Der Präsident. – Der nächste Punkt auf der Tagesordnung ist der Bericht von Esther de Lange, im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, im Hinblick auf die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften zur Erhaltung der biologischen Vielfalt [2009/2108(INI)] (A7-0241/2010).
Esther de Lange, Berichterstatterin. – (NL) Das Europäische Parlament weist mit diesem Initiativbericht auf den alarmierenden Zustand unserer biologischen Vielfalt hin: wie es um unseren Artenreichtum und unserer Ökosysteme steht. Der Artenschwund ist höher als je zuvor: 30 % der Amphibien, über 40 % der Säugetiere, Vögel, Schmetterlinge und Reptilien und sogar über 50 % der Süßwasserfische sind vom Aussterben bedroht. Das ist natürlich inakzeptabel, und zwar nicht nur aus einer rein biologische oder ökologischer Sicht. Meiner Meinung nach haben wir auch eine ethische Pflicht, die Erde in so einem Zustand zu hinterlassen, dass sich auch noch unsere Kinder und Kindeskinder daran erfreuen können.
Schließlich liegt die Investition in die biologische Vielfalt auch in unserem wirtschaftlichen Interesse. Gesunde Ökosysteme binden CO2, liefern sauberes Wasser und sorgen unter anderem für bessere Ernten und mehr Rohstoffe. Die Zerstörung dieser Ökosysteme kostet uns weltweit 50 Mrd. EUR pro Jahr, und diese Rechnung steht erst am Anfang. Wir, die Europäische Union und die Mitgliedstaaten, haben auf diesem Gebiet kläglich versagt. Unser Ziel, den Rückgang der biologischen Vielfalt bis 2010 aufzuhalten, ist noch lange nicht erreicht.
Daher lautet die Schlüsselfrage jetzt, wie wir sicherstellen können, dass wir das neue Ziel, das wir uns für 2020 gesetzt haben, tatsächlich auch erreichen. Zuallererst ist dies natürlich eine Frage des politischen Willens, aber in meinem Bericht sind auch eine Reihe konkreter Vorschläge enthalten. Zum Beispiel muss der Engstirnigkeit ein Ende gesetzt werden. Naturschutzpolitik und Haushaltspolitik sind noch immer zu isoliert voneinander. Dies muss sich ändern, und zwar in Form eines ganzheitlichen Ansatzes. Die biologische Vielfalt sollte nicht nur Teil der europäischen Naturschutzpolitik sein, sondern auch anderer Politiken, wie der Fischerei-, Landwirtschafts- und Regionalpolitik. Ich weiß, es wurden erste Schritte in diese Richtung unternommen, aber wir müssen weiter gehen. Die Reform der gemeinsame Agrarpolitik beispielsweise bietet in dieser Hinsicht Möglichkeiten, zum Beispiel durch die Vergütung für Sozialdienstleistungen oder die Entlohnung von Landwirten für eine nachhaltige Produktion in oder nahe unserer Naturschutzgebiete.
Mein zweiter Punkt ist, dass wir Win-Win-Situationen schaffen müssen, in denen Wirtschaft und Umweltschutz Hand in Hand gehen können: Dadurch können auch Möglichkeiten für „grüne“ Arbeitsplätze in Europa geschaffen werden.
Ein weiterer Punkt ist, dass wir eine bessere Zusammenarbeit zwischen und Vernetzung von Natura 2000-Gebieten gewährleisten sollten. Was derzeit am meisten fehlt, ist ein grenzüberschreitender Ansatz, auch wenn Tiere und Pflanzen nationalen Grenzen keinerlei Beachtung schenken. Außerdem fordern wir die Kommission dazu auf, mehr Führungsstärke zu zeigen und für mehr Klarheit zu sorgen. Schließlich gibt es beispielsweise bei der Umsetzung von Natura 2000 in den Mitgliedstaaten enorme Unterschiede.
Alles in allem unterstützen wir die Vorschläge und den Ehrgeiz der Europäischen Kommission, wenn es darum geht, dem Rückgang der biologischen Vielfalt bis 2020 Einhalt zu bieten; allerdings sollte dieser Ehrgeiz das absolute Minimum sein. Denn auch die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sollte eine unserer Ambitionen sein. Außerdem muss natürlich der biologischen Vielfalt mehr internationale Aufmerksamkeit gewidmet werden. Zu diesem Zweck muss Europa auf der Nagoya-Konferenz nächsten Monat energisch, klar und geschlossen seine Stimme erheben.
Was neue Pläne angeht, so sind Folgeneinschätzungen überaus wichtig, und zwar sowohl im Hinblick auf die ökologischen als auch die sozioökonomischen Auswirkungen – und sie sind nicht als eine Verzögerungstaktik oder Ausrede gedacht, sondern sollen dazu dienen, Klarheit zu schaffen.
Schließlich fordern wir auch eine neue Politik seitens der Europäischen Kommission, zum Beispiel in Bezug auf gebietsfremde invasive Arten. Schließlich kann es auch nötig sein, zum Schutz einer bestimmten Art sich auch aktiv mit einer anderen zu befassen. Ohne Maßnahmen gegen das Grauhörnchen gibt es in Großbritannien wenig Chancen für das Überleben einheimische Rothörnchen. Auch die Freilassung von Tausenden Wildhamstern in Süd-Limburg hat sich als wenig wirkungsvoll erwiesen, wenn ein einziger Fuchs in nur einem Jahr dreihundert davon verspeisen kann. Kurzum, in den nächsten paar Jahren werden von uns Ehrgeiz und Realismus erwartet.
Ich möchte meinen Beitrag damit schließen, den Schattenberichterstattern für die konstruktive Zusammenarbeit zu danken, die zu der einstimmigen Annahme dieses Berichts im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit geführt hat, und ich möchte auch Kommissar Potočnik danken, der heute nicht hier sein kann, weil er in Sachen biologischer Vielfalt in New York unterwegs ist. Ich vertraue aber darauf, dass Kommissar De Gucht, der diese Rede sogar in seiner Muttersprache hören durfte, sie seinem Kollegen getreu weitergeben wird.
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, während wir hier sprechen, befindet sich Kommissar Potočnik für die UN-Gespräche über das Internationale Jahr der biologischen Vielfalt in New York. Sie werden also sicher verstehen, dass er hier und heute nicht persönlich erscheinen kann.
Daher fällt es mir zu, Frau de Lange im Namen der Kommission für die Erstellung dieses überaus aktuellen Berichts über den Schutz der biologischen Vielfalt und die Umsetzung der EU-Naturschutzgesetzgebung zu danken. Ich möchte das Wort „aktuell“ betonen, weil sich die EU bei ihrer Politik über biologische Vielfalt und Naturschutz genau jetzt an einem politischen Scheideweg befindet.
Die Kommission teilt die tiefen Sorgen der Abgeordneten über das außerordentlich schnelle Voranschreiten des durch den Menschen verursachten Verlusts der biologischen Vielfalt. Die Kommission weiß um und ist erschreckt über den enormen Abbau der Ökosystemdienstleistungen, die durch die biologische Vielfalt gewährleistet werden und von denen unser aller Überleben abhängt.
Seitdem das 2010-Ziel angenommen wurde, haben wir in der EU eine Reihe von Fortschritten gemacht, auf die wir stolz sein können. Das EU-weite Netz Natura 2000 geschützter Gebiete erstreckt sich mittlerweile auf fast 20 % des EU-Gebiets und vergrößert sich zu Lande und zu Wasser immer weiter. Trotzdem haben wir es aber nicht geschafft, unser ursprüngliches EU-Ziel zu erreichen, nämlich den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 einzudämmen. Trotz dieses Versagens und trotz schwieriger Diskussionen über eine noch nie dagewesene Wirtschaftskrise in Europa wurde auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates ein neuer Ansatz und ein neues Ziel im Hinblick auf die biologische Vielfalt beschlossen.
Unser neues Ziel ist überaus ehrgeizig. Es fordert von der EU, den Verlust der biologischen Vielfalt und den Abbau von Ökosystemdienstleistungen bis 2020 zu halbieren und sie, soweit dies möglich ist, wiederherzustellen, und gleichzeitig den ihren Beitrag zur Verhinderung des Verlustes von biologischer Vielfalt weltweit zu intensivieren. In seiner Rede über die Lage der Union hat Präsident Barroso kürzlich seine Bereitschaft für diesen Kurs erklärt. Dies sei ein Thema, dem er größte Wichtigkeit beimisst und das dringend angegangen werden muss.
Wir wissen, was die wichtigsten Herausforderungen bei der Erfüllung der Ziele sind. Eines der Hauptprobleme ist das Wesen der Politik zur biologischen Vielfalt an sich. Die biologische Vielfalt ist komplex und eine Querschnittsfrage. Die Zuständigkeit für dieses Problem lastet auf vielen Schultern, und das ist ein Handicap, weil es letzten Endes auf das alt bekannte Problem hinausläuft, nämlich dass, wenn jeder schuldig ist, keinem die Schuld zugeschrieben werden kann.
Wir befinden uns in einer Umbruchsphase in der EU, und viele Strategien, die einen entscheidenden Einfluss auf die biologische Vielfalt haben, werden derzeit überprüft. Dies gilt für die gemeinsame Agrarpolitik, die gemeinsame Fischereipolitik und die Kohäsionspolitik. Wir befinden uns also an wichtigen Scheidewegen: Wir können dem richtigen Weg folgen, indem wir die biologische Vielfalt in all diese Strategien einbinden und unseren sicher unser Ziel erreichen, oder wir können den Fehler begehen und einen anderen Weg einschlagen und niemals unseren Endpunkt – das für 2020 vereinbarte Ziel – erreichen, was zum unwiderruflichen Verlust der biologischen Vielfalt und möglicherweise zu katastrophalen Folgen führen kann.
