Die Präsidentin. – Der nächste Punkt sind die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Ergebnissen der Sondertagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ vom 7. September.
Didier Reynders, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Frau Präsidentin, die Tagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“, die gerade in Brüssel stattgefunden hat, hat es uns ermöglicht, in zwei Punkten Fortschritte zu erzielen, nämlich durch die Annahme des Europäischen Semesters im Rahmen der Haushaltskonsolidierung und der neuen Verfahren zur Haushaltsüberwachung und auch durch die Zustimmung zu dem bei einem Trilog zwischen der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat über alle Texte zur Finanzaufsicht erzielten Übereinkommen.
Zudem haben wir zwei Debatten eingeleitet, die am Ende dieses Monats bei der informellen Tagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ fortgesetzt werden und mit denen wir hoffentlich in den kommenden sechs Monaten Fortschritte erzielen werden: eine über den Bankenrettungsfonds bzw. die Bankenabgabe und die andere über die Finanztransaktionssteuer.
Ich möchte zu diesen beiden Punkten ein paar Worte sagen. Bei dem Europäischen Semester handelt es sich um einen ersten Schritt, der es uns ab dem 1. Januar des kommenden Jahres ermöglicht, ein neues Haushaltsverfahren mit der Kommission einzuführen. Wir werden die Mitgliedstaaten im Frühjahr auffordern, bestimmte Haushaltsdaten, die zur Erstellung ihres Haushalts verwendeten Parameter, die allgemeinen Leitlinien – ohne dabei jeden Abschnitt im Detail zu untersuchen – einzureichen, bevor wir mit diesem Verfahren fortfahren. Wir werden außerdem hoffentlich in der Lage sein, unter anderem weitere Bestimmungen hinzuzufügen, wobei ich an Bestimmungen in Bezug auf Sanktionen denke. Auf jeden Fall wird der Ratsvorsitz das Verfahren zur Verhängung von Sanktionen auf Initiative der Kommission unterstützen, wobei dem Kommissar für Wirtschaft und Währung, falls möglich, eine besondere Rolle zukommt.
Im Hinblick auf die Aufsicht möchte ich noch einmal den Berichterstattern und allen Abgeordneten danken, die sich an dem Bemühen, einen Konsens bei den verschiedenen Texten zu erreichen, mitgewirkt haben, und auch der Kommission, Michel Barnier und seinem Team sowie den vorangegangenen Ratsvorsitzen. Ich beziehe mich hierbei auf den uns vorangegangenen spanischen und schwedischen Ratsvorsitz. Wir verfügen nun über einen Wortlaut, der es uns ab dem 1. Januar des kommenden Jahres ermöglicht, neue Strukturen zur Überwachung und Kontrolle sowie den Ausschuss für Systemrisiken einzuführen. Dieses Verfahren wird es uns ermöglichen, mit einer neuen Architektur für das Finanzsystem und seiner Aufsicht unter den richtigen Bedingungen Fortschritte zu erzielen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir trotz dieses tatsächlich schon lange dauernden Verfahrens noch nicht fertig sind; dies ist vielmehr der Anfang einer neuartigen europäischen Gesellschaft und sehr wahrscheinlich der Beginn ausführlicher Debatten, die zu der Annahme verschiedener Texte führen werden, die Kommissar Barnier in den kommenden Wochen vorlegen wird. Wir werden versuchen, uns in diesem Punkt an einen strikten Zeitplan zu halten.
Ich habe mich nun mit den beiden Punkten befasst, die das Thema der formellen Entscheidungen des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ waren. Zudem wurden, wie ich bereits gesagt habe, Debatten über zwei weitere Punkte geführt: als Erstes über den Bankenrettungsfonds bzw. die Bankenabgabe und zweitens – diese Debatte muss einzeln behandelt werden – über die Finanztransaktionssteuer.
Ich glaube, bei den Themen Bankenabgabe und Bankenrettungsfonds hat die Debatte, die während der Tagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ stattgefunden hat, eine Reihe von Leitlinien hervorgebracht, die es der Kommission ermöglichen, detailliertere und spezifischere Vorschläge vorzulegen. Ich bin überzeugt, dass wir durch die Anwendung des gleichen proaktiven Ansatzes, den wir bei der Finanzaufsicht angewendet haben, in der Lage sind, diese Debatte in den kommenden Monaten mit der Schaffung eines Mechanismus, der eine echte Koordinierung in Europa gewährleisten wird, zu beenden. Einige Länder haben bereits Abgaben im Bankensektor eingeführt, aber es ist wichtig, dass wir koordiniert vorgehen. Ich räume ein, dass noch einige Punkte behandelt werden müssen. Diese werden wir tatsächlich auf Ebene der Finanzminister bei der informellen Tagung des Rates Ende dieses Monats besprechen.
In Bezug auf die Finanztransaktionssteuer ist die Debatte um einiges lebhafter. Von der Erreichung eines Konsenses sind wir noch ein Stück entfernt, aber das ist normal. Es handelt sich um eine erste intensive Debatte, bei der spezifische Fragen über die Möglichkeit der Umsetzung einer solchen Steuer gestellt werden konnten, aber auch über die Möglichkeit der Umsetzung in der EU oder der Erörterung mit unseren Partnern. Wir werden auf diesen Punkt nochmals am Ende dieses Monats bei der Vorbereitung auf das G20-Treffen zurückkommen, da es für die Mehrheit der Teilnehmer ohne Frage wichtig ist, dass wir ihn mit unseren Partnern erörtern, nicht nur auf der anderen Seite des Atlantiks, sondern auch in Schwellenländern.
Zum Schluss erkläre ich einfach, dass noch viele entschiedene Anstrengungen zu diesem Punkt unternommen werden und dann Entscheidungen getroffen werden müssen. Wenn eine derartige Steuer eines Tages eingeführt wird, was geschieht dann mit den Einnahmen? Einige werden diese für ihren nationalen Haushalt vorsehen, andere werden notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels finanzieren, während wieder andere – und in Belgien haben wir dies bereits getan - sie zur Finanzierung von Entwicklung einsetzen werden.
Das ist es also, Frau Präsidentin; das ist es, was ich über die Tagung des Rates, die gerade in Brüssel stattgefunden hat, zu berichten habe.
Michel Barnier, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, nach Herrn Reynders möchte ich meinerseits einige Worte zu unserer Herangehensweise bei dieser Tagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ sagen. Ich tue dies im Namen meiner Kollegen, Kommissar Olli Rehn und Kommissar Algirdas Šemet, die mit mir daran gearbeitet haben.
Wie der belgische Minister bereits dargestellt hat, wurde diese Tagung durch vier Themen dominiert. Da das Parlament eine sehr große Rolle dabei gespielt hat, gestatten Sie mir bitte, mit einem großen Thema zu beginnen, das ich als strukturell erachte und in das ich einen großen Teil meiner Energie gesteckt habe, seit Sie uns im Februar Ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Es geht um die Aufsicht.
Das liegt daran, dass die Aufsicht der Eckpfeiler ist, der Rahmen, durch den wir Schritt für Schritt, Woche für Woche, Produkt für Produkt, Markt für Markt oder Akteur für Akteur in der Lage sind, die Lehren aus der Krise zu ziehen und eine intelligente Regulierung und wirksame Aufsicht zu etablieren, damit am Ende der Reise – und dort sind wir noch nicht angelangt – kein Akteur, kein Produkt, kein Markt und kein Gebiet sich intelligenter Regulierung und wirksamer Aufsicht entziehen kann.
Gestatten Sie mir, zu diesem Thema – und ich bin überzeugt, dass es dem Parlament seinerseits möglich sein wird, das Ergebnis des Trilogs in einigen Wochen anzunehmen – einige sehr aufrichtige Worte des Dankes an Ihre Berichterstatter, Herrn García-Margallo y Marfil, Herrn Skinner, Herrn Sánchez Presedo, Frau Goulard, Herrn Giegold, Herrn Tremosa i Balcells und Herrn Balz, und die Vorsitzende des Ausschusses, Frau Bowles, die diesen Trilog mit großer Entschlossenheit geleitet hat, auszusprechen. Ich möchte außerdem sagen, dass der amtierende belgische Präsident des Rates, Herr Reynders, eine äußerst persönliche und proaktive Rolle gespielt hat und sich dabei nicht nur auf die Arbeit seines Teams verlassen hat, sondern auch auf die Arbeit, die der spanische und der schwedische Ratsvorsitz vor ihm erledigt hatten.
Zudem möchte ich darauf hinweisen, meine Damen und Herren, dass der ursprüngliche Grund für diesen Vorschlag der Kommission zur Aufsicht die äußerst intelligente Arbeit von Jacques de Larosière war, mit der die ersten wichtigen Lehren aus dieser Krise gezogen wurden. Infolgedessen wird es am 1. Januar einige europäische Organe geben. Wie es ihre Pflicht ist, wird die Kommission hart daran arbeiten, die Umsetzung dieser drei Behörden und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vorzubereiten. Ich habe von europäischen Radarschirmen und Kontrolltürmen gesprochen. Diese werden eindeutig benötigt, da, wie Sie wissen, die Hälfte der Banken in der Hälfte der europäischen Länder, welche Sie repräsentieren, ihren Sitz in anderen Ländern hat. Darum haben wir es generell mit Finanzeinrichtungen zu tun, die transnationaler Art sind, und folglich systemische Dimensionen und Risiken in sich bergen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um dem Ratsvorsitz zu danken und dem Parlament und Ihren Berichterstattern meinen aufrichtigen Dank für die grundlegende Arbeit auszusprechen, die sie geleistet haben, damit dieser „allererste Schritt“, wie Herr Reynders es genannt hat, ein Erfolg wird. Nun beginnt die Aufbauarbeit.
Sie werden sehen, dass wir diesen Rahmen Woche für Woche ausfüllen werden. Ab der kommenden Woche werde ich die Verordnung über Derivate und die Verordnung über Leerverkäufe vorlegen und dann etwas später diejenige über Rating-Agenturen.
Es stehen zwei Punkte zur Debatte, die ebenfalls den Finanzsektor in Verbindung mit Vorschlägen zu Beiträgen und Abgaben betreffen. Eine ist fortschrittlicher als die andere, und ich stimme mit dem belgischen amtierenden Präsidenten des Rates überein, dass wir diese beiden Themen nicht miteinander vermischen sollten, da sie sich unterscheiden, obwohl sie beide die Finanzierung durch den Finanzsektor betreffen.
Der erste ist die Idee der Rettungsfonds. Diese Debatte hat im Rat bereits begonnen. Ich muss den verehrten Abgeordneten sagen, dass diese Debatte im Rat sehr sinnvoll ist, wie ich selbst gestern festgestellt habe, da die Gespräche am Runden Tisch dazu beitragen, dass man anfängt, die Dinge etwas klarer zu sehen. Ich habe diese Debatte unter dem spanischen Ratsvorsitz in Madrid bei einer informellen Tagung des Rates eröffnet, als ich die Idee einer „Toolbox“ zur Verhinderung einer Krise im Banken- und Finanzsektor mit zwei einfachen Gedanken vorgestellt habe. Der erste lautet, dass Vorbeugung stets günstiger ist als Heilung - das gilt auch für die Umwelt und die Finanzkrise - während der zweite einfache Gedanke lautet, dass der Steuerzahler nicht länger an vorderster Front stehen sollte, da die Banken für die Banken zahlen sollten.
Auf der Grundlage dieser Gedanken haben wir dann den Inhalt dieser „Toolbox“ vorgestellt, zu dem auch der Rettungsfonds gehört. Diesbezüglich möchte ich die gleichermaßen sehr wichtige Arbeit betonen, die Frau Ferreira in Ihrem Namen geleistet hat. Im Oktober werde ich eine Mitteilung auf der Grundlage der Ansichten des Parlaments und Frau Ferreiras sowie über die Reaktionen aus dem Ministerrat herausgeben. Warum im Oktober? Weil wir bis dahin auch Fortschritte bei den wichtigen Basler Konsultationen erzielt haben werden mit den qualitativen und quantitativen Kapitalanforderungen eigener Mittel.
Ihnen allen ist bekannt, dass, wenn wir von Beiträgen von Banken oder Vorbeugung bei Banken sprechen, alle Teile zusammengesetzt werden müssen, und wir müssen auf das achten, was ich als „Eichung“ dieser Maßnahmen bezeichnet habe, um zu gewährleisten, dass sie wirksam sind und sich ihnen niemand entziehen kann. Wir werden nicht wieder zur Tagesordnung übergehen, aber gleichzeitig dürfen wir die Wirtschaft nicht bestrafen, ohne die Gesamtwirkung all dieser Maßnahmen zu betrachten.
Darum werde ich im Oktober eine Mitteilung über die Verhinderung künftiger Krisen und die Verantwortung der Banken und den Rettungsfonds herausgeben, zu dem es immer weitere Vorschläge gibt, da Deutschland diesen Gedanken gerade umgesetzt hat. Schweden hat dies bereits getan. Wir werden versuchen, ein koordiniertes System mit einem gemeinsamen Kern aufzubauen, der eine schlechte Koordinierung oder sogar Wettbewerb und eine Doppelbesteuerung von Finanzeinrichtungen verhindert.
Wie Herr Reynders gesagt hat, hat gerade eine Debatte begonnen. Diese Debatte, die sich mit der Finanztransaktionssteuer auf globaler Ebene befasst, ist sehr viel schwieriger. Die Debatte hat bei den G20 begonnen. Nicht alle waren begeistert. Viele von uns meinen, dass dies ein gerechter Gedanke ist und dass Finanztransaktionen auf maßvolle, aber wirksame Weise etwas zu einer Reihe großer weltweiter Herausforderungen beitragen sollten, um die Welt gerechter und somit stabiler und sicherer zu machen. Diese Welt, in der wir leben, wird nur dann sicherer werden, wenn sie gerechter ist, was heute nicht der Fall ist.
Wir sind uns über alle Herausforderungen bewusst – wie die Umwelt, den Klimawandel und die Nahrungsmittelversorgung – und die Krisen, die die ärmsten Länder am härtesten treffen. Viele von uns meinen, dass es ein fairer Gedanke ist, aber es ist, gelinde gesagt, ein langer Weg bis zur Erzielung eines Konsenses im Ministerrat. Wir werden weiterhin daran arbeiten müssen. Mein Kollege, Kommissar Algirdas Šemeta, hat einen ersten Informationsvermerk verfasst und auf der Grundlage der Arbeit des Ministerrates werden wir eine neue Mitteilung über die Besteuerung auf dem Finanzsektor im Einzelnen erstellen. Diese Mitteilung ist für Oktober geplant.
Ich werde nicht wiederholen, was Herr Reynders bereits über das Stabilitäts- und Konvergenzprogramm, die Anstrengungen der Kommission und die Arbeit der Arbeitsgruppe gesagt hat. Ich werde lediglich auf den Gedanken eines Europäischen Semesters eingehen, den ich als nützlich erachte und der die Haushaltsanalyse unserer Länder unter Bewahrung ihrer Souveränität ins rechte Licht rückt und eine Momentaufnahme – ein weiterer europäischer Radarschirm – der allgemeinen wirtschaftspolitischen Leitlinien des Landes bieten wird. Der Rat wird außerdem auf der Grundlage der Beiträge und Berichte der Kommission zu diesem Thema arbeiten.
Beim Mittagessen hat Herr Reynders zwei Diskussionspunkte aufgeworfen, die ich kurz beschreiben werde. Einer, der mich und uns alle hier betrifft, ist die Tätigkeit des IASB, des International Accounting Standards Board. Wir würden uns eine Reform seiner Führung und größere Transparenz wünschen. Ich habe außerdem dem Ratsvorsitz mitgeteilt, dass ich bereit bin, einen für das Parlament interessanten Bericht über die transatlantische Regulierung bei der informellen Tagung des Rates im September vorzulegen.
Wir sind in der G20 nicht allein und auch nicht unter den Amerikanern und Europäern, aber es ist für uns äußerst wichtig, sicherzustellen, dass es zwischen den unter Präsident Obamas Führung durch den US-Kongress ergriffenen Maßnahmen und den durch Europa ergriffenen Maßnahmen in Bezug auf die Aufsicht und Regulierung eine Übereinstimmung gibt.
Ich bin gerade dabei, eine Art Fortschrittsanzeiger vorzubereiten, um das, was derzeit in den Vereinigten Staaten getan wird, mit dem zu vergleichen, was wir in Europa tun, um diese Übereinstimmung zu gewährleisten. Es geht dabei darum, die gleichen Ziele zu erreichen, ohne unbedingt die gleichen Methoden oder Maßnahmen anzuwenden. Ich bin der Überzeugung, dass dies ein nützliches Instrument für die Minister und die Abgeordneten des Parlaments sein wird.
Corien Wortmann-Kool, im Namen der PPE-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin, im Namen der Europäischen Volkspartei möchte ich sagen, dass wir sehr über die erzielte Vereinbarung zu einem europäischen System zur Bankenaufsicht erfreut sind. Das ist ein wichtiger Meilenstein. Eine Reihe von Mitgliedstaaten hat zunächst auf ihrem Standpunkt beharrt, aber unsere Berichterstatter sind standfest geblieben und dank eines überzeugungsstarken Kommissars und der Bestimmtheit des belgischen Ratsvorsitzes ist es uns gelungen, dieses Ergebnis zu erzielen. Ein weiteres positives Ergebnis war die Einführung des Europäischen Semesters. Bei beiden handelt es sich um wichtige Schritte hin zu einer Stärkung der wirtschaftlichen Governance in Europa.
Im Rat „Wirtschaft und Finanzen“ haben Sie außerdem über verschiedene Formen von Steuern für Banken gesprochen, da auch die Banken etwas zur Bewältigung der Auswirkungen der Krise beitragen müssen. Sie haben ganz zu Recht versucht, dies auf G20-Ebene zu erreichen, wenn auch mit wenig Fortschritt. Aus diesem Grund stimmt die EVP-Fraktion mit der Schlussfolgerung überein, dass wir in Europa die Führung bei der Einführung einer Bankensteuer oder einer Bankenabgabe übernehmen können – nein, müssen – falls es nicht gelingt, dies international zu erreichen. Dies muss jedoch auf koordinierte Weise geschehen, da die Mitgliedstaaten bereits dabei sind, solche Abgaben selbst einzuführen, und das bedroht unseren Binnenmarkt.
Darum, Kommissar Barnier, möchte ich Sie dazu ermutigen, Ihr Initiativrecht einzusetzen, um eine koordinierte Bankenabgabe in Europa zu Stande zu bringen, die gemäß denselben Kriterien in jedem Land eingeführt wird. Bei dieser Angelegenheit, wie bei der Angelegenheit der europäischen Aufsicht, wird das Parlament an Ihrer Seite stehen.
Was nun die Finanztransaktionssteuer anbelangt, handelt es sich dabei um ein hervorragendes Instrument, aber Sie werden sich anstrengen müssen, damit es vorn auf die Agenda der G20 gesetzt wird. Ich warne Sie jedoch davor, dass Europa einen Alleingang unternimmt. Mir ist bekannt, dass mein Kollege, Herr Schulz, eine solche Transaktionssteuer in Europa durchsetzen will, aber ihre Nachteile würden die Vorteile überwiegen, da wir es mit einem globalen System zu tun haben. Eine solche Steuer würde dazu führen, dass Transaktionen Europa umgehen. Darum sollten wir unsere Anstrengungen darauf lenken, eine erfolgreiche europäische Bankensteuer einzuführen und im Rahmen der G20 weiter zu arbeiten.
Udo Bullmann, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Glückwunsch zur Aufsicht! Da hat das Parlament ganze Arbeit geleistet und Sie haben mitgeholfen, deswegen sind wir zu einem guten Ergebnis gekommen.
Leider muss ich sagen – man muss ja immer über die neuen Aufgaben nachdenken –, in anderen Bereichen sind wir von guten Ergebnissen weit entfernt. Ich sage nur: Die Regelung bei den Hedgefondsmanagern ist noch weit entfernt von einem Durchbruch. Und hier appelliere ich an beide Seiten, sowohl an den Rat als auch an die Kommission: Bewegen Sie sich! Denn ohne Ihre Bewegung wird es keine gute Regelung geben. Wir brauchen gleiches Recht für alle! Auch die Manager außerhalb der Europäischen Union müssen auf Dauer den gleichen Bedingungen unterliegen wie die Europäer. Ansonsten schaffen wir Nachteile für Europa.
Nein, wir wollen nicht eine ganze Branche in Haftung nehmen! Aber ohne entscheidende Verbesserungen, durch die die schwarzen Schafe daran gehindert werden, gut funktionierende Unternehmen auszuplündern, wird es keine gute Regelung geben. Und ich warne vor einem: Glauben Sie hier nicht an einen leichten Sieg, indem Sie die Mitglieder des Parlaments vielleicht gegeneinander ausspielen können! Wenn Sie keine gute Regelung ins Leben rufen, wird Europa anschließend wissen, wer vor den Lobbyisten in die Knie gegangen ist, und das wird diese Diskussion bestimmen!
Stichwort Finanztransaktionssteuer: Da bin ich völlig anderer Meinung, verehrte Kollegin von der Europäischen Volkspartei! Europa wartet auf Antworten. Und Sie werden Antworten geben müssen. Kommen Sie nicht vom G20-Gipfel zurück und sagen: „ Leider haben wir nichts erreicht, und jetzt können wir leider nichts tun“. Ganz im Gegenteil: Wir müssen in Europa handeln und dafür werden wir entschiedene Schritte auch mit den Menschen in Europa planen und unternehmen. Denken Sie bei Ihren Verhandlungen in der G20 daran: Wir brauchen eine Antwort von Ihnen, sonst muss es eine europäische Antwort geben!
Sylvie Goulard, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, ich möchte der Kommission und dem belgischen Ratsvorsitz dafür danken, dass sie geholfen haben, die EU-Finanzaufsicht auf den Weg zu bringen.
Ich weiß, dass wir nun einander danken, aber ich möchte dennoch betonen, dass das Parlament im vergangenen Dezember zum Glück darauf hingewiesen hat, dass die Mitgliedstaaten, obwohl sie behaupteten, die Krise mit europäischen Lösungen zu meistern, schnell jedes erdenkliche Sicherheitsnetz und jede Schutzklausel eingeführt haben, um sicherzustellen, dass diese europäischen Behörden definitiv nicht ohne zwischenstaatliche Vereinbarungen würden handeln können. Ich finde, dass wir alle sehr gut zusammengearbeitet haben, aber lassen Sie uns loben, wo Lob angebracht ist.
Als Berichterstatterin für den Ausschuss für Systemrisiken möchte ich insbesondere einen äußerst positiven Punkt betonen. Herr Barnier spricht oft von Radarschirmen und Kontrolltürmen, aber jedes Flugzeug hat auch einen Piloten und dieser Pilot ist der Präsident der Europäischen Zentralbank, den das Parlament unbedingt weiter in dieser Rolle sehen möchte.
Ich kann jedoch einen leichten Anflug von Unzufriedenheit über die direkte Aufsicht der gesamteuropäischen Institutionen nicht verhehlen, und vor allem möchte ich Sie bitten, Ihren Kampf in dieser Sache fortzusetzen. Bei den sektoralen Rechtsvorschriften müssen wir die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (ESMA) und die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) mit Vollmachten über diese Institutionen, über die Rating-Agenturen weiterhin ausstatten – wie es sich die vier großen Fraktionen im Parlament gemeinsam vorgenommen haben. Theoretisch geschieht dies bereits, wobei wir darauf warten, dass die Kommission ihre Arbeit fortsetzt und sie auf Clearinggesellschaften und schließlich auf grenzübergreifende Konzerne ausweitet. Die Herausforderung in diesem Bereich ist leicht: Wir können den Binnenmarkt entweder der Regulierung oder Aufsicht der EU unterwerfen oder uns mit lockerer Koordinierung zufrieden geben, was zu Unstimmigkeiten – oder „Chipotage“, wie wir es unter dem belgischen Ratsvorsitz nennen – zwischen den Nationalstaaten führen würde.
Sven Giegold, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Zunächst mal ist das ja wirklich ein wichtiger Moment für Europa, weil wir jetzt scheinbar Einigkeit über die Aufsicht haben. Da haben wir gemeinsam viel erreicht. Vielen Dank an die belgische Ratspräsidentschaft, an die Kommission, Herrn Barnier, und an die Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Fraktionen. Da haben wir wirklich einen großen Schritt vorwärts getan und all diejenigen Lügen gestraft, die gesagt haben, mit Europa geht es nicht mehr vorwärts. Im Gegenteil, wir müssen den Binnenmarkt um starke Regeln ergänzen. Und da sind wir auf dem richtigen Weg.
Zweitens: Im Bereich der Überwachung der Haushalte der Mitgliedstaaten hat der ECOFIN Wichtiges beschlossen. Vielen Dank an die Kommission für das Voranschreiten. Da haben Sie Vorschläge vorgelegt. Wir warten jetzt auf weitere Vorschläge im Bereich der makroökonomischen Koordination. Das ist angesichts der Krise dringend notwendig.
Jetzt möchte ich aber auf die Diskussion um die Finanztransaktionssteuer eingehen. Da haben wir es erst einmal von der Seite der Kommission mit einer Kakophonie zu tun. Auf der einen Seite unterstützen Herr Barnier und Herr Barroso dankenswerterweise die Idee einer Finanztransaktionssteuer. Gleichzeitig lehnt Herr Šemeta sie ab. Und ich kann Sie nur auffordern: Bitte handeln Sie auch in dieser Frage als Kollegium. Sprechen Sie mit einer Stimme! Es geht nicht, dass Herr Šemeta einen Bericht vorlegt, in dem lauter Ergebnisse stehen, die wissenschaftlich längst widerlegt sind.
Zum Beispiel könnte man einiges in der Studie nachlesen, die das Europäische Parlament bei Bruegel in Auftrag gegeben hat. Diese Studie widerlegt relevante Argumente von Herrn Šemeta. Ich frage mich auch, warum er nicht hier ist. Er ist hier im Parlament mehrfach für diese Position kritisiert worden. Er sollte sich gerade heute dieser Diskussion stellen. Und dann frage ich mich weiter, wenn er jetzt nachsitzen muss – und so ist es ja beschlossen worden, seine Ausführungen sollen jetzt überarbeitet werden –: Führt das jetzt wirklich zu einem Vorschlag, den die Kommission vorlegt, einer Initiative, die sie vorlegt, oder wird es wieder nur ein Studienpapier? Das reicht wirklich nicht! Was ebenso nicht reicht, ist der Beschluss des Rates, dies jetzt im Grunde auf den G20-Vorsitz Frankreichs zu verschieben. Das ist nicht ausreichend!
Fragen stellen sich allerdings auch bei den zentralen Ländern, die diesen Vorschlag abgelehnt haben, Großbritannien, Schweden und Spanien. Bei Großbritannien und Schweden war das bekannt. Spanien ist aber ein Mitglied der Eurogruppe. Dort regieren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Vielleicht sollten Sie da etwas mehr Kohärenz herstellen zwischen ihren guten Positionen hier und den Positionen der spanischen Regierung im Rat.
Und zu guter Letzt kann ich nur sagen: Ich würde mir auch hier im Hause von der EVP etwas mehr Klarheit wünschen, was ihre Position ist. Sie haben sich eben sehr kritisch zur Finanztransaktionssteuer geäußert, große Teile Ihrer Fraktion sind aber dafür. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich für die Mehrheit Ihrer Fraktion sprechen. Wir brauchen in dieser Situation gemeinsames Handeln, sonst werden die Bürgerinnen und Bürger zynisch, wenn wir auf der einen Seite Sparpakete haben, andererseits aber keine Einnahmen von den Kapitaleinkommen in Europa.
Kay Swinburne, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich möchte damit beginnen, dass ich dem belgischen Ratsvorsitz zu seinen Verhandlungsfähigkeiten gratuliere und Kommissar Barnier und seinem Team dafür, dass sie Lösungen gefunden haben. Aber ich möchte mich nun mit den ungelösten Fragen der Finanztransaktionen beim gestrigen Rat „Wirtschaft und Finanzen“ befassen.
Ich verbringe offensichtlich sehr viel Zeit im Parlament damit, die Leute darum zu bitten, Nachforschungen zu betreiben, Folgenabschätzungen zu verfassen und Studien durchzuführen. Der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ hat sich ins Zeug gelegt und genau das getan. Anstatt sich rein politische Konzepte anzuschauen und in aller Eile Gesetze zu erlassen, fußten die Tagung des Rates und die Beiträge von Kommissar Šemeta auf Zahlen und Fakten. Ein gutes Beispiel für bessere Regulierungsgrundsätze in der Praxis. Wenn jedoch eine unabhängige Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass ein Mitgliedstaat letztendlich mehr als 70 % der aus einer Finanztransaktionssteuer generierten Steuereinnahmen einnimmt, wäre es grotesk zu behaupten, dass eine solche Steuer auf EU-Ebene eingeführt werden sollte, wenn überhaupt.
Eine Finanztransaktionssteuer ist kein frei verfügbares Geld, wie die Massenmedien uns glauben machen wollen. Es wären nicht die Banken und die Finanzintermediäre, die eine Transaktionssteuer bezahlen. Es wären die Rentner, die von den Erträgen auf dem Markt und in den Unternehmen in der Realwirtschaft abhängig sind, die für jedes Deckungsgeschäft bezahlen. Es ist an der Zeit, die Beschränkungen der allzu simplen Finanztransaktionssteuer zu erkennen und, wenn es unser wirkliches Ziel ist, das Verhalten der Banken zu ändern, ohne unsere Volkswirtschaften zu zerstören, müssen wir stattdessen nach komplexeren Lösungen für eine Steuer auf Finanzaktivitäten oder Bankabgaben suchen, wie es der IWF vorgeschlagen hat.
Anstatt den Prozess scheitern zu lassen, indem man unerreichbare und unerwünschte EU-weite Steuern fordert, gegen die viele Mitgliedstaaten, nicht nur der meinige, sind, müssen wir dies als eine Möglichkeit betrachten, um die schwachen öffentlichen Finanzen unserer Mitgliedstaaten zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, das Geld so einzusetzen, wie sie es für richtig erachten und ihre öffentlichen Kassen, die durch die Rettungsaktionen für Banken und das Krisenmanagement ausgezehrt worden sind, wieder aufzufüllen.
Miguel Portas, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ hat beschlossen, das Europäische Semester zu starten, welches das Ziel verfolgt, die Übereinstimmung zwischen der europäischen Wirtschaftspolitik und den nationalen Haushaltsstrategien zu gewährleisten. Meine Frage lautet: Hat man dabei auch nur einen Gedanken an die Demokratie verschwendet? Ich bin voll und ganz für Koordinierung. Ich akzeptiere Ziele für das Defizit und ich hätte es auch gern, wenn solche Ziele für die Schaffung von Arbeitsplätzen eingeführt würden. Ich akzeptiere Änderungen an den nationalen Haushalten, obwohl es mir lieber wäre, wenn die Sanktionen nicht töricht wären und das Problem noch verschlimmern, ich bin dafür also recht offen.
Was ich vollkommen inakzeptabel finde, ist, dass Brüssel entscheidet, wie die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen erfüllen sollen, da dies bedeutet, dass die grundlegenden Vorrechte der nationalen Parlamente ausgehebelt werden. Der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ verfügt neben einer vorherigen Zustimmung über mehr Vollmachten; er legt Leitlinien fest, die dazu dienen, jeden nationalen Haushalt zu steuern. Ich habe Herrn Reynders sagen hören: Gut, aber wir werden dabei nicht ins Detail gehen. Ich danke Ihnen für Ihre Großzügigkeit, aber das Grundproblem ist, dass die wichtigsten Leitlinien für 27 Regierungen gelten werden. Von diesen 27 Regierungen wird Deutschland Griechenland stets sagen, was es zu tun hat, aber nicht umgekehrt.
Meine Damen und Herren, die Abgeordneten der nationalen Parlamente sind keine Platzhalter. Die Abgeordneten der nationalen Parlamente können nicht einfach von einer wichtigen politischen Wahl, der Wahlfreiheit bei ihren Haushalten, ferngehalten werden.
Hans-Peter Martin (NI). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte Ihnen ein Kompliment machen. Es zeigt sich, Sie wollen. Die Frage ist nur: Dürfen Sie auch wollen? Ich bitte Sie inständig, in dem Prozess, den Sie mit großem Engagement betreiben, auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürger so transparent zu sein, dass Sie darlegen, woran es auch bei gutem Willen scheitert, dass wir bei den vier Eckpfeilern, um die es letztendlich geht, nur bedingt Fortschritte machen.
Wir brauchen Aufklärung darüber, wie immer noch festgestellt werden kann, dass die Finanzmarktaufsicht in den USA in wesentlichen Bereichen kritischer und strenger ist als das, was Sie jetzt versuchen, auf den Weg zu bringen. Wir brauchen weiterhin klare Antworten darauf, wie Sie das Problem der Schattenbanken tatsächlich angehen wollen, und mit welchen Erfolgen da zu rechnen ist. Wir brauchen auch Klarstellungen zum Eigenkapital. Was will da die Kommission? Da gibt es sehr viele Details, aber wie soll erreicht werden, dass es nicht mehr zum Crash kommen kann?
Dann meine Frage als Vertreter eines kleinen Mitgliedstaates: Was kann man tun, um die Problematik des too big to fail massiv einzugrenzen? Wir haben in Österreich die Situation mit einer Bank, Hypo Group Alpe Adria, wo, wenn die Kredite jetzt fällig gestellt werden, die Schuldenlast des österreichischen Nationalstaats so hoch getrieben wird, dass wir in der Griechenland-Kategorie landen. Warnt die Kommission davor? Was tut sie da? Wie verhindert sie, dass Österreich zu einem zweiten Griechenland für die Europäische Union wird?
Jean-Paul Gauzès (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, zunächst möchte ich mich natürlich auch den Glückwünschen zu dem guten Ergebnis im Bereich der Aufsicht anschließen.
Wie Frau Goulard uns ins Gedächtnis gerufen hat, waren die Anstrengungen des Parlaments nicht vergebens, und im Dezember ist etwas Neues und Einzigartiges geschehen: Von den vier Koordinatoren der größten Fraktionen wurde eine Erklärung herausgegeben, in der es hieß, dass Europa eine größere Rolle bei dieser Aufsicht spielen müsse. Dank Ihrer Dynamik, Herr Reynders, ist eine gute Lösung gefunden worden. Die Kommission hat eindeutig hart gearbeitet und ich begrüße das Programm für die Finanzdienste, das Kommissar Barnier angekündigt hat.
Es ist ein Glück, dass dies geschehen ist, dass diese Vereinbarung zu Stande gekommen ist, da es schließlich um die finanzielle Glaubwürdigkeit der EU geht, um ihre finanzielle Glaubwürdigkeit in den Augen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, die uns seit der Krise fragen: „Was tut die EU? Welche konkreten Ergebnisse haben Sie erreicht?“ Wir können ihnen sagen, dass wir über dieses Thema nachdenken und daran arbeiten, dass wir Triloge und Tagungen durchführen, aber, was man will, sind Ergebnisse.
Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der EU in den Augen unserer Partner, insbesondere den USA. Ich hatte vor Kurzem Kontakt zu Vertretern des US-Finanzsektors und das, was sie letztendlich an der EU stört, ist dieser Eindruck von Rechtsunsicherheit: Wir ändern Bestimmungen, wir führen Revisions- und Befristungsklauseln ein, wir schaffen keine solide Grundlage. Ich finde, dass Rechtsvorschriften eindeutig sein müssen, auch wenn sie Änderungsmöglichkeiten unterworfen ist. Insbesondere dürfen wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir die Rechtsvorschriften zwei oder drei Jahre später noch einmal ändern.
Frau Präsidentin, Herr Reynders, ich möchte für mich um etwas bitten: Heute Nachmittag wird ein sehr wichtiges Treffen mit Kommissar Barnier und meinen Kolleginnen und Kollegen über die Regulierung von Hedgefonds stattfinden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir bald eine Lösung finden. Ich bin mir des Einsatzes seitens des belgischen Ratsvorsitzes und Ihres persönlichen Einsatzes durchaus bewusst. In den nächsten Wochen müssen wir zu einer Vereinbarung gelangen, damit Sie in Ihrem nächsten Bericht über die Arbeit des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ erklären können: „Bei der Regulierung der Hedgefonds ist eine Vereinbarung erzielt worden.“ Wir zählen darauf und ich weiß, dass Sie auch darauf zählen. Nun müssen wir die letzten Schritte unternehmen, damit die richtige Lösung gefunden werden kann.
Anni Podimata (S&D). – (EL) Frau Präsidentin, verehrte Mitglieder der Kommission, bei den gestrigen Entscheidungen des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ handelt es sich natürlich in Verbindung mit der Vereinbarung über ein neues wirksames System zur Finanzaufsicht um wesentliche Schritte hin zu der von uns angestrebten neuen wirtschaftlichen Governance. Heute stehen wir jedoch vor einer großen Herausforderung. Die Verhängung einer strengeren Haushaltsdisziplin und einer strengeren Aufsicht kann oder sollte niemand aufhalten.
Die Herausforderung besteht darin, ein neues Wirtschaftsmodell zu entwerfen, das auf den Bedarf der europäischen Bürgerinnen und Bürger nach Vollbeschäftigung und fairem Wachstum reagiert. Darum müssen wir ein Gleichgewicht zwischen Haushaltsdisziplin und der Sicherung der notwendigen Mittel für ein nachhaltiges Wachstum und Vollbeschäftigung durch öffentliche und private Investitionen herstellen.
Wir müssen die makroökonomischen Gleichgewichte und die kompetitive Kluft zwischen den Mitgliedstaaten ansprechen, die unweigerlich zu wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten führen werden. Vor allem benötigen wir jedoch ein Modell für die gerechte Verteilung der Kosten des Wirtschaftsaufschwungs, wobei die Besteuerung von Finanztransaktionen eine katalytische Rolle übernehmen könnte.
In diesem Punkt kann und muss Europa eine Führungsrolle übernehmen. Dies hat es bereits durch unilaterale Zusagen bei der Bekämpfung des Klimawandels getan. Auf internationaler Ebene kann und muss es die Maßnahmen zur Förderung ähnlicher Regelungen betreffend federführend sein.
Jens Rohde (ALDE). – Frau Präsidentin, ich möchte der Kommission und dem Rat für Ihre Arbeit bei der Sicherstellung einer angemessenen Finanzierung durch den Finanzsektor danken und sie dabei unterstützen.
Es gibt jedoch noch ein paar Probleme. Wir unterstützen die Einführung einer Art koordinierter Stabilitätsebene und eines Fonds. Wenn es jedoch um die Finanztransaktionssteuer geht, reden wir über ein ganz anderes und viel komplexeres Problem.
Diese Steuer müsste zumindest global sein, um Steuerhinterziehung zu verhindern. Zudem ist eine Steuer auf alle Transaktionen womöglich technisch gar nicht durchführbar, und es besteht auch das Risiko, dass die Märkte instabil und weniger liquide werden.
Ich habe einige Fragen zu den Steuern. Wenn der Zweck darin besteht, Geld für globale Anlässe zu generieren, in welche Töpfe fließen dann die Einnahmen und wer ist für die Verteilung des Geldes verantwortlich? Woher wissen wir bei einer zweckgebundenen Steuer, wann genug genug ist? Und schließlich lautet die entscheidende Frage, wer wird die Steuer einziehen – die Mitgliedstaaten oder die EU? Wenn es die EU ist, die weit von den Bürgerinnen und Bürgern entfernt ist, wie verhindern wir, dass die Steuern ständig angehoben werden? Wenn es darum geht, dass die Politiker zusätzliches Geld benötigen, scheint genug in der realen Welt niemals genug zu sein.
Derk Jan Eppink (ECR). – (NL) Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, Herrn Reynders zu begrüßen. Ich hoffe, dass es Ihnen gut geht. Was die Bankenabgabe betrifft, habe ich damit im Grunde überhaupt kein Problem. Ich frage mich nur, wie sie in der Praxis funktionieren soll. Ich muss dabei an einen Bus denken: Jeder will einsteigen, aber jeder will auch in eine andere Richtung fahren. Was die Finanztransaktionssteuer anbelangt, halte ich sie für ein gutes Beispiel einer schlechten Idee. Es handelt sich bei ihr im Grunde um eine europäische Tobin-Steuer. Wobei wir sie gar nicht mehr so nennen, da selbst Herr Tobin heutzutage gegen diese Steuer ist. Sie verschreckt das Kapital, wofür Schweden ein sehr gutes Beispiel ist. Dies wirft außerdem die Frage auf, was wir mit den Einnahmen aus einer solchen Steuer tun werden. Werden wir sie einsetzen, um etwas zu den eigenen Mitteln der EU beizutragen? Dieses Thema ist ganz bestimmt entscheidend. Mein Rat an Sie, Herr Reynders, lautet also: Hinter Ihrem Plan mögen gute Absichten stehen, aber bitte verwerfen Sie ihn. Legen Sie den Plan auf Eis oder, besser noch, begraben Sie ihn. Natürlich können wir es nicht im Alleingang schaffen. Also, ich würde gerne das aufgreifen, was Herr Schulz gesagt hat, obwohl er mir gerade nicht zuzuhören scheint. Gestern erklärte er, dass er die Europäische Kommission zwingen wolle, bei der Finanztransaktionssteuer die Initiative zu ergreifen. Er will, dass die Leute auf die Straße gehen. Mein Rat lautet, diesen Weg nicht zu gehen. Wir werden eine europäische Bürgerinitiative gegen diese Steuer einleiten, da es der kleine Mann auf der Straße ist, der sie bezahlen muss.
Othmar Karas (PPE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Präsident des Rates! Ich habe fünf Punkte: Zum Ersten muss ich schon sagen, dass ich es bedauere, dass eine so wichtige ECOFIN-Sitzung wie die gestrige parallel zur Rede des Kommissionspräsidenten zur Lage der Europäischen Union stattfindet. Ich erwarte mir eine bessere Koordination. Wenn wir an einem Strang ziehen wollen, dann müssen wir die Topics, die Highlights der Europäischen Union gemeinsam tragen, koordinieren, einander zuhören und miteinander reden. Es war eine Parallelveranstaltung, die unnötig war und beiden Kraft genommen hat.
Zum Zweiten, die Aufsicht. Herzlichen Dank an die Ratspräsidentschaft, an den Kommissar und das Parlament. Ohne die Entscheidung des Parlaments vom Juli hätten wir den Fortschritt über den Sommer und eine Aufsicht mit Biss nicht erhalten. Ohne die Entscheidung des Parlaments vom Juli wäre der EZB-Präsident nicht Vorsitzender der Makro-Aufsicht. Die Verschärfungen wurden durch die tatkräftige Zusammenarbeit von Parlament und belgischer Ratspräsidentschaft mit Unterstützung der Kommission erreicht. Ein herzlicher Dank dafür.
Zum Dritten, ja zur Europäisierung der Budget-Erstellung! Aber wir müssen uns darüber klar sein, das zweite Standbein für die Währungsunion wird nur möglich sein, wenn wir die Wirtschafts- und Sozialunion anstreben und die Budgetpolitiken und die Steuerpolitiken als ersten Schritt europäisieren und nicht nur koordinieren.
Mein vierter Punkt, Bankenabgabe ja, aber nicht in ein Fass ohne Boden. Europäische Zielsetzung, europäische Zweckbindung, Schaffung des Europäischen Währungsfonds.
Fünfter Punkt, mit der Finanztransaktionssteuer müssen sich Befürworter wie Gegner schon langsam im Kreis geschickt und gepflanzt fühlen. Herr Ratspräsident, Sie haben gerade gesagt, das war die erste ernsthafte Aussprache. Wir reden seit einem Jahr darüber, wir stellen Fragen, wir verabschieden Entschließungen. Sie schieben die Verantwortung einmal auf die G20, einmal auf die Kommission, einmal auf die Mitgliedstaaten. Wir wollen, dass die fünf Fragen beantwortet werden: Was ist die Bemessungsgrundlage? Was ist der Prozentsatz? Wer hebt die Steuer ein? Wer kriegt das Geld und wofür? Legen Sie ein Projekt vor, dann diskutieren wir weiter und können endlich Nägel mit Köpfen machen!
Elisa Ferreira (S&D). – (PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, bei der Koordinierung der Anstrengungen für das Europäische Semester, über das wir gestern beim Rat „Wirtschaft und Finanzen “ diskutiert haben, handelt es sich für sich genommen um einen positiven Schritt, aber es ist nur ein Teil des Ganzen. Wachstum und Beschäftigung sowie die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes müssen die Prioritäten sein. Die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds ist von entscheidender Bedeutung. Neben den Staatsschulden müssen auch alle anderen Verpflichtungen zur Teilnahme an einem Währungsraum erfüllt werden. Es ist äußerst wichtig, dass die Entwicklung dieses Projektes nicht den gefährlichen Pfad der Sanktionen einschlägt, und ich zähle auf Kommissar Barnier und seine Erfahrung, um die Kommission in dieser Hinsicht zu führen.
Zweitens möchte ich ihm außerdem aufrichtig für die Arbeit danken, die er in Bezug auf die Finanzaufsicht geleistet hat. Ich bin der Überzeugung, dass es Kommissar Barnier insbesondere zusammen mit dem Parlament und dem belgischen Ratsvorsitz gelungen ist, eine gute Vereinbarung zu erzielen: eine, die uns achtet und die Interessen der europäischen Öffentlichkeit wahrt. Meine Hoffnung lautet, dass die fehlende Agenda der gleichen Methodik folgen wird und dass wir den gleichen Erfolg erreichen werden.
Drittens möchte ich sagen, dass ich sehr hoffe, dass bei der Bankenkrise, insbesondere bei systemrelevanten und grenzüberschreitenden Banken, jeder Fortschritt dazu beiträgt, die europäische Position zu festigen.
Schließlich, Herr Kommissar, ist es wesentlich, unsere Agenda für die G20 zu überdenken, insbesondere wenn wir den Kampf gegen Betrug, Steuerhinterziehung und Steueroasen nicht aufgeben wollen, und wenn wir wollen, dass es einen wirksamen und entschiedeneren Beitrag von Banken und Finanzdiensten gibt.
(Der Präsident unterbricht die Rednerin.)
Vicky Ford (ECR). – Frau Präsidentin, ich begrüße die Vereinbarung über die Überwachungsstruktur. Mir ist bewusst, dass es meinen Kolleginnen und Kollegen nicht leicht gefallen ist, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Es handelte sich um einen heiklen Balanceakt zwischen dem Schutz der Märkte vor grenzübergreifenden Risiken und der gleichzeitigen Beibehaltung der Zuständigkeit der nationalen Regierungen.
Der Kommissar hat das ganz zu Recht als einen ersten Schritt beschrieben. Ich freue mich darauf, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass zukünftige Maßnahmen die heikle Balance nicht gefährden.
Grundsätzlich ist es nicht gut, wenn die Mitgliedstaaten auf internationaler Ebene Standards zustimmen und es dann nicht schaffen, sie im Inland umzusetzen. Ich hoffe, dass dies gewährleisten wird, dass wir alle unsere internationalen Vorschriften einhalten.
Im Laufe der Debatte haben viele meiner Kolleginnen und Kollegen erklärt, dass es wichtig sei, dass der Chef des ESRB der Chef der EZB ist. Wir haben versprochen, ihm zuzuhören, als er uns vor den Risiken warnte. Gestern warnte uns der Rat vor dem Risiko einer Finanztransaktionssteuer und erklärte uns, dass diese eine Katastrophe für Europa darstellen könnte. Lassen Sie uns sicherstellen, dass wir, als Politiker, uns an unser Versprechen halten und tatsächlich der Person zuhören, der wir versprochen haben, zuzuhören.
Sophie Auconie (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Minister, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, wie meine Kolleginnen und Kollegen zu verstehen gegeben haben – Herr Gauzès jetzt gerade und gestern während der Aussprache zur Lage der Union – brauchen wir mehr Europa.
Mehr Europa, um Wachstum und Beschäftigung zu schaffen, um die Märkte zu regulieren und um Ungleichheiten abzubauen. Das ist die Ansicht meines Fraktionsvorsitzenden, Herrn Daul, die ich vollkommen unterstütze. Ich glaube, dass die Mitgliedstaaten endlich verstanden haben, dass wir in Wirtschafts- und Haushaltsangelegenheiten mutiger sein mussten. Mutiger und insbesondere verantwortungsvoll: nationale protektionistische Reaktionen sind das Rezept für eine Katastrophe.
Wir brauchen auf europäischer Ebene eine umfassendere Finanzaufsicht; bei der Vereinbarung mit dem Rat über das Paket zur Finanzaufsicht, über das wir bei der nächsten Plenartagung abstimmen werden, handelt es sich in dieser Hinsicht um eine gute Neuigkeit.
Neben der Überwachung des Systems müssen wir jedoch auch eine echte Koordinierung unserer Haushalts- und Wirtschaftsstrategien einführen. Wir müssen sowohl einen Haushalts- als auch einen Wirtschaftsföderalismus schaffen. Über eine gemeinsame Währungspolitik bei unabhängigen Haushaltsstrategien zu verfügen, lähmt uns. Ich denke, dass der Föderalismus mit diesem neuen Europäischen Semester begonnen hat, bei dem die Mitgliedstaaten ihre Haushaltsstrategien vor dem Sommer eines jeden Jahres dem Rat zur Beurteilung vorlegen müssen.
Aber wie so oft auf EU-Ebene, wird die Praxis die Regeln viel mehr bestimmen als der Wortlaut. Ich für meinen Teil will, dass diese Koordinierung mehr darstellt als nur eine Stilübung und zu einer echten gemeinsamen Strategie für unsere wirtschaftlichen, industriellen und sozialen Strategien führt. Ich bedauere, dass die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament in diesen Koordinierungsprozess noch nicht vollkommen integriert sind.
Darum wende ich mich insbesondere an Sie, Herr Minister, als Vertreter des Rates: Die Parlamente als Haushaltsbehörden müssen bei der Entstehung einer europäischen Wirtschaftspolitik eine wesentliche Rolle spielen, da dies die einzige Möglichkeit darstellt, ihre Effektivität und Legitimität zu gewährleisten.
Antolín Sánchez Presedo (S&D). – (ES) Frau Präsidentin, ich möchte dem Ratsvorsitz zu der einstimmigen durch den Rat erfolgten Annahme des mit dem Parlament und der Kommission erzielten Kompromisses über das Überwachungspaket gratulieren.
Wir haben mit dem spanischen und dem belgischen Ratsvorsitz zusammengearbeitet und haben es geschafft, unsere Aufgabe mit einem ehrgeizigen Kompromiss zu erfüllen, der eine solide Grundlage für eine Finanzreform schafft und einen Meilenstein für die Integration in der Union darstellt.
Die Einführung des Europäischen Semesters zum nächsten Jahr ist auch ein sehr positiver Schritt, obwohl es viel mehr beinhaltet als nur die Festlegung eines Einsatzplans: Es bedarf eines substanziellen Inhalts und einer parlamentarischen Dimension.
Eine weitere Reform der wirtschaftlichen Governance ist gefordert. Es bedarf einer Mobilisierung der brachliegenden Kapazitäten zum Wirtschaftswachstum und der Schaffung der sozialen und wirtschaftlichen Union, die wir benötigen.
Zudem benötigen wir ein kohärentes, stabiles und glaubwürdiges europäisches System der Prävention, des Managements und der Bewältigung von Krisen. Es muss mit dem Wirtschaftsaufschwung in Einklang stehen, moralische Risiken vorhersehen, die übrigen Lasten der Finanzreform berücksichtigen und Verzerrungen im Bereich des Binnenmarktes vermeiden. Wir müssen uns intern absprechen, um es bei den G20 präsentieren zu können.
Ich komme zum Schluss. Hinsichtlich der Finanztransaktionssteuer erwarten wir eine Mitteilung der Kommission, in der womöglich auch die Steuer auf Finanzaktivitäten Berücksichtigung findet. Es geht hier um den Kampf gegen die Volatilität, eine gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten, die Abschwächung der Auswirkungen der Krise auf die öffentlichen Finanzen, die Schaffung neuer Ressourcen für die Europäische Union und den Beitrag zu den Millenniums-Entwicklungszielen. Wenn wir ein Global Player sein wollen, dürfen wir nicht voneinander getrennt agieren.
Peter Skinner (S&D). – Frau Präsidentin, ich möchte Herrn Reynders und Kommissar Barnier sehr für ihre Unterstützung bei dem Aufsichtspaket danken, bei dem es sich manchmal ein bisschen so angefühlt hat, als versuche man, ein hartgekochtes Ei durch ein Teesieb zu drücken, aber schließlich haben wir es doch durchbekommen. Ich hoffe, unsere Arbeit an „Solvabilität II“ und seinen Durchführungsmaßnahmen wird produktiver und viel schneller sein. Ich vertraue darauf, dass dies der Fall sein wird.
Heute ist schon auf viel Positives hingewiesen worden – und viel Negatives –, aber ich stimme mit dem bereits erreichten Fortschritt überein und mit dem, was wir anstreben sollten. Europa – und nicht nur der Euroraum, was betont werden muss – benötigt effizientere Vorschriften und Schutzmaßnahmen.
Ich habe das Gefühl, dass Nationen dazu gebracht werden, sich wie Außenseiter zu fühlen, und das muss aufhören. Für die EU als Ganzes ist das selbstzerstörerisch. Die internationale Agenda ist das Entscheidende. Bei der Einführung globaler Normen muss die Europäische Union eine bedeutende und entscheidende Rolle spielen.
Das Problem besteht darin, dass wir einen schweren Fehler begehen, wenn wir glauben, dass die Einführung von Normen in Europa alleine ausreicht. Darum begrüße ich die Äußerungen von Kommissar Barnier über eine Tabelle zum Vergleich der regulatorischen Fortschritte zwischen der Europäischen Union und den USA. Mein Büro hat solch eine Tabelle bereits erstellt. Ich würde Ihnen den Inhalt sehr gerne zur Verfügung stellen, Herr Kommissar. Ich hoffe, dass sie nützlich sein wird.
Schließlich möchte ich fragen: Wo stehen wir bei der Beschäftigung mit dem Transatlantischen Wirtschaftsrat, dem Dialog über die Regulierung auf höherer Ebene? Was beabsichtigen wir für die Zukunft? Wir stehen vor Problemen, die wir nicht allein lösen können.
Liem Hoang Ngoc (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ hat gestern dem Prinzip des Europäischen Semesters zugestimmt. Als Föderalist kann ich einen solchen Fortschritt nur begrüßen. Die Koordinierung der Haushaltspolitik ist jedoch eine Sache; die Definition ihres Inhaltes eine andere. Darum stellt die Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes einen schwerwiegenden Fehler dar.
Das Sparsamkeitsprinzip, das ganz Europa dogmatisch auferlegt worden ist, zeigt bereits seine ersten Auswirkungen. Spanien und Irland stehen vor immer größeren Schwierigkeiten und die Ende August veröffentlichte Markit-Umfrage zeigt, dass dieses Prinzip für die Stagnation des europäischen Wachstums und in Kürze für die Stagnation des deutschen Wachstums verantwortlich sein wird.
Die repressiven Maßnahmen, die auf der Tagesordnung des nächsten informellen Rates „Wirtschaft und Finanzen“ stehen, sind noch schwerwiegender. Es ist unverantwortlich, Staaten, die bereits vor Haushaltsproblemen stehen, Finanzsanktionen aufzuerlegen. Das wird der Kritik in allen Mitgliedstaaten an ihren nationalen Beiträgen zum EU-Haushalt unweigerlich neue Nahrung geben.
Gestern haben zweieinhalb Millionen Bürgerinnen und Bürger auf den Straßen Frankreichs ihren Protest gegen das Sparpaket zum Ausdruck gebracht. Anstatt die sozialen Sicherungsnetze zu bewahren und den für den Wirtschaftsaufschwung erforderlichen sozialen Frieden herzustellen, werden sie durch den Rat und die Kommission unterminiert. Beurteilen sie die Auswirkungen derartiger Entscheidungen lediglich anhand des steigenden Euroskeptizismus unter den Bürgerinnen und Bürgern?
Der europäischen Integration und den betroffenen Bürgerinnen und Bürger zuliebe muss man sich darüber bewusst werden, meine Damen und Herren, dass die Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eine wirtschaftliche Fehlentwicklung ist. Es handelt sich bei ihr außerdem um einen schwerwiegenden politischen Fehler.
Sławomir Witold Nitras (PPE). – (PL) Ich bin über den Kompromiss bei der Einführung eines Systems zur Finanzaufsicht sehr erfreut. Die europäischen Märkte benötigen diesen Mechanismus tatsächlich. Worüber ich mich persönlich besonders freue, ist die Hervorhebung der Rolle der Europäischen Zentralbank. Ich meine, dass wir unter den neuen Regelungen sicherer sind. Die Erfahrung der Europäischen Zentralbank erlaubt es uns, optimistisch in die Zukunft zu blicken, und die Einführung eines europäischen Systems von Finanzaufsichtsbehörden sollte als ein Schritt in die richtige Richtung erachtet werden. Wir haben ernsthaft mit der Koordinierung der Ausgabenpolitik begonnen und haben es dabei nicht nur auf das Eintreiben von Steuern in Europa abgesehen. Das Meldesystem wird von besonderer Bedeutung sein. Bitte denken Sie daran, dass die einzelstaatlichen Regierungen, die Entscheidungen treffen und sich dazu verpflichten, die Regeln zum Haushaltsdefizit zu beachten, nicht die einzigen Organe in ihrem Land sind, die die Befugnis haben, Geld auszugeben.
George Sabin Cutaş (S&D). – (RO) Nicht nur der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss reformiert werden, sondern das Wirtschafts- und Sozialmodell als Ganzes.
Das Wirtschafts- und Sozialmodell, das ein besonderes Merkmal der Europäischen Union ist, erweist sich derzeit als unhaltbar. Anfänglich als treibende Kraft für Wirtschaftswachstum sowie für sozialen Schutz betrachtet, konnte es letztendlich diese Erwartungen nicht erfüllen. Zehn Prozent der Europäer haben keine Arbeit, während sich einige Mitgliedstaaten noch in einer tiefen Rezession befinden.
Auf der anderen Seite gibt es Defizite bei der Kontrolle der Wirtschaftsflüsse in der EU, die durch die Wirtschaftskrise sehr deutlich zum Vorschein gekommen sind. Dies macht die makroökonomische Aufsicht der europäischen Volkswirtschaften erforderlich, insbesondere, da letztere durch den Binnenmarkt und die Einheitswährung eng miteinander verbunden sind.
Daher begrüße ich die Beschlüsse der Rates „Wirtschaft und Finanzen“ über die Festlegung einer Grundlage für eine makrofinanzielle Aufsicht in der Europäischen Union mithilfe der Einrichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken und der Aufsichtsbehörden für den Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor und, nicht zu vergessen, die Überwachung der nationalen Haushalte innerhalb des Europäischen Semesters.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Frau Präsidentin, die Entscheidungen, die der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ gestern gefällt hat, sind inakzeptabel. Während die Spekulanten sich skandalöse Gehälter genehmigen, eine wirksame Besteuerung der Finanztransaktionen schwer erreichbar bleibt und die Steueroasen blühen, hat man dort die durch die Krise gebotene Gelegenheit ergriffen, um den größten bisherigen Angriff auf die Demokratie zu starten. Man hat versucht, aus den Abgeordneten der nationalen Parlamente europäische Marionetten zu machen, um eine vorherige Prüfung der nationalen Haushalte durch die europäischen Regierungschefs zu erzwingen, als wären die klar vorbehaltliche Natur des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und seine irrationalen Kriterien nicht schon genug.
Die in den Verträgen festgelegte sogenannte „wirtschaftliche Koordinierung“ kann diese Niederschlagung der Souveränität der Mitgliedstaaten auf europäischer und nationaler Ebene in dieser schwierigen Zeit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung nicht rechtfertigen. Bei der Verteidigung der Interessen der Wirtschafts- und Finanzkonzerne ist man zu weit gegangen, und das wird ernsthafte Konsequenzen für diejenigen haben, die in der Europäischen Union in Armut leben. Darum protestieren wir hier, und wir sind überzeugt, dass sich der Kampf der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Menschen in der Europäischen Union verschärfen wird.
Liisa Jaakonsaari (S&D). – (FI) Frau Präsidentin, vielen Dank für diese Rede. Erst vor einigen Jahren gab es in Europa eine Doktrin des extremen Liberalismus, in der es hieß, dass die Politik die Märkte nur verwirre und dass die Märkte alle Entscheidungen treffen sollten.
Nun befinden wir uns in einer Situation, in der die Politik wichtig ist. Die Politik entscheidet über die Dinge, und es ist sehr wichtig, dass wir nun bei der Finanzaufsicht Fortschritte erzielt haben. Es ist sehr wichtig, dass die Verzerrungen in den Haushaltsstatistiken, die sich ereignet haben, transparent werden. Alles ist transparent, und ich denke, dass Transparenz bei der Reform ein Schlüsselwort ist.
Das, was ursprünglich Schuman gesagt hat, erweist sich als wahr: Die Europäische Union wird sich als infolge von Krisen weiterentwickeln. Die Europäische Union bezieht ihre Glaubwürdigkeit aus greifbaren Ergebnissen und nichts anderem. Jetzt sollten wir diese Maßnahmen ergreifen.
Michel Barnier, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, ich möchte jedem von Ihnen dafür danken, was Sie zu dem Ergebnis, das im Hinblick auf die Finanzaufsicht gemeinsam erzielt wurde, erklärt haben.
Ich möchte darauf zurückkommen, was Frau Ferreira vorhin gesagt hat, dass die Bürgerinnen und Bürger, die von all diesen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrisen betroffen sind, erschüttert seien, ohne dabei die Nahrungsmittel- und Umweltkrisen zu vergessen. Ich denke, dass wir großen Wert darauf legen sollten, unseren Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass wir Lehren aus der Krise ziehen, da sie die Menschen sind, die Sie wählen und wir ihnen gegenüber Rechenschaft schuldig sind. Das haben wir im Hinblick auf die Aufsicht gerade getan; wir müssen es kommunizieren und erklären, womit wir bereits begonnen haben. Hierbei denke an den Bericht von Frau McCarthy über CRD III und die Vergütungen. Ich glaube, bei all diesen Themen, die unsere Bürgerinnen und Bürger und die gewählten Vertreterinnen und Vertreter schockiert, erschüttert und betroffen haben, müssen wir, das Parlament, der Rat und die Kommission beweisen, dass wir auf EU-Ebene Antworten liefern und zwar konkrete Antworten.
Im Hinblick auf die Transaktionssteuer hat Kommissar Šemeta mit der Analyse der verschiedenen Optionen und der Folgen einer Einführung dieser Steuer auf ausschließlich regionaler Basis eine sehr wichtige und nützliche Aufgabe erfüllt. Ich finde, dass das eine sehr wichtige Aufgabe ist. Ich möchte Herrn Giegold sagen, dass der Präsident der Kommission beim G20-Gipfel in Toronto in unserem Namen ganz deutlich Position zugunsten einer gerechten und erheblichen Abgabe auf Finanzdienstleistungen bezogen hat. Diese Position werden wir im Oktober bestätigen. Sie werden also nicht sehr lange warten müssen, Herr Karas. Frau Figueiredo möchte ich sagen, dass diese Debatte fortgesetzt wird. Es geht nicht darum, dass wir alleine Recht haben. Wie müssen die Menschen Europas überzeugen und auf Ebene der 27 Mitgliedstaaten der EU liegt noch ein langer Weg vor uns, ein schrecklich langer Weg, aber das kann Herr Reynders besser erklären als ich. Dann müssen auch noch die anderen Regionen der Welt überzeugt werden.
Wie Frau Wortmann-Kool, Frau Swinburne und Frau Ford glaube ich, dass diese Steuer, wenn sie wirklich wirksam sein soll, so flächendeckend wie möglich eingeführt werden muss. Darum müssen wir die anderen Regionen der Welt überzeugen.
Wenn ich über die Welt rede, möchte ich noch etwas zur Global Governance sagen. Ich kann Herrn Skinner bestätigen, dass wir diese vergleichende Tabelle vorbereiten. Sobald diese Aufgabe für die USA und die EU abgeschlossen ist, denke ich, sollte sie außerdem auf andere Regionen der Welt, die ich gerade bereits erwähnt habe, ausgedehnt werden: China, Indien, Brasilien und auch Afrika, das einen Beitrag zu leisten hat und sehr stark betroffen ist. Darum werde ich sicherstellen, dass ich alle von Herrn Skinner angesprochenen Informationen nutzen werde. Im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik, die auch Frau Podimata und Herr Martin erwähnt haben, verfügen wir bisher noch nicht über die gleichen Methoden oder die gleichen Rechtsvorschriften, da unsere Volkswirtschaften sehr unterschiedlich sind. Herr Martin hat Volckers berühmte Strategie „too big to fail“ zitiert. Unsere Analyse in Europa lautet anders: Es muss für jede Bank, unabhängig von ihrer Größe und ihren Geschäftsfeldern, eine effiziente externe und interne Aufsicht und verantwortungsvolles Handeln geben, wobei die Vielfalt ihrer Geschäftsfelder nicht notwendigerweise beschnitten werden muss.
Im Hinblick auf die Aufsicht spielt das Parlament eindeutig eine wesentliche Rolle. Frau Goulard erwähnte die auf Ihr Drängen hin geleistete Arbeit zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit der Behörden. Herr Nitras verwies auf die Schlüsselrolle der Europäischen Zentralbank, deren Präsident der erste Vorsitzende des Ausschusses für Systemrisiken sein wird, mit der Aufgabe, sicherzustellen, dass diese Institution glaubwürdig ist. Auch Herr Karas hat erwähnt, dass wir dank Ihnen und der originellen und außergewöhnlichen Entscheidung, die Sie alle im Juli getroffen haben, die Abstimmung in erster Lesung bis zum Herbst zu verschieben, die Zeit hatten, den Rat zu überzeugen und mit ihm Fortschritte zu erzielen. Das alles habe ich nicht vergessen und ich möchte Ihnen nochmals danken.
Zum Schluss möchte ich anmerken, dass wir „mehr Europa“ brauchen, wie Frau Auconie gesagt hat. Bitte gestatten Sie mir, meine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, meine Damen und Herren, dass wir regulieren müssen. Wir müssen beaufsichtigen und Lehren aus der Krise ziehen. Wir müssen die öffentlichen Finanzen aufbessern, da die Schulden von heute die Steuern zukünftiger Generationen sind. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik. Ich schließe mit einigen Worten zu diesem Thema.
Governance reicht nicht. Wir müssen auch ein Wirtschaftsprojekt unterstützen. Das wollte Ihnen Präsident Barroso gestern sehr eindringlich sagen und das werden wir fortführen. Das ist auch der Kontext, in den Sie die Vorschläge einordnen müssen, die wir im Herbst durch die Binnenmarktakte unterbreiten werden, um das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern und das Wachstum von 1 % oder 2 % zu gewährleisten, das Europa erreichen könnte, wenn der Binnenmarkt besser funktionieren würde.
Ich schließe mit der Wirtschaftskoordinierung, die viele von Ihnen erwähnt haben. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Kommissar Rehn und Präsident Barroso Ende des Monats einige recht gute Vorschläge zur Governance unterbreiten werden. Im Hinblick auf das Europäische Semester, das Herr Portas, Herr Giegold, Herr Karas, Herr Sánchez Presedo, Herr Cutaş und Frau Auconie erwähnt haben, haben Sie eindeutig den politischen Willen, diese neue Methode der Koordinierung, der Radarschirme, der Momentaufnahme in Echtzeit, des proaktiven Vorgehens gegenüber den Regierungen unter Beachtung, Frau Präsidentin, der Vorrechte und der Souveränität der nationalen Parlamente zu unterstützen.
Ich halte das für sehr wichtig. Ich war 20 Jahre lang Abgeordneter des französischen Parlaments und Senator. Wenn ich über den Haushalt meines Landes abgestimmt habe, wäre ich sehr froh gewesen, wenn ich einen unabhängigen und objektiven Überblick über das Geschehen in anderen Ländern gehabt hätte, wie man dort – manchmal alleine und unter Verwendung anderer Methoden – dieselben gemeinsam vereinbarten Ziele und Disziplinen erreicht.
Deswegen möchte ich, dass Sie wissen, dass die Kommission, was all diese Themen der Koordinierung und der Wirtschaftspolitik anbelangt, den politischen Willen hat und die Tür von Kommissar Rehn stets offen ist.
Didier Reynders, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bedanke mich zunächst bei Ihnen und allen Rednern, die ihre Zustimmung zu der Vereinbarung über die Finanzaufsicht zum Ausdruck gebracht haben. Wie viele bereits gesagt haben, handelt es sich dabei um eine gemeinsame Anstrengung des Parlaments – insbesondere seiner Berichterstatter – der Kommission und des Rates.
Wie ich gerade gesagt habe, stehen wir am Beginn eines Prozesses, und um zu beweisen, dass diese Aufsicht wirklich einen Mehrwert darstellt und vielleicht die erste aus dieser Krise gezogene Lehre ist, müssen wir zunächst sicherstellen, dass diejenigen, die für diese Aufsicht zuständig sind, so objektiv wie möglich bestimmt werden – und ich bin der Überzeugung, dass die angenommenen Verfahren dem entsprechen – und wenn wir uns dann in Richtung einer zunehmend europäischen Aufsicht bewegen wollen, wie es viele in diesem Plenarsaal gefordert haben, müssen wir die Effektivität dieser Aufsicht in den verschiedenen Bereichen nachweisen. Allein durch den Beweis der Effektivität der Aufsicht auf europäischer Ebene werden wir in der Lage sein, voranzukommen. Ich wiederhole jedoch: Die Einführung dieser neuen Struktur ist wahrscheinlich die erste und wichtigste aus dieser Krise gezogenen Lehre. Es liegt nun an uns, sie, so gut es geht, zum Funktionieren zu bringen und, ich sage es noch einmal, den wirklich europäischen Charakter dieser neuen Aufsicht Schritt für Schritt zu stärken.
Die zweite Anmerkung, die ich machen möchte – Herr Gauzès hat vorhin darauf hingewiesen – ist, dass wir heute Nachmittag noch einmal in einem Trilog arbeiten werden; wir werden weiterhin über die Investmentfonds diskutieren. Ich glaube, dass alle aktiv werden und dem gleichen Prozess zustimmen müssen, den wir gerade erfolgreich im Bereich der Finanzaufsicht durchgeführt haben. Es stimmt, dass es im Rat noch ein paar Verzögerungen gibt, und in Ihrem Plenarsaal finden Debatten zu gewissen Aspekten der Änderung Investmentfonds betreffend statt, aber das ist ein Thema, bei dem Fortschritte erzielt werden müssen.
Ich meine, dass wir zusammen mit Kommissar Barnier wirklich einen straffen Zeitplan für das Inkrafttreten neuer Texte festlegen wollen. Im Hinblick auf Investmentfonds – wir werden versuchen, ab heute Nachmittag Fortschritte zu erzielen – müssen wir die gleiche Herangehensweise anwenden und versuchen, einen Rahmen festzulegen, der ein europäischer Rahmen ist und der die Bürgerinnen und Bürger und die Verbraucher tatsächlich im Hinblick auf bestimmte Produkte und Tätigkeiten, die in Europa entwickelt werden, schützt.
Ich möchte sagen, dass Kommissar Barnier, um abzuschätzen, wie die Arbeit im Bereich der Regulierung und Aufsicht vorankommt, bei der informellen Tagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ das Vorhaben angekündigt hat, gewissermaßen zu vergleichen, was auf beiden Seiten des Atlantiks vor sich geht. Ich möchte Ihnen bestätigen, dass ich beabsichtige, die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung aufzufordern, während dieser Tagung des informellen Rates „Wirtschaft und Finanzen“, dieses Thema anzusprechen und den Fortschritt der Arbeit zu erörtern, wozu nicht nur der Rat und die Kommission, sondern auch das Parlament gehört. Somit werden wir Ende des Monats eine Gelegenheit haben, dieses Thema auch mit dem Parlament zu erörtern. Es ist wichtig, die beschlossenen Änderungen auch diesseits des Atlantiks anzuerkennen.
Das dritte Element, das ich erörtern möchte, ist die Besteuerung von Finanztransaktionen – da ich nicht noch einmal auf die Rettungsfonds eingehen möchte; Kommissar Barnier wird, wie er angekündigt hat, in den nächsten Wochen einige konkrete Vorschläge vorlegen. Was die Besteuerung von Finanztransaktionen angeht, ist es fast 10 Jahre her, dass ich während des vorherigen belgischen Ratsvorsitzes versucht habe, dieses Thema einfach zur Debatte zu stellen. Es war uns nicht gelungen, dieses Thema zu erörtern. Bei diesem Thema herrschte unter den Belgiern so gut wie Einstimmigkeit. Es war das einzige Thema, bei dem Einstimmigkeit herrschte. Dieses Mal ist die Debatte wirklich zu Stande gekommen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass es eine Reihe dezidierter Forderungen nach Vorschlägen zu den Steuersätzen, Besteuerungsgrundlagen und der Verwendung der Einnahmen gegeben hat. Zunächst sollten wir es vielleicht zulassen, in einigen Mitgliedstaaten Ideen zu entwickeln, damit wir wirklich eine Debatte über praktische Vorkehrungen beginnen können.
Wir werden im Rahmen unserer Vorbereitung auf den G20-Gipfel das Thema nicht zurück an die G20 verweisen. Stattdessen werden wir versuchen, einige Partner – und die gibt es – zu benennen, mit denen wir auf das gleiche Ziel zusteuern können. Ich betone jedoch, dass diese Debatte aktiv verfolgt wird. Sie ist bei diesem Rat „Wirtschaft und Finanzen“ bereits entwickelt worden. Wir werden sie Ende des Monates bei der informellen Tagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ wieder aufnehmen, und ich möchte wirklich, dass wir in der Lage sind, Fortschritte zu erzielen, wozu auch die Verteilung der Mittel gehört.
Wir sollten uns nichts vormachen: Das Ziel lautet nicht, Krisen durch den Einsatz dieser Steuer zu beheben. Das Ziel lautet vielleicht, wie viele angedeutet haben, die Spekulation zu bekämpfen. Es geht auch darum, Geldmittel freizusetzen, wobei wir diese schon drei- oder vierfach einsetzen: erstens, bei der Bekämpfung des Klimawandels, zweitens, bei der Entwicklungshilfe und drittens, zum Stopfen von Haushaltslöchern. Diese Debatte wird nicht einfach sein, und ich räume ein, dass wir noch weit davon entfernt sind, bei diesem Thema zu einer Vereinbarung zu gelangen.
Zum Schluss, Frau Präsidentin, gehe ich auf die Haushaltskonsolidierung ein. Wir sollten uns nichts vormachen: Das Europäische Semester ist lediglich eine Etappe. Es wird noch weitere geben, und wir werden über Sanktionen diskutieren. Die gerade angenommene Strategie beinhaltet vielleicht zunächst eine Debatte über diese Mechanismen für die Mitgliedstaaten des Euroraums und dann eine Prüfung, wie wir sie gemäß den derzeitigen Bestimmungen der Verträge auf die Mitgliedstaaten außerhalb des Euroraums ausdehnen können.
Der Gedanke dahinter lautet natürlich bei der gesamtwirtschaftlichen Konvergenz und der Haushaltskonsolidierung voranzukommen, aber ich möchte Sie daran erinnern, dass der Pakt, der uns in Haushaltsangelegenheiten zusammenschweißt, ein Stabilitäts- und Wachstumspakt ist, und dass die in Europa geführte Debatte über Wachstum, Beschäftigung und die Sozial- und Umweltstrategien auch nicht übersehen wird.
Diese ganze Haushaltsdebatte ist nicht einfach eine Debatte über die Wiederherstellung des Gleichgewichts in unseren verschiedenen Staaten. Es geht darum, festzustellen, welcher Aspekt unseres Haushalts es uns ermöglichen wird, nicht nur auf ein Gleichgewicht, sondern auch auf Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Entwicklung sozialer Strategien und aktiver Teilnahme – und ich betone das Wort „aktiv“ – bei der Bekämpfung des Klimawandels zuzusteuern.
Wir werden versuchen, all dies zu tun. Der belgische Ratsvorsitz ist selbstverständlich bereit, bei diesen verschiedenen Themen Fortschritte zu erzielen, und wie ich gerade erklärt habe, werden wir dies nochmals heute Nachmittag im Hinblick auf die Investmentfonds versuchen.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
António Fernando Correia De Campos (S&D), schriftlich. – (PT)Der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ hat gestern zwei richtige Entscheidungen getroffen, die den Ansichten entspricht, die die Mehrheit des Parlaments schon seit Monaten vertritt. Die erste Entscheidung betraf die Aufsicht des Finanzsystems auf Makroebene unter dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) zusammen mit der Aufsicht der Banken, Versicherungsgesellschaften und Rentenfonds auf Mikroebene und der Kontrolle von Immobilienwerten. Bei der zweiten Entscheidung ging es um das „Europäische Semester“ als Koordinierungsverfahren für die europäische Wirtschaftspolitik. Neben der Ex-ante-Analyse der komparativen Haushaltsentwicklung der Mitgliedstaaten sollte das Europäische Semester nicht als ein Eindringen in die nationale Haushaltsautonomie betrachtet werden, sondern als eine Möglichkeit, um eine breitere Sicht auf die Wirtschaft zu erörtern. Dies geschieht nicht von einem finanziellen Standpunkt aus, sondern insbesondere durch die Einbeziehung der Strategie für Beschäftigung und soziale Eingliederung. Wir teilen diese weit gefasste Vision und möchten, dass sie in den nächsten Phasen der wirtschaftlichen Governance entwickelt wird.
Richard Seeber (PPE), schriftlich. – Die neuen Regeln für den Finanzbinnenmarkt sind zu begrüßen, da sie insbesondere für die Anleger Verbesserungen und verstärkte Sicherheiten bedeuten. Die Finanzmärkte sind schon seit Jahrzehnten weltweit grenzüberschreitend tätig, weswegen auch die Finanzbehörden endlich selbst über die Grenzen hinweg handeln müssen. Die Umsetzung dieser Beschlüsse verlangt jedoch von den nationalen Behörden, dass sie Teile ihrer Kompetenzen abgeben und auch faktisch an die Gemeinschaftsorgane übertragen. Für einen funktionierenden Finanzbinnenmarkt ist dies jedoch eine wesentliche Voraussetzung.
Georgios Toussas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die Aussprache über die Erklärung des Präsidenten der Kommission und des Rates zu den Entscheidungen des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ beweist, dass sich das gesamte politische Gesicht des Kapitals in der strategischen Entscheidung der Monopole widerspiegelt, um die Last der kapitalistischen Krise auf die Arbeiterklasse und die gesellschaftliche Basis zu verlagern. Der aufgesetzte Optimismus wird durch die eigenen Zahlen der Kommission, die zeigen, dass die Erholung des Kapitalismus schwach, instabil und unsicher ist, widerlegt. Darum wird der brutale gegen die Basis der Gesellschaft gerichtete Angriff durch zusätzliche Maßnahmen und Mechanismen verstärkt: die sogenannte „erweiterte wirtschaftliche Governance“, das „Europäische Semester“ für eine striktere Übereinstimmung der Mitgliedstaaten mit dem Stabilitätspakt, die schnellere und wirksamere Förderung der gegen die Basis der Gesellschaft gerichteten EU 2020-Strategie, Änderungen am EU-Haushalt und die genaue Überwachung der Haushalte der Mitgliedstaaten, um die einheitliche Anwendung der drastischen Sozialkürzungen zu gewährleisten. Bei dem Unsinn über die Einrichtung von europäischen Behörden, um angeblich Kredite zu kontrollieren und Banken und Börsengeschäfte zu besteuern, handelt es sich um Störfeuer, um die Graswurzelbewegung und den wachsenden Widerstand der gesellschaftlichen Basis zu täuschen. Die Pläne beweisen wieder einmal, dass der Krieg gegen die Arbeiterschaft, der in Griechenland durch die PASOK-Regierung und die EU und andere Parteien des Kapitals entfesselt worden ist, nicht auf Griechenland begrenzt ist; es handelt sich dabei um eine strategische Entscheidung des Kapitals mit Auswirkung für die gesamte EU.
4. Schutz der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere (Aussprache)
Die Präsidentin. – Der nächste Punkt ist die Empfehlung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung betreffend den Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates, für eine zweite Lesung betreffend den Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (06106/1/2010 – C7-0147/2010 – 2008/0211(COD)) (Berichterstatterin: Frau Jeggle) (A7-0230/2010).
Elisabeth Jeggle, Berichterstatterin. − Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach fast zwei Jahren intensiver Diskussion haben wir gemeinsam mit Rat und Kommission eine Einigung zur Richtlinie zum Schutz der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere erreicht. Ein beachtenswerter Balanceakt zwischen Tierschutz und Forschung.
Lassen Sie mich deswegen allen Beteiligten meinen herzlichen Dank für die hervorragende Zusammenarbeit aussprechen. Mein Dank gilt unserem ehemaligen Kollegen Neil Parish, der im Mai vergangen Jahres eine gute Ausgangsposition für das Parlament in erster Lesung erreichen konnte. Ich danke allen Schattenberichterstattern. Ich danke den Vertretern der Kommission und ebenso der schwedischen und der spanischen Ratspräsidentschaft. Und ich danke nicht zuletzt den Mitarbeitern der Fraktionen und des Ausschusssekretariats. Wir alle zusammen haben unser Möglichstes gegeben, diesen Kompromiss zu erreichen.
Die neue Tierversuchsrichtlinie ist gegenüber der bisher geltenden Richtlinie aus dem Jahr 1986 ein Quantensprung in Sachen Tierschutz. Unter sehr strengen Auflagen, und wenn es keine Alternativen gibt, soll medizinische Forschung an Tieren weiter möglich sein. Leitlinie der neuen Richtlinie ist die Vermeidung und Verminderung von Tierversuchen und die Verbesserung des Tierschutzes. Im Sinne der Verbesserung legt die Richtlinie umfassende Schutzbestimmungen und Kontrollkriterien fest. Mit der ethischen Verpflichtung zur Überprüfung einschließlich einer Schaden-Nutzen-Bewertung, dem Genehmigungsverfahren für die Projekte, und mit der Standardisierung und der Sicherstellung beruflicher Qualifikationen von Personen, die mit Tieren arbeiten, sind grundlegende und neue Eckpfeiler gesetzt worden.
Versuche, bei denen Tiere verwendet werden sollen, dürfen nicht ohne vorherige Genehmigung, einschließlich einer Projektbeurteilung, die ethische Erwägungen beinhaltet, durchgeführt werden. Dabei muss genau geprüft werden, ob ein bestimmter Tierversuch notwendig ist, ob er nicht durch ein alternatives Verfahren ersetzt werden kann und ob alle tierschutzrelevanten Anforderungen bezüglich des Schweregrades des Versuches beachtet sind. Ängste, Leid und Schmerzen für Tiere müssen weitestgehend vermieden werden.
Zudem ist es auf Drängen der Parlamentsdelegation gelungen, ein wirklich strenges Kontroll- und Inspektionssystem einzufordern. Die zuständige Behörde passt die Häufigkeit der Inspektionen, einschließlich unangekündigter Vorortkontrollen, dem erwarteten Risiko an. Ich bin völlig überzeugt, dass wir den schwierigen Spagat zwischen gutem Tierschutz und der Möglichkeit, auch weiterhin in Europa zu forschen, gefunden haben. Einen Spagat, der die Bedürfnisse der Forschung im Sinne der menschlichen Würde und Gesundheit berücksichtigt, der die berechtigten Interessen von kranken Menschen nicht vergisst und dabei gerade die Belange des Tierschutzes unter Berücksichtigung der Vorgabe von 1986 in einem Quantensprung verbessert.
In den Trilogverhandlungen haben wir einen Kompromiss gefunden, der am 3. Juni angenommen wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, unterstützen Sie den Kompromiss, lehnen Sie alle vorgeschlagenen Änderungen ab!
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, ich möchte zunächst mitteilen, dass Kommissar Potočnik enttäuscht darüber ist, dass er heute nicht hier sein kann. Er befindet sich derzeit in Gent, wo er an dem informellen Ministertreffen über den Standpunkt der EU zur 10. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, die kommenden Oktober in Nagoya stattfinden wird, teilnimmt.
Ich möchte dem Parlament und insbesondere den Berichterstattern, Frau Elisabeth Jeggle und dem ehemaligen Abgeordneten Neil Parish, den Schattenberichterstattern und all denjenigen danken, die gleichermaßen engagiert an der Vorbereitung dieser sehr wichtigen Richtlinie gearbeitet haben. Ich freue mich über diese hervorragende gemeinsame Arbeit des Parlaments, des Rates und der Kommission.
Die Verhandlungen zwischen den Institutionen und die Konsultationen vor und während des Mitentscheidungsverfahrens erwiesen sich als Herausforderung, da die unterschiedlichen und oft stark auseinandergehenden Ansichten und Bedürfnisse der Mitgliedstaaten, der Industrie, der akademischen Welt und der Tierschutzaktivisten weitestgehend berücksichtigt und in den Text aufgenommen werden mussten. Ich denke, dass das Ergebnis eine gerechte und geeignete Richtlinie darstellt, die ein Gleichgewicht zwischen der Förderung von Forschung und Wettbewerbsfähigkeit in Europa sowie der Gewährleistung der Beachtung des Tierschutzes erfolgreich herstellt.
Da es unabdingbar war, die Zustände für Versuchstiere erheblich zu verbessern, die gesetzlichen Verpflichtungen zu verdeutlichen und eine Chancengleichheit innerhalb der EU sicherzustellen, war die Änderung unbedingt notwendig. Sobald die neuen Rechtsvorschriften umgesetzt sind, wird die Europäische Union den Anspruch anmelden können, über die höchsten Standards für den Schutz von Versuchstieren in der Welt zu verfügen, wobei die Messlatte in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union derart angehoben wird, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Forschung und Industrie nicht gefährdet, sondern gefördert wird.
Wir ziehen es in Betracht, dass der Text, der Ihnen heute zur Abstimmung vorgelegt wird, alle Schlüsselelemente des ursprünglichen Vorschlags der Kommission beibehält. Darum denke ich, dass die ehrgeizigen Ziele der Kommission für diese Änderung erreicht worden sind, falls Ihre Abstimmung positiv ausfällt.
Herbert Dorfmann, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Tiere verdienen Schutz, ganz gleich, ob sie zu Tierversuchen eingesetzt werden oder zu landwirtschaftlichen Zwecken, als Haustiere gehalten werden oder auch in der freien Natur leben.
Aber in meinem Werteverständnis ist ein Tier ein Tier und ein Mensch ein Mensch. Und es gibt eine klare Werteordnung. Wenn wir zum Beispiel in den letzten Tagen noch diskutiert haben, dass Tierversuche jetzt scheinbar doch möglich wären, ohne die Tiere vorher zu betäuben, dann muss ich sagen, das ist wahr, man kann Tieren Blut abnehmen, ohne sie zu betäuben. Aber das passiert auch beim Menschen. Ich denke, niemand von uns ist jemals betäubt worden, wenn ihm Blut abgenommen wurde. Der Fortschritt der Medizin ist ein hohes Gut der Menschheit und dafür sind vielleicht leider auch Tierversuche notwendig. Es gibt beileibe auch heute noch viele Krankheiten, auch seltene Krankheiten, bei denen wir sehnsüchtig auf einen Fortschritt der Medizin und einen Fortschritt der Wissenschaft und der Forschung warten. Dafür werden auch weiterhin Tierversuche notwendig sein!
Ich bin dafür, dass auf Tierversuche verzichtet wird, wenn andere gleichwertige Methoden zur Verfügung stehen. Die Vorlage, die wir haben, garantiert das – mit einer Ausnahme: dass bei diesen anderen Methoden weder Menschen noch reproduktive Zellen des Menschen eingesetzt werden.
Wir haben einen guten Kompromiss gefunden, einen Kompromiss, der die Forschung und den Standort Europa schützt, einen Kompromiss, der vor allem auch Tiere schützt, und wir sollten heute diesem Kompromiss zustimmen und damit für mehr Schutz der Tiere und für eine sinnvolle Forschung in Europa sorgen!
Daciana Octavia Sârbu (S&D). – (RO) Zunächst möchte ich sowohl Frau Jeggle als auch unseren anderen Kolleginnen und Kollegen, den Schattenberichterstattern für die gute Zusammenarbeit danken, die es bei den Verhandlungen mit dem Rat zur Erzielung dieses Kompromisses gegeben hat.
Jedes Jahr werden in der Europäischen Union etwa 12 Millionen Tiere bei wissenschaftlichen Experimenten eingesetzt. Die Notwendigkeit, ihnen einen besseren Schutz zu bieten, ist schon häufig von der allgemeinen Öffentlichkeit angesprochen worden.
Wir alle würden gerne Tierversuche stoppen, wenn dies möglich wäre. Wir müssen sie jedoch weiterhin durchführen, um die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen.
Zu den neuen Bestimmungen, die diese Richtlinie ergänzen, gehört die Verpflichtung zu mehr Kontrollen als in der Vergangenheit, wobei bei vielen keine vorherige Ankündigung notwendig sein wird. Bei vielen Verfahren, insbesondere bei denjenigen mit nichtmenschlichen Primaten, wird auch eine vorherige Genehmigung verlangt.
Tatsächlich ist das Leid, dem ein Tier bei wissenschaftlichen Verfahren ausgesetzt werden kann, begrenzt worden und für den Einsatz von nichtmenschlichen Primaten ist eine Beschränkung vorgeschlagen worden. Das heißt, dass sie nun nur noch bei Verfahren eingesetzt werden können, die zur Verhütung, Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung von Krankheiten dienen, die für den Menschen lebensbedrohlich sein können.
Es freut mich, dass der endgültig verabschiedete Wortlaut die Verpflichtung beibehält, eine regelmäßige Überprüfung der Richtlinie durchzuführen und die wissenschaftlichen Fortschritte zu berücksichtigen. Ich möchte die Bedeutung der Förderung alternativer Methoden zu Tierversuchen betonen, die in diesem Richtlinienentwurf festgelegt sind.
Uns allen ist klar, dass der aktuelle Gesetzgebungsentwurf schon seit langer Zeit zu erwarten war. Ich bin der Überzeugung, dass wir nach den mit dem Rat während des schwedischen und des spanischen Ratsvorsitzes durchgeführten Verhandlungen einen ausgeglichenen gemeinsamen Standpunkt erreicht haben, der sowohl die Notwendigkeit eines Schutzes für die bei wissenschaftlichen Verfahren eingesetzten Tieren als auch die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Gemeinschaft berücksichtigt.
Marit Paulsen, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SV) Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen einen kleinen Überblick über den historischen Hintergrund geben. Zunächst möchte ich Frau Jeggle für ihre außergewöhnliche Führungsrolle bei dieser sehr schwierigen Angelegenheit danken.
Wir sind mit einer Arbeit an einer Angelegenheit betraut, bei der der Vorschlag der Kommission, kurz gesagt, fast schon als tierfreundlich bezeichnet und die erste Lesung des Parlaments gleichermaßen als äußerst industriefreundlich bezeichnet werden kann. In den vergangenen Jahren haben das Parlament, unter der Führung von Frau Jeggle und mit der Unterstützung des schwedischen und des spanischen Ratsvorsitzes, die Kommission, der Rat, unsere Fraktionen und die Ausschussmitglieder Stück für Stück, Wort für Wort die Texte, die heute eine vernünftige, ausgeglichene Richtlinie darstellen, durchgearbeitet.
