Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung der Kommission zu kartellrechtlichen Geldbußen der Kommission.
Michel Barnier, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, es ist wie immer eine große Freude, Tag und Nacht mit Ihnen hier zu sein, und ich spreche auch im Namen meines Kollegen und Freunden Herrn Almunia, der aufgrund des Arbeitsessens zwischen China und der Europäischen Union heute nicht anwesend sein kann. Das Parlament hat die Kommission gebeten, sich über ihre Politik bezüglich Geldbußen zur Bekämpfung von wettbewerbswidrigen Praktiken zu äußern. Somit ist es mir eine Freude, Ihnen diesen Beitrag präsentieren zu dürfen.
Wie Sie wissen, ist die Kommission verpflichtet, wettbewerbswidrige Praktiken zu bekämpfen und diese zu bestrafen, wenn sie den Unternehmen und Verbrauchern im Binnenmarkt abträglich sind.
Das wichtigste Instrument, das uns dabei zur Verfügung steht, ist unsere Befugnis, gegen die in diese Kartelle verwickelten Unternehmen Geldbußen zu verhängen, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken annehmen oder ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen. Diese Geldbußen werden in Übereinstimmung mit unseren Leitlinien für die Berechnung von Geldbußen festgelegt. Die derzeit geltende Version wurde erst vor vier Jahren angenommen.
Unternehmen, die sich in unseren Ermittlungen kooperationsbereit zeigen, indem sie uns beispielsweise auf ein bestehendes Kartell hinweisen oder einen Vergleich mit der Kommission unterzeichnen, bieten wir auch reduzierte Bußen an. Dadurch können alle Beteiligten viel Zeit gewinnen und Aufwand einsparen. In keinem Fall kann ein Unternehmen jedoch gezwungen werden, mehr als 10 % seines Jahresumsatzes zu zahlen. Das ist die Obergrenze für die Bußgelder, die verhängt werden können.
Somit sind also, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Geldbußen unser wichtigstes Instrument. Die Einführung von Strafen für Einzelpersonen sollte jedoch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, und ich denke hier insbesondere an administrative Strafen. In einigen Mitgliedstaaten sind solche Strafen tatsächlich zugelassen. Lassen Sie uns nun die rechtlichen und politischen Auswirkungen einer solchen Entwicklung genauer ansehen.
Wird ein formeller Rechtsrahmen benötigt? Artikel 23 der Verordnung des Rates (EG) Nr. 1/2003 bietet die rechtliche Grundlage für die von der Kommission verhängten Geldbußen, enthält jedoch keine Leitlinien zur Berechnung der Bußen. In Artikel 23 werden die Grundsätze, einschließlich des soeben erwähnten Umsatzkriteriums, festgelegt, die Leitlinien enthalten detaillierte Angaben zu deren Anwendung.
Es ist in vielen europäischen Rechtssystemen üblich, über eine breite Spanne möglicher und gesetzlich festgelegter Strafmaßnahmen und administrativer Leitlinien zur Festlegungsmethode des endgültigen Bußbetrags zu verfügen. Das ist bei der Anwendung von Wettbewerbsregeln zum Beispiel in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden der Fall. Auf dieser Grundlage sehen wir keinen Grund, neue Rechtsvorschriften für die von der Europäischen Union in Wettbewerbsverfahren verhängten Bußen vorzuschlagen.
Die zweite Frage lautet, ob die Leitlinien überarbeitet werden müssen, bevor wir uns mit der Höhe der verhängten Geldbußen befassen. Ich möchte Ihnen einen Überblick über die Kosten vermitteln, die Kartelle für die europäische Wirtschaft verursachen. Unseren Schätzungen zufolge betrug der Schaden der 18 Kartelle, die zwischen 2005 und 2007 aufgedeckt wurden, fast 8 Mrd. EUR. Studien haben belegt, dass die Preise in Kartellen um 10 bis 30 % in die Höhe getrieben werden können. Sehr verlockende Aussichten also, wenn die Wettbewerbsregeln nicht streng angewendet würden, und genau das ist unsere Aufgabe.
Unsere Geldbußen befinden sich auf einem fairen Niveau, auf dem vergangene rechtswidrige Verhaltensweisen angemessen bestraft werden. Sie sind zwar hoch, spiegeln aber die verursachten Schäden und die durch die Kartellmitglieder unrechtmäßig erworbenen Gelder wider. Unsere Strafen müssen Unternehmen zudem von der zukünftigen Anwendung solcher wettbewerbswidrigen Praktiken abhalten. Deshalb wiederhole ich, dass wir keinen Grund sehen, die Leitlinien für die Berechnung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 abzuändern.