In der Entschließung wurde viel über die überaus besorgniserregenden Entwicklungen des Verlusts der biologischen Vielfalt in Europa und der ganzen Welt, den hohen Druck, der auf Arten und Ökosysteme ausgeübt wird, die möglichen Lösungen, den Wert der Ökosystemdienstleistungen und ihre starken Verknüpfungen mit den Milleniumsentwicklungszielen und dem Kampf gegen den Klimawandel gesagt.
Wir stehen vor einer enormen Aufgabe, um das Leben auf unserem Planeten zu erhalten, aber wir sollte uns nicht durch die Größe der Herausforderung entmutigen lassen. Die Kommission hat den Mut mit Sicherheit nicht verloren und wird eine neue EU-Strategie entwickeln, um das Ziel der biologischen Vielfalt für 2020 zu erfüllen.
Die Kommission arbeitet derzeit auch an einer Mitteilung über die Finanzierung des Natura-2000-Netzes von Schutzgebieten. Eine bessere Nutzung der verfügbaren Gelder wird sicherlich größere Vorteile im Bereich biologische Vielfalt und Naturschutz bringen.
Wir teilen voll und ganz die Meinung, dass es, wie im Bericht betont wird, unbedingt notwendig ist, die Naturschutzgesetzgebung vollständig umzusetzen, da wir sonst unser neues Ziel niemals erfüllen werden können.
Wir freuen uns auf die Diskussionen und die Zusammenarbeit mit den Abgeordneten, um dem Maßnahmenpaket Gestalt zu geben, das uns zur Erreichung unseres neuen Ziels der biologischen Vielfalt verhelfen wird. Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen, um Frau de Lange für ihren Bericht, und den äußerst wertvollen Beitrag den sie damit zu dieser Debatte geleistet hat, zu danken.
Isabella Lövin, Verfasserin der Stellungnahme des Fischereiausschusses. – (SV) Herr Präsident, ich danke Frau de Lange für ihre Arbeit an diesem Bericht. Ich bin sehr erfreut darüber, dass der Fischereiausschuss einen Standpunkt unterstützt, aus dem hervorgeht, wie wichtig es ist, dass unsere verschiedenen Politikbereiche aufeinander abgestimmt sind. Binnen 50 Jahren werden zwischen 70 und 90 % aller großen Raubfische in den Ozeanen der Welt überfischt sein, und diese Tatsache muss von der EU wirklich sehr ernst genommen werden, da sie der Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme in unseren Meeren schaden wird. Diese ist aber derzeit dringend notwendig, damit Kohlenstoffdioxid absorbiert werden kann, als Teil unseres Kampfes gegen den Klimawandel.
Die EU muss im Herbst in Nagoya hinsichtlich dieser Frage an vorderster Front stehen, auch was die Reform der gemeinsamen Fischereipolitik betrifft. Der Fischereiausschuss ist über die Betonung der Notwendigkeit einer maritimen Raumplanung und einer integrierten Meerespolitik sehr erfreut. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass die verschiedenen Sektoren unabhängig voneinander arbeiten, als ob in der Natur nicht alles zusammenhängen würde, und wir müssen die Ziele, die wir uns zur Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt gesteckt haben, auch in unserer Fischereipolitik ernst nehmen.
Richard Seeber, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte der Kollegin de Lange zu dem ausgezeichneten Bericht gratulieren und auch den Schattenberichterstatterinnen, dass hier so gut zusammengearbeitet wurde. Die Zahlen und Fakten liegen auf dem Tisch, sie sind in diesem Bericht enthalten, und es ist klar, dass wir eine moralische Verpflichtung haben, die Biodiversität zu erhalten, aber auch eine ökologische und eine ökonomische.
Es wäre ein Wahnsinn, wenn wir hier nicht in Zukunft erfolgreicher sein würden. Nur ein Problem sehe ich schon, und zwar die Akzeptanz der Bürger. Wenn wir gerade über das Natura-2000-Netzwerk sprechen, so stellen wir fest, das wir zwar in manchen Staaten mit der Einrichtung dieser Netzwerke und auch mit der Durchsetzung sehr erfolgreich sind, in anderen Staaten aber weniger. Und die Kommission sollte wirklich ein vermehrtes Augenmerk darauf legen, dass hier auch mit gleichem Maß gemessen wird. Viele Bürgerinnen und Bürger stört es nicht, dass Biodiversität verteidigt wird, die Menschen verstehen das. Aber was die Menschen nicht verstehen, ist, dass in manchen Staaten sehr lax damit umgegangen wird und in anderen über die Maßen streng. Wenn wir hier ein level playing field schaffen könnten, so bekämen wir die politische Akzeptanz der Bevölkerung, die eine conditio sine qua non ist, damit diese Politik langfristig erfolgreich ist.
Darum die Bitte an die Kommission: Sie soll mit Leitlinien kommen, damit wir hier endlich einheitliche Richtlinien haben. Gerade Sie, Herr Präsident, kennen ein Land besonders gut, wo gerade mit der Biodiversität manches Schindluder getrieben wird und uns immer wieder vorgeworfen wird, dass wir nicht fähig sind, von europäischer Seite mit einem Maß zu messen.
Jo Leinen, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nicht mit dem Finger auf ein Land zeigen, sondern ich glaube, der Finger zeigt auf uns alle zurück, weil die EU-Strategie für 2010 ja nicht funktioniert hat und wir uns neue Ansätze für die neue Dekade bis 2020 einfallen lassen müssen. In wenigen Wochen findet die UNO-Konferenz über Biodiversität in Nagoya statt, und ich hoffe, es wird nicht eine ähnliche Enttäuschung wie die UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen. Es darf jetzt bei einer so wichtigen weltweiten Naturschutzkonferenz einfach kein erneutes Scheitern geben, und die EU hat dabei eine große Rolle zu spielen. Wir müssen uns für ein global amibitioniertes Programm zum Erhalt der Artenvielfalt einsetzen. Wir müssen Solidarität bei der Finanzierung dieser Maßnahmen zeigen, und die EU muss mit einer Stimme sprechen und nicht mit 27 verschiedenen Zungen.
Die TEEB-Studie wurde genannt: 50 Milliarden Euro Verlust jedes Jahr durch den Rückgang der Arten. Da ist der Haushalt der EU mit 0,2 % finanziellen Mitteln für den Naturschutz sehr mager und sehr mickrig. In der mittelfristigen Finanzplanung muss da einfach mehr Geld für den Artenschutz bei uns aufgebracht werden. Was die Solidarität der EU mit der übrigen Welt angeht, brauchen wir auch ein Instrument, mit dem wir Gegenleistungen erbringen können für die Arten, die wir entnehmen, vor allen Dingen für Medizinpflanzen. Die Entwicklungsländer brauchen eine Kompensation.
Ich meine auch, dass der Schlüssel für den Erfolg darin liegt, Biodiversität als Querschnittsaufgabe zu sehen. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Meeresnutzung – das muss jetzt unter dem Artengesichtspunkt betrachtet werden. Auch eine Bodenschutzrichtlinie bekommt ein neues Gewicht. Der Boden ist ein Puffer für CO2, und die Veränderung des Bodens ist eine sehr negative Geschichte.
Das Parlament wird sich für die Biodiversität einsetzen. Herzlichen Glückwunsch an die Berichterstatterin!
Gerben-Jan Gerbrandy, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Auch ich möchte der Berichterstatterin für ihre Arbeit an diesem Bericht danken, dessen Anlass das traurige Scheitern unserer eigenen europäischen Strategie zur biologischen Vielfalt war. Diese Strategie sollte eigentlich ab dem Jahr 2000 den Verlust der biologischen Vielfalt eindämmen. Sie ist nicht nur nicht geglückt, sondern hat sich als völliges Fiasko erwiesen. Schließlich haben wir es nicht einmal geschafft, das Tempo des Rückgangs zu verlangsamen. Wie menschliche Heuschrecken fressen wir unseren Planeten kahl, und unser Hunger scheint unersättlich.
Wird denn nichts dagegen getan? Natürlich. Natura 2000 hat in vielen Mitgliedstaaten zu großen Erfolgen geführt. Ergebnisse wurden erzielt, aber in viel zu geringem Umfang. Dies geht eindeutig aus der stetig anwachsenden Liste der bedrohten Tierarten hervor. Viele schöne Erklärungen wurden abgegeben, zum Beispiel vom Europäischen Rat – eine weitere wird sicher morgen auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen folgen – aber wenn es darauf ankommt, schauen diese Leute weg. Wenn der Schuh drückt und echte Entscheidungen getroffen werden müssen, sind die Fischer plötzlich wichtiger als das Überleben der vielen Fischarten, ein Landwirt darf seinen Betrieb auf Kosten eines Naturschutzgebietes vergrößern, oder die Holzindustrie hat einen größeren Stellenwert als die Erhaltung von Waldgebieten.