Wenn wir in erster Linie die Tiere schützen wollen, dann möchte ich Sie auf die Strukturen aufmerksam machen, die wir derzeit zum Schutz der Tiere einrichten, die wir essen. In dieser Hinsicht liegt noch sehr viel Arbeit vor uns. So, wie es heute aussieht, sind diese Tiere weniger geschützt als die für Experimente eingesetzten Tiere. Schauen Sie sich die langen Transportwege in Europa zum Schlachthof an. Sehen Sie die nicht, wenn Sie auf der Autobahn unterwegs sind?
Ich hatte es schon früher mit schwierigen Berichten und schwierigen Verhandlungen zu tun, aber ich habe noch nie erlebt, dass das Parlament seine Ansichten und Entscheidungen gemäß der Haltung der jeweiligen Lobbygruppen ändert. Das hätte ich von diesem Parlament nicht erwartet.
Jill Evans, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, auch ich möchte Frau Jeggle für ihre engagierte Arbeit an diesem Bericht danken. In dem Kompromisstext gibt es, insbesondere bei den Kontrollen, bei dem neuen Genehmigungsverfahren für Experimente und bei einem geeigneten Klassifizierungssystem, erhebliche Verbesserungen, was wir begrüßen. Wir warten jedoch schon seit Jahren auf eine Aktualisierung dieses Gesetzes, und meine Fraktion hat in einigen Bereichen noch große Bedenken, weswegen wir die Änderungsanträge eingereicht haben.
Wir meinen, dass die Mitgliedstaaten das Recht behalten sollten, strengere Regeln für den Tierschutz einzuführen, auch strengere Vorschriften, als wir sie bei der ersten Lesung vereinbart haben. Wir meinen, dass Alternativen zu Tieren eingesetzt werden müssen, wann immer dies möglich ist. Der aktuelle Wortlaut begrenzt die vorgeschriebenen alternativen Anforderungen auf eine Minderheit von Tests, was die bestehenden Gesetze schwächt und, ich sage es noch einmal, nicht das ist, wofür wir bei der ersten Lesung gestimmt haben.
Bei den nichtmenschlichen Primaten glauben wir, dass ein stark eingeschränkter Gesundheitszustand ohne die Verwendung des erklärenden Begriffes „erheblich“ als ein allgemeines menschliches Leiden und nicht als eine schwerwiegende Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit, worum es eigentlich geht, ausgelegt werden kann.
Aus Erfahrung mit den Rechtsvorschriften in diesem Bereich wissen wir, dass die Umsetzung und Durchsetzung der Schlüssel zu einer wirksamen Gesetzgebung sind, wobei diese Punkte entscheidend sind. Meine Fraktion wird die Überweisung an einen Ausschuss fordern, mit dem Ziel, durch weitere Gespräche Klarheit zu schaffen.
Janusz Wojciechowski, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin, es freut mich, dass diese Richtlinie zu Stande gekommen ist. Ich möchte Frau Jeggle gratulieren, da die Arbeit, die geleistet werden musste, um diesen Kompromiss zu erreichen, sehr schwierig war. Es ist gut, dass die Europäische Union einen weiteren wichtigen Bereich im Hinblick auf die Behandlung von Tieren reguliert und dass wir Lösungen annehmen, die das Ziel verfolgen, grausame Behandlung von Tieren zu verhindern. Das vorherige System wies bei den Tierexperimenten ein hohes Maß an Grausamkeit auf. Diese kann gemindert werden und diese Richtlinie steuert auf dieses Ziel zu. Grausamkeit gegenüber Tieren schadet den Tieren und verursacht ihnen Leid, aber vor allem trifft es den Menschen. Sie ist ein Affront gegen die Würde des Menschen. Diejenigen, die gegenüber Tieren grausam sind, handeln gegen ihre eigene Menschlichkeit und ihre eigene Würde. Es ist gut, dass die heute durch das Parlament angenommene Entschließung ein Schritt in diese Richtung ist. Sie enthält eine Bestimmung, bei der ich einige Bedenken habe, aber darüber werde ich in meiner Erklärung nach der Abstimmung sprechen.
Marisa Matias, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Frau Präsidentin, Europa ist verpflichtet, den Tierschutz zu fördern, aber das, worüber hier diskutiert wird, geht über diesen Grundsatz weit hinaus und stellt uns vor einige schwierige Fragen. Kein Glaube sollte als ein absoluter Wert an sich angesehen werden. Wir befinden uns aber in einer Entscheidungsphase, die geprägt ist von Widersprüchen, welche nur durch ausgewogene Rechtsvorschriften aufgelöst werden können.
Sollte das Wohlergehen von Tieren auf einer Werteskala unter dem Wert für die menschliche Gesundheit stehen oder nicht? Wie sieht zum Beispiel die tatsächliche europäische Forschungsstrategie aus, wenn es um die menschliche Gesundheit und die Grundlagenforschung geht? Wie können wir die Abschaffung der medizinischen Forschung in Europa verhindern, was letztendlich zu ihrer Vernichtung führen könnte?
Durch die Beseitigung dieser Probleme können wir vielleicht unser europäisches Gewissen beruhigen, aber wir verlagern damit die medizinische Forschung zum Beispiel in andere Länder, wo es vielleicht keine Tierschutzkontrollen gibt. Wir müssen in der Lage sein, alternative Methoden zum Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke zu entwickeln und zu fördern, aber in diesem Bereich gibt es noch viel zu erörtern, und ich hoffe sehr, dass diese Angelegenheit genauer untersucht wird.
Giancarlo Scottà, im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist sowohl wichtig als auch erforderlich, ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit der Förderung der wissenschaftlichen Forschung als auch der Notwendigkeit des Tierschutzes herzustellen.
Der Schutz der in wissenschaftlichen Verfahren eingesetzten Tiere ist derzeit unzureichend. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse bedeuten, dass Alternativen gefördert werden können, um den Einsatz von Tieren zu ersetzen oder zu mindern. Es müssen Methoden oder Verfahren angewendet werden, die so wenig Schmerz oder Leid wie möglich verursachen, ohne jedoch die wissenschaftliche Forschung, die der Bekämpfung von Krankheiten dient, zu behindern.
Deswegen ist es richtig, die europäische Tierschutzgesetzgebung zu überprüfen, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen, die, angesichts der Notwendigkeit, wissenschaftliche Forschung durchzuführen, die der menschlichen Gesundheit dient, sowohl den Anforderungen der Forschung entsprechen, als auch gleichzeitig das Wohlergehen der Tiere berücksichtigen, die immer noch für wissenschaftliche Zwecke benötigt werden.
VORSITZ:Stavros LAMBRINIDIS Vize-Präsident
Mike Nattrass (NI) . – Herr Präsident, die Kommission hat diese Richtlinie 2008 vorgeschlagen, und es gab Bedenken, dass der wissenschaftlichen Forschung zu viel aufgebürdet werden könnte. Der Vorschlag wird bestimmte Einschränkungen ausräumen, und ich merke an, dass die Forderung nach Austausch von Daten zu Tierversuchen aufgegeben wurde.
In der EU werden jedes Jahr etwa 12 Millionen Tiere für Tierversuche eingesetzt, und dieser Vorschlag könnte ihr Leiden noch verstärken. Wir müssen den Bedarf an Tierversuchen reduzieren.
Zivilisierte Menschen werden versuchen, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Notwendigkeit, zu forschen und der Pflicht, das Leben anderer Lebewesen auf diesem Planeten zu achten. Diese Entscheidungen erfordern die Weisheit eines Salomon. Ich muss sagen, dass ich bedaure, diese Frage zu stellen: Verfügt das Europäische Parlament über solch eine Weisheit?
Martin Kastler (PPE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein wichtiger Schritt, dass wir beim Thema Tierschutz einen großen neuen Schritt gehen und Tiere im Bereich der wissenschaftlichen Forschung mehr schützen.
Wir haben jetzt viel über den Tierschutz gehört. Wir haben auch gehört, dass Europa einen wichtigen Industriestandort für Forschung und Neuerungen darstellt. Aber über einen Punkt haben wir uns zu wenig unterhalten. Und das ist ein grundlegender Wert der Europäischen Union: die human dignity, die Würde des Menschen, und die Frage, wie wir mit dieser Menschenwürde umgehen. Es kann für mich nicht sein, dass wir auf der einen Seite den Tierschutz – Gott sei Dank – erhöhen, verstärken und auf der anderen Seite Risiken eingehen in einem Bereich, der unseren Werten auch in Europa zum Teil zumindest widerspricht.
Warum sage ich das? Die Europäische Kommission hat in ihren Papieren Alternativmethoden bekanntgegeben. Darunter sind fünf Methoden, die sich mit der Erforschung und der Nutzung embryonaler Stammzellen, und damit von Menschen, auseinandersetzt. Das ist für mich unmoralisch. Das ist etwas, was ich nicht übergehen kann, wenn ich heute über diesen Kompromissvorschlag zwischen Parlament, Rat und Kommission abstimmen soll. Daher möchte ich an Sie – besonders an den Rat, die Mitgliedstaaten und die Kommission im so genannten Regelungsausschuss – appellieren, besonders sensibel vorzugehen. Denn wenn wir uns um die Menschenwürde kümmern, heißt das nicht, dass wir gegen Tierschutz sind, sondern wir möchten beides: Die Würde dieser Lebewesen, ob Tier oder Mensch, gemeinsam so zu schützen, dass es unserer Würde in Europa entspricht und dass wir gemeinsam auch dafür eintreten und kämpfen können.
Es ist ein Markenzeichen in Europa, für die Freiheit und die Würde des Menschen zu kämpfen. Daher werde ich heute an dieser Abstimmung nicht teilnehmen können, weil es für mich moralisch nicht möglich ist, das eine zu tun und das andere zu unterlassen. Nichtsdestotrotz war es ein richtiger Schritt, hierüber zu diskutieren. Diese dritte Dimension der Menschenwürde ist etwas zu kurz gekommen.
Paolo De Castro (S&D) . – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, nach anderthalb Jahren schwieriger Verhandlungen zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission sind wir schließlich zu einem Kompromisstext bei dem sensiblen Thema der Tierversuche gelangt. Es war eine schwierige Arbeit, und ich möchte unserer Berichterstatterin, Frau Jeggle, und unseren Schattenberichterstattern danken, dass sie so intensive Verhandlungen geführt haben.
Der Text wurde vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung ohne Einwände angenommen, mit nur 4 Enthaltungen, was als Vorsitzender festzustellen, mir eine Ehre ist. Dadurch wird eine Ausgewogenheit zwischen der Notwendigkeit, das Wohlergehen der in den Versuchen verwendeten Tiere zu verbessern, und der Notwendigkeit, den Fortschritt in der medizinischen Forschung zu ermöglichen, hergestellt. Der Vorschlag zielt darauf ab, die Richtlinie von 1986 zu prüfen und zu verbessern, die nunmehr hinfällig ist, und die europäischen Vorschriften zu diesem Thema aufeinander abzustimmen.
Das Thema Tierversuche ist für uns alle wie auch für die allgemeine Öffentlichkeit ein besonders sensibles Thema. Ich kann aber mit voller Überzeugung sagen, meine Damen und Herren, dass der Text, über den wir gleich abstimmen werden, vernünftig ist und dass er das Ergebnis einer seriösen, gründlichen Arbeit ist. Er ist definitiv eine Verbesserung der bestehenden Gesetzgebung, was den Tierschutz betrifft, und gleichzeitig verliert er nicht unsere moralische Verantwortung aus dem Blickwinkel, die medizinische Forschung voranzutreiben.
George Lyon (ALDE). Herr Präsident, es gibt ganz offensichtlich auf beiden Seiten zu diesem Thema starke Argumente. Der Streitpunkt ist ganz klar. Es geht darum, dass manche glauben, dass die Rechte der Tiere Vorrang haben sollten, und andere von uns glauben an das Recht der Gesellschaft, Fortschritte bei der Entwicklung von Medikamenten, Behandlungsformen und Heilverfahren für Behinderte, Kranke und Leidende zu verzeichnen. Wir müssen eine Ausgewogenheit herstellen. Ja, wir müssen Tiere schützen, aber wir müssen auch sicherstellen, dass unsere Wissenschaftler die Instrumente an die Hand bekommen, die es ihnen ermöglichen, neue Medikamente zu entwickeln, die in Zukunft bei einigen der hoffnungslosesten Krankheiten, denen wir ausgesetzt sind, Heilung versprechen.
Ich meine, dass der Text, der uns vorliegt, bei diesem Streit das richtige Gleichgewicht zwischen diesen beiden Ansichten herstellt. Ich glaube, dass der Schutz der Tiere und die Rechte der Gesellschaft angemessen berücksichtigt werden und dass der uns vorliegende Text diese Ausgewogenheit aufzeigt. Ich möchte Frau Jeggle und allen Schattenberichterstattern für ihre Arbeit meinen Respekt zollen.
Zu diesem späten Zeitpunkt des Tages würde ich die Grünen gerne bitten, zweimal über die Zusatzanträge nachzudenken, die sie einbringen. Dies wurde in der Diskussion schon behandelt. Wir haben Verhandlungen geführt. Ich denke, dass der Text in der Tat ihren Anliegen Rechnung trägt und darauf eingeht. Dieses Thema ist zu wichtig, um damit Politik zu machen, und ich möchte sie in diesem späten Stadium bitten, darüber nachzudenken, ihren Antrag zurückzuziehen, bevor wir abstimmen.
Carl Schlyter (Verts/ALE). – (SV) Herr Präsident, der Kampf für die Tiere geht mit dem Kampf für eine bessere Forschung einher. Jeder, der Tierversuche in Schutz nimmt, unterminiert die Forschung. Es gibt eine Tradition, einen falschen Glauben an die Effizienz von Tierversuchen. Immer mehr Arzneimittel induzieren spezifische menschliche Reaktionen und dafür sind Tierversuche vollkommen wertlos. Jedenfalls sind die Alternativen effizient, schneller und billiger. Die Zusatzanträge, die von der Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz eingebracht wird, zielt darauf ab, den Tieren sowie auch der Forschung zu helfen; deshalb empfehle ich, dass sie stattdessen dafür abstimmen.
Außerdem gibt es eine Gesetzeslücke, die die Verwendung von Affen ermöglicht. Wir sollten diese Gesetzeslücke mit den Zusatzanträgen, die von den Grünen gestellt wurden, schließen. Affen dürfen nur in den allerschlimmsten Fällen bei ernsten menschlichen Krankheitssymptomen eingesetzt werden – in diesem Bereich gibt es keine Gesetzeslücken.
Schließlich müssen die Länder die Möglichkeit haben, den Weg zu weisen, wenn es darum geht, Tiere zu schützen und neue Methoden zu testen. Nur dann kann Europa in den Bereichen des Tierschutzes und der medizinischen Forschung weltweit führend sein.
John Stuart Agnew (EFD) . Herr Präsident, als Landwirt wollte ich immer, dass Tiere ordentlich behandelt werden, und ich glaube, dass dies im Vereinigten Königreich der Fall ist, wenigsten bei unseren Wissenschaftlern.
Ich habe Huntingdon Life Sciences während meines Mandats besucht, und ich weiß, dass verantwortungsbewusste Menschen nur tun, was für den wissenschaftlichen Fortschritt notwendig ist. Diese Institution führt Drogentests von grundlegender Wichtigkeit durch, die in ein paar Jahren vielleicht das Leben von jemandem hier im Plenarsaal schützen können. Jeder Angestellter dieser Institution hat die Pflicht, zu melden, wenn es Anzeichen für Misshandlung von Tieren gibt.
Wir können und dürfen keine unnötigen Kontrollen auferlegen, die willkürlich bestimmte Methoden einschränken. Diese drei Zusatzanträge werden den Tierschutz nicht verbessern, wenn sie aber angenommen werden, behindern sie die Forschung. Sie sind unter anderem ein Freischein für juristische Konflikte, die nichts zum medizinischen Fortschritt beitragen, die aber die Taschen der Anwälte füllen.
Ehrlich gesagt sollte die EU eher nach dem Prinzip „Ändere kein funktionierendes System“ verfahren. In Großbritannien haben wir sinnvolle Vorschriften, einen verantwortungsbewussten Wissenschaftlerkreis – und, in meinem eigenen Wahlbezirk, dieses Machtzentrum des globalen wissenschaftlichen Fortschritts, die Universität von Cambridge – und ausgewogene Gesetze, die angemessen den Anforderungen sowohl der Wissenschaft als auch des Tierschutzes Rechnung tragen. Dieses sorgfältig austarierte Gleichgewicht muss beibehalten werden. Meine Botschaft an die EU zu diesem Thema ist geradeheraus: Lassen Sie es doch ein einziges Mal dabei bewenden.
Miroslav Mikoláik (PPE) . Herr Präsident, die Richtlinie, über die wir diskutieren, zielt darauf ab, Tierversuche einzuschränken, und die Lebensbedingungen der Tiere, die in der Forschung verwendet werden, zu verbessern.
In Europa haben wir schon jetzt die strengsten Tierschutzbestimmungen weltweit, und diese Richtlinie wird die Latte für diese Vorschriften noch höher legen. Dies ist sehr ratsam. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass Menschen und deren Entfaltung mehr bedeutet als das Wohlergehen von Tieren, und dass es einen grundlegenden Unterschied gibt zwischeni der Würde der Tiere und der Würde der Menschen.
Ich begrüße die Ausgewogenheit von strengeren Regeln zum Tierschutz und der Verwendung von Tieren, wobei die Forschung unter strikten Bedingungen erlaubt bleibt. Ich unterstütze das Prinzip der drei V": Vermeidung, Verminderung und Verbesserung, d. h. Tierversuche zu vermeiden, wann immer andere Methoden möglich sind, die Anzahl von verwendeten Tieren auf ein Minimum zu reduzieren und die Vorschriften für Züchtung, Unterbringung und Pflege zu verbessern.
Tierversuche werden nur erlaubt, soweit es keine alternative Methode gibt. Gleichzeitig ist die medizinische Forschung immer noch möglich. Dies wird eine Ausgewogenheit zwischen der ethischen Notwendigkeit von Tierversuchen und den Anforderungen einer modernen medizinischen Forschung herstellen.
An diesem Punkt möchte ich mich entschieden gegen alternative Methoden zu den Tierversuchen aussprechen; die möglicherweise Versuche einschließen, die auf der Nutzung embryonaler Stammzellen basieren. Ich mache mir Sorgen um die Mitgliedstaaten, deren nationale Gesetzgebung nicht ausdrücklich die Nutzung menschlicher Embryonen bei der Anwendung alternativer Testmethoden untersagt. Wenn diese Richtlinie in Kraft tritt, kann es sein, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, sicherzustellen, dass diese alternativen Methoden angewandt werden, unabhängig davon, ob sie auf Stammzellen von Embryonen basieren oder nicht.
Ich werde mich daher bei der endgültigen Abstimmung enthalten und die Mitgliedstaaten auffordern, andere Alternativen vorzusehen als diejenigen, die mit der Zerstörung menschlichen Lebens einhergehen.
Luis Manuel Capoulas Santos (S&D) . – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte damit beginnen, Frau Jeggle zu der exzellenten Arbeit für das Parlament und den Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in Zusammenarbeit mit der Kommission und dem Rat zu beglückwünschen. Nach anderthalb Jahren aufeinander folgender Verhandlungen unter schwedischem, spanischem und belgischem Vorsitz ist es möglich geworden, einen ausgeglichenen Kompromiss zwischen den Forderungen der Wissenschaft und dem, was wir unter diesen Umständen "das Wohlergehen der Tiere" nennen mögen, zu finden.
Die erforderliche Mehrheit für dieses Ergebnis wurde im Rahmen einer sehr emotionsgeladenen und intensiven Debatte erreicht, bei der alle Parteien Zugeständnisse gemacht haben. Es gab auch ein großes Engagement seitens der Öffentlichkeit, wie dies bei einem so sensiblen Thema zu erwarten ist. Trotzdem müssen die politischen Entscheidungsträger Entscheidungen treffen, und auch wenn wir uns nicht von der Empfänglichkeit für das Leid der Tiere frei machen dürfen, müssen wir unsere Wahl treffen und Prioritäten bei den Werten setzen. Die von Frau Jeggle heute vorgestellte Position konzentriert sich auf eine Rangfolge der Werte, die ausgewogen zu sein scheint im Hinblick auf den Nutzen für die Gesundheit des Menschen und das Leiden der Tiere. Die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten wird daher im Europäischen Parlament für den Bericht stimmen und die Zusatzanträge ablehnen.
Jorgo Chatzimarkakis (ALDE). - Herr Präsident! Zunächst einmal gilt mein Dank und mein Respekt Frau Jeggle, die wirklich schon seit Jahren an diesem Text gearbeitet hat. Aber, Frau Jeggle, eines muss ich sagen: Stolz können wir Europäer auf diesen Text nicht sein. Dafür ist er zu schwammig, dafür erlaubt er zuviel, was ein Vorreiterland – ein Vorreiterkontinent auf der ganzen Welt – für den Tierschutz eigentlich nicht erlauben dürfte.
Ich sehe Verschlechterungen vor allem im Bereich der Wiederverwendung von Versuchstieren. Das war früher schwieriger, da sehe ich jetzt Aufweichungen. Sie schütteln den Kopf, aber es ist tatsächlich so, wenn man sich das genau anschaut, dass kleine Worte, Wortnuancen das so ausmachen. Der Schweregrad der Versuche ist für mich auch etwas, wo es in manchen Mitgliedstaaten eine Verschlechterung gibt. Manche Mitgliedstaaten waren weiter: Deutschland, Großbritannien, Schweden. Wir haben eine Schmerzgrenze eingeführt und diese Schmerzgrenze wurde durch den Rat aufgeweicht. Da wurden Ausnahmen zugelassen. Außerdem wurde die Kommission geschwächt, wenn es um Inspektionen geht.
Trotzdem werde ich diesem Bericht zustimmen, Frau Jeggle, weil er gegenüber der Richtlinie von 1986, die ja mithin schon 24 Jahre alt ist, eine Verbesserung ist. Die Autorisierungen sind jetzt da. Man braucht bei drei Versuchsstufen eine vorherige Erlaubnis. Das ist gut so. Die Verfahren wurden vereinfacht. Das ist auch gut so. Und ich persönlich bin auch stolz darauf, dass wir aus der letzten Legislaturperiode das Thema der alternativen Testmethoden retten konnten. Dafür müssen wir mehr Geld in die Hand nehmen.
Spätestens in sieben Jahren muss diese Richtlinie ja überarbeitet werden. Und deswegen ist das eine ganz gute Basis, aber in sieben Jahren müssen wir uns noch verbessern, damit wir dem Anspruch gerecht werden, hier in Europa das höchste Tierschutzniveau der Welt zu haben.
Maria do Céu Patrão Neves (PPE). – (PT) Herr Präsident, der heute in diesem Plenarsaal vorgestellte Bericht kommt von unserem Mitglied, Frau Jeggle. Er hat zum Ziel, einen Prozess abzuschließen, der so langwierig wie schwierig war und nur mit harter Arbeit und einem kompetenten Dialog möglich war, und deshalb möchten wir ihr dafür danken.
Wann immer das behandelte Thema nicht nur vielzählige Interessen, sondern auch moralische Werte berührt, wirft es nicht nur solide, rationale Argumente auf, sondern zieht auch eine emotionale Reaktion nach sich. Dies hilft nicht, den Konsens zu erreichen, den wir uns hier erhoffen, um der europäischen Öffentlichkeit zu dienen und gleichzeitig den Ansichten der verschiedenen politischen Fraktionen und Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. Dies würde es uns erlauben, mittels der Vorbereitung und Darstellung gemeinsamer Standards zur europäischen Integration beizutragen. Es ist genau diese erhoffte Standardisierung der Kriterien, worum es in diesem Bericht geht und die ein höheres Niveau des Tierschutzes gewährleisten soll.
Dies bedeutet, dass es in den zwei Jahren nach der Entscheidung zur Überarbeitung der Richtlinie 86/609/EWG des Rates zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere und dem Eingeständnis der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei diesem Thema einen Versuch gegeben hat, detailliertere Regeln zu diesem Punkt zu erarbeiten, mit dem Ziel, Verfahrensunterschiede abzubauen. Dabei war es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen einem höheren Niveau des Schutzes der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere und der Notwendigkeit, die erforderlichen Bedingungen für die biomedizinische Forschung zu schaffen, zu finden, damit diese Forschungsdisziplin sich innerhalb der Europäischen Union weiterentwickeln kann. Dieses Gleichgewicht wird durch den Text, über den wir gleich abstimmen werden, erreicht.
Dies wird den unter unserem Schutz stehenden Tieren zugute kommen, und wir werden damit unserer menschlichen Verantwortung den Tieren gegenüber gerecht, ohne die Qualität und den Fortschritt der biomedizinischen Forschung infrage zu stellen, die uns allen hilft, jeden Tag.
Ulrike Rodust (S&D). - Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten dem vorliegenden Bericht zur Tierversuchsrichtlinie zustimmen. Das Parlament hat in den Verhandlungen mit der Kommission und dem Rat viel erreicht: nämlich Vermeidung, Verminderung und Verbesserung.
Sicherlich ist dies aus Tierschutzsicht nach wie vor zu wenig. Doch der Rat war zu mehr nicht bereit und hat deutlich gemacht, dass es keine neue Richtlinie geben wird, wenn wir das vorliegende Ergebnis nicht akzeptieren. Was nicht heißt, dass wir nicht auch zukünftig dieses Thema weiter vorantreiben sollten. Tierschutz und Forschung müssen hohe Priorität in unserer Politik haben. Ich wäre heilfroh, wenn es uns möglich wäre, schon heute komplett auf Tierversuche zu verzichten. Leider ist dieses Ziel noch lange nicht erreicht, und so müssen wir heute dafür Sorge tragen, dass den Tieren der größtmögliche Schutz zukommt.
Der ausgehandelte Kompromiss bietet in jedem Fall eine sehr viel bessere Grundlage hierfür. Wichtig ist es nur, darauf zu achten, dass alle Mitgliedstaaten die neuen Richtlinien konsequent umsetzen. Ich bedanke mich bei der Berichterstatterin und bei den Schattenberichterstattern recht herzlich für die gute geleistete Arbeit.
Cristiana Muscardini (PPE). – (IT) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Berichterstatterin und alle, die mit ihr zusammengearbeitet haben, haben sicher eine schwierige Aufgabe erfüllt, für die wir ihnen danken.
Ich persönlich mag nicht verhehlen, dass ich sowie auch verschiedene Mitglieder der italienischen Regierung perplex bin angesichts eines Themas, das auch nach 24 Jahren immer noch nicht ausgestanden zu sein scheint, wie wir gehofft hatten.
Einige Mitglieder haben unterstrichen, dass die Gefühlswelt von Tieren sich von derjenigen des Menschen unterscheidetunterscheidet. In der Tat würde kein Tier jemals etwas tun wie das, was im Iran geschieht, was dort schon geschehen ist und was dort noch geschehen wird. Im allgemeinen foltern Tiere nicht, steinigen sie nicht oder erzählen solche Lügen, wie sie für unsere eigene Welt der Politik so typisch sind.
Wir müssen mit Recht diese Tiere beanspruchen, damit sie uns helfen, die wissenschaftliche Forschung voranzutreiben und die menschliche Gesundheit zu verbessern, wir haben aber nicht das Recht, sie zu beanspruchen, damit sie Gegenstand unnützer sich immer wiederholender Experimente sind, die lediglich dazu dienen, die Taschen einiger so genannter Forscher zu füllen.
Wir wissen genau, dass durch In-vitro-Versuche oder Computer- Simulationen des menschlichen Metabolismus heutzutage genauere Ergebnisse als durch Tierversuche erzielt werden können, weil die Ergebnisse eines Versuchs oft nicht von einer Spezies auf die andere, entweder zwischen Tieren oder von einem Tier auf den Menschen, übertragen werden können.
Aus diesen Gründen hoffen wir, dass diese Richtlinie überarbeitet wird, damit sie den derzeitigen Entwicklungen und der Achtung der Würde der Spezies besser gerecht wird.
Elisabetta Gardini (PPE) . – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte der Berichterstatterin und den Schattenberichterstattern für das Ergebnis danken, das sie erzielt haben. Ich meine, dass wir den bestmöglichen Kompromiss zwischen den Anforderungen der Forschung und dem Schutz der Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, gefunden haben.
Leider ist die auf Tieren basierende Forschung noch immer von wesentlicher Bedeutung, da es dazu keine Alternative gibt. Simulationen am Computer und Zellkulturen sind nicht ausreichend, und es ist kein Politiker, der dies sagt, sondern es sind Forscher. Ich möchte das Haus daran erinnern, dass für einige sehr schwere Krankheiten Heilmittel eben deshalb entwickelt werden konnten, weil Versuche an lebenden Tieren durchgeführt wurden. Achtundneunzig Prozent dieser Tiere waren Nagetiere, was heißt, dass höher entwickelte Spezies nur in geringem Umfang verwendet wurden. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir heute dank dieser Versuche über Heilmittel für Leukämie, Diabetes und einige Arten von Tumoren verfügen. Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass die Forscher die ersten waren, die unnötiges Leiden vermeiden wollten, und ich meine, dass man sie nur bei der Arbeit zu beobachten braucht, um dies festzustellen.
Es stimmt, dass es immer noch Bereiche gibt, die Anlass zur Sorge bieten. Ich möchte hier einen nennen, der noch nicht genannt wurde: Artikel 49 bezieht sich nicht längert auf Ethikausschüsse, die durch die allgemeineren nationalen Ausschüsse für den Tierschutz ersetzt wurden. Das hat bei einigen von denjengen, die in diesem Bereich arbeiten, die Alarmglocken schlagen lassen, weil es schon in vielen Laboratorien Ethikausschüsse gibt oder weil einige gerade eingeführt werden. Es ist daher zu befürchten, dass die Funktion dieser Ausschüsse in gewisser Weise eingeschränkt wird und dass sie sogar durch allgemeinere Ausschüsse, die sowohl in ethischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht weniger gut darauf vorbereitet sind, ersetzt werden.
Rares-Lucian Niculescu (PPE) . – (RO) Ich möchte zunächst einmal der Berichterstatterin Jeggle für die hervorragende Arbeit danken, die sie geleistet hat. Ich möchte auch meine anderen Mitgliedskollegen unterstützen, die sich heute gegen die drei Zusatzanträge zu der allgemeinen Stellungnahme gewandt haben.
Einen perfekten Kompromiss gibt es nicht, auch wenn dieser der bestmögliche Wortlaut derzeit ist.
Der Inhalt des Entwurfs wurde erstellt, nachdem man sich mit hochrangigen Wissenschaftlern besprochen hat, die wissen, was sie benötigen, um in der Lage zu sein, ihre Forschung fortzuführen.
Jeder Zusatzantrag zu dem Kompromiss wird zur Wiederaufnahme des üblichen Verfahrens führen, das aus meiner Sicht in niemandes Interesse liegen kann. Deshalb fordere ich alle anderen Mitglieder auf, an der heutigen Abstimmung teilzunehmen, um die drei Zusatzanträge abzulehnen und es der Forschung in Europa zu ermöglichen, ihr Bestmögliches zu geben.
Anna Záborská (PPE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Ich bitte den Rat und die Kommission sicherzustellen, dass die Nutzung embryonaler und adulter Stammzellen vom Menschen verboten wird, um Tiere zu schützen.
Die derzeitige Situation ermöglicht es in der Tat, dass menschliches Embryonalgewebe verwendet wird, um Tiere während der notwendigen Versuche zu schützen. Wir haben immer über einen Kompromiss gesprochen und das Ergebnis dieses Kompromisses ist, dass wir nicht mehr wissen, was ethisch akzeptabel ist und was nicht. Allerdings gibt es einige ethische Themen, bei denen kein Kompromiss möglich ist. Wenn die Kommission und der Rat dieses Verbot nicht garantieren können, wird es faktisch klar, wie die EU Menschen behandelt.
Es tut mir Leid, aber ohne diese Zusage kann ich den Text der vorgeschlagenen Richtlinie nicht unterstützen.
Karin Kadenbach (S&D). - Herr Präsident, Herr Kommissar! Es besteht hier ganz klares Einvernehmen darüber, dass wir die beste Gesundheitsversorgung und -vorsorge für die Europäerinnen und Europäer brauchen. Dazu gehören verlässliche Medikamente mit möglichst geringen Nebenwirkungen. Dazu gehören neue, moderne Behandlungsmethoden. Das alles wird leider nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft ohne Tierversuche nicht gehen.
Daher halte ich den vorliegenden Bericht für einen recht gelungen Versuch, den Balanceakt zwischen Tierschutz und Gesundheitsvorsorge und -versorgung für die Menschen zu finden. Die drei „V“, Vermeidung, Verminderung und Verbesserung, sind die Grundvoraussetzungen dafür, dass das, – wo wir heute so oft von der Würde des Menschen gesprochen haben, wozu für mich auch der Respekt vor den Tieren gehört, auch wirklich erreicht wird.
Wir brauchen vorherige Genehmigungen, strenge Kontrollen und Inspektionssysteme. Gesetze allein werden nicht reichen. Wir werden wachsam bleiben müssen, ob das, was in den Berichten steht, auch gelebt werden wird.
Frédérique Ries (ALDE) . – (FR) Herr Präsident, ich denke, dass wir bei dieser Frage einer Meinung sind: In einer idealen Welt gäbe es keinen Bedarf an Tierversuchen. Die Realität ist aber, dass wir in einer „leidenden“ Welt leben, in einer Welt, in der kranke Männer, Frauen und Kinder auf eine Behandlung warten und damit auf die Ergebnisse dieser Forschung, die lebenswichtig und entscheidend ist. Deshalb müssen wir den exzellenten Kompromiss, der von Frau Jeggle vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und vom Rat erreicht wurde, unterstützen.
Wie festgestellt wurde, reduziert die Vereinbarung das Leiden von Tieren auf ein Minimum, sie schränkt diese Forschung, die für Millionen von Patienten in Europa und auf der ganzen Welt lebenswichtig ist, nicht ein. Wussten Sie, dass 70 % der Nobelpreise für Medizin für Arbeiten vergeben wurden, die auf Tierversuchen basieren?
Dieser Text fordert uns nicht auf, zwischen Mäusen und Menschen zu unterscheiden; diese Richtlinie schützt sowohl die Patienten als auch die Tiere. Diese Richtlinie schützt unsere Zukunft.
Martin Häusling (Verts/ALE). - Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Diese Regelung ist besser als die, die wir früher hatten. Da sind wir uns einig. Aber, Frau Jeggle, zu sagen, es gebe keine Alternative zu dem Kompromiss, finde ich sehr gewagt. Meiner Meinung nach wäre mehr drin gewesen.
Es gab natürlich – das muss man zugeben – einen starken Druck der Forschungslobby. Das haben wir alle gesehen. Aber wird das primäre Ziel erreicht – weniger Tierversuche? Da muss man ein großes Fragezeichen dran machen. Was uns natürlich auch stört, ist, dass der Einsatz nichtmenschlicher Primaten eigentlich im Kern nicht reduziert wird.
Aber uns als Grüne stört am meisten – und da sehen wir auch einen groben Verstoß gegen europäische Grundsätze –, dass es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt wird, strengere Vorschriften vorzusehen, als in der bestehenden Gesetzgebung festgelegt sind. Das kann so nicht bleiben! Da sollten wir uns ernsthaft Gedanken machen. Das ist ja auch der erste Punkt der grünen Anträge. Deshalb werden wir diese Anträge nicht zurückziehen. Wir fordern, dass diese Vorlage noch einmal in den Ausschuss geht.
João Ferreira (GUE/NGL ). – (PT) Herr Präsident, die Entwicklung von Technologien und Methoden, die uns der Notwendigkeit von Tierversuchen entheben und die das den Tieren aufgezwungene Leiden in Fällen, in denen diese notwendig sind, auf ein Minimum reduzieren, sollten bei der wissenschaftlichen Forschung und der Versuchs- und technologischen Entwicklung, die stimuliert werden muss, ein wichtiges Ziel sein. Abgesehen von dieser Entwicklung sollte die Notwendigkeit, diese Techniken und Methoden zu verbreiten, zusammen mit ihrer Aufnahme durch die Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und nationalen wissenschaftlichen und technologischen Systemen verschiedenster Entwicklungsstufen in Betracht gezogen werden.
Die Europäische Union muss in diesem Feld eine wichtige Rolle spielen, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen und technologischen Instituten und Systemen in den einzelnen Ländern, einschließlich der Drittländer, fördert. Wir glauben – in diesem Bereich wie natürlich auch in anderen –, dass die Aufnahme eines gemeinsamen Mindestschutzniveaus in die Gesetzgebung einen Mitgliedsstaat nicht daran hindern sollte, höhere Schutzniveaus einzuführen, wenn er dies zu tun beabsichtigt.
Anna Rosbach (EFD). – (DA) Herr Präsident, die Verbesserung der Richtlinie zum Schutz der Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, ist etwas, das ich nur unterstützen kann. Es ist allerdings etwas paradox, da ich eigentlich gegen Tierversuche bin. Es gibt alternative Tests und glücklicherweise ist dieser Bereich Bestandteil der Revision der Richtlinie. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich hoffe, dass die Entwicklung alternativer Testmethoden stärker vorangetrieben wird. Die EU muss allerdings gerade hier und jetzt humane und sichere Regelungen für Versuchtiere einführen. Endlich wird anerkannt, dass Tiere fühlende Wesen sind, und daher werden wir nun Schmerzgrenzen einführen. Weshalb aber führen wir nicht einen Paragraphen ein, der die Verwendung von immer denselben Tieren verbietet? Weshalb verbieten wir nicht die Verwendung von Affen in der Hirnforschung? Es macht mich wütend, dass wir den Interessen von Instituten so sehr viel mehr Rechnung tragen als dem Tierschutz. Ich finde es auch frustrierend, dass wir nur in der Lage sind, in diesem Haus Gesetze für die EU zu erlassen, weil wir uns fragen müssen, wie Tierversuche außerhalb der EU durchgeführt werden.
Laima Liucija Andrikienė (PPE). – Herr Präsident, ich begrüße die Initiative der Kommission. Ich denke, dass es ein wichtiger Erfolg ist, dass wir es geschafft haben, uns über die Harmonisierung der Praxis im Bereich der Tierversuche in der EU zu einigen.
Diese Richtlinie ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass Versuche an lebenden Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken so schnell, wie dies wissenschaftlich möglich ist, ersetzt werden. Diese Richtlinie wird die Mitgliedstaaten zum ersten Mal dazu verpflichten, die Förderung alternativer Testmethoden voranzutreiben. Ich dränge sehr darauf, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die entsprechenden Gelder für die Ausbildung, die Forschung, die Entwicklung und die Umsetzung von wissenschaftlich befriedigenden Methoden oder Versuchsstrategien, die keiner Tierversuche bedürfen, bereitgestellt werden.
Paul Rübig (PPE). - Herr Präsident! Als Mitglied des Industrie- und Forschungsausschusses begrüße ich natürlich diese Regelung und die Einigung, die hier erzielt wurde. Ich weiß, dass es immer schwierig ist, einen Kompromiss zu erarbeiten, aber wir brauchen bei Tier-, aber auch bei Menschenversuchen angemessene ethische Standards. Und das können nur die höchsten Standards sein, die zur Verfügung stehen
Natürlich geht es auch darum, Alternativen zu entwickeln. Gerade die alternativen Testmethoden sollten im 8. Rahmenforschungsprogramm entsprechend intensiv behandelt werden. Darüber hinaus brauchen wir natürlich auch vereinfachte Verfahren, die ja hier festgelegt werden. Eine Evaluierung nach sieben Jahren kann auch für die Industrie einen ganz erheblichen Vorteil bringen, weil die Verfahrenssicherheit und die klare einheitliche europäische Regelung entsprechende Rechtssicherheit auch für die Industrie bringt.
Elisabeth Köstinger (PPE). - Herr Präsident! Ich möchte klar festhalten, dass Europa die höchsten Tierschutzstandards weltweit hat. Dieser Bericht ist ein weiterer richtiger Schritt in Richtung Tierschutz. Gemeinsames Ziel ist es, Tierversuche zu begrenzen und die Bedingungen für zu Forschungszwecken verwendete Tiere zu verbessern. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Tierversuche möglichst durch andere Methoden ersetzt und die Standards für Zucht, Unterbringung und Pflege verbessert werden. Dennoch will ich auf die Erfahrungen aus dem landwirtschaftlichen Sektor zurückgreifen und einige Punkte kritisch anmerken.
Auch im Forschungsbereich darf man nicht davon ausgehen, dass durch mehr Bürokratie der Schutz der Tiere verbessert werden kann. Die Forschung und deren nachgelagerte Wirtschaftsbereiche in Europa dürfen international und gegenüber anderen Sektoren keine Nachteile erfahren. Hier und in der Landwirtschaft gilt: Wenn die Gesellschaft hohe Tierschutzstandards fordert, sollte bedacht werden, unter welchen Standards Produkte importiert werden. Die hohen europäischen Qualitäts- und Tierschutzstandards müssen auch im Sinne eines fairen Wettbewerbs angemessen anerkannt werden. Die Berichterstatterin, Elisabeth Jeggle, hat bei diesem hochsensiblen Bericht hervorragende Arbeit geleistet und verdient unsere Zustimmung
John Dalli, Mitglied der Kommission - Herr Präsident, ich möchte Ihnen zunächst einmal meinen Dank für Ihre Kommentare und die allgemeine Unterstützung für die in dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen aussprechen.
Wir haben eine ehrgeizige Richtlinie vorliegen, die, wenn sie angenommen wird, den Tierschutz in der EU erheblich verbessern wird. Ich stimme mit Frau Sârbu überein, dass eine vollständige und getreue Umsetzung der Schlüssel für die Richtlinie sein wird, um ihr Potenzial auszuschöpfen. Wir stehen am Anfang dieser Herausforderung. Heute können wir uns damit zufrieden geben, dass ein guter Kompromiss in einer schwierigen, aber wichtigen Frage gefunden und ein großer Fortschritt zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren, die für wissenschaftliche Verfahren benötigt werden, erzielt wurde.
Ich möchte nun auf einige der Kommentare von heute Morgen antworten.Was die Kommentare von Frau Evans betrifft, so muss man sich vor Augen führen, dass diese Richtlinie weitere rechtliche Klarheit im Hinblick auf die derzeitige Situation schafft. Außerdem ist in den Bereichen Grundlagen- und angewandte Forschung, für die keine EU-Methoden vorgeschrieben sind, Artikel 4 ganz klar richtungsweisend, da er den Einsatz alternativer Methoden fordert, wann immer dies möglich ist. Die Verpflichtung zur Anwendung alternativer Methoden ist daher nicht geschwächt worden, sie wurde im Gegenteil gestärkt.
Was die Kommentare von Herrn Kastler und Herrn Mikolásik zu den menschlichen Embryonalstammzellen betrifft, so wurde dieser Punkt in der Debatte nicht außer Acht gelassen. Er wurde während der Verhandlungen ausführlich erörtert, und die gefundenen Lösungen spiegeln die Tatsache wider, dass es innerhalb der EU keinen Konsens darüber gibt, ob menschliche Embryonalstammzellen genutzt werden sollen oder nicht. Daher ist die Kommission der Auffassung, dass diese Frage am besten auf nationaler Ebene zu regeln sei.
Der vereinbarte Text behandelt diese Bedenken, indem die Entscheidung darüber, ob diese Nutzung erlaubt sein soll, jedem einzelnen Mitgliedsstaat überlassen wird. Es ist hinzuzufügen, dass in Mitgliedstaaten, in denen es keine Gesetzgebung gibt, die die Verwendung embryonaler Stammzellen ausdrücklich verbietet, der Einsatz solcher Testmethoden nur nach der überarbeiteten Richtlinie Pflicht sein kann, sofern diese Testmethode eine EU-Regelung darstellt. Es gibt auf EU-Ebene keinerlei Rechtsvorschrift dieser Art, und eine solche Regelung würde eine Zustimmung derMitgliedstaaten zu einer Annahme derselben erfordern.
Was die ethische Bewertung betrifft, die Frau Gardini erwähnt hat, so bleibt das Konzept einer ethischen Bewertung und der dafür zuständige Ausschuss weiterhin Gegenstand von Artikel 38. Allerdings musste das Wort „ethisch“ während der Erörterungen des Rates aus dem Text gelöscht werden. Die Anforderungen bleiben vollständig erhalten.
Ich hoffe, dass Sie durch ihre Stimme ein starkes Signal setzen, dass das Europäische Parlament hinter dem Ergebnis steht, dass von den Institutionen unter der kompetenten Führung von Frau Jeggle und der schwedischen Ratspräsidentschaft ausgehandelt wurde. Heute haben wir die Chance, die EU in die vorderste Reihe zu stellen, indem wir ein hohes Tierschutzniveau mit einer qualitativ hoch stehenden Wissenschaft verbinden, getreu unserem Slogan: „Die EU – sie sorgt sich um Tiere, für eine bessere Wissenschaft“.
Elisabeth Jeggle, Berichterstatterin. − Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kommissar, ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihre Ausführungen, mit denen Sie jetzt noch einige Klarstellungen gemacht haben, die ich nicht zu wiederholen brauche. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen für ihre Kommentare. Wirklich!
Man sieht, es ist ein hochsensibles Thema und es ist ein Thema mit ganz unterschiedlichen Interessen, die es hier zusammenzubringen gegolten hat. Ich bitte alle, dem, was wir jetzt haben, was zugegebenermaßen ein Balanceakt ist, zuzustimmen.
Und Herr Häusling, wenn wir den Bericht jetzt zurückweisen, dann wird die Richtlinie von 1986 wieder eine ganze Zeit lang gelten, dann ist den Tieren nicht geholfen! Schnell werden wir etwas Neues nicht erreichen. Ihre Änderungsanträge, die Sie wieder stellen, wurden im Agrarausschuss schon klar abgelehnt. Es gab keinerlei Zustimmung zu Ihren Änderungsanträgen. Sie haben sie jetzt noch einmal eingebracht, das ist Ihr gutes Recht, und ich respektiere das.
Was nützt ein höchster Standard im Tierschutz in der Europäischen Union, wenn wir ihn weltweit nicht erreichen können? Wichtig ist jetzt, dass wir alle darauf achten, wie das, was wir hoffentlich nachher beschließen, in den Mitgliedstaaten in den nächsten Jahren umgesetzt wird. Das ist eine Herausforderung! Wir müssen zuerst darauf achten, dass wir bei diesem Thema in den Mitgliedstaaten auf einen gleich hohen Standard kommen. Das ist unsere erste Aufgabe! Wir sollten nicht jetzt schon fordern, Einzelne müssen auch höher gehen.
Da, wo es höhere Standards gibt – und hier rede ich jetzt als Deutsche von Deutschland –, da bleiben diese Standards erhalten. Da fordern wir nicht: Geht zurück! Ganz im Gegenteil. Die Souveränität der Mitgliedstaaten wird hier respektiert, ebenso wie sie in Sachen embryonale Stammzellenforschung respektiert wird. Das ist richtig und wichtig!
Wenn Sie nun also wirklich mehr Tierschutz wollen, dann bitte ich Sie alle nachher um Ihre Zustimmung zum Bericht und um die Ablehnung der Änderungsanträge.
Der Präsident – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, den 8. September 2010 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Pavel Poc (S&D) , schriftlich. - (CS) Ich begrüße und unterstütze die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, die von der Berichterstatterin Frau Jeggle erarbeitet wurde, da der erzielte Kompromiss einen Fortschritt im Vergleich zur derzeitigen Situation darstellt. Gleichzeitig bin ich aber auch unglücklich darüber, dass es nicht möglich war, alle wirbellosen Tiere in die Richtlinie in ihrer endgültigen Fassung aufzunehmen. Das Europäische Parlament hatte gefordert, dass die Richtlinie zumindest auch die Spezies von wirbellosen Tieren aufnehmen sollte, bei denen wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass sie potenziell Qualen erleiden und Schmerzen, Angst und verbleibende Schäden haben können. Der Entwurf sagt nichts zu dieser Forderung. Auch wenn ich die Notwendigkeit einräume, Tiere in der wissenschaftlichen Forschung zu verwenden, so bin ich doch der festen Überzeugung, dass maneinen Schritt hätte weitergehen und alle Kreaturen ohne Ausnahme in die Richtlinie aufnehmen sollen. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass die Anzahl von Kreaturen, bei denen die offiziellen wissenschaftlichen Einrichtungen die Fähigkeit, Schmerz und Angst zu empfinden, bestätigt und verbleibende Schäden festgestellt haben, immer mehr zunimmt. Wir können daher ableiten, dass die Fähigkeit, Angst und Schmerz zu empfinden, im gesamten Tierreich verbreitet ist. Diese Tatsache zuzugeben ist mehr eine Frage der Moral als der Wissenschaft. Leider haben wir in dem angenommenen Kompromiss gezeigt, dass die europäische Kultur sich noch von dem kartesischen Ansatz des Tiers als einem Ding lösen muss und dass wir, was dies betrifft, immer noch einen langen Weg zurückzulegen haben.
Konrad Szymanski (ECR) , schriftlich. – (PL) Was das Verfahren für die zweite Lesung betrifft, so waren die Mitglieder nicht in der Lage, sich zur endgültigen Fassung der Richtlinie zum Schutz von Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden (Jeggle-Bericht) zu äußern. Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen, mich entschieden gegen die Möglichkeit der Nutzung von embryonalen Stammzellen als Alternative zu Versuchen an Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken aussprechen, die die Richtlinie einräumt. Dies ist das Ergebnis einer irregeleiteten Anthropologie, die die Möglichkeit, menschliches Leben in der frühesten Phase seiner Entwicklung zu zerstören, um den Tierschutz zu verbessern, einräumt. Die vom Europäischen Parlament in der ersten Lesung vorgeschlagenen Garantien waren in diesem Punkt expliziter. Die zweideutigen Bestimmungen der Richtlinie sind eine tatsächliche Bedrohung des bestehenden Rechts in Ländern wie etwa Deutschland, wo Embryonen einen gewissen Schutz genießen. Die Tatsache, dass diese Forschungsmethoden nicht verboten wurden, bedeutet in Ländern wie Polen, Irland und Malta offensichtlich die Durchsetzung ihrer Rechtmäßigkeit.
5. Laufende Verhandlungen über das Abkommen gegen Fälschung und Piraterie (ACTA) (Aussprache)
Der Präsident . – Der nächste Tagesordnungspunkt ist die Erklärung der Kommission zu den laufenden Verhandlungen über das Übereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie –(ACTA).
Liebe Kollegen, ich bitte für eine Minute um Ihre Aufmerksamkeit. Die Tagesordnung, so wie sie angenommen wurde, sieht kein System des Augenkontakts („Catch-the-eye“-Verfahren) bei dieser Aussprache vor. Trotzdem schlage ich vor, außer im Falle von Einwänden, dass ich, falls die Sprecher auf der Liste ihre Zeiten einhalten und am Ende noch etwas Zeit zur Verfügung steht, ein kurzes „Catch-the-eye“-Verfahren einleite. Gibt es dagegen irgendwelche Einwände? Sehr gut.
Karel De Gucht , Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich danke Ihnen, dass Sie mir einmal mehr die Gelegenheit geben, mit Ihnendas Thema der ACTA-Verhandlungen zu erörtern.
Lassen Sie mich zu diesem Thema den Kontext dieser Verhandlungen noch einmal darlegen. ACTA ist ein Abkommen, das wichtig sein wird, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU und die Arbeitsplätze auf dem Weltmarkt zu sichern.
In der Tat müssen wir uns, wenn wir eine wettbewerbsfähige Wirtschaft bleiben wollen, auf Innovation, Kreativität und die Exklusivität der Marken stützen. Diese sind einige unserer wichtigsten Vorteile im Vergleich zu anderen auf dem Weltmarkt Deshalb brauchen wir die Instrumente, um sicherzustellen, dass sie auf unseren wichtigsten Exportmärkten angemessen geschützt werden.
Und dies sind Themen, die für die EU-Bürger von Belang sind: nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Verbraucherschutz, Sicherheit und Gesundheit.
Was wir beabsichtigen, ist, einen internationalen Standard bei der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums einzuführen, der sinnvoll, ausgewogen und effizient ist, und damit über die derzeitigen Regeln der WTO zu den Rechten des geistigen Eigentums, dem TRIPS-Übereinkommen (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums), hinausgehen. Dies ist das letztendliche Ziel, bei dem ich mir sicher bin, dass wir darin alle übereinstimmen.
Im vergangenen März kam ich hierher, um die wichtigsten Grundsätze darzulegen, auf denen die Beteiligung der Kommission bei diesen Verhandlungen basiert, und ich habe mich verpflichtet, die Transparenz in diesen Verhandlungen dem Parlament gegenüber herzustellen. Wie Sie den Texten der Entwürfe entnehmen können, die sich aus den seit März geführten Verhandlungen ergeben haben, hat die Kommission Wort gehalten und ist diesen Grundsätzen durchgängig nachgekommen. Lassen Sie mich diese Grundsätze noch einmal darlegen:
Erstens ist es das Ziel von ACTA, eine weit gefächerte Anzahl von Verletzungen von Rechtes des geistigen Eigentumsabzudecken, die beträchtliche wirtschaftliche Auswirkungen haben, und es geht nicht darum, den Inhalt von Laptops von Reisenden oder von Computern zu prüfen. Es wird nicht zu einer Einschränkung der Freiheitsrechte oder schikanösen Maßnahmen für die Verbraucher führen. Falls Sie daran Zweifel hegen, würde ich mich freuen, Ihre Argumente anzuhören.
Zweitens geht es bei ACTA lediglich um die Stärkung schon bestehender Rechte des geistigen Eigentums. Es wird keine Bestimmungen enthalten, durch die das materielle Recht des geistigen Eigentums abgeändert wird. Es sollten Mindestvorschriften dazu erlassen werden, wie Innovatoren ihre Rechte vor Gericht, an der Grenze oder im Internet durchsetzen können. Beispielsweise wird ACTA sicherstellen, dass europäische Modedesigner, Künstler oder Automobilhersteller ihre Rechte ausreichend geschützt wissen, wenn sie sich mit der Fälschung ihrer Kreationen außerhalb Europas konfrontiert sehen.
Drittens muss ACTA weiterhin im Einklang stehen mit dem Besitzstand der Union, dem derzeitigen Harmonisierungsniveau betreffend die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, dem Regulierungsrahmen für die Telekommunikation und nicht zuletzt mit den einschlägigen EU-Regelungen zum Datenschutz und zur Privatsphäre. ACTA wird keinerlei EU-Gesetzgebung durch die Hintertür ändern. Also was, werden Sie mich fragen, wird es verbessern? Die Antwort ist, dass unsere Gesetzgebung eine der wirksamsten ist und dass sie, wenn andere Länder sie übernehmen, unseren Innovatoren helfen wird.
Viertens werden wir sicherstellen, dass ACTA nicht den Zugang zu Generika einschränkt. Es gibt jetzt eine klare Aussage im Text des Entwurfs, wonach ACTA nicht als Grundlage dazu dienen wird, den Handel mit Generika zu behindern
Weiter wird ACTA der Erklärung zu TRIPS und zur öffentlichen Gesundheit von 2001 angepasst, während die Verpflichtung zu Grenzkontrollen, die das größte Problem hinsichtlich des Zugangs zu Medikamenten darstellen, nicht auf Patente Anwendung finden wird.
Was die Transparenz betrifft, so halten wir Wort und werden das Europaparlament in Sondersitzungen nach jeder Verhandlungsrunde informieren, und wir werden weiterhin so verfahren. Und gemäß unserer Zusagen innerhalb des Rahmenübereinkommens haben wir selbstverständlich die Entwurfstexte dem Europäischen Parlament übermittelt.
Ich nehme auch die Gelegenheit wahr, kurz über die Ergebnisse der 10. Verhandlungsrunde zu ACTA, die in Washington zwischen dem 16. und dem 20. August 2010 stattgefunden hat, zu berichten.
Bei den Kapiteln zum Zivilrecht, zum Zoll und zum Strafrecht haben die Parteien einige Fortschritte erzielt, es gab aber bei den Parteien noch nicht genug Flexibilität, um einige der schwierigeren Themen zu behandeln. Auch wurden umfangreiche Arbeiten zu den allgemeinen und horizontalen Kapiteln (Präambel, allgemeine Bestimmungen, Definitionen, Strafverfolgungsmaßnahmen, internationale Zusammenarbeit und institutionelle Bestimmungen) durchgeführt, die beinahe abgeschlossen sind.
Bedauerlicherweise wurde es in den letzten zwei Runden aber immer klarer, dass ein Konsens bei allen derzeitigen Parteien von ACTA nur auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners erreicht werden kann, angesichts der Vielzahl von Standpunkten und Praktiken der verschiedenen ACTA-Teilnehmer in diesem Bereich. Dies geht zulasten des ehrgeizigen Ziels und der Effektivität des Übereinkommens.
Beim digitalen Umfeld (Internet), das eines der sensibelsten, aber auch „innovativsten“ Kapitel von ACTA ist, gab es einen beträchtlichen Rückschritt in der letzten Runde, da die Parteien nicht in der Lage waren, sich über eine allgemeine Regelung zum Haftungsausschluss für Internet-Diensteanbieter zu einigen.
Dies ist auch der Fall bei dem sehr wichtigen Kapitel zu Zollmaßnahmen, bei denen mehrere Parteien sich dagegen wehren, Kontrollen beim Export und beim Transit von Waren, die Rechte des geistigen Eigentums verletzen, durchzuführen, wodurch sie es unterlassen, auf den weit verbreiteten internationalen Handel mit Fälschungen zu reagieren.
Ein anderer Bereich, in dem die Diskussionen im Hinblick auf die Interessen der EU enttäuschend verliefen, betrifft die Frage, welche Rechte des geistigen Eigentums unter das Übereinkommen fallen sollen. Die EU verfügt über eine breite und weit gefächerte Basis von Rechteinhabern Ein Landwirt, der Produkte mit einer geografischen Ursprungsbezeichnung herstellt, oder eine Textilfirma, die Muster entwirft, sind auch Opfer von Fälschungen und müssen auch durch bessere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt werden. Das Problem ist, dass mehrere unserer Partner darauf bestanden haben, dass nur Urheberrecht und Marken in ACTA aufgenommen werden. Wir sind damit überhaupt nicht einverstanden und werden weiterhin darauf drängen, dass diese offensiven EU-Interessen respektiert werden.
Die nächste Runde wird Ende des Monats (vom 23. September bis zum 1. Oktober 2010) in Tokio stattfinden Es scheint, dass wir uns dem Ende der Verhandlungen nähern, und die Parteien sind engagiert, die verbleibenden grundlegenden Themen in der Runde in Tokio zu lösen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es notwendig ist, den systematischen und weit verbreiteten Missbrauch von europäischem geistigen Eigentum weltweit zu bekämpfen, und dass ACTA einen wichtigen Beitrag leisten kann, um dieses Ziel zu erreichen. Deshalb setze ich mich weiter für den Erfolg dieser Verhandlungen ein.
Falls sich die EU allerdings am Ende des Prozesses mit einem Abkommen konfrontiert sieht, dass nicht viel konkrete Verbesserungen für unsere Rechteinhaber mit sich bringt, oder mit einem Abkommen, das versucht, festzuschreiben, dass es eine 1. und eine 2. Kategorie von Rechtes des geistigen Eigentums gibt, sollten wir bereit sein, unsere Beteiligung an diesen Verhandlungen zu dem Abkommen zu überdenken.
Daniel Caspary, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! 178 Millionen Artikel wurden 2008 an den EU-Zöllen beschlagnahmt. 20 Millionen davon waren gefährlich. 54 % der gefälschten Waren kommen aus China, bei Medikamenten ist Indien das schwarze Schaf.
Durch Fälschungen entsteht ein großer Schaden für die europäische Wirtschaft, aber auch Käufer sind von Fälschungen schwer betroffen. Ich denke beispielsweise an Medikamente. Es wäre ein Horror für mich und viele Eltern, wenn man Kindern mit Fieber ein Medikament gibt, und am Ende ist das Kind tot, weil wir nicht in der Lage sind, gegen gefälschte Produkte und Medikamente gut vorzugehen. Wir müssen diese Probleme also lösen.
Für die Europäische Union ist Produktpiraterie ein zentrales Thema. Wir müssen unsere Industrie und Verbraucher auf globaler Ebene vor gesundheitsgefährdenden Produkten schützen und wirtschaftliche Einbußen für unsere Unternehmen verhindern. Ich begrüße daher die Verhandlungen zu einem Anti Counterfeiting Trade Agreement als großen Schritt in die richtige Richtung im Kampf gegen Produktpiraterie. Wir wissen, dieses Abkommen ist nicht die alleinige Lösung gegen Produktpiraterie, aber immerhin haben wir das erste internationale Abkommen auf dem Tisch, in dem einige Staaten den Kampf gegen Produktpiraterie antreten, und ich wünsche mir, dass möglichst viele weitere Staaten endlich mitmachen.
Unsere Fraktion begrüßt die gute Kooperation zwischen der Kommission und dem Parlament seit unserer Entschließung im Frühjahr, und wir bedauern, dass es zu dieser Entschließung des Parlaments kommen musste. Aber dank regelmäßiger Berichterstattung der Kommission konnten wir uns in den vergangenen Monaten ein Bild von den Verhandlungen machen. Ich gratuliere den Verhandlungsführern zu ihren letzten Errungenschaften. Denn selbst sämtlichen ACTA-Kritikern fällt es inzwischen zunehmend schwer, negative Punkte im Abkommen zu finden. Die Frage der Grenzkontrollmaßnahmen bei Patentverletzungen, und damit die Sorge um den Verkehr von generischen Medikamenten, ist vom Tisch. Three strikes und die Durchsuchung von Privatgepäck ist vom Tisch. Die verpflichtende Haftung von Internet-Anbietern ist vom Tisch, der acquis communautaire scheint eingehalten zu werden. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg.
Ich möchte aber die Kommission auffordern, stark zu bleiben, um die Interessen der Europäischen Union zu vertreten. So unterstütze ich den Vorstoß, Patentrechte und geografische Herkunftsbezeichnungen und auch Patentverletzungen in den zivilrechtlichen Teil des Abkommens miteinzubeziehen. Ich bin der festen Meinung, dass unser Parmaschinken, der Tiroler Almkäse und der Champagner genauso geschützt werden müssen, wie eine Coca-Cola oder Kellog's Corn Flakes. Ich fordere deswegen auch die USA auf, ihre Blockadehaltung gegen die Veröffentlichung der Texte aufzugeben. Die Veröffentlichung nach der Neuseeland-Runde hat doch gezeigt, wie sehr Transparenz von Vorteil ist und wie auch viel Kritik zu dem Abkommen verstummte.
Ich möchte die Kommission auffordern, sich auch weiter für die Veröffentlichung des Verhandlungstexts, spätestens vor der Unterzeichnung des Abkommens, einzusetzen. Ich wünsche der Kommission viel Erfolg für die nächste Runde in Japan und hoffe weiter auf zeitgerechte und ausführliche Berichterstattung im Anschluss an die Verhandlungen. Nach Abschluss der Verhandlungen wird unsere Fraktion in Ruhe und Besonnenheit auf der Grundlage der dann fertigen Texte die Ergebnisse prüfen und dann ihre Position im Hinblick auf die Ratifizierung festlegen. Ich wünsche weiter viel Erfolg.
Kader Arif , im Namen der S&D-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Kommissar, Sie haben gerade einige beruhigende Dinge gesagt, ich glaube aber immer noch nicht, dass die Sorgen, die viele Mitglieder hinsichtlich des Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) teilen, vollkommen zerstreut wurden.
Im vergangenen März habe ich eine Entschließung vorgeschlagen, die von einer großen Mehrheit in diesem Plenarsaal angenommen wurde und durch die der Verhandlungstext veröffentlicht wurde. Während der Aussprache haben wir gefordert, dass der gemeinschaftliche Besitzstand – auf den Sie sich bezogen haben –, die Sicherheit und die Versorgung mit Generika garantiert und die Grundfreiheiten unserer Mitbürger respektiert werden. Wir haben uns auch auf die geografischen Angaben bezogen, und das haben wir getan, um Ihnen unsere Prioritäten zu nennen, die ich Ihnen gegenüber immer wieder wiederhole, damit der Standpunkt, den Sie in ein paar Wochen in Japan verteidigen werden, auf der parlamentarischen Debatte basiert, die wir initiiert haben.
Gestern haben viele Sprecher während der Aussprache zum Zustand der Union zu Recht unterstrichen, dass wir als Mitglieder des Parlaments die Sprecher unserer Mitbürger sind und dass die Kommission ohne diese Verbindung Gefahr läuft, einen sterilen Konfrontationskurs mit dem Parlament zu fahren. Daher bitte ich Sie, Herr Kommissar, es als eine Priorität zu betrachten, dass die Abgeordneten des Parlaments, die sie vor sich sehen, zuerst einmal und vor allem Ihre Partner sind und dass sie nicht hier sind, um Ihnen nur zu widersprechen.
Die Partnerschaft, die wir anstreben, ist nicht eine, bei der wir an eine Geheimhaltungsvereinbarung gebunden sind, wie Ihre Dienststellen dies offensichtlich manchmal wünschen. Ihre Dienststellen haben gerade hinter geschlossenen Türen auf unsere Fragen geantwortet. Man gibt uns die letzte Version des ACTA-Textes, man verbietet uns aber, Nachrichten zu versenden, wenn wir aus diesen Sitzungen gehen oder nachdem wir das Abkommen gelesen haben, obwohl es zu unseren Aufgaben gehört, zu warnen, zu erklären und sicherzustellen, dass die Dinge verstanden wurden. Dies ist daher meine zweite Bitte an Sie, die Transparenz der Aussprache als ein Element zu betrachten, das Ihre Beratungen eher bereichert als dass es dadurch zu einem Vertrauensverlust käme.
Zusätzlich zu diesen beiden Hauptpunkten und weil ich beginne, mich an diese Art von Übung zu gewöhnen, werde ich Sie über meine Sorgen in Kenntnis setzen. Zunächst einmal gibt es Zugang zu Medikamenten. Dies wurde erwähnt. Sie erzählen uns, dass der Schutz des Zugangs eine Ihrer Prioritäten ist, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass nichts in diesem Abkommen ihre Herstellung oder ihren freien Verkehr behindert. An diesem Punkt möchte ich Sie allerdings zu den Patenten befragen. Weshalb möchten Sie sie in dieses Abkommen aufnehmen? Der Wunsch, den legitimen Kampf gegen Fälschungen und Produktpiraterie zu verstärken, sollte nicht ein Vorwand sein, um ACTA als ein Instrument zu nutzen, die Rechte von Patentinhabern über die Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens hinaus auszuweiten. Verwechseln Sie bitte nicht Generika mit gefälschten Medikamenten.
Ein anderer wichtiger Punkt sind die Schutzmaßnahmen. Die Texte können gar nicht streng genug sein, um ein wirkliches Gleichgewicht zwischen den Rechten der Verbraucher und denen der Inhaber der Rechte sicherzustellen. Ich beziehe mich auf die verschiedenen Formulierungen, die in dem TRIPS-Übereinkommen enthalten sind.
Ich begrüße Ihre Ausführungen zum Internet, und ich bin zuversichtlich, dass ACTA nicht dazu dienen wird, die Position der EU– die in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr klar aufgezeigt wird – zu schwächen.
Herr Kommissar, es gibt definitiv andere Themen, die ich heute Morgen ansprechen sollte, Die erste Pflicht, die ich mir aber auferlege, besteht darin, sicherzustellen, dass wir dank dieser Aussprache in der Lage sind, all unseren Mitbürgern so viel Informationen wie möglich zu diesem Abkommen bereitzustellen, und Ihnen zu sagen, dass das Schlüsselelement meiner Ansicht nach der Schutz ihrer Rechte und ihrer Grundfreiheiten ist. Aus diesem Grunde erwarte ich, dass Sie die Punkte, die die Mitglieder angesprochen haben, bedenken und dass Sie sie während der Verhandlungen vertreten. Ich appelliere auch an Sie, Ihr Versprechen einzulösen, den Text so schnell wie möglich, sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind, zu veröffentlichen, unabhängig davon, ob dies am Ende der Runde in Japan oder zu einem späteren Stadium eintritt.
Die öffentliche Debatte muss zum Beispiel in diesem Plenarsaal stattfinden. Ich beantrage deshalb eine Entschließung, und wir erwarten, dass Sie unseren Standpunkt in Betracht ziehen, bevor die Unterzeichnung von ACTA erfolgt, selbst, wenn dies bedeutet, dass Sie an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen.
Niccolò Rinaldi , im Nahmen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren, „acta est fabula, plaudite!“ – „Das Stück ist vorbei, applaudieren Sie!“ – wie die römischen Schauspieler am Ende einer Vorstellung zu sagen pflegten. Das Stück ist vorbei, und wir stehen vielleicht an der Schwelle seines Abschlusses, obwohl es vielleicht noch nicht Zeit ist, zu applaudieren.
Während dieser Aussprache hat uns Herr De Gucht umfangreiche Versicherungen abgegeben, wir wissen aber, dass 64 % gefälschter Waren aus China stammen, das nicht Mitglied des Übereinkommens zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie (ACTA) ist. Daher müssen wir prüfen, ob es dies alles überhaupt wert ist – mit anderen Worten, ob wir das Übereinkommen unterzeichnen sollten, wenn es keinerlei wirkliche Vorteile bringt, wie der Kommissar abschließend festgestellt hat. Es gibt nicht mehr viele Anlässe zur Sorge, die verbleiben, diese sind aber wichtig. Es wurde sehr viel zum Internet gesagt, und wir schätzen die Bemühungen der Kommission, wir bleiben aber wachsam.
Was den Zugang zu den Medikamenten betrifft, so wiederhole ich, was schon von anderen Mitgliedern gefordert wurde: man kann nicht gefälschte Medikamente einerseits und Generika andererseits in einen Topf werfen. Es ist lebenswichtig, dass der Zugang zu Medikamenten zu erschwinglichen Preisen sichergestellt ist, da dies für Patienten in den Entwicklungsländern entscheidend ist. Die Frage, die ich stellen möchte, ist, ob die Doha-Erklärungen zum TRIPS-Übereinkommen (handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) und die öffentliche Gesundheit wenigstens in die Präambel des ACTA-Textes aufgenommen werden.
Schließlich befinden wir uns, was die Ursprungsbezeichnungen betrifft, in einer potenziell paradoxen Situation, da eingetragene Markennamen, die möglicherweise Ursprungsangaben verletzen, stärker geschützt sein können als die Ursprungsangaben selbst. Auch hier bietet TRIPS in mancher Hinsicht eine bessere Grundlage, und wir rufen daher zur Wachsamkeit und zu einem festen Standpunkt auf.
Jan Philipp Albrecht, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Also erst einmal freue ich mich, dass die schriftliche Erklärung Nr. 12 zum ACTA-Abkommen gestern die erforderliche Mehrheit der Stimmen hier im Parlament bekommen hat. Das zeigt, das Europäische Parlament steht weiterhin hinter den klaren Aussagen seiner Entschließung vom März.
Und noch mehr: Mit der schriftlichen Erklärung ist ein wichtiger Punkt ergänzt worden. Wir wollen keine Auslagerungen der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte an Private. Rechtstaat und Demokratie verlangen, dass Eingriffe in Grundrechte – auch im Internet – durch legitimierte Vertreter des Staates vorgenommen werden, und dass dabei die hohen Standards unserer Verfassung, der Menschenrechtskonvention und des Vertrags von Lissabon gelten.
Ein Abkommen, das – wie der aktuelle ACTA-Entwurf es tut – private Kartelle von Rechteinhabern geradezu ermutigt, die Welt nach ihren Geschäftsinteressen zu regeln, darf nicht in Kraft treten! Überhaupt bewegt sich die EU-Kommission in den ACTA-Verhandlungen am Rande der Vertragsbrüchigkeit. Statt die vom Parlament kritisierten Maßnahmen zu streichen, werden die Formulierungen im Abkommensentwurf lediglich unpräziser. Eine Einhaltung des geltenden Rechtsbestands der EU wird damit immer unwahrscheinlicher.
Glücklicherweise scheint der lang anhaltende Protest des Europäischen Parlaments nun anzuschlagen. Doch wenn ACTA in diesem Haus eine Mehrheit erhalten soll, muss sich wahrlich noch einiges tun. Das sollte Ihnen spätestens seit gestern klar sein.
Syed Kamall , im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident, ich möchte damit beginnen, drei Dinge zu begrüßen, die zu Beginn gesagt wurden: zunächst einmal, dass es keine neuen Rechte des geistigen Eigentums geben wird; zweitens, dass es keine Änderung der Gesetzgebung durch die Hintertür geben wird; und drittens die bessere Transparenz, die wir bei der Kommission festgestellt haben, insbesondere einigen der anderen Verhandlungspartner gegenüber.
Wir müssen auch den Unterschied verstehen, der zwischen der digitalen Welt und der materiellen Welt besteht. Wie Chris Anderson, der Herausgeber von „Wired“ einmal gesagt hat: In einer Welt größerer Bandbreiten, billigerer Speicherung und günstigerer Rechenleistung, tendieren die Kosten digitaler Produkte im Laufe der Zeit gegen null. Dies bedeutet, dass viele der Industrien, die sich über die digitale Welt beklagen, verstehen müssen, dass sie sich ein neues Geschäftsmodell suchen müssen. Insbesondere die phonografische Industrie und ähnliche Industrien können sich nicht auf ihre Geschäftsmodelle verlassen.
Ich glaube, dass sich die Sache in der materiellen Welt, der Welt der Produktherstellung, anders darstellt. Wir müssen sicherstellen, dass, auch wenn die EU die Lohnkosten betreffend nicht wettbewerbsfähig ist, die EU-Länder und die EU-Unternehmen wettbewerbsfähig sind, wenn es um Forschung und Entwicklung sowie Muster und Modelle geht. Für Unternehmen, die Millionen – manchmal Milliarden – in neue Produkte und neue Entwürfe investieren, muss es höchst unerfreulich sein, wenn sie sehen, dass diese Produkte durch gefälschte Produkte woanders unterboten werden. Wir sind weltweit führend im Bereich hochwertiger Autos und bei Produkten wie dem Smartphone, und wir müssen sehr vorsichtig sein, damit diese Produkte, in die Millionen oder Milliarden investiert wurden, nicht einfach „verramscht“ werden.
Ich begrüße die Erklärung der Kommission, wir müssen aber den Unterschied zwischen der materiellen und der digitalen Welt verstehen.
Helmut Scholz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz von Erfindergeist und Unternehmen vor dem Raub ihrer Ideen ist ein wichtiges Anliegen, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen. Ich stelle jedoch erneut die Frage, ob Produktpiraterie eingeschränkt werden kann, wenn sich ein kleiner Club von Ländern auf ein Abkommen einigt, zumal diese Länder eher für Erfindungen als für Fälschungen bekannt sind. Diese Verhandlungen gehören meines Erachtens in einen internationalen Rahmen wie den der WIPO.
Also geht es generell um einen neuen Rahmen, eine Festlegung. Herr Kommissar, Ihre heutigen Schlussausführungen weisen in diese Richtung. Ich weiß, die Unterhändler von Kommission und Rat sind sich dieses Dilemmas bewusst. Als Ausweg wollen Sie Unternehmen mit einem umfassenden Klagerecht ausstatten, das in die Absatzmärkte der potenziellen Fälscher eingreift. Verhaften wollen Sie die Importeure, und laut Textentwurf noch immer auch den Endkunden, und zwar gleich an der Grenze, falls ein Vertragsstaat keine Ausnahme vornimmt. Wörtlich heißt es:
“Im Zuge von Grenzmaßnahmen können kleine Mengen an Waren ohne kommerziellen Charakter aus dem persönlichen Gepäck beschlagnahmt werden.”
Sie wollen sich dazu verpflichten, in der Europäischen Union eine Gesetzeslage zu schaffen, in der auf Verlangen eines Unternehmens aus einem ACTA-Staat importierte Waren oder auch Programme auf Anordnung der Justiz beschlagnahmt oder gar vernichtet werden können. Bei Bedarf sogar inaudita altera parte, also ohne die andere Partei anzuhören. Das klingt bei einem Container gefälschter Kettensägen vielleicht noch einfach. Aber das Abkommen will dieses Vorgehen auch auf Sachverhalte wie Softwarekomponenten ausdehnen.
Werden Softwareriesen wie Microsoft zur Jagd blasen können und ihre kleinerer Konkurrenten durch Prozesse und Verfahren erledigen? Auch die Riesen der Unterhaltungsindustrie haben erfolgreich ihre Anliegen in die ACTA-Verhandlungen eingebracht. Nicht nur Downloads und Kopieren sollen verfolgt werden, sondern sogar die Herstellung und Verbreitung von Technologien, mit denen unter anderem auch ein Kopierschutz umgangen werden kann.
Sie haben ausgeführt, dass es Fortschritte gibt, und die USA haben zwar ihre Forderung nach einer Haftung der Internet Service Provider fallen gelassen, im Strafrechtskapitel des Abkommens jedoch gibt es weiterhin den Paragraph zu aiding and abetting, also zur Beihilfe. Darüber hinaus müssten Provider auf begründetes Verlangen eines Unternehmens die Personendaten von Kunden übergeben, gegen die ein Verdacht der Urheberrechtsverletzung besteht. Wir haben in diesem Haus schon bei den SWIFT-Verhandlungen gelernt, dass zum Beispiel die Vereinigten Staaten einen Datenschutz nach dem Verständnis der Europäischen Union nicht kennen. Wie sieht das in den anderen Vertragsstaaten aus? Das Abkommen darf nicht in den Rechtstand der EU eingreifen. Kleine und mittlere Unternehmen müssen vor Patentfeldzügen der Softwareriesen geschützt werden, und der Schutz der Daten von Internetnutzern muss gewährleistet sein.
Francesco Enrico Speroni , im Namen der EFD-Fraktion – (IT) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich danke der Kommission und dem Rat für diese Aussprache, obwohl ich leider sagen muss, dass es schwierig ist, über irgend etwas zu reden, ohne die richtigen Dokumente vorliegen zu haben.
Es gibt nichts im Internet darüber, und die Dienststellen des Parlaments, die ich kontaktiert haben, haben nicht geantwortet, weil die Kommission nicht alle Texte zugänglich macht. Es bleibt mir also nichts weiter übrig, als allgemeine Äußerungen zu treffen. Trotzdem ist es von Nutzen, dieses Thema zu behandeln, das Teil des Plans Europas für den Schutz unserer Produkte und damit unserer Unternehmen und unserer Arbeitnehmer ist. Aber selbst hier gibt es einigen Widerstand, zum Beispiel bei der Regelung von Marken und Produkten.
Es ist unsere Pflicht, unsere Arbeitnehmer zu schützen, indem wir prüfen, ob irgendeine Form eines unlauteren Wettbewerbs vorliegt oder eines Wettbewerbs, der sich auf die Ausbeutung von Arbeitnehmern gründet oder, wie in diesem Fall, auf Fälschungen. Wir müssen daher diese Formen unlauteren Wettbewerbs eben deshalb bekämpfen, um die europäischen Hersteller und Arbeitnehmer, die sich ihrenLebensunterhalt durch Anstrengung, Engagement, Geisteskraft und Teilhabe verdienen und so zur Entwicklung unseres Kontinents beitragen, zu schützen.
Angelika Werthmann (NI). - Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das geplante plurilaterale Handelsabkommen ACTA soll durch internationale Kooperation, die Abstimmung des Gesetzesvollzugs sowie durch neue Gesetze zur Verwertung geistigen Eigentums den Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen verbessern. Es steht außer Diskussion, dass fortwährende Transparenz notwendig ist. Denn Maßnahmen, welche eine Verwässerung der EU-Datenschutzrichtlinie mit sich bringen oder gar Einschnitte in die Meinungsfreiheit zur Folge haben könnten, stehen in keinem Verhältnis zur Bekämpfung von Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen und dürfen nicht akzeptiert werden.
Die Kommission wurde durch das EP aufgefordert, eine Abschätzung der möglichen Auswirkungen des Abkommens vorzunehmen. Dies ist leider noch nicht geschehen. Schutz des geistigen Eigentums steht für mich außer Frage, ebenso wichtig sind allerdings sowohl der Datenschutz als auch der Schutz der Privatsphäre. Diesbezüglich hat sich Peter Hustinx geäußert. Zitat:
– „Obwohl geistiges Eigentum für die Gesellschaft wichtig ist und geschützt werden muss, sollte es nicht über die Grundrechte des Einzelnen auf Wahrung seiner Privatsphäre, Schutz seiner Daten und anderer Rechte gestellt werden“. Das ist das Ende des Zitats. Lassen Sie uns zusammen an diesem Abkommen unter Berücksichtigung des gemeinschaftlichen Besitzstands arbeiten.
Elisabeth Köstinger (PPE). - Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein effektiver Vollzug von bestehenden Regeln und Gesetzen zur Bekämpfung von Produktpiraterie und zur Stärkung des geistigen Eigentums ist ohne Zweifel zu begrüßen. In der Öffentlichkeit herrscht leider sehr viel Unkenntnis und Unsicherheit. Ich bekomme regelmäßig E-Mails von besorgten Bürgerinnen und Bürgern, die die fehlende Transparenz während der ACTA-Verhandlungen bemängeln und ACTA als tiefen Einschnitt in ihre Rechte und Freiheiten sehen. Hier gilt es, vermehrt Aufklärungsarbeit zu betreiben und aufzuzeigen, dass nicht ACTA, sondern zum Teil der gemeinsame Besitzstand der EU das Problem darstellt.
Aus dem Vorabentscheidungsurteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.2.2009 geht klar hervor, dass Internet Access Provider für die Verletzung von Urheberrechten ihrer Kunden zur Rechenschaft gezogen werden können. Es kann somit aufgrund der bestehenden Verträge zur Sperrung des Internetzugangs von EU-Bürgerinnen und Bürgern kommen. Das Problem ist somit nicht ACTA, das Problem sind Regelungen innerhalb der Europäischen Union, die die Freiheiten und Rechte der EU-Bürger einschränken könnten.
Monika Flašíková Benová (S&D) . – (SK) Die ständig steigende Anzahl von nachgeahmten und gefälschten Produkten im internationalen Handel steigert die Möglichkeit einer Bedrohung der nachhaltigen Entwicklung der globalen Wirtschaft, was nicht nur bei den rechtmäßigen Herstellern zu finanziellen Verlusten führt, sondern auch die geistigen Eigentumsrechte verletzt und Stellen, die an der Herstellung und Produktion beteiligt sind, unterwandert und auch eine Bedrohung der Verbraucher und Gefährdung der Arbeitsplätze in Europa darstellt.
Die Idee eines multilateralen Abkommens zur Bekämpfung der Produktpiraterie und Fälschung kann ein effizienter Mechanismus für die Bekämpfung solcher Aktivitäten sein, ich unterstütze aber auch die Mitglieder, die die Notwendigkeit unterstrichen haben, mehr Transparenz und mehr Vertrauen in diese Verhandlungen und Abkommen herzustellen. Ich halte es auch für wesentlich, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten, an deren Schutz wir ein Interesse haben, und den Rechten, die für die Gesellschaft wesentlich sind, herzustellen. Die Ausübung oder der Schutz von Rechten einer Gruppe darf nicht die Rechte und legitimen Interessen einer anderen Gruppe beeinträchtigen.
Carl Schlyter (Verts/ALE) . – (SV) Herr Präsident, ich bin mir nicht sicher, was die Ausnahme für Generika betrifft. Wenn wir dies zusichern, werden wir in diesen Fällen auch mehr Ausnahmen bei allen Transitoperationen zulassen, weil wir sonst die Probleme haben werden, die wir in den vergangenen Jahren festgestellt haben. Sie sagen, dass dies nur für Wirtschaftsfälle in großem Maßstab gilt. Können Sie in diesem Fall sagen, dass Einzelpersonen ausgenommen werden oder dass sie von den Regeln ausgenommen werden könnten?
Das digitale Umfeld bereitet mir Sorgen, wenn technische Schranken im Gespräch sind. Zu diesem Punkt sei gesagt, dass Methoden, die eingesetzt werden können, um technische Schutzmaßnahmen zu umgehen, als unrechtmäßig anzusehen sind, wenn sie wirtschaftlich nur begrenzt von Nutzen sind.
Es könnte auch der Fall eintreten, dass diese Methoden ohne jedes finanzielle Interesse verbreitet werden, dass jemand überhaupt kein finanzielles Interesse daran hat, sondern stattdessen die Nutzung von Technologien, die auch als „Umgehungstechniken“ genutzt werden können, unterstützen möchte. Wie sehen Sie das?
Ich bin überhaupt nicht glücklich daüber, dass Sie hier alle kontroversen Aspekte der IPRED-Richtlinie und der Datenspeicherung aufnehmen. Wenn wir dies nach der Evaluierung ändern wollen, dann ist es dumm, dass hier schriftlich festgehalten zu haben.
Françoise Castex (S&D) . – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, ich möchte einen neuen Beitrag zur Debatte über ACTA leisten und mit den Mitunterzeichnern der Erklärung 12 darf ich Sie informieren, dass diese Erklärung eine sehr große Mehrheit im Parlament erhalten hat und dass die Mindestanzahl von Unterschriften überschritten wurde.
Es freut mich, dass diese Erklärung Ihnen vor der letzten Verhandlungsrunde zum ACTA unterbreitet wurde, und ich glaube, dass Sie sie als ein Verhandlungsmandat betrachten können, dass Ihnen vom Europäischen Parlament erteilt wird.
Ich möchte Sie auf ihren Inhalt hinweisen: Das Parlament fordert natürlich nicht nur Transparenz und die Möglichkeit ein, die Texte während der Verhandlungen zu sehen, bevor es sie ratifiziert; es verlangt auch, dass die Rechte des geistigen Eigentums im Rahmen dieses internationalen Abkommens nicht harmonisiert werden und dass die Freiheit der Bürger, der Schutz des Privatlebens und die Neutralität des Internets gewahrt und garantiert werden.
Andrew Henry William Brons (NI). – Herr Präsident, wir müssen uns fragen, inwieweit Übereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie lediglich einen Schutz für Großunternehmen darstellen und inwieweit sie wirklich die Bürger schützen. Im Falle von medizinischen Produkten können gefälschte Medikamente im besten Fall unwirksam sein und den Betroffenen keine Heilung bringen; im schlimmsten Fall können sie schaden und sie ihrer Gesundheit berauben oder sogar ihr Leben kosten.
Nachgeahmte Produkte werden beinahe immer in Niedriglohnländern hergestellt, und sie unterbieten die ursprünglich in unseren Ländern hergestellten Produkte auf Kosten der Arbeitsplätze der Bürger unserer Mitgliedstaaten. Die Sanktionen müssen gegen die Länder verhängt werden, die diese Praktiken zulassen.
Es hat mich gefreut zu hören, dass die Kommission versichert, dass man auf alle groß angelegten Rechtsverletzungen abzielt, und nicht auf die Verbraucher. Allerdings möchten einige Lobbyisten, die die Akteure unterstützen, dass Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie mehrfach unerlaubte Downloads durchgeführt haben, der Internetzugang gesperrt wird, und dieselbe Personengruppe wünscht eingehende Untersuchungen, wobei die Kommunikation der Kunden eingesehen wird. Können wir sicher sein, dass diese Bestimmungen nicht zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt und unsere Einwände übergangen werden?
Sidonia Elzbieta Jedrzejewska (PPE) . – (PL) Ich begrüße die heutige Aussprache zum Übereinkommen zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie. Meiner Meinung nach ist dies ein Schritt zur Stärkung der Position des Europäischen Parlaments als Institution, die die Bürger der Europäischen Union vertritt. Ich möchte betonen, dass das Europäische Parlament berechtigt ist, von der Kommission über das Abkommen, dass sie zum Handel mit Dienstleistungen und zu den wirtschaftlichen Aspekten des geistigen Eigentums verhandelt, informiert und befragt zu werden. Die heutige Aussprache verleiht diesem Recht Substanz und wird, wie ich hoffe, für die Kommission auch in Zukunft die Norm sein. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Vertraulichkeit der Verhandlungen der Kommission zum Übereinkommen zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie negative Reaktionen bei den Internetnutzern ausgelöst haben. Diese Reaktionen hätten vermieden werden können, wenn die Kommission bereit gewesen wäre, uns von Anfang an umfassender über ihre Bemühungen in diesem Bereich zu informieren.
In einer schriftlichen Anfrage, die ich der Kommission unterbreitet habe, spreche ich den Zusammenhang zwischen dem Übereinkommen zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie und der europäischen Politik im Bereich der Informationsgesellschaft und ihre rechtlichen Auswirkungen an.
Eva Lichtenberger (Verts/ALE). - Herr Präsident! Herr Kommissar, Sie haben uns versichert, dass dieser ACTA-Vertrag derzeit nichts ändern wird. Aber man gibt uns nicht die Möglichkeit, uns unsere eigenen Gedanken zu machen, einen eigenen Eindruck zu gewinnen, unsere eigene juristische Expertise einzubringen, ob die Kollateralschäden für die Bürger- und Bürgerinnenrechte in Europa aus diesem Vertrag nicht wesentlich größer sein können, als Sie es hier ansprechen. Wir müssen uns einfach nur auf ein Wort verlassen! Wenn das so ist, warum gibt es dann keine Transparenz? Ich weiß, das waren die Verhandlungspartner aus den Vereinigten Staaten. Aber kann die Europäische Kommission hier einfach guten Gewissens nachgeben? Ich bin der Meinung: Nein!
Zweiter Punkt: die Frage der geografischen Ursprungsbezeichnungen. Ich würde schon am Verhandlungstisch klarmachen, dass diese Ursprungskennzeichnungen in Europa praktisch den Charakter eines Markenschutzes haben und dieser Punkt aus meiner Sicht auch noch einmal in die Verhandlungen eingebracht werden muss.
Martin Ehrenhauser (NI). - Herr Präsident! Kurz drei Punkte: Erstens natürlich Gratulation an die Initiatoren der Schriftlichen Erklärung zu ACTA! Die ist jetzt durch.
Mein zweiter Punkt gilt der Transparenz, und da habe ich eine Frage an den Herrn Kommissar: Wie erklären Sie uns als EU-Abgeordneten, dass wir auf eine amerikanische Bürgerrechtsorganisation angewiesen sind, damit wir überhaupt den Text bekommen? Ich habe den Text hier liegen. Ich werde ihn Ihnen nachher überreichen und Sie bitten mir zuzusichern, dass das auch die Originalversion des Textes ist.
Drittens: Providerhaftung. Können Sie ausschließen, dass die Providerhaftung durch die Hintertüre nochmals eingeführt wird?
Christian Engström (Verts/ALE) . – Herr Präsident, wir sind uns alle einig, dass Fälschung eine schlimme Sache ist und dass die Bekämpfung von nachgeahmten Produkten gut ist. Es ist gut für die europäischen Verbraucher und Bürger und es ist auch wichtig für die europäischen Unternehmen, wie dies schon erwähnt wurde. Es ist gut, dass wir Marken und den Markenbesitzstand, einschließlich der Ursprungsbezeichnungen schützen.