Die dritte und letzte Frage betrifft die krisenbedingte Reduzierung der Geldbußen. Sie können uns glauben, dass wir die finanzielle Lage der Unternehmen, die in einigen Fällen ihre Zahlungsunfähigkeit geltend machen, genau untersuchen und wir für einige unter ihnen unsere Bußen deutlich reduziert haben. In den jüngsten Entscheidungen über Sanitärkeramik für Badezimmer und über hochfesten Stahl haben wir Reduktionen von 25 bis 75 % angewendet.
Es ist nicht in unserem Interesse, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, diese Unternehmen vom Markt auszuschließen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die Wettbewerbsregeln werden oft angewendet, um neuen Unternehmen den Zugang zum Markt zu ermöglichen und ihnen eine normale Geschäftstätigkeit mit gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle zu gewährleisten.
Klaus-Heiner Lehne, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Zunächst einmal gilt mein Dank der Kommission für die bereits gezeigte Flexibilität. Herr Kommissar Barnier hat darauf hingewiesen, dass im Bereich bestimmter Branchen, im Baubereich, angesichts der Tatsache, dass es dort erhebliche Konjunktureinbrüche gegeben hat, es bei der Festsetzung der Strafen und der Gewährung von – Nachlässen kann man nicht sagen, aber – von Ratenzahlungsmöglichkeiten bereits erhebliche Bewegung gegeben hat. Ich denke, das ist eine angemessene Reaktion von Seiten der Kommission vor dem Hintergrund der besonderen wirtschaftlichen Situation, in der viele Unternehmen stecken. Aber unabhängig von dieser begrüßenswerten Flexibilität der Kommission muss man natürlich trotzdem grundsätzlich die Frage stellen, ob das System der Strafbemessung, wie wir es im Augenblick haben, überhaupt noch rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht.
Ich wage zu behaupten, dass man Zweifel daran haben kann. Denn die Verordnung 1 aus dem Jahr 2003 gibt natürlich der Kommission bei der Festsetzung einen so weiten Bestimmungsrahmen, ohne dass konkrete Kriterien im Rechtsakt selbst festgelegt worden sind, dass man schon fast vermuten könnte, dass die Entscheidungen, die dahinter stehen, nicht zwingend von einer Rechtsetzung getragen werden, sondern durchaus auch gewisse Willkürelemente beinhalten können. Leider hat das Europäische Gericht erster Instanz diese Praxis und diese Art und Weise der Bemessung bisher mitgemacht und hier keine Bemängelung vorgenommen.
Ich könnte mir aber vorstellen – wir haben ja eine veränderte Situation, wir werden jetzt bald der Menschenrechtskonvention beitreten, die Grundrechtscharta ist jetzt durch den Vertrag von Lissabon verbindlich geworden –, dass sich eventuell vor diesem Hintergrund auch die Rechtsprechung ändert. Ich meine deshalb, man sollte sehr wohl darüber nachdenken, und ich begrüße, dass die Kommission sich auch in diese Richtung mit Blick auf Kriterien und andere Arten von Sanktionen Gedanken macht, die Bestimmungen in der Verordnung Nummer 1 aus dem Jahr 2003 zu verändern, stärker zu konkretisieren und stärker auch im Hinblick auf die festzusetzenden Strafmaßnahmen Kriterien festzusetzen. Ich persönlich glaube, dass dies notwendig ist, um auch die rechtsstaatlichen Defizite, die im Augenblick von vielen Experten gesehen werden, in Europa zu beseitigen.
Antolín Sánchez Presedo, im Namen der S&D-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, das Thema der Geldbußen ist sehr wichtig. Dabei geht es um die Reaktion auf wettbewerbswidriges Verhalten, und diese Reaktion muss wirksam und entschieden ausfallen. Eine schwache und unangemessene Reaktion gäbe einen Anreiz, Rechtsverletzungen zu begehen. Deshalb müssen diejenigen, die die Regeln brechen wollen, durch die Geldbußen davon abgehalten werden. Diese müssen aber auch ein allgemeines Abschreckmittel für alle sein. Es muss eindeutig klar sein, dass der unlautere Wettbewerb niemandem Vorteile bringt.