Aus renommierten Studien ist uns bekannt, dass diese falschen Entscheidungen uns auf lange Sicht 7 % des jährlichen Bruttosozialprodukts kosten werden: Das sind 14 Billionen EUR – 12 Nullen – jährlich! Mehr als man sich vorstellen kann. In den kommenden Monaten haben wir die Möglichkeit, zu zeigen, dass wir es ernst meinen – und nicht einmal mit der Definition einer neuen Strategie über die biologische Vielfalt, sondern mit der Definition einer neuen Agrarpolitik, mit der neuen Fischereipolitik, mit neuen Handelsabkommen. Tatsächlich wird das Schicksal unserer Flora und Fauna auf anderen Gebieten entschieden.
Genau diese Minister sollten ihre großartigen Erklärungen abgeben und dabei Rückgrat beweisen und Mut zeigen, indem sie die richtigen Entscheidungen treffen. Anderenfalls wird die neue Strategie über die biologische Vielfalt genauso ein Papiertiger wie die letzte sein. Ich weiß eines ganz sicher, und zwar, dass Papiertiger, im Gegensatz zu echten Tigern, niemals aussterben werden – denn die Menschheit produziert mehr als genug davon.
Sandrine Bélier, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren, wie bereits erwähnt wurde, befinden wir uns im Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt, und in diesem Jahr wird von uns verlangt, dass wir auf die Lösung einer dreifachen Krise hinarbeiten. Die drei miteinander verbundenen Probleme erfordern einen konsistenten und ganzheitlichen Ansatz, wenn wir sie in Angriff nehmen und aus einer ökologischen Krise herauskommen wollen, die direkte Folgen für unsere Wirtschaft und unser Sozialmodell hat.
Die drei Elemente dieser Krise sind die Lebensmittelsicherheit, der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die biologische Vielfalt keinen Preis hat, aber ihr Verlust, ihr Rückgang und ihre Zerstörung haben einen Preis, nämlich die Zunahme von Armut, Ungleichheiten und enorme Verluste in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht.
Wie bereits erwähnt wurde – und das wissen wir ganz sicher – hängen 40 % unserer Weltwirtschaft direkt von Dienstleistungen ab, die von der Natur bereitgestellt werden, und 60 % davon befinden sich in starkem Rückgang. Europa hat in den letzten 40 Jahren 30 % seiner biologischen Vielfalt verloren. Dieser Verlust wird derzeit mit 1 % des BIP der EU – 50 Mrd. EUR pro Jahr – bewertet und könnte 2050 bis auf 14 000 Mrd. EUR ansteigen, wenn wir keine Maßnahmen ergreifen, da sich der Rückgang beschleunigt. Die Ursachen für das Versagen der vorherigen EU-Strategien in diesem Bereich sind jedenfalls wohl bekannt und sind in dem Bericht deutlich aufgezeigt. Die zu ergreifenden Maßnahmen sind in dem Bericht ebenfalls dargelegt. Daher hoffen wir auf eine große Mehrheit, und wir möchten Frau de Lange für ihre Arbeit danken.
Wir müssen den Worten und Absichten nun Taten folgen lassen; den Zielen Instrumente folgen lassen. Einige Punkte bedauere ich allerdings: der Mangel an Reaktionsfähigkeit seitens des Rates und der Kommission, obwohl dringend gehandelt werden muss; die Tatsache, dass die Boden-Richtlinie IV noch immer vom Rat blockiert wird; dass die Bio-Konditionalität für alle öffentlichen Mittel mit nur einer Stimme im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit abgelehnt wurde; und dass die mit der biologischen Vielfalt in Zusammenhang stehenden Herausforderungen nicht umfangreicher in die Strategie EU 2020 aufgenommen wurden, um für einen nachhaltigen Ausweg aus der Krise durch die Ökologisierung unseres Wirtschaftsmodells zu sorgen.
Wir brauchen Beständigkeit. Wir müssen jetzt endlich aufwachen und uns dazu verpflichten, unser natürliches Kapital zu erhalten und zu fördern. Das ist eine gewinnbringende Investition für die Zukunft.
Peter van Dalen, im Namen der ECR-Fraktion. – (NL) Wir haben gerade jetzt – im Jahr 2010, dem Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt – mit Bedauern festgestellt, dass die Ziele bei weitem noch nicht erreicht sind. Die biologische Vielfalt in Europa und in der ganzen Welt geht rapide zurück, was überaus alarmierend ist. Die biologische Vielfalt steht im Mittelpunkt der Schöpfung Gottes und ist das natürliche Kapital der Welt. Sie bildet die Grundlage unserer Ernährung und der Rohstoffe, die wir nutzen, und sorgt auch für ein stabiles Klima.
Deshalb müssen wir nun endlich aufhören, zu reden – auch in diesem Parlament – und damit anfangen, ernsthaft gemeinsam konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Die Kommission, die Mitgliedstaaten und dieses Parlament müssen mit einer Stimme sprechen, wenn die ehrgeizigen 2020-Ziele erreicht werden sollen, nämlich die Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt und eine globale Strategie, um dafür zu sorgen, dass Ökosysteme geschützt, geschätzt und wiederhergestellt werden.
João Ferreira, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Die Schaffung eines zusammenhängenden ökologischen Netzes auf europäischer Ebene, das wichtige und repräsentative Lebensräume vereint – von denen viele bedroht sind – ist eine wichtige Bedingung für die Gewährleistung des Schutzes der biologischen Vielfalt, ist aber alleine nicht genug.
Es müssen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um dieses Netz zu verwalten, damit nicht nur mögliche Bedrohungen überwacht und bestehende Gebiete geschützte, sondern auch Problemgebiete wiederhergestellt und neu eingestuft werden können. Daher ist es bedauerlich, dass bei der Einrichtung des Netzes Natura 2000 nicht auch konkrete Finanzierungsinstrumente zur Verwaltung der darin enthaltenen Gebiete geschaffen wurden, eine Tatsache, unter der die Effizienz des Projekts viel gelitten hat und auch weiterhin leiden wird. Die Kürzungen der EU-Finanzierungsinstrumente für die Umwelt im Haushaltsplan 2010 – der gleiche Haushaltsplan, in dem die Militärausgaben erhöht wurden – sind ebenfalls bedauerlich.
Jedoch erfordert ein effektiver Schutz der biologischen Vielfalt in all seinen unzähligen Facetten auch seine Aufnahme in eine Reihe wichtiger sektorbezogener Politiken, wobei die von der Europäischen Union verfolgten Politiken, angefangen bei der Agrar- bis hin zur Handelspolitik, genau hier dringend und tiefgreifend umgestaltet werden müssen. Ich nutze die Gelegenheit, dass der Kommissar, der für diesen Aufgabenbereich zuständig ist, gerade anwesend ist. Zum Wohle unserer biologischen Vielfalt muss innerhalb der Politik der Europäischen Union viel getan werden, und viel investiert werden.
Anna Rosbach, im Namen der EFD-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, es ist in der Tat bedauerlich, dass wir heute einen Bericht über die biologische Vielfalt vor uns haben, der uns sagt, dass wir uns um unseren Planeten kümmern müssen. Das sollte selbstverständlich sein. Aber da wir selbst eindeutig nicht dazu in der Lage sind, das Land, Wasser, Berge, Pflanzen und Tiere zu schützen, haben wir nun einen sorgfältigen und umfassenden Bericht, der sich kritisch mit dem täglichen Verlust an biologischer Vielfalt auseinandersetzt. Daher stimme ich mit der Berichterstatterin überein, dass die gemeinsame Fischereipolitik die biologische Vielfalt sichern muss. Das wird Änderungen erforderlich machen, aber diese sind notwendig.
Dasselbe gilt für die Landwirtschaft. Es hat keinen Sinn, in der gewohnten Weise weiterhin Pestizide einzusetzen. Auch hier muss der Erhalt der biologischen Vielfalt integriert und so ein selbstverständlicher Teil dieses Sektors werden.
Die Industrie spielt eine wichtige Rolle. Es ist schwierig, auf globaler Ebene wettbewerbsfähig zu sein und gleichzeitig die Wünsche des Parlaments zu berücksichtigen. Aber ich möchte den Vertretern der Industrie, Landwirtschaft und der Fischerei sagen, dass auch sie Bewohner dieser Erde sind und dass auch ihre Kinder die Chance haben sollten, die Vögel singen zu hören. Am wichtigsten ist jedoch, dass alle Bürgerinnen und Bürger der EU all diese schönen Worte über die Achtung der Natur im Alltag in die Tat umsetzen.
Cristina Gutiérrez-Cortines (PPE). – (ES) Herr Präsident, meiner Meinung nach haben wir im Jahr der biologischen Vielfalt viel über die aktuelle Katastrophe gesagt, aber wenig über Lösungen. Ich glaube, dass die Gesellschaft Lösungen und neue Wege braucht, um das Problem anzugehen.
Erstens sollte die Aufteilung Europas in biogeografische Gebiete in eine konkrete Politik umgesetzt werden, weil sich die Probleme in den verschiedenen Gebieten Europas unterscheiden. Aus diesem Grund sollten wir eine Mikropolitik über biologische Vielfalt haben, weil biologische Vielfalt eine lokale Angelegenheit ist.
Zweitens ist es unhaltbar, dass wir allen Maßnahmen in Bezug auf Boden und die Aufgabe von Agrarboden den Rücken kehren sollten, wenn die trophischen Zyklen der Tiere eine detaillierte Untersuchung jedes Gebiets erforderlich machen. Dies wurde nicht getan. Man weiß, dass es in vielen Gebieten durch das Anpflanzen bestimmter Bäume mehr Vögel und durch bestimmte Pflanzen auch mehr Insekten geben wird. Experten bestätigen, dass sich der Verlust der biologischen Vielfalt besonders schlimm durch den Schwund der Insektenbestände äußert, was für Vögel besonders tragisch ist. Nichts wird über die Probleme hinsichtlich Boden, Insekten und dem organischen Reichtum des Bodens gesagt. In Europa scheint es ein Verbrechen zu sein, über den Boden zu sprechen.