So weit, so gut. Aber es gibt, wie Herr Kamall aufgezeigt hat, einen Unterschied zwischen der materiellen und der digitalen Welt. Was das Kapitel Internet betrifft, so wurden von den Internet-Providern und anderen Unternehmen, die in diesem Bereich arbeiten, legitime Bedenken angemeldet. Es gibt die Sorge, dass das Abkommen tatsächlich die Entwicklung behindert, den europäischen Unternehmen schadet und den Nutzen, den wir aus dieser neuen Technologie ziehen, untergräbt.
Ich möchte die Kommission deshalb drängen, auf jeden Fall den Teil Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie weiter zu behandeln, das Internetkapitel aber auszusparen. Die wäre die beste Lösung für alle.
Karel De Gucht , Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte zunächst einmal allen Mitgliedern des Parlaments, die einen Beitrag geleistet haben, danken. Dies ist für uns einige Wochen vor dem, was wahrscheinlich die „Endphase“ in Tokio sein wird, eine wertvolle Information, und wir werden sie sicher berücksichtigen.
Bevor ich über Vertraulichkeit spreche, werde ich auf eine Reihe technischer Fragen antworten. Eine betrifft das TRIPS-Abkommen zur öffentlichen Gesundheit und ob dies ausdrücklich im Abkommen genannt würde. Es wird ausdrücklich darauf verwiesen: „…in Anerkennung der Grundsätze, die gemäß der Erklärung von Doha zum TRIPS-Abkommen zur öffentlichen Gesundheit, das von der WTO auf der vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha, Quatar am 14. November 2001 angenommen wurde, festgelegt wurden“.
Es gibt auch einige Fragen zur Privatsphäre. WDer Text, der zur Zeit erörtert wird, besagt:„ichts in diesem Abkommen erlegt es einer Partei auf, Informationen (...) weiterzugeben, die nicht im Einklang mit ihrem Recht und ihren internationalen Abkommen stehen, einschließlich der Gesetze zum Schutz der Privatsphäre“. Weiter wird in dem zur Diskussion stehenden Text angemerkt, dass hinsichtlich des Schutzes des digitalen Umfelds Vollstreckungsverfahren so umgesetzt werden, dass sie „…im Einklang mit dem Recht der Partei stehen, die Grundsätze derMeinungsfreiheit und der Privatsphäre wahren und mit den Grundsätzen der Billigkeit entsprechende Verfahren übereinstimmen“. Diese Abkommen werden also ausdrücklich erwähnt.
Lassen Sie mich ein Wort zu den Medikamenten sagen: Ich glaube nicht, dass es ein Problem mit Medikamenten gibt – nicht nur wegen ACTA, sondern auch, weil wir derzeit mit Indien zu diesem Thema Verhandlungen führen. Indien hat bei der WTO einen Antrag auf Medikamente gestellt. Wir verhandeln mit ihnen, und ich denke, dass wir bald zu einer Einigung kommen werden, einer Vereinbarung, die meiner Meinung nach vom Europäischen Parlament gutgeheißen wird.
Ich möchte noch hinzufügen, dass diese Patente nicht durch das Zoll-Kapitel im ACTA abgedeckt sind. Es gibt einen ausdrücklichen Verweis auf die pflichtgemäße Zulassungspraxis, der hier sehr wichtig ist.
Schließlich haben wir, im Vertrauen gesagt, kein Problem damit, die Texte, die wir erörtern, offen zu legen, wir sind aber nicht allein Es handelt sich hier um eine Verhandlung mit vielen Nationen, was bedeutet, dass die anderen Parteien am Tisch auch zustimmen müssen, was veröffentlicht wird und was nicht. Die gestellte Frage war, ob Sie die Möglichkeit haben werden, das Abkommen zu erörtern, bevor es unterzeichnet wird.
Es ist nicht klar, ob wir zu einer Einigung kommen, wenn wir es aber schaffen, haben wir sichergestellt, dass wir in der Lage sein werden, das Abkommen vor der Unterzeichnung zu erörtern, da die Kommission dies in der Verhandlung bewilligt bekommen hat. Wie Sie sehen, führt die Pressemitteilung, die zum Ende der Washingtoner Runde herausgegeben wurde, ausdrücklich aus, dass die „Parteien sich verpflichten, den Text herauszugeben, bevor sie entscheiden, ob sie ihn unterzeichnen“. Ich denke, es ist schwierig, sich noch klarer zu diesem Punkt zu äußern.
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit
Der Präsident - Die Aussprache wird geschlossen.
Der nächste Tagesordnungspunkt ist die Abstimmung.
(Die Sitzung wir für ein paar Minuten unterbrochen).
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.
Bevor wir mit der Abstimmung beginnen, möchte ich noch kurz anmerken, dass die elektronische Ergebnisanzeige möglicherweise nicht funktioniert; sollte das der Fall sein, dann sehen Sie statt des Ergebnisses lediglich zwei „Käse“, auch „Camembert“ genannt, aber eventuell sehen Sie es auf Ihrem Bildschirm. Wir werden die Anlage gleich prüfen, haben Sie also bitte ein wenig Geduld.
(Für die Ergebnisse und andere Einzelheiten zur Abstimmung: siehe Protokoll)
6.1. Schutz der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere (A7-0230/2010, Elisabeth Jeggle) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung:
Sonia Alfano (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, nach Artikel 175 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments beantrage ich, dass dieses Dokument wieder zurück an den Ausschuss verwiesen wird.
Wir haben auf diese Richtlinie viele Jahre gewartet, aber wie auch schon in anderen Reden hervorgehoben wurde, müssen einige Punkte noch gründlich überarbeitet werden, um einen angemessenen Schutz der Tiere zu gewährleisten. Durch die Annahme dieses Gesetzes werden Versuche zu Ausbildungszwecken sowie die mehrmalige Wiederverwendung desselben Tieres erlaubt werden, sogar bei Verfahren, die dem Tier Leiden zufügen. Alternative Methoden, die wissenschaftlich anerkannt sind, werden durch dieses Gesetz in keiner Weise gefördert.
Dabei geht es nicht darum, eine extreme Position einzunehmen, sondern Artikel 13 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einzuhalten, der von uns verlangt, dass wir die Anforderungen an den Tierschutz einhalten, da Tiere fühlende Wesen sind. Wir wollen nicht die Forschung behindern, sondern sie im Rahmen eines ethisch vertretbaren Weges fördern.
Zu sagen, wir könnten die Richtlinie jetzt annehmen und sie in den kommenden Jahren dann ändern, ist nicht akzeptabel. Wir sollten Verantwortung übernehmen und die notwendigen Änderungen jetzt vornehmen. Dies ist keine politische oder ideologische Position, sondern schlicht gesunder Menschenverstand und gesunder Menschenverstand kennt keine Parteipolitik.
Der Präsident. – Frau Alfano, danke für diesen Vorschlag. Haben wir 40 Kollegen, die diesen Vorschlag unterstützen möchten? Würden Sie bitte aufstehen, falls Sie dafür sind. Ich denke, wir haben 40 Kollegen zusammen und ich werde einen Redner zulassen, der für den Antrag ist.
Jill Evans im Namen der Verts/ALE.-Fraktion – Herr Präsident, die Fraktion Grüne/EFA unterstützt die Rückverweisung, denn auch wir haben ernste Bedenken bezüglich der derzeitigen Fassung des Texts. Zurzeit haben die Mitgliedstaaten das Recht, strengere Tierschutzmaßnahmen zu verabschieden, wenn sie das wünschen. Durch das neue Gesetz würde dies zukünftig verhindert werden. Es würde Verbesserungen behindern und steht der vom Parlament erzielten Einigung bei der ersten Lesung entgegen.
Wir sollten außerdem unmissverständlich festschreiben, dass Alternativen genutzt werden sollen, wann immer dies möglich ist; durch die Fassung des Textes werden jedoch bestehende Rechtsvorschriften geschwächt. Auch benötigen wir eine klare Definition der Bedingungen zur Verwendung nichtmenschlicher Primaten. Auch dies ist in dem Text nicht der Fall.
Viele Probleme, die durch die aktuellen Rechtsvorschriften entstanden sind, haben mit der unterschiedlichen Auslegung in den einzelnen Mitgliedstaaten zu tun. Es sind weitere Aussprachen zu diesem und anderen Punkten erforderlich, um sicherzustellen, dass wir absolute Klarheit haben und dieses Gesetz effektiv ist.
Paolo De Castro (S&D), Vorsitzender des AGRI-Ausschusses – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, als Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, dem zuständigen Ausschuss für dieses Thema, bin ich gegen eine Rückverweisung des Jeggle-Berichts. Nach mehr als eineinhalb Jahren intensiver Aussprachen hat sich unser Ausschuss bereits sehr deutlich für den zum gemeinsamen Standpunkt erzielten Kompromiss ausgesprochen, und zwar ohne Gegenstimmen und mit nur wenigen Enthaltungen.
Daher sehe ich keinen Grund, den Text erneut zu prüfen. Wir haben bereits alles, was wir für eine Abstimmung heute benötigen.
Elisabeth Jeggle, Berichterstatterin. − Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin überrascht über diesen Antrag. Meine Kollegin war heute Morgen in der Debatte nicht hier im Plenum.
Ich bin überrascht über diesen Antrag. Frau Evans als Schattenberichterstatterin der Verts/ALE-Fraktion war in allen Trilogverhandlungen dabei, und sie hat dem am 7. April im Trilog gefundenen Ergebnis zugestimmt. Die Grünen haben im Agrarausschuss Änderungsanträge eingebracht, die sie heute auch wieder vorlegen. Das ist legitim. Um diese Änderungen geht es. Sie wurden, wie der Ausschussvorsitzende das schon beschrieben hat, von allen Fraktionen mit Ausnahme der Verts/ALE-Fraktion abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie inständig, dem gefundenen Kompromiss zuzustimmen, mit dem auch ich nicht ganz zufrieden bin und mit dem sicherlich keiner hier wirklich in allen Punkten ganz zufrieden sein kann, weil es eben ein Kompromiss ist. Lassen Sie ihn uns aber trotzdem annehmen und alles zurückweisen, was jetzt gefordert ist, denn sonst würden wir mit der alten Richtlinie aus dem Jahr 1986, also auch mit den Tierversuchen, weiterleben müssen. Lassen Sie uns also jetzt einen Schritt tun hin zu besserem Tierschutz!
(Beifall)
Rebecca Harms im Namen der Verts/ALE.-Fraktion – Herr Präsident! Zur Klarstellung der Haltung meiner Fraktion möchte ich an dieser Stelle nochmals sagen, dass es manchmal sehr schwer ist, den Trilogverhandlungen als Gesamtfraktion zu folgen. Wenn man feststellt, dass die Berichterstatterin nicht wahrhaben will, dass die Zahl der Tierversuche basierend auf dieser Regelung zunimmt,
(Proteste)
dass die Zahl der Primatenversuche zunimmt, und dass es den Mitgliedstaaten nicht mehr erlaubt ist, jenseits dieser Regelung strenger zu regeln, dann darf man eine Rücküberweisung in den Ausschuss vorschlagen. Wenn das nicht möglich ist, ist das kein gut funktionierendes Parlament. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von der Fraktion Verts/ALE)
(Der Vorschlag, den Text an den Ausschuss zurückzuverweisen, wurde abgelehnt)
– Nach der Abstimmung:
Mário David (PPE). – Herr Präsident, in den beiden vergangenen Tagen wurden wir mit mehr als 400 E-Mails zu diesem Thema überschwemmt. Können die Dienste nicht etwas unternehmen, sodass wir unsere Zeit nicht mit dem Löschen der E-Mails verschwenden müssen?
Der Präsident. – Es gibt eine Funktion in Ihrem Outlook-Programm, mit der Sie automatisch löschen können, aber das ist eine Angelegenheit zwischen Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern Ihres Wahlkreises.
Nicole Sinclaire (NI). – Es muss ja furchtbar für die Bürgerinnen und Bürger Ihres Wahlkreises sein, Sie kontaktieren zu können! Sie sind eine Schande. Die Bürgerinnen und Bürger sollten Sie kontaktieren können. Was sind Sie eigentlich, wenn Sie verlangen, dass die Bürgerinnen und Bürger Sie nicht kontaktieren können sollten?
(Beifall)
Der Präsident. – Frau Sinclaire, ich danke Ihnen, dass Sie meine Meinung hier ausgesprochen haben.
6.2. Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (A7-0235/2010, Csaba Őry) (Abstimmung)
– Nach der Abstimmung:
Olle Ludvigsson (S&D). – (SV) Herr Präsident, dies betrifft Änderungsantrag 48, bei dem sich ein Fehler in Bezug auf den Begriff „Mindesteinkommen“ eingeschlichen hat. Dies wurde ins Schwedische als „minimilön“ übersetzt, was „Mindestlohn“ bedeutet und nicht korrekt ist. Das Referat Übersetzung wurde darüber informiert und dies wird nach der Sitzung geändert.
Jutta Steinruck (S&D). - Herr Präsident! Ich bitte den Rat, unserem Votum heute zu folgen. Und ich bitte um eine kurze Stellungnahme.
Der Präsident. – Der Rat war bei der Aussprache anwesend, da ich teilweise den Vorsitz führte. Zweifellos wird er aufmerksam verfolgen, was das Parlament zu sagen hat, das hat er dem Haus jedenfalls gestern Abend versichert.
6.3. Menschenrechte im Iran, insbesondere die Fälle Sakineh Mohammadi-Ashtiani und Zahra Bahrami (B7-0494/2010) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung:
Mario Mauro (PPE). – (IT) Herr Präsident, da ich hier auf meiner Stimmliste keinen Antrag auf namentliche Abstimmung sehe und in Anbetracht der Wichtigkeit des Themas und der Einigkeit zwischen den Fraktionen möchte ich vorschlagen, dass wir bei der endgültigen Entschließung eine namentliche Abstimmung vornehmen.
Richard Howitt (S&D). – Herr Präsident, ich richte mich nach Ihrem Urteil, bin jedoch darüber informiert, dass die Einigung spät stattfand und es daher möglich ist, eine namentliche Abstimmung für beide Änderungsanträge zu beantragen. Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich dies beantragen.
Empfehlung für die zweite Lesung: Elisabeth Jeggle (A7-0230/2010)
Jarosław Kalinowski (PPE). – (PL) Der Fortschritt der Wissenschaft ist Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entwicklung, und innovative Forschung ist daher die Grundlage von neueren und besseren Methoden, von denen die Wirtschaft im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen profitieren. Allerdings darf der Preis, der dafür bezahlt werden muss, nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Das Wohlergehen von lebendigen Wesen sollte der wichtigste Aspekt der Wirtschaft sein. Wenn der Mensch die Naturgesetze nicht respektiert oder zu sehr in sie eingreift, wird sich die Natur möglicherweise wehren. Daher sind die heute angenommenen Empfehlungen auch so wichtig. Ich habe für ihre Annahme gestimmt, weil sie einen guten Kompromiss darstellen. Einerseits ermöglicht die Richtlinie die Durchführung notwendiger wissenschaftlicher Forschung und andererseits reduziert sie das Leiden der von der Forschung verwendeten Tiere so weit wie möglich.
Romana Jordan Cizelj (PPE). – (SL) Die Europäische Tierversuchsrichtlinie von 1986 muss dringend überarbeitet werden. Ich bin nicht darüber erfreut, dass der neue Gesetzesvorschlag Tierversuche und das Leiden der Tiere immer noch erlaubt, habe aber dennoch für die Richtlinie gestimmt. Warum?
Hauptsächlich aus drei Gründen. Der erste Grund ist, dass der Vorschlag Tierversuche nur dann erlaubt, wenn das menschliche Wohl schwerer wiegt als das Wohl des Tieres. Dabei geht es um die menschliche Würde und das Menschenrecht auf Gesundheit und medizinische Behandlung und um das Menschenrecht auf bestmögliche Behandlung. Der zweite Grund ist, dass nach der neuen Richtlinie erheblich weniger Tiere zu Versuchszwecken verwendet werden als vorher. Der dritte Grund ist, dass diejenigen Tiere, die für Versuche verwendet werden, bessere Lebensbedingungen haben werden und besser versorgt werden.
Natürlich möchte ich, dass Tierversuche in der Zukunft gänzlich überflüssig werden.
Peter Jahr (PPE). - Herr Präsident! Der Schutz von Tieren ist ein Thema, das die Menschen in Europa ganz tief bewegt. Deshalb bin ich sehr froh, dass es unserer Berichterstatterin, Frau Jeggle, in langen Verhandlungen gelungen ist, den Schutz von Versuchstieren deutlich zu verbessern.
Mit der neuen Richtlinie sollen Tierversuche nach Möglichkeit vermieden und auf das absolut notwendige Maß reduziert werden. Nur wenn es keine Alternative gibt, und unter sehr strengen Auflagen, sind diese weiterhin zulässig. Dies ist ein guter Kompromiss zwischen Tierschutz und Forschungsfreiheit. Insgesamt wird damit erstmals ein europaweit geltendes hohes Schutzniveau wirksam. Dies ist ein toller Erfolg. Nun geht es darum, dass alle Mitgliedstaaten die neuen Richtlinien wirklich zeitnah umsetzen.
Alfredo Antoniozzi (PPE). – (IT) Herr Präsident, ich denke, dass wir bei diesem sensiblen Thema, bei dem es um den Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere geht, einen guten Kompromiss zwischen den Forderungen derjenigen, die Forschung an Tieren betreiben und den Tierschutzstandards für Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden oder dafür vorgesehen sind, gefunden haben.
Aus diesem Grund habe ich für den Bericht von Frau Jeggle gestimmt. Gleichzeitig bin ich für die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, immer dann keine Tiere für Versuchszwecke zu verwenden, wenn das Unionsrecht Verfahren oder Strategien anerkennt, die zum gleichen Ergebnis führen.
Mairead McGuinness (PPE). – Herr Präsident, ich möchte Elizabeth Jeggle für ihre Arbeit zum Thema Tierversuche und Verwendung von Tieren gratulieren.
Ich habe dafür gestimmt, weil ich dies für die pragmatischste Lösung des Problems bei der Überarbeitung des Gesetzes von 1986 halte.
Ich würde sagen, dies ist wichtig für den Tierschutz, aber auch für den Fortbestand der Forschung in der Europäischen Union. Wir laufen Gefahr, dass wir Wissenschaft und Forschung in Gebiete verlagern, in denen andere Grundvoraussetzungen für die medizinische Forschung mit weniger Regulierung herrschen. Zwar müssen wir in der Tat eine Verbesserung der Vorschriften und des Schutzes der in den Forschungseinrichtungen und Universitäten verwendeten Tiere bewirken, wir müssen aber auch gewährleisten, dass die Forschung weitergehen kann.
Wir reden ständig davon, junge Menschen dazu zu ermutigen, in die Wissenschaft zu gehen und mehr für Forschung und Innovation auszugeben und dazu gehört auch die Verwendung von Tieren. Lassen Sie uns die Tiere jedoch so weit wie möglich schützen, und zwar mithilfe dieses Gesetzes.
Jens Rohde (ALDE). – (DA) Herr Präsident, die Dänische Liberale Partei hat für den Bericht über Tierversuche gestimmt. Es ist kein Geheimnis, dass von beiden Seiten sehr gute Argumente zu diesem Thema vorgetragen wurden. Einige glauben, die Rechte der Tiere hätten Vorrang. Wir auf der anderen Seite glauben, dass die Gesellschaft ein Recht auf Fortschritte bei der Entwicklung von Medikamenten und bei der Behandlung von Krankheiten hat. Natürlich ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass wir die richtige Balance finden. Tiere müssen angemessen behandelt werden, aber unsere Forscher müssen auch die notwendigen Mittel haben, um neue Formen der Behandlung und Heilung von schweren Krankheiten zu entwickeln. Der Bericht von Frau Jeggle findet einen sehr guten Mittelweg, und nach unserer Auffassung ist er es daher wert, für ihn zu stimmen. Zudem glauben wir fest daran, dass es eine gute Sache ist, dass wir das alte Gesetz von 1986 nun endlich hinter uns lassen können.
Mario Pirillo (S&D). – (IT) Herr Präsident, (...) bei der zweiten Lesung Einigung zu diesem umstrittenen Bericht über den Schutz von Tieren, die zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden, erlangen. Ich habe für die Vereinbarung gestimmt, denn mir scheint, dass der Text ausgewogen ist, da Tiere geschützt werden, ohne die wissenschaftliche Forschung zu gefährden.
Die Vereinbarung betont, dass Forschung, bei der Tiere verwendet werden, erlaubt sein sollte, wo es nicht möglich ist, mithilfe von wissenschaftlich zufrieden stellenden Experimenten fortzufahren. Das Gesetz ist eindeutig: Es legt Kriterien für die Behandlung von Tieren, die zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden, fest und verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Anzahl der in Projekten verwendeten Tiere auf ein Mindestmaß beschränkt wird.
Ohne diesen Bericht ist es zwecklos, zu wiederholen, dass Europa mehr und mehr wissenschaftliche Forschung benötigt.
Marian Harkin (ALDE). – Herr Präsident, ich möchte Elizabeth Jeggle und allen Beteiligten zu dem ausgewogenen Kompromiss beim Schutz der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere gratulieren.
Die europäische Tierschutzbewegung begrüßt die zügige Annahme des vereinbarten Kompromisses. Ich glaube, dass der angenommene Text zu direkten und konkreten Vorteilen für den Tierschutz führt und gleichzeitig die Fortführung der notwendigen medizinischen Forschung in Europa ermöglicht, die hoffentlich zu neuen, innovativen und effektiven Behandlungsmöglichkeiten führt.
Der Kompromiss, den wir heute erzielt haben, ist außerdem ein wichtiger Schritt in Richtung Harmonisierung der europäischen Rechtsvorschriften über Tierexperimente, und das ist an sich schon sehr wichtig, denke ich.
Außerdem ist er auch eine humane Maßnahme, die Schmerzobergrenzen festgelegt hat und die Kommission bei begründeten Bedenken zur Kontrolle von Einrichtungen, die Tierversuche durchführen, verpflichtet hat.
Hannu Takkula (ALDE). – (FI) Herr Präsident, auch ich habe für Frau Jeggles Richtlinie über den Schutz von Tieren gestimmt, und ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass auch wir im Europäischen Parlament den Schutz von Tieren ernsthaft unterstützen.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass es sich bei diesem Vorschlag um einen guten Kompromiss handelt, der den Schutz von Tieren mit der wissenschaftlichen Forschung kombiniert. Dennoch sind wir in einem gewissen Umfang immer noch auf Tierversuche angewiesen, da noch keine Alternativen gefunden wurden. Es ist jedoch sehr wichtig, sicherzustellen, dass sie unter den richtigen Bedingungen stattfinden und dass sie so wenig Schaden, Schmerzen und Leiden wie möglich verursachen.
Dies ist ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung, da, wie wir wissen, die letzte Richtlinie noch von 1986 stammt. Ich hoffe, dass sie in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt wird und dass wir daher eine einheitliche Praxis haben werden, die den Tierschutz fördert und gleichzeitig auch Möglichkeiten für Fortschritte in der wissenschaftlichen Forschung bereitstellt.
Anna Záborská (PPE). – (SK) Ich begrüße die Arbeit von Frau Jeggle sehr, kann den Text der Richtlinie jedoch nicht unterstützen, da weder der Rat noch die Kommission ein Verbot der Nutzung menschlicher Embryozellen zur Rettung der Tiere garantiert hat. Die Richtlinie ist der Beweis dafür, dass wir uns, als Menschen, für andere lebende Wesen auf der Erde verantwortlich fühlen und gleichzeitig zeigt sie den traurigen Umstand, dass menschliches Leben jedoch nicht in hohem Maße von uns geschätzt wird. Wir sind bereit, die Verwendung von Affen in der Forschung auf Fälle zu beschränken, bei denen es um den Erhalt einer Art geht oder um eine Bedrohung menschlichen Lebens. Selbst in solchen Fällen ist die Forschung nur erlaubt, wenn gezeigt werden kann, dass keine andere Methode geeignet wäre. Wir sind jedoch nicht in der Lage, einen ähnlich strengen Schutz für menschliche Föten, ungeborene Kinder oder auch genetische Informationen zu gewährleisten. Dieser Bericht löst bei mir leider das Gefühl aus, als würde ich auf dem Planet der Affen leben.
Bogusław Liberadzki (S&D). – (PL) Ich unterstütze die Maßnahmen, die zum Schutz von Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, vorgeschlagen wurden. Ich denke, dass es sich dabei um vernünftige und ausgewogene Maßnahmen handelt, die zeitgemäß sind und den Ansprüchen unserer Zivilisation entsprechen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich bei der Stimmabgabe einen Fehler gemacht habe. Ich habe versehentlich für den ersten Änderungsantrag gestimmt, wobei ich jedoch für die Ablehnung sämtlicher Änderungsanträge war, daher rührt auch meine Erklärung.
Sirpa Pietikäinen (PPE). – (FI) Herr Präsident, ich habe nicht dafür gestimmt, das Gesetz über Tierexperimente an den Ausschuss zurückzuverweisen, weil ich nicht glaube, dass das Ergebnis nachher besser ausgesehen hätte. Ich habe jedoch für die drei vorgeschlagenen Änderungsanträge gestimmt.
Nach meiner Auffassung ist es sehr Besorgnis erregend, dass wir in Europa einen Schritt zurückgehen, wenn es um den Schutz von Tieren geht, die für Versuche verwendet werden. Derzeit gibt es in mehreren Mitgliedstaaten bereits bessere Methoden zum Erhalt von Forschungsergebnissen, ohne dass dafür Tiere in Versuchen verwendet werden. Tatsächlich würde diese Praxis dazu führen, dass die Entwicklung von alternativen Methoden gebremst wird.
Zudem zeigen Studien, dass mit der Verwendung von Primaten, auch in extremen Situationen, nicht die Ergebnisse für die menschliche Gesundheit erzielt werden, die in den Argumenten für den Vorschlag vorausgesetzt werden.
Clemente Mastella (PPE). – (IT) Herr Präsident, die Diskussion um die neuen Europa-2020-Leitlinien für Beschäftigung findet inmitten der Wirtschaftskrise statt, die in den kommenden Jahren zweifellos erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird.
Die derzeitige Krise hat aufgezeigt, dass effektive Mechanismen für eine schnelle Reaktion bei Anzeichen einer Krise nicht vorhanden sind. Dies zeigt, wie notwendig die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union ist, vorausgesetzt, sie wird gestärkt und effektiv gestaltet. Die Krise hat zudem auch die starke Verflechtung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Märkte und Beschäftigung gezeigt. Daher argumentiere ich, dass die von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten gemachten Anstrengungen zur Erreichung der Europa-2020-Ziele ein starkes Engagement erfordern, sodass sichergestellt wird, dass durch Investitionen in ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum auch die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze gefördert wird.
Die Strategie sollte zukünftig den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch durch eine enge Koordination der Struktur- und Kohäsionspolitik verhindern. Wenn wir sicherstellen wollen, dass diese neuen Leitlinien für die Politik effektiv sind, dann müssen wir angemessen berücksichtigen, dass die in den Mitgliedstaaten und zwischen den Regionen bestehenden sozioökonomischen Unterschiede überwunden werden müssen. Die EU-Struktur- und Kohäsionsfonds des momentanen Programmplanungszeitraums sowie etwaige zukünftige EU-Finanzierungsinstrumente spielen eine wichtige Rolle in dieser Beziehung.
Erminia Mazzoni (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe dafür gestimmt, da ich davon überzeugt bin, dass dies insgesamt die richtige Entscheidung ist. Dennoch bin ich nicht vollständig zufrieden, denn wir hätten sicherlich ehrgeiziger sein können, ganz besonders in Bezug auf die Frage des Zugangs junger Menschen und Frauen zum Arbeitsmarkt sowie die Annahme von Flexicurity als Mittel zur Bekämpfung von Arbeitsplatzunsicherheit – ein Übel, das ganz Europa plagt. Ich schätze die Arbeit des Berichterstatters sehr, die er trotz der kurzen Zeit geleistet hat.
Der Versuch der Vereinfachung ist sicherlich positiv zu bewerten, insofern, als dass ein einfacheres Format für die nunmehr vier beschäftigungspolitischen Leitlinien vorgeschlagen wurde, das die in der Europa-2020-Strategie festgelegten Ziele klar und deutlich aufzeigt. Genauso positiv ist meiner Meinung nach der Versuch, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, die dazu geführt haben, dass die Europa-2010-Ziele teilweise nicht erreicht wurden.
Ein weiterer positiver Punkt in diesem Dokument ist die Tatsache, dass es interessante Vorschläge zur Entwicklung der Idee enthält, dass Investitionen in Arbeitsplätze Ausdruck des Rechts auf Fortschritt sind, und nicht etwa nur ein Mittel zum Überleben.
Alajos Mészáros (PPE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident, aber ich habe wegen der Übersetzung meinen Namen nicht deutlich verstanden. Angesichts der Finanzkrise sind die Volkswirtschaften mehrerer Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiterhin anfällig. Daher sollten alle Anstrengungen unternommen werden, ein nachhaltiges Wachstum sicherzustellen und das Potenzial der europäischen Volkswirtschaften zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu stärken. Außerdem müssen wir demografische Veränderungen, die Globalisierung sowie die Einführung neuer Technologien berücksichtigen. Ich denke, dass es für die nächste Beschäftigungsstrategie wichtig ist, einen Ausgleich zwischen den kurzfristigen Problemen, die durch die Krise entstanden sind sowie den langfristigen Herausforderungen zu schaffen. Europas Beschäftigungspolitik hat eine Schlüsselrolle bei der Lösung der Probleme, denen wir gegenüberstehen. Außerdem stimme ich mit dem Berichterstatter überein, dass qualitativ hochwertige Ausbildung und lebensbegleitendes Lernen bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit von strategischer Bedeutung sind. Ich kann diesen Vorschlag nur unterstützen und möchte Csaba Őry zu seinem hervorragenden Bericht gratulieren.
Der Präsident. – Herr Mészáros (Meh-za-rosch), wir haben hier die Aussprache Ihres Namens, so wie ich ihn gerade ausgesprochen habe. Falls das nicht korrekt ist, sagen Sie uns bitte, wie wir ihn aussprechen sollen.
Alajos Mészáros (PPE). – ‘Mészáros’ (Meh-ßah-rosch) „Alajos Mészáros“. Das ist nicht einfach. Vielen Dank.
Sergej Kozlík (ALDE). – (SK) Ich unterstütze die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten voll und ganz so, wie sie vom Europäischen Parlament angenommen wurden. Arbeit und Beschäftigung müssen die Hauptergebnisse jeder erfolgreichen Wirtschaftspolitik sein. Durch die Verbindung von Wachstum und Arbeitslosigkeit auf der einen Seite mit der Entwicklung einer umweltfreundlichen Wirtschaft auf der anderen Seite werden außerdem die Voraussetzungen für die Vermeidung von Klima- und Umweltproblemen geschaffen. Die Naturkatastrophen, die seit Jahren wüten, ganz besonders die Überschwemmungen in vielen Teilen Europas, zeigen, dass neue langfristige Arbeitsplätze auch im Bereich des Aufbaus des Hochwasserschutzes geschaffen werden können. Geld, das für den Erhalt der Wasserwege sowie zum Erhalt und Bau von öffentlichen Abwasseranlagen, Abwasserkanälen und Rückhaltesperren ausgegeben wird, wäre sicherlich erheblich weniger als die Kosten, die zur Beseitigung der Flutwasserfolgen aufgewendet werden müssen.
Giommaria Uggias (ALDE). – (IT) Herr Präsident, die Bewältigung der Finanzkrise sowie der Beginn des wirtschaftlichen Aufschwunges, der in der Europäischen Union stattfindet, wenngleich in unterschiedlichem Tempo, finden zu Lasten der Arbeitsplätze und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer statt.
Dieser Trend steht in krassem Gegensatz zum Programm der Kommission, das von diesem Parlament angenommen wurde sowie zu dem Ansatz des spezifischen Europa-2020-Programms, das festlegt, dass Wirtschaftswachstum mit der Einbeziehung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einhergehen muss. Die von uns heute angenommenen integrierten Leitlinien sind ein sehr positiver Schritt in diese Richtung, dazu gehört auch die siebte, die die Mitgliedstaaten der Union auffordert, strukturelle Arbeitslosigkeit mithilfe konkreter Maßnahmen zu verringern.
Wir müssen uns stets vor Augen halten, dass Arbeit der Grundpfeiler einiger Verfassungen ist, wie zum Beispiel in Italiens Artikel 1, der lautet: „Italien ist eine demokratische, auf Arbeit gegründete Republik“ und dass Arbeit auch die Grundlage der menschlichen Würde bildet.
Tunne Kelam (PPE). – Herr Präsident, ich unterstütze die integrierten Leitlinien, die das Problem der Arbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten angehen.
Gleichzeitig sollte jede Lösung einen qualitativen Ansatz beinhalten. Wie Präsident Barroso gestern hervorgehoben hat, gibt es heute vier Millionen offene Stellen in Europa. Für diese offenen Stellen werden hauptsächlich gut ausgebildete Arbeitskräfte benötigt. Daher fordere ich die Kommission auf, den vorgeschlagenen Europäischen Monitor für offene Stellen (European Vacancy Monitoring System) unverzüglich mitsamt einem Europäischen Qualifikationspass einzuführen.
Das Ziel für Gesamteuropa sollte sein, unserem Kontinent gut ausgebildete Arbeitskräfte zu sichern. Außerdem brauchen wir Mut, um die verwaltungstechnischen sowie die nichttarifären Hemmnisse für kleine und mittlere Unternehmen drastisch zu reduzieren.
Alfredo Antoniozzi (PPE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil ich mit dem Ansatz des Berichterstatters übereinstimme. Auf der einen Seite unterstützt er eine Reduzierung der Anzahl der von der Kommission vorgeschlagenen integrierten Leitlinien, und auf der anderen Seite legt er fest, dass diese geringere Anzahl von Leitlinien und gemeinsamen Zielen für Europa die Politiken der Mitgliedstaaten nicht aufgrund ihrer Klarheit und operationellen Nützlichkeit leiten kann und darf.
Darüber hinaus stimme ich mit dem Teil überein, in dem der Berichterstatter angibt, dass, falls Europa 2020 effektiv sein soll und die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen effizient sein sollen, wir angemessen berücksichtigen müssen, dass die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und den Regionen Europas beseitigt werden müssen, und zwar nicht zuletzt durch die Nutzung der Strukturfonds und des Kohäsionsfonds.
Marian Harkin (ALDE). – Herr Präsident, die eigentliche Frage in Bezug auf den hervorragenden Bericht von Herrn Őry über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen ist, ob der Rat die Empfehlungen berücksichtigen wird.
Gestern Abend war ich erfreut zu hören, dass der belgische Ratsvorsitz zugesagt hat, die Empfehlungen des Parlaments zu prüfen. Ich möchte dem Rat sagen, dass es sehr wichtig ist, dass er viele der wirklich hervorragenden Empfehlungen in Herrn Őrys Bericht aufnimmt – ich denke da insbesondere an die Empfehlungen in Bezug auf eine verbesserte Governance. Jeder würde zustimmen, dass die offene Koordinierungsmethode in Bezug auf die Agenda von Lissabon sicherlich nicht effektiv war. Wir müssen sicherstellen, dass die festgelegten Ziele und Zwischenziele am Maßstab der EU-2020-Ziele gemessen und überwacht werden.
Ich freue mich, dass Änderungsantrag 62 angenommen wurde, da ich denke, dass seine Umsetzung bei der Verringerung von regionalen Unterschieden helfen wird. Außerdem unterstütze ich das Konzept, dass beschäftigungsförderndes Wachstum auf menschenwürdiger Arbeit basieren sollte, wie von der IAO vertreten.
Czesław Adam Siekierski (PPE). – (PL) Es ist begrüßenswert, dass die Europäische Kommission den Vorschlag zu den integrierten Leitlinien zu Europa 2020 vorgelegt hat, den wir heute im Parlament angenommen haben. Angesichts der momentanen weltweiten wirtschaftlichen Lage ist dies ein guter Schritt, der das Engagement der EU-Institutionen und deren Übernahme von Verantwortung für Wirtschaft und Beschäftigung zeigt. Außerdem ist begrüßenswert, dass die Notwendigkeit von Kohärenz und Transparenz bei der Erstellung der Leitlinien nicht vergessen wurde. Maßnahmen wie zum Beispiel die Verstärkung der Beteiligung am Arbeitsmarkt, Verringerung struktureller Arbeitslosigkeit, Entwicklung gut ausgebildeter Arbeitskräfte, Förderung qualitativ hochwertiger Arbeit und lebensbegleitenden Lernens, Erhöhung der Anzahl der Menschen, die eine Hochschulausbildung absolvieren sowie der Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung müssen mit hoher Dringlichkeit durchgeführt werden, da sie eine nachhaltige Wirtschaft sicherstellen und das Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen haben. Der Bericht hat Recht, wenn er sagt, dass es notwendig ist, die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze zu erleichtern, wenn in nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung investiert wird und dass sichergestellt werden muss, dass die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und den Regionen wegfallen müssen. Insgesamt möchte ich meine tiefe Hoffnung ausdrücken, dass Europa 2020 das Ergebnis bringen wird, das wir erwarten, und zwar ganz besonders im Bereich der Beschäftigungspolitik.
Daniel Hannan (ECR). – Herr Präsident, vor dreißig Jahren erzielten die Länder des – nennen wir es – „alten Europa“, also die 15 Mitgliedstaaten der EU vor der Erweiterung durch die ehemaligen COMECON-Länder, 36 % des Weltbruttoinlandprodukts. Heute sind dies 35 % und in 10 Jahren werden es voraussichtlich 15 % sein.
Nun, was ist der Grund dafür? Wir können nicht alles auf den Aufschwung Asiens schieben. Der Anteil Kanadas und der USA am Weltbruttoinlandsprodukt ist im selben Zeitraum recht stabil geblieben.
Die Wahrheit ist doch, dass wir uns mit höheren Steuern, strengerer Regulierung, übereifrigen Aufsichtsbehörden sowie Lizenzen, Inspektoren, Bürokraten und Verwaltungsangestellten belastet haben. Das hätte vielleicht Sinn gemacht, wenn die Hauptwettbewerber vom eigenen Kontinent gekommen wären. In einer Welt, in der wir mit China und Indien konkurrieren, macht dies jedoch keinen Sinn.
Dies ist umso mehr Grund für Ihre und meine Wählerinnen und Wähler, über ihren eigenen Tellerrand hinauszublicken und diese beengte und schrumpfende regionale Zollunion zu verlassen und eine globale Ausrichtung neu zu entdecken, die unsere Väter als selbstverständlich hinnahmen.
Syed Kamall (ECR). – Herr Präsident, lassen Sie uns mit den positiven Aspekten des Berichts beginnen. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir alle die Idee des lebensbegleitenden Lernens unterstützen. Für zu lange Zeit und zu viele Jahre hatte man nur eine einzige Möglichkeit, Prüfungen zu absolvieren und dies entschied zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben – mit 11 oder mit 18 Jahren – über deine Zukunft.
In einer Zeit, in der sich die Wirtschaft ständig verändert und bestimmte Sektoren über Nacht verschwinden können, ist es hilfreich, wenn unsere Bürgerinnen und Bürger an lebensbegleitendem Lernen teilnehmen können. Gleichzeitig sollten wir uns den weiteren Zusammenhang ansehen.
In diesem Plenarsaal sprechen wir oft über die Idee eines sozialen Europas. Der Ausdruck „soziales Europa“ ist jedoch häufig nur ein Deckmantel für Politiken, die in Wahrheit die Schaffung von Arbeitsplätzen behindern und den kleinen und mittleren Unternehmen, die der Wachstumsmotor Europas sind, weitere Lasten aufbürden und somit die Schaffung neuer Arbeitsplätze erschweren.
Der Staat sollte kleineren Unternehmen nicht im Weg stehen. Lassen wir diese Unternehmen Arbeitsplätze, Reichtum und Wohlstand für alle schaffen.
Erminia Mazzoni (PPE). – (IT) Herr Präsident, ich habe beantragt, dass die Abstimmung über diesen Entschließungsantrag vorgezogen wird. Ich bin einer der Unterzeichner und habe dafür gestimmt. Ich muss allerdings zugeben, dass ich von diesem Parlament etwas mehr erwartet und erhofft hatte.
Ich stimme zu, dass dies eine dringende Entscheidung war, es war jedoch auch eine sehr wichtige Entscheidung. Dringend war sie, weil es um die Rettung des Lebens von Sakineh Mohammadi-Ashtiani ging und wichtig war sie für dieses Parlament, weil wir nicht einfach so mit dem Verurteilen, Anprangern, Beklagen und Stigmatisieren weitermachen können wie bisher und uns aber gleichzeitig so wie immer verhalten und die gleiche Einstellung zu Ländern wie dem Iran an den Tag legen können. Ich denke, dass Iran diesmal noch mehr Arroganz gegenüber der internationalen Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen gezeigt hat. Ihm sind sämtliche Beschwerden und Appelle gleichgültig.
Die heutige Lage hat sich verändert und ist ernster geworden, da sich das Verhalten Irans im letzten Jahr erheblich verschlimmert hat und Ereignisse eingetreten sind, die nicht im Einklang mit den Verpflichtungen stehen, die von der iranischen Regierung auf internationaler Ebene eingegangen wurden.
Nach meiner Auffassung sollten strengere Maßnahmen und Sanktionen gegen dieses Land verhängt werden, und zwar sowohl von den einzelnen Mitgliedstaaten als auch von den europäischen Institutionen. Wir können keine diplomatischen Beziehungen mit einem Staat weiterführen, der die Appelle der Europäischen Union nicht akzeptiert und ihnen nicht einmal zuhört.
Der Präsident. – In meiner langjährigen Erfahrung im Europäischen Parlament habe ich niemals eine so große Mehrheit für eine Entschließung dieser Art erlebt, mit einer Nein-Stimme, 22 Enthaltungen und mehr als 600 Ja-Stimmen. Ich denke, Sie haben es geschafft, die Botschaft auszusenden, die Sie senden wollten. Vielen Dank dafür.
Tunne Kelam (PPE). – Herr Präsident, ich habe diese Entschließung natürlich unterstützt. Dies ist nur eine weitere Erklärung zur Unterstützung der Rettung des Lebens von Frau Sakineh Ashtiani.
Dies ist traurigerweise kein Einzelfall. Seit das derzeitige klerikale Terrorregime vor 31 Jahren die Macht ergriff, wurden bis zu 300 Frauen zu Tode gesteinigt. Auch das öffentliche Hängen, sogar von Minderjährigen, wird weiter praktiziert. Wir sollten alles tun, um das Leben von Frau Ashtiani zu retten, aber auch wenn wir das schaffen, wird sich an der Natur dieses Regimes wahrscheinlich nichts ändern. Daher müssen wir ohne Vorbehalte die mutigen Menschen im Iran – und das sind seit dem letzten Sommer mehrere Millionen – unterstützen bei ihrem Versuch, das derzeitige Regime durch ein offenes, nichtmilitantes und demokratisches Regime zu ersetzen. Wir sollten keine Angst haben, dies zu versuchen.
Mairead McGuinness (PPE). – Herr Präsident, ich wiederhole Ihre Worte und gratuliere Frau Mazzoni für ihre Arbeit zu dieser Entschließung, die ich voll unterstütze.
Bei all der Betriebsamkeit diese Woche in Straßburg hatte ich für das wichtigste Treffen leider am wenigsten Zeit. Ich meine das Treffen mit den Frauen aus dem Iran, die hier nach Unterstützung für ihre Kolleginnen und Kollegen und für diese Entschließung suchen.
Ich habe mich aber sehr gefreut, sie zu treffen und meine Unterstützung zugesagt. Es ist erstaunlich und erwähnenswert, dass wir zum Thema Tierschutz mehr E-Mails erhalten haben als zum Thema Menschenleben. Dies sei nur nebenbei bemerkt.
Ich denke, da wir darum gebeten wurden, sollten wir dieses bestimmte Wort benutzen, nämlich dass viele der Frauen, die zum Tod durch Steinigung oder durch andere Weise verurteilt wurden, wegen des Verbrechens des „mohareb“ verurteilt werden, was wörtlich bedeutet: jemand, der Krieg gegen Gott führt. In Wahrheit ist jedoch alles, was diese Frauen getan haben, dass sie gegen die Diktatur in ihrem Land protestiert haben und den Wunsch haben, für sich etwas zu verbessern und ihre Rechte in diesem Land wiederherzustellen.
Und so stehe ich nun hier und unterstütze diese Frauen. Es gibt nur sehr wenig, was ich tun kann, aber ich denke, dass dieses Parlament bei dieser überwältigenden Abstimmung heute Bände gesprochen hat und hoffe, dass dadurch etwas bewirkt wird.
Cristiana Muscardini (PPE). – (IT) Herr Präsident, diese Entschließung ist der erste wichtige Schritt für das Parlament, zu lernen, wie es jede einzelne Maßnahme bei jeder Sitzung nutzen kann, um diesen Kampf fortzuführen, der heute darin besteht, das Leben von Sakineh Mohammadi-Ashtiani zu retten, aber der vor allem darin besteht, ein unterdrückerisches, höchst inhumanes Regime zu bekämpfen.
Ich meine jedoch, dass die Kommission und der Rat zukünftig proaktiver und entschlossener sein sollten, und jedes Wort, das in diesem Plenarsaal gesprochen wird, soll ein Stein vor den Füßen derjenigen sein, die das Steinigen ausführen, sodass eine Mauer der Schande um sie errichtet wird und sie von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Sakineh muss gerettet werden und mit ihr die Frauen und Männer auf der ganzen Welt, die immer noch Opfer dieser barbarischen Grausamkeit werden, die es noch nicht mal unter den wildesten und primitivsten Tieren gibt.
Es ist eine Bestie, nämlich der Teufel, der Mund und Hände dieser unwürdigen Führer und vermeintlich Heiligen führt, die der Allmächtige bereits ohne jegliche Möglichkeit der Gnade verdammt hat. Sie sollten begreifen, dass, falls sie jetzt nicht aufhören, ihre Zeit vorbei ist, genau wie unsere, wenn wir uns nicht stets bemühen, den Opfern einer barbarischen Gesellschaft zu helfen.
Hannu Takkula (ALDE). – (FI) Herr Präsident, ich habe für diesen Bericht gestimmt und hoffe wirklich, dass er dabei helfen wird, das Leben von Sakineh Mohammadi-Ashtiani zu retten. Ich bin ein wenig skeptisch, so wie viele andere hier auch, denn leider wissen wir, dass totalitäre Staaten wie beispielsweise der Iran auf unsere Appelle nicht hören.
Um die Worte eines anderen Redners zu wiederholen, ich bin ziemlich besorgt darüber, dass hier kaum etwas über die Menschenrechte gesagt wurde, viel jedoch über die Rechte der Tiere. Natürlich ist auch das ein sehr wichtiges Thema, aber diese Dinge sollten relativiert werden. Die Verteidigung der Menschenrechte sowie der Grundwerte ist eine sehr wichtige Aufgabe der Europäischen Union.
Ich hoffe aufrichtig, dass dieser Bericht dazu beitragen kann, unser Engagement zum Thema Menschenrechte und deren Wichtigkeit zur Sprache zu bringen, und zwar auch in totalitären Staaten wie dem Iran und auf diese Weise diese brutale Todesstrafe ein für alle Mal zu beenden.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, wie Sie richtig bemerkt haben, ist das so gut wie einstimmige Ergebnis der heutigen Abstimmung sehr wichtig. Ich habe mich gefreut, zu denjenigen zu gehören, die für die Entschließung gestimmt haben.
Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass ich kein Protesttyp bin. Ich habe sicherlich noch nie zuvor ein T-Shirt dieser Art getragen, aber dieser unverhältnismäßige Vorschlag, jemanden zu kriminalisieren und ihn für ein angebliches Verbrechen sogar mit dem Tod zu bestrafen, ist so widerlich, so barbarisch, so unverhältnismäßig und so Ekel erregend, dass ich das Gefühl hatte, ich musste etwas tun. Hoffentlich kommt die Botschaft, dass dieses Vorgehen nicht mehr zeitgemäß ist und aufhören muss, auch bei den iranischen Behörden an.
Politischer Druck und öffentliche Proteste haben in vielen Ländern dazu geführt, dass die Todesstrafe abgeschafft wurde. Hoffentlich bereitet unser heutiger Protest dieser schrecklichen Situation ein Ende. Wie schon Herr Kelam sagte, 300 Menschen wurden bereits zu Tode gesteinigt, was entsetzlich ist. Dies muss aufhören, und wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um sicherzustellen, dass dies ein Ende hat.
Syed Kamall (ECR). – Herr Präsident, dies betrifft den Antrag über Iran. Wir alle teilen dieselbe Sorge und wie Sie, Herr Präsident, gerade sagten, zeigt das Ergebnis das überwältigende Gefühl, das hier im Plenarsaal durch das gesamte politische Spektrum hindurch herrscht.
Unsere Sorge betrifft die Tatsache, dass diese beiden Frauen unter anderem kein rechtsstaatliches Verfahren erhalten, und wenn sie versuchen, Rechtsanwälte zu beauftragen, werden diese Rechtsanwälte selbst verfolgt und aus dem Land vertrieben.
Wir haben eine Regierung vor uns, die die Demokratie missachtet, eine Regierung, die das Ergebnis der Wahlen ignoriert und dann Menschen verprügelt und Demonstranten tötet, die mehr Demokratie wollen.
Wir sind außerdem Zeuge der Verfolgung von Menschen anderer Religionen, des christlichen Glaubens, des Glaubens der Baha'i.
Wir möchten aber auch noch kurz eine andere Person hervorheben, an die wir denken sollten und das ist Ibrahim Hamidi, dem Homosexualität vorgeworfen wird. Die Tatsache, dass eine Person wegen ihrer Sexualität verfolgt werden kann, ist ein Schandfleck für den Charakter dieses Landes.
Hoffen wir, dass dieses Regime in naher Zukunft gestürzt wird.
Der Präsident. – Ich möchte Ihnen allen danken. Als Vizepräsident, der für die Menschenrechte und Demokratie zuständig ist, unterstütze ich die vorgetragenen Anmerkungen voll und ganz. Als jemand, der die so genannte iranische Gerechtigkeit vor einigen Jahren persönlich erlebt hat, kann ich nur mein Entsetzen zu der derzeitigen Situation im Iran zum Ausdruck bringen und hoffe, wie Sie alle, dass dies bald ein Ende hat. Außerdem hoffe ich, dass die eine Stimme gegen die Entschließung ein Irrtum war, und dass das Ergebnis eigentlich einstimmig war.
Daniel Hannan (ECR). – Herr Präsident, die iranische Revolution von 1979 wird eines Tages als epochales Ereignis angesehen werden, auf einer Stufe mit der Französischen Revolution von 1789 und der Russischen Revolution von 1917. Genau wie diese, breitete sie sich umgehend über ihre Grenzen hinweg aus und strebte eine Verbreitung auf der ganzen Welt an. Wie diese, schenkte sie den Grundsätzen der territorialen Souveränität und Gebietshoheit keine Beachtung.
Die Besetzung der amerikanischen Botschaft wurde zum symbolischen Akt der Ayatollahs für diese Missachtung. Sogar im Zweiten Weltkrieg, als gegensätzliche Ideologien sich bekämpft haben, um sich gegenseitig auszurotten, wurde die Unantastbarkeit der diplomatischen Vertretungen respektiert. Die Ayatollahs haben auf diese Weise symbolisiert, dass die alten Regeln nicht für sie galten und dass sie einer anderen Macht unterstanden. Sie haben so weitergemacht, wie sie es angekündigt haben, ihre Milizen und terroristischen Organisationen unterstützt und dabei den Grundsatz der Gebietshoheit missachtet. Vom Golf über den Libanon zu den Khanaten der Seidenstraße bis hin zum Balkan haben sie zivile Ziele angegriffen, sogar in London und Buenos Aires.
Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass wir in einer noch stärkeren Position bei ihrer Verurteilung wären, wenn wir selbst den Grundsatz der Gebietshoheit und in der Tat der Demokratie mehr respektieren würden. Ich hoffe, dass die Mitglieder, die sehr ernst und bewegend über das Fehlen einer repräsentativen Regierung im Iran gesprochen haben, die gleichen hohen Standards beim nächsten Mal, wenn wir ein Referendum innerhalb der Europäischen Union abhalten werden, anwenden.
Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung
Empfehlung für die zweite Lesung: Elisabeth Jeggle (A7-0230/2010)
Luís Paulo Alves (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, da ich der Meinung bin, dass er die bestehende Richtlinie aus dem Jahr 1986 aktualisieren wird, und weil er auch auf die Verbesserung des Gleichgewichts zwischen den Interessen des Forschungssektors und einem stärkeren Schutz der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere abzielt. Vor diesem Hintergrund halte ich es auch für erforderlich, einen Kompromiss zu finden, der die Weiterentwicklung von Alternativen zum Einsatz von Tieren fördert und das Wohlergehen der Tiere stärkt, ohne dabei die Fortschritte in diesem Sektor zu beeinträchtigen.
Die wichtigsten Punkte, die in diesem Bericht angenommen wurden, beziehen sich auf tierschutzrelevante Aspekte. Diese werden zugunsten alternativer Ansätze, die auch ohne den Einsatz lebender Tiere auskommen, ersetzt. Ein weiteres Ziel besteht in der Einführung eines Prozesses zur Klassifizierung der an Tieren angewandten Methoden nach Schmerzstufen, der Festlegung einer maximalen Schmerzgrenze und der Anwendung der Richtlinie mittels eines effektiveren Kontrollsystems. Die mangelnde Überwachung hat manchmal dazu geführt, dass Versuche durchgeführt wurden, für die es Alternativen zum Einsatz von Tieren gegeben hätte, bei denen aber dennoch weiterhin Tiere eingesetzt wurden. Dies gilt insbesondere für Grundlagenversuche, die nicht auf den Nachweis wissenschaftlicher Hypothesen ausgelegt waren.
Sophie Auconie (PPE), schriftlich. – (FR) Angesichts der Vielfalt der nationalen Gesetze und des niedrigen Tierschutzniveaus in einigen Mitgliedstaaten ist nun eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften hinsichtlich der Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke notwendig. Unsere Berichterstatterin Frau Jeggle hat bereits darauf hingewiesen, dass ein ausgewogener Kompromiss mit dem Rat erzielt wurde. In der Tat ist es sehr wichtig, parallel zum Tierschutz zu gewährleisten, dass die Forschung weiterhin eine tragende Rolle bei der Krankheitsbekämpfung spielt. Ich habe deshalb für diesen Bericht gestimmt und wie meine Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) die seitens der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz eingereichten Änderungsanträge abgelehnt.
Zigmantas Balčytis (S&D), schriftlich. − (LT) Ich habe diesen wichtigen Kompromiss unterstützt. Der Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere ist wirklich ein sehr schwieriges Thema, da die Interessen zahlreicher unterschiedlicher Gruppen berücksichtigt werden müssen, die mitunter gegensätzliche Meinungen und Ansprüche vertreten. Ich glaube, dass mit dieser Einigung ein angemessener Interessenausgleich gefunden wurde. Bei der Einigung stand die Förderung von Alternativmethoden für Tierversuche im Mittelpunkt sowie die Verbesserung der Bedingungen für die Haltung und Verwendung von Tieren. Wir haben es auch geschafft, die seitens des Europäischen Parlaments in erster Lesung gemachten Stellungnahmen beizubehalten bezüglich der Reduzierung des Verwaltungsaufwands sowie hinsichtlich der Kontinuität und Lebensfähigkeit der europäischen Forschung und der Industrie, die nach wie vor auf die Verwendung von Tieren angewiesen sind. Es ist notwendig, Alternativmethoden für Tierversuche weiter zu fördern. Vorgesehen ist ein EU-Referenzlaboratorium für die Validierung alternativer Methoden, das von den Mitgliedstaaten durch weitere Mittel in Form von geeigneten Speziallabors unterstützt wird. Ich bin der Meinung, dass diese Entschließung den Erfordernissen der Industrie und der Forschungsgemeinschaft auf ausgewogene Weise entgegenkommt und gleichzeitig die Tierschutzstandards für Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden oder verwendet werden sollen, erhöht und vereinheitlicht.
Sebastian Valentin Bodu (PPE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße das Interesse der Europäischen Union am Tierschutz im Allgemeinen und an den zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstieren im Besonderen. Angesichts der enormen Erweiterung der Europäischen Union und der erzielten technischen Fortschritte musste jedoch eine neue Richtlinie angenommen werden, deren Ziel es ist, die Vorgehensweisen im Umgang mit Tieren zu standardisieren. Der Schutz der Tiere und die Gewährleistung ihrer angemessenen Behandlung sind gemeinschaftliche Werte, denen ein einstimmig beschlossenes Protokoll gewidmet ist. Die EG-Richtlinie aus dem Jahre 1985 zielte darauf ab, die Unstimmigkeiten zwischen den gesetzlich festgelegten Bestimmungen der Mitgliedstaaten und den Verwaltungsakten zum Schutz der zu Versuchs- und wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tiere zu beseitigen. Die Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten haben sich jedoch seit der Annahme der einschlägigen Richtlinie noch verstärkt, insbesondere, da die EU seitdem neue Mitglieder aufgenommen hat.
Die vom Parlament angenommene Entschließung wird die Unterschiede zwischen den Schutzniveaus für Tiere, die in den Mitgliedstaaten für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, verringern. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, zu dem wir uns alle bewusst sind, dass dieses Vorgehen für die Erhaltung der Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für die Umwelt notwendig ist. Diese Entschließung ist ein Fortschritt, wenn es darum geht, das einstimmig formulierte Ziel der umfassenden Abschaffung von Versuchen mit lebenden Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken zu erreichen, sobald dies mithilfe zukünftiger Erkenntnisse möglich sein wird.
Maria Da Graça Carvalho (PPE), schriftlich. − (PT) Die Verwendung von Tieren in der wissenschaftlichen Forschung ist verbunden mit Entdeckungen von großer sozialer Bedeutung, der Erhöhung der Lebenserwartung und des Wohlbefindens der Menschen. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand ist eine völlige Abschaffung von Tierversuchen unmöglich. Daher muss sichergestellt werden, dass den Tieren, die noch immer für Versuche eingesetzt werden, der höchstmögliche Schutz zu Teil wird, der mit den Zielen des Versuchs vereinbar ist, und dass das höchstmögliche Wohlbefinden der Tiere gewährleistet ist.
Ich bin überzeugt, dass die vorliegende Gesetzesüberarbeitung höhere Standards zur Stärkung des Tierschutzes notwendig macht. Mit dieser Richtlinie verbessert die Europäische Union ihre Standards für das Wohlbefinden der in wissenschaftlichen Experimenten eingesetzten Tiere, da sie eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung der Anzahl der entsprechenden Tiere spielt und, wo auch immer möglich, alternative Methoden fordert, bei gleichzeitiger Gewährleistung von fairen Wettbewerbsbedingungen für den EU-Industriesektor und Erhöhung der Qualität der wissenschaftlichen Forschung in der EU. Das heutige Abstimmungsergebnis hat einen allgemeinen Konsens über die Notwendigkeit aufgezeigt, die Bedingungen für die Tiere zu verbessern, welche für die wissenschaftliche Forschung und Unbedenklichkeitsprüfungen erforderlich sind; gleichzeitig werden ein hoher Forschungsstandard beibehalten und die Anstrengungen bei der Suche von Alternativen zu Tierversuchen verstärkt.
Carlos Coelho (PPE), schriftlich. – (PT) Jede zivilisierte Gesellschaft erkennt Tiere als Lebewesen an, die Anteil an unserem Dasein haben, und denen Schmerzen und Leiden so weit wie möglich erspart bleiben sollten. Dennoch weiß ich um den Bedarf an Tieren für den Einsatz in wissenschaftlichen Versuchen, um neue Medikamente und Therapien zu testen oder um wissenschaftliche Forschung in Erkenntnisse umzuwandeln, die zur Heilung von Krankheiten beitragen oder Leiden verringern und die Lebenserwartung der Menschen erhöhen.
Die Vielschichtigkeit der Rechtsvorschriften und der Mangel an einem angemessenen Schutz in einigen Mitgliedstaaten haben die Annahme einer Richtlinie erforderlich gemacht, die Mindeststandards vorgibt, ohne dabei diejenigen Mitgliedstaaten zu benachteiligen, die den betroffenen Tieren einen größeren Schutz bieten. Die Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission waren nicht einfach, brachten jedoch schließlich einen Text hervor, der meiner Ansicht nach weitgehend ausgewogen ist und unsere Unterstützung verdient. Dies ist ein Fortschritt, den wir begrüßen sollten, wenngleich in einigen Punkten ein besseres Ergebnis hätte erzielt werden können.
Anne Delvaux (PPE), schriftlich. – (FR) Ich freue mich darüber, dass dieser Bericht angenommen wurde, da Versuche an Menschenaffen, wie zum Beispiel Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans von nun an streng verboten sein werden. Der Text sieht auch vor, dass Tierversuche so weit wie möglich durch wissenschaftlich zufriedenstellende alternative Verfahren ersetzt werden. Und schließlich wird in dem Dokument eine Minimierung der Schmerzen und Leiden gefordert, die den Tieren zugefügt werden. Von nun an dürfen Tiere nur noch für Versuche eingesetzt werden, die darauf ausgelegt sind, die Forschung auf Menschen, Tiere und Krankheiten (Krebs, Multiple Sklerose, Alzheimer und Parkinson) auszudehnen. Die Annahme dieses Berichts ist ein weiterer Schritt hin zur Gewährleistung des Schutzes und Wohlergehens von Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden.
Edite Estrela (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für den Bericht zum Schutz der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tiere gestimmt, da ich der Meinung bin, dass der mit dem Rat erzielte Kompromiss das bestmögliche Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der wissenschaftlichen Forschung im Hinblick auf die Erhaltung der menschlichen Gesundheit und dem Wohlergehen und den Rechten der Tiere darstellt.
Diogo Feio (PPE), schriftlich. – (PT) Wie bereits von den beteiligten Parteien erwähnt wurde, stellt der Text, den wir heute annehmen sollen, einen zufriedenstellenden Kompromiss zwischen den unterschiedlichen vertretenen Interessen dar, und wurde im Anschluss an lange Verhandlungen zwischen den beteiligten Institutionen erzielt: dem Parlament, der Kommission und dem Rat. Ich finde, dass es in zivilisierten Gesellschaften außer Frage steht, dass der Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke in angemessener Weise geregelt sein muss, wie dies in Europa der Fall ist. Wir sind hier, um über die angemessene Regulierung ihres Einsatzes zu sprechen. Dieser ist für den wissenschaftlichen Fortschritt und die Entdeckung neuer Verfahren, Behandlungsmethoden und Medikamente, die in der Zukunft einen großen Gewinn für unsere Zivilisation und einen Nutzen für jedermann darstellen werden, von entscheidender Bedeutung.
Es wird ersichtlich, dass diese Regulierung im Hinblick auf den Tierschutz nicht übertrieben sein darf. Andernfalls würde dies wissenschaftliche Studien und die wissenschaftliche Forschung beeinträchtigen. Mit meiner Entscheidung entscheide ich mich für die Menschen, die in der Zukunft von den Ergebnissen, deren Untersuchung und Erforschung wir heute mithilfe der Tiere ermöglichen, profitieren werden. Wenn der Vorschlag, den wir heute annehmen werden, Fortschritte in der Untersuchung von neurologischen Erkrankungen, von Autoimmunkrankheiten oder Krebs ermöglicht, dann werden wir meiner Meinung nach alle davon profitieren.
José Manuel Fernandes (PPE), schriftlich. − (PT) In den 27 Mitgliedstaaten werden jährlich etwa 12 Millionen Tiere in wissenschaftlichen Verfahren verwendet. Es sollte alles daran gesetzt werden, die Zahl der in solchen Experimenten verwendeten Tiere auf das unverzichtbare Minimum zu reduzieren. Der pragmatischste Ansatz hierfür besteht in der Verwendung alternativer Verfahren, da nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand noch nicht völlig auf Tierversuche verzichtet werden kann.
Die Richtlinie 86/609/EWG zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere wurde zur Harmonisierung der Verfahren auf dem Gebiet der Tierversuche in der EU angenommen. Eine Reihe von Mitgliedstaaten haben jedoch ehrgeizigere Ziele festgelegt als andere Mitgliedstaaten, die lediglich die Mindestvorschriften anwendeten. Deshalb ist das Ziel dieser Entschließung die Beseitigung dieser Unterschiede. Es müssen faire Bedingungen für die Industrie und die Forschungsgemeinschaft der EU garantiert werden. Zugleich soll der Schutz der Tiere verstärkt werden, die noch in wissenschaftlichen Verfahren eingesetzt werden, gemäß dem Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen von Tieren im Anhang des EG-Vertrags. Im Bereich der Tierversuche muss es eine verstärkte Förderung der Entwicklung, Validierung, Anerkennung und Umsetzung alternativer Methoden geben, und das 3R-Prinzip – replace, reduce and refine – der Vermeidung, Verminderung und Verbesserung von Tierversuchen muss angewendet werden.-
João Ferreira (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir sind der Meinung, dass in diesem wie auch in anderen Bereichen die Schaffung gemeinsamer Mindestschutzstandards in den Rechtsvorschriften einen Mitgliedstaat nicht davon abhalten dürfen, weiterführende und strengere Schutzmaßnahmen zu ergreifen, falls er dies wünscht. Aus diesem Grund haben wir in dieser Frage für den Änderungsvorschlag gestimmt. Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, Techniken und Methoden weiterzuentwickeln, welche die Vermeidung von Tierversuchen ermöglichen, wie wir in der Aussprache erklärt haben. Aber das reicht nicht aus.
Es ist ebenfalls wichtig, diese Techniken zu verbreiten und ihre Übernahme durch einen Großteil der F&E-Einrichtungen, darunter auch nationale wissenschaftliche und technologische Systeme mit vergleichsweise niedrigeren Entwicklungsständen, zu ermöglichen. Jeder rechtliche Rahmen in diesem Bereich muss diese Anforderung berücksichtigen. Wir glauben jedoch nicht, dass die vorgeschlagenen Änderungen dies umfassend gewährleisten können. Die Europäische Union wird in diesem Bereich eine wichtige Rolle spielen müssen, um die Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen und technologischen Einrichtungen und Systemen in den unterschiedlichen Ländern, darunter auch Drittländer, zu fördern.
Robert Goebbels (S&D), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Kompromiss zwischen Parlament und Rat zur Stärkung des Schutzes der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere gestimmt. Die gesundheitlichen Bedürfnisse der Menschen erfordern manchmal die Opferung von Tieren. Die Verwendung von Tieren muss künftig streng geregelt sein. Es ist jedoch heuchlerisch zu fordern, „dass die Tiere unter Verursachung der geringstmöglichen Schmerzen, Leiden und Ängste getötet werden“. Das sind menschliche Konzepte, die auf Tiere übertragen werden. Tiere werden in ihrer natürlichen Umgebung von anderen Fleisch fressenden Tieren oder in Schlachthöfen getötet, damit sie Nahrung für die Menschen liefern. Unsere Welt ist kein Paradies, der Tod lauert ständig.
Françoise Grossetête (PPE), schriftlich. – (FR) Ich habe hinsichtlich dieses Abkommens eine zweite Lesung befürwortet, weil wir auf die Gegebenheiten der biomedizinischen Forschung und die Bedürfnisse der Patienten eingehen und gleichzeitig den Tierschutz verbessern müssen.
Glücklicherweise ist die Anzahl von Tierversuchen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, weil sich die europäische Forschung auf dem Weg hin zu alternativen Lösungen befindet. Wir wissen, dass es in einigen Fällen unglücklicherweise keine Alternativen gibt und wir deshalb auf Tierversuche, insbesondere mit nichtmenschlichen Primaten, zurückgreifen müssen. Dies gilt beispielsweise für alle neurodegenerativen Erkrankungen, wie Parkinson und Alzheimer.
Nur wenn diese Forschung in Europa durchgeführt wird, können wir ein hohes Tierschutzniveau gewährleisten. Die Beobachtung der Schmerzen, die ein Tier während eines Versuchs erleidet, ermöglicht das Erzielen guter Ergebnisse. Daher müssen wir eine Verlagerung von Tierversuchen in Länder außerhalb Europas verhindern.
Nadja Hirsch (ALDE), schriftlich. − Ich kann die Tierschutzversuchrichtlinie in der heute vorgelegten Fassung nicht mittragen. Sicherlich ist diese Version fortschrittlicher als die alte Richtlinie aus dem Jahr 1986. Wenn man sich allerdings vor Augen führt, welche enormen wissenschaftlichen und technischen Fortschritte in den letzten 24 Jahren erreicht wurden, fallen die Maßnahmen zur Vermeidung von Tierversuchen mager aus. Es gibt zu viele Ausnahmereglungen, die Formulierungen sind weich und lassen zu viel Interpretations- und Umsetzungsspielraum. Absurd ist auch die Tatsache, dass Mitgliedsstaaten keine höheren Schutzmaßnahmen für Tiere als die von der EU vorgegeben Maßnahmen erlassen dürfen. Als Begründung werden Marktverzerrungen angegeben.
Das sendet sowohl den Bürgern als auch der Forschung und der Industrie ein falsches Signal. Zum einen muss der Staat dem veränderten ethischen Bewusstsein von Bürgern Rechnung tragen. Zum anderen muss mehr Druck auf Forschung und Industrie aufgebaut werden. Keiner will den Forschungsstandort Deutschland oder Europa gefährden, aber Investitionskosten dürfen kein Argument sein, um die Weiterentwicklung und Anwendung tierversuchsfreier Methoden zu verschieben.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – (FI) Ich habe für die Richtlinie zu Tierversuchen gestimmt, weil das Ergebnis für das Wohlergehen der Tiere sehr viel schlechter hätte ausfallen können. Die heute angenommene Richtlinie ist ein Fortschritt für den Tierschutz.
Die Richtlinie muss nun Bestandteil der nationalen Rechtsvorschriften werden und in den jeweiligen Mitgliedstaaten so schnell wie möglich lückenlos umgesetzt werden. Die alte Richtlinie stammt aus dem Jahre 1986, es ist also höchste Zeit, die Vorschriften für den Schutz von Versuchstieren in ganz Europa zu modernisieren.
Zukünftig wird es entscheidend sein, die Investitionen zu steigern, um Alternativen zu Tierversuchen zu entwickeln. Vielen Dank.
Giovanni La Via (PPE), schriftlich. – (IT) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich habe für den Jeggle-Bericht gestimmt, weil er das Ergebnis intensiver und langwieriger Arbeit ist, in deren Verlauf es dem Berichterstatter gelungen ist, wichtige Kompromisse zu einem so schwierigen Thema, wie der Verwendung von Tieren zu Versuchszwecken, zu erzielen.
Ich habe mich nicht für die Rücküberweisung an den fachkundigen ständigen Ausschuss ausgesprochen, weil eben dieser Ausschuss, dem ich angehöre, die Arbeit meiner Kollegin, Frau Jeggle, in hohem Maße gewürdigt hat und mit ihrer Arbeit einverstanden ist. Die Forschung muss weitergehen, das ist wichtig für die Entwicklung von Medikamenten und Gesundheit und für die Vorbeugung vieler Krankheiten.
David Martin (S&D), schriftlich. – Ich bin enttäuscht über den finalen Wortlaut dieses Berichts, und insbesondere darüber, dass die Änderungsanträge, die zur Stärkung der Tierschutzbestimmungen vorgelegt wurden, nicht angenommen wurden. Es ist an der Zeit, klare Regelungen festzulegen, um uns auf Beschränkungen bei der Verwendung von nichtmenschlichen Primaten, ein Verbot für die Verwendung wild gefangener Tiere, eine eindeutige Verpflichtung zum Einsatz alternativer Methoden, die keine Verwendung von Tieren erfordern, wenn diese wissenschaftlich zugänglich sind, und ein Verbot für Versuche, die schweres und anhaltendes Leiden verursachen, zuzubewegen. Die Mitgliedstaaten sollten zumindest in der Lage sein, die Mindestanforderungen der EU zu überschreiten und strengere Tierschutzgesetze einzuführen. Obwohl dieser Bericht die bestehenden Rechtsvorschriften verbessern wird, geht er nicht annähernd weit genug und aus diesem Grund habe ich mich bei der Schlussabstimmung enthalten.
Véronique Mathieu (PPE), schriftlich. – (FR) Ich habe für diesen Kompromiss gestimmt, weil er einen guten Mittelweg zwischen einem besseren Schutz von Versuchstieren und dem Streben nach wissenschaftlicher Forschung darstellt. Tierversuche dienen dem Kampf gegen zahlreiche schwerwiegende Krankheiten. Sie müssen dennoch Regelungen unterliegen, damit unnötiges Leiden der Tiere vermieden werden kann. Die derzeitige Richtlinie geht auf das Jahr 1986 zurück und musste daher deutlich verbessert werden.
Der neue Text beinhaltet nun die Forderung nach einer vorherigen Genehmigung für Tierversuche, wodurch eine Projektbeurteilung sowie eine Schaden-Nutzen-Analyse erforderlich werden, und schafft ein strenges Kontroll- und Prüfsystem. Die heutige Abstimmung ist das Ergebnis umfangreicher Bemühungen seitens der Berichterstatter, meiner Kollegin Frau Jeggle und meinem ehemaligen Kollegen Herrn Parish, die während der letzten Wahlperiode an dem Text gearbeitet haben. Die Ergebnisse der Stimmabgabe im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung haben bereits den Wert des endgültigen Wortlautes widergespiegelt.
Nuno Melo (PPE), schriftlich. − (PT) Die Verabschiedung dieses Berichts stellt nach harten Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien einen ausgeglichenen Kompromiss dar, der sowohl den Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere berücksichtigt als auch die Notwendigkeit, diese für wichtige Entdeckungen und Entwicklungen von Technologien und Therapien zur künftigen Heilung vieler, die Zivilgesellschaft treffende Krankheiten zu verwenden. Daher habe ich so gestimmt, wie ich gestimmt habe.
Radvilė Morkūnaitė-Mikulėnienė (PPE), schriftlich. – (LT) Das Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Natur zugunsten der Entwicklung ist immer ein viel diskutiertes Thema. Heute hat das Europäische Parlament ein wichtiges Dokument zur Regulierung wissenschaftlicher Forschung mit Tieren angenommen. Dieses Dokument wird einen positiven Mittelweg zwischen Tierschutz und wissenschaftlicher Forschung gewährleisten und einige wichtige Aspekte festlegen, wodurch der Schutz der für die wissenschaftliche Forschung verwendeten Versuchstiere gewährleistet wird. Skeptiker vertreten die Behauptung, dass diese Richtlinie im Widerspruch zu den Grundlagen des Tierschutzes steht, und dass es viele Bedenken hinsichtlich der Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken gibt. Im Rahmen der genannten Richtlinie muss jedoch vor jedem Versuch geprüft werden, ob die Verwendung von Tieren erforderlich ist, und ob es mögliche Alternativen gibt. Jeder Mitgliedstaat ist darüber hinaus verpflichtet, nationale Ausschüsse ins Leben zu rufen, die für den Tierschutz und ethische Aspekte zuständig sind. Ich habe für dieses Dokument gestimmt, da ich der Meinung bin, dass Tierversuche strenger kontrolliert werden sollten, wenngleich wir den erforderlichen wissenschaftlichen Fortschritt in vielen Bereichen, sowie die Kontinuität in der wissenschaftlichen Forschung nicht außer Acht lassen dürfen.
Tiziano Motti (PPE), schriftlich. – (IT) Bei der Abstimmung zur Tierversuchsrichtlinie bin ich den Empfehlungen meiner Fraktion nicht gefolgt, obwohl ich die wissenschaftliche Forschung unterstütze. Diese Richtlinie ist sehr zum Nachteil der Tiere. Sie „erweitert“ die im Rahmen der Versuche erlaubte Schmerzgrenze von „leicht“ auf „mittel“; sie erlaubt Versuche mit streunenden Hunden und Katzen und stellt den Forschern anheim, ob sie die Tierversuche ohne Narkose oder Schmerzmittel durchführen möchten oder nicht; sie genehmigt die mehrmalige Verwendung desselben Tieres, auch in schmerzhaften Verfahren; sie erlaubt Isolationshaltung sozial lebender Tiere, wie Hunde und Primaten; und sie autorisiert die Öffnung des Thorax ohne Betäubung und Versuche an lebenden Tieren zu Lehrzwecken. Aufgrund meiner menschlichen Sensibilität halte ich unnötige Grausamkeit für inakzeptabel, und aufgrund meiner politischen Sensibilität weiß ich, dass ein Teil der wissenschaftlichen Forschung sicherlich abgewandert wäre, hätte Europa diese Richtlinie nicht angenommen. Diese europäische Richtlinie stellt einen gravierenden Rückschritt dar, und die Mitgliedstaaten werden verpflichtet sein, ihre nationalen Gesetze daran anzupassen. Ich glaube, eine wirkliche Lösung für eine Gesellschaft, die sich selbst gerne als zivilisiert bezeichnet, wäre eine geänderte Fassung zugunsten der Tierwelt gewesen, ergänzt durch stärkere Anreize für eine in Europa ansässige wissenschaftliche Forschung.
Cristiana Muscardini (PPE), schriftlich. – (IT) Die Richtlinie zum Tierschutz gewährleistet gleiche Bedingungen für Unternehmen und Forscher, indem sie die Verfahren zwischen den Ländern harmonisiert. Sie versucht jedoch nicht, einen echten Schutz für die Tiere zu erzielen. Vielmehr wurde die Anzahl der wenigen Regelungen, welche die Annahme von alternativen Verfahren erfordern, verringert.
Es gibt zahlreiche Lücken, und die Richtlinie sollte zur Verwendung fortschrittlicherer Versuchsverfahren, die Tierversuche ersetzen können, ermutigen: In-vitro-Verfahren, Computersimulationen des menschlichen Stoffwechsels, etc. Sie sollte auch die Tatsache berücksichtigen, dass es oftmals nicht möglich ist, die Ergebnisse von einer Spezies auf eine andere zu übertragen, wie herausragende Wissenschaftler erklärt haben.
Aus naheliegenden Gründen ist es nicht möglich, die vollständige Abschaffung von Tierversuchen vorzuschlagen. Ich fordere daher, dass Änderungen am Text vorgenommen werden, wie zum Beispiel die Aufnahme nicht-invasiver Verfahren und das Verbot der Verwendung von Versuchstieren für gerichtsmedizinische Untersuchungen und für die Lehre. Darüber hinaus muss durch die Einrichtung eines europäischen Bürgschaftsausschusses verhindert werden, dass es Ausnahmen zum humanen Tötungsverfahren und dem Verbot der Verwendung gefährdeter oder wilder Tiere gibt.
Europa muss sich gegen sinnlose Tierversuche aussprechen. Allzu häufig werden Versuche, die bereits durchgeführt und gefördert wurden, erneut vorgeschlagen. Und zwar einzig und allein, um weitere Fördermittel zu erhalten. Wir haben bestätigte Berichte erhalten, wonach Versuche an Tieren durchgeführt wurden, deren Stimmbänder durchtrennt worden waren. Die Wissenschaft lehrt uns, dass ein Großteil der an Tieren durchgeführten Versuche nicht erneut für die Behandlung von Menschen vorgeschlagen werden kann.
James Nicholson (ECR), schriftlich. – Ich habe für diesen Bericht gestimmt, obwohl mir bewusst ist, dass diese neue Richtlinie für einige nicht weit genug geht. Ich bin jedoch der Meinung, dass der Kompromiss zwischen Parlament und Rat den bestmöglichen Mittelweg zwischen Tierschutz einerseits und der Weiterführung wissenschaftlicher Forschung andererseits darstellt. Gegen diesen Bericht zu stimmen hätte bedeutet, dass wir zurückgegangen wären zur vorherigen Richtlinie aus dem Jahre 1986, die definitiv keinen vergleichbaren Schutz für die Tiere bietet. Die bestehenden Rechtsvorschriften im Vereinigten Königreich gehören zu den strengsten weltweit und während das Vereinigte Königreich nicht in der Lage sein wird, in diesem Bereich weitere Gesetze zu erlassen, werden unsere Standards weiterhin eher außergewöhnlich hoch sein, als dass sie abnehmen.
Rovana Plumb (S&D), schriftlich. – (RO) Aufgrund neuer Erkenntnisse, die über die ethologischen Aspekte der Haltung von Labortieren gewonnen wurden, sowie neuer Anwendungsmöglichkeiten für den Einsatz von Tieren, insbesondere im Bereich der Gentechnologie, wurde die Überarbeitung der Richtlinie 86/609/EWG zu einem vorrangigen Ziel, wenngleich ihre Annahme zur damaligen Zeit als historische Errungenschaft galt. Seither wurden beachtliche Fortschritte erzielt, insbesondere im Hinblick auf die Einführung des „3R“-Prinzips (replace, reduce and refine) zur Vermeidung, Verbesserung und Verringerung der Verwendung von Versuchstieren.
Ich begrüße die Erweiterung des Anwendungsbereiches der Richtlinie in folgender Hinsicht: Einbeziehung der Föten von gefährdeten Tieren und wirbellosen Tierarten, einhergehend mit biologischer Grundlagenforschung; Einführung humaner Schlachtmethoden und Bestimmungen für Kontrollen auf nationaler Ebene als Bestandteil der Richtlinie; Bewertung und Genehmigung der Projekte, in deren Rahmen Tiere eingesetzt werden, einschließlich ihrer Auswertung im Rückblick; Transparenz durch die Veröffentlichung von nichttechnischen Informationen über die Projekte, von Durchführungsstandards und Anleitungen auf nationaler Ebene, sowie von Durchführungs- und statistischen Berichten. Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil er einen Vorschlag beinhaltet, der auf die Gewährleistung gleicher Bedingungen für Industrie und Forschergemeinschaft in der gesamten EU abzielt und gleichzeitig auch den Schutz von Tieren stärkt, die weiterhin zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden.
Teresa Riera Madurell (S&D), schriftlich. – (ES) Als Koordinatorin meiner Fraktion, der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament, im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, möchte ich Ihnen mitteilen, wie zufrieden ich bin, dass das Parlament das während des spanischen EU-Ratsvorsitzes erzielte Übereinkommen hinsichtlich der Aktualisierung dieser wichtigen Richtlinie, welche die Behandlung von Tieren regelt, die notwendigerweise für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden müssen, um die Wissenschaft in verschiedenen Fachgebieten voranzubringen, angenommen hat.
Es handelt sich um ein ausgewogenes Übereinkommen, das aus einem umfangreichen Verhandlungsprozess hervorgeht. Im Rahmen dieses Prozesses ging es einerseits um die unausweichlichen Bedürfnisse der Wissenschaft nach Weiterentwicklung des Wissens, insbesondere in Bereichen wie den Gesundheitswissenschaften, für die unser Ausschuss besonders sensibel ist, und andererseits um das Bedürfnis, die Tiere zu schützen. Ich muss sagen, dass beide Seiten durch die von uns angenommene Reform weiter gestärkt wurden. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass das erzielte Übereinkommen auch die Verpflichtung beinhaltet, an der Ermittlung und Förderung anderer Forschungsrichtungen und an alternativen Methoden zu arbeiten, welche es ermöglichen werden, zukünftig vollständig auf den Einsatz lebender Tiere in Labors zu verzichten, ohne dabei den notwendigen wissenschaftlichen Fortschritt zu beeinträchtigen.
Zuzana Roithová (PPE), schriftlich. – (CS) Ich unterstütze die Maßnahme, welche das Leiden der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere begrenzt oder mildert. Für die Überprüfung der Wirkungen neuer Medikamente und für wissenschaftliche Studien sind Tierversuchen andere Verfahren vorzuziehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir zulassen dürfen, dass im Interesse des Tierschutzes menschliche Embryonen als alternatives Verfahren verwendet werden dürfen. Ich bedaure, dass der Rat ausgerechnet solch eine Einschränkungsklausel für alternative Verfahren aus dem vom Europäischen Parlament in erster Lesung angenommenen Entwurf gestrichen hat. Die Entscheidungsfindung in diesen ethisch sensiblen Bereichen liegt im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten und die Regelung auf nationaler Ebene ist von Land zu Land sehr unterschiedlich.
In der Tschechischen Republik ist die Verwendung embryonaler Stammzellen zu wissenschaftlichen Zwecken seit 2006 gesetzlich erlaubt, obwohl auf der anderen Seite erfolgreiche biomedizinische Ergebnisse durch Forschung mit Stammzellen aus fetalem Gewebe und nicht aus Embryonen möglich waren. Die Tatsache, dass wir nicht über den Richtlinienentwurf des Rates für die zweite Lesung heute in Straßburg abgestimmt haben, bzw. dass wir keine Entschließung angenommen haben, bedeutet, dass der Entwurf des Rates nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt ungeachtet des Standpunktes der Mehrheit der Europaabgeordneten rechtskräftig wird.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE), schriftlich. – Während die überarbeiteten Rechtsvorschriften einige Verbesserungen der derzeitigen EU-Bestimmungen für Tierversuche einführen werden, gehen sie einfach nicht weit genug und schwächen in einigen Fällen sogar die gültigen Gesetze. Ernste Bedenken, die von der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz geäußert wurden, wurden ignoriert, und wir bedauern, dass es den Europaabgeordneten heute nicht gelungen ist, unsere Versuche, diese Bedenken auszuräumen, zu unterstützen. Vor allem wird es den neuen Gesetzen nicht gelingen, sicherzustellen, dass nach Möglichkeit Alternativen zu Tierversuchen angewandt werden.
Das bedeutet, dass Tiere bei wissenschaftlichen Versuchen unnötig leiden müssen, obwohl es Alternativen gibt. Beunruhigenderweise verhindern die neuen Gesetze auch, dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene ehrgeizigere Vorschriften für Tierversuche annehmen. Die Fraktion der Grünen/Freie Europäischen Allianz wollte sicherstellen, dass die nationalen Regierungen dieses Recht behalten. Wir bedauern auch sehr, dass keine strengeren Vorschriften für die Verwendung nichtmenschlicher Primaten angenommen wurden.
Oreste Rossi (EFD), schriftlich. – (IT) Es ist einfach, sich gegen Tierversuche zu wenden, weil niemand sehen möchte, wie Tiere leiden oder für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Wir sind jedoch Gesetzgeber und dürfen uns nicht spontanen Emotionen hingeben. Wenn wir die Verwendung von Tieren in wissenschaftlichen Versuchen zu stark einschränken würden, dann sollte uns bewusst sein, dass diese Versuche stattdessen an Menschen durchgeführt werden müssten.
Wir können uns nicht vorstellen, dass ein neuer Wirkstoff, eine neue Arznei oder ein neues Chemotherapieverfahren nicht zuerst an Tieren getestet wird, denn – wie ich bereits gesagt habe – bestünde die Alternative im Einsatz von Patienten als Versuchskaninchen. Wir sollten auch bedenken, dass die Pharmaunternehmen kein Interesse an der Verwendung von Versuchskaninchen, und insbesondere von Primaten haben, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, da solche Versuche hohe Kosten verursachen.
Debora Serracchiani (S&D), schriftlich. – (IT) Ich habe gegen das Übereinkommen gestimmt, das hinsichtlich des Richtlinienentwurfes zur Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Versuche in zweiter Lesung von Parlament und Rat erzielt wurde.
Ich spreche mich nicht gegen den Forschungsfortschritt aus, aber ich fordere eine Verringerung des Leidens der Tiere, da die überarbeitete Richtlinie einige Vorgehensweisen vorschlägt, die diesem Ziel zuwiderlaufen, wie zum Beispiel die Möglichkeit nicht nur einmal Versuche mit demselben Tier durchzuführen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass andere zufriedenstellende wissenschaftliche Verfahren, die den Einsatz von Tieren nicht erforderlich machen, weiterentwickelt werden sollten.
Catherine Soullie (PPE), schriftlich. – (FR) Ich begrüße das Ergebnis der Abstimmung über den Text zum Schutz der zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Versuchstiere. Er ist vielleicht nicht perfekt, aber der Jeggle-Bericht scheint mir zumindest ein guter Kompromiss zu sein, der darüber hinaus die Zustimmung der „Eurogroup for Animals“ erhalten hat.
Der Wortlaut des Berichts ermöglicht es uns, Versuche, welche den Tieren Schmerzen zufügen, wirksam einzuschränken und gleichzeitig eine Verlagerung der Forschung und somit auch der Innovationen in Länder außerhalb der Europäischen Union mit dem damit einhergehenden Verlust vieler Arbeitsplätze zu vermeiden. Als Vizepräsidentin der interfraktionellen Arbeitsgruppe für Tierschutz, bin ich darüber hinaus überzeugt davon, dass es besser ist, Tierversuche bei uns durchzuführen, wo sie streng geregelt sind, als sie Drittländern zu überlassen, in denen die hygienischen Bedingungen und der Respekt vor dem Leben der Tiere häufig zu wünschen übrig lassen.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. – (NL) Ich bedaure, dass die Mehrheit der Abgeordneten die drei Vorschläge der Grünen für eine Modifizierung der Richtlinie und strengerer nationaler Regelungen, für die Schaffung eines Anreizes für alternative Versuchsverfahren und für eine weitere Drosselung der Verwendung von Primaten zurückgewiesen hat. Die neuen Rechtsvorschriften für Tierversuche weisen gravierende Mängel auf. Die Mitgliedstaaten haben nun nicht mehr die Möglichkeit, strengere Regelungen für Tierversuche anzunehmen. Diese Einschränkung des nationalen Ermessensspielraumes dient keinem sinnvollen Zweck. Tiere werden Opfer des Anpassungsdogmas des Binnenmarktes. Es ist jedoch wichtig, dass die Mitgliedstaaten es wagen, eine Vorreiterrolle zu spielen. Ohne nationale Vorreiter wären viele europäische Tierschutzbestimmungen, wie zum Beispiel das Verbot von Tierversuchen für kosmetische Zwecke, nie zu Stande gekommen.
Die neue Richtlinie verbessert die Kontrolle von Unternehmen und Institutionen, die Versuchstiere züchten, verkaufen oder verwenden. Der Wortlaut der Forderung, dass alternative Versuchsverfahren bei Verfügbarkeit genutzt werden sollten, hat weniger die Wirkung eines Gebotes, als dies in der vorherigen Richtlinie der Fall war. Dies ist eine verpasste Chance, das Leiden der Tiere zu verringern und die Forschungsqualität zu verbessern. Den neuen Bestimmungen gelingt es nicht, den Fortschritt bei der Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen, die übrigens häufig zuverlässiger sind als Tierversuche, anzuerkennen.
Derek Vaughan (S&D), schriftlich. – Ich bin enttäuscht darüber, dass die Maßnahmen zur Stärkung der Vorschriften für Tierversuche nicht weiter gingen. Schlüsselmaßnahmen, die Europa zu einer Verringerung und Abschaffung des Einsatzes von Tieren bei Versuchen verpflichtet hätten, wurden nicht in diese Rechtsvorschriften aufgenommen. Diese Chance wurde verpasst und es hätte viel mehr unternommen werden können, um die Tiere zu schützen. Dazu gehört auch, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, höhere Schutzstandards als andere Länder anzunehmen. Ich habe Bedenken, dass diese Richtlinie das Vereinigte Königreich davon abhalten wird, zukünftig höhere Standards anzunehmen. Hinzu kommt, dass keine Verfahren zur regelmäßigen Bewertung der Verwendung von Tieren in wissenschaftlichen Versuchen aufgenommen wurden. Ich freue mich jedoch darüber, dass die lebenswichtige Erforschung neuer Medikamente und Krankheiten fortgesetzt werden kann.