Es stimmt, dass der Kommission in der Anwendung der Bußen ein breiter Ermessensspielraum zusteht. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie arbiträr handelt, denn es gibt Regeln, Grenzen und Kriterien, eine Vorgehensweise mit Garantien und in jedem Fall eine gerichtliche Kontrolle.
Der Vertrag, die Verordnung (EG) Nr. 1/2003, die Leitlinien aus dem Jahr 2006 und die Mitteilung über die Kronzeugenregelung – auch aus dem Jahr 2006 – bilden ein Rahmenwerk, das relativ gut funktioniert.
Das System könnte jedoch verbessert werden. Durch die Erfahrungen in der Anwendung des Systems, den Empfehlungen von Experten und den von Institutionen und einigen Beteiligten zu Recht geäußerten Bedenken scheint es empfehlenswert, sich einigen Problemen zu widmen. Die Transparenz und Vorhersehbarkeit könnten verbessert werden und die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen, die Beschäftigung und die Tragfähigkeit von Unternehmen könnten ebenfalls erörtert werden. Zudem könnte eine gewisse Flexibilität bezüglich Betrag und Bezahlung in Betracht gezogen werden, wie auch die Verbindung mit der Kronzeugenregelung und sogar die Frage, wie die Differenzen zwischen den verschiedenen Systemen der Mitgliedstaaten überbrückt werden könnten.
Das System könnte zudem durch andere relevante Instrumente vervollständigt werden: so beispielsweise die Betonung der individuellen Verantwortung, die Erwägung anderer Rechtsmittel – nicht nur, um wettbewerbswidriges Verhalten zu beenden, sondern auch um einen Rückfall zu verhindern – und die Einführung von privaten Schadenersatzklagen für Einzelpersonen und Gruppen.
Diese Fragen müssen entschieden, systematisch und positiv angegangen werden, ohne Zweifel an der Funktionsweise der Wettbewerbspolitik aufkommen zu lassen.
Sophia in 't Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich bin mit dem Gesagten weitgehend einverstanden. Ich begrüße die Erklärung des Kommissars, denn, wenn ich genau hinhöre, steht die Kommission der Anfrage des Parlaments offen gegenüber. Dieses verlangte im letztjährigen Jahresbericht über die Wettbewerbspolitik komplexere Instrumente im Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln.
Die Aufmerksamkeit richtet sich insbesondere auf die Geldbußen und deren Umfang, aber wir müssen aufpassen, dass die Debatte keine ideologische Komponente erhält. Es geht hier um die verfügbaren Instrumente zur wirksamen Abschreckung der Unternehmen vor wettbewerbswidrigen Praktiken. Wie Sie zu Recht hervorhoben, ist der Schaden für unsere Wirtschaft und auch für die Verbraucher beträchtlich. Ich denke, dass Geldbußen angemessen sein sollten, aber wenn sich Unternehmen über diese Strafen beklagen, dann sollten sie sich von Kartellen fernhalten. Das ist die beste Garantie, keine überhöhten Bußgelder zahlen zu müssen.
Im vergangenen Jahr haben wir die Kommission um Vorschläge für komplexere Instrumente gebeten. Wir haben Sie gebeten, zu folgende Anliegen Vorschläge vorzubringen: Die individuelle Verantwortung (die Sie erwähnt haben), Transparenz und Verantwortung der Unternehmen, kürzere Verfahren, das Recht auf Verteidigung und auf ein angemessenes Rechtsverfahren, und Mechanismen zur Gewährleistung des wirksamen Funktionierens der Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung, aber auch Programme zur Einhaltung der Vorschriften durch die Unternehmen und die Entwicklung von europäischen Normen. Ich möchte wissen, ob die Kommission konkrete Vorschläge hierzu vorbringen wird. Es ist uns bewusst, dass dies sehr kompliziert ist, da es sowohl in die Zuständigkeit der EU als auch ihrer Mitglieder fällt. Ich denke jedoch, dass wir dasselbe Ziel verfolgen, und zwar ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Marktes.