Schließlich möchte ich sagen, dass den Landeigentümer eine wesentliche Rolle zukommt. Ein Änderungsantrag über Interessenvertreter, den ich im Ausschuss vorgelegt habe, wurde abgelehnt. Aber wenn wir Vögel oder Tiere haben, haben dann nicht die Landwirte, die die Pflanzen anpflanzen, die diese fressen, auch etwas zu sagen? Hat der Eigentümer ihres Lebensraums nicht auch etwas zu sagen? Haben Landwirte denn nichts zu sagen? Ich denke, dass dieser Methode der Auferlegung ideologischer Diktaturen in Europa ein Ende bereitet werden muss, wenn wir eine bessere biologische Vielfalt erzielen wollen.
Andres Perello Rodriguez (S&D). – (ES) Herr Präsident, Frau de Lange sagte, dass die Alarmglocken schrillten, und sie hat recht. Wir hören auch – zum Beispiel in den Reden der Abgeordneten – viel Frust darüber, dass die Milleniumsentwicklungsziele nicht erreicht wurden.
In der Tat steht eine ganze Menge auf dem Spiel. Unsere Natur ist so zerbrechlich, dass, wenn der große Fisch eines Tages beschließen sollte, nicht mehr den kleinen Fisch zu fressen, wir dafür mit unserer Gesundheit und unserem Wohlstand bezahlen müssen.
Die Europäische Union hat derzeit eine führende Position im Kampf gegen den Klimawandel und war einige Zeit lang führend beim Ergreifen richtungsweisender Maßnahmen und beim Umweltschutz. Die nicht erfüllten Ziele zeigen allerdings, dass es anscheinend an Willen gemangelt hat, und zwar nicht nur für die Umsetzung und Koordination, die hier auch erwähnt wurden, sondern auch für die Ausdehnung unserer extrem begrenzten speziellen Schutzgebiete.
Natürlich ist die biologische Vielfalt kein Museumsstück, das einfach weggesperrt werden kann und nach dem dann nur von Zeit zu Zeit geschaut wird, wie es zuweilen der Fall zu sein scheint. Die biologische Vielfalt lebt und hat keine Grenzen, sie betrifft den gesamten Planeten und ist wie ein Dominospiel, das heißt, wenn ein Dominostein umfällt, fallen alle anderen auch.
Ich möchte außerdem darauf aufmerksam machen, dass ein globaler, mehr auf die Union ausgerichteter Wille notwendig ist, insbesondere in Bezug auf den Boden, weil die Anwendung der Subsidiarität als einzige Methode zur Verwaltung von Boden und Waldland einer der neuen, furchterregenden Feinde der biologischen Vielfalt sein könnte. Aus diesem Grund mache ich auf Ziffer 67 und das mögliche Ergebnis der Stimmabgabe aufmerksam und bitte Sie, den zweiten Teil abzulehnen, weil ich davon überzeugt bin, dass eine gemeinsame Bodenpolitik zum Schutz des gesamten europäischen Territoriums beitragen würde, das – im Guten wie im Schlechten – so unterschiedlich ist, in dem es so an politischem Willen seitens der Mitgliedstaaten mangelt, und wo eine höhere Beteiligung der Europäischen Union im weitesten Sinne so sehr notwendig ist: Mehr Union auch für den Boden.
Bas Eickhout (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident, ich möchte meiner Kollegin Frau de Lange für ihren Bericht über die biologische Vielfalt in Europa danken. Schließlich schafft Europa es einfach nicht, den Verlust der biologischen Vielfalt einzudämmen. Dies ist eine ernste Angelegenheit, die Aufmerksamkeit erfordert, und Frau de Lange hat sehr recht damit, diese Aufmerksamkeit einzufordern.
Wir, das Parlament, unterstützen die Kommission in ihren Bemühungen, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2020 zumindest einzudämmen. Dies bedeutet allerdings Einiges, da wir anderenfalls im Jahr 2020 erneut feststellen werden müssen, dass die Ziele nicht erreicht wurden. Es bedeutet, unsere Agrarpolitik zu ändern und die Art und Weise, wie wir Geld für unsere Fischereipolitik ausgeben; es bedeutet, unsere Infrastrukturpolitik zu ändern und auch unseren Ansatz zur regionalen Entwicklung.
All diese Dinge werden in der finanziellen Vorausschau für die kommende Periode diskutiert werden, und ich nehme an, dass Frau de Lange und auch Herr van Dalen, die so schöne Worte über die biologische Vielfalt gesprochen haben, ihren Worten in unseren Diskussionen über diese finanzielle Vorausschau auch Form geben werden. Schließlich ist es am wichtigsten, dass wir – Europa – unsere Politik über die biologische Vielfalt wirklich stärken und schützen. Andernfalls wird sie nichts weiter als noch eine leere Hülse bleiben.
James Nicholson (ECR). – Herr Präsident, dieser Bericht hat klugerweise die Rolle der Landwirte beim Schutz der biologischen Vielfalt und ihren Beitrag zu bewährten Umweltpraktiken allgemein erkannt.
Während der Diskussion über die unmittelbar bevorstehende Reform der gemeinsamen Agrarpolitik konzentriert sich eines der Hauptargumente in der Debatte immer mehr auf die diesbezügliche Verantwortung der Landwirte und wie sie für diesen Nutzen für die Umwelt oder die öffentlichen Güter, die sie liefern, entlohnt werden sollten.
Ich bin der Meinung, dass wir unseren Ansatz in dieser Frage ändern müssen. Ich möchte, dass Landwirte dazu angespornt werden, sich für Agrarumweltmaßnahmen zu engagieren anstatt strengen Cross-Compliance-Vorschriften zu unterstehen.
In dieser Hinsicht bin ich der Meinung: Zuckerbrot statt Peitsche. Der Bericht von Frau de Lange erwähnt die Idee einer außerordentlichen direkten Aufstockung, was meines Erachtens eine sehr interessante Idee ist und Landwirte dazu anspornen würde, mehr für den Schutz der Umwelt zu tun.
Ich widerspreche denjenigen, die sagen, dass wir eine Boden-Richtlinie benötigen. Ich glaube nicht, dass wir das brauchen. Wir haben genug Werkzeug im Kasten. Wir müssen uns den Herausforderungen stellen, denen wir uns derzeit in diesem Bereich gegenübersehen, und ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir dies in den Reformen schaffen werden.
Elena Oana Antonescu (PPE). – (RO) Auch ich möchte der Berichterstatterin, Frau de Lange, zu all ihren Bemühungen bei der Zusammenstellung und Bewältigung dieses Dossiers beglückwünschen.
Sei es der Erhalt des natürlichen Ökosystems, Klimaschutz, Wasser und Luft, Bodenfruchtbarkeit oder die Erzeugung von Lebensmitteln, Kraftstoff, Fasern und Medikamenten, alles hängt von der biologischen Vielfalt ab. Die Europäische Kommission und insbesondere die Mitgliedstaaten müssen sich aktiv für den Erhalt der natürlichen Reichtümer engagieren, die für die nachhaltige Entwicklung von Gemeinden erforderlich sind, und zwar durch die Bereitstellung erneuerbarer Ressourcen und durch die Gewährleistung des landschaftlichen Wertes und des Erholungswertes, des Schutzes und der ökologischen Gleichgewichte, die zum Erhalt einer gesunden Umwelt erforderlich sind.
Eine Erhöhung der Mittel für das EU-Finanzierungsinstrument für die Umwelt wäre zu begrüßen, selbst wenn sie nach wie vor nur einen kleinen Teil des EU-Haushalts ausmachen. Wir brauchen zusätzliche Investitionsprogramme, und wir müssen Wege finden, um Investitionen zu fördern, die der biologischen Vielfalt dienlich sind, und gleichzeitig Investitionen zu verhindern, die die biologische Vielfalt beeinträchtigen, und zwar sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Wir müssen bewährte Praktiken im Hinblick auf Effektivität und Mehrwert für unsere Projekte entwickeln.
Ich teile auch den Standpunkt der Berichterstatterin, die Kommission dazu aufzufordern, alle Faktoren zu berücksichtigen, die für die Nachhaltigkeit von Projekten relevant sind, und eine systematische Überwachung dieser Projekte einzuführen.
Kathleen Van Brempt (S&D). – (NL) Herr Präsident, wenn ich meinen Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament zuhöre, macht sich ein breiter Konsens über die Dringlichkeit dieser Angelegenheit bemerkbar. Das ist natürlich wahr, aber in diesem Fall müssen wir den Mut aufbringen, um wirklich zum Kern des Problems vorzudringen.
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat berechnet, dass sich die Investition in die biologische Vielfalt lohnen kann: Jeder ausgegebene Euro kann um das drei- bis 75-fache wieder hereingeholt werden. Das heißt, dass Investitionen in die biologische Vielfalt auch einen bedeutenden wirtschaftlichen Mehrwert darstellen können. Angesichts dessen benötigen wir jedoch den Mut, diesem Ansatz in all unseren Sektoren, einschließlich Fischerei, Landwirtschaft und unserer Strukturfonds, konsequent zu folgen. Wenngleich wir in den letzten 10 oder 15 Jahren auf dem Gebiet der Landwirtschaft große Fortschritte erzielt haben, sind wir in Wirklichkeit von unserem eigentlichen Ziel noch sehr weit entfernt.