Janusz Wojciechowski (ECR), schriftlich. – (PL) Ich bedaure, dass die Richtlinie des Rates in ihrer endgültigen Fassung ohne die im Mai 2009 vom Europäischen Parlament angenommene Bestimmung angenommen wurde, die festlegt, dass Versuche mit Stammzellen und menschlichen Embryonen nicht als Alternativen zu Tierversuchen verwendet werden können. Abgesehen vom Wortlaut der Richtlinie denke ich, dass diese Vorgehensweise, also das Ersetzen von Tierversuchen durch Versuche mit menschlichen Organismen, nicht zum Tragen kommen darf.
Luís Paulo Alves (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen in den Mitgliedstaaten gestimmt, sofern diese hervorheben, wie wichtig ein hohes Maß an Qualifikationen für die effektive Förderung eines guten Beschäftigungs- und Einkommensniveaus ist, und zwar insbesondere im Hinblick auf die „New Economy“, die sich stark auf neue Bereiche und neue Fähigkeiten konzentrieren wird.
Ein hohes Beschäftigungsniveau sollte sowohl für hoch qualifizierte Menschen, die eine Schlüsselfunktion in Forschung und Entwicklung einnehmen können, als auch für Menschen mit einem Bildungsgrad unter dem EU-Durchschnitt möglich sein. Die Mitgliedstaaten müssen folglich im Rahmen von Umschulungen, der Förderung von Bildung und der Bereitstellung neuer Chancen für lebenslanges Lernen eine wichtige Rolle spielen.
Es sei darauf hingewiesen, dass für ein gutes Beschäftigungsniveau und umfassende Fortschritte auf EU-Ebene gewährleistet sein muss, dass diejenigen, die nach einer Verbesserung ihrer Qualifikationen streben, echte Beschäftigungsmöglichkeiten bekommen und bei Bedarf umschulen dürfen. Eine starke Ausrichtung auf die Berufsberatung in Übereinstimmung mit den derzeitigen und zukünftigen Erfordernissen könnte uns wieder zu einem hohen Maß an Beschäftigungsfähigkeit zurückführen.
Elena Oana Antonescu (PPE), schriftlich. – (RO) Wenngleich die Wirtschaftslage in den meisten Mitgliedstaaten weiterhin anfällig ist, gibt es dennoch ermutigende Anzeichen für eine Erholung des Wirtschaftswachstums. Daher müssen die Bemühungen gebündelt sein, damit sie die Konsolidierung des Potenzials zur Schaffung von Arbeitsplätzen gewährleisten und die Bevölkerung bei der Suche nach einer Arbeit und deren Ausübung unterstützen können. Im April 2010 hat die Europäische Kommission eine neue Reihe von beschäftigungspolitischen Leitlinien in den Mitgliedstaaten vorgeschlagen. Zusammen mit den allgemeinen wirtschaftspolitischen Leitlinien stellen diese die integrierten Leitlinien für die Einführung der EU-2020-Strategie bereit. Diese ist auf intelligentes, nachhaltiges Wachstum ausgelegt, das für die Eingliederung förderlich ist.
Die vier beschäftigungspolitischen Leitlinien lauten: Erhöhung der Beschäftigungsquote und Reduzierung der strukturellen Arbeitslosigkeit, Förderung der sozialen Eingliederung und Bekämpfung von Armut, Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen auf allen Ebenen und Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften. Der Bericht von Herrn Őry unterstützt den von der Kommission vorgeschlagenen Ansatz, liefert jedoch zahlreiche Erläuterungen und einige zusätzliche Informationen. Daher habe ich für ihn gestimmt.
Sophie Auconie (PPE), schriftlich. – (FR) Im April 2010 hatte die Europäische Kommission im Rahmen der Umsetzung der Strategie Europa 2020 einen Vorschlag für Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten vorgelegt. In seinem Bericht unterstützt Herr Őry, Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), die Vorschläge der Kommission, fügt aber noch einige Elemente hinzu, die ich für notwendig halte. So muss die Kohäsionspolitik, die die Kommission außer Acht gelassen hatte, umfassend in die beschäftigungspolitischen Maßnahmen mit einbezogen werden. Auch wenn die europäische Zuständigkeit in beschäftigungspolitischen Angelegenheiten noch immer begrenzt ist, darf sich die EU nicht mit einer passiven Rolle zufriedengeben, sondern sie muss die ihr zur Verfügung stehenden Mittel (Kohäsionspolitik, Europäischer Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, offene Koordinierungsmethode) optimal nutzen. Ich unterstütze daher voll und ganz die in diesem Bericht enthaltenen Leitlinien.
Zigmantas Balčytis (S&D), schriftlich. – (LT) Ich habe für diese Entschließung gestimmt. Angesichts des sich rasch ausbreitenden Phänomens einer überalternden Gesellschaft müssen wir sowohl auf Ebene der Mitgliedstaaten, als auch auf EU-Ebene Maßnahmen ergreifen, um der sozialen Ausgrenzung älterer Menschen und altersbedingter Diskriminierung entgegenzuwirken. Wir müssen sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten älteren Menschen umfassende Unterstützung bieten, und zwar in erster Linie durch die Schaffung von Bedingungen für die Errichtung eines hochwertigen Gesundheits- und sozialen Fürsorgesystems. Wir müssen auch sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten zur Bereitstellung langfristig ausgerichteter Pflegesysteme beitragen und die Informations- und Präventionsmaßnahmen für ältere Menschen unter besonderer Berücksichtigung der Ernährung einführen. Um die erfolgreiche Umsetzung der geplanten Ziele zu gewährleisten, muss ein nachhaltiges und langfristig ausgerichtetes Finanzierungssystem für Pflegedienstleistungen geschaffen werden. Im Gegenzug sollte die Europäische Kommission Bemühungen unternehmen, um annehmbare Standards der Gesundheitsversorgung für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrer materiellen Lage zu garantieren.
Jean-Luc Bennahmias (ALDE), schriftlich. – (FR) Die Europa-2020-Strategie, die im März 2010 von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde, ist darauf ausgelegt, die Weichen der EU für das nächste Jahrzehnt zu stellen.
Wenngleich wir nur bedauern können, dass das Europäische Parlament nicht an der Ausarbeitung der Strategie, die von Herrn Barroso alleine erarbeitet wurde, beteiligt war, gibt es einen Bereich, in dem das Parlament ein Mitspracherecht hat: die integrierten beschäftigungspolitischen Leitlinien. Die 10 Leitlinien betreffen die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen, die Förderung menschenwürdiger Arbeit und eine Verbesserung im Bereich der Bildungs- und Weiterbildungssysteme.
Aus diesem Grund habe ich heute, am Mittwoch, den 8. September 2010, zusammen mit der Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen für einen Bericht gestimmt, der diese Ziele definiert, und durch den wir insbesondere eine bessere Verwendung des Europäischen Sozialfonds fordern und darauf bestehen können, dass es erforderlich ist, Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen mehr Aufmerksamkeit zu widmen und der sozialen Ausgrenzung entgegenzuwirken, sowie den Zugang zu hochwertigen und erschwinglichen öffentlichen Dienstleistungen zu gewährleisten. Wenn wir letztendlich wollen, dass es sich hierbei um eine wahrhaft integrative Strategie handelt, dann müssen wir die Kohärenz zwischen diesen Leitlinien und der Kohäsionspolitik sicherstellen.
Vilija Blinkevičiūtė (S&D), schriftlich. – (LT) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil die neuen Leitlinien 2020 für die beschäftigungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten der EU in den nächsten Jahren großen Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben werden. Ich freue mich, dass es durch die vom Europäischen Parlament vorgelegten Änderungsanträge möglich war, klare Ziele festzusetzen und spezifische Maßnahmen in den von der Kommission vorgeschlagenen Beschäftigungsleitlinien zu berücksichtigen. Selbstverständlich werden die Reduzierung der Arbeitslosigkeit, das Garantieren von Mindestlöhnen und die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung weiterhin die wichtigsten Prioritäten der Beschäftigungspolitik in allen Mitgliedstaaten sein. Ich bin auch der Meinung, dass eines der Hauptziele darin besteht, gleichen Lohn für die gleiche Arbeit zu erzielen und für alle Arbeitnehmer die gleichen Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
Ich stimme den Vorschlägen des Parlaments zu, dass wir beschäftigungspolitische Maßnahmen, die den schwächsten Bevölkerungsgruppen gewidmet sind, in die Wege leiten müssen, da Armut diese Menschen zuerst und am Schlimmsten von allen trifft. Ich rufe die Kommission und die Mitgliedstaaten auch dazu auf, in den beschäftigungspolitischen Leitlinien erhöhte Aufmerksamkeit auf junge Menschen und ältere Arbeitnehmer, die auf dem Arbeitsmarkt mit Diskriminierung konfrontiert werden, zu lenken.
Sebastian Valentin Bodu (PPE), schriftlich. – (RO) Die derzeitige Wirtschaftskrise wird in den kommenden Jahren zweifellos tiefgreifende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Es gibt erste Anzeichen für einen Wirtschaftsaufschwung und die Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums. Es wird jedoch angenommen, dass die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigungssituation ihren Höhepunkt noch nicht erreicht haben. Daher begrüße ich die Bemühungen, die jetzt unternommen werden, um einen nachhaltigen Aufschwung zu gewährleisten und das Potenzial der europäischen Volkswirtschaften zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu stärken, und den Menschen bei der Stellensuche zu helfen. Die europäischen Staaten stehen auch Herausforderungen im Zusammenhang mit beträchtlichen demografischen Veränderungen gegenüber, die durch den Globalisierungsprozess noch verschärft werden. Gleichzeitig ist das Szenarium einer sich ständig verringernden Anzahl von Steuerzahlern, die in die Staatshaushalte einzahlen, nicht sehr vielversprechend.
Auf der Grundlage der vorliegenden Agenda 2020, mit ihren Zielen für die Übernahme neuer Technologien zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen, muss die Beschäftigungsstrategie nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und langfristig festgelegt werden. Diese Strategie muss mit Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung junger Menschen unter 25 einhergehen. Diese Altersgruppe wird derzeit mit Arbeitslosenquoten in Rekordhöhe konfrontiert.
Vito Bonsignore (PPE), schriftlich. – (IT) Ich möchte meine Stimmabgabe zu diesem Bericht erläutern, da ich der Meinung bin, dass das Thema dieses Berichts von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Arbeitsmarktes in Europa ist.
Dieser Vorschlag beinhaltet allgemeine wirtschaftspolitische Leitlinien zum Thema Beschäftigung, die innerhalb der Europäischen Union eingeführt werden sollen. Die Wirtschaftskrise ist nicht vorüber und zieht sich hinter der Beschäftigungskrise in die Länge.
Es gibt zwar ermutigende Anzeichen für eine Erholung, der Arbeitsmarkt bleibt jedoch weitestgehend verschlossen, und die Zahl der Arbeitslosen ist immer noch sehr hoch. Innerhalb Europas gibt es jedoch Unterschiede. In Spanien und Griechenland beispielsweise ist die Anzahl der Arbeitslosen Besorgnis erregend, und es sind hauptsächlich junge Menschen betroffen. In meinem Land jedoch ist die Anzahl der Arbeitslosen glücklicherweise, aber auch dank effizienter Maßnahmen, welche die italienische Regierung erlassen hat, nicht so stark angestiegen. Man muss anerkennen, dass die italienische Regierung in Sachen Förderung von Flexibilität und Dynamik auf dem Arbeitsmarkt eine Vorreiterrolle spielt, und dieses Prinzip scheint zu funktionieren.
Einige Regierungen, welche dazu neigen die Rechte der Arbeitnehmer zu sehr zu verteidigen, haben zugelassen, dass ihre eigenen Arbeitnehmer ihre Stellen verlieren. Eine größere Flexibilität und die Bereitschaft für einen wettbewerbsfähigen neuen Arbeitsmarkt retten stattdessen Arbeitsplätze und schaffen Wirtschaftsverhältnisse, die das Entstehen neuer Stellen fördern.
Nikolaos Chountis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Ich habe gegen den Őry-Bericht gestimmt, obwohl dieser einige wichtige Änderungsanträge der Linken, wie zum Beispiel die notwendige Wahrung der Gleichstellung der Geschlechter, enthält, und obwohl er den Text der Kommission verbessert. Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt, da er an der Philosophie eines flexiblen Marktes festhält und sogar noch mehr Flexibilität sowie den strategischen Einsatz von Flexicurity auf dem Arbeitsmarkt fordert. Dieses Konzept wendet sich, wie wir wissen, unmittelbar gegen die Arbeitnehmer.
Der Bericht zeigt auch auf, dass eine Restrukturierung auf der Grundlage der vollständigen Ausschöpfung des Binnenmarktes und der Beseitigung „gesetzlicher Hindernisse“ erforderlich ist, um einen Ausweg aus der Finanzkrise zu finden und wachstumspolitische Strategien anzuwenden. Hinter dieser unklaren Formulierung verbirgt sich jedoch die Möglichkeit eines mangelnden Schutzes der Rechte von Arbeitnehmern.
Carlos Coelho (PPE), schriftlich. – (PT) Ich unterstütze den Őry-Bericht und begrüße die mit ihm einhergehenden Chancen. Im Rahmen der Agenda 2020 war die Erstellung allgemeiner Leitlinien zur Wirtschaftspolitik (Artikel 121 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union), aber auch zur Beschäftigungspolitik (Artikel 148), dringend erforderlich. Die Wirtschaftskrise, die wir derzeit erleben, verschärft soziale Probleme und macht die Festlegung effektiver und nachhaltiger Beschäftigungsstrategien noch dringender erforderlich. Ich stimme mit dem Berichterstatter im Hinblick auf die Vorschläge zur Ergreifung strengerer Maßnahmen zur Steigerung des Beschäftigungsniveaus für die Männer und Frauen in Europa überein.
Der Bericht hat dazu beigetragen, Themen zu stärken, die nicht genügend hervorgehoben worden waren. Dazu gehören: 1. die Verringerung der Arbeitslosigkeit unter den schwächsten Bevölkerungsgruppen, einschließlich junger Menschen, durch die Steigerung des Bildungsniveaus, die Verringerung der Abbrecherquoten und die Befreiung der Menschen aus Armut; 2. die Gewährleistung der gleichen Behandlung und des gleichen Entgeltes für die gleiche Arbeit am selben Arbeitsplatz. und 3. die Einbeziehung von Gebietskörperschaften, Parlamenten und Sozialpartnern in die Ausgestaltung, Einführung, Überwachung und Bewertung dieser Programme, insbesondere bei der Festlegung von Zielen und Indikatoren.
Lara Comi (PPE), schriftlich. – (IT) Die Strategie von Lissabon legt fest, dass die Europäische Union ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit mithilfe ihrer Arbeitskräfte verbessern muss.
Dieses Ziel wurde noch nicht vollständig erreicht, da die Arbeitslosenquote immer noch hoch ist. Es ist wichtig, die Probleme zu analysieren, die zum Rückgang der Vollbeschäftigung geführt haben. Die Beseitigung von Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Rasse, ethnischer Herkunft und Religion wäre ein bemerkenswerter Fortschritt, der es insbesondere jungen Menschen und Frauen ermöglichen würde, auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähiger zu werden. Frauen sind darüber hinaus mit der Schwierigkeit konfrontiert, Familie und Arbeit vereinbaren zu müssen. Eine Verbesserung der Betreuungsmöglichkeiten in den Unternehmen, die Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung im Bedarfsfall und die Möglichkeit für Frauen, sich um ihre kranken Kinder zu kümmern, ohne sich um den Verlust ihres Arbeitsplatzes Sorgen machen zu müssen, wären nützliche Maßnahmen, um Frauen in ihrer dualen Rolle zu unterstützen.
Eine weitere Gruppe, die geschützt werden muss, sind junge Menschen, die häufig jahrelang keine Arbeitsplatzsicherheit haben: sie verfügen über eine große Begabung und viel theoretisches Wissen, aber es fehlt ihnen an praktischer Erfahrung. Die Schulen müssen genauer darauf achten, was die Unternehmen wollen und die Schüler auf die Arbeitswelt vorbereiten. Die Unternehmen müssen im Gegenzug in die neuen Generationen investieren, indem sie ihnen die Möglichkeit geben, ihre berufliche Laufbahn zu entwickeln.
Anna Maria Corazza Bildt, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark, Anna Ibrisagic und Alf Svensson (PPE), schriftlich. – (SV) Wir haben heute, am 8. September 2010, für den Bericht (A7-0235/2010) über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten gestimmt: Teil II der integrierten Leitlinien zu Europa 2020 (2010/0115(NLE)). Wir möchten jedoch unterstreichen, dass der Bericht Bestandteile enthält, mit denen wir nicht einverstanden sind, wie zum Beispiel Vorschläge für eine detaillierte Regulierung der Arbeitsmarktpolitik der Mitgliedstaaten, eine supranationale Kontrolle von Handel und Industrie in den Mitgliedstaaten und die Regelung der Mindestlöhne durch die EU. Damit möchten wir uns für das Subsidiaritätsprinzip einsetzen. Wir möchten jedoch betonen, dass der Bericht auch viel Gutes enthält. Beispielsweise befürworten wir selbstverständlich den Grundsatz gleicher Behandlung von Männern und Frauen und den Grundsatz des gleichen Entgelts bei gleicher Arbeit.
Marielle De Sarnez (ALDE), schriftlich. – (FR) Das Parlament hat seine Meinung zu den integrierten beschäftigungspolitischen Leitlinien geäußert. Die zehn Leitlinien zielen darauf ab, neue und bessere Arbeitsplätze zu schaffen, menschenwürdige Arbeit zu fördern und die allgemeinen und beruflichen Bildungssysteme zu verbessern. Das Parlament ist tätig geworden, um sicherzustellen, dass der Europäische Sozialfonds effizienter genutzt wird, dass größeres Augenmerk auf die unter der Armutsgrenze lebenden Erwerbstätigen sowie auf Maßnahmen gegen die soziale Ausgrenzung gelegt wird und dass der Zugang zu erschwinglichen und hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen gewährleistet ist.
Anne Delvaux (PPE), schriftlich. – (FR) Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ruft zweifellos die größte Besorgnis bei unseren Bürgerinnen und Bürgern hervor. Die Arbeitsmarktlage verschlechtert sich weiterhin und die Arbeitslosenquote erreicht derzeit einen Höchststand von 9,8 %.
Die Beschäftigungsleitlinien sind ein wesentliches Instrument zur Ankurbelung von Strukturreformen sowie zur Beurteilung der Auswirkungen der durchzuführenden Reformen, und zwar sowohl im Rahmen der Strategie 2020, als auch im Zusammenhang mit der neuen Koordinierung der wirtschaftspolitischen Strategien, die in der Einführung begriffen sind. Es ist daher wichtig, diese Themen anzugehen. Aber es ist ebenso wichtig, sicherzustellen, dass die Reformen so geeignet wie möglich sind.
Leitlinien zu haben ist die eine Sache. Aber ihre ordnungsgemäße Umsetzung durch die Mitgliedstaaten steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Zu diesem Zweck ist es meiner Ansicht nach besonders wichtig, die Rolle des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) im Rahmen der Strategie 2020 und der wirtschaftspolitischen Governance erneut zu bekräftigen und sicherzustellen, dass der EPSCO-Rat umfassend in die durchzuführenden Reformen eingebunden wird, um die Lebensfähigkeit unseres Sozialmodells und die bestmögliche wirtschaftspolitische Governance für die EU zu gewährleisten. Ich bin davon überzeugt, dass es zwingend notwendig ist, die Säule Beschäftigung und Soziales im Zusammenhang mit der Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene erneut ins Gleichgewicht zu bringen.
Edite Estrela (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, da er Strategien befürwortet, die das aktive Altern, die Gleichstellung der Geschlechter, gleiche Entgelte für Männer und Frauen, sowie den Zugang zu Schutz und sozialen und beruflichen Leistungen für Frauen fördern. Angesichts der gestiegenen Schwierigkeiten, mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wird es erforderlich, Strategien einzuführen, die auch die Vereinbarkeit von Arbeit und Familienleben fördern.
Göran Färm, Anna Hedh, Olle Ludvigsson und Marita Ulvskog (S&D), schriftlich. – (SV) Wir haben heute für den Bericht über Beschäftigungsleitlinien gestimmt, möchten jedoch darauf hinweisen, dass uns erhebliche Unstimmigkeiten in verschiedenen Sprachversionen aufgefallen sind. Wir haben dafür gestimmt, dass die Mitgliedstaaten angemessene Mindesteinkommen garantieren, wie dies in der englischen Version des Änderungsantrages geschrieben steht. Bedauerlicherweise wurde dies in der schwedischen Version mit „minimilön“, also „Mindestlohn“ übersetzt.
Das Lohnniveau fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der EU und wir gehen daher davon aus, dass die schwedische Version falsch ist. Wir haben uns auch entschieden, für den Bericht zu stimmen, obwohl dieser Bezug auf „hohe Steuern“ als Wachstumshemmnisse nimmt, ohne dass eine Definition für „hohe Steuern“ enthalten ist. Auch Steuern fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der EU, und wir sind der Meinung, dass es viele Beispiele für aus Steuergeldern finanzierte Aktivitäten gibt, die einen beachtlichen Beitrag zum Wachstum leisten.
Diogo Feio (PPE), schriftlich. – (PT) Wie ich bereits im Zusammenhang mit dem Bericht meiner Kollegin Frau Gruny, über den im vergangenen Juli abgestimmt wurde, gesagt habe, hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt, die Welt hat sich verändert und die Arbeitsbeziehungen müssen sich ebenfalls verändern. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies der Fall ist und daher bin ich erfreut darüber, dass sich das Parlament für flexiblere Arbeitsmodelle eingesetzt hat, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Da ich Regierungsverantwortung im Bereich Bildung gehabt habe, freut es mich darüber hinaus, festzustellen, dass dieser Vorschlag die Ausbildung und Qualifizierung der Arbeitnehmer besonders hervorhebt. Dies ist in der Tat eine Verpflichtung, die im Zusammenhang mit der EU-2020-Strategie sehr ernst genommen werden sollte. Da die Krise dazu geführt hat, dass die Zahl der Arbeitslosen in Europa von 16 Millionen im Jahr 2008 auf 23 Millionen im Jahr 2010 gestiegen ist, muss jede Ausstiegsstrategie die Wiedergewinnung von Arbeitsplätzen beinhalten. Dies ist nur möglich, wenn ein deutlicher Schwerpunkt auf Innovation, flexibles Arbeiten und neue Modelle für Arbeit und Weiterbildung von mehr jungen Menschen zugunsten eines immer wettbewerbsfähigeren Marktes gelegt wird.
José Manuel Fernandes (PPE), schriftlich. − (PT) Hintergrund für die neuen Leitlinien zur Beschäftigung im Rahmen der Strategie Europa 2020 ist die Wirtschaftskrise, deren Folgen unseren Arbeitsmarkt auch in den kommenden Jahren negativ beeinflussen werden. Wir sind unmittelbar mit dem Problem der Arbeitslosigkeit konfrontiert und stehen gleichzeitig vor langfristigen Herausforderungen: Hier sind insbesondere der demografische Wandel, die Globalisierung und die Einführung neuer kohlenstoffemissionsarmer Technologien zu nennen. Daher ist es sehr wichtig, dass es eine europäische Beschäftigungsstrategie gibt, die sowohl Lösungen für die dringlichsten Probleme im Zusammenhang mit der Krise bereithält als auch für Probleme, die mittel- bis langfristig zu erwarten sind.
Die Anwendung der Flexicurity-Grundsätze, eine hochwertige Bildung, lebenslanges Lernen und die Bekämpfung der strukturellen Arbeitslosigkeit stellen für das Erreichen gemeinsamer Ziele im Hinblick auf wirtschaftliches Wachstum und soziales Wohlergehen unverzichtbare Voraussetzungen dar. Daher sollte jetzt die Umsetzung der Strategie Europa 2020 beginnen. Die Strukturfonds und der Kohäsionsfonds der EU für den derzeitigen Programmplanungszeitraum sollten jetzt beginnen, dieser Strategie zu folgen. Einen Schwerpunkt bei dieser Strategie müssen die Landwirtschaft und der ländliche Raum bilden. Es gilt, die Kohäsionsziele zu verfolgen und Synergien zwischen der Kohäsionspolitik und den übrigen Sektorpolitiken zu schaffen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir haben gegen diese Entschließung gestimmt, da sie die Hauptursachen für Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzunsicherheit und Armut übergeht, und weil die Vorschläge, die in diesem Plenarsaal erneut vorgelegt wurden, abgelehnt wurden. Darunter:
- Die Kommission muss anerkennen, dass es erforderlich ist, die bestehenden makroökonomischen Strategien durch das Aussetzen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und die Beendigung der Privatisierungs- und Liberalisierungsprozesse zu verändern, um der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze mit Rechten für alle Arbeitnehmer und besseren Gehältern, der Verringerung der Armutsquoten und der Steigerung der sozialen Eingliederung und des Fortschritts den Vorrang zu geben.
- Nicht angemeldete Erwerbstätigkeit muss mithilfe strengerer Kontrollen durch die Arbeitsaufsicht sowie steuerlichen Maßnahmen für Menschen mit geringem Einkommen bekämpft werden.
- Der Rat muss einem Kompromiss auf EU-Ebene zustimmen, in dessen Rahmen der Obdachlosigkeit bis 2015 ein Ende gesetzt werden soll und in dessen Rahmen integrierte politische Maßnahmen vorbereitet werden sollen, die einen erschwinglichen Zugang zu ordentlichen Unterkünften mit angemessener Energieversorgung für alle garantieren.
Unser Vorschlag für die Aufnahme einer neuen Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter wurde ebenfalls abgelehnt. Dieser befürwortet, dass die Mitgliedstaaten die Beschäftigung von Frauen unter vollständiger Anerkennung ihrer Rechte und unter Beseitigung aller Ungleichheiten mittels spezifischer Ziele für die Gleichstellung der Geschlechter, genderorientierter Integration und spezifischer politischer Aktionen steigern sollten.
Nathalie Griesbeck (ALDE), schriftlich. – (FR) In einer Zeit, in der die Arbeitslosenquote in Europa 9,8 % erreicht, in einer Zeit, in der sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter verschlechtert, in einer Zeit, in der sich noch nicht alle Folgen der Wirtschaftskrise gezeigt haben, muss die Europäische Union eine ehrgeizige europäische Beschäftigungsstrategie auf den Weg bringen. Daher hat das Europäische Parlament im Rahmen der Strategie Europa 2020 Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten verabschiedet: zehn Leitlinien zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Arbeitsplatzqualität, zur Jugendbeschäftigung, zur Beschäftigung von Menschen, die gefährdeten Gruppen angehören, zum Kampf gegen soziale Ausgrenzung sowie zur Bedeutung eines optimalen Einsatzes des Europäischen Sozialfonds. Dies mögen sehr ehrgeizige Ziele sein, vor allem aber sind es Leitlinien, die jetzt und in der Zukunft von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen, sowie eine klare Botschaft des Europäischen Parlaments an die Mitgliedstaaten in einer Zeit, in der die größte Sorge unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger dem Arbeitsplatz gilt.
Sylvie Guillaume (S&D), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht Őry über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Strategie Europa 2020 gestimmt. Dieser Text legt großes Gewicht darauf, dass der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Krise Priorität eingeräumt werden muss. Der Text hat mehrere Schwerpunkte: Die Beschäftigungsquote muss während der nächsten zehn Jahre in allen Mitgliedstaaten der Union auf 75 % angehoben werden, und es müssen besondere Anstrengungen für die am meisten gefährdeten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt unternommen werden: junge Menschen, ältere Menschen, geringqualifizierte Frauen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund, da diese bei der Einstellung und am Arbeitsplatz besonders häufig Diskriminierungen erleben. Der Text verweist auch auf die Grundprinzipien von menschenwürdiger Arbeit und Armutsbekämpfung.
Małgorzata Handzlik (PPE), schriftlich. – (PL) Die Leitlinien für die Beschäftigungspolitik für die nächsten zehn Jahre zeigen, dass der Dienstleistungssektor einer der Bereiche sein wird, in denen die meisten Arbeitsplätze geschaffen werden. Damit diese Arbeitsplätze geschaffen werden können, müssen die Unternehmen in Bezug auf die von ihnen angebotenen Dienstleistungen günstige Bedingungen vorfinden. Dazu gehören auch grenzübergreifende Dienstleistungen. Ich möchte daher betonen, dass die Dienstleistungsrichtlinie die Beschäftigungspolitik unterstützen kann, sofern ihre Umsetzung durch die Mitgliedstaaten verbessert wird.
Die Richtlinie schafft neue Möglichkeiten für Unternehmen. Wenn sie jedoch gut angewandt wird, dann kann sie sich auch auf die Arbeitsmärkte vorteilhaft auswirken. Ich unterstütze daher die im Bericht angenommenen Vorschläge. Der Dienstleistungssektor wird mobile Arbeitnehmer benötigen, die angemessen vorbereitet und qualifiziert sind. Und dafür benötigen wir Veränderungen in den Aus- und Weiterbildungssystemen und in der Beschäftigungspolitik.
Elie Hoarau (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Ich habe für diesen Bericht gestimmt. Als gewähltem Vertreter einer Überseeregion sind mir Strategien zur Förderung von Beschäftigung und zur Bekämpfung von Armut mehr als vertraut, denn die ÜD Frankreichs verfügen über die niedrigsten Beschäftigungsquoten in Frankreich (zum Beispiel 43,9 % in Réunion im Vergleich zu 62,3 % in den Mitgliedstaaten der EU insgesamt).
Ich habe mich immer dafür eingesetzt, diese Zahl von 10 % im Jahre 2014 auf 75 % im Jahre 2020 zu steigern, insbesondere da sie hauptsächlich auf junge Menschen, die in Schwierigkeiten sind, Frauen und Menschen mit Behinderungen ausgerichtet ist. Der Vorschlag bezieht sich auch auf die Armut und zielt darauf ab, die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die unter der Armutsgrenze leben, um 25 % zu reduzieren. Diese Ziele sollten alle sozialen und politischen Kräfte, sowohl auf französischer, als auch auf europäischer Seite mobilisieren, damit der Staat die erforderlichen Mittel einsetzen kann, um diese Ziele innerhalb der gesetzten Fristen zu erreichen.
Alan Kelly (S&D), schriftlich. − Ich habe diese Konsultation unterstützt, weil es meiner Ansicht nach sehr wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten der EU dafür sorgen, dass angemessene Mindesteinkommen über der Armutsgrenze erzielt werden können. Darüber hinaus ist es sehr wichtig, den Grundsatz der gleichen Behandlung und des gleichen Entgelts bei gleicher Arbeit wo immer möglich zur Geltung zu bringen.
Nuno Melo (PPE), schriftlich. − (PT) Die derzeitige Wirtschaftskrise ist die wichtigste Variable, die zu beachten ist, wenn wir über neue Leitlinien für die Beschäftigung im Rahmen der Strategie Europa 2020 sprechen, da sie den Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren ganz wesentlich beeinflussen wird. Obwohl es Hinweise auf eine Erholung der Wirtschaft in einigen Ländern der EU gibt, bleibt die wirtschaftliche Lage in der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten nach wie vor sehr schwierig.
Andererseits hat die Krise bisher noch nicht voll auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen, sodass sich die Zahl der Arbeitslosen infolge der aktuellen Krise noch um viele Tausend erhöhen wird. Somit sind die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, der demografische Wandel, die Globalisierung und die Einführung neuer Technologien, einschließlich kohlenstoffemissionsarmer Technologien. Daher darf sich die europäische Beschäftigungsstrategie für das nächste Jahrzehnt nicht nur mit den dringlichsten Problemen im Zusammenhang mit der Krise beschäftigen, sondern sie muss auch die Probleme berücksichtigen, die mittel- bis langfristig zu erwarten sind. Deshalb habe ich so gestimmt, wie ich gestimmt habe.
Alexander Mirsky (S&D), schriftlich. – (LV) Ich stimme dem Berichterstatter Herrn Őry voll und ganz zu und habe daher diese Legislativentschließung befürwortet. Besonders begrüße ich den Änderungsantrag Nr. 12 des Rates, in dem angemerkt wird, dass es wichtig ist, Ereignisse, die das Wirtschaftswachstum drosseln, zu bekämpfen. Dazu gehören auch die bürokratische Belastung und hohe Steuern. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das Europäische Parlament schon früher einmal über die bürokratische Belastung und die hohen Steuern gesprochen hätte.
Nur wenige Menschen berücksichtigen, dass irrationale und unlogische Steuern jede Wirtschaftsordnung ineffizient machen können. In einem Land wie Lettland hat das Steuerwesen heute zu einer Krise geführt. Aufgrund eines bürokratischen und verpfuschten Steuerwesens hat Lettland mehr als 10 Milliarden EUR verloren. Ich habe diese Legislativentschließung befürwortet in der Hoffnung, dass sie mit der großen Aufgabe der Steueroptimierung im Gebiet der EU beginnt.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. – (DE) Die Beschäftigungspolitik ist sowohl für die Wirtschaft als auch für den sozialen Frieden von zentraler Bedeutung. Es liegt daher im Interesse jeder Nation, selbst über geeignete Maßnahmen zu entscheiden. Aufgrund der großen Unterschiede in den jeweiligen Mitgliedstaaten ist ein einheitliches Maßnahmenpaket jedoch nicht möglich. Eine Beschäftigungsquote von 75 % ist in einigen Mitgliedstaaten wie Polen, Malta und Ungarn, die derzeit bei weniger als 60 % liegen, illusorisch. Auch für Österreich, das bei rund 70 % liegt, ist es äußerst fraglich, ob eine höhere Beschäftigungsquote mit der Wahlfreiheit im Zusammenhang mit der Kindererziehung oder dem Schutz inländischer Arbeitnehmer vor Lohndumping durch ausländische Billigarbeitskräfte vereinbar ist. Aus diesen Gründen habe ich mich dazu entschieden, gegen diesen Bericht zu stimmen.
Franz Obermayr (NI), schriftlich. − (DE) Die wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der EU ist in einer ultra-liberalen Union illusorisch. Ich habe daher gegen den Bericht von Herrn Őry gestimmt.
Alfredo Pallone (PPE), schriftlich. – (IT) Ich habe für den Bericht von Herrn Őry gestimmt, da ich mit seinem Ansatz und seiner abschließenden Botschaft übereinstimme.
Der Vorschlag unterstreicht, wie wichtig es ist, die Zahl der Beschäftigten im Arbeitsmarkt zu erhöhen, um so einen Beitrag zur Verringerung der strukturellen Arbeitslosigkeit zu leisten und dem lebenslangen beruflichen Lernen besondere Beachtung zu schenken. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Bildung zu, indem die derzeitigen Bildungssysteme verbessert und junge Menschen ermutigt werden, an die Hochschulen zu gehen. In den kommenden Jahren wird es außerdem viele neue Anstrengungen geben, um die soziale Eingliederung und den Kampf gegen die Armut effizienter voranzubringen.
Aldo Patriciello (PPE), schriftlich. – (IT) Am 27. April 2010 hat die Kommission einen Vorschlag für die integrierten Leitlinien zu Europa 2020 vorgelegt, der den Rahmen für die neue Strategie und die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Reformen vorgibt.
Die Debatte über die neuen Beschäftigungsleitlinien 2020 findet mitten in einer Wirtschaftskrise statt, die in den kommenden Jahren zweifellos tiefgreifende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird. Trotz einiger ermutigender Anzeichen für ein Wiedereinsetzen des Wachstums bleibt die Wirtschaft in den meisten Mitgliedstaaten anfällig. Daher sind die direkten Auswirkungen der Krise auf die Arbeitslosigkeit immer noch nicht in vollem Umfang spürbar geworden. Folglich müssen sämtliche Bemühungen unternommen werden, um einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung sicherzustellen und das Potenzial der europäischen Volkswirtschaften zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu stärken und den Menschen bei der Arbeitsplatzsuche zu helfen.
Daher ist es sehr wichtig, dass eine europäische Beschäftigungsstrategie für das nächste Jahrzehnt ein Gleichgewicht zwischen den aus der Krise hervorgehenden dringenden, unmittelbaren und mittel- und langfristigen Herausforderungen findet und beibehält.
Rovana Plumb (S&D), schriftlich. – (RO) Im Rahmen der Strategie 2020 der Europäischen Union hat sich Rumänien zusammen mit anderen Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 75 % zu erzielen. Diesem Gesamtziel zufolge muss in Rumänien bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 69–70 % erzielt werden. Ich muss erwähnen, dass die Beschäftigungsquote in Rumänien im Jahr 2010 bei 63,6 % liegt. Der europäische Durchschnitt liegt bei 67,4 %.
Vor diesem Hintergrund rufe ich die Mitgliedstaaten dazu auf, Reformprogramme ins Leben zu rufen, die einen Beitrag leisten zu:
- Erwerbsbeteiligung durch Strategien zur Förderung der Geschlechtergleichstellung und gleicher Entgelte mit dem Ziel, das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen bis 2020 auf 0–5 % zu verringern;
- Ankurbelung der Beschäftigungsquote durch Maßnahmen zur Förderung der Beteiligung, insbesondere ethnischer Minderheiten – darunter die Roma – am Arbeitsleben;
- die Annahme strenger Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, auf nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit basierende Volkswirtschaften abzuschrecken, die zahlreiche nachteilige Auswirkungen auf den europäischen Arbeitsmarkt haben, statt Maßnahmen zu fördern, die nur darauf ausgerichtet sind, die Arbeitskräfte in den Binnenmärkten der Mitgliedstaaten zu schützen;
- die vollständige Öffnung der Arbeitsmärkte für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten.
Robert Rochefort (ALDE), schriftlich. – (FR) Wenngleich sich die vollständigen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Arbeitslosenquoten noch nicht bemerkbar gemacht haben, ist es doch wichtig, eine ehrgeizige europäische Beschäftigungsstrategie einzuführen.
Ich stimme dem vom Rat festgelegten Ziel, die Beschäftigungsquote zwischen heute und dem Jahr 2020 auf 75 % der europäischen Bevölkerung zu steigern, zu. Es muss jedoch noch mehr unternommen werden. Wir könnten zum Beispiel das Ziel festlegen, die Beschäftigungsquoten innerhalb der schwächeren Bevölkerungsgruppen, wie jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren, älteren Arbeitnehmern, ungelernten Frauen im erwerbstätigen Alter oder Menschen mit Behinderungen, zu steigern. Oder wir könnten die Quoten der Schulabbrecher weiter auf unter 10 % senken.
Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass spezifische Strategien auf die Schwierigkeiten ausgerichtet sein sollten, mit denen Langzeitarbeitslose beim Einstieg in den Arbeitsmarkt konfrontiert werden. Und ich rufe den Rat auf, sich mit den Mitteln auszustatten, um diese im Laufe der nächsten 10 Jahre um mindestens 10 % zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten – wie von Herrn Őry in seinem Bericht vorgeschlagen – mindestens 25 % aller Langzeitarbeitslosen an einer aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahme in Form von Weiterbildung, Ausbildung und/oder Umschulung teilnehmen können.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE), schriftlich. – Der heute angenommene Bericht ist ein Meilenstein für die Beschäftigungsleitlinien der EU. Die Abgeordneten haben dafür gestimmt, erstmals eine angemessene soziale Komponente in die Leitlinien aufzunehmen, darunter auch Maßnahmen zum Umgang mit Armut und den arbeitenden Armen, sowie das Problem der Jugendarbeitslosigkeit anzugehen und ausgegrenzte und schwache Bevölkerungsgruppen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die EU-Regierungen und der belgische Ratsvorsitz müssen der Botschaft, die heute vom Europäischen Parlament ausgesendet wurde, Beachtung schenken und sich dazu verpflichten, ihre beschäftigungspolitischen Strategien stärker auf soziale Integration auszurichten.
Besonders die nationalen Regierungen müssen der Forderung des Parlaments nachkommen, Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben und der Gleichstellung der Geschlechter zu ergreifen. In dieser Hinsicht müssen große Anstrengungen unternommen werden, um die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt bis 2020 auf 75 % zu steigern.
Licia Ronzulli (PPE), schriftlich. – (IT) Der heute angenommene Bericht ist ein wichtiges Instrument zur Förderung neuer beschäftigungspolitischer Strategien im Rahmen der Europa-2020-Strategie.
Es ist wichtig hervorzuheben, dass der Text an die Mitgliedstaaten appelliert, entschlossen zu handeln, um die Beschäftigungsniveaus zu erhöhen, und insbesondere, um die Mobilität unter den jungen Menschen zu fördern. Die Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze, die Verringerung der Arbeitslosigkeit und die Steigerung der Beschäftigungsquote der aktiven Bevölkerung auf 75 % müssen die Zielvorgaben darstellen, die es in den nächsten Jahren zu erreichen gilt. Die aktive Bevölkerung muss im Mittelpunkt aller Strategien für die wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union stehen. Ohne Arbeitsplatz bleiben alle Zukunftspläne – wie Reisen, ein Haus kaufen oder ein Kind bekommen – Wunschträume, die wahrscheinlich nicht in Erfüllung gehen.
Oreste Rossi (EFD), schriftlich. – (IT) Wir können diesem Bericht nicht zustimmen, weil er die Einführung von Maßnahmen fördern soll, die darauf ausgerichtet sind, den Zugang zu Beschäftigung für bestimmte Gruppen, insbesondere die Roma, zu erleichtern.
Wir können nicht hinnehmen, dass wir statt der Verteidigung der Rechte jener Menschen, die in ihrem eigenen Land leben, Angelegenheiten für Menschen vereinfachen, die in vielen Situationen nur Gäste sind. In Krisenzeiten muss jeder Staat offenkundig die Angelegenheiten seiner eigenen Bürgerinnen und Bürger vereinfachen, etwa mit Projekten für Menschen, die in Schwierigkeiten sind oder keine Arbeit haben.
Joanna Senyszyn (S&D), schriftlich. – (PL) Ich habe den Bericht über die Leitlinien für die Beschäftigungsstrategien der Mitgliedstaaten befürwortet: Teil II der integrierten Leitlinien zu Europa 2020. Angesichts der Tatsache, dass die Arbeitslosenquote in der EU bei 9,6 % liegt, ist es zwingend erforderlich, die Beschäftigungspolitik zu intensivieren und zu rationalisieren, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. In Polen ist die Unterstützung der EU tausenden von Menschen zugutegekommen, die nun Arbeit haben. Das für diesen Zweck verfügbare Geld wird nicht immer klug ausgegeben. Der Mangel an genau spezifizierten Leitlinien bedeutet, dass viele Projekte ad hoc durchgeführt werden. Dies führt dazu, dass Weiterbildungsmaßnahmen nicht immer an die tatsächliche Situation angepasst sind, und dass häufig mehrmals dieselben Leute teilnehmen. Daher befürworte ich die Initiative der Kommission in diesem Bereich. Diese Leitlinien, die während der Krise ausgearbeitet wurden, werden in den nächsten Jahren auf den Prüfstand gestellt. Von diesen Leitlinien wird abhängen, ob die Union die Krise überwindet, und ob die neu geschaffenen Arbeitsplätze den derzeitigen und zukünftigen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht werden.
Es ist ebenfalls wichtig, die Effizienz der Leitlinien zu überwachen, indem bestimmte statistische Daten zur Effizienz der auf Grundlage der Leitlinien ergriffenen Maßnahmen erfasst werden. Nur so werden wir den tatsächlichen Einfluss der EU-Finanzmittel auf die Verringerung der Arbeitslosigkeit innerhalb der Union feststellen können. Dies wird wiederum die Möglichkeit bieten, gegebenenfalls erforderliche Veränderungen in diesem Bereich vorzunehmen. Ich rufe auch dazu auf, dass ein besonderes Augenmerk auf die Förderung von Mobilität und Beschäftigung von Frauen, jungen Menschen, älteren und behinderten Menschen gerichtet wird.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. – (NL) Trotz einiger ermutigender Anzeichen für ein erneutes Wachstum bleibt die wirtschaftliche Situation instabil. Europa muss daher einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung sicherstellen, das Potenzial der europäischen Volkswirtschaften zur Schaffung von Arbeitsplätzen stärken und den Menschen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt helfen. Die Empfehlung des Berichts zu den Beschäftigungsleitlinien ist klar formuliert: mehr erwerbstätige Frauen, Senioren und junge Menschen, weniger Armut und eine bessere Ausbildung. Das sind die Ziele der EU, die es bis 2020 zu erreichen gilt. Aus diesen Gründen bekunde ich meine Unterstützung für den Bericht. Er enthält Leitlinien, die es den Menschen ermöglichen, Arbeit und Betreuungsaufgaben besser zu vereinbaren, zum Beispiel durch flexible Arbeitszeiten und Zugang zu Kinderbetreuung. Das ist eine konkrete Strategie, die darüber hinaus den Frauen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt helfen wird. Das Parlament erwartet von den Ländern der EU auch, dass diese ihre Systeme der sozialen Sicherheit verbessern und ein angemessenes Einkommen garantieren, damit die Armut verringert werden kann und die Menschen erkennen, dass es sich lohnt zu arbeiten. Schließlich wird die kontinuierliche Weiterverfolgung der Ziele der Kohäsionspolitik zur Behebung der sozioökonomischen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und den Regionen führen. Wenn die Kommission nun konsequent sicherstellt, dass die Mitgliedstaaten die Leitlinien als Grundlage für ihre Strategien verwenden, dann werden Europas Pläne für 2020 keine leeren Worte sein.
Nuno Teixeira (PPE), schriftlich. – (PT) Die Diskussion über die neuen Leitlinien für die Beschäftigung im Jahre 2020 wird zu einem Zeitpunkt geführt, wo tausende von Familien in ganz Europa mit dem tragischen Ausmaß der Arbeitslosigkeit als einem Bestandteil der Wirtschaftskrise konfrontiert werden. Diese Leitlinien, die Bestandteil der Europa-2020-Strategie sind, umfassen allgemeine Leitlinien sowohl für die Wirtschaftspolitik als auch für die Beschäftigungspolitik.
Der Bericht, über den wir heute abgestimmt haben und den ich befürwortet habe, ist am Vorschlag der Europäischen Kommission ausgerichtet – wenngleich der Berichterstatter versichert hat, dass diese Leitlinien eindeutig sind und den Mitgliedstaaten bei der Festlegung ihrer Politik von Nutzen sein werden. Die Förderung der Beschäftigung wird sich mit einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum, der Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Arbeitnehmern an neue Gegebenheiten, dem Erreichen hoher Bildungsniveaus – insbesondere unter jüngeren Menschen –, kontinuierlicher Weiterbildung entsprechend den Bedürfnissen der Unternehmen und der Einbindung der Sozialpartner in all diese Prozesse automatisch ergeben.
Genau das hat der Berichterstatter mit der Festlegung von Zielen zur Steigerung und Verbesserung der Beschäftigung, zur Erhöhung des Bildungsniveaus, der Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben und zur Verringerung der Schulabbrecherquote sowie des in Armut lebenden Anteils der Bevölkerung versucht.
Georgios Toussas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die Beschäftigungsleitlinien der Kommission und der entsprechende Bericht des Europäischen Parlaments sind Teil der basisfeindlichen Strategie der EU, der EU-2020-Strategie und ihren „integrierten Leitlinien“. Sie bilden einen einheitlichen Rahmen für die arbeitnehmerfeindliche Politik der EU, die bereits in der Einführung begriffen ist und auf noch entschlossenere und besser koordinierte Weise in allen Mitgliedstaaten der EU gefördert werden muss.
In ihrem Mittelpunkt stehen die Bemühungen des Monopolkapitals, die Kosten für Arbeitskräfte so stark wie möglich zu senken, um die Gewinne während der kapitalistischen Krise sichern zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, fördern die EU, die kleinbürgerlichen Regierungen und die politischen Kräfte des Kapitals in den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament die folgenden Punkte der Beschäftigungsleitlinien mit Entschlossenheit: ein längeres Arbeitsleben, eine Anhebung des Rentenalters, wobei die demografische Alterung und die „Lebensfähigkeit“ nationaler Versicherungssysteme als Vorwände angebracht werden, „Flexicurity“ und flexible, temporäre Teilzeitbeschäftigung als Standard, wodurch alle erworbenen Rechte der Arbeitnehmer abgeschafft werden, die Anpassung der Bildungssysteme an die Weiterbildung von erwerbsfähigen Arbeitnehmern, um den kapitalistischen Bedürfnissen zu entsprechen, ein Pool billiger wissenschaftlicher Arbeitskräfte/bezahlter Intellektueller für den Geschäftsbetrieb und ein neues Netzwerk an der Grenze zur Mittellosigkeit für Fälle extremer Armut, um sozialen Aufständen entgegenzuwirken, die aus skrupelloser Ausbeutung hervorgehen.
Viktor Uspaskich (ALDE), schriftlich. – (LT) Meine Damen und Herren, in diesem Bericht wird zu Recht darauf verwiesen, dass es wichtig ist, das Beschäftigungsniveau zu erhöhen und die Beschäftigungsquote anzuheben. Das ist sowohl für unsere Wirtschaft als auch für unsere Gesellschaft wichtig. Es ist auch wichtig, Qualität nicht zugunsten von Quantität zu opfern, indem man versäumt, sich mit der Situation der bedürftigen Erwerbstätigen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene zu befassen. Es gibt eine große Gruppe erwerbstätiger Menschen, deren verfügbares Einkommen jedoch nicht ausreicht, um sich aus der Armut zu befreien. Die wirtschaftliche Rezession hat daraus ein Problem für das gesamte Europa gemacht und in Litauen ist die Situation besonders schwierig.
Diese Tendenzen spiegeln sich in den Mindestlöhnen, welche die Arbeitnehmer erhalten, und in den weit verbreiteten Lohnkürzungen als strenger Sparmaßnahme sehr gut wider. Menschen ohne höhere Bildung sind besonders gefährdet. Gemäß den EU-Statistiken liegt das Armutsrisiko für Arbeitnehmer ohne höhere Bildung bei 16 % – das Doppelte des Durchschnitts in Litauen und acht Mal höher als für einen Angestellten mit Hochschulbildung. Bedauerlicherweise ist diese Kluft in Litauen wesentlich größer als anderswo in der Europäischen Union. Das Problem der Armut unter den Erwerbstätigen wurde von den Mitgliedstaaten, mein Land eingeschlossen, noch nicht ausreichend diskutiert. Wir benötigen mehr Studien zu diesem Problem sowie spezifische Maßnahmen zur Reduzierung der Armut erwerbstätiger Menschen.
Luís Paulo Alves (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für den gemeinsamen Entschließungsantrag zur Situation der Menschenrechte im Iran gestimmt. Ich habe das getan, weil ich der Meinung bin, dass die Todesstrafe durch Steinigung für Sakineh Ashtiani ein klarer Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen des Iran darstellt. Diese Art der Bestrafung kann ungeachtet der Tatbestände nie gerechtfertigt oder akzeptiert werden. Folter, rechtswidrige Festnahmen, physische und sexuelle Gewalt sowie Straffreiheit für staatliche Akteure sind in vielen Ländern weiterhin sehr verbreitet. Dies lässt ernsthafte Zweifel an der Unparteilichkeit und Transparenz der dortigen Gerichtsverfahren aufkommen. Die fortwährende Verfolgung ethnischer und religiöser Minderheiten sowie die andauernde Kriminalisierung freiwilliger sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen ist inakzeptabel.
In dieser Situation ist es unsere Aufgabe als Verfechter der Menschenrechte und der demokratischen Werte, welche die Grundlage unserer Institutionen bilden, möglichst großen Druck auf die iranischen Behörden auszuüben, damit solche Vorgehensweisen bereinigt werden. Dieser Druck hat bereits Früchte getragen, denn die iranische Regierung hat verkündigt, dass das Todesurteil durch Steinigung gegen Sakineh Ashtiani ausgesetzt wurde. Ich möchte den Mut aller iranischen Männer und Frauen würdigen, die für ihre Grundfreiheiten kämpfen.
Charalampos Angourakis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Das Europäische Parlament hat sich beeilt, seine Unterstützung für die imperialistischen Vorhaben im Nahen Osten und für die unverhüllten militärischen Bedrohungen durch Israel, die USA und die NATO gegen Iran zu bekunden. Unter dem Vorwand der barbarischen Todesstrafe durch Steinigung, zu der Sakineh Mohammad-Ashtiani verurteilt wurde, sowie der inakzeptablen Verfolgung der Basisbewegung haben alle Fraktionen im Europäischen Parlament in einer seltenen Geste der Eintracht eine Entschließung zur Verstärkung der imperialistischen Intervention in Iran angenommen. Die Kommunistische Partei Griechenlands hat die Entschließung nicht unterstützt, da diese in keinem Zusammenhang mit der Solidarität steht, die im Kampf der Arbeiterklasse gegen das reaktionäre und rückwärts gewandte Regime erforderlich ist, das durch Sanktionen und derartige Entschließungen sogar noch gestärkt wird. Es ist bezeichnend, dass die Aussprache im Europäischen Parlament unmittelbar nach den Äußerungen der israelischen Botschaft in Brüssel beschlossen wurde, die es dazu aufgerufen hatte, nicht auf Verstöße gegen die Menschenrechte in Israel einzugehen und seine Aufmerksamkeit stattdessen auf Iran zu lenken.
Die Sensibilität des Europäischen Parlaments für das Thema Menschenrechte ist das Feigenblatt für die aggressive Außenpolitik der EU und ihre Verbrechen gegen Arbeitnehmer, Immigranten und Völker. Der Kampf gegen die NATO, die EU und die imperialistischen Verbände wird immer notwendiger, wenn die Menschen Rechte und Freiheiten erlangen und ihr eigenes Schicksal bestimmen wollen.
Sophie Auconie (PPE), schriftlich. – (FR) Sakineh Mohammadi Ashtiani, eine 43-jährige iranische Frau, soll wegen Ehebruchs und Komplizenschaft beim Mord an ihrem Ex-Mann gesteinigt werden. Als Abgeordnete sowie als Vorsitzende des Verbandes Femmes au Centre (Frauen im Mittelpunkt) macht mich dieses Urteil, das von allen als willkürlich angesehen wird, wütend. In der Tat missachtet diese Entscheidung die grundlegendsten Menschenrechte: Sie verletzt das Recht auf Verteidigung sowie die Menschenwürde. Noch immer existieren in manchen Ländern zwei Arten von Gerechtigkeit Seite an Seite: Frauen werden von Männern, die die gesamte Macht innehaben, ohne Rücksicht auf ihre Grundrechte verurteilt und gefoltert. Ich bin erfreut, dass die Entschließung des Parlaments, die das iranische Regime auffordert, dieses Urteil zu überdenken, fast einstimmig angenommen wurde, da dies der Entschließung ein erhebliches Gewicht verleiht. Wir erwarten nun wirkliche Fortschritte im Bereich der Menschenrechte im Iran.
Zigmantas Balčytis (S&D), schriftlich. − (LT) Ich habe für diese Entschließung gestimmt. Der Iran ist weiterhin das Land mit den meisten Hinrichtungen pro Jahr weltweit. Aus diesem Grund unterstütze ich die Position des Europäischen Parlaments voll und ganz, die die Todesstrafe aufs Schärfste verurteilt und die iranischen Behörden auffordert, diese abzuschaffen, um alle Formen von Folter und sonstigen grausamen oder erniedrigenden Behandlungen zu beseitigen und die Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten zu beenden. Ich unterstütze das Ziel der Europäischen Union, die Menschenrechte sowie die Umsetzung zugehöriger Unterstützungsprogramme, wie z. B. der von der EU finanzierten Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte, weltweit zu fördern. Diese Initiative, die für den Zeitraum von 2007-2013 über ein Budget von 1,1 Mrd. EUR verfügt, zielt darauf ab, zu gewährleisten, dass die Menschenrechte und die Grundsätze der Demokratie überall auf der Welt geachtet werden. Aus diesem Grund sollten die Kommission und der Rat zusammen mit anderen internationalen Organisationen auch weiterhin aktiv zusätzliche Hilfsmaßnahmen erarbeiten, um die Menschenrechtsaktivisten im Iran aktiv zu schützen.
Mara Bizzotto (EFD), schriftlich. – (IT) Die gemeinsame Entschließung hat meine volle Unterstützung als politische Vertreterin, doch noch viel mehr als Frau. Iran ist heute ein Land, das die Gewalttätigkeit des radikalen Islamismus und Fanatismus gegen Frauen und ihre Grundrechte symbolisiert.
Mit dieser Entschließung rufen wir die Islamische Republik und ihre Führung mit Recht dazu auf, die internationalen Menschenrechtskonventionen, zu deren Einhaltung der Iran gesetzlich verpflichtet ist, anzuerkennen. Zusammen mit den anderen Fällen, die in dem Text, für den wir gestimmt haben, enthalten sind, bestätigt der Fall Sakineh, dass Teheran heute nicht nur moderne politische und kulturelle Werte vehement ablehnt, sondern sich im Hinblick auf internationale Normen auch im Bereich der Illegalität bewegt, da es die verbindlichen Abkommen zur Ratifizierung der Kinderrechtskonvention und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte nicht befolgt.
Die Entschließung ist bindend, und dies zu Recht in einer Zeit, in der wir Iran die Macht und den Druck, den diese Institution ausüben kann, spüren lassen müssen, damit die internationale Bewegung verhindern kann, dass der Scharfrichter der Islamischen Republik die von ihm gewünschte Wirkung erzielt. Aus diesem Grund habe ich entschlossen für diesen Bericht gestimmt.
Sebastian Valentin Bodu (PPE), schriftlich. – (RO) Die internationale Gemeinschaft hat einen kleinen Sieg errungen und verbreitet damit im Fall der Frau, die im Iran zum Tode durch die barbarische Methode der Steinigung verurteilt wurde, immer noch einen Hoffnungsschimmer. Das Urteil wurde zeitweilig aufgehoben, aber letzten Endes ist das bedeutungslos. Daher müssen die Bemühungen aller Mitglieder der internationalen Gemeinschaft fortgeführt werden. Das Ziel ist hierbei die Abschaffung der Todesstrafe in Ländern wie Iran, in denen das Leben der Menschen abartigen, archaischen Gesetzen ausgeliefert ist.
Die Europäische Union muss weiterhin Staaten verurteilen, in denen das menschliche Leben nicht geachtet wird und Menschenrechte nichts bedeuten, und Druck auf diese Staaten ausüben. Es gibt Menschen im Iran, die Tag für Tag ihr Leben und ihre persönliche Sicherheit riskieren, indem sie für größere Freiheiten und mehr demokratische Rechte kämpfen. Internationale Vereinigungen und Gremien demonstrieren ihre Unterstützung für diese Menschen. Im Falle eines repressiven Regimes, das wie das Regime in Teheran in einer Zeitfalle gefangen ist, wird der Kampf jedoch schwierig und langwierig werden. Niemand sollte mit seiner Freiheit dafür bezahlen müssen, dass er sich öffentlich gegen ein Regime oder einige Regimeführer ausgesprochen hat. Die Europäische Union muss in ihrer Rolle als Exporteur von Freiheit und Achtung der Menschen und ihrer Rechte aktiv werden.
Andrew Henry William Brons (NI), schriftlich. – Ich habe mich zu diesem Antrag der Stimme enthalten. Ich hätte jedoch für den (EKR) Antrag B7-0499/2010 gestimmt. Selbstverständlich bin auch ich der Ansicht, dass der Tod durch Steinigung (oder jedes andere Todesurteil) wegen Ehebruchs auch für muslimische Länder, die solche Handlungen möglicherweise gerne gesetzlich verbieten würden, absolut inakzeptabel ist. Ich bin zwar nicht dafür, moralisches Verhalten zwischen einwilligenden Erwachsenen mithilfe des Strafrechts zu erzwingen, aber ich respektiere das Recht anderer Länder, eine andere Ansicht zu vertreten, solange sie keine unverhältnismäßigen und grausamen Urteile anwenden. Ich bin auch beunruhigt über die Anwendung des Strafrechts gegen politischen Dissens sowohl im Iran als auch in den Ländern der EU, die dessen schuldig geworden sind.
Alle Angeklagten, die ernsthaft strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, müssen Anspruch auf rechtliche Vertretung haben, und es muss Schutzklauseln gegen unangemessenes polizeiliches Verhalten vor einem Prozess geben. Ich glaube nicht, dass es Aufgabe der EU ist, Iran mitzuteilen, dass die Todesstrafe unter keinen Umständen zum Einsatz kommen darf. Wenn dieser Antrag nicht kontraproduktiv sein soll, dann muss er richtig bemessen sein und sich an reformorientierte Mitglieder einer sehr konservativen Gesellschaft wenden. Mit diesem Antrag wird man sogar reformbereiten Iranerinnen und Iranern zu nahe treten.
Maria Da Graça Carvalho (PPE), schriftlich. – (PT) Sakineh Ashtiani ist das Gesicht der Hinrichtungen im Iran und das Symbol der Ungerechtigkeit der Gerichtsverfahren des Landes und seiner Verletzung der Grundrechte. Ich möchte mich den internationalen Solidaritätsbewegungen anschließen, die fordern, dass das Urteil aufgehoben und Sakineh Ashtiani sofort freigelassen wird: ihre Freiheit zu fordern, bedeutet auch, für die Gleichberechtigung der Frau und die Freiheit der Meinungsäußerung zu kämpfen sowie aktiv an einer freien Gesellschaft teilzunehmen. Ich unterstütze Bewegungen zur Bekämpfung von Diskriminierung, insbesondere im Fall iranischer Frauen, und möchte die Rolle von Sakineh Ashtiani als Vorreiterin des Kampfes für Demokratie, Gleichheit und Rechte im Iran betonen. Der Mut und die Entschlossenheit der iranischen Frauen sind eine Inspiration für uns alle.
Carlos Coelho (PPE), schriftlich. – (PT) Die theokratische Diktatur in Iran sät Hass und predigt Intoleranz. Ihre aufrührerischen Äußerungen zugunsten der Zerstörung Israels und zugunsten ihres Nuklearprogramms, das ohne Kontrolle oder internationale Überwachung fortbesteht, sind Bedrohungen für den Frieden in der Welt. Die islamischen Gerichte wenden barbarische Gesetze an, die an sich einen Schlag gegen die Gerechtigkeit darstellen, indem sie Frauen gewissermaßen als Sklaven behandeln.
Bedauerlicherweise ist der Fall von Sakineh Mohammadi-Ashtiani kein Einzelfall, und wir müssen alle anderen Frauen unterstützen, die ohne Rücksicht auf die Menschenwürde, die Rechte der Frauen und die Menschenrechte zum Tode verurteilt werden. Ich möchte meinen Widerstand gegen die Todesstrafe nochmals bekräftigen und die iranischen Behörden dazu aufrufen, gemäß den UN-Resolutionen 62/149 und 63/138, bis zur Abschaffung der Todesstrafe ein Moratorium für Hinrichtungen zu verkünden. Ich verurteile die Verhaftung von Zahra Bahrami, einer niederländischen Staatsbürgerin, die nach Iran gereist war, um ihre Familie zu besuchen, und die während der Ashura-Proteste am 27. Dezember 2009 festgenommen und gezwungen wurde, vor den Fernsehkameras ein Geständnis abzulegen und die gegen sie erhobenen Beschuldigungen zuzugeben.
Edite Estrela (S&D), schriftlich. – (PT) Ich habe für die gemeinsame Entschließung zu den Menschenrechten im Iran gestimmt, unter die ich meinen Namen gesetzt habe, da ich finde, dass es ethisch zwingend erforderlich ist, Druck auf die iranischen Behörden auszuüben, damit sie dieses abscheuliche Verbrechen unterlassen. Ich bin stolz darauf, in einem Land geboren worden zu sein, dass bei der Abschaffung der Todesstrafe ein Vorreiter war. Sakineh Mohammadi-Ashtiani hat kein Verbrechen begangen, wurde aber dennoch verhaftet und zum Tode durch Steinigung verurteilt und wird permanent gedemütigt und ausgepeitscht. Ich möchte meine tiefe Besorgnis über die ständigen Berichte zu Verfolgungskampagnen gegen politische Gegner und Verfechter der Menschenrechte, insbesondere gegen Frauen und junge Studenten, durch die iranischen Behörden ausdrücken. Dies stellt eine eindeutige Verletzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und einen Missbrauch der Judikative dar.
Diogo Feio (PPE), schriftlich. – (PT) Unbegründete und unverhältnismäßige Gewalt verletzt nicht nur unser europäisches Empfinden, wenn sie frontal mit dem Fundament der Werte und Rechte kollidiert, die im Westen ihren Ursprung haben, und die heutzutage glücklicherweise Teil des Welterbes sind. Zwischen diesen Fällen zeichnen sich Fälle von Gewalt gegen Frauen ab, die in manchen Gesellschaften häufig als Kriegswaffe oder -ausbeute genutzt werden, als Dekorationsobjekte oder als Wesen ohne Rechte oder die Fähigkeit selbstständig zu handeln, und die dazu verurteilt sind, einer anormalen und schutzlosen Minderheit anzugehören.
Bedauerlicherweise gibt es immer noch Staaten und Länder, die weiterhin schreckliche Praktiken gegen Frauen anwenden und grausame, brutale und offensichtlich unverhältnismäßige Strafen gegen sie verhängen. Sie nähren Kulturen, die Frauen für das, was sie sind, unterdrücken, degradieren und demütigen. Gerade weil ich der Meinung bin, dass sich die Geschlechter aufgrund ihrer natürlichen Unterschiede und gleichen Rechte gegenseitig ergänzen, kann ich diese verabscheuungswürdigen Praktiken nur aufs Schärfste verurteilen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir sind gegen die Todesstrafe in allen Ländern, ganz gleich ob in den USA, im Iran oder in irgendeinem anderen Land auf der Welt. Wir sind auch gegen jegliche Art von Folter, unabhängig davon, wo sie angewandt wird, auch im Iran und in den von der CIA kontrollierten Gefängnissen. Auf diese Weise zwingen wir Iran, Sakineh Ashtiani am Leben zu lassen und mit der Steinigung von Frauen, jungen Menschen und anderen aufzuhören. Deswegen haben wir für diese Entschließung gestimmt.
Wir möchten dennoch hervorheben, dass im Falle eines Kampfes für die Achtung der Demokratie im Iran die Verteidigung der Rechte derjenigen, die weiterhin für soziale Gerechtigkeit, Fortschritt und Demokratie in diesem Land kämpfen, unter keinen Umständen gegen die Souveränität des Iran, seine territoriale Integrität und seine Befugnis, über seine Zukunft zu entscheiden, eingesetzt werden kann. Sie kann noch viel weniger dazu verwendet werden, Eingriffe und Einmischungen zu rechtfertigen, welche die territoriale Souveränität des Landes nicht respektieren.
Pat the Cope Gallagher (ALDE), schriftlich. – (GA) Tod durch Steinigung darf niemals akzeptiert oder unterstützt werden. Ich rufe die iranischen Behörden dazu auf, diese Strafmaßnahme für Sakineh Mohammadi-Ashtiani aufzuheben und den Fall erneut zu prüfen.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (S&D), schriftlich. – (PL) Bis Ende 2010 verbleiben noch drei Monate, und das Justizwesen der Islamischen Republik Iran hat es in diesem Jahr bereits geschafft, 2000 Todesurteile zu verkünden. Wenn wir einmal von der optimistischen Annahme ausgehen, dass es im letzten Vierteljahr kein weiteres dieser Urteile geben wird, und angenommen, dass wir über jedes dieser Urteile informiert sind, bedeutet dies, dass jeden Tag fünf iranische Bürgerinnen und Bürger erfahren, dass sie bald sterben werden. Morgens könnte es Sakineh Mohammadi-Ashtiani sein, die im Jahre 2006 wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt wurde. Mittags könnte Mohammad Mostafaei, der Menschenrechtsanwalt, der aus Angst vor Verhaftung und Repression aus dem Iran geflüchtet ist, an der Reihe sein. Nachmittags könnte das nächste Opfer des iranischen Regimes dann Nasrin Sotoudeh sein, die sich für eine Verringerung der Anzahl der gegen Minderjährige verhängten Todesurteile einsetzt, während abends die niederländische Staatsbürgerin Zahra Bahrami aufgrund ihrer Teilnahme an einem Straßenprotest als Nächste verhaftet wird.
Fünftens und letztlich nehmen die iranischen Behörden ihr nächstes Opfer, das wir nicht kennen, nachts bei einer geheimen Razzia fest.
Wir fordern daher kategorisch die Abschaffung der Todesstrafe im Iran, die Aufhebung der Verurteilung von Sakineh Mohammadi-Ashtiani zur Steinigung und die Freilassung von Zahra Bahrami. Wir möchten auch anmerken, dass Iran den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet hat, in dessen Artikel 18 Folgendes festgelegt ist: „Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.“
Sylvie Guillaume (S&D), schriftlich. – (FR) Ich habe für die Entschließung über die Menschenrechte im Iran gestimmt, insbesondere im Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani und Zahra Bahrami, da die Situation dieser beiden Frauen tragisch ist. Sakineh Mohammadi Ashtiani, die von der iranischen Regierung zum Tode verurteilt wurde, ist täglich von einer Hinrichtung in Form des äußerst barbarischen Rituals der Steinigung bedroht. Welches Land kann noch im 21. Jahrhundert schwarz auf weiß in sein Gesetzbuch schreiben, wie groß die Steine sein müssen, die auf einen verurteilten Häftling geworfen werden sollen, um ihn zu töten? Dieses Land ist der Iran. Nur durch die Beteiligung der internationalen und politischen Gemeinschaft war es möglich, Steinigungen in den letzten Jahren zu verhindern, und allein sie wird die iranische Regierung zum Nachgeben bewegen können. Als Politiker, als Bürgerinnen und Bürger, als Menschen haben wir die Pflicht etwas zu verhindern, das nichts anderes als Mord ist.
Eija-Riitta Korhola (PPE), schriftlich. – (FI) Ich habe für den Entschließungsantrag RCB70494/2010 zur Lage der Menschenrechte im Iran gestimmt, weil ich der Meinung bin, dass die Europäische Union der Welt klar machen muss, dass ein menschenwürdiges Leben, politische Grundrechte und gerechte Behandlung als Grundrechte für alle Menschen gelten, ganz gleich, in welchem Land sie geboren wurden. Jeder, der die Entschließung gelesen hat und über ein gesundes Gewissen verfügt, wird in der Lage sein zu verstehen, warum das Thema in Europa so starke Gefühle weckt. Ich denke daher, dass es nicht erforderlich ist, das Thema in diesem Rückblick gesondert in allen Einzelheiten darzustellen.
Wenngleich sie derzeit ein offensichtliches Beispiel für eine schlechte Menschenrechtslage darstellt und uns allen als Warnung dienen sollte, darf die Lage im Iran nicht den Blick dafür verstellen, dass es fast überall in der Dritten Welt ähnliche und sogar noch ernstere Probleme gibt. Insbesondere gibt es in Regionen, die unter dem Einfluss der Scharia stehen, eine systematische Unterdrückung in großem Umfang.
Mir ist bewusst, dass die Haltung der Europäischen Union und der westlichen Welt im Hinblick auf die Menschenrechte nun schon seit einiger Zeit allgemein bekannt ist. Allerdings wurden noch keine wesentlichen Fortschritte bei diesem Thema erzielt. Aus diesem Grund halte ich es für wichtig, dass die Europäische Union in der Zukunft weiterhin Druck auf Iran und andere Problemländer in Sachen Menschenrechte ausübt.
Nuno Melo (PPE), schriftlich. − (PT) Was im Iran im Bereich der Menschenrechte passiert, ist absolut verwerflich. Die EU kann als Verfechter der Menschenrechte auf der ganzen Welt nicht untätig bleiben und muss ihre uneingeschränkte Empörung hinsichtlich der zahlreichen Todesurteile durch Steinigung zum Ausdruck bringen, die seit vielen Jahren in diesem Land vollstreckt werden. Die EU muss ein deutliches Signal senden, dass eine solche Praxis in einem Land, das respektiert werden möchte und normale diplomatische Beziehungen mit allen Mitgliedstaaten der EU aufrechterhalten möchte, nicht akzeptiert werden kann. Daher habe ich so gestimmt, wie ich gestimmt habe.
Alexander Mirsky (S&D), schriftlich. – (LV) Ich habe für die gemeinsame Entschließung zur Lage der Menschenrechte im Iran gestimmt, weil ich ihren Inhalt voll und ganz unterstütze. Die Diktatur von Ahmadinejad hat das staatliche System und die Staatsmacht im Iran ins Mittelalter zurückversetzt. Wir müssen das iranische Regime daran erinnern, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sich nicht nur durch schöne Worte auszeichnet. Ich habe für diese Entschließung gestimmt, weil die islamistischen Fanatiker die Bedeutung des internationalen Rechts nicht verstehen wollen. Wir müssen die Abschaffung der Todesstrafe im Iran bewirken und Sakineh Mohammadi-Ashtiani und Zahra Bahrami aus den Händen der religiösen Terroristen befreien, die das Gesetz entstellt und daraus ein Terrorinstrument gegen ihr eigenes Volk gemacht haben.
Claudio Morganti (EFD), schriftlich. – (IT) Ich habe für die Entschließung gestimmt, in der Hoffnung, dass diese Grausamkeit beendet wird, und dass die Menschenrechte aller Frauen und Männer in der Situation von Sakineh Mohammadi-Ashtiani geachtet werden. Ich möchte unterstreichen, dass das, was wir derzeit erleben, aus der Anwendung des fundamentalistischen islamischen Gesetzes, das einige Menschen auch gerne in unserem demokratischen Europa einführen würden, hervorgeht.
Die Todesstrafe durch Steinigung ist an sich eine Form der Folter. In den letzten Jahren wurden hunderte von Frauen im Iran wegen Ehebruchs zu Tode gesteinigt und mindestens 40 weitere Menschen, die das gleiche Schicksal erwartet, befinden sich im Gefängnis. Ganz zu schweigen von den tausenden von Frauen, die aus politischen Gründen verhaftet wurden, und die oftmals gefoltert und hingerichtet werden.
Cristiana Muscardini (PPE), schriftlich. – (IT) Jedes Wort, das in diesem Plenarsaal gesprochen wird, müsste wie ein Stein sein, der vor diejenigen gelegt wird, welche die Steinigung ausführen, um eine Art Mauer der Schande um sie zu errichten und sie aus der menschlichen Gesellschaft zu verbannen.
Sakineh Mohammadi-Ashtiani muss gerettet werden, und mit ihr die Frauen und Männer überall auf der Welt, welche immer noch Opfer dieser barbarischen Grausamkeit werden, die selbst unter den wildesten und primitivsten Tieren gänzlich unbekannt ist. Es ist das Biest, also der Teufel, der heute die Hände und Lippen unwürdiger Anführer und falscher heiliger Männer bewegt, die der Allmächtige ohne jede Aussicht auf Gnade bereits verdammt hat. Sie sollten sich bewusst werden, dass, wenn sie jetzt nicht aufhören, ihre Zeit geprägt sein wird und es für sie jetzt und in Ewigkeit keinen Frieden mehr geben wird.
Alfredo Pallone (PPE), schriftlich. – (IT) Ich habe für den Entschließungsentwurf gestimmt und bin erfreut darüber, dass diese Kammer fast einstimmig dafür gestimmt hat. Solche Anlässe demonstrieren die überzeugende Stärke der Demokratie.
Die Mobilisierung von Menschen in ganz Europa sowie insbesondere in Italien zur Unterstützung von Sakineh sollte nachdrücklich unterstützt werden, und ich hoffe, dass sich die Situation im Iran verbessert. Ich bin der Ansicht, dass es eine der vorrangigen Funktionen des Parlaments ist, ein Leuchtfeuer der Hoffnung für alle Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu sein. Ich hoffe, dass das iranische Regime seine Politik überdenken, Frauen größeren Respekt zollen und ein transparenteres, weniger mittelalterliches Rechtssystem entwickeln wird.
Frédérique Ries (ALDE), schriftlich. – (FR) Worte sind manchmal nicht genug, wenn man mit Barbarei, Schmach und tiefster Verachtung für die grundlegendsten menschlichen Werte konfrontiert wird. Angesichts der schweren Steine der Dunkelmänner ist es nun Aufgabe der Demokraten auf der Welt, Sakineh Mohammadi-Ashtiani zu retten.
Seit der Wiedereinführung der Steinigung durch die Mullahs im Jahre 1979 wurden 300 Menschen infolge von Scheinprozessen massakriert – anders kann man das nicht ausdrücken. Nicht zu vergessen das Erhängen von Minderjährigen, Homosexuellen und politischen Gegnern. Darunter auch Baha'i-Anhänger, deren einziges Vergehen darin besteht, dass sie nicht die gleiche Religion wie die Machthaber in Teheran haben.
Hier kommen die Bedeutung unserer Worte und die Bedeutung dieser internationalen Mobilisierung, der sich das Europäische Parlament durch die Abstimmung heute Nachmittag angeschlossen hat, zum Tragen. Das hübsche Gesicht von Sakineh Mohammadi-Ashtiani verkörpert nun den Kampf für die Rechte der Frauen im Iran und des Weiteren die Verteidigung aller Opfer von Unterdrückung.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE), schriftlich. – (ES) Die Entschließung, die wir gerade angenommen haben, verdeutlicht unsere ausdrückliche Missbilligung des Todesurteils durch Steinigung für die iranische Staatsbürgerin Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Ungeachtet der Taten, derer sie beschuldigt wird, kann ein Todesurteil durch Steinigung nicht gerechtfertigt oder akzeptiert werden. Darüber hinaus fordern die Abgeordneten dieses Parlaments die iranischen Behörden dazu auf, das Urteil aufzuheben und den Fall zu überprüfen.
Der Text, der mit 658 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 22 Enthaltungen angenommen wurde, fordert von der iranischen Regierung auch, dass sie den Fall von Zahra Bahrami erneut prüft und „ihr unverzüglich ermöglicht, mit einem Rechtsanwalt in Kontakt zu treten und konsularischen Beistand in Anspruch zu nehmen, und sie frei lässt oder ihr ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren gewährt“. Die Abgeordneten dieses Parlaments rufen Teheran auch dazu auf, die Hinrichtung von Ebrahim Hamidi, einem 18-Jährigen, welcher der Sodomie beschuldigt wird, zu stoppen.
Das Europäische Parlament zeigt sich bestürzt darüber, dass Iran zusammen mit Afghanistan, Somalia, Saudi-Arabien, Sudan und Nigeria „zu den wenigen Ländern gehört, welche die Steinigung noch durchführen“. In diesem Sinne fordert es das iranische Parlament auf, Rechtsvorschriften zu erlassen, mit denen die „grausame und unmenschliche Praxis der Steinigung“ für rechtswidrig erklärt wird. Darüber hinaus sollte die iranische Regierung bis zur Abschaffung der Todesstrafe ein Moratorium für Hinrichtungen einführen.
8. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 13:10 unterbrochen und um 15:00 wieder aufgenommen)
Der Präsident. – Sehr verehrte Damen und Herren, die Sitzung wird nun fortgesetzt. Ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass ich von einigen Presseagenturen gehört habe, dass der iranische Außenminister die Hinrichtung von Sakineh Mohammadi Ashtiani ausgesetzt hat. Vor einigen Stunden hat diese Kammer mit fast einstimmiger Unterstützung eine solide, gemeinsame Meinung zu diesem Thema angenommen. Darüber sind wir sehr erfreut, jedoch geht der Kampf weiter, da es jetzt wichtig ist, eine Überprüfung des Falles zu fordern. Das Parlament muss auch weiterhin seinen Teil zur Verteidigung der Menschenrechte weltweit beitragen.
10. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
Der Präsident. – Der nächste Punkt auf der Tagesordnung ist die Aussprache über die mündliche Anfrage an den Rat zu Waffenausfuhren von Arturs Krišjānis Kariņš, Tunne Kelam, Vytautas Landsbergis, Gunnar Hökmark, Bendt Bendtsen, Jacek Saryusz-Wolski, Ville Itälä, Sandra Kalniete, Inese Vaidere, Michael Gahler, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra und Laima Liucija Andrikienė im Namen der PPE-Fraktion (O-0076/2010 - B7-0320/2010).
Arturs Krišjānis Kariņš , Verfasser. – (LV) Herr Präsident, Herr Minister, Sie haben die Anfrage erhalten. Heute werde ich über den Kern der Anfrage sprechen. Ein 200 Meter langer Hubschrauberträger, der in der Lage ist, 16 schwere Hubschrauber, 40 Panzer, 900 Soldaten sowie Landungsboote zu befördern und mit einem Militärkrankenhaus ausgestattet ist. Frankreich will Russland ohne Rücksprache mit den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vier dieser aggressiven Kriegsschiffe verkaufen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Russland vor 18 Monaten sein Nachbarland Georgien angegriffen hat und immer noch nicht den Bedingungen des Waffenstillstandes nachgekommen ist, den der französische Präsident ausgehandelt hat. Darüber hinaus hat Russland im vergangenen Herbst an der Grenze zu Estland Militärübungen durchgeführt, die auf die Besetzung der baltischen Staaten abzielten. Ich möchte Ihnen allen eine Frage stellen. Was ist die Europäische Union und wieso brauchen wir sie? Im Frühjahr, als Griechenland unter den Auswirkungen der Finanzkrise schwer zu leiden hatte, hatte Europa die Wahl: Griechenland zu helfen oder es untergehen zu lassen. Aus Solidarität haben sich die Länder Europas entschieden, Griechenland zu helfen, da unter den Mitgliedstaaten Einigkeit darüber herrschte, dass, wenn die finanzielle Situation in Griechenland sich weiter verschlechtern sollte, dies auf andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union übergreifen würde. Der Bereich der äußeren Sicherheit stellt da keine Ausnahme dar. Wir haben uns in Vereinbarungen dazu verpflichtet, in diesem Bereich auch solidarisch zu handeln. Viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sehr besorgt darüber, wo und zu welchem Zweck Russland solche aggressiven Kriegsschiffe stationieren und einsetzen würde. Arbeitsplätze in Frankreich sind wichtig. Sie können jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit anderer EU-Mitgliedstaaten geschaffen werden. Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, den Verkauf von allen Waffen an Drittländer nicht zu erlauben, bevor das Thema nicht im Rat diskutiert worden ist und absolute Gewissheit darüber besteht, dass eine solche Transaktion dazu dienen würde, die Sicherheitslage in der gesamten Europäischen Union zu stärken und nicht zu schwächen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich sehr, dass wir heute Nachmittag die Gelegenheit haben, uns auf die Kontrolle der Waffenexporte zu konzentrieren.
Da Frau Ashton an der heutigen Sitzung nicht teilnehmen kann, hat sie den Ratsvorsitz gebeten, sie in dieser Aussprache zu vertreten. Ich werde mich daher bemühen, einige der Anfragen, die wir zu diesem Thema erhalten haben, zu beantworten.
Wie Sie wissen, spielt die Europäische Union bereits seit einigen Jahren eine führende Rolle bei der Kontrolle von Waffenexporten sowohl auf regionaler als auch auf internationaler Ebene, und unser Ziel ist klar: Wir wollen den Export von Militärtechnologien verhindern, die für unerwünschte Ziele wie interne Repression oder internationale Aggression eingesetzt werden könnten.
Vor mehr als 10 Jahren hat der Rat den Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren verabschiedet, in dem eine Reihe von Kriterien für die Ausfuhr von konventionellen Waffen festgelegt wurde. Dieser Kodex wurde 2008 durch einen Gemeinsamen Standpunkt ersetzt, der einige neue Faktoren einführte. Dadurch entstand in der Europäischen Union das beste System zur Überwachung von Waffenexporten auf der ganzen Welt. Durch die rechtsverbindlichen Bestimmungen des gemeinsamen Standpunktes soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten Waffenexporte auf verantwortliche und transparente Weise durchführen.
Durch den Gemeinsamen Standpunkt sollen die nationalen Politiken zur Überwachung von Waffenexporten unter Nutzung von Verweigerungsmitteilungen und Konsultationen koordiniert werden. Dieses Verfahren beinhaltet, dass ein Mitgliedstaat, wenn er plant, eine Ausfuhrgenehmigung zu erteilen, die von einem anderen Mitgliedstaat für einen im Wesentlichen identischen Vorgang verweigert wurde, er diesen Mitgliedstaat konsultieren und alle Mitgliedstaaten über seine endgültige Entscheidung informieren muss. Anders gesagt muss ein Mitgliedstaat, der eine Ausfuhrgenehmigung für einen Vorgang erteilt, für den ein anderer Mitgliedstaat die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung verweigert hat, allen Mitgliedstaaten eine detaillierte Erklärung für seine Entscheidung vorlegen.
Um Anfragen in Bezug auf Konsultationen zu beantworten: die Situation ist in dieser Hinsicht klar. Nach dem Gemeinsamen Standpunkt sind nur dann systematische Konsultationen vorgeschrieben, wenn eine Genehmigung für einen identischen Vorgang bereits zuvor verweigert worden ist.
Im Allgemeinen tauschen die nationalen Delegationen innerhalb der zuständigen Strukturen des Rates regelmäßig und oft Informationen in Bezug auf die Überwachung von Waffenausfuhren und insbesondere in Bezug auf so genannte „sensible“ Bestimmungsländer aus. Mitgliedstaaten erbitten oft die Meinungen anderer Mitglieder des Rates über Bestimmungsländer, die Anlass zu Sorge geben könnten oder über die irgendwelche Zweifel bestehen könnten. Dieser regelmäßige Informationsaustausch bildet einen Grundpfeiler der Politik der Europäischen Union für die Überwachung von Waffenausfuhren.
Zu Ihrer Information: 2009 wurden in den Konsultationen zwischen den Mitgliedstaaten insgesamt 14 Zielorte in Drittländern diskutiert. Die Mitgliedstaaten haben dann mitgeteilt, was sie dazu bewogen hat, Ausfuhrgenehmigungen für diese Bestimmungsländer zu erteilen oder zu verweigern.
Herr Präsident, dies sind unsere Vorgehensweisen hinsichtlich der Information, der Überwachung und der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten. Dadurch sollten Sie eine Vorstellung darüber gewinnen können, wie wir Waffenausfuhren genehmigen.
Ich werde gerne auch auf weitere Punkte eingehen, die während der heutigen Aussprache angesprochen werden.
Roberto Gualtieri, im Namen der S&D-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage der europäischen Verteidigung ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Entwicklung eines gemeinsamen Verteidigungssystems.
Es sind jedoch gemeinsame Bestimmungen und eine koordinierte Herangehensweise notwendig, um die Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie voranzutreiben und um gleichzeitig sicherzustellen, dass diese Entwicklung mit den Grundsätzen der EU und mit eingegangenen internationalen Verpflichtungen im Einklang ist. Der Gemeinsame Standpunkt vom Dezember 2008, in dem Verfahren und Kriterien für Rüstungsexporte in Drittländer festgelegt sind, war zusammen mit der Richtlinie über den Binnenmarkt für Verteidigungsgüter ein wichtiger Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.
Wie wir wissen, beinhalten diese Verfahren kein allgemeines Konsultationssystem. Im Gemeinsamen Standpunkt wird jedoch nicht auf die Notwendigkeit zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Konvergenz auf diesem Gebiet im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hingewiesen. Bis der erhoffte Fortschritt auf diesem Gebiet stattfindet und bis die Schaffung eines gemeinsamen Verteidigungssystems es möglich macht, rechtsverbindliche Mechanismen zu verabschieden, sollte die in Artikel 7 angesprochene Zusammenarbeit und Konvergenz nicht nur auf dem Papier Bestand haben und der Jahresbericht über Waffenausfuhren dem Parlament zugänglich gemacht werden.
Selbstverständlich scheint es, als ob sich die von den Mitgliedern der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) eingereichte Anfrage – obwohl dies jetzt explizit erörtert wurde – nicht auf allgemeine Angelegenheiten beschränken würde. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es besser gewesen wäre, die Dinge von Anfang an beim Namen zu nennen, sieht es nicht so aus, als ob der Verkauf von französischen Schiffen an Russland im Widerspruch zum Gemeinsamen Standpunkt von 2008 stehen würde. Ganz im Gegenteil, solche Exporte könnten die europäisch-russischen Beziehungen und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit verbessern und sie verbindlicher machen. Diese Beziehungen sollten jedoch nicht mehr auf bilateraler Ebene gepflegt werden, sondern ausschließlich auf europäischer Ebene behandelt, diskutiert und gehandhabt werden.
Elmar Brok, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident! Lassen Sie mich einige Bemerkungen machen: Dies betrifft eine alte Frage, die europäische Zuständigkeit! Wir waren auch in den Verfassungskonferenzen und Regierungskonferenzen nicht in der Lage, den Waffenhandel in die allgemeine europäische Zuständigkeit aufzunehmen. Ich glaube, es wäre sinnvoll, dies weiter anzustreben, so dass der Code of Conduct und die Reglementierungen des Rates von 2008 stärker verpflichtend werden. Das Europäische Parlament sollte weiter in diese Richtung arbeiten.
Zweitens scheint es mir klar zu sein, dass es in einem solchen Rahmen nicht möglich sein sollte, dass wir so wenige Kontakte zwischen den Mitgliedstaaten haben, dass einzelne Mitgliedstaaten das Gefühl haben, dass der Waffenexport an Dritte zu ihren Lasten geht und ihre Sicherheit bedroht. Ob dies zu Recht oder zu Unrecht so ist, ist dabei fast gleichgültig. Ich glaube, dass wir auch deswegen zu stärker europäischen Lösungen kommen müssen.
Drittens: Allerdings bin ich der Auffassung, dass – auch aus industriepolitischen Gründen – eine stärkere europäische Zusammenarbeit, auch beispielsweise über die Defence Agency, sowohl im Export als auch in der Forschung, Planung und Produktion sowie bei der Beschaffung erforderlich ist, denn eine eigene Waffenindustrie hat auch etwas mit Unabhängigkeit zu tun. Wenn man selbst nichts hat und alles in Drittländern kaufen muss, ist man sicherheitspolitisch abhängig von anderen Ländern. Das hat etwas mit unserer Freiheit zu tun und nicht nur mit ökonomischen Zwecken, obwohl ich die ökonomischen Zwecke dabei nicht verleugnen möchte.
Dies müssen wir alles in einen Zusammenhang stellen und dann sind wir in der Lage, diesen Bereich sehr viel stärker gemeinschaftlich auszurichten, ohne dass es zu solchen Missverständnissen in den Mitgliedstaaten kommt, wie dies jetzt beispielsweise verständlicherweise in den baltischen Staaten geschehen ist.
Johannes Cornelis van Baalen, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte klarstellen, dass es eindeutig zulässig ist, sich selbst zu verteidigen; andere Länder sind in der Lage, sich selbst zu verteidigen; daher sind Rüstungsexporte nicht tabu. Das ist der Standpunkt der ALDE-Fraktion.
