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Ausführliche Sitzungsberichte
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Mittwoch, 6. Oktober 2010 - Brüssel Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
 2. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 3. Erklärungen des Präsidenten
 4. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
 5. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokol
 6. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
 7. Weiterbehandlung der Standpunkte und Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
 8. Arbeitsplan
 9. Feierliche Sitzung – Timor-Leste
 10. Internationaler Tag gegen die Todesstrafe (Aussprache)
 11. EU-Maßnahmen zur Ölexploration und Ölförderung in Europa (Aussprache)
 12. Beitrag der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme zur Erreichung der Millenniumsentwicklungziele - Konferenz über die Artenvielfalt - Nagoya 2010 (Aussprache)
 13. Bestimmungen des Vertrags von Lissabon im Sozialbereich (Aussprache)
 14. Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen (Aussprache)
 15. Basel II und die Änderung der Richtlinie über die Eigenkapitalausstattung (CRD 4) (Aussprache)
 16. Von der Kommission in Kartellfällen verhängte Geldbußen (Aussprache)
 17. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
 18. Systeme der Gesundheitsversorgung im subsaharischen Afrika und eine globale Gesundheitspolitik (kurze Darstellung)
 19. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 20. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 21. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: Jerzy BUZEK
Präsident

(Die Sitzung wird um 15.00 Uhr eröffnet.)

 
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
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  Der Präsident. – Ich erkläre die am Donnerstag, dem 23. September 2010, unterbrochene Sitzungsperiode für wieder aufgenommen.

 

2. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
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3. Erklärungen des Präsidenten
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  Der Präsident. – Am Montag erlebte Ungarn die größte Katastrophe in der Geschichte des Landes. Bei dem Bruch eines Speicherbeckens mit hochgiftigem rotem Industrieschlamm sind mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Hunderte wurden verletzt. Im Namen des Europäischen Parlaments möchte ich unsere Solidarität mit den Familien jener, die ihr Leben verloren haben, und mit jenen, die von Leid betroffen sind, zum Ausdruck bringen.

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, morgen ist ein bedeutender Jahrestag – der vierte Jahrestag der Ermordung von Anna Politkowskaja. Wir erinnern uns, dass ihr Leben im Dienst der Enthüllung der Wahrheit über die Situation im Nordkaukasus stand. Wir wissen, wie wichtig unabhängiger Journalismus in jeder Gesellschaft ist. Wir haben die Entschlossenheit Anna Politkowskajas im Kampf für die Meinungs- und Pressefreiheit geehrt, indem wir einen unserer Säle im Pressezentrum in Brüssel nach ihr benannten. Auch wenn wir das Opfer, das sie gebracht hat, durchaus würdigen, gedenken wir gleichzeitig der Opfer anderer: Natalja Estemirowa, Anastassija Baburowa, der Menschenrechtsanwälte Stanislaw Markelow und Sergej Magnitsky und vieler anderer. Die für ihren Tod Verantwortlichen wurden bis heute nicht gefasst. Wir fordern die russischen Behörden auf, sich uneingeschränkt dazu zu verpflichten, die Wahrung der rechtsstaatlichen Ordnung sicherzustellen und dem Klima der Rechtlosigkeit und Straflosigkeit in der Region des Nordkaukasus ein Ende zu setzen.

(Beifall)

Am 10. Oktober begehen wir den internationalen Tag gegen die Todesstrafe. Ich bekräftige erneut den Aufruf des Europäischen Parlaments, in allen Ländern der Welt ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe zu erlassen. Tod kann niemals ein Akt der Gerechtigkeit sein. Wir begrüßen in dieser Hinsicht die Veränderungen in Ländern wie Russland, Burundi und Togo, doch werden bedauerlicherweise in Japan und den USA weiterhin Todesurteile vollstreckt.

Wir sind der Überzeugung, dass die öffentliche Debatte in diesen demokratischen Ländern zu Veränderungen dieser Situation beitragen kann. Die größte Sorge bereitet uns jedoch die Zahl der Todesurteile, die in Ländern wie China und Iran vollstreckt werden. Wir appellieren an die Regierungen und die staatlichen Organe dieser Länder, die Anwendung derartiger Praktiken zu stoppen.

(Beifall)

 

4. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
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5. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokol

6. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll

7. Weiterbehandlung der Standpunkte und Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll

8. Arbeitsplan
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  Der Präsident. – Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung, wie er in der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom Donnerstag, dem 23. September 2010, gemäß Artikel 140 der Geschäftsordnung festgelegt wurde, ist verteilt worden. In Abstimmung mit den Fraktionen möchte ich folgende Änderungen vorschlagen:

(Die Mehrheit der Fraktionen und, in einigen Fällen sogar die gesamte Mehrheit, stimmt für die Änderungen.)

Mittwoch

Aufnahme eines neuen Tagesordnungspunktes: Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Bestimmungen des Vertrags von Lissabon im Sozialbereich nach der gemeinsamen Aussprache über die biologische Vielfalt.

Die Aussprache über die Anfrage zur mündlichen Beantwortung zu auf See verlorenen Containern und Schadensersatz wird von der Tagesordnung gestrichen.

Donnerstag

Die Abstimmungsstunde beginnt um 11.30 Uhr.

Die Abstimmung über den Bericht von Vladimír Maňka über den Berichtigungshaushaltsplan Nr. 2/2010 Teil 2 wird von der Tagesordnung gestrichen, weil der Rat in dieser Sache noch keinen Standpunkt angenommen hat und daher keine Debatte geführt werden kann.

 
  
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  Corien Wortmann-Kool, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident! Die EVP hält gute und ernsthafte Debatten über soziale Fragestellungen während der Plenartagungen stets für begrüßenswert, doch müssen sie gut vorbereitet sein.

Aus diesem Grund hat die Mehrheit in der Konferenz der Präsidenten zunächst beschlossen, dass der Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse der Lissabon-Agenda und die öffentlichen Dienste gemäß dem Vertrag von Lissabon zu erörtern, zuerst im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten diskutiert wird. Wir stimmen dem zu, da es sich um ein sehr kompliziertes Thema handelt.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass sich der Titel geändert hat und dass die Liberalen ihren Standpunkt geändert haben, doch der Kern ist nach wie vor sehr komplex, und wir wollen noch immer, dass dies zuerst im Ausschuss für Beschäftigung erörtert wird, weil es eine sehr wichtige und komplizierte Diskussion ist. Wir wollen nicht dagegen stimmen, sondern uns aus diesem Grund bei der Abstimmung zu diesem Thema enthalten.

 
  
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  Der Präsident. – Frau Wortmann-Kool, ich danke Ihnen für Ihre Erläuterungen. Damit steht dieser Punkt auf der Tagesordnung, aber die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) hat Stimmenthaltung geübt. Der Mehrheit der anderen Fraktionen wünscht, diesen Punkt in die Tagesordnung aufzunehmen.

(Der Arbeitsplan ist somit festgelegt.)

(Die Sitzung wird für einige Minuten unterbrochen.)

 

9. Feierliche Sitzung – Timor-Leste
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  Der Präsident. – Herzlich willkommen im Europäischen Parlament, Herr Präsident. Nach 18 Jahren möchte ich Sie wieder herzlich willkommen heißen.

 
  
 

Als nächster Punkt folgt die Ansprache von José Ramos-Horta, Präsident der Demokratischen Republik Timor-Leste.