Jean-Paul Gauzès (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich erinnere mich daran, die Wettbewerbskommissarin vor ein paar Jahren gefragt zu haben, ob sie wisse, ob eine Evaluation über die Wirksamkeit von Geldbußen für Verbraucher durchgeführt werde. Diesbezüglich verwies die damalige Kommissarin zu Beginn unserer Ausschusssitzung darauf, dass sie soundso viele Millionen Euro Bußen zurückerhalten konnte. Die Antwort lautete also, dass dies nicht in Erwägung gezogen wurde. Es scheint, als hätten Sie jedoch seither Studien durchgeführt, um herauszufinden, welche Schäden wirklich entstanden sind.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jedoch auf zwei Themen lenken. Erstens, die Preise werden auf der Grundlage des Umsatzes eines Konzerns festgelegt. Das Unternehmen, das gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, und dabei billige ich dies keineswegs, kann jedoch auch ein relativ kleines Unternehmen innerhalb des Konzerns sein. Und genau das stört mich, insbesondere, wenn eigenständige Rechtspersonen involviert sind.
Zweitens, Herr Kommissar – denn das haben Sie gesagt, nicht ihre Kollegin –, reden Sie oft über das Präventionsbedürfnis, darüber, dass Prävention besser und auf jeden Fall wirksamer sei als Repression. Dabei drängt sich mir die Frage auf, ob diese riesigen Summen, die in den Zeitungen immer auf die Titelseite kommen, im Sinne der Prävention wirklich eine Rolle spielen. Und ich frage mich, ob es rein präventiv nicht wirksamer wäre, sich mehr auf die Anzahl der Kontrollen statt auf die Höhe der Bußen zu konzentrieren.
Wie dies kürzlich in Frankreich geschehen ist, können Urteile über Summen gefällt werden, zu deren Abzahlung 4000 bis 5000 Jahre benötigt werden. Ich glaube, wir sollten uns nicht auf diese Zahlen versteifen. In einer Zeit der wirtschaftlichen Instabilität müssen wir auf die spezifischen Auswirkungen für das Unternehmen achten.
Die Verzerrung der Wettbewerbsvorschriften ist nicht richtig. Es ist richtig, dass eine Strafe ausgesprochen wird, aber diese Strafe muss wirklich proportional sein, deshalb möchten wir wissen, ob die Kommission ihre Regeln anpassen wird. Ich denke, Sie haben gesagt, dass dem nicht so ist. Das ist schade.
Peter Skinner (S&D). – Frau Präsidentin, ich weiß nichts über Unternehmen, die 400 Jahre lang Bußen abzahlen müssen, aber das hört sich eher drakonisch an. Ich bin mir jedoch bewusst, Herr Kommissar, dass Sie sich nicht unbedingt in einer Position befinden, in der sie heute Abend aus dem Stegreif Strategien entwerfen können. Deshalb werde ich Herrn Kommissar Almunia einige Fragen über die Themen, die heute Abend behandelt werden, unterbreiten.
Ich möchte kurz zwei Sachen erwähnen. Erstens, möchte ich die Kommission bitten, Taten auf die Folgenabschätzungen über die Leitlinien aus dem Jahr 2006 folgen zu lassen. Wie ich das verstehe, haben Herrn Almunias Mitarbeiter bereits bezeugt, dass dies machbar sei. Ich freue mich darüber. Vielleicht brauche ich nur ein Update diesbezüglich, aber ich wäre beruhigt, wenn dies der Fall wäre.
Zweitens haben wir heute Abend gehört, dass sich die ganze Aufmerksamkeit auf die Bußen konzentriert. Und dass Bußen gegen Unternehmen ausgesprochen werden, die die Bestimmungen des Wettbewerbs nicht einhalten. Dabei gibt es zwar möglicherweise eine Staffelung der Bußen, diese scheint jedoch nicht abschreckend zu wirken. Die Unternehmen tun es trotzdem.
Wir müssen vielleicht mit etwas Innovativerem aufwarten. Bei den Preisabsprachen können beispielsweise relativ häufig kleine Unternehmen weiter unten in der Hierarchie durch die Auswirkungen von widerrechtlich handelnden Unternehmen betroffen sein und durch diese Strafen unverschuldet in Schwierigkeiten geraten.
Was, wenn die Kommission nur eine Minute lang über die sozialen Auswirkungen nachsinnen würde? Oder über die Annahme anderer Ansätze? In Großbritannien ermöglichen die Maßnahmen beispielsweise den Ausschluss eines Geschäftsführers anstelle einer Geldbuße. Damit sind die wirklichen Schuldigen betroffen, und die Belegschaft und die Unternehmen werden verschont. Diese Philosophie ist vielleicht gar nicht so schlecht, und wir könnten es als Modell oder auch nur als Pilotprojekt ansehen.