Wir sollten jedoch nicht in Regionen exportieren, in denen Spannungen oder Kriege herrschen. Wir sollten uns selber Einschränkungen auferlegen, und wenn wir über keine echten, rechtsverbindlichen Regelungen verfügen, heißt das, dass für die 27 Länder der Europäischen Union unterschiedliche Bedingungen herrschen werden. Sie werden gegeneinander konkurrieren und um Aufträge kämpfen und es wird keine echten Konsultationen geben.
Daher denke ich, dass der einzige Weg zur Lösung dieses Problems gemeinsame rechtsverbindliche Regelungen sind, und ich möchte mich außerdem der Aussage meines Kollegen, Herr Brok, zu diesem Thema anschließen.
Indrek Tarand, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Dies ist ein wichtiges Thema, und ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen für ihr Verständnis in Bezug auf Bedenken, die in der Region, aus der ich komme, hinsichtlich der Entscheidung Frankreichs über die Schiffe der Mistral-Klasse bestehen.
Der Verhaltenskodex der EU, der seit 2008 rechtsverbindlich ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber er reicht nicht aus, wie bereits mein Kollege von den Liberalen sagte. Wir sollten die Arbeit am Waffenhandel auf globaler Ebene fortsetzen, denn die EU hat eine große Verantwortung. Wir sind für ein Drittel des Waffenhandels verantwortlich.
Wenn behauptet wird, dass Russland unser strategischer Partner ist und wir in Bezug auf militärische Angelegenheiten mit Russland zusammenarbeiten können, dann ist dies für mich eine Frage der Logik. Wieso braucht unser Freund ein Angriffswaffensystem? Um den Versuch, in Afghanistan eine gute Regierungsführung einzuführen, zu unterstützen? Nein, Moskau hat keinerlei Absichten, an diesem Einsatz teilzunehmen. Um in Kirgisistan Menschen- und Minderheitenrechte zu schützen? Nein, und in beiden Fällen wären Schiffe der Mistral-Klasse nicht zu gebrauchen, da sie diese Binnenstaaten nicht anfahren können. Sie werden die Lage am Schwarzen Meer verändern – nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren – und werden auch auf die acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Ostseeregion Einfluss haben. Die Sicherheitslage dieser Staaten – von Polen und Deutschland hin zu Estland, Lettland und Litauen – wird sich verschlechtern.
Ich stimme Herrn Gualtieri zu, dass eine Zusammenarbeit mit unserem strategischen Partner eine gute Sache ist, aber glauben Sie mir, es gibt andere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Russland als hoch entwickelte Waffensysteme. Denken Sie nur an Autos – die russische Industrie hat auch damit zu kämpfen. Oder Kooperationen zwischen Feuerwehren. Die russischen Feuerwehrleute hatten diesen Sommer Probleme, als ein Waldgebiet von der Größe von Belgien gebrannt hat.
Ceterum censeo. Der Verkauf der Schiffe der Mistral-Klasse muss zurückgezogen werden.
Geoffrey Van Orden, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident! Meine Fraktion misst dem Recht unserer souveränen Nationen zu entscheiden, ob sie eine Ausfuhrgenehmigung für Waffen in Übereinstimmung mit den Kriterien, auf die man sich im Gemeinsamen Standpunkt geeinigt hat, erteilen wollen oder nicht, große Bedeutung bei. Das ist eindeutig keine Angelegenheit, in der die EU entscheidet, und so sollte es auch bleiben. Im Einklang mit dem gemeinsamen Standpunkt sind die exportierenden Mitgliedstaaten natürlich dazu aufgefordert, u. a. auf die Erhaltung des Friedens in der Region, der Sicherheit und der Stabilität Rücksicht zu achten.
Bei dem Fall, der in den Mittelpunkt dieser Diskussion gerückt zu sein scheint, sollten wir uns über die sensible Lage sowohl in der Ostsee- als auch in der Schwarzmeerregion bewusst sein. Was das Schwarze Meer betrifft, so sollten wir uns an den kürzlichen Konflikt in Georgien und an die Tatsache erinnern, dass von den sechs Schwarzmeeranrainerstaaten drei – Bulgarien, die Türkei und Rumänien – Mitglieder der NATO sind, und zwei weitere – Georgien und die Ukraine – Partner der NATO sind und eine Mitgliedschaft anstreben. Inwiefern der Verkauf von amphibischen Angriffsschiffen an den sechsten Schwarzmeeranrainerstaat Russland weise ist, könnte daher bezweifelt werden.
Es gibt jedoch bewährte Mechanismen, um Probleme im Zusammenhang mit Waffenexporten zu lösen. Auf EU-Ebene ist dies die Arbeitsgruppe des Rates „Ausfuhr konventioneller Waffen“ – COARM –, die etwa alle sechs Wochen in Brüssel zusammentritt. Da sie eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe ist, ist sie das richtige Forum, um Waffenexporte zu diskutieren; eine Plenarsitzung in Straßburg ist es nicht. Wir sollten die COARM ihre Arbeit machen lassen.
Sabine Lösing, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Im Jahr 2000 gab die Europäische Union mit der Lissabon-Strategie das Ziel aus, bis 2010 zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt aufzusteigen. Diese Vorgabe wurde in vielen Bereichen weit verfehlt, nicht aber, was die Rüstungsexporte der EU anbelangt.
Die EU-Staaten haben im Zeitraum von 2005 bis 2009 die Vereinigten Staaten überholt und sind damit zum führenden Rüstungsexporteur der Welt aufgestiegen. Ich halte diese Entwicklung für überaus bedenklich. Offenbar war der rechtlich ohnehin nie bindende Verhaltenskodex für Rüstungsexporte, der unter anderem eine restriktive Exportgenehmigungspraxis vorsah, eine Luftblase. So begrüße ich es ausdrücklich, dass der Verhaltenskodex für Rüstungsexporte im Dezember 2008 in einen Gemeinsamen Standpunkt umgewandelt wurde.
Dennoch fehlen nach wie vor wirksame Sanktionsmechanismen. Ein Beispiel: Deutschland hat den Verhaltenskodex lange vor 2008 als rechtsverbindlich anerkannt. Dennoch ist Deutschland mittlerweile der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt und liefert unter anderem in Krisengebiete wie Saudi-Arabien oder Pakistan. Außerdem sind die Rüstungsexportberichte der Mitgliedstaaten an den Rat nicht einheitlich und oft nicht transparent. Hier muss dringend eine Harmonisierung erreicht werden, damit alle relevanten Rüstungsexporte auch nachvollziehbar erfasst und kritisch beurteilt werden können. Leider sind Bestrebungen in Richtung einer diesbezüglichen Vereinheitlichung kaum erkennbar. Inwieweit es überhaupt ein System ethisch vertretbarer Rüstungsexporte geben kann, wage ich ohnehin zu bezweifeln. Eines ist jedoch sicher: Die Europäische Union ist derzeit meilenweit hiervon entfernt.
(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 der Geschäftsordnung zu antworten.)
Geoffrey Van Orden (ECR). – (Anfang der Rede unverständlich) die Kommission, weil Frau Lösing in eine Falle getappt ist, wie wir es in diesem Parlament und anderswo in der EU oft erleben, wenn von den Waffenexporten der Europäischen Union die Rede ist.
Die Europäische Union exportiert Waffen nicht überallhin. Die Europäische Union hat keine Verteidigungsindustrie. Die Europäische Union hat keine Armee. Dies alles gehört zu den Mitgliedstaaten der EU, daher sollten wir nicht von „EU-Waffenexporten“ sprechen. So etwas gibt es nicht.
Sabine Lösing (GUE/NGL). - Herr Präsident! Ich habe gesagt, die Länder der Europäischen Union.
David Campbell Bannerman, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident! Das Interesse der EU an Waffenexporten ist eindeutig Teil der zunehmenden Militarisierung der EU in der Zeit nach Lissabon.
Tony Blair hat vor einigen Tagen selbst gesagt, dass er will, dass die EU auch militärische Funktionen übernimmt. Es wird viel davon abhängen, von wem die EU ihre Waffen erhält und an wen sie diese Waffen verkauft.
Es ist bereits die Rede davon, dass das für die EU-Armee produzierte Gerät nicht mit amerikanischem Gerät interoperabel ist. Durch die verrückte Idee der Briten, sich einen Flugzeugträger mit Frankreich zu teilen, würde Großbritannien über Nacht den Zugang zur amerikanischen Stealth-Technologie verlieren.
Außerdem würde der Markt des Vereinigten Königreichs für amerikanische Importe und der amerikanische Markt für britische Exporte verschlossen werden, wodurch Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks zerstört würden.
Rüstungsausfuhren tragen jährlich 7 Mrd. GBP zur Wirtschaft des Vereinigten Königreichs bei. Unsere jährlichen Nettobeiträge an die EU sind genauso hoch. Wir sollten uns derartigen Schritten entgegenstellen.
Andrew Henry William Brons (NI). – Herr Präsident! Alle Länder, in denen Waffen produziert werden, stehen in Bezug auf Waffenexporte vor einem Dilemma. Die Fixkosten sind zwangsläufig hoch, wodurch es für die meisten – wenn nicht für alle – Länder unwirtschaftlich ist, Waffen ausschließlich für ihren eigenen Gebrauch herzustellen. Es wäre für einige waffenproduzierende Länder verlockend, einfach die Strategie zu verfolgen, an alle Länder Waffen zu liefern, außer denjenigen, von denen sie glauben, dass sie sie oder ihre Interessen angreifen könnten. Das würde die Gewinne der waffenproduzierenden Länder steigern. Dies wäre jedoch bestenfalls eine amoralische Politik und schlimmstenfalls eine durch und durch unmoralische.
Die in der ursprünglichen Anfrage dargelegten Kriterien, nach denen entschieden werden soll, ob Waffen exportiert werden sollen, sind vielfältig und unterschiedlich. Verschiedene Kriterien könnten für verschiedene Waffenarten gelten. An Länder mit schlechter Menschenrechtsbilanz wie Iran – und, wenn wir schon dabei sind, diejenigen EU-Länder, die Menschen wegen abweichender politischer und häretischer Ansichten einsperren, wie es die Hälfte der Länder in der EU tut – sollten keine kleinen Waffen, Überwachungssysteme und Fesselungsmittel geliefert werden, sie könnten aber Waffen erhalten, mit denen sie sich vor Angriffen von außen schützen können.
An Länder, die dazu neigen, aggressive Kriege zu führen, aber die Rechte ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürger achten, könnten kleine Waffen und Fesselungsmittel verkauft werden, aber keine Massenvernichtungswaffen. Insbesondere an die Vereinigten Staaten – wohl das aggressivste Land auf der ganzen Welt, das unzählige destabilisierende, aggressive und illegale Kriege geführt hat – sollte keine Technologie geliefert werden, die für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen genutzt werden könnte.
So sehr wir auch die Menschenrechtsbilanz des Iran beklagen mögen – und ich tue dies ganz gewiss –, so hat er bisher keine Angriffe auf seine Nachbarn verübt. Er war zum Beispiel während des Iran-Irak-Kriegs nicht der Aggressor. Er könnte jedoch zum Ziel von Aggressionen und eines geplanten Angriffs, möglicherweise der Vereinigten Staaten oder Israels werden. Es mag sein, dass wir nicht wollen, dass Iran Waffen hat, die für die Durchführung eines Angriffs genutzt werden könnten – und ich würde das ganz sicher nicht wollen –, aber es könnte sein, dass wir wollen, dass er Zugang zu einem nuklearen Schutzschild hat, durch den verhindert werden könnte, dass er angegriffen wird.
Charles Tannock (ECR). – Herr Präsident! Normalerweise mische ich mich nicht ein, besonders, wenn es um eine Debatte mit einem Abgeordneten der British National Party geht, aber einen Mitgliedstaat der EU zu beschuldigen, Menschen für ihre politischen Ansichten und Meinungen einzusperren, das ist zu viel des Guten! Ich stehe der Europäischen Union auch kritisch gegenüber, aber ich kenne keinen einzigen EU-Mitgliedstaat, der jemanden wegen seiner politischen Ansichten einsperrt, denn wie wäre es sonst möglich, dass solche Leute wie er in dieses Parlament gelassen werden?
(Zwischenrufe: „Ungarn“)
Absoluter Blödsinn! Können Sie diese Länder, die Menschen wegen ihrer politischen Meinung einsperren, nennen?
(Zwischenrufe von Abgeordneten inklusive Herrn Brons, dem das Wort erteilt wird)
Andrew Henry William Brons (NI). – Herr Präsident! Ich habe gesagt, dass Ungarn unter der vorherigen Regierung mehrere Menschen nur aufgrund ihrer abweichenden politischen Ansichten eingesperrt hat. Es gibt viele Länder in der EU, die Menschen wegen häretischer wissenschaftlicher Meinungen einsperren. Unabhängig davon, wie falsch diese wissenschaftliche Meinung auch sein mag, sie rechtfertigt nicht, dass Menschen wegen Meinungsäußerungen, die keinerlei Aufrufe zu Gewalt beinhalten, eingesperrt werden.
Michael Gahler (PPE). - Herr Präsident! Ich möchte eigentlich dem vorherigen Redner nicht so viel Ehre antun und mich auf seine Rede beziehen, aber zu Beginn hat er durchaus etwas Richtiges gesagt: dass es nämlich für viele Einzelstaaten, die kleinere Rüstungsindustrien haben, sehr kostspielig ist, wirtschaftlich zu produzieren. Ich komme da natürlich zu einer anderen Schlussfolgerung als er, nämlich dass wir innerhalb der Europäischen Union über die Defence Agency und durch gemeinsame Beschaffungsprogramme die notwendigen Rüstungsgüter wirklich auch preisgünstiger produzieren sollten.
Aber ich möchte mich zunächst beim Rat für seine Ausführungen bedanken und halte es für politisch sehr wichtig, dass wir hier zum Ausdruck bringen können, dass wir weltweit die modernsten rechtlich verbindlichen Kriterien für den Waffenexport haben. Darauf kann die Europäische Union aus meiner Sicht stolz sein.
Eine Frage hätte ich in dem Zusammenhang allerdings noch an den Rat: Sie haben dargelegt, in welchen Fällen die Konsultationen stattfinden, und das ist offenbar nur dann der Fall, wenn identische Anträge bei einem Staat abgelehnt wurden und ein anderer die Absicht hat, einen Exportantrag zu genehmigen. Ist die Diskussion darüber immer nur in dieser Ratsarbeitsgruppe geblieben oder – und das ist eigentlich die zweite Frage gewesen – ist das auch schon mal auf politischer Ebene im Ministerrat diskutiert worden? Das wäre in dem Zusammenhang noch eine Frage, die mich interessiert.
Justas Vincas Paleckis (S&D). – (LT) Einige meiner Kolleginnen und Kollegen haben bereits erwähnt, dass die von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) eingereichte Anfrage einige Fakten im Dunkeln lässt, da sie nicht darlegt, wieso und wie das Problem entstanden ist. Es wäre hilfreich gewesen, wenn bei der Vorlage der Anfrage eine größere Klarheit bestanden hätte. Andererseits müssen wir anerkennen, dass einige mittel- und osteuropäische Länder besonders sensibel sind und sich weniger sicher fühlen als die alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 8. Dezember 2008 wurden gewisse Leitlinien für den Bereich Waffenexporte ausgearbeitet. Laut Experten hat das Land, über das wir heute sprechen – Frankreich – den Rahmen dieser Leitlinien nicht überschritten, aber das heißt nicht, dass wir bei der schrittweisen Umsetzung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in die Praxis diese Leitlinien und Bestimmungen nicht verbessern sollten. Ich schließe mich vollkommen der Meinung meines Kollegen Elmar Brok an, dass wir in Bezug auf Waffen mehr kooperieren müssen. Was Waffenexporte angeht, müssen wir sicherstellen, dass mehr Vertrauen vorherrscht und weniger Verdächtigungen ausgesprochen werden: manchmal sind dies begründete Verdächtigungen, aber manchmal auch vollkommen unbegründete. Durch letztere werden große und kleine, alte und neue Mitgliedstaaten der EU auf gefährliche Weise gegeneinander ausgespielt. Wir brauchen mehr Vertrauen und Solidarität, die sich jedoch nicht von selbst einstellen. Wir müssen mehr miteinander sprechen, konstruktive Beratungen aufnehmen und hitzige Vorwürfe und künstliche Vergleiche mit Situationen zu Anfang oder in der Mitte des 20. Jahrhunderts vermeiden, als in Europa das Prinzip „Macht geht vor Recht“ vorherrschte. Wir müssen den Konsultationsmechanismus innerhalb der EU verbessern, um konkrete Ziele zu erreichen. Dann wird diese Diskussion auch nützlich sein.
Ryszard Czarnecki (ECR). – (PL) Es wurde hier in schönen Worten von Zusammenarbeit und Vertrauen gesprochen, aber ich habe den Eindruck, dass die Politik hinsichtlich der Exporte in Länder außerhalb der EU in Wirklichkeit dadurch bestimmt wird, dass uns die Franzosen vor vollendete Tatsachen gestellt haben. Die größten und reichsten Mitgliedstaaten tun, was sie wollen, und missachten dabei die Bestimmungen, über die heute so viel gesprochen wurde. Erst vor einigen Tagen haben wir wieder vom Verkauf von Angriffsschiffen der Mistral-Klasse durch Frankreich an Russland gehört. Wenn dieser Verkauf noch nicht abgeschlossen sein sollte, dann nur deswegen, weil Russland spezielle Ausschreibungsverfahren eingeführt hat, aber wir können uns sicher sein, dass dieser Verkauf auf jeden Fall stattfindet. Ein russischer Admiral hat unterdessen kürzlich in Bezug auf die Angriffe Russlands auf Georgien gesagt, dass, wenn Russland damals Angriffsschiffe der Mistral-Klasse besessen hätte, der Krieg gegen Georgien nicht vier oder fünf Tage, sondern nur zwei Stunden gedauert hätte. Sollten Mitgliedstaaten der EU wirklich solche Waffen verkaufen, wenn wir wissen, dass die Länder, die diese Waffen kaufen, sie nicht zu Verteidigungs-, sondern zu Angriffszwecken nutzen werden? Georgien indessen konnte über Jahre keine Defensivwaffen von Mitgliedstaaten der EU kaufen, weil ein spezielles Embargo auf den Kauf dieser Waffen besteht. Dies ist eine Doppelmoral, die vermieden werden sollte.
Nikolaos Chountis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Beim Lesen des Gemeinsamen Standpunktes und der Kriterien, die Länder, die Waffen exportieren, erfüllen müssen, kam mir Israel in den Sinn. Israel ist ein Staat, der internationales Recht nicht respektiert, der die Menschenrechte mit Füßen tritt und der den Gazastreifen besetzt hat, und ich möchte an dieser Stelle denjenigen, die die Anfrage eingereicht haben, sagen, dass ich angesichts der kürzlichen Ereignisse nicht einen Beitrag gehört habe, in dem gefordert worden wäre, dass ein Verbot auf den Export von militärischer Ausrüstung und Waffen verhängt wird, zusammen mit den anderen Sanktionen, die gegen Israel, das die Kriterien nicht erfüllt, verhängt werden müssen. Sanktionen, die im Gemeinsamen Standpunkt für die restlichen Staaten erwähnt werden.
Der erste Redner bezog sich im Hinblick auf die politische Solidarität in Europa auf das Beispiel Griechenlands. Darf ich Sie daran erinnern, dass, obwohl in Kriterium 8 des Gemeinsamen Standpunktes festgelegt ist, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, wenn er Waffen in einen anderen Mitgliedstaat exportieren will, er die wirtschaftliche Lage des Landes berücksichtigen muss, in dass er die Waffen exportiert, Frankreich und Deutschland auf Griechenland Druck ausüben, ihre Waffen zu kaufen, um ihre politische Unterstützung sicherzustellen. Sie tun dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sich Griechenland in einer katastrophalen finanziellen Lage befindet und zahlreichen Kontrollen unterliegt. Zu einer Zeit, zu der in dem Land die Renten, Löhne und Gehälter etc. gekürzt werden.
Diese Haltung ist scheinheilig und zeigt, dass in dieser Philosophie die Profite der Rüstungsindustrien an erster Stelle stehen, und nicht der Friedensgrundsatz, an den sich die Europäische Union halten sollte, statt Differenzen mit militärischen Mitteln zu klären.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) In vielen Ländern der Europäischen Union befinden sich die Hauptsitze und operationellen Standorte von wichtigen Herstellern von Verteidigungsgütern. Viele andere Staaten auf der ganzen Welt sind sehr an ihren spezifischen Produkten interessiert. Der Handel mit diesen Produkten ist eine spezifische Tätigkeit, die sich aufgrund der sicherheits- und außenpolitischen Beschränkungen, die bei der Beurteilung von Unternehmen und von spezifischen Handelssachen eine Rolle spielen, vom Handel mit anderen Produkten unterscheidet.
Die besagte Tätigkeit kann nur auf der Grundlage einer vom Staat erteilten Genehmigung in Form einer Genehmigung zum Handel mit militärischem Material oder einer Genehmigung für die Ein- oder Ausfuhr oder den gemeinschaftsübergreifenden Transport von militärischem Material ausgeübt werden. Der gesamte Prozess wird in Übereinstimmung mit sehr genauen Vorschriften durchgeführt und unterliegt strengen Kontrollen der einzelnen Länder, die verpflichtet sind, in Übereinstimmung mit ihren außenpolitischen Verpflichtungen vorzugehen. Angesichts der Spezifität und Einzigartigkeit jeder einzelnen Transaktion sollte diese Tätigkeit meiner Meinung nach ausschließlich auf einer individuellen Grundlage auf Ebene des Rates koordiniert werden und auf einer überwiegend allgemeinen Ebene mit besonderem Nachdruck auf der Bewertung der möglichen spezifischen Auswirkungen auf die Außenpolitik.
Arnaud Danjean (PPE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte drei kurze Anmerkungen zu diesem Thema machen. Erstens: Da das zur Debatte stehende Thema die Position Frankreichs in Bezug auf den Verkauf der Schiffe der Mistral-Klasse ist, möchte ich Sie daran erinnern, dass bisher noch keine feste Vereinbarung getroffen worden ist, und dass Schiffe der Mistral-Klasse Schiffe sind, die ohne Waffen verkauft werden würden – was eine der grundsätzlichen Fragen bei den Gesprächen mit Russland ist –, und dass Russland nicht nur mit Frankreich Verhandlungen führt, um diese Ausrüstung zu erwerben. Lassen Sie mich also die Dinge in die richtige Perspektive rücken. Es ist mir bewusst, dass in einigen Ländern eine große Menge an Emotionen im Spiel ist, aber Emotionen sind eine Sache und Tatsachen eine ganz andere.
Zweitens: Wie Sie betont haben, Herr Minister, haben wir in der Europäischen Union einen Verhaltenskodex für Rüstungsexporte, der während des französischen Ratsvorsitzes 2008 zu einem Gemeinsamen Standpunkt wurde; dieser Verhaltenskodex gehört zu den strengsten auf der ganzen Welt. In dieser Hinsicht sind wir mehr als vorbildlich, und wir haben zusätzlich zum Verhaltenskodex, wie einer unserer Kollegen uns erinnert hat, eine Arbeitsgruppe, die als Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik regelmäßig zusammentritt, um nicht nur die Umsetzung dieses Kodex zu diskutieren, sondern auch die Politiken der Mitgliedstaaten in Bezug auf Rüstungsexporte. Es gibt also Foren, in denen die Mistral-Frage auf adäquate Weise behandelt werden kann.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass wir, wenn wir über eine europäische Solidarität in Bezug auf Rüstungsexporte sprechen und wir die Notwendigkeit einer gemeinsamen Strategie und einer gemeinsamen Verteidigungspolitik im Blick haben, wir den gesamten Rüstungs- und Verteidigungsgüterhandel berücksichtigen müssen. Das schließt auch Einfuhren und selbstverständlich auch die Verteidigungsindustrie ein. Daher denke ich, dass viele Länder noch einen langen Weg vor sich haben, um sicherzustellen, dass Europa die Technologien, Arbeitsplätze, sein Know-how und eine echte strategische Kapazität bei unseren Militäroperationen weiterhin erhalten kann.
Zoran Thaler (S&D). – (SL) Der Export moderner französischer Kriegsschiffe nach Russland hat sowohl eine europäische als auch eine politische Dimension. Er hat außerdem eine solidarische Dimension oder weist einen Mangel an Solidarität auf, weil sie unsere Mitgliedstaaten des Ostseeraums betreffen sowie unsere Partner in der Östlichen Partnerschaft: Georgien, Aserbaidschan, die Ukraine etc.
Wir wissen, dass Frankreich im russisch-georgischen Krieg interveniert hat, und dass Russland damals gewisse internationale Verpflichtungen eingegangen ist. Ist es ihnen jedoch nachgekommen? Hat es zum Beispiel Beobachtern der Europäischen Union erlaubt, nach Südossetien und Abchasien zu reisen? Leider ist dies bisher nicht geschehen.
Wir wissen, dass der Gemeinsame Standpunkt des Rates von 2008 sehr eindeutig ist. Das jeweils einführende Land muss seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen und die Menschenrechte achten und es muss den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität in der Region wahren. Aber tut Russland dies?
Meine letzte Frage an Sie ist: Ist Frankreich oder eher Präsident Sarkozy in der Position, im Gegenzug für seinen fragwürdigen Verkauf von Angriffsschiffen an Russland, Russlands Verpflichtung zu erwirken, dass es wirklich beginnen will, seine internationalen Auflagen zu erfüllen?
Charles Tannock (ECR). – Herr Präsident! Die konventionelle Rüstungsindustrie leistet einen wichtigen Beitrag zu den Volkswirtschaften vieler Mitgliedstaaten, einschließlich meines eigenen Heimatlandes, dem Vereinigten Königreich. In einer instabilen und gefährlichen Welt brauchen die Mitgliedstaaten der EU entsprechende Kapazitäten, um sich, ihre Interessen und ihre Verbündeten auf der ganzen Welt verteidigen zu können.
Die EU hat jedoch auf zwischenstaatlicher Ebene im Rat eine einstimmige Übereinkunft getroffen und in den letzten Jahren beeindruckende Anstrengungen unternommen und Fortschritte gemacht, um die Produktion und den Vertrieb bestimmter Waffen einzuschränken und sogar Rüstungslieferungen an bestimmte unterdrückerische Regime zu verbieten. Wir können zu Recht stolz sein auf unser Eintreten für den Ottawa-Vertrag, der Antipersonenminen weltweit verbietet. Das Übereinkommen über Streumunition, das im vergangenen Monat in Kraft getreten ist, wird hoffentlich ein weiterer Schritt dahin sein, diese schrecklichen Waffen eines Tages auszumerzen – obwohl ich anmerken muss, dass mindestens sechs Mitgliedstaaten der EU dieses Übereinkommen noch ratifizieren müssen.
In den Nachbarländern der EU arbeiten wir im Rahmen der MPI hart daran, die Waffenproduktion zu überwachen und die Vorräte an Nuklearwaffen zu reduzieren, und das sollte fortgesetzt und sogar intensiviert werden.
Wir müssen in Bezug auf Versuche von Terroristen, in Ländern, in denen die Vergabe von Genehmigungen für Endverbraucher und Rüstungsexporte weniger streng überwacht und durchgeführt wird, Waffen zu erwerben, wachsam sein.
Schließlich sollte die Europäische Union das Verbot für den Export von Waffen für China aus zwei Gründen aufrechterhalten. Erstens wegen der traurigen Menschenrechtsbilanz der chinesischen Regierung in Bezug auf ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger, und zweitens, um unserer Unterstützung unseres demokratischen Verbündeten Taiwan Ausdruck zu verleihen, das sich möglicherweise als Erster auf Chinas Schusslinie befindet.
Inese Vaidere (PPE). – (LV) Meine Damen und Herren! Waffen und Militärgüter sind keine einfachen Handelsgüter; sie bilden einen spezifischen Sektor, der direkte Auswirkungen auf die nationale Sicherheit hat. Der Export von Waffen und Militärgütern in Drittländer, insbesondere in fragwürdige Demokratien, in denen Menschenrechte verletzt werden und die mit Ländern zusammenarbeiten, in denen Zeichen des Terrorismus festzustellen sind, kann nicht nur für die Europäische Union, sondern auch für Drittländer eine ernsthafte Gefahr darstellen. Aus eben diesem Grund muss dies als ein wichtiger Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union angesehen werden. Wie können wir von einer gemeinsamen Verteidigungspolitik sprechen, wie es Herr Barroso gestern getan hat, wenn jedes Land seinen eigenen separaten Waffenhandel betreibt? Die Entscheidung, Frankreichs Kriegsschiffe der Mistral-Klasse zu verkaufen, stellt einen direkten Transfer von Militärtechnologie an ein Drittland dar, das kein militärischer Verbündeter der EU ist. Wir müssen anerkennen, dass ein Technologietransfer an sich höchstwahrscheinlich nicht bedeutet, dass das betreffende Land eine freundlichere Haltung gegenüber der Europäischen Union einnehmen muss oder es tatsächlich tut, wie Herr Lelouch, der französische Europaminister, und einige Abgeordnete in der heutigen Aussprache behauptet haben. Keine Strategie der Europäischen Union wird erfolgreich sein, wenn sie nicht die gemeinsam beschlossenen Grundsätze beinhaltet. Das gilt gleichermaßen für die Solidarität zwischen den Ländern der Europäischen Union sowie auch für die Anerkennung der gemeinsamen Interessen im Entscheidungsprozess. Sowohl der Vertrag über die Europäische Union als auch der Gemeinsame Standpunkt des Rates, der gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern festlegt, betont die Wichtigkeit der Solidarität. Individuelle kurzfristige wirtschaftliche Interessen dürfen den gemeinsamen Prioritäten und Zielen der Europäischen Union nicht im Weg stehen. Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union haben, müssen in gegenseitigem Einvernehmen mit allen Mitgliedstaaten der EU gefällt werden, und es muss ein angemessener und rechtsverbindlicher Mechanismus ausgearbeitet werden, im Rahmen dessen alle möglichen Folgen nach gemeinsam entwickelten Kriterien analysiert werden. Vielen Dank.
Marietta Giannakou (PPE). – (EL) Herr Präsident! Die Anfrage, die dem Rat heute vorgelegt wurde, bietet eine Gelegenheit, ein weiteres wichtiges Thema anzusprechen, das viele von uns während des Europäischen Konvents und im Rahmen der Regierungskonferenz unterstützt haben. Ich meine das allgemeine Problem der Verteidigung und Sicherheit in Europa und die Schaffung einer Agentur für Rüstungsproduktion und einer gemeinsamen Verteidigungsagentur.
Wir sollten nicht vergessen, dass Panzer in den Vereinigten Staaten auf nur einer Fertigungslinie hergestellt werden, während sie in Europa auf 16 verschiedenen Fertigungslinien hergestellt werden. Somit hätten wir größenbedingte Kosteneinsparungen. Im Hinblick auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates von 2008 über die Kontrolle von Rüstungsexporten müssen wir jedoch zugeben, Herr Chastel, dass es keine wirkliche Kontrolle gibt. Ich beziehe mich nicht auf Frankreich; ich spreche von jedem Land in Europa. Ebenso, wie keine echten Kontrollen durchgeführt werden, um herauszufinden, ob die Länder, in die wir Waffen exportieren, sie nicht wiederum in Drittländer exportieren. Anders gesagt: ob sie keine Zwischenhändler sind, an die wir nie Waffen verkaufen würden.
Ich habe den Eindruck, dass die im Rahmen der GASP geschaffene Arbeitsgruppe nicht in der Lage ist, die Mitgliedstaaten zu kontrollieren, um festzustellen, in welche Länder genau sie Waffen exportieren. Wenn wir es schaffen, diesen Gemeinsamen Standpunkt umzusetzen und wenn es gewisse Einschränkungen gibt, dann haben wir einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wir werden Rüstungsexporte jedoch nur dann erfolgreich kontrollieren, wenn wir es schaffen, eine gemeinsame Verteidigungsagentur und eine Agentur für Rüstungsproduktion zu schaffen, die es uns ermöglichen werden, die Kosten zu senken und gleichzeitig unsere Grundsätze und Werte zu erhalten und sie im Falle der Produktion und des Exports von Waffen in der Praxis unter Beweis zu stellen.
Alf Svensson (PPE). – (SV) Herr Präsident! Gestern hat der Präsident der Kommission in seiner Rede betont, dass die EU sich für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einsetzen muss. Das haben wir schon oft gehört. Herr Barroso spricht auch von der gemeinsamen Verteidigung. Meiner Meinung nach ist die Politik nicht kohärent, wenn wir nicht auch die Verteidigungsindustrie und die Rüstungsexporte berücksichtigen. Wie bereits gesagt worden ist, beinhaltet der Vertrag über die Europäische Union – und das muss selbstverständlich als unbestreitbar angesehen werden – das Prinzip der Solidarität und eine Auflage für die Mitgliedstaaten, sich in Bezug auf Angelegenheiten der Außen- und Sicherheitspolitik gegenseitig im Rahmen des Rates und des Europäischen Rates zu beraten. Kann man das noch klarer ausdrücken?
Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 8. Dezember 2008 sind gemeinsame Regeln für die Kontrolle von Militärtechnologie und Militärgütern festgelegt. Was ist mit diesen Gemeinsamen Standpunkten geschehen? Sind sie in Frankreich nicht angekommen? Sind sie vielleicht bei uns nicht angekommen? Die EU-Mitgliedstaaten Litauen, Estland und Polen sowie Georgien behaupten, dass der Verkauf des Kriegsschiffs der Mistral-Klasse an Russland die Sicherheit dieser Länder negativ beeinflusst hat. Admiral Wladimir Wyssozki, Oberbefehlshaber der russischen Kriegsmarine, hat gesagt, dass, wenn Russland zur Zeit des Konflikts mit Georgien ein Schiff der Mistral-Klasse gehabt hätte, die russische Schwarzmeerflotte ihren Einsatz in 40 Minuten statt in 26 Stunden erfüllt hätte.
Es darf den großen Mitgliedstaaten nicht erlaubt werden, sich Freiheiten rauszunehmen. Wir wissen, dass große Länder gerne ein Monopol auf Rüstungsexporte hätten, was ganz offensichtlich nicht akzeptabel ist. Es sollte die Aufgabe des Landes sein, das den Ratsvorsitz inne hat, Belgien, Diskussionen innerhalb der EU einzuleiten, um klare gemeinsame Bestimmungen zu Rüstungsexporten zu erzielen.
Tunne Kelam (PPE). – Herr Präsident! In dieser Aussprache geht es um den Gegensatz zwischen dem Bilateralismus und den gemeinsamen Politiken und der Solidarität. In der Tat sind die Bürgerinnen und Bürger einiger Mitgliedstaaten ernsthaft besorgt über die bevorstehenden Exporte moderner Militärtechnologie in Drittländer.
Erst vor einem Jahr hat Russland Militärmanöver in Nordosteuropa durchgeführt, wobei die baltischen Staaten als Ziele einer Militärinvasion Teil der geprobten Szenarien waren. Uns liegt die berühmte Aussage des Oberbefehlshabers der russischen Kriegsmarine vor, dem zufolge die russische Kriegsmarine, wenn sie im August 2008 Hubschrauberträger der Mistral-Klasse zur Verfügung gehabt hätte, sie in der Lage gewesen wäre, ihren Einsatz eher in drei Stunden statt in drei Tagen abzuschließen.
Ich freue mich über die Aussage von Staatsekretär Chastel, die ich als sehr positive Reaktion auf unsere Sorgen ansehe, und über die Erklärung unseres Kollegen Herrn Danjean, dass keine Militärtechnologie verkauft wird. Die Russen haben jedoch darauf bestanden – und werden auch weiterhin darauf bestehen–, eben diese Militärtechnologie zu kaufen.
Es gibt da noch eine offene Frage: wieso gibt es in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat bereit ist, Militärtechnologie an ein Drittland zu verkaufen, keine Konsultationen und normalen Debatten im Rat? Das ist unsere Botschaft an den Rat. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass regelmäßige Diskussionen über Exporte von Militärgütern in Drittländer im Europäischen Rat notwendig sind.
Krzysztof Lisek (PPE). – (PL) Herr Präsident! Die Herstellung und der Export von Waffen und Militärtechnologie waren, sind und werden das Thema vieler Debatten sein, und es wird weiterhin schwierig sein, über dieses Thema zu sprechen, weil es so kontrovers und umstritten ist. Es ist immer wieder der Verdacht entstanden, dass Konflikte geschürt und Regionen destabilisiert werden könnten, und dieser Verdacht kann immer wieder entstehen. Die Überwachung des Exports von Waffen ist, wie einige meiner Vorredner hervorgehoben haben, auch schwierig. Andererseits ist die Rüstungsindustrie ein wichtiger Wirtschaftsbereich für viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen, die Tschechische Republik und viele andere Mitgliedstaaten und auch die Vereinigten Staaten, Russland und andere Länder außerhalb der Europäischen Union exportieren Waffen. Wir sind daher sehr weit von der Situation entfernt, in der die Herstellung und der Export von Waffen ein Politikbereich der EU wird. Gegenwärtig haben die Mitgliedstaaten in diesem Bereich ein großes Ausmaß an Autonomie, aber sie müssen ihre Rechtsvorschriften gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates von 2008 harmonisieren.
Ein kurzer Kommentar zu den Schiffen der Mistral-Klasse: Die verehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten aus Frankreich sollten die Besorgnis der baltischen Staaten und Polens verstehen. Russische Generäle sagen, dass diese Schiffe an der Ostsee stationiert werden könnten. Die Ostsee ist ein Meer, das, abgesehen von Russland, nur von Mitgliedstaaten der Europäischen Union umgeben ist.
Andrzej Grzyb (PPE). – (PL) Herr Präsident! Die von Herrn Kariņš gestellte Frage ist eindeutig begründet und wurde auf Sitzungen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten schon mehrmals gestellt. Die Abgeordneten haben keine zufriedenstellende Antwort erhalten. Daher muss der Rat konkrete Schritte in dieser Angelegenheit einleiten, um diejenigen, die diese Frage gestellt haben, zufriedenzustellen. Insbesondere, weil die Frage in einem konkreten Kontext gestellt worden ist, der schon mehrmals erwähnt worden ist, sowohl von Herrn Kelam als auch von Herrn Czarnecki. Ich beziehe mich darauf, wie die Militärbefehlshaber in Russland mit dieser Art der Waffe umgehen, und insbesondere auf die Tatsache, dass es sich bei den Angriffsschiffen der Mistral-Klasse um Offensivwaffen handelt. Das sollte uns dazu bewegen, darüber nachzudenken, ob es hier nur um den Abschluss eines Verkaufs geht, und welche Konsequenzen dieser Verkauf nach sich ziehen würde. Es ist uns klar, dass die Richtlinie von 2008 in Kraft ist, aber wir müssen auch akzeptieren, dass es im Leben manchmal mehr gibt, als die Bestimmungen einer Richtlinie und bestehende Rechtsvorschriften. Der Fall der Regelung des Konflikts in Georgien, an dem die Europäische Union interessiert ist und der nicht gelöst wurde, zeigt, dass so eine Entscheidung hier notwendig ist.
Kyriakos Mavronikolas (S&D). – (EL) Herr Präsident! Die Europäische Union baut tatsächlich heute eine gemeinsame Außenpolitik, eine Verteidigungspolitik auf, und zweifellos sollte es gewisse Protokolle geben, die die Handlungsweise der Rüstungsindustrien gegenüber Drittländern regeln. Das Thema dieser Aussprache hat jedoch bei mir eine Frage aufgeworfen, die ich heute im Plenum stellen muss.
Wie können wir die Tatsache rechtfertigen, dass Rüstungsindustrien, insbesondere im Vereinigten Königreich, ein Handelsembargo gegen die Republik Zypern, die ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, und gegen die zyprische Armee verhängt, während sie gleichzeitig der Türkei erlaubt, auf dem Gebiet des besetzten Teil Zyperns ihre militärische Ausrüstung und andere Ausrüstungsgegenstände zu modernisieren, zu verlegen und zu transportieren.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident! Ich war über mehrere Jahre, in denen dieses Parlament praktisch einstimmig die Umwandlung des Verhaltenskodex von 1998 in einen verbindlichen Gemeinsamen Standpunkt gefordert hat, der Berichterstatter dieses Parlaments. Dieser Gemeinsame Standpunkt wurde 2008 verabschiedet. Wir haben damals jedoch gesagt, dass dies ein Schritt nach vorn sein wird, wenn auch nicht der letzte Schritt; ein Schritt, der notwendig, aber nicht ausreichend war. Dies ist während der heutigen Aussprache klargeworden.
Ich möchte dieses Parlament auch daran erinnern, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, den internationalen Vertrag über die Kontrolle von Rüstungsexporten im Rahmen der Vereinten Nationen unterstützen, und das ist das Wichtigste.
Die Ausfuhr von Waffen ist nicht das Gleiche wie die Ausfuhr von Kühlschränken. Sie hat sehr ernsthafte Konsequenzen, weil Waffen töten; sie zerstören Gesellschaften und machen sie arm. Die Europäische Union trägt genau dazu bei, wenn sie Waffen nach Israel, Kolumbien oder Afghanistan exportiert. Wir sollten bei unseren Handlungen dieses Verantwortungsbewusstsein im Sinn haben.
Aus diesem Grund glaube ich, dass es notwendig ist, dieses Parlament daran zu erinnern, dass es bei diesem Thema nicht nur um den Binnenmarkt geht, um Handel oder Sicherheit, sondern vielmehr um unsere Verantwortung auf internationaler Ebene, und leider nehmen wir diese Verantwortung nicht wahr.
Laima Liucija Andrikienė (PPE). – Herr Präsident! Durch den Vertrag von Lissabon haben wir die politische Abstimmung weiter verbessert und die Solidarität auf vielen Gebieten, einschließlich der Außen- und Sicherheitspolitik, verstärkt. Der Vertrag enthält auch eine Beistandsklausel, falls ein Mitgliedstaat militärisch bedroht wird.
In diesem Zusammenhang wirken die Pläne Frankreichs, vier Kriegsschiffe der Mistral-Klasse an Russland zu verkaufen und einen Teil seiner Schiffbautechnik mit Russland zu teilen, sehr beunruhigend. Außerdem sind Kriegsschiffe der Mistral-Klasse ganz klar Offensivwaffen – ich unterstreiche: Offensivwaffen und nicht Defensivwaffen.
Daher sollten wir, bevor wir tatsächlich etwas hinsichtlich der im Vertrag von Lissabon festgelegten Bestimmungen über die Solidarität tun, sicherstellen, dass wir nicht zur Verringerung der Sicherheit der anderen Mitgliedstaaten der EU oder unserer Nachbarn beitragen.
Ich bitte den Rat dringend, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um eine breite Diskussion innerhalb der EU über die Notwendigkeit zur Entwicklung einer gemeinsamen Definition und einer neuen Herangehensweise im Hinblick auf Rüstungsverkäufe an Drittländer anzustoßen.
Janusz Władysław Zemke (S&D). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Rüstungsexporte immer mit der Sicherheitspolitik der EU in Verbindung stehen. Der Export von Waffen ist kein unabhängiger oder isolierter Bereich. Diese Angelegenheiten beschränken sich nicht auf den militärischen oder finanziellen Bereich, weil hinter dem Export der Profit der beteiligten Unternehmen steckt, und das hängt immer mit Politik zusammen. Daher möchte ich diejenigen unterstützen, die vorgeschlagen haben, dass während eines Treffens des gesamten Rates eine Diskussion stattfinden sollte über die Politik der EU auf dem Gebiet des Exports und der militärischen Zusammenarbeit. Zum Beispiel gibt es eine beträchtliche Zahl an Anmerkungen und Zweifel im Zusammenhang mit dem Export von Angriffsschiffen der Mistral-Klasse nach Moskau, aber wenn wir die Angelegenheit aus einer anderen Perspektive betrachten und zum Beispiel über den Bau eines europäischen Raketenschutzschildes nachdenken, dann denke ich, dass es in unserem Interesse läge, Russland miteinzubeziehen. In anderen Worten sind diese Angelegenheiten nicht so klar, wie sie erscheinen mögen.
Katarína Neveďalová (S&D). – (SK) Ich bin in keiner Weise eine Rüstungsexpertin oder etwas Ähnliches, aber ich stehe heute ganz sicher als Pazifistin vor Ihnen, und ich möchte dieses Problem aus der Perspektive eines einfachen Bürgers der Europäischen Union betrachten. Wenn man bedenkt, dass die Europäische Union gegenwärtig ununterbrochen Waffen produziert, und dass es fast 30 Kriege auf der Welt gibt sowie unzählige andere Konflikte, seien sie regionaler oder lokaler Natur, sollten wir uns auch klarmachen, dass wir Waffen produzieren, die unmittelbar dazu bestimmt sind, zu zerstören und zu töten.
Vielleicht sollten wir auch darüber nachdenken, ob wir es nicht vorziehen würden, wenn das Geld, das wir jedes Jahr in die Haushalte einzelner Staaten einzahlen, um einzelne Armeen zu bewaffnen oder auszurüsten, auf irgendeine Weise in die Bildung einfließen würde, was zu einer Zeit der Wirtschaftskrise wirklich viel nützlicher wäre als Waffen. Es würde mich auch sehr interessieren, wie einige von Ihnen die folgende Frage beantworten würden: Wie viele einzelne Mitgliedstaaten haben ihre Verteidigungsbudgets zur Zeit der Wirtschaftskrise gesenkt und um welchen Betrag? Vielleicht sollten wir alle auch darüber nachdenken, weil ich nicht denke, dass wir den jüngeren Generationen ein gutes Beispiel geben, wenn wir der Ansicht sind, dass zum Beispiel Schießen, das eigentlich eine Form der Zerstörung ist, zu einer olympischen Disziplin erhoben werden sollte.
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Herr Präsident! Das war eine sehr interessante Aussprache und ich würde gerne auf zwei Konzepte etwas genauer eingehen.
Erstens möchte ich das Konzept der Verantwortung umformulieren. Artikel 4 Absatz 2 des Gemeinsamen Standpunktes legt fest, dass die Entscheidung über den Transfer oder die Verweigerung des Transfers von Militärtechnologie oder von Militärgütern dem nationalen Ermessen eines jeden Mitgliedstaats überlassen bleibt. Daher bleibt diese Verantwortung vor allem auf nationaler Ebene, und der Gemeinsame Standpunkt nimmt diese Verantwortung den Mitgliedstaaten nicht weg, sondern er führt eine Reihe von Bestimmungen ein, um eine effektive Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch zwischen ihnen sicherzustellen.
Das zweite Konzept, auf das ich gerne zurückkommen würde, ist das Konzept der Transparenz. Der Gemeinsame Standpunkt legt fest, dass die Mitgliedstaaten einen Jahresbericht über ihre Rüstungsexporte erstellen müssen. Es soll einmal im Jahr ein EU-Bericht auf der Grundlage dieser nationalen Berichte veröffentlicht werden, der Informationen über den finanziellen Wert der erteilten Genehmigungen liefert, aufgeschlüsselt nach dem Bestimmungsland und nach der Kategorie der Rüstungsgüter sowie über die Zahl der verweigerten Genehmigungen und etwaige anschließende Konsultationen von Mitgliedstaaten.
Abgesehen vom Jahresbericht auf EU-Ebene wird im Gemeinsamen Standpunkt auch verlangt, dass die Mitgliedstaaten nationale Berichte über den Export von Militärtechnologie und Militärgütern veröffentlichen. Die Transparenz, die durch den Gemeinsamen Standpunkt durchgesetzt werden soll, gilt also sowohl für die Ebene der Europäischen Union als auch für die nationale Ebene, aber es stimmt, dass die Europäische Union in dieser Hinsicht ein Beispiel setzen sollte.
Ich möchte außerdem sagen, dass, wie einige von Ihnen hervorgehoben haben, der Gemeinsame Standpunkt im Vergleich zum Verhaltenskodex einen bedeutenden Fortschritt darstellt. Der Gemeinsame Standpunkt wurde im Dezember 2008 verabschiedet, also vor weniger als zwei Jahren. Es wäre vernünftig, wenn wir den neuen Bestimmungen des Gemeinsamen Standpunktes genug Zeit lassen würden, um eine Wirkung zu entfalten, bevor wir uns an eine Überarbeitung eines derartigen neuen Systems machen, auch wenn es, nachdem ich Ihnen zugehört und ich nachvollzogen habe, was Sie gesagt haben, verlockend ist, dieses System noch restriktiver zu machen oder es mit einem System von Sanktionen zu verknüpfen.
Abschließend, um eine sehr spezifische Frage zu klären, möchte ich Ihnen sagen: Sie können versichert sein, dass der Gemeinsame Standpunkt zu vielen Gelegenheiten auf politischer Ebene, insbesondere im Rat, erörtert worden ist, insbesondere im Zusammenhang mit dem Waffenembargo gegen China.
Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Herr Präsident, ich kann mich auf keinen Artikel der Geschäftsordnung berufen. Ich möchte Ihnen nur diese sehr wichtige Nachricht mitteilen: Der iranische Außenminister hat bekannt gegeben, dass er die Verurteilung von Frau Mohammadi-Ashtiani zum Tode durch Steinigen ausgesetzt hat.
Wir alle hier im Parlament haben dafür gekämpft, und die demokratischen Kräfte der Welt kämpfen in diesem Moment dafür, um weit mehr zu erreichen, als die Aussetzung des Urteils, nämlich die Aufhebung. Es ist ein Anfang und wir sollten uns weiterhin dafür einsetzen. Es tut mir leid, aber ich denke, dass diese Information verbreitet werden musste.
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Ries. Das ist genau das, was ich bei der Eröffnung der Sitzung gesagt habe, als ich diese Nachricht verkündet habe, und ich bin froh, dass Sie sie bestätigen. Wir werden weiterhin für eine Wiederaufnahme des Verfahrens kämpfen und ganz allgemein dafür, dass die Menschenrechte auf der ganzen Welt geachtet werden.
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission von Franziska Katharina Brantner und Nicole Kiil-Nielsen, im Namen der Verts/ALE-Fraktion, Annemie Neyts-Uyttebroeck, Alexandra Thein, Ivo Vajgl, Baroness Sarah Ludford und Leonidas Donskis, im Namen der ALDE-Fraktion, Véronique De Keyser, im Namen der S&D-Fraktion, und Marie-Christine Vergiat, im Namen der GUE/NGL-Fraktion, über den Gesetzentwurf zu NRO in Israel (O-0046/2010 - B7-0319/2010).
Franziska Katharina Brantner, Verfasserin. – Herr Präsident! Ich bin hier als Freundin der Demokratie und als Freundin der israelischen Demokratie. Ich habe aus Sorge um die Demokratie in Israel vor der Sommerpause eine Anfrage über das Gesetz eingereicht, das für israelische NRO gelten würde und das einigen Gesetzen ähnelt, die wir aus weniger demokratischen Teilen der Welt kennen. Ein Teil des Gesetzes beinhaltete die Aufnahme von NRO in das Parteienregister und die Streichung ihrer Steuerbefreiung. Das hat uns zutiefst beunruhigt.
Glücklicherweise konnten wir feststellen, dass dieser Teil geändert und herausgenommen worden ist, aber leider sieht das Gesetz immer noch einen Gesetzentwurf zur Verstärkung der Transparenz im Hinblick auf Geld, das von ausländischen politischen Vereinigungen kommt, vor. In Bezug auf private Spender wird dies nicht verlangt, was wir sehr Besorgnis erregend finden. Menschen, die das Gesetz unterstützen, sprechen speziell die Europäische Union als einen der Spender an.
Die EU ist eines der Ziele des neuen Gesetzes, weil viele Menschen in Israel, die die Demokratie und Menschenrechte nicht unbedingt mögen, denken, dass die EU Projekte von NRO unterstützt, die sich gegen die Interessen von Israel richten, ohne überhaupt zu definieren, was diese Interessen sind.
Wir sind zutiefst besorgt und würden gerne wissen, was Sie denken, was dies für die Finanzierung aus EU-Mitteln bedeuten würde? Was denken Sie, wie wir darauf reagieren sollten? Und können wir im Falle der NRO in Israel nicht zumindest die gleichen Transparenzregeln für jeden Spender – ob privat oder staatlich, aus der EU oder einem anderen Land – erwarten?
Annemie Neyts-Uyttebroeck, Verfasserin. – Herr Präsident! Nachdem ich die mündliche Anfrage an die Kommission über das neue israelische „NRO-Transparenzgesetz“ – wie es die israelische NRO bezeichnet, die sich selbst „NGO Monitor“ nennt – mitunterzeichnet habe, wurde das Gesetz deutlich abgeschwächt, wie Franziska Brantner gerade erklärt hat. Meine Fraktion und ich begrüßen diese Veränderungen. Es wird nicht mehr von allen Organisationen, die Mittel aus dem Ausland erhalten, um politische Aktionen zu finanzieren, verlangt, dass sie sich in Israel in das Register für politische Parteien eintragen lassen. Es sieht so aus, als ob diese Organisationen nicht mehr in Gefahr sind, ihre Steuerbefreiung zu verlieren, und potenzielle Rechtsverletzungen würden mit einer Geldbuße bestraft werden.
Wie ich bereits gesagt habe, diese Änderungen sind zu begrüßen. Mag sein, dass die israelischen Behörden und einige israelische NRO unsere Reaktion auf das ursprüngliche Gesetz nicht gemocht haben, aber wie wir gesehen haben, haben unsere Maßnahmen gewirkt.
Dennoch gibt das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs immer noch Anlass zur Sorge. Erstens scheint er darauf abzuzielen, die EU und ihre Mitgliedstaaten einzuschüchtern. In den Vermerken, die wir von der NRO erhalten haben, die ich bereits erwähnt habe (die israelische NRO „NGO Monitor“), stand Folgendes, ich zitiere: „Die EU und die Mitgliedstaaten schleusen in intransparenten Prozessen jährlich mehrere Zehnmillionen Euro zu einer kleinen Gruppe hoch politisierter israelischer NRO. Das Ausmaß, in dem europäische Staaten die Finanzierung von NRO nutzen, um politische und öffentliche Debatten in Israel zu beeinflussen, ist in den Beziehungen zwischen Demokratien beispiellos. Daher ist eine größere Transparenz in Bezug auf die Finanzierung durch ausländische Regierungen ein zentraler Punkt im demokratischen Prozess in Israel und dem Recht der Öffentlichkeit auf Information.“
Einige dieser Behauptungen sind natürlich absolut unwahr, aber sie sind aufschlussreich. Sie offenbaren, wie stark das Misstrauen zwischen einigen israelischen Meinungsmachern und der EU ist, und wir müssen etwas dagegen tun. Sie zeigen auch, wie bedrängt sich wichtige Teile der israelischen Öffentlichkeit fühlen; das ist also eine Besorgnis erregende Angelegenheit. Beide Elemente machen eine friedliche Lösung im Nahen Osten noch schwieriger, als sie es ohnehin schon ist. Meine Frage an Sie, Herr Kommissar, ist: Was gedenken Sie zu tun, um die Situation zu verbessern?
Véronique De Keyser, Verfasserin. – (FR) Herr Präsident! Der Goldstone-Bericht hatte unerwartete Folgen.
Das Ziel dieses Berichts war es, die Warheit über mögliche Kriegsverbrechen während der Operation „Cast Lead“ im Dezember 2008 herauszufinden. Tatsächlich hat er in Israel eine Welle der Empörung ausgelöst. Richter Goldstone war das Ziel von persönlichen Attacken und die NRO, die den Mut hatten, auszusagen, wurden auch zu Zielen von Angriffen. Kurz nach diesem Sturm in den Medien kamen Informationen über Gesetzentwürfe auf, die darauf abzielten, NRO weiter zu kontrollieren und jegliche Opposition gegen die Politik der Regierung zu schwächen.
Unter diesen Gesetzentwürfen ist auch ein Gesetzentwurf zu NRO, der tatsächlich vorsieht, sie als politische Organisationen einzustufen und daher ihren Steuerbefreiungsstatus aufzuheben.
Zweitens gibt es einen Gesetzentwurf, der den Boykott israelischer Waren – sogar Waren aus den Siedlungsgebieten – kriminalisiert, einschließlich Boykotten, zu denen Regierungen, Organisationen oder ausländische Staatsbürger aufrufen. Um es deutlich zu machen: Wenn ein französischer Staatsbürger im Internet zu einem Boykott von Waren aus den Siedlungsgebieten aufruft, könnte er bestraft werden, und wenn die Palästinensische Autonomiebehörde dies tut, wird sie auf die gleiche Weise behandelt.
Drittens ein Gesetzentwurf zur universellen Gerichtsbarkeit, durch den Israel die Befugnis erhält, über derartige Fälle zu entscheiden.
Diverse andere Gesetzentwürfe, die das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Freizügigkeit einschränken, werden vorbereitet. Es ist nicht möglich, sie aufzulisten, aber sie gehen alle in dieselbe Richtung und sie sind Besorgnis erregend. Sie laufen auf einen direkten Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung hinaus, das ein unveräußerliches Menschenrecht und eine notwendige Ergänzung der Demokratie ist.
Dass die Knesset das Gesetz über NRO so weit geändert hat, dass es sogar für die NRO fast akzeptabel geworden ist, ist eine gute Sache. Man kann nur hoffen, dass die anderen Gesetzentwürfe das gleiche Schicksal ereilt, insbesondere das Gesetz über Boykotte, das der Knesset am 15. September zur ersten Lesung vorgelegt werden wird.
Ich möchte die Kommission auf einen Punkt aufmerksam machen: Wenn wir nicht mehr sagen können, dass Waren, die nach unseren Vereinbarungen illegal importiert wurden, in Europa nicht gekauft werden dürfen, ist es, als ob wir es verbieten würden, vom Kauf von beispielsweise gefälschten Produkten oder gestohlenen Uhren auf einem Marktstand abzuraten. Das Parlament wird diese Angelegenheit genau beobachten.
In diesem Zusammenhang möchte ich Europa fragen: Was tun wir in Europa in diesem israelisch-palästinensischen Friedensprozess? Wo war unsere Hohe Vertreterin? Wo sind wir in diesem Prozess, der so wichtig ist?
Marie-Christine Vergiat, Verfasserin. – (FR) Herr Präsident! Anfang dieses Jahres hat die israelische Regierung einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Zuwendung von Mitteln durch die Europäische Union an NRO in Israel direkt infrage stellt.
Ich habe selber die Anfrage mitunterschrieben, und ich freue mich, dass uns auf diese Weise die exzellente Arbeit der israelischen NRO bewusst wird, die im Staat Israel tagtäglich für Frieden, Demokratie und ganz allgemein für Menschenrechte kämpfen. Diese NRO werden im israelisch-palästinensischen Konflikt zu oft vergessen, obwohl sie eine außerordentliche Arbeit leisten, wie ich bereits gesagt habe, und sie oft schikaniert werden.
Die israelische Regierung hat unter dem Druck, der vor allem von uns kam, etwas nachgegeben, jedoch ohne die Richtung ihrer Politik zu ändern. Die israelischen Behörden wollen in der Tat ein wahres Arsenal an Rechtsinstrumenten einführen, um jegliche Kritik an ihrer Politik zu verhindern, einschließlich Kritik aus dem Ausland.
Ich konzentriere mich auch auf die Bestimmungen, durch die Boykotte untersagt werden sollen, und auf einen noch schlimmeren Gesetzentwurf, durch den der Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit infrage gestellt wird, der in vielen internationalen Verträgen, die Israel unterzeichnet hat, verankert ist. Wie wir wissen, verfolgt jedoch die israelische Regierung manchmal das Konzept der „variablen Geometrie“ in Bezug auf das internationale Recht. In Wirklichkeit wissen wir, dass diese Vorschläge Reaktionen der israelischen Regierung auf den Goldstone-Bericht sind.
Herr Kommissar, die EU hat eine privilegierte Partnerschaft mit Israel aufgebaut, die anscheinend durch nichts infrage gestellt werden kann. Wir in diesem Parlament sind jedoch der Ansicht, dass es Grenzen gibt. Wir müssen der Schikane seitens der israelischen Regierung gegen NRO, die ihre Politik kritisieren, ein Ende bereiten und offen fordern, dass sie diese Vorschläge zurückzieht, die eines Staates, der von sich behauptet, eine Demokratie zu sein, unwürdig sind.
Können Sie uns versichern, dass, selbst wenn diese Rechtsvorschriften verabschiedet werden, obwohl ich hoffe, dass dies nicht passieren wird, die Europäische Union dennoch diese NRO in Israel ohne Vorbehalt weiterhin finanzieren wird? Können Sie uns sagen, was die Kommission zu tun beabsichtigt, um die israelische Regierung zu überzeugen, diese Maßnahmen zurückzuziehen und die Vereinigungsfreiheit, die ein Grundpfeiler der Demokratie ist, zu schützen? Können Sie uns versichern, dass im Rahmen der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes für Menschenrechte verantwortliche Verbindungsbeamte in Israel eingesetzt werden, damit die NRO Verhandlungspartner vor Ort haben?
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen in offenen und demokratischen Gesellschaften eine entscheidende Rolle. Israel hat zweifellos eine Tradition einer freien, offenen und dynamischen Zivilgesellschaft, die in vielen Bereichen eine positive Rolle spielt, einschließlich der Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte sowohl in Israel als auch in den besetzten palästinensischen Gebieten sowie beim Aufzeigen von Umwelt- und kulturellen Problemen.
Die EU hat über viele Jahre mit israelischen Nichtregierungsorganisationen zusammengearbeitet und hat großes Interesse daran, diese fruchtbare Zusammenarbeit fortzusetzen, insbesondere, da viele israelische NRO den Ruf genießen, auf ihren Gebieten fachlich kompetent zu sein. Aus diesem Grund haben wir die Debatte in der Knesset zum Gesetz über die „Offenlegung von Finanzmitteln aus dem Ausland“ mit Besorgnis verfolgt. Wir haben unsere Sorgen gegenüber den israelischen Behörden zu mehreren Gelegenheiten klar zum Ausdruck gebracht.
Wie im Fortschrittsbericht der Kommission zur Europäischen Nachbarschaftspolitik erklärt wird, enthielt die erste Version des Gesetzes vom Februar neue Anforderungen für die Tätigkeiten von Organisationen der Zivilgesellschaft, die im Falle einer Verabschiedung des Gesetzes die Arbeit von NRO in Israel erheblich behindert hätten.
Eine neue und gründlich überarbeitete Version des Gesetzes wurde im Sommer von Mitgliedern der Knesset, der Regierung und Vertretern der Zivilgesellschaft erörtert. Im August wurde der neue Gesetzentwurf in erster Lesung in der Knesset verabschiedet.
Im neuesten Gesetzentwurf wurden Bestimmungen, durch die der Steuerbefreiungsstatus für NRO abgeschafft und die Verpflichtung zur Eintragung im Register für politische Parteien eingeführt worden wäre, zurückgestellt. Das sind sicherlich sehr begrüßenswerte Änderungen.
Aus unserer Sicht wäre die den NRO auferlegte Meldepflicht jedoch immer noch unnötig streng, insbesondere, weil die gegenwärtigen Verwaltungsvorschriften für NRO in Israel bereits eine angemessene Transparenz der staatlichen Finanzierung gewährleisten. Außerdem würden diese neue Transparenzkriterien nur die Finanzierung aus dem Ausland durch staatliche Quellen abdecken, während private Quellen aus dem Ausland nicht offen gelegt werden würden, wie bereits zu Recht betont wurde. Dieser Ansatz würde diejenigen diskriminieren, die mit staatlichen Finanzmitteln aus dem Ausland, einschließlich der EU, arbeiten.
Im ENP-Aktionsplan haben sich Israel und die Europäische Union darauf geeinigt, einen regelmäßigen Dialog über Themen der Zivilgesellschaft zu führen und Verbindungen zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft in Israel und der EU zu fördern. Die jüngste Arbeitsgruppe EU–Israel zu Menschenrechten trat am 2. September zusammen und hat auch das Thema der NRO-Finanzierung ausführlich erörtert.
Das Gesetz wird in den kommenden Monaten in der Knesset weitere Debatten und Lesungen durchlaufen. Wir werden die weiteren Entwicklungen genau beobachten.
Hans-Gert Pöttering, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beabsichtigte NRO-Gesetzgebung in Israel hat uns alle sehr beunruhigt, und wir waren besorgt, dass die Handlungsfähigkeit der NRO in Israel beträchtlich eingeschränkt werden könnte.
Bei einer Delegationsreise einiger Ausschussvorsitzender des Europäischen Parlaments, an der ich als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher Osten teilgenommen habe, haben wir in Jerusalem unsere Besorgnis gegenüber Kolleginnen und Kollegen der Knesset zum Ausdruck gebracht, insbesondere auch in einem sehr guten Gespräch mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Dan Meridor. Ich würde mir wünschen, dass so besonnene, kluge Persönlichkeiten wie Dan Meridor als stellvertretender Ministerpräsident in der Öffentlichkeit sehr viel mehr in Erscheinung treten könnten als beispielsweise der Außenminister, mit dessen Positionen wir in keiner Weise übereinstimmen.
Wie alle Redner gesagt haben, hat es jetzt in dem Entwurf einige Verbesserungen gegeben. Aber – und ich begrüße ausdrücklich, was Herr Kommissar Füle auch gesagt hat – es bleiben noch einige Fragen zu klären. Immer wenn Menschenrechtsorganisationen – Nichtregierungsorganisationen – in ihren Aufgaben, in ihrem Wirkungsfeld eingeschränkt werden sollen, dann müssen wir unsere Stimme erheben. Die Gesetzgebung ist ja noch nicht abgeschlossen, die Entscheidung wird in der Knesset-Sitzung im Oktober erwartet, und wir werden das weiter sehr sorgfältig begleiten.
Ich sage das wirklich als Freund Israels, dass sich die israelische Regierung und auch das Parlament Israels behandeln lassen müssen wie jede Regierung und wie jedes Parlament der Erde. Israel nimmt zu Recht in Anspruch, dass es eine Demokratie ist. Dann muss es auch akzeptieren, wenn es kritisiert wird, wenn wir Kritik für angebracht halten.
Kein Verständnis habe ich – das will ich noch hinzufügen – dafür, dass die israelische Botschaft in Brüssel gestern eine Pressestellungnahme herausgegeben hat, wonach wir hier heute über ein Nichtthema debattieren und diese Debatte wegen des Friedensprozesses im Nahen Osten nicht stattfinden sollte.
Ich fordere die israelische Regierung auf und sage ganz klar, dass wir allen Äußerungen des iranischen Präsidenten widersprechen, was die Sicherheit Israels angeht, dass wir gegen jeden Terror sind, von welcher Seite auch immer, und dass es unsere schärfste Kritik hervorruft, wenn in Hebron Israelis getötet wurden, aber wir sagen auch an die Adresse Israels: Fangt nach dem 26. September nicht wieder mit dem Siedlungsbau an, sondern schafft die Voraussetzung dafür, dass der Friedensprozess weitergehen kann! Dies ist eine große Verantwortung, die Israel hat, und wir hoffen wirklich, dass es zu einem stabilen, dauerhaften Frieden kommt mit Israel in sicheren Grenzen, aber auch mit Palästina in sicheren Grenzen. Alle haben ihre Würde – die Israelis, aber auch die Palästinenser!
(Beifall)
Richard Howitt, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident! In der Woche, in der wieder direkte Friedensgespräche aufgenommen werden und am jüdischen Neujahrstag – und ich wünsche allen Juden in Europa und auf der ganzen Welt „shana tova“ – bedauere ich es sehr, dass die israelische Knesset immer noch beabsichtigt, allen Menschenrechtsorganisationen, die Finanzmittel aus dem Ausland, einschließlich der Europäischen Union, erhalten, belastende und inakzeptable Restriktionen aufzuerlegen.
Wir haben sowohl in unserer Arbeitsgruppe „Naher Osten“ als auch im Unterausschuss Menschenrechte des Europäischen Parlaments von betroffenen NRO gehört, dass sie sich in gutem Glauben für Menschenrechte einsetzen, sie aber eingeschüchtert und durch Vorwürfe der politischen Voreingenommenheit schikaniert werden.
Derartige Restriktionen auf internationale Hilfe für NRO, die sich für Menschenrechte einsetzen, gibt es in Ländern wie Myanmar, Tunesien und Ruanda. Sie sollten nicht in einem Land wie Israel eingeführt werden, und sie stehen im Gegensatz zu Israels Verpflichtung, die Vereinigungsfreiheit gemäß den IAO-Übereinkommen zu fördern.
Es gibt auf beiden Seiten des Konflikts im Nahen Osten zu wenige Stimmen, die für den Frieden und die Menschenrechte sprechen. Diejenigen, die sich dafür aussprechen, werden oft von denjenigen, die den Weg der Gewalt verfolgen, überwältigt.
Pluralistische demokratische Gesellschaften, die unter friedlichen und stabilen Bedingungen leben, schätzen die Zivilgesellschaft, auch wenn ihre Botschaft manchmal schwierig sein kann. Wie George Orwell sagte: „Freiheit ist das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen“.
Chris Davies, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte mich auf den Brief des israelischen Botschafters, Herrn Curiel, an den Vorsitzenden des Unterausschusses Menschenrechte beziehen.
Ich wollte eigentlich seine Aussage, dass wir dazu bereit sein sollten, den Grundsatz der Transparenz in Bezug auf die Finanzierung von Organisationen zu unterstützen, begrüßen und unterstützen. Wir würden das hier erwarten, wieso also nicht auch in Israel.
Dann fiel mir einer der letzten Absätze des Briefes auf, in dem er seinem Unmut darüber Ausdruck verleiht, dass Vergleiche gezogen werden zwischen der pluralistischen Gesellschaft Israels und einigen anderen Ländern. Er benutzt diese Worte: „Wenn dieser falsche Weg eingeschlagen wird, könnte dies dazu führen, dass wir das Vorgehen Europas in der Gegenwart und der Vergangenheit genau überprüfen“. Wenn das keine Anspielung auf den Holocaust ist, dann weiß ich auch nicht. Die Implikationen sind ganz klar: Ihr Europäer habt wegen eurer Vergangenheit nicht das Recht, Israel zu kritisieren. Ihr habt Blut an den Händen.
Ich war für die Handlungen der Nazis nicht verantwortlich. Ich war zu dieser Zeit nicht geboren, die meisten von uns waren zu dieser Zeit nicht geboren, und diese Europäische Union wurde gegründet, um sicherzustellen, dass solche schrecklichen Dinge nie wieder geschehen. Mir gefällt der Gedanke nicht, dass wir Israels fürchterliches Verhalten – in Bezug auf den Gazastreifen, die Wirtschaftsblockade, die Besetzung der palästinensischen Gebiete und Menschenrechtsverletzungen – allzu oft wissentlich ignorieren sollen.
Mir gefällt der Gedanke nicht, dass wir dazu gezwungen werden könnten, nicht zu fragen, wieso ein Volk, das in den vergangenen Jahrhunderten so sehr gelitten hat, heute dem palästinensischen Volk so viel Leid zufügen sollte.
(Beifall)
Nicole Kiil-Nielsen, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, manche Menschen sagen, dass die heutige Debatte nicht mehr aktuell ist. Während einige Interessengruppen die Finanzierung israelischer NRO durch die EU seit 2005 angreifen, verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen von Organisationen der Zivilgesellschaft in Israel immer weiter.
Seit der Veröffentlichung des Goldstone-Berichts sind viele Vertreter von Organisationen diffamiert, eingeschüchtert und verhaftet worden. Vierzehn Gesetzentwürfe werden derzeit bearbeitet. Sie alle haben die Einschränkung der Unabhängigkeit und der Vereinigungsfreiheit zum Ziel. Ich möchte Sie daran erinnern, dass israelische Menschenrechtsverteidiger die besetzten Gebiete nicht mehr ohne eine Genehmigung von der Armee betreten dürfen.
Israelische Demokraten und Pazifisten, die vom europäischen Finanzinstrument für Demokratie und Menschenrechte profitieren konnten, sind besorgt, weil das Gesetz selbst in abgeänderter Form speziell auf die Finanzierung durch internationale Organisationen abzielt, während die Bereitstellung von Finanzmitteln durch private Personen nicht betroffen ist.
Wir werden es nicht länger hinnehmen, dass diese Menschen, die den Mut haben, die alltäglichen Demütigungen, die die Palästinenser erleiden – die Ausweisung von Familien, die Zerstörung von Häusern, die Beschlagnahmung von Land und der Entzug von Wasser –, anzuprangern, zum Schweigen gebracht werden sollen.
Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident! Wie alle souveränen Staaten hat Israel eindeutig das Recht, die Aktivitäten von israelischen und internationalen NRO, die auf seinem Staatsgebiet tätig sind, nach eigenem Ermessen zu beaufsichtigen, zu überwachen und zu regulieren, insbesondere, wenn es sich um politische NRO handelt, die möglicherweise den Terrorismus unterstützen oder aus Staaten kommen, die den Terrorismus unterstützen.
Israel ist eine parlamentarische Demokratie, die durch eine starke Zivilgesellschaft charakterisiert ist, in der alle Schattierungen friedlicher Meinungen offen vertreten und diskutiert werden können. In Israel tätige NRO genießen eine Freiheit, die im restlichen Nahen Osten, in der die Zivilgesellschaft im Allgemeinen mit einem repressiven Umfeld kämpfen muss, beispiellos ist. Obwohl es ein Mitglied des Europarates ist, hat Russland drakonische Rechtsvorschriften gegen NRO eingeführt, aber Russland ist groß und hat Öl und Gas, wogegen Israel klein und arm an Ressourcen ist, was vielleicht erklärt, wieso Russland in diesem Zusammenhang einer genauen Überprüfung weitgehend entgehen kann.
Die heutige Aussprache sieht verdächtig nach einem weiteren Israel-Bashing durch die üblichen Verdächtigen aus, dem dieses Parlament allzu oft frönt – ungeachtet der Tatsache, dass der in der Knesset vorgelegte Gesetzentwurf deutlich abgeändert und verbessert worden ist. Vor Kurzem wurden wieder direkte Gespräche zwischen Israel und Palästina aufgenommen und wir im Europäischen Parlament riskieren es, uns durch solche wenig hilfreichen Debatten, wie die heutige, zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen.
Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Das vorgeschlagene Gesetz befindet sich im Einklang mit der umfassenderen Strategie zur Diskreditierung des Kampfes zur Verteidigung der Menschenrechte in Israel, indem man Stimmen, die im Land abweichende Meinungen vertreten, mundtot macht und Einschüchterungsversuche, wie in der Vergangenheit durch die Festnahme von Demonstranten, die gegen den Krieg im Gazastreifen demonstrierten, weiterhin vornimmt.
Im Mai hat die Generaldirektion Außenbeziehungen herausgefunden, dass die Bedingungen für NRO in Israel sich verschlechtert haben. Seitdem hat die Europäische Union jedoch die Entscheidungen der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften nicht ein Mal öffentlich verurteilt und es hat Israel auch nicht öffentlich dazu aufgefordert, die Freiheit der Meinungsäußerung seiner Bürgerinnen und Bürger zu respektieren. Die Europäische Union kann nicht die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit verkünden und die Gefahren erkennen und trotzdem die Augen verschließen, wenn Menschenrechte nicht eingehalten werden. Sie muss in der Öffentlichkeit Position beziehen, indem sie Israel dazu auffordert, das Gesetz zurückzuziehen.
Zu einer Zeit, in der NRO, die Finanzmittel von der Europäischen Union erhalten, angegriffen werden und ihre finanzielle Unterstützung durch die Gemeinschaft untergraben wird, kann die Europäische Union ihre Beziehungen zu Israel nicht weiter stärken. Sie muss Bedingungen für die Fortsetzung des Handels aufstellen und das Assoziierungsabkommen so lange außer Kraft setzen, bis der Staat Israel die Freiheit der Meinungsäußerung und Partnerschaft achtet. Außerdem muss Israel Artikel 2 des Assoziierungsabkommens über die Menschenrechte einhalten und das vorgeschlagene Gesetz zurückziehen.
VORSITZ: Stavros LAMBRINIDIS Vizepräsident
Bastiaan Belder, im Namen der EFD-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Diese Aussprache ist in vielerlei Hinsicht seltsam. Um es in einem Satz zusammenzufassen: Auf der Grundlage veralteter parlamentarischer Anfragen diskutieren wir über ein aktuelles Gesetzgebungsverfahren in Israel, das die größtmögliche finanzielle Transparenz israelischer Nichtregierungsorganisationen (NRO) sicherstellen soll. Bitte bedenken Sie, dass der infrage gestellte Gesetzentwurf das Recht von Organisationen auf freie Ausübung ihrer Tätigkeiten in einer Demokratie sorgfältig gegen das Recht der israelischen Bürgerinnen und Bürger abwiegt, um zu erfahren, wer die Aktivitäten der betreffenden NRO finanziert. Transparenz ist seit vielen Jahren ein europäisches politisches Motto. Weshalb sollte dieser so häufig erklärte Grundsatz nicht ordnungsgemäß auf eine Situation angewandt werden, in der die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten israelischen NRO beträchtliche Summen gewähren? Wenn sich dieses Haus dagegen richtet, gibt es meines Erachtens sowohl hier im Parlament als auch in dem jüdischen Staat ein schlechtes Bild ab. Mit so einer politisch suspekten Einstellung verstimmen Sie mit Sicherheit die rechtschaffenden Bürgerinnen und Bürger Europas, und das heißt, die Steuerzahler.
Diane Dodds (NI). – Herr Präsident! Ich bin zutiefst beunruhigt über den Inhalt und Ton einiger Beiträge in dieser Aussprache. Da die direkten Gespräche zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde gerade zögerlich begonnen haben, fordere ich dieses Parlament dazu auf, in einer Zeit äußerster Sensibilität im Nahen Osten Behutsamkeit in seinen Bemerkungen zu üben.
Ausgehend von den Erfahrungen in meinem eigenen Wahlkreis in Nordirland kann ich nur bestätigen, wie sensibel solche Gespräche sind. Einmischung von außen ist oftmals kontraproduktiv und gefährdet den Fortschritt. Vor dem Hintergrund des in der vergangenen Woche wahllos verübten Angriffs, bei dem vier israelische Bürger ums Leben kamen, wird die Situation noch verschärft. Ich bin davon überzeugt, dass die Abgeordneten diesen Anschlag ebenfalls verurteilen und Israels Engagement in den Gesprächen würdigen.
Was die fragliche Rechtsvorschrift anbelangt, sollten wir anerkennen, dass die israelische Regierung gemeinsam mit ihrem Parlament daran gearbeitet hat, auf die Bedenken und Sorgen einzugehen. Der Gesetzentwurf, der die Knesset durchlaufen wird, hat wesentliche Änderungen erfahren. Diese Änderungen sind Beispiel für eine lebendige israelische Demokratie und die Fähigkeit, auf vernünftige und gemäßigte Kritik zu reagieren. Die verbleibenden Maßnahmen konzentrieren sich auf die Anwendung der Grundsätze der Offenheit, Rechenschaftspflicht und Transparenz auf den NRO-Bereich. NRO in der ganzen Welt treten regelmäßig für diese Grundsätze als wesentliche Elemente für ein gesundes öffentliches Leben in einer demokratischen Gesellschaft ein.
Darüber hinaus ist die Anforderung, dass die Unterstützung ausländischer Regierungen bei öffentlichen Werbekampagnen oder auf Websites erklärt werden soll, vergleichbar mit der Finanzierungsanforderung der EU, wonach der Erhalt von Mitteln der Gemeinschaft offenzulegen und darzustellen ist. Folglich ist der Widerstand gegen solche Vorschläge vonseiten der NRO und einiger Mitglieder dieses Parlaments sowohl unlogisch als auch heuchlerisch.
Die Aussprache ist eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates außerhalb der Europäischen Union, und zwar in ein Thema, das bereits behandelt wird. Viele Menschen in Israel werden schlussfolgern, dass dies auf einer anti-israelischen Haltung gründet, dabei sollten die Verhandlungsführer in einer Zeit von Friedensverhandlungen doch vielmehr unsere Unterstützung erfahren.
Chris Davies (ALDE). – Herr Präsident! Ich danke Ihnen, Frau Kollegin Dodds. Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass Sie relativ neu in diesem Parlament sind. Einige von uns, die bereits seit einer bemerkenswert langen Zeit hier sind, haben tatsächlich an verschiedenen direkten israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen teilgenommen und festgestellt, dass Schweigen nicht unbedingt etwas zum Prozess beiträgt.
Diane Dodds (NI). – Herr Präsident! Natürlich stimme ich zu, dass ich in diesem Parlament relativ neu bin, jedoch sollte der Herr Abgeordnete auch anerkennen, dass mir Konfliktsituationen oder der Umgang mit Terrorismus in meinem Wahlkreis in Nordirland nicht neu sind.
Tatsächlich habe ich persönliche Erfahrungen mit Terrorismus, und nachdem ich an den Verhandlungen teilgenommen habe, die zu einer friedlicheren demokratischen Zukunft für mein Volk in Nordirland führten, muss ich sagen, dass Einmischung von außen, und insbesondere eine sehr verzerrte Einmischung von außen, falsch und nicht hilfreich ist.
(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten)
Róża Gräfin von Thun und Hohenstein (PPE). – Herr Präsident! In Anbetracht dieser Aussprache möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich viele Jahre Generaldirektorin einer polnischen NRO war, die den Beitritt Polens zur Europäischen Union förderte, ein „Ja“ im Referendum unterstützte und zahlreiche Programme zur politischen Bildung, Demokratie etc. durchführte.
Auch wir hatten unsere Sponsoren in Polen und im Ausland. Dabei handelte es sich um Privatpersonen, Unternehmen, politische Stiftungen sowie verschiedene EU-Programme, und natürlich waren wir verpflichtet, unsere Finanzierungsquellen und die erhaltenen Beträge offenzulegen. Das galt auch für sämtliche Mittel aus dem EU-Haushalt. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, darin eine Form der Diskriminierung oder Behinderung unserer Arbeit zu sehen.
Was diese Diskussion anbelangt, muss ich leider sagen, dass wir uns in Debatten verlieren, die auf veralteten Dokumenten basieren. Wir verlieren das Gesamtbild aus den Augen, und das ist es doch, was wir eigentlich brauchen. Es geht um Standards, es geht um Demokratie, einer auf aktiven Bürgerinnen und Bürgern basierenden Demokratie, die sich häufig in lebendigen, dynamischen NRO organisieren.
Transparenz ist ein Maßstab der Demokratie, und ein Gesetzentwurf oder rechtsgültiges Dokument, das in Bezug auf jede private oder öffentliche Förderung Transparenz fordert, sollte gelobt und nicht, wie es in diesem Plenarsaal der Fall ist, missbilligt werden.
Vielleicht sollten wir vielmehr auch die Offenlegung privater Geldgeber unterstützen. Warum sollte Transparenz Aktivitäten behindern, NRO schwächen, sie diskriminieren? Warum brauchen wir Transparenz? Diese Fragen sollten wir uns weltweit in Bezug auf jede Organisation stellen, die wir unterstützen.
Israel ist ein demokratischer Staat. In der Knesset gab es eine lebhafte Debatte über diesen Gesetzentwurf, als deren Ergebnis nun der Entwurf vom vergangenen August vorliegt. Ich danke Herrn Kommissar Füle für sämtliche Informationen, die er uns übermittelt hat, und kann ihm, der Kommission und uns allen nur wünschen, die gute Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Israel fortzuführen und weiterzuentwickeln.
Proinsias De Rossa (S&D). – Herr Präsident! Gestatten Sie mir, zunächst einmal auf die Bemerkung einzugehen, dass Einmischung von außen sich in gewisser Weise auf Friedensprozesse nachteilig auswirkt. Würde man dieser Logik folgen, müsste die Europäische Union und tatsächlich die gesamte Welt jedem einzelnen Konflikt in der Welt den Rücken zukehren und vorgeben, dass er sie nichts anginge. Das ist ein unsinniges Argument, Frau Dodds, und ich möchte Sie dringend bitten, Ihren diesbezüglichen Standpunkt noch einmal zu überdenken.
Es ist völlig legitim, dass dieses Parlament mögliche Bedrohungen der Rede- und Vereinigungsfreiheit in Staaten prüft, mit denen wir Handelsbeziehungen unterhalten. Unsere Verträge verpflichten uns zu einem auf ethischen Grundsätzen beruhenden Handel. Israel, das in einer sehr engen Handelsbeziehung mit der EU steht, kann von so einer Kontrolle nicht ausgenommen werden.
Ich begrüße die Änderungen am Gesetzentwurf über die Finanzierung von NRO, die vom Rechtsausschuss der Knesset bislang vorgenommen wurden und zweifellos auf den wachsenden internationalen Druck zurückzuführen sind, doch das ist noch immer nur die erste Phase. Er muss noch zum Ausschuss zurück und eine zweite und dritte Phase durchlaufen. Wir kennen die endgültige Version noch nicht.
Der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Gestalt bleibt jedoch drakonisch und unausgewogen und wird in diskriminierender Weise private Spenden ausländischer Gruppierungen begünstigen, die die Quelle oder den Zweck der Spenden nicht offenlegen müssen. Entweder ist es ein Gesetzentwurf zur Transparenz oder nicht. Wenn ja, dann muss die Transparenz umfassend sein.
In bin skeptisch in Bezug auf das endgültige Ergebnis und glaube, dass das Parlament, die Kommission und der Rat weiterhin wachsam bleiben und deutlich machen müssen, dass angenommene Rechtsvorschriften, die eine ausgewogene Transparenzanforderung verletzen, Auswirkungen auf unsere Beziehung haben werden.
Ich möchte noch kurz auf das vorgeschlagene Boykott-Gesetz eingehen, mit dem versucht wird, jeden Bürger zu kriminalisieren, der einen Boykott des Verkaufs von unrechtmäßig in den illegalen Siedlungen hergestellten Waren in Europa unterstützt. Das wäre meines Erachtens eine Verletzung des Rechts auf politisches Handeln.
(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten)
Bastiaan Belder (EFD). – (NL) Herr Präsident! Mein Kollege Proinsias De Rossa sprach soeben davon, dass eine Debatte zu dem angefochtenen Gesetzentwurf bereits stattgefunden habe und Änderungen an der Vorlage vorgenommen worden seien. Darf ich darauf hinweisen, dass die Debatte noch im Gang ist? Als Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu Israel wurde ich darüber Anfang dieser Woche informiert, was mir jedoch auffällt, ist – und hier habe ich eine Frage an Sie –, dass Sie sagen, jene Änderungen seien das Ergebnis externen Drucks. Wollen Sie damit sagen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in der Knesset ihre Meinung nicht auch ändern dürfen, wie es bei dem Vorsitzenden des betreffenden Ausschusses der Fall war, als er vorschlug, auch private Geldgeber in das Transparenzgesetz aufzunehmen? Ist das nicht das Gegenteil von externem Druck? Mit anderen Worten: Glauben Sie, dass externer Druck allein die Abgeordneten der israelischen Knesset zu einer Änderung ihres Standpunktes bewegen kann? Ich halte diese Meinung für recht voreingenommen.
Proinsias De Rossa (S&D). – Herr Präsident! Ich habe nicht den unsinnigen Standpunkt geäußert, dass „nur“ externer Druck Parlamentarier dazu bewegen kann, ihre Haltung zu ändern, doch er trägt ganz klar dazu bei. Ich weiß, dass das in Irland der Fall war. Beim Friedensprozess in Irland hat er dabei geholfen, die Haltung der IRA und der Sinn Féin zu ändern. Selbstverständlich haben wir in Irland auch internen Druck auf sie ausgeübt, doch natürlich ist der internationale Druck ebenso ein wichtiger Bestandteil des demokratischen Prozesses. Schließlich leben wir doch gemeinsam in einer Welt.
Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Ich bin zuweilen doch erstaunt über den Tenor einiger unserer Aussprachen hier im Parlament. Heute ist das der Fall.
Worüber sprechen wir? Was steht auf der Tagesordnung? Nicht der Goldstone-Bericht. Nicht die Siedlungen. Nicht die Operation „Cast Lead“. Nein, der Titel der Aussprache lautet „Gesetzentwurf zu NRO in Israel“, ein Entwurf, der in der Knesset noch immer erörtert wird und dort noch nicht zur Abstimmung gebracht worden ist.
Unser Parlament hat also im April eine Aussprache zu diesem Thema verlangt, unmittelbar nachdem es von der israelischen Regierung zur Diskussion gestellt wurde und sogar noch bevor die israelischen Abgeordneten des Parlaments selbst die Möglichkeit hatten, es zu erörtern. Dies ist umso herablassender – das ist leider das einzige Wort dafür – in Anbetracht dessen, dass dieser Gesetzentwurf, und das wurde hier bereits erwähnt, inzwischen in wesentlichen Punkten abgeändert worden ist. Tatsächlich ist es eine Beleidigung für die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen in der Knesset, zu glauben, dass es unsere mündliche Anfrage hier in diesem Parlament war, die eine Veränderung der Dinge herbeigeführt hat. Es zeugt von einer völligen Verkennung der israelischen Mentalität und der Vitalität des demokratischen Prozesses, der NRO und der israelischen Parlamentarier.
Herr Pöttering erwähnte seinen jüngsten Besuch in Israel. Auch ich bin soeben erst aus Israel zurückgekommen, am Samstag. Ich habe Abgeordnete der Kadima, der Arbeitspartei und der Likud getroffen und kann Ihnen versichern, dass sie seit Monaten gemeinsam mit den NRO an diesem Thema arbeiten. Sie haben nicht auf uns gewartet. Ich verstehe es also nicht: Jede Demokratie in der Welt – und auch das wurde gesagt – ist auf dem Weg zu mehr Transparenz, mehr Ethik und mehr Verantwortung seitens der öffentlichen Stellen. Dies gilt für Regierungen, selbstverständlich für politische Parteien, für die öffentliche Verwaltung, auch für die Mitgliedstaaten, die Kommission und unser Parlament; sie alle folgen demselben Prozess der Transparenz, ein Prozess, der umso notwendiger und verständlicher ist in einer Region, die wie diese von dem dort herrschenden tragischen Konflikt geprägt ist.
(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten)
Nicole Kiil-Nielsen (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Frau Ries lediglich bitten, da sie nicht der Ansicht ist, dass die Knesset oder die israelischen Behörden beeinflusst worden sind, das Kommuniqué der israelischen Botschaft zu erläutern, über das wir soeben gesprochen haben, sowie bestimmte E-Mails zu erklären, die wir in den vergangenen Tagen erhalten haben.
Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Ich habe nicht gesagt, dass sie nicht beeinflusst worden sind, zweifelsfrei ebenso wenig wie Herr De Rossa dachte, es sei unsere Arbeit und unsere Arbeit allein, die das Geschehen in dem Land verändert hat. Nachdem ich dieses Thema erst vergangene Woche mit den Abgeordneten des israelischen Parlaments erörtert habe, sage ich lediglich, dass sie bereits viel früher und unabhängig von unserer Einmischung damit begonnen haben, diesen Gesetzentwurf zu diskutieren und abzuändern. Meines Erachtens sind einige der hier vorgebrachten Bemerkungen besonders herablassend, und ich möchte nicht für den Botschafter sprechen, der das Kommuniqué gestern übermittelt hat. Ich glaube nicht, dass mir das zusteht.