Es ist mir eine Ehre und eine große Freude, Präsident José Ramos-Horta begrüßen zu dürfen. Einige von Ihnen in diesem Parlament erinnern sich noch an seinen Besuch vor 18 Jahren. Er sprach seinerzeit in unserem Unterausschuss Menschenrechte über die Situation in Timor-Leste. Zu einem freien Timor-Leste gab es damals nur Pläne und nur einige wenige Mutige, Führer der Opposition, waren in der Lage, solch visionäre Pläne voranzubringen. Als Vertreter und aktives Mitglied der Opposition war er für uns hier im Europäischen Parlament der erste Wegbereiter und Visionär eines freien Timor. Es gab einen Fünf-Punkte-Friedensplan: Abzug der indonesischen Truppen, Wiederherstellung der Menschenrechte, Freilassung der politischen Gefangenen, Einsatz von UN-Truppen und schließlich ein für 1999 geplantes Referendum. Die demokratische Gemeinschaft stimmte diesem großen Plan zu. Im Jahr 1996 wurde Präsident José Ramos-Horta und Carlos Felipe Ximenes Belo der Nobelpreis verliehen, und drei Jahre später erhielt der derzeitige Ministerpräsident von Timor-Leste, Xanana Gusmão, den Sacharow-Preis unseres Parlaments.

Das Ergebnis des Referendums 1999 in Timor-Leste fiel zugunsten der Unabhängigkeit Timors aus. Damit begann der schwierige Weg zur Beseitigung von Armut und zur Förderung der Versöhnung in Timor-Leste, was gewiss nicht leicht war, sowie zum Aufbau einer verantwortungsvollen Staatsführung und letztendlich zum Einsatz im Interesse der Bürger und zur Herausbildung einer Zivilgesellschaft. Das Europäische Parlament unterstützte nachdrücklich die Arbeit des Präsidenten und der staatlichen Organe von Timor-Leste. Drei Jahre später, im Jahr 2002, wurden die umfassenden Rechte der Unabhängigkeit wiederhergestellt. Herrn Ramos-Hortas Weitblick und Erfahrung sind von Bedeutung, nicht nur in Timor-Leste. Heute bereist und besucht José Ramos-Horta viele Entwicklungsländer auf verschiedenen Kontinenten und zeigt den Menschen, dass es einen Weg gibt, dass es für arme Länder einen Ausweg gibt und dass sie von Neuem beginnen und für ein besseres Leben und eine bessere Zukunft ihrer Bürger sorgen können.

Herr Präsident, es ist mir eine große Freude, Sie hier heute willkommen zu heißen, und ich darf Sie bitten, nun zu uns zu sprechen.

 
  
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  José Ramos-Horta, Präsident der Demokratischen Republik Timor-Leste. – Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde eingangs auf Englisch sprechen und dann zu Portugiesisch übergehen und dann wieder zum Englischen zurückkommen.

Ich könnte in fünf der europäischen Sprachen zu Ihnen zu sprechen, doch werde ich das nicht tun, da es mich verwirren würde. Also beschränke ich mich auf zwei: Englisch und Portugiesisch.

Ich bin dankbar für die Ehre, vor diesem würdigen Organ zu sprechen, das die reiche kulturelle Vielfalt Europas, seine demokratische politische Kultur und seine Institutionen verkörpert. Meine Bewunderung für Europa und für die Institutionen, die Sie geschaffen haben, für den Weg, den Sie gegangen sind, von Uneinigkeit, Rivalitäten und Kriegen zu Einheit, Partnerschaft und Frieden, zu Demokratie, Integration und Wohlstand, wie auch meine Bewunderung für Ihre tiefe Überzeugung von der Solidarität unter den Völkern haben mich als Friedensnobelpreisträger dazu veranlasst, die Europäische Union und die Europäische Kommission 2008 für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.

Auf der einen Seite dieses Erdballs ist der überwältigende Einfluss und Schatten der einzigen verbleibenden Supermacht. Auf der anderen Seite ist Asien, wo der Schatten zweier aufkommender asiatischer Riesen sich über die übrige Region legt. Dazwischen kann Europa eine Brückenrolle spielen – eine Brücke, die alle in einer neuen Partnerschaft für Frieden und Wohlstand verbinden könnte. Dieses Europa der Integration reicht von der wunderschönen Atlantikküste, die Portugal umspült, bis an den Rand des Alten Kontinents, wo Asien beginnt.

Als Redner hier danke ich heute ganz besonders diesem hohen Haus, vielen seiner geschätzten Mitglieder, der Europäischen Kommission und vor allem ihrem Präsidenten, unserem Freund José Manuel Durão Barroso, der über drei Jahrzehnte bei unseren langen Bemühungen um die Freiheit hinter uns stand.

Als junger Politiker und Diplomat, zuerst als Staatssekretär, dann als Außenminister und später als Ministerpräsident von Portugal war er ein weiser und leidenschaftlicher Fürsprecher Timor-Lestes, wie er es auch von Afrika, Asien und Lateinamerika war.

Doch möchte ich es nicht versäumen, den vielen Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu danken, von denen manche nicht mehr hier sind, weil keiner von uns dem unabwendbaren Alterungsprozess entkommen kann.

Dieses Organ in seiner ganzen Bandbreite, die Linke wie die Rechte gleichermaßen, hat uns ein Forum gegeben, als wir nirgendwo sonst eine Stimme bekamen.

So haben zum Beispiel die portugiesischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments aller Parteien in den 1990ern einen Teil ihres Gehalts dem Mann gegeben, der heute unser Außenminister ist, Dr. Zacarias da Costa. Er war fünf Jahre lang hier als Vertreter des timoresischen Widerstands, und es waren die portugiesischen Mitglieder des Europäischen Parlaments von der Linken und der Rechten, die uns jeden Monat finanziell unterstützten, um das Büro hier in Brüssel zu unterhalten.

Dieses Organ war es auch, das uns zum ersten Mal weltweit einen Pass gab, einen Ausweis, mit dessen Hilfe Timor-Leste im Parlament vertreten war, so dass es für seine Sache eintreten konnte.

Ich komme also heute zurück mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit Ihnen allen gegenüber.

Erlauben Sie mir nun, auf Portugiesisch fortzufahren und zum Thema der Millenniumsentwicklungsziele zu sprechen, darüber wie wir in meinem Land vorankommen und welche Unterstützung wir von der internationalen Gemeinschaft für uns und andere erwarten.

Präsident der Demokratischen Republik Timor-Leste. – (PT) Im Jahr 2000 war Timor-Leste kein unabhängiges Land, und erst als wir 2004 unseren ersten Bericht über die Millenniumsentwicklungsziele vorlegten, legten wir die ersten zu erreichenden Zielvorgaben fest.

In den letzten drei Jahren lebte Timor-Leste wahrhaft in Frieden; dies ermöglichte ein robustes Wirtschaftswachstum von 12 % pro Jahr, eine Verringerung der Armutsquote um 9 % in den letzten zwei Jahren, eine Senkung der Kindersterblichkeit und der Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren, womit die für 2015 festgelegten Ziele sogar bereits erreicht sind, einen Anstieg der Einschulungsraten von 65 % im Jahr 2007 auf 83 % im Jahr 2009-2010, und dank eines gemeinsamen Programms von Timor-Leste und Kuba wird das Analphabetentum bei Erwachsenen schrittweise beseitigt.

Wir erwarten eine umfassende Alphabetisierung in Timor-Leste innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre. Etwa 30 % der staatlichen Haushaltsmittel werden für die Bereiche öffentliche Gesundheit und Bildung aufgewendet. Diese Wende ist das Ergebnis offensiver öffentlicher Finanzierung von Sozialprogrammen, wie direkte Geldzuwendungen an ältere Menschen, Witwen, Behinderte und Veteranen sowie entschlossene Bemühungen bei der Ausdehnung der Anbauflächen und der Steigerung der Nahrungsmittelproduktion.

Wir erarbeiten derzeit die Roadmap für unseren strategischen Entwicklungsplan 2010-2030, mit dem es uns möglich sein wird, unser Volk von jahrhundertelanger Armut zu befreien und seinen Lebensstandard bis 2030 auf einen Stand der oberen Mittelschicht anzuheben.