Es gibt auch andere Beispiele – wie wir bereits gehört haben, aus anderen Ländern – und ich bin sicher, dass wir dasselbe tun könnten. Wenn wir die Frage mit etwas Intelligenz angehen, können wir viel unternehmen, um sicherzustellen, dass die Belegschaft der betroffenen Unternehmen nicht gleichermaßen durch die schlechten, wettbewerbswidrigen Praktiken der Geschäftsleitung betroffen ist.
Catherine Stihler (S&D). - Frau Präsidentin, ich werde mich kurz fassen. Ich möchte die Beiträge meiner Kolleginnen und Kollegen begrüßen. Die Macht, die wir durch die kartellrechtlichen Strafen haben, ist eine wahre Macht, Kartelle zu unterbinden, wettbewerbswidrige Praktiken zu verhindern und die Verbraucher in den Vordergrund zu rücken.
Ich möchte der Kommission, Herrn Gauzès und den anderen drei Fragen stellen. Erstens: Wie können wir die präventiven Maßnahmen verbessern? Zweitens: Betrachten wir hierbei – wie Herr Skinner erwähnte – die empfehlenswerten Verfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten? Herr Skinners Vorschlag zur Mittäterschaft des Vorstands und mögliche Maßnahmen die Geschäftsleitung betreffend ist enorm wichtig. Drittens: Gibt es einen zeitlichen Rahmen für die vorgebrachten Vorschläge?
Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin, in den Artikeln 81, 101 und 102 werden diese Themen unter Kartelle, Preisabsprachen, Preisbindung usw. behandelt. Natürlich ist dies etwas, das uns am Herzen liegen sollte, aber oft ist ihre Existenz schwierig zu beweisen. Hier habe ich beispielsweise eine Schlagzeile, die folgendermaßen lautet: „Kartellrecht: Autopreise 2009 nur leicht gesunken“. Die Preise für Reparaturen und Wartung hingegen steigen trotz der Krise in die Höhe, obwohl die Löhne gesenkt wurden und wir statt einer Inflation eher eine Deflation erleben. Handelt es sich dabei um ein Kartell?
In meinem Land fallen die Viehpreise automatisch, wenn es regnet. Ich denke, wir müssen die Leitlinien sicherlich überarbeiten, um einerseits die langfristige Entwicklung ermitteln und auch die anwendbaren Strafen verbessern zu können. Ich denke, Herrn Skinners Vorschlag, die Geschäftsleitung zur Kasse zu bitten, ist sehr interessant. Ich finde, wir sollten jedoch auch eine Buße verhängen: Wieso nicht beides? Es gibt bestimmt noch viel zu tun, aber wir gehen in die richtige Richtung.
Michel Barnier, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, ich habe nun alle Argumente und Anfragen gehört und werde sie meinem Kollegen, Herrn Almunia, übermitteln. Er hat Ihnen durch mich ausrichten lassen, dass er keinen Beweggrund sieht, brandneue Rechtsvorschriften für Strafen vorzulegen, da die von mir bereits erwähnte geltende Verordnung (EG) Nr. 1/2003 für uns in absehbarer Zukunft sehr nützlich sein kann.
Was die Leitlinien betrifft, so überwacht die Kommission deren Umsetzung permanent und hat ein offenes Ohr für Verbesserungsvorschläge; das Gesagte wäre diesbezüglich äußerst hilfreich.
Herr Lehne, Herr Gauzès, Herr Skinner, wir haben im Rahmen der Leitlinien der Rechtsprechung nichts gegen eine gewisse Flexibilität betreffend die Überwachung der Umsetzung der Verordnungen unter Berücksichtigung der schwierigen konjunkturellen Bedingungen. Gegenwärtig sieht Herr Alumnia jedoch, wie gesagt, keinen Bedarf, die Leitlinien aus dem Jahr 2006 zu überarbeiten. Er ist mit ihrer Funktionsweise zufrieden. In der gegenwärtigen Krise haben sie sich als ausreichend flexibel bewährt und uns ermöglicht, die von einigen unter Ihnen erwähnte schwierige Finanzlage der Unternehmen zu berücksichtigen.