Wenn der Wille da ist, kann die Landwirtschaft zur Förderung der biologischen Vielfalt anstatt zu ihrer Zerstörung beitragen. Daher ist die Herausforderung, der wir uns in der gesamten EU stellen müssen, tatsächlich nicht nur die Nutzung des Finanzierungsinstruments für die Umwelt (LIFE), sondern auch die konsequente Verfolgung dieses Ansatzes in allen möglichen Sektoren.
Maria Da Graça Carvalho (PPE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, die Wichtigkeit dieses Bericht spiegelt die Notwendigkeit für die Intensivierung der Bemühungen im Hinblick auf die biologische Vielfalt wider. Bedauerlicherweise wurde das im Jahr 2001 in Göteborg vereinbarte EU-Ziel der Stabilisierung des Verlusts der biologischen Vielfalt bis 2010 nicht erreicht. Die Konsequenzen des Verlustes der biologischen Vielfalt setzen unsere Zukunft und unseren Wohlstand aufs Spiel und haben direkte wirtschaftliche Auswirkungen. Die korrekte Anwendung der Rechtsvorschriften zum Natura 2000-Netz spielt eine wichtige Rolle bei der Realisierung der Ziele im Hinblick auf die biologische Vielfalt.
In diesem Kontext ermahne ich die Mitgliedstaaten, der Anwendung des Natura 2000-Netzes höchste Priorität einzuräumen. Auch muss die Kommission dafür sorgen, dass Fragen in Bezug auf die biologische Vielfalt besser in andere politische Bereiche wie Landwirtschaft, Fischerei, Regionalpolitik, Tourismus und Entwicklung integriert werden. Der Haushalt für wissenschaftliche Forschung im Bereich Umwelt und biologische Vielfalt muss im Achten Rahmenprogramm erhöht werden, damit er für die Herausforderungen auch angemessen ist. Aus diesen Gründen muss ein neues zentrales Ziel für 2020 gesetzt werden, das die Verhinderung des Verlustes der biologischen Vielfalt in der EU und auf globaler Ebene anstrebt.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, ein Liedtext lautet: „Alle Geschöpfe Gottes haben einen Platz im Chor, einige singen mit hoher Stimme, einige singen mit tiefer Stimme und einige klatschen einfach mit den Händen.“ Leider sehen wir derzeit, dass viele Geschöpfe Gottes aussterben, hauptsächlich aufgrund der Aktivitäten des Menschen, des homo sapiens. Es ist höchste Zeit, dass wir etwas Sinn in diese ganze Frage bringen.
Ich stimme Frau de Lange und anderen Rednern voll und ganz darin zu, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die wirtschaftlichen Argumente sind unwiderlegbar: ein Verlust von 50 Mrd. EUR jetzt, 1 % des BIP, der 2050 auf 14 Billionen ansteigen wird, falls nichts dagegen unternommen wird.
Dies kann eine Win-Win-Situation für uns sein, aber dazu brauchen wir zwei Dinge. Ich stimme Herrn Nicholson zu: Zuckerbrot, natürlich, bei den Fischern und Landwirten, aber auch in der Bildung, insbesondere bei jungen Menschen.
Bogusław Sonik (PPE). – (PL) Die Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärte 2010 zum Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt. Die damit Feierlichkeiten dazu bieten eine Möglichkeit, eine globale Kampagne umzusetzen, um das Bewusstsein der Gesellschaft in Bezug auf die biologische Vielfalt zu stärken. Gemäß Eurobarometer-Daten vom April 2010 kannten nur 38 % der Befragten die Definition von Biodiversität. Wir müssen das Bewusstsein über die Bedeutung der biologischen Vielfalt für die Qualität des menschlichen Lebens stärken und die bisherigen Errungenschaften auf dem Gebiet des Schutzes der natürlichen Ressourcen hervorheben sowie zusätzliche, intensivere Bemühungen zur Bekämpfung des Verlustes der biologischen Vielfalt fördern.
Tage des Kulturerbes, die im Allgemeinen ein historisches oder architektonisches Kulturerbe oder was die Franzosen als „patrimoine“ bezeichnen, feiern, sind sehr erfolgreich. Meiner Meinung nach könnte die Kommission eine ähnliche Initiative umsetzen und Tage einführen, an denen unser natürliches Erbe gefeiert wird, um die Sichtbarkeit und Bedeutung der biologischen Vielfalt zu stärken. Ich denke auch, und diesbezüglich möchte ich einen Appell aussprechen, dass es im Hinblick auf die bevorstehende Konferenz in Nagoya der Parteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt von entscheidender Bedeutung ist, dass die Europäische Union ihre Position über die Strategie der biologischen Vielfalt für die Zeit nach 2020 in Bezug auf ihre Finanzpolitik klarmacht und verdeutlicht, wie ein Konsens zwischen den Mitgliedstaaten gefunden werden soll über Maßnahmen, die sie in Zukunft in die nationale Gesetzgebung aufnehmen müssten.
Christa Klaß (PPE). - Herr Präsident! Wir müssen nachhaltig und verantwortlich mit dem großen Geschenk der Natur umgehen. Und da sehe ich auch den Naturschutz durch die Bewirtschaftung. Eine Bewirtschaftung der Äcker und der Erhalt der biologischen Vielfalt sind keine Gegensätze, im Gegenteil. Eine integrierte Bewirtschaftung schafft Lebensräume.
Das sehen wir zum Beispiel in meiner Heimat, verstärkt auch in den stillgelegten und nicht bewirtschafteten Weinbergflächen. Der Apollofalter, eine seltene Schmetterlingsart, zieht sich dort zurück. Er lebt im frei gehaltenen Gemäuer und nicht im Gestrüpp. Die Einführung des integrierten Pflanzenschutzes und die Möglichkeit, Pflanzenschutz gezielt auf einzelne Krankheitserreger auszurichten, dient im Besonderen der Artenvielfalt. Und für besondere Leistungen braucht die Landwirtschaft auch besondere Honorierung. Das gilt es auch künftig durch eine gute, gemeinsame europäische Agrarpolitik sicherzustellen.
Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen haben wir bereits auf den Weg gebracht. Einige davon gehören sicherlich auf den Prüfstand. Wir stellen auch fest, dass europäische Regelungen nicht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen umgesetzt werden. Hier brauchen wir verstärkte Verpflichtungen der Einhaltung und auch einheitliche Kontrollen bei der Umsetzung. Mit dem Schutz des Bodens können die Mitgliedstaaten jetzt schon anfangen. Sie brauchen alle nicht auf eine europäische Richtlinie zu warten.
Csaba Sándor Tabajdi (S&D). – (HU) Ich bin Frau de Lange sehr dankbar, da ich von eigenen persönlichen Erfahrungen zu diesem Thema berichten kann. Zahlreiche ungarische Landwirte haben sich im vergangenen Jahr mit mir in Verbindung gesetzt, um sich über die Reduzierung von Weidebeihilfen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zu beschweren, sollten einheimische Bäume und Büsche nicht entfernt werden. Es bestand ein deutlicher Konflikt zwischen Agrarbeihilfen und biologischer Vielfalt. Einerseits bezahlen wir die Landwirte, um Vogelhäuschen aufzustellen, während wir sie andererseits dazu ermutigen, den natürlichen Lebensraum von Vögeln und anderen Tieren zu zerstören. In Ungarn gibt es ein Sprichwort, das diese Situation zusammenfasst: Die rechte Hand weiß nicht, was die linke Hand tut. Aus diesem Grund muss der biologischen Vielfalt bei der Überprüfung des Natura 2000-Programms im nächsten Jahr, der GAP-Reform und der Entwicklung der neuen Wasserpolitik 2011-2012 unbedingt Priorität gegeben werden.
Rovana Plumb (S&D). – (RO) Ich möchte der Berichterstatterin zu ihrem wichtigen Bericht gratulieren. Ich möchte das Schlüsselinstrument der EU für den Schutz der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme erwähnen, nämlich das Natura 2000-Netz, das 18 % der Landfläche der EU und 17,84 % der Fläche Rumäniens abdeckt.
Gemäß der finanziellen Vorausschau der Kommission steigen die jährlichen Kosten der Verwaltung des Natura 2000-Netzes auf 6,1 Mrd. EUR und im Falle von Rumänien auf 342 Mio. EUR an. Da wir dieses Ziel im Hinblick auf den Schutz der biologischen Vielfalt erreichen müssen, muss die Kommission meines Erachtens die Mittel aufstocken, die dem Schutz der biologischen Vielfalt in dem neuen mehrjährigen Finanzrahmen ab 2014 zugewiesen sind, und sie muss eine Zwischenbewertung des aktuellen Haushaltsrahmens ausführen, insbesondere weil das Ziel zur Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt bis 2010 nicht erreicht wurde.
Barbara Matera (PPE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, der Erhalt der biologischen Vielfalt ist ein wichtiges und aktuelles Thema, wenngleich es leider von vielen unterbewertet wird.
Viele Bürgerinnen und Bürger der 27 Mitgliedstaaten nehmen das schwerwiegende Risiko des Verlustes der biologischen Vielfalt nicht ernst, und auch nicht die Auswirkungen, die dieser auf das Klima, die Umwelt und die Wirtschaft unserer Länder haben kann.