Im Bereich der Verwaltung unserer Ölressourcen freue ich mich, feststellen zu können, dass die Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (Extractive Industries Transparency Initiative) in ihrem Bericht vom 1. Juli 2010 Timor-Leste hinsichtlich der Stärke, Transparenz und Wirksamkeit der Verwaltung seiner Einnahmen aus dem Erdgas- und Erdölgeschäft auf Platz eins in Asien und auf Platz drei weltweit eingestuft hat.

Etwa 30 % der Mitglieder unseres Parlaments sind Frauen. In unserer Exekutive stehen Frauen an der Spitze wichtiger Ministerien, wie z. B. in den Bereichen Finanzen, Justiz, Soziale Solidarität usw., und eine Frau hat das Amt des Generalstaatsanwalts der Republik inne. Wir haben ein ständiges Jugendparlament mit 130 Mitgliedern, die gerade landesweit neu gewählt wurden. Die gewählten Jugendlichen sind im Alter von 12 bis 17 Jahren. Wir wollten immer, dass es im Jugendparlament ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gibt. Doch unsere Erwartungen wurden noch übertroffen: Das Jugendparlament besteht aus 68 weiblichen und 62 männlichen Mitgliedern.

Timor-Leste ist stolz darauf, eine der humanistischen Verfassungen in der Welt angenommen zu haben, in der die Todesstrafe verboten ist und die Höchstdauer der Freiheitsstrafe 25 Jahre nicht überschreitet: Lebenslange Freiheitsstrafen gibt es bei uns nicht. Wir haben alle wichtigen internationalen Menschenrechtsverträge ratifiziert. Wir haben den relevanten Organen bereits zwei Berichte über die Verträge vorgelegt, und wir werden weiterhin unsere Anstrengungen investieren, indem wir die Achtung der Menschenrechte, der Freiheit und der Würde aller Menschen noch weiter stärken. Unsere Verfassung anerkennt den Vorrang des Völkerrechts vor nationalem Recht, mit anderen Worten, unsere Gesetze müssen mit dem Völkerrecht in Einklang stehen.

Gestatten Sie mir nun, wieder auf Englisch fortzufahren.

– Ich werde nun auf das Problem des Klimawandels eingehen – aus zeitlichen Gründen natürlich nur sehr oberflächlich.

Wenngleich es eine Tatsache ist, dass die Reichen und Mächtigen am stärksten zu der sich verschlechternden Umweltsituation weltweit beigetragen haben, anerkennen wir, dass Fortschritte der Wissenschaft, Technologie und Industrie in den letzten 200 Jahren enorme Vorteile für alle gebracht haben, selbst wenn diese Vorteile ungleich verteilt sind.

Doch sollten wir in den Entwicklungsländern den Reichen und Mächtigen nicht die ganze Schuld für den Schaden geben, den der Planet genommen hat. Wir müssen unseren Teil der Verantwortung für die Zerstörung unserer Wälder, Seen, Flüsse und Meere anerkennen. Asien trägt genauso viel Verantwortung wie die USA und Europa, wenn es darum geht, die Klimakatastrophe umzukehren. Wir sind fast die Hälfte der Erdbevölkerung. Diese Tatsache allein bedeutet, dass wir Land, Mineralstoffe, Wälder und Wasser enorm belasten. Für die Modernisierung unserer Volkswirtschaften und für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Hunderten Millionen Armen in Asien verbrauchen wir zunehmend mehr aus der Erde gewonnene Energie. Viele der aufstrebenden Mächte Asiens überqueren nun die Ozeane und suchen andernorts nach Energie – in Afrika und Lateinamerika.

Deshalb fordert Timor-Leste – in Zusammenarbeit mit den Malediven, zwei der kleinsten Länder in Asien – eine gemeinsame Asiatische Agenda für nachhaltige Entwicklung, die in Umweltschutz und ökologischer Rückgewinnung, in Land- und Wassermanagement, in Gesundheit und Bildung für alle und in der Beseitigung von Armut und Analphabetentum verankert ist.

Ich möchte an die Reichen und Mächtigen appellieren. Die Reichen und Mächtigen sollten sich die Frage stellen, ob sie die vor Fernsehkameras gemachten Zusagen eingehalten haben und ob ihre bisherigen Maßnahmen bei der Bekämpfung von Unterentwicklung und extremer Armut wirksam waren.

Allzu oft wird uns führenden Vertretern der Entwicklungsländer der Mangel an Verbesserungen der Lebensbedingungen unserer Bürger vorgeworfen, trotz der großzügigen Entwicklungshilfe, die wir angeblich von den Reichen erhalten haben.

Doch auch die Geber müssen ihre Maßnahmen ehrlich und kritisch bewerten. Wir wissen, dass die gemeinen Bürger – in den USA, in Europa und Japan – ein aufrechtes Gefühl der Solidarität gegenüber ihren Mitmenschen in ärmeren Gegenden der Welt hegen, aber die Geber müssen auch die langwierige, mühsame, überflüssige, unwirtschaftliche, unnötige und bürokratische Verwaltungsarbeit rationeller gestalten, die gleich wen in unseren Ländern überfordert und entmutigt.

(Beifall)

Die Geber müssen für jeden Dollar, den sie für ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Wasser und Hygiene, Straßen, Gesundheitswesen und Bildung zusagen, mehr investieren. Um die nationalen Institutionen und die demokratisch gewählten Vertreter zu stärken, müssen die Geber mehr direkte sektorale Budgethilfe bereitstellen, damit diese ihrer Bevölkerung Dienste und Entwicklung zur Verfügung stellen können.

Es ist trostlos, dass sich nur wenige reiche Länder an das Ziel, 0,7 % des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben, gehalten haben. Gleichzeitig sind die großzügigen Zusagen, die im Blickpunkt internationaler Konferenzen – Seite an Seite mit Filmstars und Rocksängern – gemacht werden, sobald der Hollywood-Vorhang fällt und die Scheinwerfer erloschen sind, weitgehend vergessen.

Noch trostloser ist es, zu sehen, wie schnell Dutzende Milliarden Dollar problemlos aufgetrieben werden, um gescheiterte Banken, Versicherungsgesellschaften, betrügerische Immobilienunternehmen und veraltete Automobilkonzerne zu retten, und wie zig Millionen Dollar in Boni an Nichtkönner und Gauner gezahlt werden, die für das Finanzdebakel verantwortlich sind – und jahrzehntelange Appelle an die Reichen, die Entwicklungshilfe zu erhöhen, sind auf größten Widerstand gestoßen.

Wir glauben, dass es ein kluger und gerechter Weg ist, den von den Folgen des Zusammenbruchs der Finanzmärkte betroffenen Ländern dadurch zu helfen, dass die Schulden der am wenigsten entwickelten Länder und der kleinen Inselstaaten unter den Entwicklungsländern erlassen werden und Umschuldungen für die Schuldnerstaaten vorgenommen werden, die mit gewaltigen inneren und äußeren Herausforderungen – wie beispielsweise Instabilität, Klimawandel und Extremismus – in vielen Teilen der Welt, insbesondere in Südasien und in Afrikas Region der Großen Seen, konfrontiert sind.