Heidi Hautala (Verts/ALE). – Herr Präsident! Ich persönlich habe einen großen Teil meiner politischen Karriere der Förderung von Transparenz in der politischen Entscheidungsfindung gewidmet, ich kann jedoch auch recht einfach erkennen, dass dieser Gesetzentwurf in seinem Versuch, Transparenz zu schaffen, sehr selektiv ist.
Im Unterausschuss Menschenrechte hatten wir im Juni sogar NRO aus Israel zu Gast und konnten sie zu diesem Gesetz befragen. Sie waren besorgt. Wir haben auch andere Standpunkte gehört, und ich selbst hatte hinsichtlich des Entwurfs einen Schriftwechsel mit dem israelischen Botschafter bei der Europäischen Union.
Ich würde also sagen, dass die Arbeit, die wir im Unterausschuss im Parlament in Bezug auf die mündliche Anfrage geleistet haben, dazu beigetragen hat, die Bedingungen für eine vernünftige öffentliche Debatte zu schaffen, die von Einfluss sein wird.
Was mich bei der Anhörung im Unterausschuss jedoch am meisten beeindruckt hat, ist der positive Geist, in dem die israelischen und palästinensischen NRO zusammenarbeiten. Ich denke, wir sollten neue Wege finden, ihre Zusammenarbeit zu unterstützen, denn das könnte im Friedensprozess von sehr großer Bedeutung sein.
Fiorello Provera (EFD). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aussprache bestätigt zahlreiche Vorurteile gegenüber Israel, die die Nahostpolitik der Europäischen Union weiterhin beeinflussen.
Wir diskutieren heute einen Gesetzentwurf in der Knesset, den es eigentlich nicht mehr gibt, da er grundlegend abgeändert worden ist. Der neue Entwurf fordert höchste Transparenz bei ausländischer Finanzierung von in Israel tätigen Nichtregierungsorganisationen, von denen sich einige zugegebenermaßen vielmehr in der Politik engagieren als in der humanitären Hilfe.
Diese Forderung nach Transparenz ist nach meinem Dafürhalten keine Einschränkung der Vereinigungsfreiheit der Menschen, doch heute diskutieren wir so, als wäre sie das. Wir sollten uns dann also nicht über die Zurückhaltung der israelischen Politiker gegenüber der Europäischen Union wundern, und möglicherweise sitzen wir auch aus diesem Grund nicht am israelisch-palästinensischen Verhandlungstisch, selbst wenn wir der größte Geber in der Region sind.
Wir sollten vielmehr darüber diskutieren, wie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit unserer Finanzierungsverfahren für die in dieser Region tätigen NRO und Organisationen der Vereinten Nationen verbessert werden könnten. Auf diese Weise könnten jegliche Zweifel über unsere politischen Standpunkte ausgeräumt werden.
Zum Abschluss ein Vorschlag: Anstatt über diese Gesetzesvorlage zu diskutieren, sollten wir doch einmal eine Aussprache über den wachsenden Antisemitismus in Europa organisieren, insbesondere nach den Erklärungen von Herrn De Gucht.
Franz Obermayr (NI). - Herr Präsident! Im Februar 2010 verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das die steuerliche Befreiung aller Organisationen, die mit ausländischen Gruppierungen zusammenarbeiten, abschafft. Im April folgte ein Gesetzesentwurf, welcher alle NRO verbieten soll, die im Ausland eher israelkritische Prozesse anstreben. Offensichtlich wird man in Israel als Systemkritiker schnell zum Staatsfeind Nr. 1, und so wird auch der New Israel Front öffentlich vorgeworfen, sie hätte die Grundfeste des israelischen Staates zerstört, bloß weil sie bei der Erstellung des Goldstone-Berichts mithalf.
Die EU muss also in dieser intoleranten Entwicklung eine klare Position beziehen. NRO sind auch in Israel und in Palästina wichtige Elemente der politischen Mitwirkung der Bürger und damit in einer Art Demokratie absolut schützenswert. Wer sich wie Israel bemüht, in der EU assoziiert zu werden, von dem erwarten wir auch, dass er die europäischen Spielregeln einhält und die europäischen Standards respektiert.
Ria Oomen-Ruijten (PPE). – (NL) Herr Präsident! Zu meinem Erstaunen habe ich erfahren, dass Israel bemüht war, diesen Punkt von der europäischen Tagesordnung zu streichen. Ich folge immer dem Grundsatz, dass, wenn man an die eigene Gesetzgebung glaubt, man auch keine Angst vor einer Debatte haben muss, und dass diese Debatte ein Klima schaffen kann, in dem die NRO, um die es hier geht, ihrer Arbeit in Israel ohne Behinderung nachgehen können. Folglich kann eine Aussprache in diesem Haus nur dabei helfen, Bedenken zu zerstreuen.
Herr Präsident! Ich freue mich, feststellen zu können, dass in der Zeit zwischen der Einreichung der mündlichen Anfrage von Frau Hautala am 27. April und der heutigen Aussprache viel geschehen ist. Dem Schreiben des Botschafters sowie der Übersetzung des Gesetzentwurfs entnehme ich, dass grundlegende Änderungen vorgenommen worden sind. Das freut mich. Was mich jedoch beunruhigt, ist die Frage, wie das neue Gesetz umgesetzt wird und ob das nicht selektiv geschieht. Transparente NRO sind meines Erachtens fester Bestandteil einer jeden Demokratie. Daher ist es auch für Israel wichtig, sicherzustellen, dass sie in ihren Tätigkeiten nicht unangemessen behindert werden. Ich möchte folgende Frage an Herrn Füle richten: Gibt es eine Garantie, dass sämtliche NRO in Israel gleich behandelt werden und das neue Gesetz keine restriktiven Maßnahmen für NRO zur Folge hat, die vollständig oder teilweise aus dem Ausland finanziert werden?
Mein dritter Punkt betrifft die Transparenz, die als Argument angeführt wird – und das ist auch gut und richtig. Ich verstehe jedoch nicht, weshalb private Spenden nicht unter dieses Gesetz fallen. Für meine Begriffe ist das ein erhebliches Versäumnis.
Im Übrigen, Herr Präsident, schließe ich mich auch der Äußerung des Kollegen Pöttering in Bezug auf die Siedlungspolitik an.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Ich muss sagen, dass mich der Ton dieser Diskussion überrascht. Wir wollten heute unsere Vorschläge und Standpunkte zu einem Gesetzentwurf darlegen, der noch immer Änderungen unterliegt, und in dessen Zusammenhang wir unseren Kolleginnen und Kollegen der israelischen Knesset, die genau wie wir hier im Europäischen Parlament gewählte Vertreter sind, mitteilen könnten, was wir als guten Rat erachten oder worin unsere wertvolle Erfahrung bei der Verabschiedung eines solchen Gesetzes besteht.
Leider ist diese Aussprache bei einem Teil dieses Parlaments zu einer Art Kampf gegen Israel insgesamt geworden. Wir sollten nicht vergessen, dass sich Israel in einer sehr schwierigen Position und Lage befindet, dass es der einzige demokratische Staat in der Region ist, und dass es mit Angriffen von beinahe all seinen Nachbarn konfrontiert ist. Das ist das erste, und nur um jeglichen Zweifel auszuräumen: In der vergangenen Legislaturperiode war ich stellvertretende Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu Israel. Aus diesem Grund verfüge ich über gewisse Erfahrungen, auch über sehr gute Erfahrungen mit unseren Kolleginnen und Kollegen in der Knesset, wie ich sagen muss, und ich hatte bei unseren Israelbesuchen niemals den Eindruck, sie würden Fragen, die ihnen möglicherweise unangenehm waren, nicht beantworten wollen. Schließlich haben viele der heute hier Anwesenden gemeinsam mit mir in dieser Delegation gearbeitet oder tun dies sogar noch. Lassen Sie uns also weitermachen, lassen Sie uns einige gute Vorschläge vorbringen, und ich denke, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in der Knesset diese Vorschläge aufgreifen und das Gesetz in der entsprechenden Form verabschieden werden.
Margrete Auken (Verts/ALE). – (DA) Herr Präsident! Der vorhergehende Redebeitrag hat mich an eine E-Mail erinnert, die wir vor einiger Zeit von einer amerikanisch-israelischen Freundschaftsorganisation erhalten haben und in der es hieß, dass es nunmehr höchste Zeit sei, Israel wie einen demokratischen Staat zu behandeln. Das erinnerte mich an die bekannte Geschichte über Gandhi, der einmal gefragt wurde, was er über die westliche Zivilisation denke. Er antwortete: „Ich denke, sie wäre eine gute Idee.“ Meines Erachtens sollten wir Israel wie ein demokratisches Land behandeln und die Forderungen stellen, die notwendig sind, damit es eine gute Demokratie ist.
Es wurde hier heute klar herausgestellt, dass wir uns nicht einfach mit einer Transparenz bei der öffentlichen Finanzierung zufrieden geben können, wenn diese nicht auch bei der privaten Finanzierung gilt, auch wenn jeder weiß, woher die hohen privaten Förderbeträge stammen. Wir können Israel nicht ernst nehmen, wenn es die Judenverfolgung und den Holocaust als Entschuldigung dafür anführt, andere schlecht zu behandeln. Diese Trivialisierung des Leids der Juden ist in meinen Augen wohl eines der beschämendsten Dinge, die wir in dieser Debatte gehört haben. Diese Gewalttaten dürfen nicht als absurde Rechtfertigung für die Nichteinhaltung der wichtigen Grundsätze der Demokratie vorgeschoben werden. Wir müssen angemessene Forderungen an Israel stellen und dürfen es nicht wie ein empfindliches Kind behandeln oder nachsichtig mit ihm umgehen, als sei es in irgendeiner Weise beeinträchtigt.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Die Anfrage an die Kommission seitens der Abgeordneten der Linken geht, um es mal so zu sagen, am Thema vorbei und ist demnach unsinnig. Und das nicht nur, weil der Gesetzentwurf, über den die Knesset nächsten Monat abstimmen wird, nun eine andere Form hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein demokratisch funktionierendes Land wie Israel das Recht hat, Gesetze zu erlassen, sofern sie nicht im Widerspruch zu internationalem Recht stehen – und das war selbst bei dem ursprünglichen Vorschlag der Regierung nicht der Fall. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es in meinem Land gängige Praxis für gemeinnützige Organisationen ist, ihre Förderquellen anzugeben, einschließlich der ausländischen und privaten Geldgeber.
Die Europäische Union kofinanziert NRO auf der gesamten Welt und kann dabei nicht immer mit Gewissheit sagen, wofür die Mittel letztendlich verwendet werden. Wir sollten also vielmehr wertschätzen, dass die israelische Regierung und das Parlament bestrebt sind, größere Transparenz in Bezug auf die Finanzströme herzustellen, die aus dem Ausland in politische Bewegungen und politisch aktive NRO fließen. Wir sollten uns eher darüber Sorgen machen, dass einige von ihnen Mittel von terroristischen Organisationen aus dem Ausland erhalten, um die Friedensbemühungen zu untergraben und die Sicherheit der israelischen Bürgerinnen und Bürger zu gefährden.
Ich bedauere, dass sich einige Kollegen von der Linken um die guten Beziehungen zwischen Israel und der Europäischen Union sorgen. Unser vorrangiges Ziel ist jedoch eine friedliche Koexistenz zwischen Israel und dem zukünftigen palästinensischen Staat und nicht die Verbreitung von Vorurteilen und Gerede. Was mich jedoch beschäftigt, ist die Tatsache, dass die Kommission nicht zu den zwischenstaatlichen Verhandlungen eingeladen worden ist, und meine Frage an die Kommission lautet: Können Sie diese Situation ändern?
Pier Antonio Panzeri (S&D). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich könnte man Einwände gegen die Gründe erheben, die das Europäische Parlament dazu bewogen haben, über einen Rechtsakt zu diskutieren und zu urteilen, der von einem demokratisch gewählten Parlament wie der israelischen Knesset verabschiedet wird.
Solche Einwände sind verständlich, doch es gibt mindestens zwei wesentliche Gründe, weshalb diese Aussprache notwendig ist. Das ist zum einen die spezielle Situation im Nahen Osten, die auf einen Konflikt zurückzuführen ist, der schon allzu lang andauert und nicht nur Israel betrifft. Zum zweiten ist es die wichtige Bedeutung der NRO in diesem Gebiet, sowohl im Bereich der humanitären Hilfe als auch der Entwicklungszusammenarbeit. Diese Bedeutung sollte außerdem auch von den israelischen Behörden selbst hoch geschätzt werden, denn ohne die Arbeit all der NRO wären die Spannungen in der Region noch größer und weitaus ernster.
Aus diesem Grund ist es ganz selbstverständlich, der Knesset, die zu diesem Thema ein Gesetz erlassen möchte, zu den bereits vorgenommenen Änderungen zwei klare Zielsetzungen vorzuschlagen: erstens die Sicherstellung der unvoreingenommen für alle geltenden Transparenz der Finanzinstrumente, auch bei Organisationen wie etwa den NRO der Siedler; und zweitens allen NRO ihre Arbeit konkret zu ermöglichen, denn sie ist wichtig, nicht zuletzt für den Fortgang der Friedensverhandlungen selbst.
Sari Essayah (PPE). – Herr Präsident! Der Grundsatz des Gesetzentwurfs besteht darin, dass Mittel für NRO von Regierungen aus dem Ausland vollständig transparent sein sollten.
Haben wir ein Problem mit Transparenz? Hoffentlich nicht. Die meisten EU-Mitgliedstaaten verfügen über Rechtsvorschriften über die Finanzierung von NRO und ihrer Transparenz sowie über die Finanzierung von politischen Parteien. In Finnland haben wir beispielsweise gerade ein Gesetz über die Finanzierung politischer Parteien erlassen, mit dem wir jegliche Form der ausländischen Finanzierung, außer von europäischen Schwesterparteien, verbieten wollen. Wir wollen nicht, dass sich ausländische Mächte Einfluss auf das politische Leben in Finnland erkaufen können.
Wir Politiker wären doch sehr überrascht, wenn die Regierung eines EU-Mitgliedstaates damit begänne, unsere nationalen NRO für politische Kampagnen zu finanzieren. Wir würden doch wenigstens die Geldquelle und die möglichen Motive wissen wollen.
Der Vertreter des Nahost-Quartetts, Tony Blair, sprach in seiner letzten Rede vergangene Woche in Herzlia über die Doppelmoral, die in der Haltung Europas gegenüber Israel so häufig zu Tage tritt. Er sagte, man solle der israelischen Regierung keine Regeln auferlegen, von denen uns nie in den Sinn käme, sie dem eigenen Land aufzuerlegen.
Das Europäische Parlament sollte die israelischen Gesetzgeber bei der Sicherstellung von Transparenz also vielmehr unterstützen, anstatt falsche Anschuldigungen zu erheben und in ein demokratisches Gesetzgebungsverfahren einzugreifen.
Ist uns Europäern vollständig bewusst, dass EU-finanzierte Projekte von NRO nicht immer den Friedensprozess fördern, sondern dem gegenseitigen Verständnis vielmehr entgegenwirken und mehr Misstrauen und Feindseligkeit zwischen Israelis und Palästinensern schaffen?
Das neue Gesetz ist also auch für die europäischen Steuerzahler wichtig, damit wir wissen, wohin unser Geld in dieser Region fließt.
Marek Siwiec (S&D). – (PL) Herr Präsident! Bevor man einen Vertrag mit einer Bank abschließt, sollte man ganz unten das Kleingedruckte lesen. Auch bei der heute hier erörterten Anfrage ist es wichtig, zu lesen, was ganz unten steht. Die Verfasser fragen, wie sich der Sachverhalt auf die weiteren Beziehungen zwischen der EU und Israel auswirken wird? Meine Antwort lautet: sehr positiv, denn heute sagen wir, dass wir im Nahen Osten einen demokratischen Partner haben, dass es Menschen gibt, die sorgsam mit den europäischen Geldern umgehen wollen und darauf achten, wofür die Mittel verwendet werden. Es ist das einzige Land in der Region, das die europäischen Gelder so genau kontrolliert. Unweit dieses Landes verschwinden Millionen von Euro spurlos, und wir haben keine Ahnung, wofür dieses Geld ausgegeben wird. Wenn wir heute einen Moment der Zufriedenheit verspüren können, dann deshalb, weil wir die Demokratie in Israel fördern. Wir sagen, dass es ein demokratisches Land ist, das die Demokratie in Übereinstimmung mit unseren Grundsätzen aufbaut. Das Europäische Parlament hat im Rahmen dieser Aussprache etwas Bemerkenswertes erreicht. In gutem Glauben haben wir die Nichtregierungsorganisationen in Israel verteidigt – Organisationen, die sich nicht in Gefahr sehen – und wir schützen sie vor einem Gesetz, das noch nicht in Kraft getreten ist. Ich würde mir wünschen, dass dies als gute Botschaft aus dieser Aussprache hervorgeht.
Zoran Thaler (S&D). – (SL) Der Trend einschränkender Gesetzgebung in Israel zeigt eine immer größer werdende Kluft zwischen Israels Ideal, die einzig wahre Demokratie im Nahen Osten zu sein, wie wir gern stolz hervorheben, und der tatsächlichen Wirklichkeit, zu der auch, trotz aller unbestrittenen Demokratiebemühungen, die Unterdrückung der legitimen Rechte der benachbarten palästinensischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung sowie auf ihr eigenes Land und Frieden gehört.
Da das die Politik der israelischen Regierung ist, wird jeder, der sich ihr entgegenstellt, seien es einzelne Menschen oder NRO, früher oder später zum Feind ihrer Diktatur. Es ist schwierig, ja unmöglich, eine Demokratie hinter hohen Mauern zu sein und gleichzeitig andere zu unterdrücken. Das ist eine Illusion.
Aus diesem Grund muss sich Israel entscheiden, ob es eine Demokratie bleiben und sich demokratisch entwickeln will – in dem Sinne, dass es die demokratischen Rechte der benachbarten palästinensischen Bevölkerung anerkennt und einräumt – oder ob es seine derzeitige Politik der Untergrabung dieser Rechte beibehält und mitunter abgleitet in undemokratisches Verhalten, mangelnde Offenheit, Engstirnigkeit, Xenophobie und Unterdrückung seiner Zivilgesellschaft. Leider ist der Preis einer solchen Politik gegenüber den Palästinensern zwangsläufig die Zerstörung der eigenen Demokratie Israels.
Ulrike Lunacek (Verts/ALE). – Herr Präsident! Ich danke Herrn Kommissar Füle für seine sehr deutlichen Worte über die israelische Zivilgesellschaft – die sehr lebendig ist, wie wir alle wissen – aber auch für seine Kritik in Bezug auf das geänderte Gesetz.
Ein sehr positiver Punkt für mich in dem derzeitigen Verfahren ist, dass einige sehr schlechte Teile des Gesetzes tatsächlich abgeändert worden sind. Allerdings gibt es noch immer einige Themen, die einer genaueren Betrachtung vonseiten der Abgeordneten der Knesset bedürfen. Eines davon haben Sie erwähnt – die Tatsache, dass die Transparenz privater Finanzmittel nicht Teil des Gesetzes ist. Wir wissen genau – auch in unseren Ländern –, dass es Finanzierungen aus privater Hand gibt und auch dort Transparenz herrschen sollte. Ein anderer Redner hat gesagt, dass politische Parteien offen in Bezug darauf sein sollten, von welchen Privatpersonen, Unternehmen etc. sie finanziert werden. In meinem Land gibt es damit Probleme.
Bei aller Freundschaft zu Israel und der Knesset ist das ein Punkt, der, so hoffe ich, noch geändert wird, damit die Zivilgesellschaft in Israel so transparent wird, wie sie das zum größten Teil bereits ist, aber damit auch in Zukunft dem Friedensprozess in der Region gedient werden kann.
Ivo Vajgl (ALDE). – (SL) Israel ist zweifelsohne ein demokratischer Staat, aber kein demokratischer Staat ist gefeit vor undemokratische Vorgehensweisen und Druck.
In diesem Fall, bei dem es um den Druck auf Nichtregierungsorganisationen in Israel geht, haben wir es mit undemokratischen Maßnahmen zu tun, und bei unserem Delegationsbesuch in Israel sind wir in der Tat vor ihnen gewarnt worden. Nachdem ich nun mit einigen Ansprechpartnern in Brüssel gesprochen habe, bin ich der festen Überzeugung, dass sie tatsächlich stattgefunden haben.
Wir sprechen heute hier über ein konkretes Gesetz. In Wahrheit sind es jedoch drei Gesetze, die alle in der einen oder anderen Art und Weise NRO und jeden, der mit ihnen zusammenarbeitet, in ein zweifelhaftes Licht stellen. Das ist für keine Demokratie gut. Da unsere Aussprache auch Einfluss auf die Friedensverhandlungen haben wird, muss ich sagen, dass die Friedensgespräche den bislang größten Schaden durch die Erklärung des israelischen Außenministers Lieberman genommen haben, Israel werde mit dem Bau von Siedlungen in den besetzen Gebieten fortfahren.
Alexandra Thein (ALDE). - Herr Präsident! Ich möchte mich zunächst bei Israel dafür bedanken, dass es die zahlreichen Bedenken gegen die geplante Gesetzgebung ernst genommen und die Gesetze zumindest etwas entschärft hat.
Bereits seit langem müssen Nichtregierungsorganisationen in voller Transparenz ihre Finanzierungsmittel offenlegen und sogar auf ihrer Website veröffentlichen. Bei den geplanten Gesetzen geht es – auch in der abgeschwächten Form – im Endeffekt darum, dass sie nur auf ganz bestimmte Nichtregierungsorganisationen zielen, und zwar erstens auf Menschenrechtsorganisationen und zweitens nur auf solche, die öffentliche Gelder erhalten. Also zum Beispiel öffentliche Gelder der UN oder der EU. Hingegen unterliegen Nichtregierungsorganisationen, die private Gelder erhalten und sich zum Beispiel für illegale Siedlungen einsetzen, oder äußerst rechte Gruppen keiner gesetzlichen Beschränkung, und sie müssen ihre Finanzierungsmittel auch nicht offenlegen. Und in dieser Ungleichbehandlung liegt die Problematik der beabsichtigten Gesetze.
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Die heutige Aussprache zeigt einmal mehr die große Bedeutung, die wir alle in der Europäischen Union der Zivilgesellschaft beimessen. Eine freie und aktive Zivilgesellschaft unterstützt die Entwicklung einer gesunden Demokratie.
Ich habe die zahlreichen Bemerkungen, die heute hier vorgebracht wurden, zur Kenntnis genommen und werde sie unseren israelischen Partnern übermitteln. Ich werde auch eine Möglichkeit finden, die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin über bestimmte Aspekte unserer Aussprache zu informieren, da sie unsere Vertreterin im Quartett ist und wirksam sicherstellt, dass die Europäische Union beim Friedensprozess im Nahen Osten auch weiterhin von sehr großer Bedeutung sein wird.
Bevor ich schließe, möchte ich noch zwei weitere sehr wichtige Punkte hinzufügen. Zum einen werden wir den NRO weiterhin Mittel für förderfähige Projekte zur Verfügung stellen, die unseren Zielen entsprechen. Zum anderen werden wir den Dialog mit den israelischen Behörden im Rahmen der bestehenden politischen Vereinbarungen fortführen. Der Dialog mit diesem sehr wichtigen Partner muss auf allen Ebenen und über alle Kanäle offen bleiben.
Lassen Sie mich Ihnen abschließend versichern, dass die Kommission dieses Thema weiterverfolgen und sich bei unseren israelischen Partnern dafür einsetzen wird, die Arbeit eines aktiven NRO-Sektors zu fördern und weiter zu erleichtern, anstatt sie einzuschränken.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Olga Sehnalová (S&D), schriftlich. – (CS) Gemeinnützige Organisationen sind ein legitimer und wesentlicher Bestandteil der Zivilgesellschaft in einem normalen demokratischen Land. Es ist jedoch gleichermaßen legitim, Transparenz im Hinblick auf ihre Finanzen zu fordern, seien sie aus öffentlicher oder privater Hand. Zu beantworten bleibt demnach die Frage nach dem Grad und dem konkreten Gesetz zur Gewährleistung der Transparenz. Er wäre also gut, sich dieser Frage objektiv und unvoreingenommen zu nähern, mit ein wenig Vertrauen in die Arbeit unserer demokratisch gewählten Kolleginnen und Kollegen in der israelischen Knesset.
13. Der Zustand des Jordans unter besonderer Berücksichtigung des Gebiets an seinem Unterlauf (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission zum Zustand des Jordans unter besonderer Berücksichtigung des Gebiets an seinem Unterlauf von Paolo De Castro, Véronique De Keyser, Jo Leinen und Adrian Severin, im Namen der S&D-Fraktion (O-0092/2010 - B7-0452/2010).
Paolo De Castro, Verfasser. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Fluss Jordan ist ein wichtiges ökologisches, landwirtschaftliches und wirtschaftliches Gut für Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete, und seine Schädigung muss uns beunruhigen.
Es sei darauf hingewiesen, dass geschätzte 98 % der 1,3 Milliarden Kubikmeter umfassenden Süßwasserressourcen des Unterlaufs pro Jahr umgeleitet werden und weite Abschnitte des Flusses von Austrocknung bedroht sind. Das hat verheerende Auswirkungen für die Artenvielfalt, vor allem aber auch für die Gemeinden vor Ort hinsichtlich ihres Zugangs zu Wasserressourcen. Mehrere internationale Akteure, darunter die Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer und der Senat der Vereinigten Staaten, haben sich mit der tief greifenden Schädigung des Jordan befasst.
Auch wir müssen die Regierungen und Behörden vor Ort aber auch den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auffordern, einzugreifen, um die technische sowie finanzielle Unterstützung für die Sanierung des Flusses bereitzustellen. Insbesondere müssen wir die Kommission auffordern – wie aus der gemeinsamen Entschließung aller Fraktionen hervorgeht, denen ich für ihre uneingeschränkte Unterstützung danke –, einen klaren und konkreten Verweis auf dieses Projekt in die Aktionspläne der Europäischen Nachbarschaftspolitik mit Israel, Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde aufzunehmen.
Ein erster Schritt wäre eine gemeinsame Studie über den Zustand des Jordan. Uns ist wohl bewusst, dass Wasser ein kostbares, unveräußerliches Gut ist, und deshalb möchte ich betonen, dass eine gerechte Wasserverteilung bedeutet, den Bedürfnissen aller in der Region lebenden Gemeinden gleichermaßen Rechnung zu tragen. Diese Frage ist für die Nachhaltigkeit des Friedens und der Stabilität im Nahen Osten von allerhöchster Bedeutung.
Wir verfolgen die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen den Israelis und Palästinensern in den vergangenen Tagen mit einer gewissen Hoffnung, denn in diesen Verhandlungen wurde die Wasserbewirtschaftung als entscheidender Punkt hervorgehoben. Wir hoffen, dass die Regierungen, die Gemeinden vor Ort und die Organisationen der Zivilgesellschaft in den betreffenden Ländern und Gebieten schnellstmöglich mit einer effektiven Zusammenarbeit beginnen, um den Unterlauf des Jordan zu retten. Das ist eine Pflicht, denn es geht nicht allein um den hohen symbolischen Wert des Flusses, sondern vor allem um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Gemeinden vor Ort.
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, über die kritische Situation des Wassers im Nahen Osten zu sprechen.
Für die Europäische Union stellt die Frage der Wasserressourcen ein ernsthaftes Problem in der Region dar, und ich teile voll und ganz die Besorgnis der Abgeordneten dieses Hauses, denn die Gebiete sind von Wasserknappheit, Wasserstress und einer Verschlechterung der Wasserqualität betroffen, was durch die Auswirkungen des Klimawandels in Zukunft wahrscheinlich noch schlimmere Ausmaße annehmen wird.
Wir sind uns der daraus resultierenden möglichen Folgen für die Menschen in der Region, für die Umwelt und für die Sicherheit vor Ort bewusst. Die Europäische Union ist der Ansicht, dass Wasser für den Frieden in der Region von entscheidender Bedeutung ist und diese regionale Herausforderung eine regionale Lösung erfordert.
Wie Sie wissen, unterstützt die Europäische Union die wichtigen Schritte für ein umfassendes Friedensabkommen zwischen israelischer und palästinensischer Seite, bei dem Wasser eine der zu klärenden Fragen in Bezug auf den endgültigen Status ist, ebenso wie die Grenzen, die Flüchtlingsproblematik, Jerusalem und die Sicherheit.
Die Europäische Union erkennt die spezifische Situation des Jordanbeckens sowie die Notwendigkeit einer effizienteren Wasserbewirtschaftung des Unterlaufs und seiner Zuflüsse. Wir engagieren uns deshalb in einer Reihe von Aktivitäten auf nationaler, subregionaler und regionaler Ebene mit allen betroffenen Parteien. Wir unterstützen Wasserreformen sowie Strategien zur Förderung einer nachhaltigen Wasserbewirtschaftung.
Im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik und anderer Maßnahmen unterstützt die Europäische Union vertrauensbildende Maßnahmen, fördert die grenzübergreifende Zusammenarbeit und führt die Gemeinden zusammen, die hinsichtlich der Wasserversorgung gemeinsame Sorgen teilen.
Die Arbeit der Europäischen Union konzentriert sich auf den Aufbau von Kapazitäten verschiedener Wasserbehörden und -nutzer, die Erhebung und den Austausch von Daten, die Zugänglichkeit von gereinigtem Abwasser, Maßnahmen zur Wassererhaltung, einschließlich der Wassernetze, sowie effiziente Bewässerungsanlagen.
Die Europäische Union berücksichtigt in ihren Bemühungen sowohl das Angebot und die Nachfrage des Wassersektors und schafft die Voraussetzungen für eine integrierte Bewirtschaftung der Wasserressourcen in der Zukunft.
Dabei ist die Europäische Union nicht allein. Die Mitgliedstaaten und andere Geber sind aktiv beteiligt, und wir stimmen unsere Arbeit eng miteinander ab, um Komplementarität sicherzustellen.
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, im Namen der PPE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament geht mit dem Aufzeigen der Herausforderungen, denen der Jordan heute gegenübersteht, einen Schritt in die richtige Richtung. Die Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer hat eine spezielle Studie über den Jordan und das Jordantal erstellt und in ihren Entschließungen deren Schutz gefordert, da der Fluss ein Monument unseres gemeinsamen Weltkulturerbes ist, ein religiöses und kulturelles Symbol für Millionen von Menschen weltweit und ein wichtiges ökologisches, touristisches und wirtschaftliches Gut der Region.
Da Ziel heute ist demnach, die Probleme des Flusses sowie die Notwendigkeit entsprechender Schutzmaßnahmen aufzuzeigen und die Bemühungen der Europäischen Union zu verstärken – die Kommission hat diese Bemühungen angesprochen, und auch wir haben an verschiedener Stelle während unserer Arbeit an einem gemeinsamen Standpunkt darauf Bezug genommen. Wir müssen darüber hinaus eine regionale Zusammenarbeit bei der Gewährleistung des gerechten Zugangs zum Jordan für alle betroffenen Menschen sowie die gemeinsame Verantwortung seinen Schutz betreffend fordern.
Der Entschließungsantrag verweist auch auf bewährte Verfahren, wie etwa den von Israel erarbeiteten speziellen Gesamtplan, in dem der Austausch von bewährten Verfahren und Erfahrungen gefordert wird, denn der Fluss Jordan ist ein gemeinsames Problem der Region. Wichtig ist, dass auch die tatsächlichen Gefahren hervorgehoben werden: nicht nur der Wassermangel und die Verschmutzung, sondern auch der Verlust der Artenvielfalt und die mögliche Austrocknung des Flusses, sofern nichts unternommen wird.
Um die internationale und regionale Zusammenarbeit zu unterstreichen, wird in dem Entschließungsantrag eine Sonderkommission für das Jordantal vorgeschlagen, bei der die Länder, die unmittelbar durch die Probleme des Jordan betroffen sind (Israel, die palästinensischen Gebiete, Jordanien), mitwirken können, gemeinsam mit anderen Ländern, in denen der Jordan entspringt und die auch eine gewisse Verantwortung tragen, wie etwa Libanon und Syrien. Ich hoffe, dass diese Entschließung die Unterstützung des Plenums findet und vom Europäischen Parlament eine wohl durchdachte, gezielte und deutliche Botschaft ausgehen wird.
Véronique De Keyser, im Namen der S&D-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Wie bereits erwähnt wurde, ist die Situation des Toten Meeres und des Jordan äußerst beunruhigend, da der Fluss allen Voraussagen nach, sofern sich 2011 nichts ändert, einfach austrocknen wird.
Wenn auf internationaler und regionaler Ebene keine Maßnahmen ergriffen werden, um diese Entwicklung zu stoppen, wird das einen außerordentlich großen Verlust für das kulturelle Erbe zur Folge haben, für die Artenvielfalt – Frau Kratsa-Tsagaropoulou hat diesen Punkt angesprochen – aber auch für die Sicherheit und die Wirtschaft der Region.
Ich möchte Sie auf eine Nichtregierungsorganisation aufmerksam machen, die meiner Ansicht nach eine absolut bemerkenswerte Initiative ergriffen hat. Die NRO „Freunde der Erde Mittlerer Osten“ hat sich entschlossen, die palästinensischen, jordanischen und israelischen Bürgermeister der Anrainergemeinden des Flusses zusammenzubringen und zu ermutigen, darüber nachzudenken, auf welche Weise sie etwas zur Verbesserung der Lage beitragen könnten.
Die Organisation und die Bürgermeister haben einige interessante Studien darüber durchgeführt, welche Maßnahmen jedes Land ergreifen könnte und welche Auswirkungen sie hätten. Sie erstrecken sich von wasserlosen Toiletten über Reformen der landwirtschaftlichen Verfahren bis hin zu alternativen Anbauarten, da die jetzigen zu viel Wasser absorbieren, usw. Es gibt ein breites Spektrum von Maßnahmen, die ergriffen werden können. Es geht hier also nicht um eine politische Debatte, auch wenn wir alle genau wissen, dass die Dinge, sobald wir über Wasser in der Region sprechen, politisch werden.
Ich glaube, jeder könnte das unterstützen und hoffe, dass Europa und die Kommission sich in ihren Beziehungen mit diesen Ländern von den sehr deutlichen Schlussfolgerungen dieses Berichts inspirieren lassen, insbesondere im Rahmen der Aktionspläne.
Es gibt jedoch einen kurzen Absatz, auf den ich sehr viel Wert lege – Absatz E, in dem es heißt, dass es eine übermäßige Nutzung der Wasserressourcen vonseiten der israelischen Siedler gibt. Das stimmt; Berichte der Weltbank und von Amnesty International bestätigen das. Das bringt uns zurück zum Kernpunkt der Politik, doch es ist eine Tatsache, die manchmal gesagt werden muss. Wir haben das nicht zum Kernpunkt unserer Entschließung gemacht, aber wir erachten es als sehr wichtig.
Antonyia Parvanova, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Energie, Umwelt und Wasser der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer hatte ich im vergangenen Februar bei einem Vor-Ort-Besuch die Gelegenheit, die tatsächliche und dramatische ökologische Realität des Jordan mit eigenen Augen zu sehen.
Im Sonderbericht über die Lage des Jordantal, für den ich Berichterstatterin war, wurde hervorgehoben, dass alle betroffenen Parteien – insbesondere Israel, die Palästinensische Autonomiebehörde, Jordanien, aber auch Libanon und Syrien – eine gemeinsame Lösung für die zwei dringlichsten Probleme finden müssen: eine gerechte Wasserverteilung, bei der die Bedürfnisse aller Menschen der Region berücksichtigt werden, sowie eine gesunde und geschützte Umwelt für die künftigen Generationen.
Aus unserem Bericht geht hervor, dass sich Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde zunächst einmal auf gemeinsame Daten in Bezug auf die verfügbaren Wasserressourcen und die Demografie einigen müssen, die Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen sind, denn beide Seiten sowie auch unabhängige Berichte haben bislang unterschiedliche Zahlen präsentiert.
Eine unserer wichtigsten Schlussfolgerungen war, dass es für eine gemeinsame Lösung des Wasserproblems notwendig ist, Pläne für eine gemeinsame Verwaltung, eine gleichberechtigte Entscheidungsfindung und eine gemeinsame Wasserbewirtschaftung in der Region umzusetzen. Ich glaube, dass die Empfehlungen in unserem Bericht an Bereiche anknüpfen, in denen die Europäische Union über konkrete Fachkenntnisse verfügt und als engagierter Akteur tätig werden kann, um den Weg für eine künftige Partnerschaft zwischen allen Beteiligten zu ebnen.
Ich möchte Sie abschließend daran erinnern, dass wir in Anbetracht der derzeitigen Bemühungen um die Wiederaufnahme von Gesprächen für ein umfassendes Friedensabkommen die Verantwortung haben, die Situation im Jordantal nicht für politische oder ideologische Zwecke zu missbrauchen.
Ich hoffe, unsere heutige Aussprache dient dem Interesse aller Parteien in der Region und führt zu konkreten und unvoreingenommenen Schlussfolgerungen für eine aktive Beteiligung der Union bei der Erarbeitung künftiger nachhaltiger Lösungen.
Margrete Auken, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Ich kann mich den beiden Vorrednern nur anschließen, möchte bei dieser Gelegenheit aber auch sagen, dass sich sehr viele hier gar nicht im Klaren darüber zu sein scheinen, dass es unmöglich ist, von den Palästinensern zu verlangen, ihren Teil der Verantwortung zu tragen. Sie haben dazu einfach keine Möglichkeit. Wie vielen der hier Anwesenden ist bewusst, dass seit 1967 50 % des Flussufers im Westjordanland von israelischen Siedlungen besetzt sind? 50 %! Darüber hinaus sind 45 % als Militärgebiet und Naturschutzgebiet vorgesehen. Die palästinensische Bevölkerung wurde ganz einfach ausgeschlossen. Das Furchtbare für diese Menschen ist – insbesondere für die Palästinenser im Jordantal –, dass sie einfach in Vergessenheit geraten, weil sie keinen gewaltsamem Widerstand geleistet haben. Wenn es keine Militäraktionen und dramatischen Ereignisse gibt, werden sie einfach vergessen.
Es ist natürlich eine schreckliche Lehrstunde, insbesondere für die armen Palästinenser – dass sie auf sich aufmerksam machen müssen, und das sogar laut. Dieses Problem muss gelöst werden. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass das Leiden der Palästinenser in diesem Gebiet sogar noch schlimmer ist als im restlichen Westjordanland – sofern das überhaupt möglich ist – und sie in der derzeitigen Situation gar nicht die Möglichkeit haben, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Es bedarf also einer integrierten Lösung und wir müssen daher auch die politische Lage berücksichtigen. Es geht nicht allein um Israel, nicht allein um Syrien und nicht allein um Jordanien – nein! Die Palästinenser können jedoch nicht miteinbezogen werden, solange sie nicht die Möglichkeit dazu haben.
Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident! Wasser ist in der Tat ein sensibles und prekäres Thema im Nahen Osten. Hochrangige Delegationen aus Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde diskutieren derzeit das Wasserrecht als Teil eines umfassenden Rahmens für den Frieden.
Als Mitglied des Quartetts unterstützt die EU eine Zwei-Staaten-Lösung als Schlüssel für Frieden und Stabilität in der Region. Aus diesem Grund müssen wir sehr auf der Hut sein, die derzeit in Washington laufenden schwierigen Verhandlungen nicht zu gefährden. Eine Schuldzuweisung an die israelischen Siedler, insbesondere im Hinblick auf die übermäßige Wassernutzung, wie das Frau De Keyser zu versuchen scheint, sendet an die Menschen in Israel – unserem demokratischen Verbündeten – genau das falsche Signal über die erklärte Haltung der EU als ehrliche Vermittlerin.
Die Erhaltung der Wasserscheide des Jordan ist ein wichtiger regionaler Aspekt, der natürlich nicht allein die Israelis und Palästinenser betrifft, und dennoch versuchen Israel-Gegner in diesem Haus und anderswo auf unverfrorene Weise, dieses Thema für die Unterminierung des jüdischen Staates auszuschlachten.
Wenn wir uns erneut dieser anti-israelischen Haltung beugen, laufen wir Gefahr, dass Israel die EU ihrer privilegierten Rolle als Partner für den Friedensprozess als unwürdig erachtet.
Willy Meyer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Es ist kein Problem, wenn Frau De Keyser eine bestimmte Einschätzung vornimmt, überhaupt nicht. Tatsache ist jedoch, dass in dem 1994 zwischen Israel und dem Königreich Jordanien unterzeichneten Friedensvertrag beide Parteien übereinkamen, entlang der gemeinsamen Grenzen bei der ökologischen Sanierung des Jordan zusammenzuarbeiten und seine Wasserressourcen zu schützen.
Dieses sowie auch andere Abkommen, die Israel 1994 unterzeichnet hat, werden von dem Staat nicht eingehalten. Und das ist das Problem mit Israel: es hält sich nicht an die Abkommen, die es unterzeichnet.
Aus diesem Grund ist es von größter Bedeutung, dass der 2008 von Präsident Jacques Chirac geforderten Initiative für das Jordanbecken von der Europäischen Union Substanz verliehen und sie unterstützt wird.
Unserer Ansicht nach ist es sehr wichtig, eine Kommission für das Jordanbecken einzusetzen, die als trilaterales Forum für die Zusammenarbeit bei der Sanierung des Flusses dient und Strategien zur Wassererhaltung und -sanierung erarbeitet und anwendet. Es stimmt, dass die Palästinenser infolge der Nichteinhaltung des Friedensvertrags von 1994 aus der im Westjordanland entlang dem Unterlauf des Jordan errichteten israelischen Sicherheitszone ausgeschlossen wurden und die Siedler illegal Land besetzen, das ihnen nicht gehört. Da die Besetzung mit einer irregulären und illegalen Wassernutzung einhergeht, kommt zu dem politischen Problem noch das Problem der Umweltverträglichkeit hinzu.
Da 2011 neue Kläranlagen in Betrieb genommen werden sollen, hoffe ich, dass die Europäische Union die notwendige Einsetzung der Kommission für das Jordanbecken unterstützt, fördert und vorantreibt.
Cristian Dan Preda (PPE). – (RO) Die heutige Aussprache über den Zustand des Jordan ist für meine Fraktion äußerst wichtig und es sei mir gestattet, in diesem Zusammenhang insbesondere das Engagement unserer Kollegin und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Kratsa-Tsagaropoulou, zu begrüßen.
Ich möchte auch betonen, dass Umweltschutzorganisationen, wie Sie sehr wohl wissen, schon seit langem vor dem kritischen ökologischen Zustand des Jordan warnen. Dieser Fluss scheint an einer allgemeinen Gleichgültigkeit zu sterben.
Wiederum habe ich in der Presse gelesen, dass Christen, insbesondere orthodoxe, trotz der äußerst kritischen Bedingungen weiterhin im Jordan getauft werden.
Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Fluss 2011 austrocknet, was mit dramatischen Folgen für das ohnehin bereits empfindliche Ökosystem der Region verbunden wäre, insbesondere für das Tote Meer. Das heißt, dass hunderttausende Palästinenser, Jordanier und Israelis von einer ökologischen Katastrophe betroffen sein werden.
Wie andere Kolleginnen und Kollegen hier im Plenarsaal bereits hervorgehoben haben, ist die Situation des Jordan, neben dem ökologischen Aspekt, der natürlich dringend mithilfe der EU angegangen werden muss, jedoch auch von besonderer Bedeutung als Faktor für die Förderung der regionalen Zusammenarbeit.
Ich glaube, wir müssen eine Situation vermeiden, in der die Wasserressourcen nur von einem Land genutzt werden und die gesicherte Wasserversorgung der gesamten Region völlig missachtet wird.
Die Zusammenarbeit zwischen den Flussanrainerstaaten und Gemeinden vor Ort ist deshalb für die Sanierung dieser für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigen Quelle von größter Bedeutung. Auf diese Weise kann der Jordan auch in kultureller Hinsicht wieder zu einem Symbol der Zusammenarbeit und des Miteinanders werden, sofern dafür der entsprechende politische Wille vorhanden ist.
Schließlich ist die Situation des Jordan auch wichtig für die Wiederaufnahme direkter palästinensisch-arabischer Verhandlungen, da die Kontrolle der Wasserressourcen zu den bislang ungelösten Problemen gehört.
Proinsias De Rossa (S&D). – Herr Präsident! Darf ich Herrn Tannock darauf hinweisen, dass es in keiner Weise hilfreich ist, die Tatsache zu ignorieren, dass die Siedler gezielt Grundstücke mit einer guten Wasserversorgung auswählen, und die Palästinenser damit wiederum ihres Wasserzugangs beraubt werden. Sie stellen nicht das einzige Problem in Bezug auf das Wasser in der Region dar, aber sie spielen dabei mit Sicherheit eine Rolle.
Leider werden dem Jordan geschätzte 98 % seiner Wasserressourcen entzogen, da sie von anderen Staaten, einschließlich Israel, umgeleitet werden. Es ist ein grenzüberschreitender Fluss, mit etwa vier Anrainerstaaten, einschließlich des palästinensischen Westjordanlandes. Sofern richtig damit umgegangen und Europa seinen Aufgaben in diesem Gebiet angemessen gerecht wird, kann der Fluss eine Quelle der Aussöhnung sein durch die Förderung einer gemeinsamen Bewirtschaftung dieses für die Region so wichtigen kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Guts.
Mit Ihrem Standpunkt, Herr Tannock, dass jede kleine Kritik an Israel in gewisser Weise einen Angriff auf den Staat darstellt, ignoriert man schlicht und einfach die Realität. Auch andere haben dort Wasser umgeleitet. Die „Freunde der Erde Mittlerer Osten“ haben beispielsweise in einem kürzlich von meiner Fraktion der Sozialdemokraten organisierten Seminar darauf hingewiesen, dass der Jordan im Durchschnitt einst 1,3 Milliarden Kubikmeter Süßwasser ins Tote Meer abführte. Nunmehr sind es nur noch 20–30 Millionen pro Jahr. Wenn wir nichts unternehmen, könnte der Fluss bis Ende nächsten Jahres tot sein.
Alexandra Thein (ALDE). - Herr Präsident! Ich möchte zunächst den zahlreichen Vorwürfen von außerhalb des Parlaments, aber auch teilweise von innerhalb des Parlaments, widersprechen, dass wir dieses Thema zum falschen Zeitpunkt, nämlich nach Beginn der Friedensverhandlungen behandeln. Die parlamentarische Anfrage, die ich auch mitverfasst habe, wurde zu einem Zeitpunkt eingebracht, als uns allen noch nicht klar war, dass wieder direkte Friedensgespräche beginnen würden. Mit dieser Thematik befasse ich mich bereits seit Beginn der 90er Jahre, und sie wird auch in diesem Parlament eigentlich schon seit langem diskutiert.
Es geht hier im Endeffekt darum, den Unterlauf des Jordans vor seinem endgültigen Tod zu bewahren. Der Fluss ist in seinem Unterlauf bereits jetzt nur noch ein Rinnsal. Er besteht dort nur noch aus Abwässern und hat dort überhaupt kein frisches Wasser mehr. Sämtliche Wissenschaftler sind sich eigentlich einig, dass der Jordan in ein oder zwei Jahren in seinem Unterlauf praktisch tot sein wird.
Was mich an der Entschließung etwas stört ist, dass Israel, Jordanien, Syrien und die Palästinensische Autonomiebehörde gleichberechtigt angesprochen werden. Der Unterlauf des Jordans befindet sich ausschließlich in der Zone C, das heißt, die Palästinensische Autonomiebehörde hat dort praktisch noch nicht einmal ein Zugangsrecht, geschweige denn irgendwelche Verwaltungsrechte oder überhaupt irgendeinen Einfluss. Es wurde hier schon gesagt, dass die Palästinensische Autonomiebehörde hier vor Ort überhaupt nichts machen kann. Insofern sind die Adressaten dieser Entschließung andere.
Es ist ein politisches Thema, wenn ein Land – und das ist nun mal Israel – 75 % des im Unterlauf des Jordans noch vorhandenen Wassers – wobei ein Teil des Wassers vorher schon von anderen Ländern weggenommen wurde – verbraucht und den Palästinensern praktisch überhaupt kein Wasser mehr zum Leben übrig bleibt. Dies ist im Oslo-Vertrag eigentlich schon geregelt worden. Wir sind seitdem nicht weitergekommen.
Wir haben im Moment konkret das Problem, dass die Palästinenser immer wieder versuchen, Brunnen zu bohren, die aber sofort wieder vernichtet werden, dass andererseits die israelische Wasserbehörde, eine Monopolbehörde, keine Brunnen für Palästinenser bohrt, sondern nur für die illegal errichteten Siedlungen.
Nicole Kiil-Nielsen (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zunächst einmal die Koalition von Umweltschützern zu würdigen, die wir vor einigen Monaten in Brüssel begrüßen durften, ein Zusammenschluss von Israelis, Jordaniern und Palästinensern. Sie haben einige ausgezeichnete Berichte über die Situation in der Region, den Zustand des Jordan und die Gefahr seiner Austrocknung erarbeitet.
Die Europäische Union, die erhebliche Finanzmittel für Entwicklungsprojekte im Nahen Osten bereitstellt, muss sich verstärkt für die Aufstellung und Umsetzung eines Rettungsplans einsetzen, der alle Parteien in der Region mit einschließt. Die Flussanrainerstaaten wie Syrien, Jordanien und Israel leiten die größten Wassermengen ab, wohingegen die Palästinenser – wie hier bereits gesagt worden ist – nur etwa 5 % der Ressourcen erhalten.
Die israelischen Siedler im Jordantal verbrauchen im Vergleich zu den Palästinensern sechsmal so viel Wasser, was insbesondere auf den umweltschädigenden intensiven Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse zurückzuführen ist, die für den Export nach Europa bestimmt sind. Die Ausweitung der Siedlungen mit ihrer üppigen Vegetation muss gestoppt werden, ebenso wie die Zerstörung der Beduinenlanger und ihrer Wasserzisternen, zu der es in diesem Sommer, vor einigen Wochen, erneut kam. Das ist Wahnsinn!
Wir müssen der Erhaltung und gerechten Verteilung der Wasserressourcen in der Region Priorität einräumen.
Mário David (PPE). – (PT) Die Umweltkatastrophe, um die es heute hier geht, betrifft uns als Europäer alle, auch wenn sie außerhalb des Gebietes der Europäischen Union geschieht.
Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung, an den wir glauben, kennt keine Verwaltungsgrenzen oder religiösen Überzeugungen. Er sieht den Planeten in seiner Gesamtheit und nicht als Summe seiner Teile. Daher ist der Jordan ein Problem der gesamten Menschheit, und nicht nur der Menschen und Gemeinden, die unmittelbar von Wasserknappheit oder schlechter Wasserqualität betroffen sind. Der gesunde Menschenverstand sagt uns: „Global denken, lokal handeln“. Und genau deshalb sind wir heute hier: um global zu denken.
Als Europäische Union müssen wir dazu beitragen, vor Ort zu handeln, um die anhaltende Schädigung des Flusslaufs und Verschlechterung der Wasserqualität des Jordan zu minimieren und umzukehren. Die EU verfügt bereits über einen gesetzlichen und institutionellen Rahmen sowie über Instrumente, um zu handeln bzw. um dabei zu helfen. Ich spreche hier von der Union für den Mittelmeerraum, seinem Sekretariat und der Investitions- und Partnerschaftsfazilität Europa-Mittelmeer (FEMIP), die von der Europäischen Investitionsbank verwaltet wird. Das ist natürlich ein Thema, das die Delegation des Europäischen Parlaments, der ich vorsitze, in ihren Beziehungen mit den Ländern des Nahen Osten aufmerksam verfolgen wird.
Es ist klar, dass jede Maßnahme zur Lösung dieser Umweltkatastrophe zuallererst von den Staaten und Behörden vor Ort ausgehen sollte, deren Bevölkerung unmittelbar davon profitieren wird. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Gedanken hervorheben, die in die Entschließung aufgenommen worden sind: erstens die Einsetzung einer Kommission für die Verwaltung des gesamten Jordanbeckens, die aus Vertretern der Staaten oder Behörden besteht, die die Wasserressourcen nutzen. Hier kann Europa helfen, indem es beispielsweise seine Erfahrungen im Zusammenhang mit der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins teilt. Zweitens können bewährte Verfahren im Rahmen gemeinsamer EU-Projekte mit den Jordaniern, Israelis und Palästinensern unterstützt und verbreitet werden, insbesondere jene, die von den „Freunden der Erde Mittlerer Osten“, die Herr De Rossa heute bereits angesprochen hat, gefördert werden, um zu einer effizienten und angemessenen Bewirtschaftung der Wasserressourcen im Jordanbecken beizutragen.
Herr Präsident, ich möchte abschließend und in einem sogar noch größeren Kontext hervorheben, dass dieser Plan ein Beispiel für Zusammenarbeit und ein friedliches Miteinander ist. In einer Zeit, in der wir die Wiederaufnahme neuer unmittelbarer Gespräche zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde befürworten und fördern – obgleich wir die Einbindung der EU in diesen Prozess vermissen – begrüßen wir die direkte Beteiligung beider Parteien.
Olga Sehnalová (S&D). – (CS) Die Austrocknung des Jordan ist zweifelsohne ein schwerwiegendes regionales Umweltproblem, das Auswirkungen auf das Ökosystem der gesamten Region und das Leben und die Gesundheit der dortigen Bevölkerung hat. Die lang anhaltende übermäßige Wasserentnahme sowie Verschmutzung und Dürre sind ebenso Hauptgründe für die gegenwärtige Situation wie auch das Unvermögen, eine effektive Wasserbewirtschaftung sicherzustellen.
Wie einige Abgeordnete bereits gesagt haben, werden mehr als 90 % der Wasserressourcen des Flusses für die Trinkwasserversorgung und insbesondere für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft und Industrie abgeleitet. Der jährliche Durchfluss ist von früheren 1,3 Milliarden Kubikmetern auf etwa 100 Millionen Kubikmeter zurückgegangen. Natürlich erschwert der politische Konflikt die Lösung dieses Umweltproblems.
Dennoch muss Wasser keine Ursache für Konflikte sein. Es kann auch ein Beispiel für eine gute, konkrete Zusammenarbeit in der Region sein und von entscheidender Bedeutung bei der Schaffung gegenseitigen Vertrauens. Frieden, der auf tagtäglicher Zusammenarbeit und gemeinsamen Werten beruht, hat eine größere Chance als alle möglichen Lösungen von einem Runden Tisch aus.
Malika Benarab-Attou (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die fortschreitende Austrocknung des Jordan ist eine direkte Folge der Tragödie, die die Palästinenser erleben. Wasser ist ein höchst politisches Thema. Das dürfen wir nicht vergessen.
Erinnern wir uns an einige Fakten: die Weltbank weist uns darauf hin, dass die anderthalb Millionen Bewohner des Gazastreifens seit zwei Jahren kein Chlor mehr haben, welches für die Desinfektion des Wassers von grundlegender Bedeutung ist; 50 % der Haushalte hatten bereits vor der Bombardierung im Januar 2009 keinen Wasserzugang, stellen Sie sich also vor, wie es jetzt ist. Laut „Ärzten ohne Grenzen“ sind nach den Angriffen der israelischen Armee auf die Infrastruktur nunmehr 90 % des Wassers, das der Bevölkerung zugeführt wird, nicht für den menschlichen Verbrauch geeignet. Infolge der Zerstörung der Infrastruktur in Gaza gelangen jeden Tag 80 Millionen Liter ungereinigten Abwassers in unser Mittelmeer.
Es stimmt, dass Frau Ashton schon mehrmals in Gaza war, wo aber bleibt der politische Mut, an Israel die gleichen Maßstäbe anzulegen wie an Europa? Darf sauberes Wasser, ebenso wie das Land, ausschließlich von den israelischen Siedlern beansprucht werden? Die Europäische Union muss folglich das Assoziierungsabkommen mit der derzeitigen israelischen Regierung aussetzen, die taub gegenüber all unseren Forderungen bleibt, während die Besetzung und der Bau illegaler Siedlungen weitergeht. Ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Wie wir in der heutigen Aussprache bereits mehrfach gehört haben und sicherlich auch noch hören werden, ist der Jordan von unschätzbarer kultureller, ökologischer und wirtschaftlicher aber natürlich auch von politischer und strategischer Bedeutung. Die Ausbeutung und der Missbrauch des Flusses sind daher inakzeptabel. Seit 1964 wird sein Wasserlauf nach Israel und auch in andere Länder umgeleitet: Jordanien, Libanon, Syrien und andere Länder, die hier bereits erwähnt worden sind. Viele dieser Länder zerstören und verschmutzen den Fluss. Umweltschützern zufolge wurde durch den Missbrauch des Jordan beinah sein gesamtes Ökosystem zerstört. Die Erholung von seinem jetzigen Zustand würde Jahrzehnte dauern.
Nach Schätzungen zählt der Jordan aus ökologischer Sicht zu den einhundert meistgefährdeten Plätzen der Welt. Natürlich ist dieser Umstand auch darauf zurückzuführen, dass Israel und die arabischen Nachbarstaaten nicht in der Lage sind, sich auf die Erhaltung und den Schutz des Flusses zu einigen. Aus diesem Grund bin ich der festen Überzeugung, dass sich die Europäische Union in diesem Prozess sehr aktiv engagieren sollte und muss, indem sie beispielsweise die finanzielle Unterstützung für Entwicklungsprojekte in Regionen des Nahen Ostens an die Sanierung des Unterlaufs des Flusses knüpft.
Richard Howitt (S&D). – Herr Präsident! Der Wettstreit um Wasser kann Konflikte verschärfen oder gar entzünden, seien es die schmelzenden Gletscher von Jammu und Kaschmir, die Spannungen zwischen den zentralasiatischen Ländern angesichts des erschöpften Aralsees, die rivalisierenden Stämme in Sudan und Somalia, die um dieselben Wasserressourcen konkurrieren, oder eben diese Aussprache über das untere Jordantal.
Die Sanierung des Jordan und die dafür notwendige Zusammenarbeit könnten aber auch die Aussicht auf Frieden erhöhen. Dieser Fluss wurde in den heiligen Büchern des Judentums, des Christentums und des Islam für alle Zeiten verewigt, mit Bezügen zu den Propheten Moses und Elias und als Begräbnisstätte für vier Gefährten des Propheten Mohammed. Die Israeliten haben den Fluss unter Josua durchquert und hier geschah es, dass Jesus auf wundersame Weise über das Wasser ging.
Wir brauchen kein weiteres Wunder, um den Fluss heute zum Wohle der Völker der Region und der künftigen Generationen zu schützen, damit sie in Frieden und Wohlstand leben können.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Ich glaube, dass eine parteiische Entschließung oder ein einseitiger Ansatz in Bezug auf den Jordan im Kontext der wiederaufgenommenen Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht dienlich sind.
Wasserressourcen sind ein sensibles Thema im Nahen Osten und sollten zum Ende der Verhandlungen erörtert werden, um den Friedensprozess jetzt nicht zu gefährden. Die EU darf daraus kein unnötiges Politikum machen, sondern muss die Unterzeichnung eines regionalen Abkommens zur Sanierung des Jordan fördern.
Da der Jordan meines Erachtens ein regionales Problem darstellt, begrüße ich die anhaltende Zusammenarbeit zwischen den israelischen und palästinensischen Behörden bei der Wasserbewirtschaftung. Durch den gemeinsamen Beitrag beider Staaten sind kürzlich 61 der zu diesem Zweck vorgeschlagenen 96 Projekte genehmigt worden. Dennoch ist das Problem der unzureichenden Wasserressourcen noch nicht gelöst.
Ioan Enciu (S&D). – (RO) Die Sanierung des Jordan ist ein vielschichtiges Thema, da der Fluss von universeller historischer und religiöser Bedeutung ist. Die Probleme, mit denen er konfrontiert ist, umfassen ökologische und humanitäre Aspekte sowie auch Fragen der internationalen Sicherheit, die miteinander verflochten sind.
Ich glaube, dass es in der jetzigen Debatte darum gehen sollte, wie der Fluss physisch gerettet werden kann, und nicht um Kritik an der einen oder anderen beteiligten Partei. Sofern das Rettungsprojekt gelingt, wird sich das auch auf alle anderen Aspekte auswirken. In diesem Zusammenhang glaube ich, dass Absatz E des Entschließungsantrags nicht in direkter Verbindung mit dem Thema steht, was zu ungewollter Verwirrung führen könnte.
Die Europäische Union kann und muss entscheidend dazu beitragen, die negativen Folgen vorauszusagen, die die völlige Schädigung und letztendlich das Verschwinden des berühmten Flusses mit sich bringen könnten. Die Europäische Union muss in den Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien eine weitaus aktivere Rolle einnehmen und dabei helfen, ein gewisses Gleichgewicht herzustellen.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Wir wissen, dass dem Jordan durch die Grenzlage in der Politik des Nahen Ostens eine bedeutende Rolle zukommt. Während im Verhältnis zwischen Israel und Jordanien der Fluss dank der vertraglichen Zusicherung, dass Jordanien größere Wassermengen entnehmen darf, zum Frieden beigetragen hat, ist das bei Syrien wahrscheinlich umgekehrt. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Befürchtung, Israel könne durch Syrien das Wasser abgegraben werden, der eigentliche Grund dafür ist, dass Israel sich weigert, die Golan-Höhen zurückzugeben.
Wenn der Fluss Jordan tatsächlich durch ständige Wasserentnahme in seinem Verlauf zum Rinnsal an Abwässern verkommt – möglicherweise ist das auch der Preis, den man für eine begrünte Wüste in Kauf nimmt, wird sich die Situation im Nahen Osten zweifellos in absehbarer Zeit verschlechtern, zumal es Hamas-Führer gibt, die von der Befreiung des gesamten Gebiets zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan als moralische, religiöse Pflicht sprechen.
Die Wasserknappheit des Jordans zieht aber noch weitere Kreise, denn mit der Austrocknung des Jordans sinkt auch die Wasserzufuhr ins Tote Meer. Das Konfliktpotenzial, das Konfliktareal wird sich also vergrößern. Das sollten wir in unserer Nahost-Strategie auch bedenken.
Véronique De Keyser (S&D). – (FR) Herr Präsident! Vielen Dank, dass ich noch einen Punkt aufklären kann, den ich vorher offensichtlich nicht überzeugend darstellen konnte.
Was die Frage der Nutzung und Ausbeutung der Wasserressourcen durch die Siedlungen anbelangt, darf ich meine Kolleginnen und Kollegen auf den Sonderbericht der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer zur Lage im Jordantal verweisen, in dem immer wieder aus dem Bericht der Weltbank mit dem Titel „Assessment of Restrictions on Palestinian Water Sector Development“ und dem Bericht von Amnesty International „Troubled Water – Palestinians Denied Fair Access to Water“ usw. zitiert wird. Diese Berichte spiegeln die exakten Zahlen für die Nutzung, die vonseiten der Israelis vier- bis fünfmal so hoch ist, wider. Ich habe Zahlen von eins bis sechs. Das sind also die Fakten; ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe mir das nicht ausgedacht.
Mariya Nedelcheva (PPE). – (BG) Die Europäische Union ist ein verantwortungsvoller Partner und trägt im Rahmen ihrer Außenpolitik Mitverantwortung für die Dinge, die in unserer Welt geschehen. Als Geldgeber für Entwicklungsprojekte im Nahen Osten, der aktiv am dortigen Friedensprozess beteiligt ist, müssen die Europäische Union und insbesondere das Europäische Parlament ihre Strategie und ihren möglichen Beitrag zur Sanierung des Jordan festlegen, sodass er als wichtige Quelle des Lebens in der Region erhalten bleibt.
Erst vor einigen Monaten hat die Nichtregierungsorganisation „Freunde der Erde Mittlerer Osten“ davor gewarnt, dass der Fluss Jordan innerhalb eines Jahres austrocknen könnte, sofern die Länder in der Region keine Maßnahmen ergreifen. Das Absinken des Wasserspiegels des Flusses hat auch Konsequenzen für das gesamte Klima und die Landschaft der Region. Die Situation ist eine ernsthafte Bedrohung für die Lebensgrundlage der Menschen in der Region, in der die Bewässerung schwierig ist. Neben dem rein pragmatischen Aspekt dieser Probleme dürfen wir nicht vergessen, dass der Fluss Jordan auch ein mächtiges spirituelles Symbol ist.
Eine der grundlegenden Eigenschaften der Europäischen Union ist die Balance zwischen Werten und Pragmatismus. Lassen Sie uns in diesem Sinne auch weiterhin verantwortungsvolle Politiker sein und durch unsere Sorge um den Jordan einmal mehr unseren einzigartigen europäischen Ansatz zeigen.
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Grenzüberschreitende Herausforderungen verlangen gemeinsame Bemühungen. Das Europäische Parlament hat zu Recht darauf hingewiesen, dass hier ein auf Zusammenarbeit ausgerichteter Ansatz notwendig ist. Die Europäische Union fördert den Geist der Zusammenarbeit, der für die Bewältigung des ernsten Wasserproblems im Nahen Osten wichtig ist, und setzt sich für eine Behebung der ursächlichen und nicht nur der nachgelagerten Probleme ein.
Lassen Sie mich abschließend nochmals bekräftigen, dass die Europäische Union auch weiterhin die Bemühungen unterstützen wird, das Wasserdefizit in der Region zu verringern und die Versorgung mit sauberen Wasserressourcen sicherzustellen, die Umwelt zu erhalten und das Trinkwasser für die Menschen in der Region zu schützen. Die Europäische Union wird auch in Zukunft Maßnahmen unterstützen, die der weiteren Sanierung des Flusses und der möglichen Festlegung einer gemeinsamen und integrierten Bewirtschaftung des Flussbeckens dienen, sofern dies dem Wunsch der Länder in der Region entspricht.
Die Europäische Union wird sich weiterhin für den Dialog zwischen den verschiedenen Nachbarn in der Region einsetzen und eine entsprechende grenzübergreifende Zusammenarbeit in Wasserfragen fördern, um auf diese Weise zur Vertrauensbildung beizutragen. Ernsthafte Bemühungen und politisches Engagement vonseiten der Nachbarn selbst sind notwendig, um ein Gleichgewicht zwischen den verfügbaren Wasserressourcen und der Nachfrage herzustellen. Das betrifft nicht nur die Regierungen, sondern auch die Zivilgesellschaft. Wie in Europa müssen einzelne Menschen, Unternehmen und Gemeinden zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen beitragen. Das ist eine Herausforderung für uns alle.
Der Präsident. – Ich habe 5 Entschließungsanträge(1) gemäß Artikel 115 Absatz 5 erhalten.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Stimmabgabe findet am 9. September 2010 statt.
(Die Sitzung wird von 17.55 Uhr bis zur Fragestunde um 18.00 Uhr unterbrochen)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B7-0454/2010).
Es werden die folgenden Fragen an den Rat gerichtet.
Anfrage Nr. 1 von Frau Vilija Blinkeviciute (H-0355/10)
Betrifft: Menschen mit Behinderungen und Europa-2020-Strategie
Die vom Europäischen Rat für die kommenden zehn Jahre verabschiedete Strategie der Europäischen Union für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum soll Europa dabei helfen, sich von der Krise zu erholen, und – durch die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und sozialem Zusammenhalt – die Rolle Europas auf EU- und auf internationaler Ebene stärken. Leider wurden im Rahmen dieser neuen Strategie jedoch die Menschen mit Behinderungen, die derzeit über 12 % der EU-Bürger ausmachen, vergessen. Zwar fordert der Rat bei der Behandlung von Behindertenfragen ständig, der Integration von Menschen mit Behinderungen größere Aufmerksamkeit zu schenken, doch werden in der Europa-2020-Strategie keine konkreten Aufgaben, Ziele und Verpflichtungen dargelegt, auf deren Grundlage sich das Leben der über 65 Millionen europäischen Behinderten effektiv verbessern ließe. Nahezu 78 % der Menschen mit Behinderungen sind nicht in den Arbeitsmarkt integriert und haben keinen Zugang zur Beschäftigung. Die meisten von ihnen sind auf Sozialleistungen angewiesen, die in Zeiten der Krise leider auch gesenkt werden.
Wie gedenkt der Rat die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen und ihre gleichberechtigte Teilnahme am Arbeitsmarkt sicherzustellen? Ist der Rat nicht der Ansicht, dass für die kommenden zehn Jahre konkrete Leitlinien für eine Behindertenpolitik oder eine spezielle Strategie mit konkret dargelegten Zielen und Verpflichtungen verabschiedet werden müssen?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Der Rat ist entschlossen, sich für die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen für alle Bürgerinnen und Bürger, einschließlich der Menschen mit Behinderungen, einzusetzen sowie für deren verstärkte Beteiligung am Arbeitsmarkt.
Einige der Hauptziele der Strategie Europa 2020, die vom Europäischen Rat am 17. Juni 2010 angenommen wurde, zielen konkret auf Menschen mit Behinderten ab: Verbesserung der beruflichen und bildungstechnischen Chancen und Förderung der sozialen Eingliederung, nicht zuletzt durch die Armutsbekämpfung.
Auch die Strategie Europa 2020 richtet sich im Rahmen der Leitinitiative „Europäische Plattform gegen Armut“ ganz besonders an Menschen mit Behinderungen. Die Initiative wird sich sowohl auf EU-Ebene – in Form von Vorschlägen und Programmen der Kommission zur Bekämpfung der Diskriminierung, einschließlich der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen – als auch auf nationaler Ebene auswirken. Die Mitgliedstaaten müssen für spezifische Risikogruppen, zu denen beispielsweise Behinderte gehören, gezielte Maßnahmen festlegen und durchführen.
Diese Prioritäten müssen jetzt von den Mitgliedstaaten im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2010 auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Alle gemeinschaftlichen Politiken sind gleichfalls gefordert, die Strategie zu unterstützen. Dieser einheitliche Ansatz soll die soziale Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen verringern; ein Ziel, das auch in der Entschließung zu einem neuen Europäischen Rahmen für Menschen mit Behinderungen zu finden ist, das im Juni vom Rat verabschiedet wurde. Durch die Entschließung sind alle Mitgliedstaaten und die Kommission aufgefordert, die Behinderungsproblematik als wesentlichen Bestandteil der Leitinitiativen gemäß der Strategie Europa 2020 vorzusehen und das Humankapital von Menschen mit Behinderungen auszuschöpfen, nicht zuletzt durch die Einleitung geeigneter Weiterbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen.
Mit dieser Entschließung hat der Rat die Kommission auch dazu aufgerufen, gemeinsam mit Behinderten und ihren repräsentativen Organisationen für das kommende Jahrzehnt eine neue Europäische Strategie zum Thema Behinderung auf der Grundlage der Strategie Europa 2020 und anderen wesentlichen Dokumenten auszuarbeiten.
Vilija Blinkevičiūtė (S&D). – (LT) Herr Minister, vielen Dank für Ihre Antwort. Ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass die Stimme der 65 Millionen Behinderten, die es in der Europäischen Union gibt, immer noch nicht genug gehört wird. Deshalb möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Sollten wir die Verabschiedung der Richtlinie über die Bekämpfung von Diskriminierungen nicht in allen EU-Mitgliedstaaten beschleunigen, um Behinderten ein Leben als vollwertige Bürgerinnen und Bürger zu sichern? Daraus ergibt sich diese Frage: Wie ist der Status der Richtlinie über die Bekämpfung von Diskriminierungen?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Die Arbeitsgruppe des Rates über soziale Themen prüft derzeit den Vorschlag der Kommission für eine neue Richtlinie über die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Personen, ungeachtet deren Religion, Glauben, Behinderungen, Alter oder sexueller Ausrichtung.
Die Richtlinie muss einstimmig von den Mitgliedstaaten verabschiedet werden. Einige Ratsvorsitze haben viel Arbeit in diesen Vorschlag investiert, und gegenwärtig kann der Ratsvorsitz weder absehen, wie lange die Diskussionen andauern werden, noch wie das Ergebnis aussehen wird.
Janusz Władysław Zemke (S&D). – (PL) Ich möchte Ihnen für die Informationen danken, allerdings waren sie leider sehr allgemein gehalten. Sie haben berechtigte Belange angesprochen, ich möchte Ihnen aber dennoch eine konkrete Frage stellen: Sind für die Weiterbildung von Behinderten zusätzliche Mittel geplant, und wenn ja, in welcher Höhe? Ohne zusätzliche Mittel, ohne finanzielle Unterstützung nach europäischem Maßstab wird es sehr schwer sein, diesen Menschen zu helfen.
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Ich würde Sie gerne fragen, welcher Zeitplan und welche Maßnahmen vom Rat zur Verordnung über Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr vorgesehen sind. Mir geht es hier vor allem um Menschen mit Behinderungen und eingeschränkter Mobilität.
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Was die Finanzierung betrifft, wird es eine Aussprache über den Gesamthaushalt geben, um die Frage zu klären, wie künftige Haushalte diverse Leitinitiativen und gesetzgeberische Maßnahmen, die als Teil der Europa-2020-Strategie verabschiedet werden, umfassen können. Da die Strategie zahlreiche neue Politiken zugunsten von Menschen mit Behinderungen enthält, werden wir uns überlegen müssen, wie Haushaltsressourcen eingesetzt werden können, um diese neuen Politiken abzubilden.
Im Falle der gesetzgeberischen Maßnahmen müssen wir den Aspekt berücksichtigen, was die Kommission hinsichtlich der bestehenden Gesetzgebung beisteuern kann. In erster Linie versucht der Rat, Menschen mit Behinderungen gemäß seinen in den Verträgen festgelegten Befugnissen aktiv Schutz zu bieten. Vor zehn Jahren beispielsweise hat der Rat eine Richtlinie angenommen, die Diskriminierung aus unterschiedlichen Gründen, darunter auch Behinderungen, in Arbeits- und Beschäftigungsfragen verbietet. Der Rat beabsichtigt natürlich, weiterhin an dieser Thematik arbeiten.
Die Präsidentin. – Frage Nr. 2 von Frau Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (H-0358/10)
Betrifft: Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und private Schulden
Die Bemühungen um wirtschaftliche Reformen in Europa zielen auf die Verbesserung der öffentlichen Finanzen und die Haushaltskonsolidierung in den Mitgliedstaaten ab. Parallel dazu werden Schritte zur Sanierung des Finanzsektors im Allgemeinen unternommen, und insbesondere des Bankensektors, der direkt mit der Realwirtschaft verbunden ist. Diese Bemühungen sind jedoch nur auf die öffentliche Verschuldung ausgerichtet und nicht auf die Privatschulden, die die zweite Komponente der Gesamtverschuldung eines Landes bilden. Welche Auswirkungen hat die Privatverschuldung auf die soziale Situation im jeweiligen Land und in welchem Verhältnis steht sie zur öffentlichen Verschuldung? Welche Maßnahmen beabsichtigt der Rat zu treffen, falls die private Verschuldung a) höher ist als die öffentliche und b) weiter ansteigt? Wie wird er gegen einen solchen Trend gegensteuern, zumal der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht vorsieht, wie die private Verschuldung angegangen werden soll?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Die in den Artikeln 121 und 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) derzeit festgelegten Verfahren zur makroökonomischen und haushaltspolitischen Überwachung bilden den Eckpfeiler der Koordinierung in der Wirtschaftspolitik.
Der Europäische Rat hat im März 2010 eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des amtierenden Präsidenten des Rates ins Leben gerufen, die aus allen Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank besteht. Die Arbeitsgruppe wurde mit der Analyse von Maßnahmen beauftragt, die für die Schaffung eines verbesserten Rahmens zur Krisenbewältigung und einer besseren Haushaltsdisziplin erforderlich sind, indem alle Optionen zur Stärkung des Rechtsrahmens untersucht werden.
Die Arbeitsgruppe legte dem Europäischen Rat im Juni einen Fortschrittsbericht vor. Der Bericht hob die nötige verstärkte haushaltspolitische Überwachung hervor, insbesondere mit Gewichtung auf Schuldenstand und -entwicklung, jedoch auch unter Berücksichtigung der generellen Tragbarkeit dieser Schulden angesichts des Stabilitäts- und Wachstumspakts.
Die Arbeitsgruppe sprach sich auch für die Verabschiedung effektiverer Verfahren zur makroökonomischen Überwachung ein, um makroökonomische Ungleichheiten frühzeitig zu ermitteln und nachfolgend Empfehlungen auszusprechen, die eine Verschlechterung der Situation sowie negative Konsequenzen verhindern sollen.
Wir werden letztendlich spezifische Indikatoren definieren müssen, wenngleich die Privatverschuldung zweifellos ein wichtiges Thema sein wird. Die Eckpunkte der Arbeitsgruppe wurden bei der Ratssitzung am 8. Juni 2010 und bei der Tagung des Europäischen Rates am 17. Juni 2010 angenommen. Die Arbeitsgruppe wird ihren Abschlussbericht sowie ihre Ergebnisse bei der Sitzung des Europäischen Rates im Oktober vorlegen. Wir werden dann in der Lage sein, im Bedarfsfall das Verfahren zur Annahme neuer EU-Rechtstexte oder zur Änderung geltender Vorschriften aufzunehmen. Der Ratsvorsitz wird solche Initiativen definitiv zu einer Priorität machen.
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE). – (EL) Ich möchte dem Minister für den Versuch, meine Frage zu beantworten, danken. Leider habe ich nichts von dem verstanden, was Sie mir als Antwort auf meine Frage gegeben haben: Wird die Privatverschuldung in den neuen Plänen berücksichtigt – ich beziehe mich, Herr Minister, hierbei auf die im Oktober beschlossenen Pläne – und bleibt im Rahmen der geplanten Economic Governance Raum für eine neue Auslegung des Stabilitätspakts, der Anwendungsverfahren und der Privatverschuldung? Für eine Antwort auf meine Frage wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Wie ich bereits sagte, wurde das Verfahren in Gang gesetzt, die Arbeitsgruppe hat sich zusammengesetzt, was genau vor zwei Tagen der Fall war. Es wird vor dem Ratsgipfel im Oktober noch ein, zwei weitere Treffen geben, und es ist zu früh für eine Diskussion über die Frage, wie die Schuldenkriterien im Zusammenhang mit dem Wachstums- und Stabilitätspakt künftig genau umgesetzt werden. Sobald uns die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe über die Economic Governance vorliegen, die ihren Bericht bei dem Ratsgipfel im Oktober präsentieren wird, werden wir das Verfahren zur Annahme oder Änderung der europäischen Gesetzgebung entsprechend aufnehmen können, wozu möglicherweise auch Themen wie die Privatverschuldung gehören werden.
Die Präsidentin. – Frage Nr. 3 von Frau Silvia-Adriana Ticau (H-0361/10)
Betrifft: Überprüfung des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V)
Am 7. und 8. Juni 2010 fand in Saragossa eine von der Kommission organisierte Ministerkonferenz statt, mit der der Prozess der Überprüfung des TEN-V in die Wege geleitet werden sollte. Dieser Prozess, in dem eine Verfahrensweise für die Festlegung des TEN-V-Kernnetzes und der Verbindungspunkte dieses Netzes zu der Verkehrsinfrastruktur der Nachbarstaaten der Europäischen Union entwickelt werden soll, wird überwiegend in der zweiten Hälfte dieses Jahres und zu Beginn des nächsten Jahres ablaufen. Nach Abschluss dieses Prozesses sollte jeder Verkehrsträger stärker in das transeuropäische Verkehrsystem einbezogen und die Intermodalitäten zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern gewährleistet sein, vor allem sollten angemessene Finanzierungsmechanismen festgelegt werden.
Kann der Rat – angesichts der Tatsache, dass sich dieser Prozess weitgehend in den Zeitraum des belgischen Ratsvorsitzes fallen wird – angeben, welchen Zeitplan und welche Maßnahmen der belgische Vorsitz des Rates der EU für den Prozess der Überprüfung des TEN-V-Netzes plant?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) In den Schlussfolgerungen des Rates vom Juni 2009 wurde die Vorlage des Grünbuchs der Kommission über die Überarbeitung der Politik des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) für eine bessere Integration dieses Netzes zugunsten der gemeinsamen Verkehrspolitik begrüßt und die Kommission aufgefordert, den Institutionen einen Vorschlag zur Änderung der TEN-V-Leitlinien vorzulegen.
Die wichtigste Neuerung des Vorschlags ist der zweistufige Planungsansatz: Es würde immer noch eine TEN-V-Basis geben, bestehend aus relativ dichten Vernetzungen von Schienen, Straßen, Binnenwasserstraßen, Häfen und Flughäfen, die das flächendeckende Netz umfassen und größtenteils zu den nationalen Netzen gehören, die dann zu einem Kernnetz zusammengefasst werden würden. Dieses Kernnetz würde eine echte europäische Planung ermöglichen, mit Schwerpunkt auf eine kontinuierliche Steigerung der Effektivität der Netzressourcen sowie auf die Erzielung einer deutlichen globalen Verringerung verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen.
Im Juni nahm der Rat die Informationen zur Kenntnis, die vom Ratsvorsitz und der Kommission zu den Ergebnissen der TEN-V-Tage, einer jährlichen Ministerkonferenz zum transeuropäischen Verkehrsnetz, die am 8. und 9. Juni 2010 in Saragossa stattfand, vorgelegt wurden. In der Aussprache ging es hauptsächlich um die Frage, wie der Planungs- und Durchführungsrahmen für das künftige TEN-V umgestaltet und die Finanzierung effektiv mobilisiert werden soll.
Die Kommission ist derzeit an einer öffentlichen Anhörung zur künftigen transeuropäischen Verkehrsnetzpolitik beteiligt, um Kriterien und Bedingungen für die globale und zentrale Vernetzungsplanung auszuarbeiten. Das Anhörungsverfahren endet am 15. September, die Ergebnisse werden dem TEN-V-Finanzausschuss am 30. September vorgelegt.
Die Erörterung der Planungsoptionen erfolgt anschließend sowohl bilateral – durch die Kommission und den betreffenden Mitgliedstaat – als auch multilateral in Form von Ausschusssitzungen zur Überarbeitung der TEN-V-Leitlinien.
Anfang 2011 wird die Kommission eine Folgenabschätzung zur vorgeschlagenen Überarbeitung der TEN-V-Leitlinien veranlassen. Der Entwurf für die TEN-V-Leitlinien sollte im Mai oder Juni 2011 vorliegen.
Da der Leitlinienentwurf noch nicht vorgelegt wurde, und angesichts der derzeitigen öffentlichen Anhörung sowie der für Ende 2010 angesetzten multilateralen und bilateralen Gespräche, ist der belgische Ratsvorsitz derzeit natürlich nicht in der Lage, Fortschritte bei der TEN-V-Überarbeitung zu erzielen.
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Eines der Hauptziele der Überarbeitung des TEN-V-Netzes ist die Integration des transeuropäischen Netzes in die Verkehrsinfrastruktur der Nachbarländer.
Meiner Meinung nach ist es wichtig für uns, dieses Verfahren zu beschleunigen, da die mittelfristige Überarbeitung in diesem Jahr und zu Beginn des nächsten Jahres anstehen wird, und es ist wichtig für uns, auch die Finanzmittel bis 2013 zuzuteilen, und, natürlich, die künftige finanzielle Vorausschau planen zu können.
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Das von Ihnen angesprochene Problem ist natürlich deutlich und wird zweifellos zu den Überlegungen gehören, die die aktuelle Studie und die Pläne, die entsprechend der Art der Umwandlung, Anpassung und Entwicklung der Netze durchgeführt werden, miteinander verknüpfen.
Nikolaos Chountis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Minister, kürzlich wurde ein Schreiben vom Vorsitz des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments veröffentlicht, in dem er äußert, dass die griechische Regierung im Rahmen der Ausgabenkürzungen, die Griechenland gemäß der Vereinbarung (Memorandum of Understanding) mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union auferlegt wurde, die Schließung zahlreicher Schienenstrecken beabsichtigt, die Teil des TEN-V-Netzes sind und kürzlich durch finanzielle Mittel aus dem Strukturfonds zum Zwecke der Modernisierung unterstützt wurden.
Da diese Entscheidung aus Gründen des Umweltschutzes, der Reduzierung des Straßenverkehrs, und des Verstoßes gegen EU-Gesetze nicht in Ordnung ist, möchte ich fragen, ob der Rat beabsichtigt, die vom Vorsitz des Ausschusses geäußerten Beschwerden zu überprüfen und den Widerruf einer solchen Entscheidung zu fordern.
Janusz Władysław Zemke (S&D). – (PL) Ich würde gern auf die Frage zurückkommen, die soeben gestellt wurde. Die Errichtung des TEN-V-Netzes ist für die europäische Integration von grundlegender Bedeutung. Es ist sehr kostspielig. Daher muss dabei sehr kontinuierlich vorgegangen werden.
Dazu habe ich eine Frage: Ist in den vorläufigen Haushaltsvoranschlägen für 2014–2020 eine Erhöhung der für diesen Zweck verfügbaren Mittel vorgesehen?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Was die erste Frage zum verringerten Investitionsvermögen Griechenlands in die Verkehrsnetze einerseits betrifft, gehe ich davon aus, dass die Kommission in der Lage ist, das Thema anzugehen, aber wir werden dies eruieren können. Andererseits kann ich auf die Frage, wie wir mit dem verringerten Investitionsvermögen Griechenlands umgehen sollen, keine konkrete Antwort geben. Wir können jedoch die Dienststellen der Kommission kontaktieren, um eine konkretere Antwort auf diese Frage zu bekommen.
Hinsichtlich der Sorge über die Kohäsion und die bereitzustellenden finanziellen Mittel möchte ich Sie an den Finanzrahmen für 2014–2020 verweisen und das Parlament bitten, sich mit dieser Frage zu befassen. Sie werden auch gebeten, eine Stellungnahme zu diesem Thema abzugeben, in Einklang mit dem Grundsatz der Mitentscheidungsbefugnisse bei Haushaltsfragen, und ich zähle auf Sie, dass Sie Diskussionen über den künftigen Haushaltsplan so in die Tagesordnung einfließen lassen werden, dass wir diese grundlegende Kohäsion bei den verkehrspolitischen Zielen erreichen können.
Die Präsidentin. – Anfrage Nr. 4 von Georgios Papanikolaou (H-0362/10)
Betrifft: Bewertung der offenen Methode der Koordinierung
Im Jahr 2000 führte der Rat in den Bereichen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen (Beschäftigung, Sozialschutz, soziale Integration, allgemeine Bildung, Jugend und berufliche Bildung) die offene Methode der Koordinierung (OMK) ein, um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie den Erfahrungsaustausch über bewährte Verfahren zu fördern und so eine politische Annäherung zwischen den einzelnen Staaten zu erreichen.
Hält der Rat diese Strategie für erfolgreich? Kann er konkrete Ergebnisse anführen?
Ist der Vorsitz der Auffassung, dass das Konzept der OMK überprüft oder angepasst werden soll?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) In seinen Schlussfolgerungen vom 30. November 2009 erwähnte der Rat den aktiven Beitrag der offenen Koordinierungsmethode zur reibungslosen Funktionsweise der Arbeitsmärkte sowie zur sozialen Eingliederung. Der Austausch empfehlenswerter Beschäftigungsverfahren hat sich bewährt und wird sich auch in Zukunft als besonders sinnvoll erweisen. Das erfordert eine wirksame Kontrolle der beschäftigungspolitischen Leitlinien, die gemäß der Empfehlung des Parlaments in Kürze vom Rat angenommen werden – die Sie zudem heute vorgelegt haben – und eine Schlüsselrolle für den Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) im Kontext der neuen Governance, die der Europäische Rat vor allem im Rahmen des Europäischen Semesters beschließen sollte.
Darüber hinaus erkannten die neuen Mitglieder im letzten Jahr, als der Rat einen neuen strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung verabschiedete, an, dass das Erreichen der innerhalb des Rahmens festgelegten wichtigsten strategischen Ziele die effektive Anwendung der offenen Koordinierungsmethode beinhalte, was belegt, dass sie diese äußerst sinnvolle Methode weiterhin in Bereichen ihrer nationalen Zuständigkeit unterstützen.
Der kürzlich vorgelegte gemeinsame Fortschrittsbericht 2010 des Rates und der Kommission über die Umsetzung des Arbeitsprogramms „Allgemeine und berufliche Bildung 2010“ untermauert die beachtlichen Fortschritte, die dank der offenen Koordinierungsmethode bei der europäischen Koordination im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung erzielt wurden.
Ebenso verwies der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 7. Juni 2010 auf das bei den allgemeinen Aussprachen, die kürzlich im Rahmen der Strategie Europa 2020 geführt wurden, geäußerte Interesse an einem durch gemeinsame Arbeit auf europäischer Ebene ausgearbeiteten integrierten Ansatzes, unter Anwendung des Rahmens, der durch die offene Koordinierungsmethode im Bereich Sozialschutz und soziale Eingliederung als ein Mechanismus, der sein beachtliches Potenzial aufgezeigt hat, gegeben ist.
Angesichts der neuen Herausforderungen und Perspektiven jedoch, die die Durchführung der Strategie Europa 2020 mit sich bringt, besonders angesichts der Kontrolle der Umsetzung des Ziels, das der Europäische Rat zur Armutsbekämpfung und zu den sozialen Aspekten der beschäftigungspolitischen Leitlinien, vor allem Leitlinie Nr. 10, definiert hat, hat der Ratsvorsitz die Mitgliedstaaten bei dem informellen Treffen der Sozialminister am 9. Juli 2010 aufgefordert, einen Reflexionsprozess zur Stärkung der offenen Koordinierungsmethode aufzunehmen.
In seiner Entschließung vom November 2009, mit der ein aktualisierter Rahmen für die Zusammenarbeit in Europa im Bereich Jugend 2010–2018 aufgestellt wird, hat der Rat bereits eine bestimmte Anzahl allgemeiner Leitlinien aufgestellt, die bei sämtlichen Politiken und Aktivitäten junger Menschen im Rahmen einer aktualisierten und stärker integrierten Koordinierungsmethode überwacht werden müssen. Dazu wird der Ratsvorsitz eine Konferenz am 14. September 2010 organisieren, und der EPSCO-Rat soll am 21. Oktober 2010 diesen Punkt auf Initiative des Ratsvorsitzes erneut erörtern und zu einigen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Themen Beschäftigung und soziale Eingliederung gelangen.
Georgios Papanikolaou (PPE). – (EL) Danke für Ihre Antwort. Ich möchte Sie jedoch bitten, mir Folgendes zu erläutern: Ist es richtig, dass die offene Koordinierungsmethode in wichtigen Bereichen – die Sie auch aufgeführt hatten: nämlich allgemeine und berufliche Bildung, Beschäftigung, Themen zu jungen Menschen – ein sehr wichtiges Instrument darstellt, das Ihnen im Rahmen der Subsidiarität und der der Europäischen Union übertragenen Befugnisse zur Verfügung steht?
Meine Frage lautet daher: Könnten Sie uns von Zeit zu Zeit einen Bericht zu dieser Methode übermitteln, um uns einen Meinungsaustausch zu ermöglichen, und auch uns auf politischer Ebene zu informieren? Wie könnte sich das Europäische Parlament ferner aktiver an diesem Verfahren beteiligen, damit wir es besser herausstellen können?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Ich möchte Sie auf den letzten Teil meiner Antwort verweisen. Wie bereits gesagt, wird der EPSCO-Rat am 21. Oktober 2010 die Frage auf Initiative des Ratsvorsitzes nochmals diskutieren und sollte zu einigen Schlussfolgerungen zu den Themen Beschäftigung und soziale Eingliederung gelangen, die Ihnen selbstverständlich übermittelt werden.