Es liegt ganz sicher an uns, die geltende europäische Gesetzgebung vollständig und wirksam umzusetzen, die Finanzierungsquellen mit Strategien zum Schutz der biologischen Vielfalt in Europa zu integrieren und die Vorschriften für den Zugang zu Geldern für Projekte auf lokaler Ebene zu vereinfachen. Ich spreche über das LIFE-Programm, das Frau Antonescu erwähnt hat.
Außerdem muss die Erhaltung sowohl der Land- als auch der Meereslebensräume eine Priorität auf der europäischen Tagesordnung sein, aber auch aller Mitgliedstaaten, die an der Harmonisierung ihrer Interventionsmaßnahmen arbeiten müssen. Auf allen lokalen Ebenen muss der Schutz der biologischen Vielfalt zu einem Kriterium gemacht werden.
Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass das Parlament dafür verantwortlich ist, im Hinblick auf die Verbesserung unserer Lebensqualität, aber vor allem derjenigen zukünftiger Generationen ein starkes Signal an Europa auszusenden.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE). – (RO) Ich möchte vor dem Hintergrund dieses Berichts meine Besorgnis über eine alarmierende Situation zum Ausdruck bringen. Nach einer Reihe von kürzlich ausgeführten Studien wurde im Schwarzen Meer ein noch nie dagewesener Anstieg des Fischsterbens beobachtet. Die größten Verschmutzer, die die biologische Vielfalt des Meeres in diesem Gebiet beeinträchtigen, sind die Flüsse Dnepr, Don, Dniester und Donau, über die jährlich 600 000 Tonnen Phosphor und 340 Tonnen anorganischer Stickstoff in das Schwarze Meer fließen. Eine Expertengruppe hat geschätzt, dass das Fauna und Flora im Schwarzen Meer in rund 30 Jahren aufgrund von Schwefelwasserstoff ganz verschwunden sein könnte.
Meiner Meinung nach sollten diese Fragen höchste Priorität auf der europäischen Tagesordnung haben. Aus diesem Grund begrüße ich den Bericht, der heute im Parlament debattiert wurde, und ich gratuliere auch der Berichterstatterin dazu.
Janusz Wojciechowski (ECR). – (PL) Ich möchte Frau de Lange zu ihrem ausgezeichneten Bericht gratulieren. Unsere Debatte über die biologische Vielfalt ist extrem wichtig, aber anscheinend wurde in unseren Diskussionen ein überaus wichtiges Thema ausgelassen, nämlich genetisch veränderte Nutzpflanzen. Diese Nutzpflanzen stellen eine ernste Bedrohung für die biologische Vielfalt dar. Noch werden in Europa nur wenig genetisch veränderte Pflanzen angebaut, aber wir stehen unter Druck, weiteren Anbau solcher Nutzpflanzen zu gestatten. Das ist eine sehr gefährliche Aussicht. Das ist eine Art der Landwirtschaft, die für die biologische Vielfalt eine ernste Bedrohung darstellt.
Der Verlust der biologischen Vielfalt ist der Preis, den wir zahlen müssten, wenn wir großflächige Monokulturen genetisch veränderter Nutzpflanzen zulassen würden. Aus diesem Grund sollte die Europäische Union Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass dies geschieht. Wenngleich aus politischer Sicht – wie den von den verschiedenen Fraktionen bezogenen Stellungen zu entnehmen ist – derzeit zwar kein EU-weites Verbot möglich ist, sollten wir doch in Betracht ziehen, Subventionen der Europäischen Union in Gebieten zu streichen, in denen genetisch veränderte Nutzpflanzen angebaut werden, weil sie nicht mit dem Geld der Europäischen Union finanziert werden sollten.
Angelika Werthmann (NI). -(DE) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Biodiversität geht uns alle an. Einheitliche Richtlinien sind unumgänglich, denn die Probleme der Zerstörung von Ökosystemen unter Verlust der biologischen Vielfalt machen vor den Grenzen nicht halt. Ich schließe mich daher der Aufforderung an, dass Kommission und Mitgliedstaaten Entscheidungsstrukturen und die Einhaltung der Vorschriften in vielerlei Hinsicht zu verbessern haben.
Oreste Rossi (EFD). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, die biologische Vielfalt ist ein Maß für die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten in der Biosphäre: Sie ist das Ergebnis langer Entwicklungsprozesse.
Die Evolution ist der Prozess, durch den sich seit über 3 Milliarden Jahren das Leben an sich verändernde Bedingungen auf der Erde anpassen kann und der weiter funktionieren muss, damit er auch in Zukunft Leben ermöglicht. Die Evolution sollte nicht nur als das Ergebnis von Entwicklungsprozessen verstanden werden, sondern auch als der „Reservetank“, auf den sie zurückgreift, um all die genetischen und morphologischen Veränderungen herbeizuführen, die neue Lebensformen entstehen lassen.
Die biologische Vielfalt ist die Lebensversicherungspolice unseres Planeten, deshalb muss ihr Schutz ohne Einschränkungen verfolgt werden, da sie ein universelles Erbe ist, das der Menschheit unmittelbare Vorteile bieten kann, wie die Wahrung des klimatischen Gleichgewichts, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene, als eine wichtige Erkenntnisquelle, durch die wir grundlegende Kenntnisse über biologische Mechanismen erlangen können, die den menschlichen ähnlich sind, oder die nachhaltige Nutzung von Flora und Fauna für lebensmittelbezogene und medizinische Zwecke.
Zu Recht ist ihr Schutz eines der europäischen Ziele nach 2010, dem Jahr der biologischen Vielfalt.
Karel De Gucht, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, lassen Sie mich zuerst versuchen, einige aktuelle Fragen zu beantworten und danach einige abschließende Bemerkungen zu machen.
Erstens, im Hinblick auf gemeinsame Vorschriften über die biologische Vielfalt, die Kommission arbeitet mit den Mitgliedstaaten und Interessenvertretern an der Entwicklung von Leitlinien für Schlüsselsektoren, die Einfluss auf die Natur haben, zum Beispiel Windenergie, Häfen und Mündungen. Wir planen auch eine Kommunikationskampagne zu Natura 2000.
Die neue Strategie der biologischen Vielfalt wird den Schwerpunkt deutlich auf die Stärkung der Integration in EU-Schlüsselpolitiken legen, die die biologische Vielfalt, Landwirtschaft, Fischerei und regionale Entwicklung betreffen. Sie zielt auf die Entwicklung messbarer und realistischer Ziele ab, um den Maßnahmen bis 2020 Priorität zu geben. Dies wird in einer neuen Aktionsstrategie von der Kommission dargelegt werden.
In Bezug auf den Bodenschutz wird der von der Kommission vorgelegte Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie blockiert. Wir sehen dies als eine ernste Lücke in unserer Politik zu Ressourcennutzung und Nachhaltigkeit. Wir teilen Ihre Sorgen über die Bodendegradation und ihre Folgen für die Umwelt voll und ganz. Seien Sie versichert, dass wir hart daran arbeiten, bei diesem Thema einen Schritt nach vorne im Rat zu erzielen.
Schließlich ist es tröstlich zu sehen, dass die Kommission und die Abgeordneten die gleichen Sichtweisen über die Dringlichkeit und Wichtigkeit der Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt und die Wiederherstellung von Ökosystemdienstleistungen haben. Anscheinend sind wir uns auch über die Gründe einig, die leider dazu geführt haben, dass wir beim Erreichen unseres EU 2010-Ziels der biologischen Vielfalt versagt haben. Die Aufforderung der Entschließung ist klar und unmissverständlich: Wir dürfen nicht erneut versagen. Im Jahr 2020 dürfen wir nicht vor die Bürgerinnen und Bürger der EU treten und zugeben müssen, dass die EU in dem Versuch, den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa aufzuhalten, nicht all ihre Optionen ausgeschöpft hat.
Lassen Sie mich Ihnen zum Abschluss noch den Slogan unserer EU-weiten Kampagne für biologische Vielfalt mitteilen, die in diesem Jahr, dem Jahr der Biodiversität, auf den Weg gebracht wurde. Er lautet: „Wir sitzen alle im selben Boot“ („We are all in this together“). Nur gemeinsam werden wir es schaffen, den Unterschied zu machen: Wollen wir einen Planeten, auf dem die Arten massenweise aussterben, oder einen Planeten reich an der Vielfalt des Lebens?
Ich werde all Ihre Kommentare an Kommissar Potočnik weiterleiten, der für diese Fragen zuständig ist. Wie Sie alle wissen, befindet er sich in New York auf einer wichtigen Konferenz zu genau diesem Thema.
Esther de Lange, Berichterstatterin. – (NL) Herr Präsident, ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre Beiträge aus verschiedenen Perspektiven danken. In jedem Fall haben alle Beiträge betont, wie wichtig ein ganzheitlicher Ansatz und dessen Mainstreaming ist. Ich begrüße die erklärte Absicht des Kommissars, dieses Thema zu berücksichtigen und es in seiner Strategie stark zu betonen. Ich hoffe daher, dass diese Strategie die Klarheit bietet, die wir zum Beispiel in Bezug auf die großen Unterschiede zwischen Mitgliedstaaten benötigen – darauf hat auch Herr Seeber bereits verwiesen.