Wir haben in Timor-Leste das Privileg, dass wir keinen einzigen Cent Auslandsschulden haben. Unser Appel an Sie ist also nicht von Eigeninteresse geleitet. Wenn Sie zum Beispiel das Economies Yearbook 2010 aufschlagen – die Taschenbuchausgabe – werden Sie einige interessante Daten finden. Timor-Leste hat den höchsten Überschuss weltweit bezogen auf sein Bruttoinlandsprodukt und keinen einzigen Cent Auslandsschulden. Gleichwohl fühlen wir uns mit jenen Ländern solidarisch, die über Jahrzehnte Schulden gemacht haben, welche sie heute nicht zurückzahlen können und in die Hunderte Millionen von Menschen weltweit verwickelt sind. Wenn es möglich war, praktisch über Nacht Milliarden von Dollar zu mobilisieren, um gescheiterte Banken und Versicherungsgesellschaften zu retten, dann muss auch die moralische Pflicht und die politische Weisheit vorhanden sein, eine wesentlich geringere Summe aufzubringen, um die Verpflichtungen der Industrieländer den Armen in der Dritten Welt gegenüber einzuhalten, um damit einige der Ungleichgewichte, die heute überall in der Welt bestehen, anzuerkennen.

Ich spreche hier heute mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit Ihnen gegenüber – dem Europäischen Parlament, den europäischen Entscheidungsträgern und allen unseren Entwicklungspartnern gegenüber – und möchte mit Bescheidenheit unsere eigenen Versäumnisse und Grenzen eingestehen. Wir in Timor-Leste und in einem Großteil der Entwicklungsländer sollten nicht die Rollen vertauschen und den Westen belehren – als Vergeltung für die jahrzehntelange Belehrung des Westens –, sondern sollten uns selbst im Spiegel ansehen und unsere eigenen Fragen nach unserem Gewissen beantworten. Was haben wir selbst getan, um Hunderte Millionen von Menschen aus der extremen Armut zu führen? Wir können dies tun. Wir können es alle besser machen, in Timor-Leste und anderswo.

Wir haben in den letzten drei Jahren gewaltige Fortschritte erzielt. Unser Land ist erst seit acht Jahren unabhängig. Ich habe Ihnen einige der Zahlen dargelegt, doch gibt es viele andere Bereiche, in denen Erfolge erzielt wurden, die nicht in Zahlen zu fassen sind. Sie sind nicht messbar, aber sie sind ebenso wichtig. Es ist uns gelungen, die Wunden unserer Gesellschaft zu heilen, getrennte Gemeinschaften miteinander zu versöhnen und die Wunden zwischen uns und Indonesien zu heilen, mit dem uns eine 24 Jahre dauernde tragische Geschichte verbindet. Timor-Leste und Indonesien stehen heute im bestmöglichen Verhältnis, das zwei Nachbarn haben können. Wir konnten zu der gesamten Region Brücken bauen. Wir haben mit mehr als 100 Ländern diplomatische Beziehungen aufgenommen. Das sind nicht quantifizierbare, nicht messbare Erfolge. Unser Volk hegt gegen niemanden Groll, trotz der tiefen Wunden aus der 24 Jahre dauernden Okkupation.

Diese sind unsere Bekenntnisse und Überzeugungen. Wir sind entschlossen, den Erwartungen unseres Volkes gerecht zu werden und es einer friedlichen und prosperierenden Zukunft entgegenzuführen.

Möge Gott, der Allmächtige und Barmherzige, uns alle segnen.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Präsident.

Vor 18 Jahren haben Sie als Führer der Opposition in Osttimor großen Mut und großen Weitblick bewiesen. Heute sind Sie der Präsident eines freien, demokratischen und unabhängigen Landes.

Ich gratuliere Ihnen, Herr Präsident, und wünsche Ihrem Land und den Menschen Ihres Landes alles Gute. Vielen Dank für Ihre Ansprache.

(Beifall)

 
  
  

VORSITZ: ROBERTA ANGELILLI
Vizepräsidentin

 

10. Internationaler Tag gegen die Todesstrafe (Aussprache)
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  Die Präsidentin. – Der nächste Punkt ist die Erklärung des Rates, im Namen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, zum Internationalen Tag gegen die Todesstrafe.

Bevor ich Herrn Chastel das Wort erteile, werde ich Ihnen einen Auszug aus einem Brief vorlesen, den die Kinder von Sakineh an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments geschickt haben. Dieser Brief wurde mir durch AKI International zugestellt, extra damit er am Tag der Debatte über den Internationalen Tag gegen die Todesstrafe gelesen werden kann.

Hier der Auszug: „Wir möchten Ihnen für Ihre Bemühungen danken und für die Aufmerksamkeit, die Sie dem Fall unserer Mutter Sakineh haben zukommen lassen. Zunächst möchten wir Sie um Ihre moralische Unterstützung bitten. Die internationale Gemeinschaft ist unsere letzte Hoffnung, und deswegen möchten wir das Europäische Parlament darum bitten, entschieden und mit all seinen zur Verfügung stehenden Mitteln zu intervenieren, damit unserer Mutter geholfen wird. Wir flehen Sie an, uns nicht im Stich zu lassen und unseren Hilferuf zu erhören. Schließlich möchten wir Ihnen in der Hoffnung, dass barbarische Strafen wie die Steinigung und der Tod durch Erhängen endgültig weltweit abgeschafft werden, unsere herzlichsten Grüße zukommen lassen.“

 
  
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  Olivier Chastel, im Namen von Catherine Ashton (Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik).(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wie die Präsidentin eben sagte, spreche ich an diesem Internationalen Tag gegen die Todesstrafe und gleichzeitig dem Europäischen Tag gegen die Todesstrafe im Namen der Hohen Vertreterin Baroness Ashton vor diesem Haus.

Wie Sie wissen, stellt sich die Anwendung der Todesstrafe in verschiedenen Teilen der Welt nach wie vor unterschiedlich dar. Einerseits setzt sich die große Mehrheit der Staaten heutzutage entweder juristisch oder praktisch für ihre Abschaffung ein, und es bestärkt einen, zu sehen, dass die Anzahl dieser Staaten weiter wächst. Tatsächlich beobachten wir in den meisten Ländern eine starke Tendenz hin zur Abschaffung und zu einer beschränkten Anwendung der Todesstrafe.

Andererseits ist die Anzahl der Hinrichtungen und die für die Todesstrafe verwendeten Verfahren weltweit betrachtet leider alarmierend: Die im Jahr 2009 berichteten 5679 Hinrichtungen waren 5679 Hinrichtungen zu viel. Und angesichts der Tatsache, dass 58 Staaten und Gebiete die Todesstrafe noch anwenden, kann unsere Arbeit noch lange nicht als erledigt betrachtet werden.

Außerdem wissen wir alle, dass an den Orten, an denen die Todesstrafe noch angewendet wird, ernsthafte Probleme im Bezug auf die Achtung internationaler Regeln und Normen bestehen, vor allem wenn es darum geht, die Todesstrafe nur für Schwerstverbrechen anzuwenden, minderjährige Straftäter nicht dieser Strafe auszusetzen und einen gerechten Prozess zu garantieren.

Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Bei diesem Thema gibt es keinen Platz für Selbstzufriedenheit. Daher müssen wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich diplomatischer Wege und der öffentlichen Aufmerksamkeit, für das Erreichen unseres Ziels nutzen, und deswegen machte die Hohe Vertreterin die Maßnahmen der Europäischen Union für die Abschaffung der Todesstrafe zu einer persönlichen Priorität.

Was bedeutet das in der Praxis? Der zukünftige Europäische Auswärtige Dienst wird sich zweifellos auf die Tatsache verlassen können, dass die Europäischer Union bereits jetzt die führende Institution im Kampf gegen die Todesstrafe ist, aber der Dienst wird ebenfalls die beste Möglichkeit darstellen, unser Potenzial voll auszuschöpfen.

Er wird unsere Fähigkeit, mit einer Stimme zu sprechen, deutlich verbessern und uns somit die Möglichkeit geben, alle in Europa zur Verfügung stehenden Instrumente im Kampf gegen die Todesstrafe zu aktivieren und zusammenzubringen.