Vilija Blinkevičiūtė (S&D). – (LT) Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihre Antwort zur Bedeutung der offenen Koordinierungsmethode, möchte aber betonen, dass das Jahr 2010 als Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut erklärt wurde, und daraus ergibt sich, dass wir im Falle gravierender Arbeitslosigkeit in der gesamten Europäischen Union sowie zunehmender sozialer Ausgrenzung gegen die Armut vorgehen müssen. Wie viel Einfluss hat die offene Koordinierungsmethode Ihrer Ansicht nach auf die Armutsbekämpfung, und ist es genug, wenn wir, sagen wir mal, bewährte Verfahren austauschen und uns ansehen, welch große Aufmerksamkeit skandinavische Länder der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgliederung zuteil werden lassen? Wird dies die Armut in den baltischen Staaten bekämpfen?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Effektiveres gemeinsames Koordinieren und Lernen sollte in der Tat positive Auswirkungen haben. Sie haben soeben einen der Aspekte zur Erreichung gemeinsamer Ziele bei sozialen Themen hervorgehoben. Im Allgemeinen ist es richtig, dass aktive Eingliederungsstrategien in den Bereichen Wachstum, Beschäftigung und Armutsbekämpfung – die im Jahr 2010 im Vordergrund stehen werden – möglicherweise nicht nur die Armut abbauen, sondern zu einer Ausweitung des Arbeitskräfteangebots führen. Die Reformen der Rentensysteme können ebenfalls ein höheres Beschäftigungsniveau und nachhaltige öffentliche Finanzen fördern. Das Gleiche gilt für die Gesundheitsversorgungssysteme.
Ich glaube daher, dass wir im Laufe des Jahres 2010, das der Armutsbekämpfung gewidmet ist, in der Lage sein werden, dieses gemeinsame Koordinieren und Lernen umzusetzen.
Die Präsidentin. – Anfrage Nr. 5 von Nikolaos Chountis (H-0366/10)
Betrifft: "Memorandum of Understanding" zwischen Griechenland-EU-IWF und gallopierende Inflation
In der von Griechenland unterzeichneten Vereinbarung (Memorandum of Understanding) mit dem IWF und der EU wird insbesondere festgehalten, dass eine der Verpflichtungen der griechischen Regierung darin besteht, die Inflation auf ein Niveau unterhalb des Durchschnitts der Euro-Region zu drücken, um seine Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Im Mai indessen erreichte die Inflationsrate einen Wert von 5,4 % gegenüber 1,6 % in der Euro-Region, wodurch das verfügbare Einkommen der griechischen Lohn- und Gehaltsempfänger weiter geschmälert und die griechische Wettbewerbsfähigkeit beträchtlich unterminiert wurde. Dieser heftige Inflationsanstieg wurde sowohl durch die von EU und IWF verordnete vermehrte direkte und indirekte Besteuerung als auch durch die anhaltenden und uneingeschränkten Spekulationen ausgelöst. Stimmt der Rat dem zu, dass die von IWF und EU verordneten Steuermaßnahmen einen Großteil zu dieser Inflationsspirale beigetragen haben, die nun die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft weiter unterminiert? Welche strukturellen Maßnahmen wird er der griechischen Regierung vorschlagen, um diesen krassen Inflationsanstieg einzudämmen?
Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Der Rat hat im Rahmen der multilateralen Überwachung schon mehrfach auf die längerfristigen strukturellen Probleme der griechischen Wirtschaft hingewiesen. Im Kontext des Verfahrens bei übermäßigem Defizit empfahl der Rat am 16. Februar 2010 Griechenland, ein Maßnahmenpaket umzusetzen, um die Funktionsweise der Rohstoffmärkte und die Rahmenbedingungen für seine Unternehmen zu verbessern, die Produktivität und das Beschäftigungswachstum zu steigern und die Effizienz der EU-Strukturfonds zu erhöhen und die Abrufung der Mittel zu beschleunigen, sein übermäßiges Haushaltsdefizit zu korrigieren und die langfristige Tragfähigkeit seiner öffentlichen Finanzen zu sichern.
Griechenland hat den ersten Bericht über die Umsetzung dieser Maßnahmen am 16. März 2010 vorgelegt, und den zweiten Bericht im Mai 2010. Im Juni wurde von der Kommission und dem Internationalen Währungsfonds eine vorläufige Analyse im Rahmen des Finanzstabilisierungsmechanismus in Höhe von 110 Mrd. EUR, die Griechenland von den Mitgliedstaaten des Euroraums und vom IWF gewährt wurden, vorgenommen. Die Analyse wurde im August abgeschlossen, der Abschlussbericht der Kommission wurde dem Rat jedoch nicht formell übergeben.
Die Kommission hat die Mitgliedstaaten im Euroraum über die vorläufigen Ergebnisse der Analyse in Kenntnis gesetzt, und sollte sich die Wirtschaft laut Einschätzung der Kommission entsprechend den Prognosen entwickeln, die die Grundlage des Anpassungsprogramms bilden, das den Finanzstabilisierungsmechanismus sichert, wird der Anstieg der Inflationsrate einen negativen Einfluss auf die Rohstoffmärkte haben. Der Rat wird die Situation daher genau überwachen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreifen, um die griechischen Behörden bei der Förderung des Wirtschaftswachstums sowie bei der Aufrechterhaltung einer soliden Haushaltspolitik zu unterstützen.
Sollte die Kommission davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Veränderungen den zu Grunde liegenden Prognosen des Anpassungsprogramms, die die Grundlage des Anpassungsprogramms bilden, entsprechen, wird der Inflationsanstieg, wie von mir bereits erwähnt, die Märkte wahrscheinlich negativ beeinflussen. Das Gleiche gilt für die Haushaltssituation, die vom Rat genau überwacht wird.
Nikolaos Chountis (GUE/NGL). – (EL) Herr Minister, ich fürchte, dass Sie keine Antwort auf meine Frage gegeben haben. Die gemäß der Vereinbarung gegen Griechenland verhängten Maßnahmen – dem von Ihnen in der Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union beschriebenen Verfahren – sind widersprüchlich. Einerseits wurden Steuern erhoben, um Staatseinnahmen zu generieren, andererseits können sie nicht eingezogen werden, da weder Arbeitnehmer noch kleine Unternehmen zusätzliche Einkünfte erzielen, und während sie über die Senkung der Inflation sprechen, planen sie neue Steuern als Einnahmequelle durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Güter des täglichen Bedarfs und Heizöl.
Die Frage, die ich Ihnen stellen möchte, ist: Den mir vorliegenden Informationen zufolge wurde Griechenland bei der gestrigen ECOFIN-Tagung aufgefordert, neue Steuern zur Beschaffung von Einnahmen einzuführen und diese Maßnahmen treiben die Inflation in die Höhe. Was ich Sie daher fragen möchte, ist, ob bei der ECOFIN-Tagung neben der Erhebung von Steuern zur Beschaffung von Einnahmen korrektive Maßnahmen erörtert wurden und diese von der Europäischen Union vorgeschlagen wurden, um eine explodierende Inflation in Griechenland zu vermeiden?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Ich kann Ihnen nicht genau mitteilen, was der ECOFIN-Rat in den letzten Stunden entschieden hat, aber der Rat hat in der Tat in verschiedenen multilateralen Aufsichtstätigkeiten die langfristigen Strukturprobleme der griechischen Wirtschaft wiederholt kritisiert. In seinen Empfehlungen für die 2009 vorzunehmende Umsetzung der Leitlinien der Wirtschaftspolitik durch die Mitgliedstaaten hat der Rat angemerkt, dass Griechenland seine Bemühungen zur Korrektur der makroökonomischen Ungleichgewichte verstärken und die Strukturschwächen in seiner Wirtschaft entsprechend der Strategie von Lissabon für Beschäftigung und Wachstum beheben muss.
Der Rat empfiehlt, dass Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen sowie seine Investitionen in Forschung und Entwicklung verstärkt, die Strukturfonds effizienter verwendet, die öffentliche Verwaltung reformiert und im Rahmen einer integrierten Strategie für Flexicurity eine Reihe von Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt trifft.
Ich kann nur sagen, dass die griechischen Behörden bestätigt haben, dass sie mehrere geplante Strukturreformen in einer ganzen Reihe von Bereichen den Vorrang gegeben haben. Sie haben auch volles Verständnis für die damit im Land einhergehenden Schwierigkeiten.
Georgios Papanikolaou (PPE). – (EL) Herr Minister! Mein ehrenwerter Freund, Herr Chountis, gibt in seiner Frage an, dass die Inflation im Juli 5,4 % betrug und im August mit 5,5 % gemeldet wurde. Außerdem habe es den Anschein, dass es mit den neu getroffenen Maßnahmen, die sich - wie mein ehrenwerter Freund zu Recht vorhin sagte - auf Güter von bekannten Ketten beziehen, sehr schwer sein werde, die Inflation zu reduzieren. Gleichzeitig sagen Sie uns, dass im Rat erneut von Maßnahmen und neuen Steuern gesprochen wird.
Dies ist meine Frage: Es gibt sowohl vonseiten des Rates, Europas und des Unterstützungsmechanismus als auch auf der griechischen Seite spezifischere Maßnahmen zur Wachstumsförderung. Gibt es einen spezifischen Zeitplan?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Obwohl ich verstehe, dass eine galoppierende Inflation eine Reihe von Problemen bereitet und dass mehrere Finanzmechanismen angepasst werden müssten, wenn diese Inflation anhält, kann ich Ihnen nur sagen, dass sich Griechenland als Mitglied des Euroraums mit den anderen Mitgliedstaaten Verantwortung für die Gewährleistung der Stabilität des Euroraums teilt, und dass die griechische Wirtschaftspolitik genau wie diejenige der anderen Mitgliedstaaten ein EU-weites Anliegen ist. Alle Mitgliedstaaten sollen solide nationale Strategien in Übereinstimmung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Leitlinien der Wirtschaftspolitik umsetzen. Griechenland sollte deswegen für den effektiven Umgang mit diesen Fragen Verantwortung übernehmen, um das Risiko einer Gefährdung des ordnungsgemäßen Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion zu reduzieren.
Die Präsidentin. – Anfrage Nr. 6 von Laima Liucija Andrikiene (H-0368/10)
Betrifft: Prioritäten des belgischen Ratsvorsitzes in Bezug auf die Vereinten Nationen und ihre Gremien
Welche Prioritäten verfolgt der belgische EU-Ratsvorsitz in Bezug auf die Vereinten Nationen im Allgemeinen und den Menschrechtsrat der Vereinten Nationen im Speziellen? Wurden die Vertretungen des Rates der EU und der Europäischen Kommission in Genf bereits zusammengelegt oder läuft der Prozess noch?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Zur Vorbereitung der 65. Generalversammlung der Vereinten Nationen hat der Rat bei seiner Sitzung vom 14. Juni 2010 die Schwerpunkte der Europäischen Union angenommen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass infolge des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik die Union in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb internationaler Organisationen vertritt.
Die vom Rat verabschiedeten Schwerpunkte konzentrieren sich auf die folgenden Themen:
zuallererst die Förderung einer Stärkung der Vereinten Nationen. Die Europäische Union wird insbesondere mit der Verbesserung der Vertretung, Transparenz, Verantwortung, Effizienz und Effektivität der Vereinten Nationen zum Aufbau eines gestärkten multilateralen Systems beitragen.
Der zweite Schwerpunkt ist der Beitrag zum internationalem Frieden und zur Sicherheit. Die Europäische Union beabsichtigt, hinsichtlich des Krisenmanagements innerhalb der wichtigen Organe der Vereinten Nationen und insbesondere im Sicherheitsrat auf ihre Positionen und Beiträge aufmerksam zu machen.
Das dritte Schwerpunktthema wird Umwelt und nachhaltige Entwicklung, insbesondere in dem Bestreben, die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen, umfassen.
Der vierte Schwerpunkt betrifft Menschenrechte. Seit ihrer Gründung hat die Europäische Union stets zu den entschiedensten Verteidigern von Menschenrechten gehört und spielte auf diesem Gebiet eine der bedeutendsten Rollen im System der Vereinten Nationen. Die Europäische Union wird die Integration von Menschenrechten in allen Aspekten der Arbeit der Vereinten Nationen aktiv fördern, indem sie erneut bestätigt, dass die Menschenrechte untrennbar mit anderen Zielen der Vereinten Nationen im Hinblick auf Sicherheit und Entwicklung verbunden sind.
Schließlich besteht der fünfte Schwerpunkt darin, das System der Vereinten Nationen hinsichtlich einer Verbesserung der Arbeitsweise, Effektivität, Transparenz und Vertretung des Systems zu reformieren. Was den Menschenrechtsrat betrifft, nimmt die Europäische Union am formellen und informellen Konsultationsprozess teil. Die Union wird die Handlungsfähigkeit des Dritten Ausschusses weiterhin unterstützen. Er ist das einzige universelle Organ, das Standards für Menschenrechte umsetzen kann. Diese Fähigkeit sollte vollauf erhalten bleiben.
Hinsichtlich der Frage diplomatischer Vertretungen sind ab dem 1. Dezember 2009 alle Delegationen der Europäischen Kommission außerhalb der EU zu Delegationen der Europäischen Union geworden. Im Fall von Genf haben die Delegation der Union und das Verbindungsbüro des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union vorübergehende Arbeitsmaßnahmen eingeführt und warten gleichzeitig auf die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes.
Laima Liucija Andrikienė (PPE). – Lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen, dass die fortwährende Verwirrung darüber, wie die EU in Genf und New York vertreten ist, die Gefahr einer Untergrabung der Fähigkeit der EU zu effektivem Handeln und konstruktiver Zusammenarbeit mit Partnern mit sich bringt.
Zweitens müssen der Belgische Ratsvorsitz und die Hohe Vertreterin nun nach ausgiebigen internen Gesprächen über Schwerpunkte hinsichtlich der Überprüfung des Menschenrechtsrat 2011 sicherstellen, dass ausreichende Mittel bereitgestellt werden und politische Aufmerksamkeit gegeben ist, um weit reichendere Maßnahmen als diejenigen anderer UN-Mitgliedstaaten einzuleiten.
Für eine Reihe wichtiger Entschließungen ist auch Führung notwendig, insbesondere für die Entschließung über die Todesstrafe und weitere Arbeiten zur Verhandlung eines internationalen Waffenhandelsvertrags.
Ich würde Ihre Ausführungen hierzu begrüßen.
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Ich möchte Ihnen nur sagen, dass Belgien, welches derzeit den Vorsitz der Union inne hat, Mitglied des Menschenrechtsrats ist und definitiv Schritte unternehmen wird, um Ihre Bedenken zu äußern.
Paul Rübig (PPE). - Frau Präsidentin! Wir haben heute eine ziemlich intensive Diskussion darüber gehabt, wie wir den Rat bei Einsparungen im Haushalt 2011 unterstützen können, und unter anderem ist natürlich auch der diplomatische Dienst, der jetzt neugestaltet wird, sehr intensiv diskutiert worden.
Glauben Sie, dass wir im Bereich der Vereinten Nationen Anstrengungen unternehmen können, um die Dienstposten effizienter zu gestalten, damit die Europäische Union hier mit einer Stimme spricht, und dass wir damit auch Ressourcen einsparen können, die wir in anderen Bereichen sehr gut nutzen könnten? Ist die belgische Ratspräsidentschaft bereit, diesbezüglich Einsparungsvorschläge vorzulegen, mit denen dieses Ziel einer höheren Effizienz in der gemeinsamen europäischen Vertretung gewährleistet werden kann?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Sowohl in New York als auch in Genf wurden bereits zusätzliche Kapazitäten veranlasst. Dennoch kann ich durch Ihre Frage nur Ihre Aufmerksamkeit auf die dringende Notwendigkeit, den Europäischen Auswärtigen Dienst einzurichten und auf die zumindest gemeinsame Rolle dieses Parlaments, insbesondere im Hinblick auf Finanzerwägungen bezüglich der Schaffung dieses Dienstes lenken.
Die Präsidentin. – Anfrage Nr. 7 von Liam Aylward (H-0373/10)
Betrifft: Steigerung der biologischen Vielfalt in der EU
Kann der Rat angesichts der Tatsache, dass 2010 zum Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt ausgerufen wurde, und mit Blick auf die bevorstehende Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in Nagoya seine Prioritäten in Bezug auf den Schutz und die Steigerung der biologischen Vielfalt darlegen? Wie ist der gegenwärtige Stand der Dinge bezüglich der Umsetzung des Aktionsplans der EU zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und welche Rolle sieht der Rat für die biologische Vielfalt in der Strategie EU 2020 vor?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Auf der Grundlage der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Optionen für ein Biodiversitätskonzept und Biodiversitätsziel der EU für die Zeit nach 2010" hat der Rat am 15. März 2010 Schlussfolgerungen mit dem Titel „Biologische Vielfalt: Die Zeit nach 2010 – Die EU, das Gesamtkonzept, die Ziele und die internationale Regelung für den Zugang und den Vorteilsausgleich" verabschiedet.
In seinen Schlussfolgerungen gibt der Rat an, dass er zutiefst über die Tatsache besorgt ist, dass die Ziele auf dem Gebiet der biologischen Vielfalt für 2010 weder auf Ebene der Europäischen Union noch weltweit erreicht wurden, dass sich der Verlust von biologischer Vielfalt in einem inakzeptablen Tempo fortsetzt und dass er sehr ernste umweltbezogene, wirtschaftliche und soziale Folgen hat. Allerdings betont der Rat, dass diese Ziele eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung nützlicher Maßnahmen für die biologische Vielfalt gespielt haben.
Der Rat hat eine langfristige Vision dargelegt, derzufolge die biologische Vielfalt in der Europäischen Union sowie die von ihr gebotenen Ökosystemleistungen, ihr natürliches Kapital, bis 2050 geschützt, geschätzt und angemessen wiederhergestellt sein werden. Dies geschieht angesichts der Werthaltigkeit von biologischer Vielfalt und ihrem wesentlichen Beitrag zum Wohle der Menschen und zu wirtschaftlichem Wohlstand und dies in einer Weise, dass die katastrophalen, vom Verlust der biologischen Vielfalt verursachten Veränderungen vermieden werden.
Weiterhin hat der Rat als eines der Hauptziele die Zügelung des Verlustes biologischer Vielfalt sowie der Verschlechterung von Ökosystemleistungen in der Europäischen Union bis 2020 und der Gewährleistung ihrer Wiederherstellung, soweit dies möglich ist, festgelegt. Gleichzeitig wird der Beitrag der Europäischen Union zur Verhinderung eines Verlustes biologischer Vielfalt weltweit verstärkt.
Hinsichtlich der Schwerpunkte der Europäischen Union für den Schutz und die Stärkung biologischer Vielfalt hat der Rat angemerkt, dass die Zerstörung, Zersplitterung und Verschlechterung von Lebensräumen die größten Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben. Was die Ursachen dieser Situation der Lebensräume betrifft, hat der Rat die abträgliche Veränderung von Landnutzung, den Raubbau und die nicht nachhaltige Verwendung natürlicher Ressourcen, eindringende exotische Arten, den illegalen Handel mit vom Aussterben bedrohte Arten, die Versauerung der Ozeane und natürlich die Umweltbelastung hervorgehoben. Der Klimawandel könnte auch zunehmend einige Auswirkungen verschlimmern, beispielsweise die Anzahl der vom Aussterben bedrohte Arten.
Hinsichtlich der Strategie Europa 2020 rufen die Leitlinien der Wirtschaftspolitik des Rates die Mitgliedstaaten und die Union auf, Maßnahmen einzuführen, umweltrelevante Herausforderungen in Wachstumsmöglichkeiten zu verwandeln und natürliche Ressourcen effizienter zu nutzen und dabei auch zur Gewährleistung biologischer Vielfalt beizutragen.
Die Rolle der biologischen Vielfalt wurde vom Europäischen Rat auch in seinen Schlussfolgerungen von März 2010 betont, indem er sagt, dass es dringend notwendig sei, den Trend zu einem Verlust biologischer Vielfalt und der Verschlechterung des Ökosystems umzukehren. Der Europäische Rat befürwortet die langfristige Vision für biologische Vielfalt bis 2050 und die in den zuvor genannten Schlussfolgerungen des Rates vom 15. März 2010 genannten Ziele für 2020.
Liam Aylward (ALDE). – Es ist höchst enttäuschend, in der Antwort des Herrn Ministers von mangelndem Fortschritt im Hinblick auf das Erreichen der gesetzten Ziele die biologische Vielfalt betreffend zu hören.
Welche Maßnahmen kann der Rat in Anbetracht der Tatsache, dass Maßnahmen der Entwicklung des ländlichen Raums und die gemeinsame Agrarpolitik erheblich zur Stärkung der biologischen Vielfalt beitragen, jedoch ergreifen, um europäische Landwirte, die größten Umweltschützer, in ihrer entscheidenden Rolle als Schützer von Umwelt und biologischer Vielfalt zu unterstützen?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Ich bin davon überzeugt, dass die beste Maßnahme, die zum Schutz von hochwertiger Landwirtschaft getroffen werden kann, darin besteht, sie weiterhin zu unterstützen. Ich zähle auf alle bei der folgenden Haushaltsdebatte anwesenden Abgeordneten – obwohl die Anzahl der Anwesenden gering ist – bei den Entscheidungen, die dieses Parlament treffen wird, die gemeinsame Agrarpolitik finanziell zu unterstützen.
Die Präsidentin. – Anfrage Nr. 8 von Mairead McGuinness (H-0375/10)
Betrifft: Informelle Tagung des Rates "Landwirtschaft", September 2010
Welche Schlussfolgerungen zieht der belgische Ratsvorsitz nach der hochrangigen GAP-Konferenz im Juli in Brüssel? Kann sich der Ratsvorsitz zu der bevorstehenden informellen Tagung des Rates „Landwirtschaft“ vom 19. bis 21. September äußern? Was wird der Ratsvorsitz den Mitgliedstaaten bei dieser Tagung bezüglich der GAP nach 2013 vorschlagen?
Kann der Rat den Mitgliedstaaten darüber hinaus neue Informationen geben, was die Entwicklungen auf Ebene des Rates bezüglich der laufenden Gespräche mit dem Mercosur betrifft?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Zunächst möchte ich der Kommission zum Erfolg ihrer öffentlichen Anhörung zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 gratulieren. Sie hat nahezu 6.000 Beiträge aus der Öffentlichkeit, von Interessenvertretern, Denkfabriken und anderen Forschungsinstituten erhalten. Diese Anhörung hat alles gehalten, was sie versprach.
Darüber hinaus hat eine Zusammenfassung der Beiträge gezeigt, dass unsere gesamte Gesellschaft an der Zukunft europäischer Landwirtschaft interessiert ist. Sicherlich sind nicht nur Landwirte an der GAP interessiert.
Wie Sie wissen, führte diese öffentliche Anhörung zur Konferenz für die GAP nach 2013, die am 19. und 20. Juli von der Kommission veranstaltet wurde. Insgesamt spielen die Beiträge, runden Tische und Debatten während der Konferenz eine große Rolle bei der weiteren Verbesserung der Ausrichtung der Gespräche.
Hinsichtlich des Rates werden Sie wissen, dass die Agrarminister in den vergangenen zwei Jahren einen Konsultationsprozess durchgeführt haben. Dabei wurden sie von den aufeinander folgenden Ratsvorsitzen angeführt, nämlich: Frankreich, der Tschechischen Republik, Schweden und Spanien. Nun befinden wir uns auf der Zielgeraden und der Ratsvorsitz versucht, unsere Debatte so weit wie möglich voranzubringen. In der Tat ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Realitäten der heutigen GAP sowie die Herausforderungen der GAP von morgen in dieser anderen wichtigen Debatte über den Haushaltsrahmen der EU für 2014–2020 in vollem Umfang berücksichtigt werden.
Wie Sie wissen, wird die Zukunft der GAP das Hauptthema auf der Tagesordnung des informellen Treffens der EU-Agrarminister sein, das vom 19. bis 21. September in Belgien stattfindet. Der Vorsitzende des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Herr De Castro, wurde auch eingeladen, um an diesem Treffen teilzunehmen und unsere informellen Gespräche zu leiten. Diesen Sommer hat der Ratsvorsitz viele Überlegungen über das Ergebnis der Konferenz im Juli angestellt und eine Zusammenfassung verfasst, die in den kommenden Tagen fertig gestellt wird.
Der Bericht, den der Ratsvorsitz erstellt hat und den wir in den folgenden Gesprächen genauer prüfen wollen, bestätigt die Relevanz der Ziele der GAP, wie sie im Vertrag von Lissabon definiert sind: die Gewährleistung der Versorgung mit sicheren und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln für die europäischen Bürgerinnen und Bürger, die Förderung nachhaltiger Agrarwirtschaft in ganz Europa, der Schutz von Umwelt und Landschaften sowie der Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung von ländlichen Gebieten, wie wir es in der vorangehenden Anfrage diskutiert haben.
Außerdem bestätigt der vom Ratsvorsitz erstellte Bericht den wahren Mehrwert einer gemeinsamen Agrarpolitik auf europäischer Ebene und die Bedeutung der GAP im Zusammenhang mit der Strategie Europa 2020.
Den kommenden Gesprächen wird im Oktober eine abschließende Orientierungsaussprache über die Zukunft der GAP im Agrarministerrat folgen. So wird der Rat genau wie das Europäische Parlament erheblich zum Konsultationsprozess beigetragen haben. Ich bin sicher, dass die Kommission auch die schwierige Arbeit anerkennt, die vom Rat und dem Europäischen Parlament ausgeführt worden ist, und ich bin sicher, dass sie alles tun wird, um eine Mitteilung vorzulegen, die von beiden Organen unterstützt wird. Sobald die Mitteilung verfügbar ist, wird der Ratsvorsitz Gespräche im Rat aufnehmen.
Hinsichtlich der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den Ländern des Mercosur möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments sowie die Agrarminister die entscheidende wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Abkommens anerkennen und im Großen und Ganzen dieselbe Ansicht zu potenziellen Risiken vertreten, die ein solches Abkommen für "gefährdete" Sektoren der Landwirtschaft der EU haben kann. Sie werden wissen, dass der Rat im Mai die von einer bedeutenden Anzahl von Mitgliedstaaten ausgedrückten Bedenken in einem gemeinsamen Memorandum aufgenommen hat.
Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommission das Verhandlungsmandat erfüllen muss. Außerdem hat Kommissar Cioloş den Rat im Mai versichert, dass die Kommission dafür sorgen werde, dass Verhandlungen mit dem Mercosur im Einklang mit der GAP stehen und grundlegende Interessen der EU-Agrarwirtschaft wahren.
Zusammenfassend möchte ich betonen, dass der Rat insbesondere im Handelspolitischen Ausschuss die Gespräche mit dem Mercosur weiterhin sehr aufmerksam überwachen wird. Die nächste Verhandlungssitzung ist für Oktober vorgesehen, und ich kann Ihnen zusichern, dass der Ratsvorsitz dafür sorgen wird, dass das Verhandlungsmandat streng eingehalten wird.
Mairead McGuinness (PPE). – Die Antwort war ausführlich, denn die Anfrage war es auch. Ich danke Ihnen dafür und insbesondere für Ihre Kommentare zum Mercosur. Ich hoffe, dass die Kommission und auch der Rat die Bedenken des Parlaments in unserer Aussprache zu dieser Frage registriert haben.
Ihre Antwort auf meinen Kollegen, Herrn Aylward, zu biologischer Vielfalt und Ihre Kommentare zum Agrarhaushalt veranlassen mich, Sie nach dem Standpunkt des Rates zu fragen. Ich entnehme dem, dass sieben Mitglieder des Rates den Haushaltsplan des nächsten Jahres kürzen wollen, was nichts Gutes für die Zukunft des Agrarhaushalts nach 2013 verheißt. Ich würde eine Anmerkung hierzu begrüßen.
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Eine Reihe von Mitgliedstaaten möchte den Haushaltsplan des nächsten Jahres kürzen, aber nach meinem Kenntnisstand stimmt der Rat dem gar nicht zu. Gestern haben Sie wahrscheinlich die Vorstellung des Haushaltsplans 2011 durch den belgischen Minister für Haushaltsfragen gehört und werden in diesem Fall auch die Haushaltsprognosen für 2011 vernommen haben, da Gespräche mit dem Parlament laufen. Ich muss Ihnen sagen, dass ich Ihrer Analyse der Veränderungen des europäischen Haushaltsplans nicht zustimme.
Paul Rübig (PPE). - Frau Präsidentin! Der Haushalt 2011 wird ja derzeit diskutiert, und in diesem Zusammenhang hat der Rat gemeinsam mit der Kommission vorgeschlagen, Mittel des Competitiveness Innovation Programme, welches das Programm „Intelligente Energie für Europa“, das IKT-Förderprogramm und das Programm „Unternehmerische Initiative und Innovation“ beinhaltet, aber auch Mittel des Siebten Rahmenprogramms, sowie Mittel der Landwirtschaft für das wissenschaftliche Projekt des Fusionsreaktors ITER zur Verfügung zu stellen. Wie ist hier die Ausgangslange der belgischen Ratspräsidentschaft?
Liam Aylward (ALDE). – Frau Präsidentin! Könnte der Minister in Anbetracht der außergewöhnlichen Entscheidung der Kommission, die Mercosur-Gespräche wieder zu eröffnen, erkennen lassen, ob eine Erörterung oder Bewertung vom Rat zu den nachteiligen Auswirkungen durchgeführt wird, die diese Entscheidungen auf unsere europäischen Landwirte und insbesondere Landwirte in meinem eigenen Land, Irland, haben werden? Sie hängen zu 90 % vom Export Ihrer Rindfleischprodukte ab, die nach den von der Kommission auferlegten hohen Standards, die in den Mercosur-Ländern nicht anwendbar sind, hergestellt werden.
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Zur ersten Anfrage kann ich Ihnen derzeit nur einen Überblick über den Haushaltsplan geben. Ich kann verstehen, dass das Parlament an eine Reihe von Projekten für Innovation, Wettbewerb und Technologie denkt. Die Debatte hat jedoch gerade erst begonnen, und Sie hatten seit dem 1. Dezember die Möglichkeit, bestimmte Aspekte der Haushaltsprognosen für das nächste Jahr von Anfang bis Ende zu ändern. Ich verweise Sie aus diesem Grund auf die Hauhaltsdebatte, damit Sie ermitteln können, was die Abgeordneten in diesem Haushaltsplan hervorheben oder in welchen Bereichen sie einen Schwerpunkt setzen möchten.
Hinsichtlich der zweiten Anfrage zum Mercosur ist sich der Ratsvorsitz, wie ich erwähnte, der vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung hinsichtlich der Entscheidung der Wiederaufnahme dieser Verhandlungen geäußerten Bedenken vollkommen bewusst.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Kommission während dieser Verhandlungen an ihr Verhandlungsmandat gebunden ist und dass jedes positive Ergebnis dieser Verhandlungen für die Agrarproduktion der EU, beispielsweise im Hinblick auf die Förderung und den Schutz von europäischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen und insbesondere auf dem Gebiet geografischer Angaben, von Nutzen sein sollte.
Die Präsidentin. – Anfrage Nr. 9 von Ryszard Czarnecki (H-0379/10)
Betrifft: EU-Beitrittsperspektive für die Balkanländer
Wie sieht der Rat die Perspektive für den Beitritt der Länder der Balkanregion im Südosten Europas zur Europäischen Union? Könnten nach Auffassung des Rates einige dieser Staaten der Union im Rahmen der nächsten Finanziellen Vorausschau, d.h. während des Zeitraums 2014-2020 beitreten?
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Das Ziel unserer Politik gegenüber dem westlichen Balkan besteht darin, zur Stabilität der Region beizutragen und den Ländern dieser Region zu helfen, Frieden, Demokratie, Stabilität und Wohlstand langfristig zu schaffen.
1999 hat die EU entschieden, den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess – der Rahmen für den Beitrittsprozess, der in einem möglichen Beitritt dieser Länder seinen Höhepunkt findet – umzusetzen, um ihre Vorbereitungen für eine EU-Mitgliedschaft auszuweiten. Diese Vorbereitungen bleiben für die Stabilität, Aussöhnung und Zukunft der Region wesentlich. Sie entwickeln sich und nehmen in Übereinstimmung mit dem Arbeitsprogramm von Thessaloniki und dem erneuerten Konsens über Erweiterung, der faire und strenge Bedingungen darlegt, Formen an.
Der Rat hat deswegen das unerschütterliche Engagement der Europäischen Union für die Vorbereitungen der Staaten des westlichen Balkans auf eine EU-Mitgliedschaft wiederholt bestätigt, so auch kürzlich beim Rat (Auswärtige Angelegenheiten) am 14. Juni nach dem Treffen in Sarajevo am 2. Juni.
Im Laufe der Jahre hat die EU sechs Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den Ländern der Region unterzeichnet – fünf davon sind bereits in Kraft getreten. Im Oktober 2009 hat die Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien vorgeschlagen. Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien sind seit Oktober 2005 im Gange und stehen ihrerseits kurz vor dem Abschluss. Die EU bleibt durch all ihre Instrumente politisch in den Prozess eingebunden: drei Missionen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – zwei in Bosnien und Herzegowina und eine im Kosovo – sowie drei Sonderbeauftragte in Skopje, Priština und Sarajevo.
2010 werden die Finanzhilfen 900 Mio. EUR übertreffen und 2013 1 Mrd. EUR betragen. Insgesamt belaufen sich die Finanzhilfen der Europäischen Union seit 1991 für die Länder der Region auf mehr als 13 Mrd. EUR.
Was die Beitrittsdaten betrifft, so hängen diese völlig von der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien und den in den im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess dargelegten Bedingungen ab. Dieser Prozess schreibt ein eindeutiges Verfahren vor: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, Stellungnahme der Kommission zum Beitrittsantrag, Kandidatenstatus, Beitrittsverhandlungen und schließlich Beitritt.
Der Rat ist begierig, zu den nächsten Schritten des Prozesses fortzuschreiten, aber es hängt von den Regierungen der Länder der Region ab, die festgelegten Bedingungen einzuhalten, das Tempo der notwendigen Reformen beizubehalten oder sogar zu beschleunigen und sich den wesentlichen Herausforderungen zu stellen. Die Länder der Region sollten ihre Bemühungen hinsichtlich der Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen, des Ausbaus der Verwaltungskapazität sowie der Lösung von offenen Fragen steigern.
Die Ziele des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses werden nicht erreicht, wenn die Völker und Regierungen der Region keine Entschlossenheit und Verantwortung bei der Übernahme einer aktiven Rolle zeigen. Die Zukunft der Region hängt letztlich von ihren Völkern und Regierungen ab. Regionale Zusammenarbeit und die Politik der guten Nachbarschaft sind wesentliche Faktoren bei der Aussöhnung und Ausräumung bilateraler Streitigkeiten. Solche Strategien stehen im Zentrum der Herangehensweise der EU an die Region und wurden von der EU seit 1995 systematisch gefördert. In diesem Zusammenhang hat der Rat die betroffenen Länder am 14. Juni aufgefordert, offene Fragen mit Nachbarländern zu klären.
Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass der Rat im November 2009 die Entscheidung getroffen hat, visumfreies Reisen von Bürgerinnen und Bürgern der drei Länder der Region zu erlauben. Derzeit arbeitet er an einer identischen Entscheidung für die Bürgerinnen und Bürger von Albanien sowie von Bosnien und Herzegowina. Ich hoffe, dass das Europäische Parlament und der Rat diese Entscheidung auch dieses Jahr treffen werden.
Schließlich ist der Rat derzeit nicht in der Lage, die Auswirkungen der Erweiterung auf den aktuellen Haushaltsplan der EU und den Haushaltsplan für 2014–2020 zu kommentieren, da er noch den Vorschlag der Kommission für die nächste finanzielle Vorausschau erwartet.
Ryszard Czarnecki (ECR). – (PL) Frau Präsidentin! Vielen Dank, dass Sie diese Sitzungen so gut präsidieren. Es ist für andere beispielhaft. Herr Chastel, ich bin nicht sicher, ob ich mein Sakko ausziehen soll, damit Sie sich wohler fühlen. Zwischen uns besteht eine gewisse Unausgewogenheit.
Um ehrlich zu sein ist das, worüber Sie gesprochen haben, diesem Parlament durchaus bekannt, und ich habe eine ausführlichere Antwort erwartet. Welches Land steht dem Beitritt zur Europäischen Union am nächsten: Serbien, das politisch sehr wichtig und wirtschaftlich gut entwickelt ist, Montenegro oder vielleicht Mazedonien? Herr Chastel, geben Sie uns bitte eine genaue Antwort.
Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. – (FR) Wissen Sie, wenn ich Ihnen sage, welches der drei Länder am nächsten dran ist, wenn ich ein Land herausnehme – dasjenige, das hierbei den größten Fortschritt erzielt hat – bedeutet dies nicht, dass dieses Land der EU als nächstes beitreten wird. Fortschritte müssen noch erzielt werden, und sie können in sehr unterschiedlichem Tempo erfolgen.
Die Präsidentin. – Fragen, die aus Zeitmangel nicht beantwortet wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anhang).
Damit ist die Fragestunde geschlossen.
(Die Sitzung wird um 19:00 Uhr unterbrochen und um 21:00 Uhr wieder aufgenommen)
VORSITZ: Alejo VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
15. Freizügigkeit der Arbeitnehmer - zeitweilige Beschränkung des Zugangs rumänischer und bulgarischer Bürger zum Arbeitsmarkt der Europäischen Union (Aussprache)
Der Präsident. Der nächste Tagesordnungspunkt ist die Aussprache zur mündlichen Anfrage an die Kommission von Rovana Plumb, Iliana Malinova Iotova, Pervenche Berès, Stephen Hughes, Alejandro Cercas, Gianni Pittella und Jutta Steinruck, im Namen der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament zur Freizügigkeit von Arbeitnehmern – zeitweilige Beschränkung des Zugangs rumänischer und bulgarischer Bürger zum Arbeitsmarkt der Europäischen Union (O-0096/2010 - B7-0455/2010).
Rovana Plumb. Verfasser. – (RO) In seiner Rede zur Lage der Union betonte der Präsident der Kommission, Herr Barroso, die Priorität eines zunehmenden Beschäftigungsniveaus in ganz Europa.
Zudem haben wir uns alle dazu verpflichtet, die strategischen Ziele der Europäischen Union für die nächsten zehn Jahre, die Erhöhung des Beschäftigungsniveaus und die Verringerung der Armut, umzusetzen. Das Plenum des Parlaments hat heute die beschäftigungspolitischen Leitlinien angenommen und wir bitten den Rat diese zu berücksichtigen.
Wenn wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, wirklich erreichen wollen, wenn wir wirklich wollen, dass Europa führend im Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit ist, und wenn wir wirklich ein gerechtes Europa wollen, das das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger sicherstellt, müssen wir das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer achten.
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist eine der Grundfreiheiten der Europäischen Union. Ein starker Binnenmarkt kann nur durch eine vollständige Öffnung des Arbeitsmarkts erreicht werden.
Laut der Mitteilung der Kommission vom November 2008 hatten die Mobilitätsströme eine sehr positive Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum der Europäischen Union. Die Mobilität der Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien hatte einen vorteilhaften Effekt auf die Wirtschaft der gastgebenden Mitgliedstaaten, ohne sich bedeutend auf die Gehälter und Arbeitsplätze der einheimischen Bevölkerung auszuwirken.
Die Wirtschaftskrise kann nicht mehr als Vorwand für die Durchsetzung und Beibehaltung dieser Arbeitsmarktbeschränkungen benutzt werden. Die Aufrechterhaltung dieser Beschränkungen ist ein Mittel, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien von Erwerbsarbeit in den entsprechenden Mitgliedstaaten abzuhalten. Das bringt die Arbeitnehmer dazu, die gesetzlichen Regelungen zum Besitz einer Arbeitserlaubnis zu umgehen, und erhöht somit die Quote der Schwarzarbeit. Letzten Endes versperrt Schwarzarbeit den Zugang zu den Rechten, die sich aus dem europäischen System zur Koordinierung von Sozialversicherungssystemen ergeben.
Rumänen und Bulgaren sind der Meinung, dass in der derzeitigen europäischen Konjunkturlage, eine Beseitigung der Hürden, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU verhindern, die Fähigkeit der Europäischen Union, sich auf neue Herausforderungen einzustellen, bedeutend steigern wird.
Herr Kommissar, ich möchte die folgende Frage stellen, da ich diese Europäische Kommission als unseren Verbündeten gewinnen und erreichen möchte, dass sie uns ihre umfassende institutionelle Unterstützung gewährt: Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Mitgliedstaaten, die weiterhin Beschränkungen anwenden, zu einer vollständigen Öffnung ihrer Arbeitsmärkte zu bewegen?
John Dalli, Mitglied der Kommission – Herr Präsident, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist ein Grundrecht der EU. Sie stellt gemeinsam mit dem freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr einen Pfeiler des Binnenmarktes dar und hat zum Erfolg der europäischen Integration beigetragen.
Wie Sie alle wissen, können die bulgarischen und rumänischen Arbeitnehmer während der ersten sieben Jahre der bulgarischen und rumänischen Mitgliedschaft in der EU nicht die Vorteile einer vollständigen Freizügigkeit der Arbeitnehmer nutzen. Der Grund hierfür sind die in den Beitrittsverträgen verankerten Übergangsregelungen, die es den übrigen Mitgliedstaaten erlauben, die Umsetzung der EU-Gesetze zur Freizügigkeit von bulgarischen und rumänischen Arbeitnehmern bis zu sieben Jahre hinauszuzögern.
Beim bulgarischen und rumänischen Beitritt zur EU im Jahr 2007 entschieden sich bereits 10 von 25 Mitgliedstaaten für eine Öffnung ihrer Arbeitsmärkte für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer. Die Anzahl ist zum jetzigen Zeitpunkt auf 15 gestiegen, nur zehn Mitgliedstaaten wenden weiterhin Beschränkungen an. Es soll angemerkt werden, dass einige dieser zehn Mitgliedstaaten weniger strenge Auflagen oder Verfahren anwenden als vor dem EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien.
Es ist wichtig, eines dabei nicht zu vergessen: Die Entscheidung über die Anwendung der Übergangsregelungen und die Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs liegt ausschließlich in der Verantwortung der entsprechenden Mitgliedstaaten. Der Kommission kommt keine offizielle Rolle bei der Beendigung dieser Beschränkungen zu.
Die Kommission ist jedoch grundsätzlich dafür, die volle Freizügigkeit der Arbeitnehmer umzusetzen. Zudem hat sich die Kommission stets darum bemüht, sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten, die die Beschränkungen anwenden, dies gemäß den im Beitrittsvertrag festgelegten Bedingungen tun.
Gleichzeitig hat die Kommission wiederholt betont, dass die Übergangsregelungen definitionsgemäß befristete Maßnahmen sind und dass die Mitgliedstaaten ihre Arbeitsmärkte mit der Zeit öffnen sollten, anstatt die Umsetzung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bis zum Ende der sieben Jahre hinauszuzögern.
Die Berichte der Kommission über die Wirkung der Übergangsregelungen aus den Jahren 2006 und 2008 zeigen, dass die Arbeitskräftemobilität, die auf die 2004 und 2007 stattgefundenen Erweiterungen folgte, eine positive Auswirkung auf die Wirtschaft gehabt hat und dazu beiträgt, die Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen. Diese Ergebnisse behalten selbst in der derzeitigen Wirtschaftskrise ihre Gültigkeit. Die Kommission wird Mitgliedstaaten weiterhin ermutigen, ihren Standpunkt gegenüber dem Zugang zum Arbeitsmarkt erneut zu überprüfen, und dabei auch immer wieder auf die Ergebnisse dieser Berichte hinweisen.
Zu der Anzahl oder der sozialen Lage irregulärer Arbeitskräfte, die aus den kürzlich der EU beigetretenen Mitgliedstaaten stammen, liegen keine detaillierten Angaben vor. Der Grund hierfür liegt eben darin, dass ihr Aufenthalt in den entsprechenden Mitgliedstaaten nicht offiziell ist.
In den Berichten aus den Jahren 2006 und 2008 hat die Kommission hervorgehoben, dass Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht zwangsläufig zu einem Schutz des nationalen Arbeitsmarkts führen und Anpassungen des Arbeitsmarkts verzögern können. Zudem können Übergangsregelungen das Ausmaß der Schwarzarbeit verschärfen. Es hat sich gezeigt, dass die Erweiterung dazu beigetragen hat, einen Teil der Schattenwirtschaft, der aus zuvor unangemeldeten Schwarzarbeitern aus den neuen Mitgliedstaaten bestand, ans Tageslicht zu bringen.
Es liegen auch einschlägige Beweise dafür vor, dass Bürgerinnen und Bürger der neuen Mitgliedstaaten aufgrund der Beschränkungen des Arbeitsmarktzugangs der "alten" Mitgliedstaaten nicht gemeldete Arbeitsplätze innehatten. Das deckt sich mit Forschungsergebnissen, die belegen, dass Mobilitätsbewegungen hauptsächlich von Angebots- und Nachfragefaktoren bestimmt sind und dass Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer Anpassungen des Arbeitsmarkts verzögern.
Die Kommission hat nicht die Absicht, eine Studie speziell zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Schwarzarbeitern aus Bulgarien und Rumänien oder zu deren Auswirkungen auf den innerstaatlichen Arbeitsmarkt auszuarbeiten, insbesondere, aufgrund eines Mangels an Informationen und den Schwierigkeiten, die mit der Erhebung solcher Daten verbunden sind. Da es in den Übergangsregelungen festgelegt ist, wird, falls Bulgarien oder Rumänien dies fordern, die Kommission in der Zukunft eine Analyse über das Funktionieren der Übergangsregelungen für die beiden Länder erstellen und dabei, so weit wie möglich, das Problem bulgarischer und rumänischer „irregulärer Arbeitskräfte“ untersuchen. Zudem wird die Kommission weiterhin gemeinsam mit den Mitgliedstaaten bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit fördern.
Die Kommission sieht ein, dass die Tatsache, dass bulgarische und rumänische Arbeitnehmer Beschränkungen ausgesetzt sind, als Diskriminierung angesehen werden kann.
Ich möchte betonen, dass Übergangsregelungen im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in den meisten der vorangegangen Erweiterungen Anwendung fanden. Übergangsregelungen bestehen darüber hinaus nicht nur für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer, sondern auch für Arbeitnehmer aus acht der zehn Mitgliedstaaten, die der EU 2004 beigetreten sind.
Es ist ebenfalls erwähnenswert, dass die derzeitigen Übergangsregelungen den Mitgliedstaaten eine größere Flexibilität bieten, indem diese vor dem Hintergrund ihrer Arbeitsmarktsituation selbst den Zeitpunkt innerhalb dieser sieben Jahre bestimmen können, zu dem sie die EU-Gesetze über die Freizügigkeit von Arbeitnehmern beginnen anzuwenden (vorangegangene Übergangsregelungen haben einfach die Einführung des EU-Gesetztes zur Freizügigkeit von Arbeitnehmern mehrere Jahre aufgeschoben).
Die Diskriminierung, die von bulgarischen und rumänischen Arbeitnehmern empfunden wird, die noch nicht in den zehn Mitgliedstaaten, die Beschränkungen anwenden, frei arbeiten können, stellt jedoch keine Diskriminierung im rechtlichen Sinne dar. Auch wenn Artikel 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, erfolgt dies in Abhängigkeit von bestimmten in anderen EU-Verträgen enthaltenen Bestimmungen. Die in den Beitrittsverträgen festgelegten Übergangsregelungen enthalten derartige Bestimmungen.
Die temporäre Beschränkung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer auf der Grundlage der Übergangsregelungen verstößt daher nicht gegen EU-Recht.
Thomas Mann, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident! Die siebenjährige Übergangszeit bis zur völligen Freizügigkeit für die im Jahre 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten wurde in Deutschland und Österreich durch die 2+3+2-Regelung maximal genutzt. Für Bulgarien und Rumänien nimmt Deutschland in der zweiten Phase von 2009 bis 2011 ebenfalls die gesamte zulässige Zeit in Anspruch.
Kommissar Dalli hat darauf hingewiesen, dass es zehn Mitgliedstaaten sind, die noch Beschränkungen haben. Nicht ohne Grund, denn es gibt unterschiedliche Erfahrungen in den Mitgliedstaaten, niemals diskriminierend – Sie haben zu Recht auf Artikel 18 hingewiesen – und zeitlich begrenzt. Die schrittweise Gewöhnung an eine Veränderung ist eine wichtige politische Grundentscheidung. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine vorzeitige Herstellung der Freizügigkeit große Gefahren für den Arbeitsmarkt in sich birgt. Es betrifft verschiedene Zielgruppen, zum Beispiel die Langzeitarbeitslosen, aber auch die Geringqualifizierten, und in meinem Land etwa die Regionen in Ostdeutschland. Der Zugang zu den Arbeitsplätzen in der EU wird also weiterhin gesteuert sein müssen, weil diese Erfahrungen unterschiedlich sind, aber es wird natürlich in Kürze zu einer Veränderung führen. Darauf sind wir aber noch nicht richtig eingestellt.
Die Forderung an die Kommission, eine Studie über den so genannten positiven Einfluss von ungesetzlichen Arbeitskräften aus Bulgarien und Rumänien zu machen, ist ein völlig falscher Ansatz. Wenn Illegale gegen geltendes Recht verstoßen, kann ein solcher Rechtsbruch durch noch so schöne Statistiken nicht verharmlost werden. Ich bin nach wie vor für scharfe Kontrollen, damit wir die Schwarzarbeit und die Illegalität bekämpfen. Das sind wir nämlich den legalen Arbeitskräften schuldig.
Wir haben eine weitere wichtige Aufgabe gemeinsam zu lösen, indem wir die volle Freizügigkeit ab dem Jahr 2012 ausführlich behandeln. Die Chancen und die Risiken gehören dazu. Nur wenn wir differenzieren, wenn wir Fakten behandeln, wenn wir eine qualifizierte, ausführliche Diskussion führen, können wir verhindern, dass es Stammtischparolen gibt, dass es zur Ausgrenzung kommt, und dass wir auf einmal nur noch gegeneinander arbeiten statt zusammen. Das ist eine klare Position der EVP-Fraktion.
Bereits im Dezember 2009 habe ich an die Kommission eine Anfrage gerichtet und die Frage gestellt, ob es denn verwertbare Aussagen gibt über die Auswirkungen der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Antwort hieß: Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern wirkt sich positiv auf die Wirtschaft aus, hat keine negativen Nebenwirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Sorry, Herr Kommissar, das ist zu dünn! Sie waren damals noch nicht im Amt. Umso wichtiger, dass Ihr Haus viel Verständnis für Befürchtungen hat, aber auch viel Wissen einbringen kann in die notwendige Diskussion über Veränderungen und in Argumentationen mit Substanz in den alten und neuen Mitgliedstaaten.
Ivailo Kalfin, im Namen der S&D-Fraktion. – (BG)Herr Kommissar, ich möchte diese Aussprache dazu nutzen, an die Regierungen der Mitgliedstaaten zu appellieren, in denen bulgarische und rumänische Bürgerinnen und Bürger immer noch verschiedenen Arbeitsmarktsbeschränkungen ausgesetzt sind, und diese Regierungen bitten, diese Beschränkungen so schnell wie möglich aufzuheben. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in den Grundsätzen der Europäischen Union, von denen einer der freie Personenverkehr ist.
Aus wirtschaftlicher Perspektive gesehen bietet die Öffnung des Arbeitsmarkts einen hohen Mehrwert. Dies liegt auf der einen Seite an einem besseren Angebot an Spezialisten in Bereichen, in denen es auf dem inländischen Markt nicht genügend Anwärter gibt. Als Beispiel kann ich Ihnen die bulgarischen Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitswesen nennen, die in Bereichen tätig sind, in denen Mitgliedstaaten über nicht genügend eigenes Personal verfügen. Dies führt in abgelegenen Regionen Bulgariens zu Problemen, behebt aber zum Beispiel die Probleme in Regionen des Vereinigten Königreichs und Frankreichs. Für die Steuerzahler bedeutet das geringere Kosten und bessere öffentliche Dienstleistungen. Im Wirtschaftsbereich stellen die Arbeitnehmer der neuen Mitgliedstaaten in der Regel entweder hoch qualifizierte Spezialisten dar, die von jeder Volkswirtschaft gern gesehen werden oder Arbeitnehmer, die Defizite im Arbeitsmarkt ausgleichen und damit die Wettbewerbsfähigkeit steigern und Unternehmen davon abhalten, sich außerhalb der Europäischen Union neu anzusiedeln.
Die Unterstellung, Bürgerinnen und Bürger der neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union würden inländische Arbeitnehmer aus dem Niedriglohnsektor verdrängen, ist vollständig unbegründet und populistisch Ein bulgarischer Bürger, der in einem anderen Land arbeitet, benötigt Geld für Unterkunft, zur Unterstützung seiner Familie und um seine Kinder zur Schule zu schicken. Er wird außerdem versuchen, Geld zu sparen, mit der Aussicht, eines Tages nach Hause zurückkehren zu können. Zu alledem kommt auch noch die Sprachbarriere. Berichte darüber, für welch niedrigen Lohn dieser Bürger arbeiten würden, sind ein für den heimischen Konsum geschaffener Großstadtmythos. Durch die Daten der Europäischen Kommission wird dies ebenfalls bestätigt. Diese besagen, dass der Anteil der Wanderarbeiter aus den neuen Mitgliedstaaten nach der Erweiterung der Europäischen Union von 0,2 % auf 0,5 % der Bevölkerung der alten Mitgliedstaaten angestiegen ist. Es gibt also offensichtlich keine Migrationswelle. Auf der anderen Seite besteht das Problem darin, dass es sehr viel weniger Wanderarbeiter aus Mitgliedstaaten als Einwanderer aus Drittländern gibt.
Die Arbeitsmarktbeschränkungen können nicht mit objektiven Argumenten begründet werden. Ein gleicher Zugang zu den Märkten führt zu größerer Transparenz, erzielt wirtschaftliche Gewinne und wirkt sich positiv auf die Sozialsysteme der Mitgliedstaaten aus. Herr Kommissar, wir erwarten, dass die Kommission den Verlauf sehr genau beobachtet und Mitgliedstaaten über die Vorteile einer Marktöffnung informiert.
Adina-Ioana Vălean, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, ich bin mit Herrn Barrosos Aussage vom Dienstag, die Vertiefung des Binnenmarkts ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen, in gewisser Weise zufrieden. 24 Jahre nach der Einheitlichen Europäischen Akte und 18 Jahre, nachdem der Binnenmarkt vollendet sein sollte, ist er immer noch nicht vollständig Realität geworden. Ich zitiere Herrn Barroso: „Nur 8 % unserer 20 Millionen mittelständischen Unternehmen treiben über Staatsgrenzen hinweg Handel“.
Der Monti-Bericht benennt innerhalb der Europäischen Union 150 Hürden, die den freien Verkehr von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen behindern. Dieser so genannte „Binnenmarkt“ ist nichts weiter als französischer Greyerzerkäse!
Herr Barroso verkauft uns jetzt die Idee einer Binnenmarktakte und fordert die Wiedereinführung von Herrn Delors' europäischer Idee. Lassen Sie mich Ihr Gedächtnis bezüglich der europäischen Geschichte auffrischen: Wenn wir einen Binnenmarkt auf der Grundlage des Prinzips des freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehrs schaffen wollen: Wenn wir einen wirtschaftlichen Nationalismus als Gegenbewegung zur Wirtschaftskrise vermeiden wollen, und wenn wir die wettbewerbsfähigste Wirtschaft sein wollen und unsere Wettbewerbsstärke fördern und mehr Arbeitsplätze schaffen wollen, dann sollte unser oberstes und vorrangiges Ziel sein, diese errichteten, ungerechtfertigten Barrieren hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus Rumänien, Bulgarien und den anderen zehn neuen Mitgliedstaaten, die auf irrationalen Ängsten basieren und sich als unbegründet herausgestellt haben, zu beseitigen.
Die Kommission muss mit Mitgliedstaaten, die weiterhin die Übergangsbeschränkungen anwenden, sehr streng umgehen. Diese Barrieren müssen auf der Grundlage von aussagekräftigen Wirtschaftsdaten begründet werden. Die vorgebrachten Schwachstellen oder schwerwiegenden Beeinträchtigungen des nationalen Arbeitsmarkts müssen auf der Grundlage rationaler Zahlen gerechtfertigt und mithilfe von Statistiken und Fakten genau untersucht werden.
Wenn Herr Barroso vorhat, den Binnenmarkt neu zubeleben, dann ist es an der Zeit, entsprechend unserer Worte zu handeln. Es ist an der Zeit, dass wir diese schändlichen Mauern des wirtschaftlichen Protektionismus und Nationalismus einreißen.
Rui Tavares, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) In dieser Woche haben wir in diesem Parlament viele Beiträge zum Thema Freizügigkeit gehört, insbesondere von Rumänien und Bulgarien, nicht nur im Zusammenhang mit dem Problem der Arbeitnehmer, sondern auch gestern zum Thema der Roma- beziehungsweise Zigeunerminderheiten. Häufig verlieren wir uns in den rechtlichen Fragen dieses Problems und vergessen darüber, dass das Gesetz nur einen grundlegenden Rahmen für den Geist der Europäischen Union, dessen Kern die Freizügigkeit ist, darstellt.
Das Gesetz stellt die unterste Grenze für Freizügigkeit dar. Zurzeit nutzen die Regierungen einiger Mitgliedstaaten das Gesetz, um dem Verfassungsgedanken der EU entgegenzuwirken. Im Parlament haben wir uns ebenfalls in rechtlichen Analysen verstrickt und vergessen, dass wir ein politisches Plenum und keine Rechtsberatungsfirma sind.
Wir müssen die Überbringer einer Vision für Europa sein und müssen entschiedener betonen, dass die Freizügigkeit das Ziel der EU ist. Deswegen bin ich der Meinung, dass die Kommission weiter hinter diesem Ideal zurückbleibt. Die Rolle der Kommission hat sich in letzter Zeit verändert. Der Kommissar teilt uns mit, dass die Mitgliedstaaten das Recht haben, die Beschränkungen zu verhängen und dass die Kommission damit nichts zu tun hat. Hat sie aber doch! Die Kommission ist Wächterin der Verträge und ich bin der Meinung, dass sie mit mehr Nachdruck und Leidenschaft für die Freizügigkeit eintreten muss. Wir wissen, dass Staaten, die eine große regionale Einheit darstellen, wie zum Beispiel die USA oder Brasilien oder unsere Konkurrenzgemeinschaften, die, wie diese zwei Länder, eine Politik der internen Freizügigkeit verfolgen, weit besser auf Krisen reagieren können, da ihre Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, sich dort nach Arbeit umzusehen, wo diese zu finden ist. Wir in Europa hatten von Anfang an Schwierigkeiten, schnell auf diese Krise zu reagieren.
Über ihr auf nationale Interessen gerichtetes Handeln in diesem Bereich vergessen die Mitgliedstaaten das öffentliche Interesse. Gegen ein derartiges Vorgehen auf dem Kapitalmarkt spricht sich die Kommission entschieden aus, also warum kann sie das dann nicht auch für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer machen?
Gerard Batten, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident, diese Anfrage beginnt mit der Aussage, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer für die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten von Nutzen ist und keine schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf ihre Arbeitsmärkte hat.
Der amerikanische Ökonom, Professor George Borjas, ist anderer Meinung. Er behauptet, „Einwanderung bringt keinen Gewinn, sofern dadurch nicht das ursprüngliche Gehaltsniveau gesenkt wird“. Eine 2003 von der niederländischen Regierung veröffentlichte Studie besagt: „Das Bruttoinlandsprodukt wird sich erhöhen, wobei dieser Zuwachs hauptsächlich den Einwanderern in Form von Gehältern zufließen wird. Der gesamte Gewinn des Nettoeinkommens der Gebietsansässigen ist wahrscheinlich gering, wenn nicht sogar negativ“. Ein Bericht des engeren Ausschusses für Wirtschaft des britischen Oberhauses kam 2008 zu folgendem Schluss: „Auch wenn es theoretisch möglich ist, haben wir keine systematischen empirischen Nachweise gefunden, die darauf hindeuten, dass die Netto-Einwanderung einen bedeutenden dynamischen Nutzen für die ansässige Bevölkerung in Großbritannien bringt“.
Unkontrollierte und uneingeschränkte Einwanderung nach Großbritannien hatte zur Folge, dass die Löhne der ansässigen Arbeitnehmer gedrückt wurden, während gleichzeitig aufgrund des erhöhten Bedarfs an Wohnungen und Häusern die Lebenserhaltungskosten angestiegen sind. Die Menschen am unteren Ende der Wirtschaftsskala wurden damit direkt konfrontiert.
Die massive Einwanderung billiger Arbeitskräfte mag einer wachsenden und sich entwickelnden Wirtschaft in einem Land mit einer großen Menge an unerschlossenen natürlichen Ressourcen nützen, wie zum Beispiel Amerika im 19. Jahrhundert, aber auf eine entwickelte, postindustrielle Wirtschaft wie Großbritannien hat sie, wie sich gezeigt hat, gegenteilige Auswirkungen.
Regierungen sollten zuerst die Interessen ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürger schützen und dann erst andere Länder durch die Einführung sinnvoller internationaler Handelsabkommen bei der Entwicklung ihrer Volkswirtschaften helfen, so wie es Großbritannien vor dem Beitritt zur Europäischen Union gehandhabt hat. Deshalb ist die Politik der UKIP die einzig vernünftige für Großbritannien, das heißt, der Austritt aus der Europäischen Union.
Traian Ungureanu (PPE). – Herr Präsident, während der derzeitigen Wirtschaftskrise bedarf es entschlossener Maßnahmen, um einen Binnenmarkt wirksam zu vollenden. Wenn wir nicht bereit sind, unsere Märkte, einschließlich des Arbeitsmarkts, allen europäischen Bürgerinnen und Bürgern zu öffnen, werden die Verluste höher als die Gewinne sein. Jüngste Studien der Europäischen Kommission haben den Nutzen der Öffnung des Arbeitsmarkts aufgezeigt und dargestellt, dass Ängste vor Arbeitsplatzverlusten aufgrund von Arbeitsmigration vollständig unbegründet sind.
Diese Art der Panikmache hat sich immer wieder als unbegründet erwiesen. 2006 haben britische Experten vorausgesagt, dass 300 000 Rumänen Großbritannien auf der Suche nach Arbeit überschwemmen würden. Sie warten heute noch auf sie. Nichts dergleichen ist passiert. In Wahrheit gibt es keine rationale Begründung für eine Aufrechterhaltung der Arbeitmarktbeschränkung für rumänische und bulgarische Arbeitnehmer. Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass Arbeitnehmer aus den östlichen Mitgliedstaaten eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt schließen und Arbeitsplätze annehmen, die von den einheimischen Arbeitskräften nicht gewollt sind oder von ihnen nicht völlig abgedeckt werden.
Zudem werden Rumänen und Bulgaren keineswegs in Westeuropa ankommen, um die großzügigen Wohlfahrtssysteme auszunutzen. Sowohl in Rumänien als auch in Bulgarien schreiben sich viele im Sekundär- und Hochschulbereich ein. Beide Länder verfügen über eine hoch qualifizierte, belastbare Erwerbsbevölkerung. Wenn die EU in diesen Zeiten der Krise ihre Ressourcen in vollem Umfang nutzen möchte, muss das politische Vertrauen und eine wirtschaftliche Offenheit zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen werden. Um Präsident Barrosos Rede zu zitieren, die er vor zwei Tagen in diesem Parlament gehalten hat: „Entweder wir schwimmen zusammen oder gehen einzeln unter“. Anders ausgedrückt, entweder wir arbeiten zusammen oder wir werden einzeln arbeitslos.
Evgeni Kirilov (S&D). – Herr Präsident, der Bericht der Kommission zeigt klar auf, dass der Umfang und die Richtung der Arbeitskräftemigration eher durch Angebot an und Nachfrage nach Arbeitskräften bestimmt wird als durch Arbeitsmarktbeschränkungen. Der Bericht zeigt weiterhin auf, dass zukünftige Einwanderungsströme von Bulgaren und Rumänen in die EU sehr unwahrscheinlich sind.
Da Schwarzarbeiter eine gefährdete Personengruppe und leicht auszubeuten ist, fördern diese Beschränkungen die Einführung schlechter Praktiken. Wie Kommissar De Gucht sagt, würde sich, wenn die Beschränkungen wegfielen, der Personenfluss nicht ändern, aber es würde dazu führen, dass diese Menschen Sozialabgaben und Steuern bezahlten.
Die Zuwanderungsströme aus Bulgarien und Rumänien infolge der EU-Erweiterung wurden zudem deutlich von den jüngsten Zuwanderungsströmen aus Ländern außerhalb der EU übertroffen. Nichtdiskriminierung und Freizügigkeit sind ganz klar Grundrechte eines jeden Arbeitnehmers der Europäischen Union, und es ist eine traurige Tatsache, dass, wie in dem Bericht aufgezeigt wurde, sich einige Mitgliedstaaten der EU gegen eine Einhaltung dieser Grundrechte entschieden haben.
Ich möchte etwas sehr Wichtiges betonen: Die Duldung von EU-Bürgern zweiter Klasse stellt die Integrität der Union insgesamt in Frage.
Antonyia Parvanova (ALDE). – (BG) Herr Kommissar, meine Damen und Herren, wenn wir von einer einheitlichen Europäischen Union und einem einheitlichen europäischen Binnenmarkt sprechen, dann können wir keine Beschränkungen unterstützen, die künstlich jedem Bürger der Europäischen Union auferlegt werden, der sein ihm gewährtes Recht, in anderen Mitgliedstaaten ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit arbeiten zu können, nutzt, da dies einen groben Verstoß gegen die bulgarischen und rumänischen Bürgerinnen und Bürger auf dem Arbeitsmarkt darstellen würde. Im Geist der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und wie bereits von Herrn Kirilov erwähnt, müssen wir die Schaffung einer neuen Klasse verhindern; wir wollen keine europäischen Bürger der zweiten Klasse sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir die vorläufigen Beschränkungen der Freizügigkeit der bulgarischen und rumänischen Arbeitnehmer aufheben.
Vor diesem Hintergrund appelliere ich an die Kommission, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, einen großen Schritt in Richtung einer breiteren Öffnung ihrer Arbeitsmärkte für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer zu machen, ohne die nationalen Arbeitsrechtsvorschriften in den einzelnen Staaten der Europäischen Union zu verletzen.
Die jüngsten Ereignisse in Europa bezüglich der Migration der Roma-Minderheit aus unseren beiden Ländern, die die Möglichkeit der Freizügigkeit nutzen, um eine bessere Zukunft zu finden, macht deutlich, dass für die Kommission der Zeitpunkt gekommen ist, zu handeln. Angesichts der nachweislich positiven Auswirkungen der Mobilität infolge der EU-Erweiterung und um eine wirksamere Funktionsweise des Binnenmarktes sicherzustellen, appelliere ich an die Kommission, ein realistisches Maßnahmenpaket vorzuschlagen, um Mitgliedstaaten von einer Änderung ihrer Arbeitsmarktpolitik zu überzeugen und nationale Regierungen dazu zu veranlassen, sich dazu zu verpflichten, die derzeitigen den bulgarischen und rumänischen Bürgerinnen und Bürger auferlegten Beschränkungen nicht zu verlängern.
Ich möchte abschließend betonen, dass jede Grundlage für eine Diskriminierung in Arbeitsverhältnissen abgeschafft werden muss, um die stärkste Kraft hinter der europäischen Integration, mit anderen Worten Europas Bürgerinnen und Bürger, nicht aufzuhalten.
Marie-Christine Vergiat (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, leider gehört Frankreich zu den zehn Mitgliedstaaten, die Beschränkungen gegen die Freizügigkeit von rumänischen und bulgarischen Arbeitern verhängt haben. Wenn meine Informationen stimmen, war es sogar Frankreich, das sich für eine Ausweitung der zum Zeitpunkt des Beitritts der ersten acht osteuropäischen Länder eingeführten Maßnahmen auf Rumänien und Bulgarien aussprach. Es muss erwähnt werden, dass die damalige französische Regierung sich nicht sehr von der sich derzeit an der Macht befindlichen Regierung unterscheidet und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieser beiden Staaten besonders misstrauisch ist. In dieser Zeit wurde viele Gesetze verabschiedet, die die Einreise von Bürgerinnen und Bürger dieser zwei Länder verhindern sollten, denn nach der Meinung der französischen Behörden kommen nach den Rumänen und Bulgaren die Roma.
Wie Sie uns mitgeteilt haben, Herr Kommissar, ist Freizügigkeit ein wesentlicher Grundsatz der EU. In diesem Plenarsaal sprechen wir häufig von unseren gemeinsamen Werten und unserer Verpflichtung gegenüber den Menschenrechten. Wie also, Herr Kommissar, kann es sein, dass Männer und natürlich auch Frauen schlechter behandelt werden als Kapital und Waren?
Sie sagen, dass die Mobilität der Arbeitnehmer sich positiv auf die Wirtschaft auswirkt, selbst unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen. Wie kann es dann sein, Herr Kommissar, dass die Kommission nicht genauso viel Energie darauf verwendet, die Staaten von einer Aufhebung der Beschränkungen zu überzeugen, wie sie es in anderen Wirtschaftsbereichen tut?
Schließlich ist es Ihre Aussage, Herr Kommissar, dass „es nicht die Staaten sind, die diese Arbeitnehmer diskriminieren“. Als Französin kann ich Ihnen da wirklich nicht zustimmen.
Iliana Ivanova (PPE). – (BG) Meine Damen und Herren, das Europäische Parlament hat in seiner Arbeit stets seine Rolle betont, die Interessen der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu vertreten. Die meisten von Ihnen werden mir darin zustimmen, dass Diskriminierung, unabhängig von ihrem Ursprung, keinen Platz in einer Europäischen Union hat, wie wir sie uns vorstellen und in der wir unsere Kinder aufwachsen sehen möchten. Die Beschränkungen gegenüber Arbeitnehmern aus Bulgarien und Rumänien, selbst wenn sie durch die Beitrittsverträge beider Staaten rechtlich begründet sind, stellen im Grunde eine Diskriminierung auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit dar. Wir können nicht über eine ungerechte Behandlung der Roma sprechen, wenn wir gleichzeitig die Augen vor der ungleichen Behandlung der Arbeitnehmer aus zwei EU-Mitgliedstaaten verschließen.
Ich unterstütze, was meine Kolleginnen und Kollegen bereits vorgetragen haben. Die von der Europäischen Kommission durchgeführten Studien und abgegebenen Empfehlungen beweisen tatsächlich, dass die Erweiterung des Arbeitsmarkts eine positive Wirkung zeigt und für die allgemeine Entwicklung eines einheitlichen europäischen Binnenmarkts förderlich ist. Trotzdem bleibt die Tatsache, dass zehn Mitgliedstaaten weiterhin den Zugang zu ihren Arbeitsmärkten bis 2013 beschränken.
Meine Kolleginnen und Kollegen, Europa ist an einem Scheideweg und wir müssen uns jetzt entscheiden, welche Richtung wir einschlagen werden: hin zu mehr oder zu weniger Integration. Meiner Meinung nach kann es ohne Zweifel nur in eine Richtung gehen: hin zu einem starken, vereinten Europa. Allerdings bedeutet dieser Weg auch, dass wir alle deutlich den Wunsch zeigen, grundlegende europäische Werte zu respektieren, was wiederum einen freien Verkehr von Personen und Arbeitnehmern bedeutet. Ich hoffe aufrichtig, der Protektionismus wird nicht siegen, wenn einzelstaatliche politische Strategien entworfen werden, denn gemeinsam können wir der Welt viel stärker gegenübertreten als geteilt. Ich appelliere an die Europäische Kommission, natürlich auch durch Unterstützung des Europäischen Parlaments, tatsächlich aktiver und entschlossener mit den Ländern zusammenzuarbeiten, die noch Beschränkungen auferlegen, sodass diese vorzeitig aufgehoben werden können. Ich bin der Ansicht, dies hilft auch der europäischen Wirtschaft, sich schneller von der Rezession zu erholen, sodass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern mit einem reinen Gewissen in die Augen schauen können und ihnen sagen können: In der Europäischen Union des 21. Jahrhunderts gibt es keine Diskriminierung.
Iliana Malinova Iotova (S&D). – (BG) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herrn, Bulgarien und Rumänien haben offensichtlich der Angst der Europäer vor riesigen Arbeiterströmen, die ihre Arbeitsmärkte bedrohen, entgegengewirkt. Die Statistiken der Europäischen Kommission zeigen, dass weniger als 1 % der Bulgaren Arbeit in den alten Mitgliedstaaten suchen. Selbst vor dem Hintergrund der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise und jüngsten Ängsten vor einer stark ansteigenden Arbeitslosigkeit hat sich dieser Trend nicht geändert. Arbeitnehmer würden natürlich in Länder emigrieren, in denen es eine Nachfrage an Arbeitskräften gibt; die Statistiken zeigen allerdings auf, dass die Arbeitslosigkeit in einigen dieser zehn Staaten höher ist als in Bulgarien oder Rumänien.
Die Beibehaltung der Beschränkungen fördert Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit. Ich frage mich, ob Ihnen bewusst ist, dass allein in den Niederlanden der Anteil der schwarzarbeitenden Bulgaren und Rumänen um 8 % angestiegen ist. Da dies Kosten reduziert, wird dies sowohl von den Arbeitgebern als auch den Niederländern akzeptiert. Das schließt noch nicht mal die Saisonarbeiter ohne Arbeitsverträge und soziale Rechte mit ein. Beschränkungen werden das Problem der Arbeitslosigkeit in Europa nicht beseitigen.
Ich bin mir sicher Herr Kommissar, dass die Europäische Kommission über Mittel verfügt, die es ihr erlauben, bei den zehn Ländern Lobbyarbeit für die Lockerung der Beschränkungen für die bulgarischen und rumänischen Arbeitnehmer zu betreiben. Angemessenerweise haben Sie auf die Verträge hingewiesen. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass diese Verträge unter anderen Bedingungen unterzeichnet wurden. Heutzutage gibt es andere Umstände, die sich „Rezession“ nennen. Erneute Diskussionen im Rat zu dieser Problematik, die Sie anstoßen könnten, sind ebenfalls überfällig. Wir erwarten nicht nur, dass Sie unsere Verbündeten sind, sondern auch, dass konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden. Sie sind der Hüter der EU-Verträge und müssen dafür sorgen, dass gegenüber Bulgarien und Rumänien keine Doppelmoral angewandt wird, ungeachtet der Tendenzen, die hierfür offensichtlich bestehen und die wir sogar in diesem Plenarsaal zu hören bekommen.
Renate Weber (ALDE). – Herr Präsident, Ich gebe zu, es würde mir leichter fallen in meiner Muttersprache zu sprechen, aber nach der Antwort des Kommissars habe ich mich dazu entschieden, meine vorbereiteten Notizen außer Acht zu lassen und auf Englisch zu sprechen. Ich denke, das liegt erstens daran, dass wir lieber vom Kommissar direkt gehört werden wollen als über den Umweg der Dolmetscher; und zweitens denke ich, würden wir ansonsten während dieser späten Aussprache im Plenarsaal heute Abend hauptsächlich Rumänisch und Bulgarisch hören.
Herr Kommissar, Sie haben gesagt, dass sich anhand verschiedener Studien gezeigt hat, dass nach dem Beitritt von Ländern aus Ost- und Zentraleuropa keine Probleme in den Ländern entstanden sind, in denen Arbeitnehmer aufgenommen wurden. Tatsächlich war genau das Gegenteil der Fall: Diese Arbeitnehmer hatten eine positive Auswirkung auf die Wirtschaft und das Bruttoinlandsprodukt. Vor einem Zustrom an Arbeitskräften aus diesen Ländern muss deshalb keine Angst bestehen. Die Tatsache, dass Sie neben Rumänien und Bulgarien auch noch andere Länder erwähnt haben, bietet uns keinen Trost. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Es zeigt, dass eine sogar größere Anzahl von EU-Bürgern diskriminiert wird.
Ich muss zugeben, ich war überrascht, als Sie sagten, dies ist eine Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Wenn wir nicht von einem Binnenmarkt sprechen können, ohne den Arbeitsmarkt zu erwähnen, und wir alle wissen, dass es sich dabei um ein Grundrecht handelt, wie kann es sich dann um eine Entscheidung der Mitgliedstaaten handeln? Die Durchsetzung von Grundrechten liegt, wie wir wissen, im Verantwortungsbereich der Europäischen Union, sodass das Subsidiaritätsprinzip hier nicht greift.
Deshalb bin ich ehrlich der Meinung, die Kommission muss mehr unternehmen, um die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, diese die Europäische Union diskreditierenden Beschränkungen aufzuheben.
Silvia-Adriana Ţicău (S&D). – (RO) Die Freizügigkeit von Personen ist ein Grundrecht in der EU. Um einen Binnenmarkt zu schaffen, bedarf es der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, und die Mobilität der Arbeitskräfte ist eine grundlegende Voraussetzung für eine Verringerung der Arbeitslosigkeit in der EU.
Die Wirtschaftskrise darf nicht als Vorwand verwendet werden, die temporären Maßnahmen zur Begrenzung der Freizügigkeit der rumänischen und bulgarischen Arbeitnehmer weiterhin aufrechtzuerhalten.
Ich möchte auch die Tatsache hervorheben, dass die Mitgliedstaaten EU-Bürgerinnen und -Bürgern den Vorzug gegenüber Arbeitskräften, die aus Ländern außerhalb der EU kommen, geben müssen.
Die derzeitigen, die Freizügigkeit von rumänischen und bulgarischen Arbeitnehmern verhindernden Beschränkungen können zu Schwarzarbeit und Sozialdumping führen. Eine Beseitigung dieser Hürden hilft den Einwanderern und den ansässigen Arbeitskräften gleichermaßen.
Die Tatsache, dass in den Staaten, in denen diese Hürden existieren, Forderungen aus der Wirtschaft laut geworden sind, den Arbeitsmarkt vollständig zu öffnen, zeigt, dass Arbeitgeber sowie Gewerkschaften erkannt haben, dass eine Beseitigung dieser Beschränkungen gleiches Einkommen für gleiche Arbeit und gleiches Wissen bedeutet. Es bedeutet zudem, dass jeder Arbeitnehmer nicht nur Abgaben und Steuern bezahlt, sondern auch zum sozialen Sicherheitssystem und dem Gesundheitswesen beiträgt.
In der Europäischen Union geht es hauptsächlich um ihre 500 Millionen europäischen Bürgerinnen und Bürger und die Anerkennung ihrer Rechte. Ich appelliere an die Kommission und die Mitgliedstaaten, den politischen Willen zu demonstrieren, der notwendig ist, um die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer verhindernden Hürden aufzuheben.
Cătălin Sorin Ivan (S&D). – (RO)Wir diskutieren heute Abend über ein Problem, eine Lösung und einen Standpunkt der Kommission, den ich schwer verstehen kann.
Der Arbeitskräftemangel und die alternde Bevölkerung in Westeuropa werden, wenn Sie so wollen, von Arbeitskräften aus Osteuropa kompensiert. Diese Menschen sind Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und reisen tausende von Kilometern, um in westlichen Ländern zu arbeiten, auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist.
Es gibt Arbeiten, die ein spanischer, italienischer oder französischer Bürger nicht machen möchte und die von diesen Arbeitskräften erledigt werden. Praktisch bedeutet dies, dass die Probleme Westeuropas durch die Arbeitskräfte aus Osteuropa gelöst werden. Allerdings ist es schwierig, den Standpunkt der Kommission zu verstehen, denn diese Angelegenheiten sollten geregelt und die Rechte dieser Arbeitnehmer geachtet werden.
Im Moment ist die Situation für alle sehr unklar, zum Beispiel in Bezug auf die in Spanien oder Italien arbeitenden Menschen und die Anrechnung der Sozialbeiträge nach der Rückkehr in ihre Heimatstaaten.
Corina Creţu (S&D). – (RO)Wie in diesem Plenarsaal bereits erwähnt wurde, existiert fast vier Jahre nach dem Beitritt zur Europäischen Union eine Teilung, die nicht nur für das Integrationsprojekt eine Herausforderung darstellt, sondern auch für eine Realität, die in der Empfehlung der Europäischen Kommission zusammenfassend dargestellt wird. Es ist nur zwei Jahre her, dass diese Empfehlung die positive Auswirkung der Mobilität des Arbeitsmarktes als Folge des Beitritts von Rumänien und Bulgarien aufzeigten.
Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist ein Grundrecht und die derzeitige Lage hilft lediglich, die Absurdität der Beschränkungen, die über Bulgaren und Rumänen verhängt wurden, zu bestätigen. Die europäische Wirtschaft spürt in bestimmten Bereichen die Auswirkungen einer alternden Bevölkerung und des Arbeitskräftemangels, wodurch die Zuwanderung von Arbeitskräften zu einer notwendigen Lösung wird.
Gleichzeitig haben wir diese Woche über die Roma-Krise in Frankreich debattiert. Hätten diese europäischen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit gehabt, Arbeit zu finden und wären sie nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden – das schließt die Arbeitsverbote mit ein –, hätte diese Krise vermieden werden können. Anstatt die Ursachen anzugehen, sind einige Menschen leider der Meinung, sie könnten ein Problem lösen, indem sie gegen die Folgen mit Polizeimaßnahmen vorgehen. Dies zeigt einen fehlenden Realismus und ist leider mit der Scheinheiligkeit einer Doppelmoral verflochten.
Prostitution, Betteln und Kriminalität sind Folgen von Armut, die durch fehlende Arbeitsmöglichkeiten verschlimmert werden. Die einzige realistische Lösung besteht in einer gerechten, nicht diskriminierenden Behandlung aller Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union.
Miroslav Mikolášik (PPE). – (SK) Viele Berichte und Statistiken zeigen, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Wirtschaft von Nutzen ist und keine schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte hat. Ich persönlich bin der Meinung, dass ein größtmögliches Maß an Freizügigkeit, einschließlich der Möglichkeit, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten – und das sollte für alle Menschen innerhalb der Binnengrenzen der Union zutreffen –, eine grundlegende Voraussetzung für die optimale und homogene Funktionsweise des Binnenmarktes ist.
Unter Berücksichtigung der Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union bin ich für eine Öffnung der Arbeitsmärkte für Arbeitskräfte aus allen Mitgliedstaaten und natürlich auch für die EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien, und ich fordere die Kommission dazu auf, die unnötige Ausweitung bestehender, diese Arbeitnehmer betreffenden Maßnahmen zu verbieten. Ein solcher Schritt steht meiner Meinung nach nicht im Einklang mit dem Geist und den Zielen des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der EU oder mit der rechtsverbindlichen Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die gemäß Artikel 45 klar festlegt, dass alle Bürgerinnen und Bürger der EU das Recht haben, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Ich hoffe wirklich, dass die Beschränkungen, welche rumänischen und bulgarischen Arbeitnehmern den Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt verwehren, nicht auch noch über 2011 hinaus in Kraft bleiben.
Ich denke, wir dürfen es nicht zulassen, dass bestimmte wirtschaftlich und sozial unbegründete Ängste politisch ausgenutzt werden und dadurch letztendlich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einschränken.
Arbeitsmigration aus den neuen Mitgliedstaaten hat das Wirtschaftswachstum der EU gefördert und hatte nur eine begrenzte Auswirkung auf die Löhne und Arbeitslosigkeit in den deregulierten Märkten. Hinzu kommt, dass mobile Arbeitnehmer stärker von der Krise betroffen waren als die Arbeitnehmer der Aufnahmeländer, denn sie wurden zuerst entlassen.
Vor dem Hintergrund der Debatten zu dem Problem der Roma in Frankreich finde ich es letztendlich notwendig, dass eine Studie zum Ausmaß der Integration von Wanderarbeitern aus den neuen Mitgliedstaaten durchgeführt wird. Die Anpassung dieser Arbeiter an die vor Ort geltenden Vorschriften muss auf Arbeitsmärkten, zu denen der Zugang dereguliert wurde, ebenfalls beobachtet werden.
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D). – (RO) Es ist absolut unerlässlich, dass die Politik der Europäischen Union zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer die grundlegenden sozialen Rechte der europäischen und kürzlich der EU beigetretenen Bürgerinnen und Bürger in ihren Heimat- und Aufnahmeländern anerkennt.
Die Europäische Union muss auf schnellstem Weg gemeinsame Rahmenrichtlinien festlegen, die den Zugang von Arbeitnehmern der neuen Mitgliedstaaten zum Arbeitsmarkt regeln.
Solange, wie die Sozialpolitik in diesen Bereichen keine Sicherheit bietet, wird eine große Anzahl Bürger und Arbeitnehmer EU-weit Schwierigkeiten haben, einen Legislativvorschlag zur Wahrnehmung von Rechtsmitteln und damit zur Unterstützung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Europa anzunehmen.
Die Kommission muss die sich aus dem Status eines Bürgers der Europäischen Union ergebenden Rechte und Pflichten für die alten und neuen Mitgliedstaaten in gleicher Art und Weise durchsetzen. Ich rede dabei von der Freizügigkeit der rumänischen und bulgarischen Arbeitnehmer.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT)Die kürzlich durchgeführten Massenausweisungen von rumänischen und bulgarischen Bürgerinnen und Bürgern durch die französische Regierung verdeutlichen die schwerwiegenden Konsequenzen der temporären Beschränkungen, die sich auf Bürger der neuen Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union auswirken. Abgesehen vom Ausmaß des sich in inakzeptabler Weise auf Roma und Zigeuner auswirkenden Rassismus und der Xenophobie auf Staatsebene versuchen die französische Regierung und die Regierungen anderer EU-Staaten mit diesen Maßnahmen ebenfalls das Versagen ihrer neoliberalen, zu Arbeitslosigkeit und Armut führenden Politik zu vertuschen.
Die Schlüsselfrage ist daher, festzustellen, ob die Europäische Kommission, der Rat und die nationalen Regierungen bereit sind, sich auf eine Politik zu konzentrieren, die Arbeitsplätze mit Rechten und sozialer Mobilität schafft, wodurch ein Wohlergehen für alle erreicht werden kann und die Diskriminierung von Bürgerinnen und Bürgern, die alle Europäer sind, beendet wird. Das ist die Herausforderung, die sich uns stellt.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, das ist ein interessantes Thema. Freizügigkeit sollte ein grundlegendes Recht für alle Europäerinnen und Europäer sein. Viele Arbeitnehmer aus ganz Europa haben von dieser Freiheit profitiert und entsprechend haben auch viele Staaten ihren Nutzen daraus gezogen.
Während der Zeit des keltischen Tigers konnte mein Land von dem Zustrom an Arbeitskräften, besonders aus den osteuropäischen Ländern, sehr stark profitieren. Sie leisteten einen großen Beitrag und trugen dazu bei, den keltischen Tiger zu erschaffen. Aber jetzt ist der keltische Tiger tot und Irland wird als ein negatives Land angesehen. Viele Menschen verlassen das Land und insbesondere viele junge Menschen können keine Arbeit finden.
Auf lange Sicht gesehen besteht die einzige Möglichkeit, wahre Freizügigkeit der Arbeitnehmer sicherzustellen, darin, in ganz Europa einheitliche Bezüge und einheitliche Sozialleistungen einzuführen. Aber das ist besonders in diesen Zeiten der Rezession noch ein weiter Weg, und es ist fast verrückt, darüber zu sprechen. Letztendlich ist es aber die Möglichkeit, diese Situation zu gewährleisten und die Freiheit, die wir uns alle wünschen, zu erreichen.
Peter Jahr (PPE). - Herr Präsident! Richtig ist, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der Europäischen Union ist ein wichtiger Gradmesser für die innere Vervollkommnung der Europäischen Union. Richtig ist auch, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern wird in naher Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein.
Aber wenn in den Mitgliedstaaten große Einkommens- und vor allen Dingen Regelungsunterschiede herrschen, sind angemessene Übergangsfristen notwendig. Denn es geht darum, Vertrauen zwischen den Menschen zu schaffen, ja, Übergangsfristen sind für das freundliche Zusammenwachsen der Menschen unabdingbar. Übergangsfristen sind allerdings zeitlich begrenzt. Dazu stehen wir! Über die zeitliche Ausdehnung der Fristen lohnt sich aber eine sachlich begründete Diskussion.
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, abschließend möchte ich sagen, dass die Übergangsregelungen eingeführt wurden, um Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, Störungen des Arbeitsmarkts infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zu vermeiden, und nicht um einfach die Anwendung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus diesen Ländern bis zum Ende des Übergangszeitraums zu verzögern.
Wie Frau Parvanova richtig bemerkt hat, sind unsere Bürgerinnen und Bürger unser größter Vermögenswert, und wir müssen weiterhin auf die Freizügigkeit drängen, um einen effektiven Binnenmarkt im Arbeitsmarktsektor zu erzielen.
Herr Kalfin erwähnte zudem Arbeitnehmer im Gesundheitswesen als ein Beispiel für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Ich muss an dieser Stelle anmerken, dass wir zurzeit sehen, dass aus den neuen Mitgliedstaaten stammende Beschäftigte im Gesundheitswesen von den Ländern abgeworben werden, die diese Beschränkungen aufrechterhalten, und manchmal geschieht dies zu Ungunsten der neuen Mitgliedstaaten. Ich stimme deshalb Herrn Kalfin zu, dass wir auf die Mitgliedstaaten einwirken sollten, die Beschränkungen so bald wie möglich aufzuheben.
Die Kommission wird nicht nur künftig die Anwendung dieser Übergangsregelungen durch die Mitgliedstaaten überwachen, sondern wird auch weiterhin bestimmte Maßnahmen fördern, um in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Schwarzarbeit zu bekämpfen.
Noch wichtiger ist allerdings, dass sie weiterhin Mitgliedstaaten ermutigen wird, ihre Entscheidungen, den Arbeitsmarktzugang für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer zu beschränken, vor dem Hintergrund ihrer eigenen Arbeitsmarktsituation erneut zu prüfen.
Der Präsident. Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Ioan Enciu (S&D), schriftlich. – (RO) Der im November 2008 veröffentlichte Bericht der Kommission weist darauf hin, dass die auf die Erweiterung der EU im Jahr 2007 erfolgten Mobilitätsbewegungen im Allgemeinen positive Auswirkungen hatten. Derzeit sollten Mitgliedstaaten, die interne Arbeitsmarktsbeschränkungen aufrechterhalten, ihren Standpunkt überdenken. Obwohl gemäß den in den von Rumänien und Bulgarien unterzeichneten Beitrittsverträgen verankerten Übergangsregelungen eine Beschränkung des Rechts auf Arbeit keine diskriminierende Handlung darstellt, ist es jetzt, nachdem so viel Zeit seit dem Beitritt vergangen ist, nicht normal oder moralisch, solche Beschränkungen in dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufrechtzuerhalten. Es ist an der Zeit, dass die Kommission Schritte unternimmt, um die Mitgliedstaaten, welche noch Beschränkungen beibehalten, davon zu überzeugen, diese aufzuheben. Wie können wir den rumänischen und bulgarischen Bürgerinnen und Bürger der EU erklären, dass wir, ihre gewählten Vertreter in diesem Parlament, allen legalen Einwanderern gleiche Arbeitsrechte anbieten können, aber für sie nichts tun können? Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen im Geist der EU handeln und die Freizügigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Praxis umsetzen.
