfassen ökologische und humanitäre Aspekte sowie auch Fragen der internationalen Sicherheit, die miteinander verflochten sind.
Ich glaube, dass es in der jetzigen Debatte darum gehen sollte, wie der Fluss physisch gerettet werden kann, und nicht um Kritik an der einen oder anderen beteiligten Partei. Sofern das Rettungsprojekt gelingt, wird sich das auch auf alle anderen Aspekte auswirken. In diesem Zusammenhang glaube ich, dass Absatz E des Entschließungsantrags nicht in direkter Verbindung mit dem Thema steht, was zu ungewollter Verwirrung führen könnte.
Die Europäische Union kann und muss entscheidend dazu beitragen, die negativen Folgen vorauszusagen, die die völlige Schädigung und letztendlich das Verschwinden des berühmten Flusses mit sich bringen könnten. Die Europäische Union muss in den Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien eine weitaus aktivere Rolle einnehmen und dabei helfen, ein gewisses Gleichgewicht herzustellen.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Wir wissen, dass dem Jordan durch die Grenzlage in der Politik des Nahen Ostens eine bedeutende Rolle zukommt. Während im Verhältnis zwischen Israel und Jordanien der Fluss dank der vertraglichen Zusicherung, dass Jordanien größere Wassermengen entnehmen darf, zum Frieden beigetragen hat, ist das bei Syrien wahrscheinlich umgekehrt. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Befürchtung, Israel könne durch Syrien das Wasser abgegraben werden, der eigentliche Grund dafür ist, dass Israel sich weigert, die Golan-Höhen zurückzugeben.
Wenn der Fluss Jordan tatsächlich durch ständige Wasserentnahme in seinem Verlauf zum Rinnsal an Abwässern verkommt – möglicherweise ist das auch der Preis, den man für eine begrünte Wüste in Kauf nimmt, wird sich die Situation im Nahen Osten zweifellos in absehbarer Zeit verschlechtern, zumal es Hamas-Führer gibt, die von der Befreiung des gesamten Gebiets zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan als moralische, religiöse Pflicht sprechen.
Die Wasserknappheit des Jordans zieht aber noch weitere Kreise, denn mit der Austrocknung des Jordans sinkt auch die Wasserzufuhr ins Tote Meer. Das Konfliktpotenzial, das Konfliktareal wird sich also vergrößern. Das sollten wir in unserer Nahost-Strategie auch bedenken.
Véronique De Keyser (S&D). – (FR) Herr Präsident! Vielen Dank, dass ich noch einen Punkt aufklären kann, den ich vorher offensichtlich nicht überzeugend darstellen konnte.
Was die Frage der Nutzung und Ausbeutung der Wasserressourcen durch die Siedlungen anbelangt, darf ich meine Kolleginnen und Kollegen auf den Sonderbericht der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer zur Lage im Jordantal verweisen, in dem immer wieder aus dem Bericht der Weltbank mit dem Titel „Assessment of Restrictions on Palestinian Water Sector Development“ und dem Bericht von Amnesty International „Troubled Water – Palestinians Denied Fair Access to Water“ usw. zitiert wird. Diese Berichte spiegeln die exakten Zahlen für die Nutzung, die vonseiten der Israelis vier- bis fünfmal so hoch ist, wider. Ich habe Zahlen von eins bis sechs. Das sind also die Fakten; ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe mir das nicht ausgedacht.
Mariya Nedelcheva (PPE). – (BG) Die Europäische Union ist ein verantwortungsvoller Partner und trägt im Rahmen ihrer Außenpolitik Mitverantwortung für die Dinge, die in unserer Welt geschehen. Als Geldgeber für Entwicklungsprojekte im Nahen Osten, der aktiv am dortigen Friedensprozess beteiligt ist, müssen die Europäische Union und insbesondere das Europäische Parlament ihre Strategie und ihren möglichen Beitrag zur Sanierung des Jordan festlegen, sodass er als wichtige Quelle des Lebens in der Region erhalten bleibt.
Erst vor einigen Monaten hat die Nichtregierungsorganisation „Freunde der Erde Mittlerer Osten“ davor gewarnt, dass der Fluss Jordan innerhalb eines Jahres austrocknen könnte, sofern die Länder in der Region keine Maßnahmen ergreifen. Das Absinken des Wasserspiegels des Flusses hat auch Konsequenzen für das gesamte Klima und die Landschaft der Region. Die Situation ist eine ernsthafte Bedrohung für die Lebensgrundlage der Menschen in der Region, in der die Bewässerung schwierig ist. Neben dem rein pragmatischen Aspekt dieser Probleme dürfen wir nicht vergessen, dass der Fluss Jordan auch ein mächtiges spirituelles Symbol ist.
Eine der grundlegenden Eigenschaften der Europäischen Union ist die Balance zwischen Werten und Pragmatismus. Lassen Sie uns in diesem Sinne auch weiterhin verantwortungsvolle Politiker sein und durch unsere Sorge um den Jordan einmal mehr unseren einzigartigen europäischen Ansatz zeigen.
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Grenzüberschreitende Herausforderungen verlangen gemeinsame Bemühungen. Das Europäische Parlament hat zu Recht darauf hingewiesen, dass hier ein auf Zusammenarbeit ausgerichteter Ansatz notwendig ist. Die Europäische Union fördert den Geist der Zusammenarbeit, der für die Bewältigung des ernsten Wasserproblems im Nahen Osten wichtig ist, und setzt sich für eine Behebung der ursächlichen und nicht nur der nachgelagerten Probleme ein.
Lassen Sie mich abschließend nochmals bekräftigen, dass die Europäische Union auch weiterhin die Bemühungen unterstützen wird, das Wasserdefizit in der Region zu verringern und die Versorgung mit sauberen Wasserressourcen sicherzustellen, die Umwelt zu erhalten und das Trinkwasser für die Menschen in der Region zu schützen. Die Europäische Union wird auch in Zukunft Maßnahmen unterstützen, die der weiteren Sanierung des Flusses und der möglichen Festlegung einer gemeinsamen und integrierten Bewirtschaftung des Flussbeckens dienen, sofern dies dem Wunsch der Länder in der Region entspricht.
Die Europäische Union wird sich weiterhin für den Dialog zwischen den verschiedenen Nachbarn in der Region einsetzen und eine entsprechende grenzübergreifende Zusammenarbeit in Wasserfragen fördern, um auf diese Weise zur Vertrauensbildung beizutragen. Ernsthafte Bemühungen und politisches Engagement vonseiten der Nachbarn selbst sind notwendig, um ein Gleichgewicht zwischen den verfügbaren Wasserressourcen und der Nachfrage herzustellen. Das betrifft nicht nur die Regierungen, sondern auch die Zivilgesellschaft. Wie in Europa müssen einzelne Menschen, Unternehmen und Gemeinden zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen beitragen. Das ist eine Herausforderung für uns alle.
Der Präsident. – Ich habe 5 Entschließungsanträge(1) gemäß Artikel 115 Absatz 5 erhalten.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Stimmabgabe findet am 9. September 2010 statt.
(Die Sitzung wird von 17.55 Uhr bis zur Fragestunde um 18.00 Uhr unterbrochen)