Darüber hinaus wird die Europäische Union auch weiterhin die Zusammenarbeit mit anderen internationalen und multilateralen Organisationen, die sich ebenfalls für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzen, verbessern.

Die Entschließung, die ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe im Rahmen der 65. Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen Herbst forderte, sollte die Fortschritte hin zur weltweiten Abschaffung widerspiegeln. Sie sollte die Tendenz zur Abschaffung, die wir in allen Teilen der Welt beobachten können, bestärken und ausweiten. Die enge Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und dem Europarat ist ein weiterer Trumpf in unserem Kampf gegen die Todesstrafe.

In dieser Hinsicht und um ein ganz spezifisches Beispiel zu setzen, werden wir mit vereinten Kräften Weißrussland dazu auffordern, die Todesstrafe abzuschaffen, vor allem indem wir an diesem Internationalen Tag gemeinsame Veranstaltungen in Minsk organisieren.

Meine Damen und Herren, da wir aus voller Überzeugung daran glauben, dass die Abschaffung der Todesstrafe für den Schutz der Menschenwürde und die Achtung der Menschenrechte unverzichtbar ist, lehnen wir die Anwendung der Todesstrafe in allen Fällen und unter jeglichen Umständen ab, und wir werden uns weiterhin für die weltweite Abschaffung dieser Strafe einsetzen.

Die weltweite Abschaffung ist und bleibt eines der Kernziele unseres außenpolitischen Handelns hinsichtlich der Menschenrechte, und deshalb bekräftige ich hiermit im Namen von Baroness Ashton unsere Entschlossenheit, die Vorreiterrolle der Europäischen Union im Kampf für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe beizubehalten.

 
  
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  Die Präsidentin. – Ich muss klarstellen, dass aufgrund eines Vorschlags der Konferenz der Präsidenten eine Aussprache abgehalten wird, bei der nur ein Sprecher jeder Fraktion das Wort ergreifen kann. Daher wird es nicht möglich sein, jemandem über das „Catch-the-eye“-Verfahren das Wort zu erteilen. Das ist sehr schade, denn diese Aussprache ist sehr wichtig.

 
  
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  Eduard Kukan, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, die Europäische Union beruht auf Werten und der Achtung der Menschenrechte, die weiterhin weltweit verteidigt und geschützt werden müssen. Das Recht auf Leben steht im Mittelpunkt dieser Rechte. Der Internationale Tag gegen die Todesstrafe erinnert uns daran, dass es nach wie vor Länder auf dieser Welt gibt, die die Todesstrafe in der Praxis anwenden. Deswegen müssen wir unsere Bemühungen fortsetzen und den Kampf gegen diese Vorgehensweise intensivieren.

Die starke Opposition der EU gegen die Todesstrafe stellt uns an die vorderste Front in diesem Kampf. Da das Europäische Parlament die erste Institution ist, die sich diesen Bemühungen verschrieben hat, ist es unsere Pflicht, andere Staaten zu beeinflussen, damit das Ziel der weltweiten Abschaffung erreicht werden kann.

Was die Europäische Volkspartei angeht, ist der weltweite Kampf gegen die Todesstrafe ein Kernziel unserer außenpolitischen Menschenrechtspolitik. Die EU sollte dieses Thema kontinuierlich ins Licht der Öffentlichkeit rücken und Initiativen unterstützen, die zur weltweiten Abschaffung führen könnten.

Außerdem möchte ich die Hohe Vertreterin, die Kommission und die Mitgliedstaaten darum bitten, Staaten, die das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte noch nicht ratifiziert haben, dazu aufzufordern, dies zu tun. Die Mitgliedstaaten, die das 13. Protokoll der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch nicht ratifiziert haben, sollten dies ebenfalls tun.

Mit Bedauern möchte ich sagen, dass Weißrussland nicht das einzige Land Europas ist, dass in der Praxis die Todesstrafe noch anwendet. Wir sollten alles unternehmen, um diese Situation zu ändern. Genauso sollte die EU konstant daran arbeiten, auf die Abschaffung der Todesstrafe aufmerksam zu machen, sowohl bei bilateralen Verhandlungen als auch in internationalen Foren.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass die EU ein Vorbild für den Rest der Welt darstellen muss. Nur einige Tage vor dem Internationalen Tag gegen die Todesstrafe scheint dies die richtige Zeit zu sein, dies als unseren Standpunkt zu bekräftigen.

 
  
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  Ana Gomes, im Namen der S&D-Fraktion.(PT) Weißrussland, China, Iran, Saudi Arabien und der Sudan: Was haben diese Länder in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gemeinsam? Sie alle verwenden nach wie vor ein primitives und abscheuliches Verfahren: die Todesstrafe. Einige Länder wie China, Ägypten, Iran, Malaysia und der Sudan wenden diese barbarische Praxis im Geheimen an, ohne dass je eine Statistik über die Todesstrafe veröffentlicht wird. Nur ein Mitgliedstaat der Europäischen Union sieht unter seiner nationalen Gesetzgebung noch die Anwendung der Todesstrafe für bestimme Verbrechen unter außergewöhnlichen Umständen vor, und mit dieser Entschließung möchte das Parlament Lettland zur Außerkraftsetzung dieser Gesetze aufrufen.

Das Parlament vertritt die Auffassung, dass die Europäische Union jede Gelegenheit nutzen sollte, die Abschaffung der Todesstrafe zu unterstützen, vor allem bei bilateralen und multilateralen Gipfeln und Treffen und speziell bei den Vereinten Nationen, bei Verhandlungen über internationale Abkommen im Zuge von offiziellen Besuchen oder im Dialog mit Drittländern im Rahmen der Außenpolitik, der Zusammenarbeit und der Finanzhilfe-Strategien. Es ist wichtig, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sich für die Umsetzung der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen über das weltweite Moratorium einsetzen.

Die Hohe Vertreterin, Baroness Ashton, sollte den Europäischen Auswärtigen Dienst dazu anweisen, die weltweite Abschaffung der Todesstrafe aktiv zu fördern. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Trotz allem sind es heute schon 154 Staaten, die die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft haben.

Die Delegationen der Europäischen Union müssen eine angemessene Anzahl an Beamten enthalten, die auf die Menschenrechte spezialisiert sind und sich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzen. Ich möchte die Hohe Vertreterin bitten, ein System für die Auffindung von EU-Bürgern einzurichten, die in einem beliebigen Land der Erde zum Tode verurteilt wurden und alle Mittel zu mobilisieren, um diese vor der Hinrichtung zu retten. Was die Innenpolitik der EU in diesem Bereich angeht, so hofft das Parlament, dass eine Überprüfung der Richtlinien der Europäischen Union zur Todesstrafe, die für das nächste Jahr angesetzt ist, schnell in die Tat umgesetzt wird.

Nach außen muss die Union nicht nur ihren Verpflichtungen nachkommen, die entsprechend der Charta der Grundrechte gewährleisten sollten, dass keine Person in ein Land ausgewiesen oder ausgeliefert wird, in dem das Risiko besteht, dass dieser Person die Todesstrafe droht, sondern sie muss auch sicherstellen, dass im Rahmen der internationalen Abkommen über den Datenaustausch keine Daten an Drittstaaten weitergegeben werden, die jemanden dem Risiko, der Todesstrafe zum Opfer zu fallen, aussetzen könnten.

Im Zuge dieser Entschließung stellt das Europäische Parlament klar, dass es nichts als Verachtung für die brutalsten Formen dieser Art der Bestrafung hegt, wie beispielsweise die Steinigung. Diese Entschließung enthält die Namen einiger Männer und Frauen, die in ihren Ländern zum Tode verurteilt wurden und auf ihre Hinrichtung warten: Möge das Licht der Zivilisation und des Mitgefühls ihre Leben retten. Dieses Haus ruft die Kommission daher dazu auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu verwenden und zu handeln, um diese Menschen zu retten.