Jaromír Kohlíček (GUE/NGL), schriftlich. – (CS)Die Freizügigkeit der Arbeitskräfte ist ein ewiges heikles Problem in der Europäischen Union. Warum soll die Kommission gerade im Fall von Bulgarien und Rumänien Maßnahmen zur Öffnung des Marktes in Erwägung ziehen? In der derzeitigen Wirtschaftskrise ist es doch sicher sehr viel besser, Entschuldigungen zu finden, die die Öffnung des Arbeitsmarktes "rechtfertigen".
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die so genannten neuen Mitgliedstaaten der EU von Bürgern zweiter Klasse bevölkert sind. Die Frage an die Kommission sollte eher folgendermaßen lauten: Was beabsichtigen Sie, dagegen zu unternehmen? Übrigens ist die Fähigkeit, mindestens zwei der 11 Sprachen der ursprünglichen 15 Mitgliedstaaten gut zu beherrschen, immer noch die Voraussetzung bei der Einstellung von Arbeitskräften, die mit den Abläufen der EU-Institutionen betraut sind. Oder wurde diese Regelung jetzt geändert? Wenn wir, meine Damen und Herren, unsere Parlamentsausweise ansehen, sehen wir, mehr als sechs Jahre nach der Erweiterung der EU um Länder aus Zentraleuropa, nur die 11 Sprachen der „alten“ 15 Länder. Ist das nicht ebenfalls diskriminierend gegenüber den neuen Mitgliedstaaten? Steht dies im Einklang mit dem Vertrag von Lissabon und der EU-Charta der Grundrechte?
16. Erzeugnisse aus geklonten Tieren in der Nahrungskette (Aussprache)
Der Präsident. – Das nächste Thema ist die Erklärung der Kommission zu Erzeugnissen aus geklonten Tieren in der Nahrungskette.
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete, ich freue mich, dass mir diese Gelegenheit angeboten wurde, um den Standpunkt der Kommission zu dem heiklen Thema des Klonens von Tieren für die Erzeugung von Nahrungsmitteln darzulegen.
Zunächst sollte ich betonen, dass es keine Belege für Bedenken zur Nahrungsmittelsicherheit bei Nahrungsmitteln gibt, die aus geklonten Tieren gewonnen wurden. Es gibt jedoch einige Tierschutzthemen, die näher betrachtet werden müssen. Solche Bedenken werden jedoch sicherlich im Laufe der Zeit abnehmen, da die Technik sich entwickelt und verbessert. Es gibt natürlich eine ethische Komponente dieses Themas, das, wie ich hinzufügen sollte, außerhalb des Gesetzgebungsauftrags der EU liegt. Sonstige Erwägungen in der allgemeinen Diskussion zu diesem Thema sind die Rechte der Verbraucher, Kenntnisse über Produktionsverfahren zu haben, und die möglichen Handelserschwernisse durch die Ergreifung von Maßnahmen auf diesem Gebiet.
Der wichtigste Punkt für die Kommission ist die Bewertung der Notwendigkeit, der Machbarkeit und der Verhältnismäßigkeit möglicher Maßnahmen, um den Einsatz der Klontechnik und geklonter Tiere und Erzeugnisse zu regulieren. Natürlich bin ich mir der Haltung des Parlaments in Bezug auf den Einsatz von Klontechniken für die Nahrungsmittelerzeugung in Europa völlig bewusst. Die Damen und Herren Abgeordnete hätten gerne, dass ein Verbot auf die Nachkommen geklonter Tiere ausgeweitet würde.
Der Standpunkt der Kommission ist, dass Lebensmittel von geklonten Tieren nicht ohne vorherige Genehmigung auf den Markt gebracht werden sollten, da sie als neuartige Lebensmittel gelten und in der Tat zurzeit durch die Verordnung über neuartige Lebensmittel erfasst werden. Angesichts des Wertes geklonter Tiere macht es Sinn hinzuzufügen, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass diese direkt für Lebensmittelzwecke verwendet werden.
Die Situation in Bezug auf die Nachkommen geklonter Tiere weicht jedoch ziemlich hiervon ab. Solche Tiere lassen sich von jenen herkömmlicher Abstammung nicht unterscheiden. Dieser Aspekt ist bei jeder Maßnahme, die die Kommission vorschlagen könnte, ebenfalls in Betracht zu ziehen.
Um auf den aktuellen Standpunkt zurückzukommen, erkennt die Kommission an, dass die Verordnung über neuartige Lebensmittel nicht der angemessene Rechtsrahmen für die Behandlung aller Aspekte des Klonens ist. Insbesondere die Erzeugung und die Vermarktung der Produkte, die keine Lebensmittel sind – wie Eizellen, Spermien oder Embryos – können nicht durch die Verordnung über neuartige Lebensmittel erfasst werden, die sich ausschließlich mit der Genehmigung von Nahrungsmitteln vor der Vermarktung befasst.
Wie die Damen und Herren Abgeordnete sicher wissen, stellen wir zurzeit einen Bericht zusammen, der alle Aspekte rund um das Klonen für die Nahrungsmittelherstellung umfassen wird. Dieser Bericht wird im November zur Verfügung stehen. Er wird als nützliche Grundlage für zukünftige Diskussionen zwischen den Institutionen dienen.
Ich freue mich darauf, die Diskussionen sowohl mit dem Parlament als auch mit dem Rat fortzusetzen, um ein erfolgreiches Abkommen zu erzielen.
Pilar Ayuso, im Namen der PPE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, ich möchte dem Kommissar für seine Erläuterung zum Klonen von Tieren zur Verwendung als Nahrungsmittel danken.
Sowohl das Parlament als auch die Kommission sind sich einig, dass die Verordnung über neuartige Lebensmittel in der Tat nicht der angemessene Rechtsrahmen ist, um dieses Thema zu behandeln. Wir sind uns darüber einig, was erklärt, warum das Thema nicht länger in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt.
Wir sind uns ebenfalls alle darüber im Klaren, zumindest allen wissenschaftlichen Ausschüssen zufolge, dass tierisches Klonfleisch und das der Nachkommen allen Anforderungen in Bezug auf Nahrungsmittelsicherheit genügt. Gerade hier sehe ich ein Problem. Nämlich, dass es unmöglich ist, zu unterscheiden, ob das Fleisch von einem geklonten Tier stammt oder nicht, oder von einem Nachkommen eines geklonten Tieres, oder von einem Tier, das nicht geklont wurde. Daher besteht die Notwendigkeit – eine wesentliche Notwendigkeit –, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit einzusetzen, damit der Verbraucher informiert ist.
Die Verbraucher wollen wissen, und sie haben das Recht dazu, ob das Fleisch, das sie essen, von einem geklonten Tier stammt oder nicht, ganz unabhängig davon, ob sie wissen, ob es gesund ist oder nicht, weil sie wegen der Themen, die Sie erläutert haben, ablehnen könnten, es zu essen, z.B. wegen des Tierschutzes oder aus ethischen Gründen.
Angesichts der Situation scheint es daher, dass die Erzeugung und der Verbrauch von geklonten Tieren in Europa wahrscheinlich verboten wird, insbesondere die Produktion. Daher werden wir unseren Erzeugern verbieten, eine neue Technik zu verwenden, eine, die gut für die Fortpflanzung der Tiere ist und die ferner Gewinne erzielen kann, denn offensichtlich wird ein Tier dann geklont, wenn es ganz besondere Merkmale aufweist, etwas, was man in Spanien mit Kampfstieren gemacht hat, wo, wie Sie wissen, zwei Kampfstiere geklont wurden.
Und wir werden es verbieten! Werden wir ihnen die Möglichkeit verweigern, diese Technik zu verwenden? Denn wenn dies der Fall ist, werden unsere Landwirte, unsere Viehzüchter ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Das wäre gut, wenn wir in Europa die Einfuhr von Fleisch von geklonten Tieren und deren Nachkommen aus anderen Ländern verbieten könnten. Aber werden wir es verbieten? Wir können es nicht tun. Die Welthandelsorganisation wird unser Verbot nicht hinnehmen. Somit werden wir eine absurde Situation haben, in der unsere Viehzüchter eine neue Technik, die sie konkurrenzfähiger machen würde, nicht nutzen können, aber dennoch werden wir solche Nahrungsmittel in der Europäischen Union essen, mit oder ohne Kennzeichnung.
Das macht mir Sorgen und ich glaube, dass eine Lösung gefunden werden muss. Warum werden wir es verbieten? Warum werden wir unsere Viehzüchter daran hindern, diese Technik einzusetzen, nur um später diese Nahrungsmittel von außerhalb einzuführen, weil wir die Einfuhr nicht verbieten können?
Luis Manuel Capoulas Santos, im Namen der S&D-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, ich möchte mich auch gerne für die Informationen bedanken, die Sie uns bereitgestellt haben. Meine Damen und Herren, alle Arten der Biotechnologie lassen in der Öffentlichkeit Befürchtungen aufkommen, da diese besonders sensibel auf diese Themen reagiert. Das Klonen von Tieren ist keine Ausnahme von der Regel. Es liegt an uns, den politischen Entscheidungsträgern, eine ausreichend informierte Debatte fortzuführen, sodass wir die Angelegenheit unvoreingenommen analysieren können. Es ist wichtig festzuhalten, dass ich hier über das Klonen von Tieren für die Produktion von Nahrungsmitteln spreche. Vom Gesichtspunkt der Nahrungsmittelsicherheit ist dies durch bestehende Verordnungen abgedeckt, und die Überprüfung von neuen Lebensmitteln war Gegenstand langwieriger Diskussionen im Parlament.
Die jüngsten Ereignisse im Vereinigten Königreich in diesem Sommer haben dieses Thema in die Öffentlichkeit gebracht und eine scheinbare Diskrepanz zwischen europäischen Rechtsvorschriften und deren Anwendung auf nationaler Ebene ans Licht gebracht. Die wissenschaftlichen Berichte, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erstellt wurden, kommen zu dem Schluss, dass es für Rinder und Schweine allein Pathologien in Verbindung mit der Entwicklung von Klonen gibt, die Fragen in Bezug auf den Tierschutz aufwerfen. Diese wurden von der Europäischen Ethikgruppe als ernsthaft genug eingeschätzt, um das Klonen von Tieren zum Zwecke der Nahrungsmittelproduktion als unvertretbar zu erachten.
Vom Gesichtspunkt der Nahrungsmittelsicherheit aus betrachtet haben dieselben wissenschaftlichen Berichte die Schlussfolgerung gezogen, dass es keinen echten Unterschied zwischen Kuhmilch, Rind- und Schweinefleisch von gesunden Klonen und deren Nachkommen und denselben Erzeugnissen von normalen Tieren gibt. Diese Berichte stellten jedoch heraus, dass nur begrenzte Daten verfügbar sind und dass es nicht möglich war, umfassende Studien während der gesamten Lebenszeit der Klonen und deren Nachkommen durchzuführen. Dies führt zu einer gewissen Unsicherheit wegen der Schlussfolgerungen, die bereits gezogen wurden, und es bedeutet, dass diese Diskussion auf wissenschaftlicher Grundlage fortgeführt werden muss, damit die Fragen der Öffentlichkeit beantwortet werden können, ohne verantwortungslos ein Veto gegen die Möglichkeiten der Wissenschaft einzulegen.
Ich begrüße daher die Anwesenheit des Kommissars und freue mich auf den Bericht, den er uns über die Verordnung vorlegen wird, die für die Klontechnologie sowie die Erzeugnisse, die bereits hergestellt wurden, Anwendung finden muss.
George Lyon, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, ich halte es für wichtig – wie andere bereits gesagt haben und auch der Kommissar in seinem Beitrag erwähnte –, dass von den Erzeugnissen der Nachkommen geklonter Tiere überhaupt keine Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgeht. Ich betone bewusst das Wort „Nachkommen“ geklonter Tiere, eher als das spezielle Thema geklonter Tiere an sich, weil dies zwei getrennte Themen sind.
Ich möchte hier und heute – wie ich es gestern tat, Herr Kommissar, als wir unser informelles Treffen hatten – die Lage schildern, in der sich die Familie Innes in Schottland im Frühsommer befand. Sie sind schon seit langem eine Familie von Landwirten in Schottland, sehr dynamische, fortschrittliche Landwirte, die stets versucht haben, die besten Erbanlagen auf der Welt zu nutzen. Sie kauften einen Bullen, der in den USA gezüchtet worden war und bei dem sich herausstellte, dass er einen Klon in seiner Abstammung hatte. Sie stellten damals die richtigen Frage über die Verwendung des Tieres und ob es im landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werden könne. Ihnen war nicht klar, dass es ein Problem mit ihm gab, weil er ein Nachkomme eines geklonten Tieres war und nicht selbst ein geklontes Tier. Sie haben jetzt 90 Kühe, die von diesem speziellen Stier gezüchtet wurden, und diese sind etwa 200 000 GBP wert.
Erst als sie begannen zu erwägen, die Milch dieser Tiere zu verkaufen, als diese alt genug für die Erzeugung waren, stellten sie fest, dass es ein Problem gab. Die Auslegung des Vereinigten Königreichs in Bezug auf die gültigen Verordnungen ist dergestalt, dass nicht nur das Erzeugnis des geklonten Tieres, sondern auch das Erzeugnis der Nachkommen in der Nahrungskette des Vereinigten Königreichs verboten ist. Anstoß zu dieser Auslegung gab die Behörde zur Überwachung der Lebensmittelsicherheit (Food Standards Agency). Dies bedeutet, dass diese Tiere wertlos sind, es sei denn, man überführt sie in einen anderen Mitgliedstaat, wo es eine andere Interpretation bezüglich dieser Tiere gibt und wo es erlaubt wäre, dass die Milch von diesen Tieren in die Nahrungskette gelangt, oder wenn man sie tatsächlich wieder in die USA zurückverkaufen würde.
Das ist das Problem, das wir im Hinblick auf mangelnde Einheitlichkeit innerhalb der Mitgliedstaaten haben. Ich glaube, es liegt sowohl im Interesse der Verbraucher als auch in demjenigen der Landwirte, dass wir Gewissheit zu diesem Thema bekommen. In Bezug auf den Standpunkt des Parlaments glaube ich, dass wir zu weit gegangen sind, wenn wir sagen, dass das Fleisch und die Milch von den Nachkommen geklonter Tiere im System verboten sein sollten. Ich glaube, dass es falsch ist und wir müssen hier Bewegung hineinbringen. Mir scheint es, dass wir akzeptieren müssen, dass sich in allen wissenschaftlichen Nachweisen abzeichnet, dass es keinen Unterschied zwischen diesen Tieren, die Nachkommen sind, und jedem anderen Tier gibt, und dass es erlaubt sein sollte, dass sie in die Nahrungskette gelangen.
Ich hoffe, dass wir in einem gewissen Stadium in den nächsten Monaten zu einem Kompromiss kommen können und Gewissheit erlangen, die sowohl Verbraucher als auch Landwirte in Bezug auf dieses sehr sensible und emotionale Thema beruhigt.
Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, Sie mögen uns eine umfassende und interessante Erklärung gegeben haben, aber ich bin verwundert, dass Sie in der Tat gar nichts über einen Zwischenfall gesagt haben, der in gewisser Weise Hintergrund für diese Debatte ist. Ich spreche über einen Zwischenfall, der sich in Schottland ereignet hat: eine gewisse Anzahl von Bullen- und Kuhembryonen, die aus den Vereinigten Staaten eingeführt wurden, Berichte, dass das Fleisch von mindestens einem der Bullen in die Nahrungskette gelangt war und dass etwas von diesem Fleisch bis zu meinem Wahlkreis in Belgien gekommen ist. Sie haben nichts darüber erzählt und ich würde wirklich gerne einen Kommentar von Ihnen hierzu hören, weil dies immerhin ein wichtiger Zwischenfall ist. Sie haben selbst gesagt, dass ein Teil des Problems daher rührt, dass die Verbraucher das Recht haben, zu wissen, woher ihre Lebensmittel stammen. Nun, einigen Einwohnern in meinem Wahlkreis wurde diese Information nicht gegeben. Sie haben Fleisch von Bullen gegessen, die in Schottland von eingeführten Embryos geboren wurden. Ich möchte deshalb hören, was Sie dazu zu sagen haben.
Sie wissen, dass die ganze Debatte auch in Verbindung steht mit dem Vermittlungsverfahren zur Verordnung über neuartige Lebensmittel, das wir vorgestern mit Kartika Liotard als Berichterstatterin begonnen haben. Sie wissen, dass wir und der Rat über dieses Thema uneinig sind. Ich wage zu sagen, dass Sie auch ganz genau wissen, dass der Standpunkt der Kommission im Laufe des Vermittlungsverfahrens – das irgendwann im November, vielleicht Anfang Dezember, aber auf jeden Fall noch in diesem Jahr beendet sein wird – das Ergebnis entscheiden wird. In einer vorhergehenden Aussprache kündigten Sie an, dass Sie einen Bericht erstellen würden und hier zitiere ich Sie auf Englisch mit den Worten: „by November 2010“, also bis November 2010. Nun aber sagen Sie „irgendwann im November“, was soviel heißt wie ganz am Ende des Vermittlungsverfahrens. Herr Kommissar, ich hoffe, dass Sie und Ihre Mitarbeiter etwas mehr Dynamik zeigen werden, zu diesem Thema Stellung zu beziehen, weil wir, als Verhandler, Ihren Standpunkt benötigen, um zu einer Vereinbarung mit dem Rat zu kommen.
Außerdem haben Sie nichts oder nicht sehr viel zum Standpunkt des Parlaments gesagt, das für ein Moratorium ist. Es gibt Kommissare, Ihre Kolleginnen und Kollegen, die, während wir hier reden, auf unsere Kolleginnen und Kollegen Einfluss nehmen, dem Moratorium nicht zuzustimmen, da dies zu einem gewaltigen Handelskrieg führen würde, vielleicht in größerem Umfang als der Bananenkrieg, an dem wir uns mit anderen Ländern im Handelssektor beteiligt haben. Könnten Sie bitte etwas dazu sagen?
Und schließlich sage ich zu meinen Kollegen Abgeordneten, die behaupten, dass dies keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt: Ja, ich würde gerne denken, dass dem so ist, aber lassen Sie mich noch etwas länger der Empfehlung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit folgen, dass der wissenschaftliche Nachweis hierfür noch zu dünn gesät ist, auch wenn es keinen Grund dafür geben mag, diesen in diesem Fall zu bezweifeln. Ich räume es ein, diese Empfehlung stammt aus dem Jahre 2008. Es werden in Kürze neue Empfehlungen kommen, aber ich würde es vorziehen, sie zu sehen, bevor ich ein endgültiges Urteil abgebe.
Janusz Wojciechowski, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, der heutige Meinungsaustausch zeigt, dass die Debatte über die rechtlichen Aspekte der Verordnung des Klonens von Tieren schwierig werden wird. Ich glaube, dass wir mit diesen neuen Technologien zur Nahrungsmittelherstellung quasi in einen Swimmingpool springen, ohne vorher überprüft zu haben, ob Wasser darin ist. Dies betrifft genetische Veränderungen, den Anbau von genetisch veränderten Pflanzen und das Klonen. Die Wissenschaft hat zu diesem Thema noch nicht das letzte Wort gesprochen. Die Wissenschaft eröffnet große Chancen, aber wir haben kein umfassendes Bild der weit reichenden Auswirkungen der Verwendung der neuen Technologien – welche Auswirkung wird dies auf die Artenvielfalt, das Gleichgewicht zwischen den Arten und die Gesundheit von Mensch und Tier haben. Dies sind Signale, die besagen, dass das Klonen nicht gut für die Gesundheit der betroffenen Tiere ist, dass sie keine gesunden Tiere sind und dass dies häufig bedeutet, dass sie leiden müssen.
Daher lassen Sie uns bei diesen Themen vorsichtig sein. Wir wissen noch nicht genug, um solch ein großes Risiko einzugehen. Ich bin daher dafür, das Verbot des Klonens von Tieren für die Fleischerzeugung in der Europäischen Union aufrechtzuerhalten.
Kartika Tamara Liotard, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, bereits im Mai habe ich eine öffentliche Erklärung dahingehend abgegeben, dass ich befürchtete, dass Fleisch von geklonten Tieren auf dem europäischen Markt landen könnte. Damals hat die Kommission dies heruntergespielt. Zweieinhalb Jahre lang und noch einmal am 7. Juli hat das Parlament – das hier ist, um die europäischen Bürgerinnen und Bürger zu vertreten – mit überwältigender Mehrheit meine Forderung nach einem Verbot von Klonfleisch unterstützt. Daher trifft es nicht zu, wie der Kommissar behauptet hat, dass es für die Bürgerinnen und Bürger einfach sein wird, Klonfleisch zu erkennen, wenn es auf ihren Tellern landet. Fakt bleibt jedoch, dass Klonfleisch jetzt in die Nahrungskette gelangt ist. Ich habe nicht gehört, dass der Kommissar irgendetwas dazu gesagt hat, wie er gedenkt, zu verhindern, dass dies in Zukunft wieder passiert. Das Einzige, was er sagte, ist, dass er wieder einmal abwarten muss, dieses Mal bis irgendwann im November. Ich bin diese ganze Warterei so leid.
Ich habe auch eine Frage an Sie, Herr Kommissar Dalli: Sicherlich werden Sie es nicht tatenlos hinnehmen, dass Kommissar De Gucht hinter den Kulissen munkelte, dass das vom Parlament geforderte Verbot von geklonten Tieren zu einem Handelskrieg mit den USA, Brasilien und Argentinien führen würde. Ich hätte lieber einen Handelskrieg als einen Krieg, der unnötiges Blutvergießen bedeutet. Klonen ist unmoralisch und äußerst grausam gegen Tiere. Klonen führt zu Totgeburten in großem Umfang oder zu Zwangstötungen von Tieren aufgrund von Missbildungen. Während die Kommission abwartet, werden Unklarheiten in den Rechtsvorschriften dazu führen, dass dieses Verfahren auch in der Europäischen Union Einzug hält. Die Kommission sollte umgehend Rechtsvorschriften vorlegen und heute noch das Moratorium für Erzeugnisse von geklonten Tieren und deren Nachkommen durchsetzen, das vom Parlament gefordert wird.
Schließlich fordere ich Herrn Kommissar De Gucht auf, damit aufzuhören, das Schoßhündchen der USA und deren Biotechnik-Industrie zu spielen. Um Himmels willen, Herr Kommissar, Sie wurden ernannt, um die allgemeinen Interessen der Europäischen Union und deren Bürgerinnen und Bürger zu vertreten, und als Mitglied der Kommission sind Sie nicht gezwungen, die Anweisungen irgendeiner Regierung, Institution, Agentur oder Behörde zu akzeptieren; und hier zitiere ich lediglich aus dem EU-Vertrag. Ist es wirklich so weit gekommen, dass Europa es zulässt, dass unsere Politik zum Nachteil unserer Bürgerinnen und Bürger aus Angst vor Konsequenzen seitens der Welthandelsorganisation ins Schlingern gerät? Wenn es so ist, dann schäme ich mich, jetzt und hier, für den Zustand der Europäischen Union.
John Stuart Agnew, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident, Sie werden sich freuen zu hören, dass ich nur eine Minute lang reden werde. Wir haben hier eine ähnliche Situation wie bei den Streitigkeiten um gentechnisch veränderte Nutzpflanzen. Die objektiven wissenschaftlichen Sicherheitsprüfungen wurden jeweils erfolgreich bestanden, aber es gab eine subjektive und emotionale Gegenreaktion, für die keine Qualitätsprüfung ein Gesetz erlassen kann.
Im Falle der gentechnisch veränderten Nutzpflanzen hat die Kommission jetzt zugestanden, dass die von den Mitgliedstaaten gewählten Regierungen Entscheidungen treffen dürfen; eben dort sollten natürlich alle Entscheidungen getroffen werden. Diese Entwicklung hat sich erst nach jahrelangem Stillstand und Gebaren nach dem Schwarze-Peter-Prinzip innerhalb der jeweiligen EU-Institutionen ergeben. Es ist nicht verwunderlich, dass das derzeitige EU-Recht sich bei der wirtschaftlichen Nutzung der Nachkommen von geklonten Tieren nicht einig ist, und es ist sicherlich nicht Aufgabe des Parlaments, dieses Durcheinander durch noch mehr EU-Regulierung zu steigern.
Das korrekte Verfahren hier ist es, den Mitgliedstaaten zu gestatten, mit ihren verschiedenen Kulturen für sich selbst zu entscheiden, ob sie die wirtschaftliche Erzeugung dieser Produkte zulassen wollen oder nicht. Jene Länder, die sich dagegen entscheiden, müssen über absolute Freiheit bei der Methode zur Kennzeichnung von Einfuhren verfügen, ohne Einmischung seitens der EU. Der Einsatz von Versicherungen in solchen Ländern wird Chancen für deren Landwirte schaffen.
Diane Dodds (NI). – Herr Präsident, ich begrüße den Beitrag des Kommissars zu diesem Thema heute Abend. Wie George Lyon aufzeigte, sind in letzter Zeit mehrere Problemfälle in Bezug auf die Vermarktung geklonter Nachkommen im Vereinigten Königreich aufgetreten. Der Mangel an ständigem Dialog zwischen der Kommissionsleitung und der Leitung der Behörde zur Überwachung der Lebensmittelsicherheit (Food Standards Agency) im Vereinigten Königreich hat eine Menge Durcheinander erzeugt. Dies ist nicht durch Verschulden der Kommission geschehen, aber es hat es den Erzeugern schwer gemacht und sicherlich Auswirkungen auf das Vertrauen in die Nahrungsmittelsicherheit gehabt.
Es ist untragbar und unlogisch, dass die UK Food Standards Agency Erzeugnisse von Nachkommen geklonter Tiere im vereinigten Königreich als neuartige Lebensmittel ansieht, während dies in anderen Ländern in Europa nicht der Fall ist. Ich freue mich zu hören, dass es zu diesem Thema Diskussionen zwischen der Kommission und der Food Standards Agency gegeben hat, um Klarheit für Erzeuger und Verbraucher zu schaffen.
Die Art eines neuartigen Lebensmittel in Zusammenhang mit geklonten Tieren und Nachkommen eines geklonten Tieres muss deutlich gemacht werden. Mit einem einheitlichen Ansatz zu diesem Thema in ganz Europa – und darüber hinaus, wenn es um Einfuhren aus Drittländern geht – muss die widersprüchliche Empfehlung, die bisher im Vereinigten Königreich gegeben wurde, eingestellt werden. Wie wir alle wissen, ist Vertrauen in den Ursprung und in die Sicherheit der Nahrungsmittel wesentlich. Ich begrüße den Versuch der Kommission, dieses Vertrauen in die Nahrungsmittelsicherheit zu erhalten.
Horst Schnellhardt (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar! Im Rahmen der Diskussion über Ihre Verordnung über neuartige Lebensmittel vor der Sommerpause haben wir beschlossen, die Frage des Klonfleisches nicht in dieser Verordnung zu behandeln, sondern die Kommission aufzufordern, eine andere Verordnung zu beschließen. Ich begrüße es deshalb, dass der Kommissar uns heute schon Vorschläge unterbreitet, in welche Richtung diese Verordnung geht. Ich erachte die heutige Diskussion als Grundlage für die zu erwartende Regelung, die die Kommission im November vorlegen wird. Deswegen ist es auch sehr wichtig, dass wir heute hier diskutieren.
Wir wissen ja, und es wurde heute schon mehrmals gesagt, die Zeit drängt. Wir haben z. B. in den USA mindestens 150 geklonte Rinder für Zuchtzwecke. Wir haben das Geschehen in der Sommerpause in Großbritannien erlebt. Ob das nun nur Sommerlochfüllung war oder ob wirklich was dran ist, ist nicht ganz bewiesen. Aber ich möchte daran erinnern, warum wir damals die Sonderregulierung gefordert haben:
Zum einen haben wir gesagt, es ist nicht ganz klar, ob geklontes Fleisch wirklich unbedenklich ist. Ich möchte das damit untermauern, dass bisher ja nur Stoffvergleiche durchgeführt wurden, also zwischen Fleisch von ungeklonten Tieren und Fleisch von geklonten Tieren. Also der richtige Nachweis – das sagt die EFSA auch – ist noch nicht erbracht. Das sollten wir wirklich nochmals prüfen und abwarten.
Wir haben aber auch einen zweiten Aspekt ins Feld geführt, und der hieß Ethik und Tierschutz. Es ist nicht richtig, dass wir in dieser Frage keine Rechte haben. Der Vertrag von Lissabon bindet den Tierschutz mit ein, und wir können uns darauf berufen, wenn wir hier Verfehlungen oder ständige Gefahren für die Tiere sehen. Wenn wir uns hier also doch für ein Verbot aussprechen sollten, muss dies natürlich geklärt sein und entsprechend nachgewiesen werden, das halte ich schon für notwendig.
Gehen Sie mal in einen Supermarkt und schauen Sie, wie Rindfleisch gekennzeichnet wird! Sie können auch nicht nachweisen, was auf den Etiketten steht. Also kann man auch draufschreiben, wenn Fleisch geklont ist. Wir haben ein Register für Tiere, auf dessen Grundlage man verfolgen kann, wo ein Tier herkommt, ohne dass es gekennzeichnet ist. Man kann alles bis ins Detail bis zu den Vorfahren zurückverfolgen. Wir haben also Mittel in der Hand, um nachzuweisen, ob das Fleisch von einem geklonten oder von einem nicht geklonten Tier stammt. Der Volksmund sagt, ein Mensch kann verschwinden, aber ein Tier nicht, weil es überall in allen Einzelheiten registriert wird.
Also wir haben die Mittel und sollten sie auch anwenden, wenn wir zu dem Entschluss gelangen, Klonfleisch zuzulassen. Ein Nachweis ist möglich, aber dann mit strenger Rückverfolgbarkeit und mit strenger Kennzeichnung im Interesse der Verbraucher. Aber vergessen Sie nicht die Frage des Tierschutzes. Das halten wir doch für sehr, sehr wichtig.
Linda McAvan (S&D). – Herr Präsident, ich frage mich, ob Kommissar Dalli genau erklären könnte, was er uns im November vortragen möchte. Er spricht über einen Bericht, aber wovon wir hier gehört haben, ist eine echte Gesetzeslücke, wodurch Landwirte in eine unmögliche Situation geraten sind, weil keine Klarheit darüber herrscht, was die derzeit gültigen Rechtsvorschriften bedeuten. Wir wollen mehr als eine Diskussion und einen Bericht im November. Auch wenn die Kommission neue Vorschläge vorbringt, könnte es 18 Monate dauern, bevor wir ein neues Gesetz haben.
In der Zwischenzeit, solange es kein neues Gesetz und keine neue Klarheit gibt, würde ich eindringlich empfehlen, dass wir ein Moratorium über Lebensmittelerzeugnisse von Klontieren verfügen. Ich möchte wiederholen, was Herr Schnellhardt in Bezug auf die Forderung des Kommissars sagte, dass wir keine moralischen Probleme in die Rechtsvorschriften aufnehmen können. Das stimmt nicht. Der Vertrag von Lissabon enthält eine Verfügung, die besagt, dass alle EU-Politiken den Tierschutz berücksichtigen müssen. Ich frage mich, ob der Kommissar den Bericht der Europäischen Ethikgruppe gelesen hat. Für die Abgeordneten, die nicht wissen, was das ist: Es ist die Gruppe, die von Präsident Barroso eingerichtet wurde, um die ethischen Aspekte der EU-Politik zu prüfen. Dieser Bericht stellt eindeutig fest, dass es starke Befürchtungen wegen des Leidens der Tiere in Verbindung mit Klonen und Nahrungsmitteln gibt. Er stellt fest, dass es weitere Studien zu langfristigem Tierschutz von Klonen und deren Nachkommen geben sollte.
Eine weitere Sorge, die der Kommissar nicht erwähnt hat, ist die Artenvielfalt. Wenn es Herden von Tieren gibt, die alle aus derselben Klonfamilie stammen, gibt der Bericht an, dass dies zu großen Problemen bei der Kreuzung und einer verstärkten Anfälligkeit der Nahrungsmittelkette führen könnte. Er stellt auch fest, dass es ein Problem beim Klonfleisch gibt, da es zu einer Zunahme des Fleischverbrauchs führt und ernsthafte Folgen für die Umwelt hat. Die Schlussfolgerung dieses Ethikausschusses – der kommissionseigene Ethikausschuss – ist, dass wir mehr öffentliche Debatten brauchen, bevor wir zulassen, dass Nahrungsmittel von Klontieren auf den Markt kommen.
Herr Kommissar, wir brauchen diese Debatte. Sie müssen jetzt aufhören, Sie dürfen die Landwirte nicht in diese unmögliche Situation bringen, und Sie müssen das Gesetz eindeutiger machen. Wir können nicht zwei oder drei Jahre darauf warten. Sie müssen jetzt schnell mit einem Moratorium handeln und dann eine echte Debatte über ein echtes Gesetz führen.
Martin Häusling (Verts/ALE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kommissar, ich habe mich schon sehr über Ihre Ausführungen gewundert. Sie haben hier so getan, als wäre gar nichts passiert! Das Parlament hat im Juli sehr eindeutig Stellung bezogen und hat sie aufgefordert, ein Moratorium zu erlassen. Passiert ist bisher nichts. Es wurde gefordert, eine Gesetzesvorlage zu schaffen, auch da ist überhaupt nichts passiert. Dass Sie im Tal der Ahnungslosen leben, hat eine Anfrage sehr deutlich gemacht, die ich im Mai gestellt habe und in der wir nachgefragt haben, wie viele geklonte Tiere und wie viele Nachkommen solcher Tiere im Umlauf sind. Da haben Sie geantwortet, das wissen wir nicht, dazu können wir nichts sagen, wir haben keine Ahnung. Sie wissen also nicht, was passiert, aber tun jetzt so, als ob wir noch lange warten könnten, bis zu Ihrem Bericht im November. Das reicht nicht aus. Sie sind zum Handeln aufgefordert, und passiert ist bisher nichts.
Es ist nicht richtig, was Herr Leinen gesagt hat. Das Parlament hat sich sehr deutlich für ein Moratorium für die zweite Generation ausgesprochen. Auch das kann man jetzt nicht einfach negieren, da muss man ganz klar sagen, auch das ist ein Problem, denn alle Studien zeigen, dass diese Technologie in ihren Ausführungen letztendlich nicht genügend getestet ist. Es gibt keine Langzeituntersuchungen, und es wird deutlich, dass angesichts dessen, was bisher passiert ist, ganz erhebliche Verstöße gegen Tierschutzrichtlinien – auch der Union – begangen werden, wenn geklont wird. Dass nur 15 % der Tiere überleben und lebensfähig sind, ist schon ein eindeutiger Verstoß gegen die Tierschutzrichtlinie der EU. Wir haben das Vorsorgeprinzip in der EU, und das müssen wir auch ernst nehmen. Solange gesundheitliche Risiken bestehen und eine Technologie nicht ausgereift ist, dürfen wir letztendlich keine Experimente damit machen.
In der Öffentlichkeit herrscht in diesem Bereich ganz klare Ablehnung. Die Öffentlichkeit wartet die nicht auf Klonfleisch, auch die Bauern warten nicht auf Klonfleisch, sondern die Öffentlichkeit steht all dem sehr kritisch gegenüber, und wir dürfen dieses kritische Verbraucherbewusstsein letztendlich auch nicht gefährden. Man erwartet vielmehr von uns, dass wir sehr sorgfältig mit dem Thema umgehen und nicht einfach sagen, das ist eine neue, fortschrittliche Technologie und wir nutzen sie jetzt. Nein, wir müssen uns da sehr kritisch mit den neuen Technologien auseinandersetzen. Ich habe den Verdacht, dass die Kommission das nicht will. Die Kommission hat – wie auch bei anderen Themen – einen unerschütterlichen Fortschrittsglauben, aber da muss man fragen: Gehen wir den richtigen Weg? Arbeiten wir im Sinne der Verbraucher und Bauern? Ich glaube, eher nicht. Deshalb sollten Sie ernsthaft erst einmal das Moratorium umsetzen und eine Gesetzesvorlage auf den Tisch legen, darauf warten wir. Der Vorfall in Schottland hat doch gezeigt, wie wenig handlungsfähig die Kommission letztendlich ist und wie wenig dann auch unternommen wird. Gar nichts ist passiert.
Nochmals zu den Handelsfragen: Wir haben uns in der Europäischen Union auch gegen den Einsatz von Hormonen ausgesprochen, und zwar ganz deutlich. Das haben wir auch durchgehalten, und das können wir auch bei anderen Positionen durchaus durchhalten. Wir gehen damit kein Risiko ein, irgendwelche Handelsbeschränkungen in Kauf nehmen zu müssen.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Das Europäische Parlament hat schon im September 2008 über das Klonen von Tieren zur Sicherung einer Nahrungsquelle debattiert. Bei der Abstimmung wurde eine Entschließung verabschiedet, in der die Mitglieder ein vollständiges Verbot des Klonens von Tieren forderten, die für die Nahrungsmittelverarbeitung bestimmt sind, sowie ein Verbot der Einfuhr von Klontieren und Klontiererzeugnissen.
Der verabschiedete Wortlaut berücksichtigte die Sorgen vieler europäischer Spezialisten, insbesondere in Bezug auf die Gesundheitsrisiken in Verbindung mit der Nutzung von Klontieren in der Nahrungsmittelindustrie. Das Klonen führt zu ernsten Problemen in Verbindung mit einer Häufigkeit von Krankheiten, schlechter Gesundheit und der Sterblichkeit der Klontiere, insbesondere in frühen Jahren.
Die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse der Weltorganisation für Tiergesundheit besagen, dass nur 6 % der geklonten Embryos zu gesunden langlebigen Klonen werden. Dies ist vor allem dadurch bedingt, dass ein Klon von Anfang an das genetische Alter des Originals hat. Wenn das Original eine siebenjährige Kuh ist, ist somit der Klon ein Kalb, dessen Gene von Anfang an sieben Jahre alt sind. Das Klonen schädigt auch das Genom des Einzelnen, was den Klon dann anfälliger für Krankheiten und Parasiten macht.
Die Probleme des Klonens beziehen sich nicht nur auf die Gesundheit und angemessene Lebensbedingungen der Tiere, sondern auch auf das Vertrauen der Verbraucher in Nahrungsmittel, die aus solchen Quellen stammen könnten. Auch wenn die US-Behörde für Lebensmittelüberwachung und Arzneimittelzulassung (US Food and Drug Administration) behauptet, dass Fleisch- und Milcherzeugnisse von Klontieren, Schweinen, Schafen, Rindern und deren Nachkommen ihrer Meinung nach genauso zuverlässig sind wie Erzeugnisse von Tieren, die in herkömmlicher Weise gezüchtet wurden, Herr Kommissar, würde ich es nicht für klug halten, allein aus kommerziellen Gründen die Tore für solche Erzeugnisse zu öffnen und die europäische Öffentlichkeit einer unvertretbaren Gefahr auszusetzen, die durch die Tatsache, dass Erzeugnisse von Klontieren und deren Nachkommen in die Nahrungskette gelangen, bedingt ist.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Es ist heute als zweifelsfrei erwiesen anzusehen, dass das Inverkehrbringen von Fleisch, welches von geklonten Tieren stammt, mit erhöhten Gefahren für die menschliche Gesundheit verbunden ist, insbesondere da Klontiere und ihre Nachkommen anfälliger für diverse Krankheiten sind. Das geltende Verbot von Produkten geklonter Tiere ist daher auch auf deren Nachkommen auszuweiten. Zudem kann man dafür auch ethische Gründe ins Treffen führen oder auf Argumente des Tierschutzes zurückgreifen.
Unabhängig davon muss jedenfalls unverzüglich sichergestellt werden, dass die Verbraucher beim Kauf von Fleisch lückenlos über dessen Herkunft informiert werden. Den Verbrauchern muss die Möglichkeit gegeben werden, sich auch gegen ein solches Produkt entscheiden zu können. Vor allen Dingen müssen wir dafür sorgen, dass den Menschen solche Produkte nicht untergejubelt werden.
Wie wir kürzlich erfahren haben, sind in Großbritannien Produkte von Nachkommen geklonter Tiere in die Nahrungskette gelangt. Großbritannien ist aber möglicherweise kein Einzelfall. Es ist leider davon auszugehen, dass die Bürger der europäischen Nationen Klonfleisch verzehren, ohne es zu wissen. Das ist nicht hinzunehmen!
Renate Sommer (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich bin sehr für grüne Gentechnik, aber Klonen ist etwas anderes. Das kann man damit überhaupt nicht vergleichen. Klonen ist Tierquälerei. Viele Kollegen hier haben es schon gesagt. Ich habe es auch vor der Sommerpause in der Diskussion, die wir hatten, vorgetragen: Nur ein Bruchteil der tierischen Klone ist tatsächlich überlebensfähig. Von denjenigen, die überleben, sterben sehr, sehr viele sehr früh und zwar sehr qualvoll. Sie leiden unter Missbildungen von Extremitäten, von Organen. Sie haben Immunschwächen, sie sind krankheitsanfällig. Das bedeutet Schmerz und Leiden und eben qualvolles Sterben. Können wir das denn verantworten? Wir setzen uns so für den Tierschutz ein und dann wollen wir so eine Technik unterstützen? Nein, das wollen wir nicht! Und deshalb haben wir im Juli beschlossen, dass wir kein Klonfleisch und keine tierischen Erzeugnisse von Klontieren haben wollen. Das ist auch nur konsequent.
Ja, wir wissen, dass die Produkte aus geklonten Tieren oder deren Nachfahren wahrscheinlich nicht gesundheitsschädigend sind – und ich persönlich gehe davon aus, dass sie tatsächlich für die menschliche Ernährung geeignet wären –, aber es gibt tatsächlich keinen Mangel an Fleisch aus konventioneller Erzeugung. Warum sollten wir uns denn auf Klonen einlassen? Es ist doch völlig unnötig, diese Tierquälerei zu betreiben! Die Bevölkerung will es eben auch nicht haben. Die Bevölkerung will diese Produkte nicht haben! Wir brauchen sie doch auch nicht! Es gibt kein Argument für Klonfleisch in der Europäischen Union.
Deshalb wollen wir eine ganz klare Regelung explizit für geklonte Tiere und auch für deren Nachkommen. Ich will ein Verbot des Klonens und von Klonerzeugnissen in der Europäischen Union. Ich glaube, dass wir das auch durchsetzen können. Natürlich muss sich das auch auf Importe beziehen. Ich will sicher sein, dass mir nicht klammheimlich Klonfleisch untergeschoben wird, weil es nicht gekennzeichnet ist, wie es in Schottland eben schon geschehen ist. Ich glaube nicht, dass man alles Fleisch zurückverfolgen kann. Bei Rindfleisch mag es möglich sein. Aber bei Schweinefleisch wird es aufgrund der produzierten Masse nicht möglich sein, zurückzuverfolgen, ob da tatsächlich mal ein Klon in der Ahnenreihe war.
Es ist wohl eine Grundsatzfrage, es ist eine ethische Frage. Andere Kollegen haben gesagt, wir müssen uns auch mit ethischen Fragen befassen, auch für ethische Fragen sind wir zuständig. Da ist natürlich die Frage des Tierschutzes, aber es geht auch um eine andere Frage. Die Erfahrung zeigt – ich bin Tierproduzent, ich habe das studiert –, dass alle Reproduktionstechniken, sobald sie in der Tierproduktion wirklich funktionierten, letztendlich auch beim Menschen angewandt wurden. Wir müssen uns also heute fragen: Wollen und können wir die Klontechnik in möglicherweise gar nicht so ferner Zukunft auch beim Menschen akzeptieren? Also ich will das nicht und ich kann das auch nicht. Selbst wenn mir ein Klon von mir selbst, ein Ersatzteilklon, in Zukunft vielleicht einmal ein lebenswichtiges Organ spenden könnte, dann möchte ich das nicht haben. Ich glaube nicht, dass das eine übertriebene Horrorvision ist. Ich glaube, dass das in gar nicht allzu ferner Zukunft möglich wäre, wenn wir das Klonen erlauben würden.
Deshalb brauchen wir dringend ein Verbot nicht nur des Klonens, sondern auch von Klontieren und deren Nachkommen in der ganzen EU. Ich habe keine Angst vor der WTO. Wir können das durchsetzen. Wir müssen nicht alles nachmachen, was die USA uns vormachen, bei aller transatlantischen Freundschaft!
Csaba Sándor Tabajdi (S&D). – (HU) Herr Kommissar, ich habe Sie im vergangenen Jahr, seit Sie Kommissar geworden sind, als jemanden kennengelernt, der die Gesundheit der europäischen Verbraucher und der europäischen Bürgerinnen und Bürger schützt. Sowohl Linda McAvan und Frau Sommer, die vor mir das Wort hatten, als auch mein Kollege Capoulas Santos, haben darüber gesprochen. Die Argumente wurden dargelegt. Wir haben die Argumente der Gesundheitsfürsorge gehört, dass wir, auch wenn in den USA Untersuchungen durchgeführt wurden, eine objektive europäische Forschung möchten, die nicht durch amerikanische Interessensvertretungen beeinflusst ist und die tatsächlich nachweist, dass diese Produkte nicht gesundheitsschädlich sind. Auch wenn es so ist und sie nicht gesundheitsschädlich sind, kann die wissenschaftliche Forschung trotzdem fortgesetzt werden. Ich habe heute jedoch auch gehört, dass es keinen Grund zur Fortsetzung der Forschung gibt. Als ordentliches Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung glaube ich, dass nichts in der europäischen Agrarnahrungsmittelindustrie es rechtfertigt, geklonte Nahrungsmittelerzeugnisse in den Regalen unserer Geschäfte zu haben.
Es wurde auch gesagt, dass es Schlupflöcher in diesem System gibt und da stimme ich vollkommen überein. Ich denke an ein Ereignis vor Kurzem, als ich Sie wegen marokkanischem Obst und Gemüse ansprach. Das zeigt, dass wir unsere Märkte sehr wohl auch gegen Importe schützen müssen. Linda McAvan und andere haben Befürchtungen wegen des Tierschutzes geäußert, und ich stimme voll und ganz mit denen, die vor mir das Wort hatten, darin überein, dass die Wissenschaft sich nicht aufhalten lässt. Wir müssen jedoch an einem bestimmten Punkt einen Strich ziehen und das Klonen beschränken, denn weder ich noch meine Assistenten möchten gerne meinem Klon begegnen. Dies ist ethisch unvertretbar und wir fordern die Kommission auf, ein Moratorium zu erklären.
Françoise Grossetête (PPE). – (FR) Herr Präsident, die Diskussion, die wir heute Abend hatten, zeugt deutlich, wie heikel dieses Thema ist. Wir haben vor Kurzem darüber debattiert, wir debattieren heute Abend noch darüber und werden noch einmal darüber debattieren, wenn Sie, Herr Kommissar, Ihre Mitteilung dazu vorlegen. Ich glaube jedoch, dass man bei der Behandlung eines so heiklen Themas wie den Produkten von Klontieren in der Nahrungskette sehr rigoros vorgehen sollte.
Ich habe viel über die Gesundheitsrisiken gehört. Ich möchte nur unterstreichen, dass unser derzeitiger Standpunkt auf demjenigen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit basiert, der besagt, dass derzeit keine Anzeichen dafür vorliegen, dass Erzeugnisse von Klontieren oder deren Nachkommen im Vergleich zu herkömmlich gezüchteten Tieren neue oder zusätzliche Gesundheits- oder Umweltgefährdungen hervorrufen.
Wir müssen daher auf Nummer sicher gehen. Lassen sie uns nicht automatisch die eine oder die andere Seite wählen, bevor uns nicht wirklich alle wissenschaftlichen Fakten vorliegen. Wir müssen aufpassen, dass wir keinen defensiven Standpunkt einnehmen, oder schlimmer noch, eine unbeugsame Haltung bei einem Thema, das so komplex ist – wie unsere Diskussion deutlich gemacht haben – und das eine gründliche Überprüfung verdient, insbesondere im Hinblick auf die internationalen Handelsbestimmungen.
Sie hatten eigentlich Recht, Herr Kommissar, als Sie sagten, dass das Risiko in Europa beschränkt ist. Wir haben eine herkömmliche Viehhaltung, die sicherlich ausreichend ist. Was passiert jedoch, wenn Landwirte Samen importieren, der vielleicht aus den USA stammt und von Klontieren gewonnen wurde? Auch hier brauchen wir jeden möglichen Schutz, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Welthandelsorganisation eingehalten werden und dass es keine Gelegenheit gibt, Bedingungen für unfairen Wettbewerb herzustellen. Unsere Landwirte warten auf solche Reaktionen und letztendlich sind sie diejenigen, die heute in Schwierigkeiten stecken.
Ich stimme mit meinen Kollegen Abgeordneten überein, wenn sie uns sagen, dass die Verbraucher ganz sicher kein Fleisch verzehren möchten, das von diesen Tieren stammt. Ich habe jedoch keinen Zweifel daran, das Kommissar Dalli wünscht, dieses Problem aufzuklären und die vielen Fragen zu beantworten, die heute unbeantwortet bleiben. Ich habe bereits viel Vertrauen in das, was Kommissar Dalli uns sagen wird, und ich erwarte seinen Bericht.
Die Verbraucher in der EU müssen wissen, was sie zu sich nehmen und die Rückverfolgbarkeit ist wesentlich. Wenn wir dies gewährleisten sollen, brauchen wir jedoch eine genaue wissenschaftliche Analyse, die es uns ermöglicht, fundierte Maßnahmen zu ergreifen, sodass wir eine angemessene Lösung für das Problem der Einführung von Nahrungsmitteln aus Klontieren und deren Nachkommen in die Nahrungskette finden können.
Deshalb warte ich auf Kommissar Dallis Mitteilung, die im November geplant ist, bevor ich meine Entscheidung treffe.
Daciana Octavia Sârbu (S&D). – (RO) Ich war neulich beunruhigt durch die Nachricht, dass Erzeugnisse von Klontieren aus Nordamerika in die europäische Nahrungskette gelangt seien.
Bei mehr als einer Gelegenheit hat das Europäische Parlament seine Meinung deutlich gemacht, dass diese Nahrungsmittel aus mehreren Gründen wegen ethischer und ökologischer Gesichtspunkte verboten werden sollten. Wir werden weiterhin eine starke, einheitliche Haltung zu diesem Thema einnehmen, jetzt, da Verhandlungen über neuartige Lebensmittel geführt werden.
Die Nachweise, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und die Europäische Ethikgruppe vorgelegt haben, zeigen, dass es ernsthafte Gesundheitsprobleme gibt, die sowohl Klontiere als auch deren Leihmütter betreffen.
Im Hinblick auf den Umweltschutz könnte gleichzeitig der Anstieg an Fleischverbrauch verheerende Folgen haben und eine große Anzahl an Klontieren würde die natürliche Artenvielfalt beeinträchtigen und dadurch die Anfälligkeit der Tiere für Krankheiten verstärken und die Nahrungsmittelsicherheit gefährden.
Wir haben bereits die Argumente in Bezug auf den Handel und die Welthandelsorganisation gehört. Es wird uns gesagt, dass wir die Einführung dieser Nahrungsmittel in die Europäische Union nicht verbieten können, ohne die Verpflichtungen zu verletzen, die von der WTO festgelegt wurden. Die Europäische Union hat jedoch beschlossen, die Einführung gewisser Erzeugnisse auf den Markt zu stoppen, wenn es Zweifel an den Vorteilen für die Verbraucher oder Bedenken, dass die Verbraucher getäuscht wurden, gegeben hat. Wir werden jedes Rechtsmittel in Erwägung ziehen, um ein solches Verbot durchzusetzen.
Wenn man die Situation als Ganzes betrachtet, sollten wir außerdem darauf bestehen, dass die WTO-Verordnungen auch ähnliche moralische und Umweltschutzbetrachtungen berücksichtigen.
Es gibt ernst zu nehmende Argumente gegen Lebensmittel, die von Klontieren gewonnen wurden. Andererseits gibt es keinen eindeutigen Nachweis für die Vorteile, die sie bieten. Es wird Zeit, dass die Kommission eine konkrete Lösung in Bezug auf dieses Thema vorschlägt, die auch der Ansicht unseres Forums Rechnung trägt, das die Bürgerinnen und Bürger Europas vertritt. Wir können keine Experimente zulassen, die die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger oder die Umwelt gefährden.
Anne Delvaux (PPE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, ich möchte meiner ernsten Vorbehalte bei diesem Thema zum Ausdruck bringen.
Einerseits befürworten wir – die EU – eine größere Transparenz für die Verbraucher bei den Nahrungsmitteln und versuchen, ein System einzurichten, mit dem das Fleisch vom landwirtschaftlichen Betrieb bis zum Teller rückverfolgt werden kann; dadurch werden Viehzüchtern strenge Viehzucht- und Schlachtvorgaben auferlegt sowie gewisse Kontrollen, um soweit wie möglich die Herkunft und die Qualität von Nahrungsmitteln garantieren zu können. Andererseits haben wir jedoch diesen Sommer erfahren, dass britische Verbraucher geklontes Rindfleisch gegessen haben, ohne es zu wissen. In meinem Land, in Belgien, gibt es sogar die Möglichkeit, dass Fleisch aus dritter Generation verzehrt wurde, das gar kein Klonfleisch darstellen soll, wie uns gesagt wurde. Verstehen wir darunter letztendlich „Rückverfolgbarkeit“?
Gestatten Sie mir etwas Humor: Was mich betrifft, so möchte ich kein geklontes Beef Bourguignon und gentechnisch veränderte Möhren auf meinem Teller haben! Ganz besonders dann nicht, wenn ich sie nicht zum Essen ausgesucht habe. Dies scheint die vorherrschende Meinung innerhalb der EU zu sein, da alle Eurobarometer-Umfragen, die zum Thema des Klonens von Tieren für Nahrungsmittel durchgeführt wurden, immer wieder die ausdrückliche Ablehnung der europäischen Bürgerinnen und Bürger bestätigen.
Dieses ist das erste Argument, das ich gegen das Vorhandensein geklonter tierischer Erzeugnisse in der Nahrungskette anführen möchte: Wir können nicht einerseits dazu aufrufen, den Verbrauchern größere Verantwortung zu übertragen und sie besser darüber zu informieren, was sie essen, und andererseits ihren Wunsch, kein Klonfleisch zu essen, ignorieren.
Mein zweites Argument bezieht sich auf die Gesundheit. Es stimmt, dass keine wissenschaftliche Studie einen Beleg für mögliche negative Auswirkungen durch den Verzehr von Klonfleisch, Fleisch vom Nachkommen eines Klontieres oder Milch von einem Klontier erbracht hat. Es wurde nichts nachgewiesen, auch nicht in Bezug auf die langfristige Sicherheit dieser Art von Verzehr. Daher glaube ich, dass das Vorsorgeprinzip noch gelten sollte.
Mein drittes und letztes Argument ist ein ethisches, und Sie haben es selbst am Anfang ihres Vortrags genannt. Die EU möchte beim Tierschutz ganz vorne sein. Heute Nachmittag hat das Parlament noch einmal über eine Beschränkung der Tierversuche abgestimmt, um die Schmerzen und das Leiden, das Tieren zugefügt wird, zu minimieren. Es lässt sich jedoch nicht abstreiten, dass Klonen den Tieren Leiden zufügt. Man muss nur an Dolly zurückdenken und an das wissenschaftliche Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vom Juli 2008, das besagt, dass festgestellt wurde, dass die Gesundheit und das Wohl eines beträchtlichen Anteils von Klontieren beeinträchtigt waren, häufig gravierend und mit fatalen Folgen.
Frau McAvan verwies auch auf die Stellungnahme der Europäischen Ethikgruppe der Naturwissenschaften und Neuen Technologien, die bezweifelt, dass das Klonen von Tieren moralisch gerechtfertigt sei, insbesondere, da es nicht durch die Notwendigkeit einer Erweiterung der Palette an Nahrungsmitteln gerechtfertigt werden kann. Ganz im Gegenteil: Es gibt Anlass zur Besorgnis, dass die Förderung von Nahrungsmitteln von Klontieren wegen des übermäßigen Einsatzes einer begrenzten Anzahl von Tieren in Zuchtprogrammen eine indirekte Auswirkung auf die genetische Vielfalt haben wird. Dies ist in anderen Nahrungsmittelsektoren geschehen; Zum Beispiel sind Dutzende von Tomatenarten verschwunden. Im Jahre 1900 gab es 7000 Arten; heute gibt es nur noch 150, wovon es 70 zu kaufen gibt, und eine große Anzahl davon ist gentechnisch verändert.
Ist das die Art von Fortschritt, die wir wollen? Diese Frage müssen wir uns stellen.
Kriton Arsenis (S&D). – (EL) Herr Kommissar, ich kann mich wirklich nicht erinnern, dass es während einer Aussprache im Parlament je solch eine Einigkeit gegeben hätte. Wie kommt das? Aus dem einfachen Grund, dass es bei den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union absolute Einstimmigkeit gibt, absolute Einstimmigkeit gegen Klonerzeugnisse. Sie und mein Kollege haben über die Gefahr der Welthandelsorganisation gesprochen. Das ist ein Argument, das wir im Parlament immer wieder hören, ein politisches Argument.
Was die Kommission und ihre Rechtsberater tun müssen, ist jedoch nicht, diese Ängste zu schüren, sondern zu prüfen, wie wir das Moratorium umsetzen können, das einstimmig ersucht wurde, ohne auf solche Probleme zu stoßen. Wir müssen wirklich entscheiden, was wichtiger ist: die Welthandelsorganisation oder der Vertrag von Lissabon, der das Vorsichtsprinzip einführt, wodurch Vorkehrungen getroffen werden, ein Produkt auf dem europäischen Markt zu verbieten, wenn die wissenschaftlichen Angaben dazu nicht eindeutig genug sind, um den sicheren Handel damit zu gewährleisten; wir wissen nicht genau, was auf Klonerzeugnisse zutrifft.
Daher brauchen wir dieses Moratorium, da alle in diesem Parlament sich einig sind, Herr Kommissar, dass wir keine Experimente mit der Gesundheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger betreiben dürfen.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, ich bin persönlich überhaupt nicht von der Notwendigkeit, der Moral, der Sicherheit oder der Rückverfolgbarkeit von Klontieren überzeugt.
Was die Notwendigkeit angeht, so haben wir jahrelang versucht, extensive statt intensive Produktion zu fördern, und es gibt genügend Möglichkeiten, eine natürliche Fortpflanzung zu garantieren und andere Möglichkeiten, Wachstum in der Tierpopulation sicherzustellen, falls dies erforderlich ist. Was die Moral betrifft, wie Frau Sommer sagte, wenn es moralisch vertretbar ist, Klontiere zu haben, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es moralisch vertretbar ist, geklonte Menschen zu haben. Wir haben auf der Welt schon genügend Spinner, ohne dass wir noch mehr klonen müssten!
Herr Staes erwähnt die Sicherheit und ich stimme ihm zu. Wie kann jemand in dieser Phase abschließend sagen, dass die Nachkommen von Klontieren für den menschlichen Verzehr sicher sind? Ich glaube nicht, dass das jemand kann. Schließlich zur Rückverfolgbarkeit: Eine unserer größten Errungenschaften in der Europäischen Union ist, wie Anne Delvaux sagte, dass wir Nahrungsmittel vom Stall bis zum Tisch zurückverfolgen können. Was werden wir jetzt tun: Garantieren, dass wir sie vom Klon bis nach Hause zurückverfolgen können? Ich glaube nicht, dass wir dies tun sollten. Unser Ziel sollte es sein, das Klonen zu eliminieren, nicht es zu erleichtern.
Elisabeth Köstinger (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar! In Großbritannien ist erstmals der Fall aufgetreten, dass Klonfleisch in die Supermärkte gelangt ist. Der Vorfall wurde medial stark aufgegriffen und hat zu Verunsicherungen bei den Konsumenten einerseits und zu ungerechten Vorwürfen andererseits geführt. Weil die britische Lebensmittelbehörde unter Erklärungsnotstand stand, wurde das Thema kurzerhand auf die Meldefreudigkeit der Bauern abgeschoben.
Herr Kommissar, es darf nicht passieren, dass Säumnisse der EU-Gesetzgebung auf die Landwirte abgeschoben werden. In Europa sind bisher nur Produkte von geklonten Tieren selbst, aber nicht ihrer Nachkommen zulassungspflichtig. Das EU-Parlament hat in der Verordnung über neuartige Lebensmittel seine Vorstellung klar zum Ausdruck gebracht. Gerade bei Lebensmitteln muss das Versorgungsprinzip gelten.
Abgesehen von ethischen Bedenken besteht zur Sicherstellung der Lebensmittelversorgung keine Notwendigkeit von Klonfleisch. Allem Anschein nach gibt es gravierende interinstitutionelle Meinungsunterschiede zum Umgang mit Klonlebensmitteln. Umso dringender ist die Kommission aufgerufen, im Sinne der Konsumenten und auch der Produzenten eine Einigung zu erzielen und die richtigen Schritte zu setzen!
Karin Kadenbach (S&D). - Herr Präsident, Herr Kommissar! Politik braucht wissenschaftliche Daten als Grundlage für politische Entscheidungen. Aber für mich hieße es, sich aus der politischen Verantwortung zu stehlen, wenn allein das wissenschaftliche Urteil „Das ist machbar“ schon bedeutet, dass wir etwas machen müssen. Mein Auftrag ist nicht die Umsetzung des technisch Machbaren, mein Auftrag ist die Vertretung der Interessen meiner Wählerschaft. Und die will mit überwältigender Mehrheit, und das gilt für die gesamte EU, kein Klonfleisch auf ihren Tellern.
Es kann nicht allein die Frage der gesundheitlichen Unbedenklichkeit sein. Auch Eier von Hühnern aus Käfighaltung stellen keine Gesundheitsfährdung dar, und trotzdem hat hier die Europäische Union rasch und gut gehandelt. Dieses Handeln erwarte ich mir jetzt auch bei Fleisch und Fleischprodukten von geklonten Tieren und auch bei solchen aus der zweiten Generation.
Tierschutz und Ethik sprechen hier schon heute ganz klar gegen Klonfleisch. Wir werden sehen, was die Wissenschaft im gesundheitlichen Bereich in Zukunft noch sagen wird. Wir brauchen den Erlass eines Moratoriums, auch für Produkte von Tieren aus zweiter Generation. Ein klares Nein zu Produkten aus Klonfleisch!
Jarosław Kalinowski (PPE). – (PL) Herr Präsident, den höchstmöglichen Standard bei der Nahrungsmittelerzeugung in der Union zu halten, bedeutet, dass wir eine hohe Qualität der Produkte sicherstellen und den Erwartungen der Verbraucher gerecht werden können. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, die heute zur Verfügung stehen, zeigen, dass das Fleisch von Klontieren sich im Hinblick auf Qualität überhaupt nicht vom Fleisch der Tiere aus herkömmlicher Produktion unterscheidet. Trotzdem stellen die Frage des Klonens an sich und die Nutzung solcher Technologien sehr ernste Probleme dar. Müssen wir auf das Klonen zurückgreifen, wenn uns doch moderne Techniken zur Nahrungsmittelerzeugung zur Verfügung stehen? Daher liegt es im Interesse der Landwirte, Nahrungsmittelerzeuger und Verbraucher, dass diese Angelegenheiten geregelt werden, nicht nur dergestalt, dass sie keine Gefahr für die Nahrungsmittelsicherheit, die Verbrauchergesundheit und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft darstellen. Die ethischen und moralischen Dilemmas, die sich ergeben, wenn die Bürgerinnen und Bürger eines vereinten Europas Mahlzeiten vor sich haben, die aus Fleisch von Klontieren zubereitet wurden, sind auch in Betracht zu ziehen.
Peter Jahr (PPE). - Herr Präsident! Ich habe mir vier Ablehnungsgründe für Klonfleisch notiert, und nicht alle werden wir wissenschaftlich klären können.
Erstens: Fleisch von geklonten Tieren für die Ernährung der Bevölkerung zu verwenden, ist in der Europäischen Union nicht erwünscht. Das gilt auch für Produkte, die von deren Nachkommen stammen. Zweitens: Zudem ist noch nicht abschließend geklärt, ob beim Verzehr von Klonfleisch ein gesundheitliches Risiko besteht. Drittens: Das Klonen von Tieren führt nachweislich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den Tieren selbst. Viertens: In der Hauptsache ist das Klonen von Tieren zu Nahrungsmittelzwecken aus ethischen Gründen abzulehnen.
Deshalb ist das Klonen von Tieren zur Nahrungsmittelproduktion und die Verwendung von Klonfleisch strikt abzulehnen. Nun ist es wichtig, zügig Regelungen zur Kontrolle von Klonfleisch zu erlassen. Das erwarten die Menschen in Europa von uns. Das Mindeste ist allerdings eine eindeutige und deutliche Kennzeichnung von Klonfleisch.
João Ferreira (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, das unzulässige, unbekannte und unbemerkte Gelangen der Erzeugnisse von Klontieren in die Nahrungskette muss geradezu Besorgnis erregen. Es ist besonders beängstigend, da wir auf diese Tatsache aufmerksam wurden, nachdem nur wenige Wochen zuvor das Parlament wiederum für ein Verbot dieser Erzeugnisse auf dem europäischen Markt gestimmt hatte. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint uns dies eine richtige und angemessene Vorsichtsmaßnahme zu sein.
Die Maßnahmen der EU sollten in erster Instanz von dem Wunsch getrieben sein, das öffentliche Interesse zu schützen, ein hohes Niveau beim Schutz der Gesundheit des Menschen zu erhalten und die Nahrungsmittel- und Umweltsicherheit durch die Förderung des Tierschutzes sicherzustellen. Diese Werte sollten Vorrang vor allen anderen haben. Wenn die Vermarktung dieser Erzeugnisse in Zukunft zugelassen wird, wird sie auch die Grundsätze der Transparenz, der Information und der Verbraucherwahl einhalten müssen. Leider ist dies heute nicht der Fall, zum Beispiel bei Nahrungsmitteln, die teilweise aus gentechnisch veränderten Organismen oder Tieren bestehen, die mit solchen Organismen gefüttert wurden.
Anna Záborská (PPE). – (SK) Wir hatten heute Morgen eine umfassende Aussprache zum Schutz der Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt werden, für Experimente, die dabei helfen könnten, Heilungsmöglichkeiten für ernsthafte Erkrankungen beim Menschen zu entdecken. Eine Mehrheit, eine große Mehrheit, lehnte das Leiden der Tiere ab, die zu diesem Zweck eingesetzt würden. Gleichzeitig ist klar, dass das Klonen den Tieren große Leiden zufügt. Mehr als 95 % der Klonexperimente schlagen fehl. Es entstehen ernsthafte Erkrankungen und körperliche Behinderungen, und diese Tiere sterben früh. Die meisten Verbraucher sind dagegen, dass solches Fleisch in der Nahrungskette ist.
Wie meine Kollegin Frau Sommer sagte, gibt es ein weiteres ernstes Problem. Die Entwicklung der tierischen Fortpflanzung durch Klonen öffnet die Tür für die menschliche Fortpflanzung durch Klonen. Dies ist weder durch das Naturrecht noch durch den Vertrag von Lissabon gestattet. Ich würde gerne fragen, ob irgendjemand den Vertrag von Lissabon jetzt in dieser Hinsicht ändern möchte. Herr Kommissar, der Standpunkt der Europäischen Kommission muss eindeutig sein.
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich bin nicht überrascht, dass dieses Thema so viel Aufmerksamkeit erregt und zu so viel Diskussion geführt hat, und ich danke Ihnen allen für Ihre Meinungsäußerungen. Die verschiedenen Punkte, die angesprochen wurden, zeigen die Notwendigkeit für ein tiefgreifendes Verständnis dieser Themen, sodass wir informierte und angemessenen Entscheidungen treffen können.
Wie ich in meiner Eröffnungserklärung sagte, beabsichtigt die Kommission, später in diesem Jahr einen umfassenden Bericht anzunehmen, der die Schlüsselthemen darlegt, die zur Debatte über das Klonen beitragen. Ich hoffe, dass dies dazu beitragen wird, Klarheit in dieses komplexe Thema zu bringen und sich für die nachfolgenden institutionellen Debatten und Diskussionen als nützlich erweisen wird.
Ich unterstreiche, dass eine Verbesserung der jetzigen Situation nur durch einen Konsens unter den EU-Institutionen erreicht werden kann. Diese Debatte läuft seit Januar 2008 und ich freue mich darauf, dass wir Fortschritte bei diesem Thema machen, mit dem Ziel, dass wir uns endlich auf einen praktischen Weg einigen, der uns in den nächsten Jahren dienlich sein wird.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Elena Oana Antonescu (PPE), schriftlich. – (RO) Wir haben im Europäischen Parlament bereits die ethischen, medizinischen oder wirtschaftlichen Argumente gegen den Verzehr von Nahrungsmitteln erwähnt, die von Klontieren stammen, und diese haben dauerhafte Gültigkeit. Es gibt noch ein weiteres Argument, das mindestens genauso wichtig ist: Die europäischen Bürgerinnen und Bürger wollen keine Klonerzeugnisse auf ihren Tellern. Sie wehren sich gegen den Gedanken, ihren Kindern Nahrungsmittel zu geben, die in einem Genversuchslabor entstanden sind. Eine Eurobarometer-Umfrage, die zu diesem Thema im Jahre 2008 durchgeführt wurde, zeigt, dass die meisten Europäer gegen das Klonen von Tieren sind, insbesondere zum Zweck der Nahrungsmittelherstellung. Angesichts von 84 % der Befragten haben wir nicht genügend Erfahrung in Bezug auf die langfristige Auswirkung auf die Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit, wenn Klontiere in der Nahrungsmittelherstellung verwendet werden. Fünfundsiebzig Prozent glauben, dass das Klonen von Nahrungsmitteln für den Verzehr aus ethischen Gründen inakzeptabel ist. Dies sind beträchtliche Prozentzahlen, die eine klare Botschaft aussenden. Die Menschen wollen keine Erzeugnisse verzehren, die durch Klonen entstanden sind, sie haben kein Vertrauen darin und sind mit diesen Methoden nicht einverstanden. Wir müssen die EU-Rechtsvorschriften ergänzen und verbessern, sodass sich nicht mehr die Möglichkeit ergibt, Grundsätze oder Entscheidungen, an die wir glauben, zu untergraben oder zu umgehen.
Radvilė Morkūnaitė-Mikulėnienė (PPE), schriftlich. – (LT) Die Verordnung über den Einsatz neuer Technologien bei der Nahrungsmittelherstellung ist ein willkommener Schritt nach vorne. Wir dürfen jedoch bei der Förderung von Innovationen nicht die Gefahren außer Acht lassen. Eine dieser Gefahren ist die Vermarktung von geklonten Tieren, deren Nachkommen und von Erzeugnissen, die von geklonten Tieren stammen. Bisher hat dieses Thema keine wesentlichen Probleme in Bezug auf mehrere verschiedene Aspekte aufgeworfen. Dazu gehören Anforderungen an den Tierschutz, verankert im Vertrag von Lissabon, das Recht der Verbraucher, über die Herkunft der verzehrten Erzeugnisse informiert zu sein, sowie ethische Themen. Bisher haben wir mehr Fragen als Antworten in jedem dieser Bereiche. Bevor die Diskussionen seitens der Europäischen Institutionen zunehmen, müssen wir daher sorgfältig die Vermarktung dieser Tiere, ihrer Nachkommen und der Erzeugnisse beobachten.
17. Europäischer Stärkekartoffelsektor nach 2012 (Aussprache)
Der Präsident. – Der nächste Tagesordnungspunkt ist die Aussprache zur mündlichen Anfrage von Esther de Lange und Albert Deß im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und von Thijs Berman und Jo Leinen im Namen der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament an die Kommission über den Kartoffelstärkesektor der Europäischen Union nach 2012 (O-0097/2010 - B7-0456/2010).
Esther de Lange, Verfasserin. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, die beiden größten Fraktionen in diesem Haus, die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament, haben gemeinsam die Initiative ergriffen, diese Aussprache über die Zukunft des Kartoffelstärkesektors in Europa mit Ihnen, der Europäischen Kommission, zu organisieren. Die Finanzkrise hat die Zukunft dieses Sektors so in Gefahr gebracht, dass er vollständig von unserem Kontinent verschwinden könnte. Und doch könnte dieser Sektor letztendlich eine bedeutende Rolle bei der Umsetzung unserer eigenen Ziele für Eu 2020 spielen. Wie Sie wissen, Herr Kommissar, sind Zahlungen an diesen Sektor als Teil der Gesundheitskontrolle zum Teil gekoppelt und zum Teil ungekoppelt. Diese Situation wird im Jahr 2012 mit vollständiger Entkopplung beendet sein. Um es deutlich zu sagen: Dies ist ein Prozess, den ich unterstütze, aber in der jetzigen Lage fordert er einen angemessenen Ansatz. Wenn er überleben wird und mit anderen Stärkesektoren im Wettbewerb stehen wird, wird der Kartoffelstärkesektor nach der vollständigen Entkopplung neue Märkte erschließen müssen, und es gibt ein großes Potenzial dafür, insbesondere in der bio-orientierten Wirtschaft, die sicherlich einer der Vorreiter der Strategie der Europäischen Union für 2020 ist. Nehmen Sie zum Beispiel Kunststoffe, die auf Kartoffelstärke basieren statt auf Öl oder chemische Elemente für die Industrie. Die Finanzkrise hat jedoch die Vorbereitungen für diesen Übergang und die Erschließung neuer Märkte gefährdet, weil leider potenzielle Investoren und Innovatoren keine andere Wahl hatten, als sich fernzuhalten. Im Jahr 2012 werden wir daher vor dem Risiko einer Bruchlandung dieses Sektors stehen und, falls dies geschieht, sehen Umfragen vor, dass 40 % des Markts der Europäischen Union ausgelöscht werden könnten. Wir sprechen von 6 000 direkten Arbeitsplätzen, mindestens genauso vielen indirekten Arbeitsplätzen und etwa 15 000 Landwirten, die direkt betroffen sein werden, weil sie diesen Sektor beliefern. Wir werden Zeuge sein, nicht nur in meiner Region, den nördlichen Niederlanden, sondern auch in Ländern wie Dänemark, Deutschland, Polen und Frankreich. Aus diesem Grund läuten wir heute Abend die Alarmglocken, Herr Kommissar, und bitten die Kommission sicherzustellen, dass dieser Sektor eine weiche Landung statt einer Bruchlandung haben wird.
Meine Fragen an Sie sind: Ist die Europäische Kommission bereit, befristete Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel über einen Zeitraum von zwei Jahren und ohne dass diese den Haushaltsplan beeinträchtigen, indem sie ungenutzte Kartoffelstärke- und Agrarfonds ausschöpft? Ist die Europäische Kommission zum Beispiel bereit, einen freiwilligen Umstrukturierungsfonds einzurichten, der die Erzeuger unterstützt, die aus eigenem Antrieb ihre Produktion kürzen wollen?
Herr Kommissar, ich schließe mit dem, was natürlich das Hauptthema ist, das hinter dieser Aussprache steht: Teilt die Europäische Kommission unsere Ansicht, dass der Kartoffelstärkesektor eine bedeutende Rolle in einer bio-orientierten Wirtschaft spielen könnte und dass es daher Sinn machen würde, diesen Sektor beim Übergang, wenn auch nur befristet, zu unterstützen?
Thijs Berman, Verfasser. – (NL) Herr Präsident, die Kartoffelstärkeindustrie wird wohl in dem neuen Zeitraum ab 2012 einen herben Schlag versetzt bekommen, nach Jahrzehnten der Abhängigkeit von Subventionen, was per se ungesund war. Tausende von Arbeitsplätzen sind allein in den nördlichen Niederlanden bereits in Gefahr, einer wirtschaftlich anfälligen Gegend ohne andere große Arbeitgeber. Aber all diese Menschen in Groningen und sonstwo wollen weiterhin in ihrer eigenen Region leben und arbeiten. Eine ausgewogene Verteilung von Arbeitsplätzen in allen europäischen Regionen ist wichtig und dazu zählt das blühende Nordeuropa. Daher brauchen wir Übergangsbestimmungen. Es liegt in der Verantwortung der EU, sicherzustellen, dass diese vorhanden sind. Dies muss keine zusätzlichen Kosten bedeuten. Wir haben einige verfügbare Mittel aus vorhergehenden Jahren in diesem Sektor, weil die Ernten in jenen Jahren enttäuschend waren. Ferner ist es möglich, Anpassungen an den Agrarhaushalt vorzunehmen. Natürlich müssen die Subventionen für Kartoffelstärke im Jahr 2012 eingestellt werden. Niemand stellt das in Frage und der Sektor hat sich damit abgefunden. Abgesehen davon muss der Sektor eine Zukunft haben, weil es eine Industrie im Herzen unserer ländlichen Gemeinschaften ist, die Ölerzeugern neue Alternativen bietet und daher bald unerlässlich werden wird.
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, meinen Damen und Herren Abgeordnete, danke für Ihre Fragen zur Zukunft des Kartoffelstärkesektors. Die Kommission begrüßt die Gelegenheit, ihre Ansicht über diesen Sektor darzulegen.
Die Reform des Kartoffelstärkesektors war Teil der „Gesundheitsprüfung“, und es geschah auf Anfrage des Sektors, dass der Rat beschloss, dass die Entkopplung von allen Beihilfen zeitgleich mit dem Ende des Quotensystems erfolgen sollte In der Tat hatte die Kommission einen schrittweisen Ansatz vorgeschlagen und die Entkopplung in zwei Schritte unterteilt. Das Hauptargument des Sektors hatte darin bestanden, dass der zusätzliche Aufschub, bevor die Beihilfen entkoppelt würden, es den Kartoffelstärkeerzeugern ermöglichen würde, sich auf einen Markt ohne Quoten und ohne Umwandlungsbeihilfen vorzubereiten.
Die Nachfrage nach einem Umstrukturierungsfonds, wie in der Zuckerindustrie, ist schwierig innerhalb des Budgets unterzubringen, das für den Kartoffelstärkesektor vorgesehen war. Auch wenn alle derzeitigen Begünstigten, einschließlich der Anbauer von Stärkekartoffeln, übereinstimmen würden, auf ihre gekoppelten Beihilfen zu verzichten, um einen Umstrukturierungsfonds aufzubauen und den Abbau der Kartoffelstärkefabriken zu finanzieren, würde das verfügbare Budget wohl kaum genügend Anreize bieten.
Einen Umstrukturierungsfonds innerhalb des gültigen Rechtsrahmens einzurichten, erfordert eine Verordnung, die frühestens am 1. Juli 2011 in Kraft treten würde und somit einen Umstrukturierungszeitraum von nur einem Jahr mit einem sehr begrenzten Budget bereitstellen würde, was nicht ausreicht, um eine Überkapazität abzudecken, die nach Aussage von Vertretern des Sektors bis zu 40 % der gesamten Produktionskapazität ausmachen könnte.
Wie ich vorher bereits sagte, auf die Entscheidungen zurückzukommen, die als Teil der Gesundheitsprüfung getroffen wurden, ist keine Option. Wir diskutieren zurzeit über die Zukunft der GAP nach dem Jahr 2013. Für den Agrarsektor insgesamt wollen wir eine GAP, die stark, effizient und ausgewogen ist. Der Kartoffelstärkesektor kann sich genau wie alle anderen Sektoren an dieser Debatte beteiligen.
Peter Jahr, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik wurden die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Betriebsprämienregelung geändert und es wurde eine weitere Entkoppelung von bisher noch an die Produktion gekoppelten Beihilfen beschlossen.
Im Sektor Kartoffelstärke gibt es zwei Prämien, die derzeit noch an die Produktion gekoppelt gewährt werden dürfen, die Erzeugungsbeihilfe für Stärkekartoffeln – das sind die Zahlungen an die Landwirte – und die Prämie für Kartoffelstärke – das sind die Zahlungen an die Unternehmen bzw. an die Fabrik. Nach dem jetzt geänderten EG-Recht sind beide Prämien zu entkoppeln und in die Betriebsprämienregeln einzubeziehen. Der spätestmögliche Zeitpunkt dafür ist das Jahr 2012. Die Erzeugerbeihilfe könnte nach Entscheidung der Mitgliedstaaten auch schon ab dem Jahr 2010 entkoppelt werden. Das heißt, dass der Stärkekartoffelsektor derzeit noch produktionsbezogen durch ein umfassendes EU-Marktordnungssystem unterstützt wird. Aber nach den Beschlüssen zum health check ist die Anwendung dieser Marktordnungsinstrumente bis spätestens 2012 einzustellen.
Die beschlossenen Schritte werden für den Sektor einen schweren Einschnitt bedeuten. Ob der Stärkekartoffelanbau auch unter den neuen Voraussetzungen noch wettbewerbsfähig ist, wird erst die Zukunft zeigen. Auch wenn es zu mehr Marktorientierung und weniger staatlichen Eingriffen keine Alternative gibt, sollte über angemessene Übergangszeiten nachgedacht werden, um eine geordnete Umstellung zu ermöglichen. Zudem sollten wir die Landwirte, die weitermachen wollen, dabei unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern oder nach neuen Märkten und Absatzmöglichkeiten zu suchen, aber auch denen Hilfe bei der Suche nach Alternativen anbieten, die sich dagegen entscheiden.
Das Wichtigste allerdings ist eine kurzfristige Entscheidung bzw. eine klare Aussage der Kommission zu dieser Problematik. Denn gerade in der Wirtschaft gilt: Eine gute Entscheidung ist immer gut, eine schlechte Entscheidung ist eine Herausforderung, aber am schlimmsten ist, wenn keine Entscheidung getroffen wird. Denn keine Entscheidung ist Stillstand, und Stillstand ist für die Wirtschaft tödlich. Deshalb bitte ich die Kommission noch einmal, über die Situation nachzudenken und nach geeigneten Wegen und Möglichkeiten im Interesse unserer Landwirte zu suchen.
Jan Mulder, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, in einer idealen Welt würden die Dinge so laufen, wie wir sie zum Zeitpunkt der Gesundheitsprüfung vorhergesagt hatten. Leider war dies bei dem Kartoffelstärkesektor nicht der Fall. Wenn wir zurzeit, in der jetzigen Situation, unsere Pläne ausführen müssten, dann würden eine Menge Unternehmen Bankrott gehen, weil die Preise zu niedrig sind. Die große Frage ist: Ist dieser Preis es wert? Ich glaube nicht. Ich glaube, dass der europäische Kartoffelstärkesektor ein besonderer Sektor ist. Wir haben große Fortschritte auf dem Gebiet der Biochemie gemacht, es wurden viele neue Produkte entwickelt, und ich glaube nicht, dass wir diesen Prozess unterbrechen sollten.
Die Antworten der Kommission geben nicht viel Anlass zu Optimismus. Ich möchte die Kommission gerne bitten, die Situation noch einmal zu überprüfen, um einen intensiven Dialog mit diesem Sektor aufzunehmen. Ich teile die Forderung von vielen von Ihnen nach einer sanften Landung, und in der Tat müssen wir sicherstellen, dass für eine sanfte Landung gesorgt ist, denn ich denke, dass der Kartoffelstärkesektor überleben muss, da er ein besonderer Sektor ist. Damit dies wahr wird, muss die Kommission Sondermaßnahmen ergreifen.
Janusz Wojciechowski, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) In der vorhergehenden Amtszeit des Parlaments war ich zwei Mal Berichterstatter über die Verordnung, in der die Größe der Stärkequoten festgelegt wurde. Damals traf ich mich häufig mit den Vertretern des Sektors und versuchte, die Wünsche der Länder zu berücksichtigen, die unzufrieden mit ihren zu geringen Quoten waren. Wir bemerkten, dass der Sektor gar nicht im Gleichklang war und dass wir dies nicht stören konnten, weil ansonsten die gesamte Branche enorme Probleme bekommen hätte. Heute hören wir, dass der Sektor in Gefahr ist, und vielleicht sogar völlig verschwindet und ich habe große Angst, dass dies geschieht. Traurig registriere ich die Probleme, mit denen andere große Sektoren wiederum zu kämpfen haben: Probleme in der Milchindustrie, die fast vollkommene Entwurzelung der Tabakindustrie und davor die Reform des Zuckermarktes, die auch mit verheerenden Folgen für die Landwirte endete. Jetzt betreffen diese Probleme den Kartoffelstärkesektor. Ich glaube, es ist höchste Zeit, an einen Richtungswechsel in der Agrarpolitik in der Europäischen Union zu denken; eine Tendenz, die unter Bedingungen festgelegt wurde, die etwas anders waren, als sie es heute sind, muss umgekehrt werden. Ich bezweifle, dass das Prinzip, das bisher verfolgt wurde, noch von Bedeutung ist.
Jarosław Kalinowski (PPE). – (PL) Herr Präsident, wir haben auf meinem Hof jahrelang Kartoffelstärke produziert und gemeinsam mit vielen Zehntausenden von Landwirten innerhalb der Europäischen Union befürchte ich, dass die Auflösung der Produktionsquoten für Stärke und die Kündigung der Unterstützung für die Produktion sowohl seitens der Erzeuger als auch seitens der weiterverarbeitenden Industrie eine drastische Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage im Jahr 2012 zur Folge haben wird. In dieser Hinsicht bin ich dafür, das System der Kartoffelstärkeproduktionsquoten und die garantierten Mindestpreise und Zusatzzahlungen für Landwirte zu erhalten. Wenn diese Instrumente im Stärkesektor abgeschafft werden, muss dies mit Maßnahmen einhergehen, die eine angemessene finanzielle Unterstützung für die Umstrukturierung gewährleisten. Herr Dallis Verweis auf die Reform des Zuckermarktes ist unglücklich, weil dies sich als Desaster für Europa erwiesen hat und in der Tat nur den großen Grundbesitzern in Südamerika geholfen hat. Das ist nicht der geeignete Weg, Herr Kommissar. Noch ist Zeit für gesunden Menschenverstand.
Elisabeth Köstinger (PPE). - Herr Präsident! 20 % weniger Treibhausgasemissionen, 20 % Anteil erneuerbarer Energie, wobei 10 % der Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen stammen müssen. Das sind die hohen Zielsetzungen der Europäischen Union, um dem Klimawandel entgegenzuwirken und Unabhängigkeit in der Energieversorgung zu erreichen.
Die offene Frage ist aber, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Vor allem wenn jene Sektoren, die einen Beitrag leisten, ausgezehrt werden. Die Landwirtschaft kann und will einen beträchtlichen Beitrag zu den 2020-Zielen leisten. In einzelnen Landwirtschaftsbereichen zieht sich die Politik aber mehr und mehr aus der Marktordnung zurück. Im Stärkekartoffelsektor wurden im Zuge des health check Bedingungen geschaffen, durch die mit massiven Einbrüchen in der Produktion gerechnet wird. Das Auslaufen des Quotensystems sowie des Mindestpreises haben den Sektor massiv unter Druck gesetzt. Auch hier muss für eine sanfte Landung gesorgt werden.
Die Kommission ist aufgefordert, Maßnahmen zu finden, die die Stärkekartoffelproduktion vor allem in Regionen sichert, in denen Alternativen fehlen. Die Nutzung der Produkte der Kartoffelstärkeindustrie wird auch in Zukunft große Bedeutung haben.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, der frühe Vogel fängt den Wurm und der späte Vogel meldet sich zu Wort, also danke, dass ich die Gelegenheit bekomme.
Ich komme aus Irland, wo die Kartoffel den Menschen sehr am Herzen liegt, weil sie vor der großen Hungersnot die Bevölkerung ernährte. Als die Kartoffelfäule im Jahr 1847 kam, starben infolgedessen vier Millionen von acht Millionen Menschen. Seitdem galt eine Mahlzeit ohne Kartoffel oder „Spud“, wie wir sie in Irland nennen, als nicht vollständig. Daher wird alles, was die Zukunft der Kartoffelbauern gefährdet, den Menschen in Irland einen Schauer über den Rücken laufen lassen.
Einzelne Personen haben hier über die Zukunft der Kartoffelindustrie gesprochen – und ich teile ihre Sorgen – und, wie der Kommissar darlegte, wird der Kartoffelsektor in der mit neuen Mitteln finanzierten GAP nach 2013 genau betrachtet werden müssen. Das ist richtig so.
Schließlich möchte ich mich bei Ihnen für den Vorsitz der Sitzung heute Abend bedanken, Herr Präsident. Wenn ich nicht gegen das Klonen wäre, glaube ich, Sie wären es wert, geklont zu werden!
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich bedanke mich beim Parlament für diese sehr interessante Aussprache. Ich teile die Meinung, dass die Kartoffelstärkeindustrie eine bedeutende Rolle in der zukünftigen Entwicklung von Bio-Kunststoffen und anderen grünen Chemieerzeugnissen spielen kann. Ich kann auch die Ängste verstehen, dass das Ende der entkoppelten Unterstützung und des Quotensystems einige Anpassungsschwierigkeiten für Kartoffelstärkeerzeuger bedingen könnte. Wir müssen jedoch den Haushaltsrahmen, in dem wir tätig sind, den vorgegebenen Rechtsrahmen und den Zeitplan, gebührend berücksichtigen.
Die GD AGRI wird bald eine Evaluierungsstudie über den Kartoffel- und Getreidestärkesektor in der EU erhalten, und die Diskussionen über die Zukunft der GAP nach 2013 gehen weiter. Ich bin überzeugt, dass in diesem Rahmen eine bessere, effizientere und nachhaltigere Lösung gefunden werden kann als alle Ad-hoc-Maßnahmen im derzeitigen Rahmen erzielen könnten.
Esther de Lange, Verfasserin. – (NL) Herr Präsident, ich habe drei Anmerkungen. Meine erste Bemerkung richte ich an Herrn Kelly und sein herzliches Plädoyer für die Kartoffel. Wir sprechen hier über Kartoffeln, die ein klein wenig anders sind als die Kartoffeln, die Ihnen zum Essen serviert werden, nämlich Stärkekartoffeln. Diese Probleme sind jedoch miteinander verwoben, natürlich, weil gleichzeitig mit dem Zusammenbruch der Industrie rund um die Stärkekartoffel die Produktion der Speisekartoffel zunimmt und dies führt zu Problemen auf dem Markt.
Meine zweite Bemerkung betrifft den Herrn Kommissar, der dauernd sagt: Es wird nicht funktionieren, aber die Kartoffelstärkeindustrie hat Vorschläge darüber vorgebracht, wie wir eine Lösung finden könnten. Die Botschaft, die wir übermitteln, lautet: Bitte achten Sie darauf, dass Sie diese Vorschläge ohne Vorbehalte betrachten, denn auch wenn diese Aussprache sich um den Zeitraum nach 2013 dreht, so ist es nicht hilfreich, ständig auf die Situation nach 2013 zu verweisen. Und genau das macht der Kommissar. Dann wird es zu spät sein. Dieser Sektor läuft Gefahr, im Jahr 2012 zusammenzubrechen. Wir werden eine Übergangsregelung in den Jahren 2012 und 2013 benötigen, sodass dieser Sektor wieder in die ordentliche Agrarpolitik aufgenommen werden kann, die ab dem Jahr 2014 gelten soll.
Dies ist mein aufrichtiger Appell an den Kommissar.