Die Kommission ist an diese Leitlinien über die Methode zur Festsetzung der Strafen gebunden. Das bedeutet, dass sie den Unternehmen eine Rechtssicherheit geben, denn die Kommission kann von diesen Leitlinien nicht grundlos abweichen. Weicht die Kommission von diesen Leitlinien ab, so läuft sie Gefahr, dass die Gerichte ihre Beschlüsse aufheben.
Frau in 't Veld, bezüglich der Strafen, die keine Geldbußen sind, sollten wir zuerst beurteilen, inwiefern es möglich wäre, diese bei Bedarf in unseren bestehenden Rechtsrahmen aufzunehmen. Obwohl in den Mitgliedstaaten auch alternative Strafen angewendet werden, scheinen sich diese auf eine Minderheit der Fälle zu beschränken und Geldbußen bleiben die Hauptstrafe.
Diese Aussprache sollte von zwei Grundsätzen gelenkt werden. Erstens, individuelle Strafen dürfen unser gegenwärtiges System zur Überprüfung der Verstöße und insbesondere das Kronenzeugenprogramm nicht infrage stellen. Zweitens mindert die Tatsache, dass die Geschäftsleitung oder Angestellten eines Unternehmens einzeln bestraft werden, was somit möglich wäre, keinesfalls die Verantwortung des Unternehmens, wenn es Wettbewerbsregeln missachtet hat.
Und schließlich glaubt die Kommission, dass die aktuelle Höhe der Geldbußen und die einheitliche Anwendung des Wettbewerbsrechts in der Europäischen Union ein gutes Abschreckmittel gegen wettbewerbswidriges Verhalten im Binnenmarkt ist.
Eine Sache, Herr Lehne. Wir haben ein administratives System zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Wettbewerbsregeln. Darüber hinaus hat dieses System viele Vorteile. Außerdem wird es durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs unterstützt.
Herr Sánchez Presedo erwähnte die Transparenz und das überrascht mich angesichts der anderen Debatten zum Thema Überwachung mit ihm auch nicht. Es sind Verbesserungen möglich. Wir haben flexible Leitlinien, wie ich eben erwähnt habe, und dieses Jahr wurden insbesondere empfehlenswerte Verfahren eingeführt.
Frau in 't Veld und Frau Stihler haben das Thema von komplexeren Programmen und komplexeren Instrumenten angesprochen. Wir können dieses Anliegen über die Compliance-Programme einbringen. Sie sind sehr willkommen. Es ist mir wohl bewusst, dass die Unternehmen diese Programme aus unserer Sicht ernst nehmen und dass sie eine präventive Wirkung haben, die, wie Herr Gauzès richtig sagte, immer noch billiger ist als eine Ausgleichszahlung oder eine Strafe.
Und schließlich haben Herr Skinner und Herr Kelly von den Unternehmen gesprochen, die manchmal unter diesen Bußen leiden, und von den sozialen Problemen, die diese verursachen können. Wir verfolgen die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten sehr aufmerksam, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen. Deshalb liegt uns viel daran, wie bereits in unserem Weißbuch vorgeschlagen, dass wir auf Schadensersatzklagen eingehen werden, um ihre Wirksamkeit und ihre Auswirkungen zu überprüfen. Aus diesem Grund wird die Kommission bald eine öffentliche Anhörung über dieses Anliegen durchführen.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
George Sabin Cutaş (S&D), schriftlich. – (RO) Die Europäische Kommission erlegt Kartellen und Unternehmen, die ihre Marktstellung missbrauchen, immer öfter immer strengere Geldbußen auf. Die Gesamtsumme der von der Kommission verhängten Bußen überschritt 2009 die 2-Milliarden-Euro-Grenze. Ich begrüße die schnelle Reaktion der europäischen Exekutive. Wir müssen uns jedoch zugleich auch fragen, ob das gegenwärtige Sanktionssystem umfassend genug ist. Die Kommission übernimmt eine doppelte Rolle als Ankläger und Richter. Des Weiteren betreffen die negativen Auswirkungen der Bußen auch die Angestellten der Unternehmen, die durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes bestraft wurden. Das bedeutet, dass Personen, die nicht gegen das Gesetz verstoßen haben, zu Nebenopfern werden. Deshalb glaube ich, dass zum Kartellrecht komplexere Maßnahmen festgelegt werden müssen, die durch eine unabhängige Judikative sowohl transparentere Verfahren fördern als auch die Option bereitstellen, die für das illegale Verhalten der Unternehmen verantwortlichen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer individuell zu bestrafen.