 
  
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  Marietje Schaake, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, mit großem Stolz betrachte ich die intensiven Bemühungen der Europäischen Union als Wertegemeinschaft, in der die Todesstrafe nicht mehr existiert, sich als globaler Akteur dafür einzusetzen, dass die Todesstrafe überall abgeschafft wird.

Bei Verhandlungen mit Beitrittsländern und im Dialog mit anderen Staaten, seien es die Vereinigten Staaten oder der Iran, setzen wir uns stets für die Abschaffung, ob de jure oder de facto, dieser unmenschlichsten aller Strafen ein. Die abschreckende Wirkung der Todesstrafe, um Verbrechen zu verhindern, ist noch nicht einmal nachgewiesen. Daher ist diese Vorgehensweise sogar noch umstrittener. Natürlich darf keine Straflosigkeit für Schwerstverbrechen herrschen, aber die Todesstrafe stellt an sich schon eine Verletzung der Menschenrechte im Hinblick auf das Recht auf Leben dar, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte definiert ist.

Wir glauben daran, dass Verbrechen nach internationalem Recht geahndet werden müssen, jedoch stets mit einem gerechten Verfahren und der entsprechenden Rechtssicherheit. Viel zu häufig ist dies nicht der Fall und außerdem haben die Vereinten Nationen bestimmt, dass Drogendelikte nicht als Schwerstverbrechen zu ahnden sind.

Die Vereinten Nationen haben sich auch für das Moratorium für die Todesstrafe ausgesprochen, und das ist eine bedeutende Erklärung. Gleichzeitig ringen die Vereinten Nationen um ihre Glaubwürdigkeit, da der Iran eines der Mitglieder der Kommission der Vereinten Nationen für den Status der Frau ist.

In jedem Fall sollte die EU weiterhin mit einer Stimme sprechen und sich strategischer verhalten, wenn es darum geht, wichtige, die Menschenrechte betreffende Themen anzusprechen, wie eben die Abschaffung der Todesstrafe.

In diesem Moment findet der EU-China-Kulturgipfel hier in Brüssel statt. Wir sollten uns über diesen wichtigen Schritt freuen, aber gleichzeitig können wir nicht ignorieren, dass China den Rekord für die höchste Anzahl von Todesstrafen hält, deren genaue Zahl wir noch nicht einmal kennen, da es zum einen zu wenig Transparenz gibt und zum anderen einige Menschen in der Tat nicht als Menschen gelten. China wird nur noch vom Iran übertroffen, wenn es um die Hinrichtung von Minderjährigen geht, und das Töten von Kindern ist unter keinerlei Umständen zu rechtfertigen. Eine Zelebrierung der Kultur erinnert uns an die essenzielle Freiheit der Meinungsäußerung, aber zu viele Menschen sind weltweit der Todesstrafe und der Angst vor der Todesstrafe ausgesetzt, für das, was sie geäußert haben.

Die EU sollte daher ihre Verpflichtungen noch intensivieren, den Menschen aus Ländern, in denen die Todesstrafe angewendet wird, Zuflucht zu gewähren. Das Programm „Shelter Cities“ sollte so bald wie möglich mit der Arbeit beginnen.

 
  
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  Barbara Lochbihler, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Die alljährliche Entschließung gegen die Todesstrafe ist wirklich ein sehr eindrucksvolles Beispiel dafür, wie viel die EU leistet und geleistet hat im Kampf gegen die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. Ja, es sind immer noch zu viele und eine sehr hohe Zahl an Hinrichtungen, wie dies der Vertreter der Vizepräsidentin der Kommission auch ausgeführt hat. Wir sollten aber nicht vergessen, dass der weltweite Kampf gegen die Todesstrafe eine Erfolgsgeschichte ist. Mittlerweile gibt es nur noch 43 Staaten, die die Todesstrafe verhängen. Die EU ist dabei auf internationaler Ebene einer der wichtigsten aktiven Akteure, um diesen Kampf anzutreiben und auch in alle bilateralen Beziehungen einzubeziehen, und hier dürfen wir nicht in unseren Anstrengungen nachlassen.

Wir müssen uns vielleicht noch überlegen, zielgerichteter vorzugehen, denn nicht jeder Staat oder jede Regierung hat die gleiche Struktur, und wir müssen unterschiedliche Strategien anwenden. Es wird anders sein in Japan, wo hohe Politiker Wahlkampf machen und die Todesstrafe auch möglichst oft anwenden. Da braucht man eine andere Strategie als im Iran oder in Weißrussland. Eventuell müssen wir schrittweise vorgehen. Wir müssen zum Beispiel den Personenkreis einengen und fordern, dass keine Minderjährigen mehr hingerichtet werden, dass die Todesstrafe nicht bei geistig Behinderten angewendet werden darf, oder wir müssen die Straftatbestände eingrenzen. In China zum Beispiel können Sie noch immer wegen eines schlichten Eigentumsdelikts hingerichtet werden. Das können Schritte auf dem Weg zum eigentlichen Ziel sein, die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Hier sollte die EU das noch etwas verfeinern.

Was wir auf keinen Fall tun dürfen – auch wenn wir länderspezifisch unterschiedlich vorgehen: Wir dürfen in keinem Fall mit unterschiedlichem Maß messen und die Staaten, die die Todesstrafe noch haben, unterschiedlich in die Pflicht nehmen.

Die diesjährige Entschließung gegen die Todesstrafe hat einen speziellen Fokus, nämlich die USA. Ich möchte hier exemplarisch einen Fall vorstellen, nämlich den Fall von Mumia Abu-Jamal, der seit mehr als 20 Jahren in einer Todeszelle sitzt. Er ist nicht reich, er ist Afro-Amerikaner, und er war zur Tatzeit ein politisch radikal denkender und schreibender Journalist. Es gibt berechtigte Zweifel und Mängel an dem Gerichtsverfahren. Hier bitte ich die EU, alles zu tun und alle Mittel zu nutzen, damit die Todesstrafe nicht vollstreckt wird und er ein faires Verfahren bekommt!

 
  
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  Sajjad Karim, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, auch wenn ich unter dem Schirm der EKR-Fraktion spreche, beruhen meine Anmerkungen voll und ganz auf meinen persönlichen Überzeugungen. Ich begrüße die heute in diesem Haus stattfindende Aussprache, da sie eindeutig zeigt, dass wir hinter einem der Grundwerte unserer Union stehen.

Im letzten Jahr wurden mindestens 714 Menschen von Staaten hingerichtet. Dabei ist China nicht berücksichtigt, da es in dieser Hinsicht keine Transparenz gewährt. Viele der Staaten, in denen die Todesstrafe als Mittel der Bestrafung noch existiert, verfügen nicht über die Mechanismen, die denjenigen, die eines Schwerstverbrechens beschuldigt werden, ein gerechtes Verfahren bieten können. Der Unterschied zwischen den Staaten, in denen die Todesstrafe existiert und angewendet wird und denen, in denen die Möglichkeit zwar besteht, aber die Strafe nicht ausgeführt wird, ist nicht so groß wie man es zunächst erwarten würde. Die von mir erwähnten Zahlen beinhalten nicht all diejenigen, die auf ihr Schicksal warten, wie auch immer es aussehen möge; viele von ihnen sind unschuldig und ein gerechtes Verfahren wurde vielen nie zuteil.