Im Hinblick auf das Mainstreaming wurde alles Nötige über die Agrarpolitik gesagt. In jedem Fall muss ein Sektor, der mehr als 50 % des Landes verwaltet, eine Rolle bei der Lösungsfindung dieses Problems spielen. Fischerei- und Strukturpolitik wurden ebenfalls erwähnt, und um direkt Herrn Eickhout zu antworten, ja, dieses Mainstreaming bezieht sich natürlich auch auf die Finanzierung, und es macht für mich wenig Unterschied, aus welchem Fonds die Finanzierung stammt oder ob das Kind beim Namen genannt wird, sondern wichtig ist nur, ob er effektiv ist. Wenngleich wir in der Vergangenheit gewöhnlich eine Fliege mit einer Klappe geschlagen haben, nämlich ein politisches Ziel mit einem finanziellen Aufwand erreicht haben, müssen wir in unserer zukünftigen Politik viel mehr – nämlich drei – Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein Aufwand in diesem Gebiet muss die Politikziele nicht nur in dem einzelnen betroffenen Sektor, sondern auch in einem anderen und möglichst noch in einem dritten erreichen. Hier geht es um Win-Win-Situationen, und nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht.
Die Wichtigkeit eines internationalen Ansatzes und Erfolgs nächsten Monat in Nagoya wurde angesprochen. Ich möchte noch eine weitere Sache über das Thema Boden sagen. Herr Perello Rodriguez sagte, dass ein einheitlicher Ansatz zur Bodenpolitik in Europa überaus wichtig sei. Das ist das Letzte, was wir wollen, da der Boden in ganz Europa vollkommen unterschiedlich ist. Er kann gerne kommen und sich anschauen, wo ich lebe, eine Gegend, die drei Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Ich glaube, dass die Probleme mit dem Boden dort ganz anders sind als die auf der Iberischen Halbinsel. Der Bericht unterstreicht die Bedeutung der Bodenpolitik und fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, ihre Verantwortung zu übernehmen, aber Einheitlichkeit auf diesem Gebiet halte ich für sehr gefährlich.
Noch eine Bemerkung zum Schluss: Wir haben bisher nur über öffentliche Intervention, Aufgaben der öffentlichen Behörden und öffentliche Finanzierung gesprochen. Wir haben jedoch noch nicht über die soziale Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) gesprochen, aber auch sie muss in diese Diskussion aufgenommen werden. Letzten Endes können in dieser Diskussion nur dann Fortschritte gemacht werden, wenn Verbraucher dazu bereit sind, einen fairen Preis für nachhaltige, fair produzierte Waren zu zahlen.
VORSITZ: Edward McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Der Präsident – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Stimmabgabe findet morgen, Dienstag, den 21. September 2010, statt.
Schriftliche Erklärungen (Regel 149)
János Áder (PPE) , schriftlich – (HU) Herr Präsident! Leider müssen wir alle die Tatsache anerkennen, dass das Ziel, dem Verlust der Artenvielfalt bis 2010 Einhalt zu gebieten, nicht erreicht wurde. Schätzungen zufolge ist der Indikator für den Grad der biologischen Vielfalt im Laufe der vergangenen 40 Jahre um 30 % gesunken, während die Ursachen für diese übermäßige Abnahme der biologischen sich nicht verringert haben. In Anbetracht dieser Tatsachen besteht unsere erste Aufgabe darin, so bald wie möglich innerhalb sektorieller Politiken eine Lösung für die Ursachen des Verlusts der biologischen Vielfalt zu finden. Dies stellt eine große Herausforderung für Politiker dar, da zahlreiche andere wichtige wirtschaftliche und soziale Interessen bestehen, die den Anstrengungen, die auf den Erhalt der Artenvielfalt abzielen, zuwiderlaufen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass wir beim Erhalt unseres Wohlstands und unserer wirtschaftlichen Entwicklung, zukünftige Generationen nicht der Vorteile der biologischen Vielfalt berauben dürfen. Ich glaube, es ist wichtig, den Teil des Berichts hervorzuheben, in dem gefordert wird, dem Verlust der genetischen Vielfalt und heimischer Arten Einhalt zu gebieten. Was wäre die ungarische Landschaft ohne das Graurind, die Mangalica-Schweine, die ungarischen gescheckten Kühe oder die gefleckten ungarischen Hühner? Ich könnte mit Törökbálint-Äpfeln, Milota-Walnüssen oder Beszterce-Pflaumen fortfahren. Der Erhalt der genetischen Vielfalt in der Landwirtschaft und der Viehzucht ist für zahlreiche europäische Länder in Anbetracht des wirtschaftlichen, des sozialen, des ökologischen und nicht zuletzt des Wertes der Lebensmittelsicherheit heimischer domestizierter Rassen von entscheidendem Interesse. Abschließend schlage ich in Bezug auf LIFE+ vor, dass die Kommission es sorgfältig prüft, den Kofinanzierungssatz der EU zu erhöhen, da die von den Mitgliedstaaten eingeforderten, außergewöhnlich hohen Beiträge zu einer schlechten Aufnahme des Programms führen.
Liam Aylward (ALDE), schriftlich – (GA) Es ist unerlässlich, die biologische Vielfalt zu erhalten. Weltweit ist die allgemeine Ausrottungsquote bei den Arten schätzungsweise 50- bis 1000-mal höher als die natürliche Vorkommensquote. In der EU sind 42 % der Säugetiere, 43 % der Vögel und 52 % der Süßwasserfische vom Aussterben bedroht. Man vermutet, dass die Verlustrate bis 2050 zehnmal höher sein wird. Es muss sichergestellt werden, dass der Rückgang der Artenvielfalt sich nicht mit der gegenwärtigen, rasenden Geschwindigkeit fortsetzt.
Wie ich dem Rat während der letzten Sitzung gesagt habe, ist es sehr besorgniserregend, dass die Ziele der EU, die wir uns 2001 in Göteborg in Bezug auf die Beendigung des Rückgangs der biologischen Vielfalt bis 2010 gesetzt hatten, nicht erreicht wurden. Wenn erhebliche ökologische und wirtschaftliche Verluste vermieden werden sollen, muss dem zentralen Wert der biologischen Vielfalt besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Ich empfehle die langfristige Strategie der Wiederherstellung der biologischen Vielfalt der EU bis 2050, aber um diese zu erzielen, muss dieser Punkt ganz oben auf der Agenda bei den Verhandlungen über die Zukunft der Landwirtschaft und der Umwelt stehen, die gegenwärtig stattfinden, und es müssen konkrete Maßnahmen getroffen werden, um eindeutige Ergebnisse zu erzielen.
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D), schriftlich – (RO) Die Cross-Compliance ist Teil der gemeinsamen Agrarpolitik und hat viele Auswirkungen auf den Bodenschutz. Sie stellt darüber hinaus einen Kontroll- und Sanktionsmechanismus für die Verringerung Direkthilfen für den Fall dar, dass die festgelegten Standards, die nicht nur den Umweltschutz, die öffentliche Gesundheit, Flora und Fauna, aber auch die artgerechte Tierhaltung abdecken, nicht eingehalten werden. Cross-compliance bezieht sich auf die Erfordernis, die Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand zu halten. Ich bin der Meinung, dass die Cross-compliance auf Direktzahlungen für Einkommen und auf die Mehrheit von Umweltzahlungen angewandt werden muss, die als Teil der ländlichen Entwicklung gewährt werden. Die Mitgliedstaaten müssen diese Praktik des Weiteren auf nationaler oder regionaler Ebene einführen, im Einklang mit dem bestehenden gemeinsamen EU-Rahmen.
Robert Dušek (S&D), schriftlich – (CS) Der Verlust der biologischen Vielfalt setzt sich mit einer extrem hohen Geschwindigkeit fort. Die Ausrottungsquote bestimmter Arten ist schätzungsweise 50- bis 1000-mal höher als die natürliche Vorkommensquote. Es muss eine Priorität für uns werden, dem Verlust der biologischen Vielfalt Einhalt zu gebieten, zunächst einmal aus ethischen Gründen, da wir für zukünftige Generationen einen nachhaltigen Planeten erhalten sollten und zweitens aus ökologischen Gründen, da eine Reihe von Wechselbeziehungen zwischen Arten lebender Organismen für die Gewährleistung der Bewohnbarkeit unseres Planeten unerlässlich sind. Drittens muss dem Verlust der biologischen Vielfalt aus wirtschaftlichen Gründen Einhalt geboten werden, da die Natur und ihre ursprüngliche Vielfalt uns mit den lebensnotwendigen Ressourcen versorgt – Lebensmittel, Wasser, Brennstoffe und Fasern – die Fruchtbarkeit des Bodens regeneriert und die Bestäubung von Pflanzen sicherstellt. Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist für uns auch im Hinblick auf die Verringerung der Erscheinungsformen und Auswirkungen des Klimawandels unerlässlich, da Erd- und Meeressysteme CO2 absorbieren und die einzigen natürlichen Mechanismen für die Abscheidung und die Speicherung von Kohlenstoff sind. Die Umweltrichtlinie wird die Implementierung von Maßnahmen ermöglichen, die den Situationen vor Ort angepasst sind. Es ist jedoch nötig, sicherzustellen, dass beim Schutz der biologischen Vielfalt keine großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt. Es ist nötig, Grundsätze des Schutzes festzulegen, die jederzeit eingehalten werden müssen. Des Weiteren ist es nötig, den Schutz der biologischen Vielfalt auf den Bereich der Fischerei auszuweiten. Landwirte spielen beim effektiven Schutz der biologischen Vielfalt eine besondere Rolle. Im Hinblick auf das Bevölkerungswachstum wird es nötig sein, mehr zu erzeugen, gleichzeitig das Leben in ländlichen Gebieten zu unterstützen und die Artenvielfalt aufrechtzuerhalten, wobei sich diese drei Aspekte die Waage halten müssen.