Also auch wenn wir diese Aussprache hier abhalten, ist es ein sehr persönliches Thema. Es geht nicht nur um die Menschen, denen eine Verurteilung und die Todesstrafe bevorsteht, sondern mit ihnen auch um die vielen anderen Betroffenen, ihre Familien und so viele andere Menschen der Gesellschaft, aus dem einfachen Grund, dass diesen Menschen eine Hinrichtung ohne die Möglichkeit eines gerechten Verfahrens bevorsteht. Wir sollten uns auch darauf konzentrieren, uns mit diesen Fällen zu beschäftigen.

 
  
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  Søren Bo Søndergaard, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(DA) Frau Präsidentin, der Entschließungsantrag, über den wir heute debattieren, legt unsere kategorische Ablehnung der Todesstrafe dar. Es gibt einfach keine Entschuldigung dafür, dass Staaten ihnen unterstellte wehrlose Menschen kaltblütig und willkürlich töten. Die Todesstrafe stellt daher an sich schon ein Verbrechen dar. Oft ist es aber mehr als das. Wenn Menschen, die zum Tode verurteilt wurden, über Jahre hinweg unter erbärmlichen Umständen auf ihre Hinrichtung warten, ist die Todesstrafe auch eine Form der Folter. Wenn die Todesstrafe dazu genutzt wird, Menschen vor der Auflehnung gegen Unterdrückung und Diktatur abzuschrecken, wie es beispielsweise im Iran gemacht wird, ist die Todesstrafe auch eine Form des Terrorismus.

Wir Frau Lochbihler korrekt sagte, stellt der afro-amerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal heutzutage ein Symbol im Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe dar – „die Stimme der Stummen“ wurde er genannt, als er im Jahr 1981 des Mordes an einem weißen Polizisten angeklagt und zum Tode verurteilt wurde. Seit fast 30 Jahren sitzt dieser Mann in der Todeszelle, nachdem er in einem Prozess verurteilt wurde, der von Fehlern und Unzulänglichkeiten geprägt war und rassistische Untertöne aufwies. Daher ist es angemessen, dass dieser Entschließungsantrag den Fall von Mumia Abu-Jamal als einen der speziellen Fälle hervorhebt, die in der nächsten Amtszeit seitens der Repräsentanten der EU, neben anderen Dingen, bei Treffen mit den US-Behörden, der US-Verwaltung und natürlich dem US-Präsidenten als wichtiges Thema Erwähnung finden werden müssen. Dieses Beispiel verliert keineswegs dadurch an Bedeutung, dass es aus den Vereinigten Staaten stammt, die ja selbstverständlich in vielerlei Hinsicht ein Bündnispartner der EU sind – tatsächlich ist es daher vielleicht noch wichtiger, da es im Fall der Todesstrafe keinen Platz für Doppelmoral gibt. Im Kampf gegen die Todesstrafe darf nur eine Moral gelten: ein bedingungsloses „nein“ zur Todesstrafe.

 
  
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  Mara Bizzotto, im Namen der EFD-Fraktion.(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir sind uns alle einig, dass Europa seine Moral und seinen politischen Einfluss dazu nutzen muss, die Abschaffung der Todesstrafe noch weiter voranzutreiben. Wenn wir allerdings über die bloße Erklärung von abstrakten Grundsätzen hinaus handeln möchten, muss die Europäische Union tatsächlich damit beginnen, die ihr zur Verfügung stehenden spezifischen Instrumente zu nutzen.

Beispielsweise muss Europa sich daran erinnern, dass viele Drittstaaten, die die Todesstrafe auf brutalste und barbarische Weise einsetzen, die Staaten sind, mit denen die Union lukrative Wirtschafts- und Handelsabkommen abgeschlossen hat. Vor allem muss Europa diese Staaten daran erinnern, dass sie sich durch die Unterzeichnung dieser Abkommen dazu verpflichtet haben, die Mindeststandards der Grundrechte zu erfüllen. Diese Vorgabe wird routinemäßig ignoriert, und Europa schaut einfach weg.

Lassen Sie uns also offen mit China, Ägypten, Indien, Pakistan, dem Jemen, Bangladesch und anderen über die Todesstrafe sprechen; bringen wir diese Länder dazu, ihren Verpflichtungen, die sie im Hinblick auf die Achtung der Menschenwürde eingegangen sind, nachzukommen. Bislang wurde aus Europa nur gepredigt. Wir können nur hoffen, dass dem so bald wie möglich Taten folgen werden, da dies leider bislang in so vielen Fällen noch nicht funktioniert hat.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI).(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, angesichts des achten Internationalen Tags gegen die Todesstrafe möchte ich all jener gedenken, die nicht vom Tode verschont blieben: der 200 000 unschuldigen ungeborenen Kinder, die wir jedes Jahr in Frankreich abtreiben lassen; Natasha Mougel, der 29 Jahre jungen Frau, die vor einigen Wochen ermordet wurde, von einem Wiederholungstäter mit einem Schraubenzieher erstochen; des vierjährigen Kindes, dem vor einigen Tagen in der Nähe meiner Heimat Meyzieu der Hals aufgeschlitzt wurde; des älteren Herren, der im Januar in Roquebrune von einem Mann erstochen wurde, der bereits zuvor für Messerangriffe vor Gericht stand; der sechs- bis siebenhundert unschuldigen Menschen, die jedes Jahr im Frankreich getötet werden und der vielen tausend weiteren in Europa und dem Rest der Welt; Marie-Christine Hodeau, Nelly Cremel, Anne-Lorraine Schmitt und so vieler Menschen wie ihnen, deren einziges Verbrechen es war, eines Tages einem Verbrecher zu begegnen, der nach seinem ersten schrecklichen Verbrechen vom Gesetz auf freien Fuß gesetzt wurde; der Opfer jener Verbrecher wie Dutroux, Evrard und Fourniret, deren Leben für immer zerstört, wenn nicht gar beendet wurde; der Opfer der Angriffe von London, Madrid und anderen Orten, der Opfer des blinden Terrorismus.

Ich gedenke ihrer, da niemand einen Tag für die Opfer organisiert, aber man organisiert einen Tag für ihre Henker, die in vielen Fällen selbst den Tod verdienen.

In einem Staat, der der Rechtsstaatlichkeit unterliegt und nur in einem derartigen Staat, ist die Todesstrafe kein staatliches Verbrechen. Sie schützt die Gesellschaft und die Bürgerinnen und Bürger vor Verbrechern, für die diese Strafe manchmal der einzige Weg der Wiedergutmachung ist.

 
  
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  Olivier Chastel, im Namen von Catherine Ashton (Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik).(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur für Ihre Interventionen danken, da fast alle unser Handeln unterstützen. Für mich steht fest, dass wir uns alle der Bedeutung, die die Europäische Union diesem Handeln beimessen muss, bewusst sind, damit die Todesstrafe abgeschafft wird.

Wie ich bereits sagte und wie ich es hier wieder sagen werde, hat die Hohe Vertreterin Baroness Ashton dieses Thema zu einer persönlichen Priorität erklärt.

Wir hoffen inständig, wie ich bereits sagte, dass die Europäische Union gemeinsam mit ihren Partnern ein zufriedenstellendes Ergebnis aus der 65. Generalversammlung der Vereinten Nationen ziehen wird, das eine Entschließung umfasst, die die Bewegung für ein weltweites Moratorium weiter bestärken wird.

Weil wir aus tiefster Überzeugung daran glauben, dass die Abschaffung der Todesstrafe für den Schutz der Menschenwürde und die Achtung der Menschenrechte unabdingbar ist, sprechen wir uns in allen Fällen gegen die Anwendung der Todesstrafe aus, und ich möchte wiederholen, unter allen Umständen, und wir werden auch weiterhin die weltweite Abschaffung dieser Strafe fordern.

Wie ich bereits sagte, ist die Schlussfolgerung in dieser Angelegenheit eindeutig: Es gibt keinen Platz für Selbstzufriedenheit, und daher werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um unser Ziel zu erreichen.