José Manuel Fernandes (PPE), schriftlich – (PT) Die Vereinten Nationen haben 2010 zum internationalen Jahr der biologischen Vielfalt erklärt. Leider wird die EU ihr Ziel zur biologischen Vielfalt für 2010 nicht erreichen. Der Verlust der Artenvielfalt setzt sich mit alarmierender Geschwindigkeit fort. Man hat errechnet, dass die Verlustrate sich in Richtung eines Niveaus beschleunigt, das bis 2050 10-mal so hoch sein wird wie heute. In der EU sind 42 % der Säugetiere, 43 % der Vögel, 45 % der Schmetterlinge, 30 % der Amphibien, 45 % der Reptilien und 52 % der Süßwasserfische vom Aussterben bedroht. In ihrer Halbzeitüberprüfung der Umsetzung des gemeinschaftlichen Aktionsplans zur Erhaltung der biologischen Vielfalt 2008 stellte die Kommission fest, dass 50 % aller Arten und bis zu 80 % der Lebensräume, deren Erhaltung im Interesse Europas liegt, sich in einem sehr schlechten Erhaltungszustand befinden. Dieser Verlust an Artenvielfalt ist nicht hinnehmbar, nicht nur von einem ethischen Standpunkt aus betrachtet, sondern auch aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht, da wir zukünftige Generationen der Möglichkeit berauben, von einer gesunden biologischen Vielfalt zu profitieren. Die europäische Politik zum Schutz der Artenvielfalt muss mit anderen sektoriellen Politiken koordiniert und in diese integriert werden, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, sowie der Politik zum Schutz vor Naturkatastrophen, um einen maximalen Schutz der biologischen Vielfalt zu gewährleisten.
Véronique Mathieu (PPE), schriftlich – (FR) Die Aufnahme der Biodiversität in die Bereiche, die von der EU-Gesetzgebung abgedeckt werden, muss für ihren wirtschaftlichen Wert anerkannt werden. Ich wollte zu diesem Bericht beitragen, indem ich die Vergütung zusätzlicher Dienstleistungen zur Förderung der biologischen Vielfalt hervorhebe, die von Landwirten angeboten werden. Diese sollte in der Form einer „Sonder“-Cross-compliance erfolgen, bei der Maßnahmen vergütet werden, die zusätzlich zu den üblichen Verpflichtungen umgesetzt werden. Wir heben darüber hinaus ganz zu Recht die Notwendigkeit zur Förderung der genetischen Vielfalt durch die Nutzung bestimmter gebietstypischer traditioneller landwirtschaftlicher Sorten hervor.
Diese Angelegenheit ist wichtig und eine, die ich selbst sehr gut kenne, da eine traditionelle Milchviehrasse in den Vogesen, meiner Heimatregion, verschwinden wird, wenn nicht rechtzeitig Unterstützung von außen kommt. Ich wollte darüber hinaus nachdrücklich darauf hinweisen, dass Projekte, die im Rahmen von Life+ finanziert werden, vom Standpunkt der Nachhaltigkeit aus durchgeführt werden müssen, da wir leider feststellen müssen, dass einige Projekte, nachdem deren Finanzierung eingestellt wurde, nicht fortgeführt werden.
Abschließend teile ich die Ansicht, dass die Datenerfassung nicht ignoriert werden kann, und ich begrüße die Einrichtung der nationalen Wildbeobachtungsstelle in Frankreich. Die Beobachtungsstelle arbeitet im Bereich der Migration und Überwinterung von Tieren, die über Land wandern, insbesondere mittels von Jägern durchgeführter Umfragen, was beweist - falls Beweise nötig waren -, dass Jäger sich aktiv für den Schutz der Artenvielfalt einsetzen.
Alajos Mészáros (PPE), schriftlich – (HU) Der Erhalt der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme ist für die Gesellschaft von unschätzbarem Wert. Die Idee unseres Engagements besteht darin, dass wir unseren Planeten in einem Zustand erhalten, der auch der nächsten Generation noch eine lebenswerte Umwelt bietet. Leider ist die gegenwärtige Situation nicht ermutigend. Die biologische Vielfalt verringert sich drastisch. Die gegenwärtige Ausrottungsquote bei den Arten weltweit könnte 50- bis 1000-mal höher sein als die natürliche Vorkommensquote. Wenn wir nichts dagegen unternehmen, sagen Forscher voraus, dass dieser Wert sich bis 2050 um das 10-fache erhöhen könnte. Die Zerstörung von Ökosystemen kann auch zur Emission beträchtlicher Mengen an Treibhausgasen führen, was zur einem weiteren Anstieg der Erderwärmung und einem Rückgang der Fähigkeit der Erde, Kohlendioxid zu binden führen kann. Das wichtigste Instrument, das der Union für den Erhalt der Artenvielfalt zur Verfügung steht, ist das Natura-2000-Netz, das aus besonderen besondere Schutzgebieten besteht, die von Mitgliedstaaten ausgewiesen werden. Dessen wichtigstes Ziel ist es, durch den Schutz natürlicher Lebensräume sowie wilder Fauna und Flora zur biologischen Vielfalt beizutragen. Damit dieses Abkommen jedoch effektiv funktionieren kann, ist eine Harmonisierung von Gesetzen dringend nötig, einschließlich aufeinander abgestimmter und eindeutiger Maßnahmen, die auf Ebene der Mitgliedstaaten aufgeteilt werden.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich – (DE) Der starke Rückgang des Bienenbestandes, den wir in den vergangenen Jahren beobachten konnten, bei dem noch nicht klar ist, ob er auf eine Verringerung der biologischen Vielfalt oder auf gentechnisch veränderte Pflanzen zurückzuführen ist, zeigt uns vor allem, dass es immer noch vieles gibt, was wir nicht wissen. Nicht nur, dass die Auswirkungen der biologischen Vielfalt auf die Stabilität von Ökosystemen nach wie vor größtenteils unbekannt sind, wir wissen noch nicht einmal auf regionaler Ebene, wie viel Variabilität in einem bestimmten Gebiet existiert. Das Jahr der biologischen Vielfalt 2010 sollte daher dazu genutzt werden, die Kenntnisse zu erlangen, die uns fehlen und auch, um das Bewusstsein zu schärfen – einerseits damit die Länder und die lokalen Behörden die Artenvielfalt bei deren nachhaltiger Entwicklung sowie beim Schutz von Heidelandschaften und Gewässern und in Verbindung mit der Renaturierung berücksichtigen können, und andererseits damit der Durchschnittsbürger seinen Teil dazu beitragen kann. So müssen Sie z.B. nur an den Spieß-Knöterich denken, der zunächst als Zierpflanze in Gärten Einzug hielt, der nun jedoch heimische Pflanzen überwuchert und verdrängt hat und dessen Wurzelsystem große Schäden an Uferbefestigungen anrichtet. Keinesfalls darf es zur Verdammung von Agrar- oder Forst-Monokulturen kommen. Die Agrarreform kann dazu genutzt werden, sich von der Massenerzeugung weg und in Richtung größerer Nachhaltigkeit und der Förderung der Landschaftspflege zu bewegen. Zudem bedarf es Konzepte, damit Klimaschutz in Form von Energieplantagen und Biodiversität nicht länger um die gleichen Anbauflächen konkurrieren.
Pavel Poc (S&D), schriftlich – (CS) Ich begrüße diesen Bericht und ich bin der Meinung, dass er gewisse Schritte in die richtige Richtung vorschlägt. Andererseits habe ich das Gefühl, dass es ihm an einem wirklich kritischen Ansatz im Hinblick auf gegenwärtige Aktivitäten auf diesem Gebiet und einer ehrgeizigeren Einstellung bezüglich der Zukunft fehlt. Die tatsächliche Lage muss endlich erkannt werden. Die Europäische Union hat ihr Ziel nicht erreicht, dem Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 Einhalt zu gebieten. Sowohl die europäische Gesetzgebung als auch der allgemeine Ansatz bezüglich dieser Angelegenheit konzentrieren sich nach wie vor auf den Artenschutz. Es ist nötig, beim Schutz von Ökosystemen, einschließlich des Ökosystems des Planeten, voranzuschreiten. Es ist nötig, ohne religiöse oder ideologische Voreingenommenheit zu erkennen, dass der Mensch Teil der Biosphäre des Planeten ist und dass die Menschheit nicht ohne das Ökosystem des Planeten leben kann. Gegenwärtig dringliche Probleme, einschließlich des Problems der Treibhausgase, der Bodenzerstörung, der Gefährdung mariner Ökosysteme, der Nahrungsmittelknappheit usw., können unter einem einzigen gemeinsamen Nenner zusammengefasst werden, nämlich dem Bevölkerungsdruck durch den Homo sapiens. Wenn wir das ganze Problem nicht aus der Perspektive der Ökologie unserer eigenen Art betrachten und dabei alles bis hin zu den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen berücksichtigen, werden wir 2020 feststellen, dass wir unsere Ziele, dem Verlust der biologischen Vielfalt Einhalt zu gebieten, wieder nicht erreicht haben, und was noch schlimmer ist, wir werden feststellen, dass das Ökosystem des Planeten sich im Hinblick auf die weitere Existenz unserer eigenen Art noch weiter in Richtung eines nicht nachhaltigen Zustands entwickelt hat.