 
  
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  Der Präsident. – Ich habe fünf Entschließungsanträge(1) erhalten, die gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung eingereicht wurden.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung wird am Donnerstag, dem 7. Oktober 2010, stattfinden.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Elena Oana Antonescu (PPE), schriftlich.(RO) Die Todesstrafe verletzt das Grundrecht auf Leben eines Menschen, und dafür gibt es keine Rechtfertigung. Viele Studien haben nachgewiesen, dass die Todesstrafe keinen Einfluss auf die statistische Entwicklung von Gewaltverbrechen besitzt. Deswegen möchte ich betonen, dass Europa und die gesamte Welt einheitlich handeln müssen, um die weltweite Abschaffung der Todesstrafe in Staaten durchzusetzen, in denen sie häufig angewendet wird und um ihre Wiedereinführung zu verhindern. Ende 2009 gab es 43 Länder, in denen diese Maßnahme noch existierte, darunter eines in Europa. Die Wirklichkeit dieser Situation sollte für uns Anlass zum Nachdenken sein. Wir besitzen den Einfluss, um Regierungen und Bürgerinnen und Bürger weltweit davon zu überzeugen, diesen Akt der Folter nicht weiter anzuwenden, da dies in Staaten, die die Menschenrechte achten, nicht akzeptiert werden kann. Dies ist ein Kernziel, und es kann nur durch die enge Zusammenarbeit der Staaten, dem Schaffen von Aufmerksamkeit und Aufklärung erreicht werden. Ich begrüße die Entschließung des Europäischen Parlaments am Internationalen Tag gegen die Todesstrafe, die hervorhebt, dass die völlige Abschaffung der Todesstrafe auch weiterhin eines der wichtigsten Menschenrechtsziele der Europäischen Union darstellt.

 
  
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  Proinsias De Rossa (S&D), schriftlich. – Die Todesstrafe stellt die ultimative grausame, unmenschliche und erniedrigende Bestrafung dar. Lassen Sie uns auch nicht vergessen, dass die Todesstrafe vor allem unterprivilegierte Menschen trifft. Ich bin in allen Fällen und unter jeglichen Umständen gegen die Todesstrafe, und ich möchte betonen, dass die Abschaffung der Todesstrafe zu mehr Menschenwürde und der progressiven Entwicklung der Menschenrechte beiträgt. Diese Entschließung wurde zeitlich an den Europäischen und den Internationalen Tag gegen die Todesstrafe angepasst, die beide auf den 10. Oktober fallen. Die EU ist die führende institutionelle Akteurin und die wichtigste finanzielle Unterstützerin im weltweiten Kampf gegen die Todesstrafe, und ihr Handeln in diesem Bereich stellt eine wichtige Priorität unserer außenpolitischen Menschenrechtspolitik dar. Bei den Vereinten Nationen förderte die EU seit 1997 erfolgreich eine jährliche Entschließung bei der Menschenrechtskommission, die die Abschaffung und bis dahin ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe fordert. Ich bitte die Institutionen der EU inständig, ihre Bemühungen noch zu intensivieren und alle Mittel der Diplomatie und der Kooperationshilfe einzusetzen, um die Abschaffung der Todesstrafe zu erreichen.

 
  
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  Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich.(FI) Die Todesstrafe ist eine unumkehrbare, unmenschliche Bestrafung, die nicht mit den Menschenrechten konform ist. Sie ist grausam und erniedrigend, und sie kann auf einen unschuldigen Menschen angewendet werden. Es ist nicht erwiesen, dass die Todesstrafe Verbrechen verhindern oder entscheidend verringern kann. Es ist sehr bedauerlich, dass sie in 43 Staaten noch angewendet wird. Das Verbot der Todesstrafe ist einer der Kernbereiche der EU-Menschenrechtspolitik. Es freut mich, dass sich das Europäische Parlament an diesem Tag, dem Internationalen Tag gegen die Todesstrafe, vehement gegen die Todesstrafe stellt, die überall auf der Welt abgeschafft werden sollte. Sie kann unter keinen Umständen als wirkliche Gerechtigkeit betrachtet werden. Vielen Dank.

 
  
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  Monica Luisa Macovei (PPE), schriftlich. – Da wir nun den Internationalen Tag gegen die Todesstrafe begehen, möchte ich daran erinnern, dass das Parlament geschlossen hinter seiner Ablehnung gegen die Todesstrafe steht. Und zwar deshalb, weil die Todesstrafe die grundlegende Menschenwürde untergräbt und nicht mit den internationalen Menschenrechten vereinbar ist. Studien zeigen, dass es keinen Nachweis dafür gibt, dass die Todesstrafe eine besondere abschreckende Wirkung auf Verbrechensraten besitzt, jedoch sind überdurchschnittlich viele unterprivilegierte Menschen von ihr betroffen. Trotz dieser Tatsachen sitzen weltweit mehr als 20 000 Menschen in der Todeszelle; Dutzende von ihnen sind europäische Staatsbürger. In diesem Parlament müssen wir uns weiterhin gegen Hinrichtungen unter jeglichen Umständen stellen und ein bedingungsloses Moratorium für die Todesstrafe unterstützen. Außerdem müssen wir Staaten dazu auffordern, genaue und offizielle Statistiken über ihre Anwendung der Todesstrafe zur Verfügung zu stellen. Gemäß unserer Verträge muss das Parlament seine Zustimmung zu internationalen Abkommen mit Drittstaaten geben. Wir sollten dabei den Standpunkt dieser Länder im Hinblick auf die Todesstrafe berücksichtigen.

 
  
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  Kristiina Ojuland (ALDE), schriftlich. – Der Internationale Tag gegen die Todesstrafe dient einem wichtigen Zweck, der uns an die bedauernswerte Tatsache erinnert, dass es 43 Länder dieser Welt gibt, in denen die Todesstrafe noch angewandt wird. Ich stimme dem Präsidenten Jerzy Buzek aus vollem Herzen zu, der zur Eröffnung der Plenarsitzung sagte, dass der Tod niemals als Akt der Gerechtigkeit betrachtet werden kann. Ich begrüße die Entschließung des Europäischen Parlaments, die die Entschlossenheit der Europäischen Union erneut zum Ausdruck bringt, die Todesstrafe überall abzuschaffen und die Länder, in denen die Todesstrafe verhängt wird, dazu aufruft, ein sofortiges Moratorium auszurufen. Jedoch würde ich mich freuen, wenn die wortreiche Entschlossenheit sich konkreter in der tatsächlichen Politik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten widerspiegeln würde. Es ist sinnvoll, die Bedeutung dieses Themas am 10. Oktober jedes Jahres hervorzuheben, wenn wir aber wirklichen Fortschritt erreichen wollen, müssen wir weiter gehen als das. Die Europäische Union muss kohärent handeln, und sie muss die Abschaffung der Todesstrafe als echte Priorität auf ihre Tagesordnung setzen, damit sie ihrem Ruf als Standartenträger der Menschenrechte und der Menschenwürde gerecht werden kann.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (S&D), schriftlich.(LT) Aktuell gibt es die Todesstrafe in 43 Ländern. Die meisten Todesurteile werden in China, dem Iran und dem Irak vollstreckt. China allein ist für 5000 Todesurteile oder 88 % aller Hinrichtungen weltweit verantwortlich. Es gibt auch Mitgliedstaaten der EU, in denen die Mehrheit der Bevölkerung der Todesstrafe wohlwollend gegenüber steht. Weltweit betrachtet sind es sogar noch mehr Länder dieser Art. Das Hauptargument dafür ist, dass eine derartige Bestrafung potenzielle Kriminelle abschreckt und für weniger Verbrechen sorgt. Jedoch erzählen die Statistiken eine andere Geschichte. Ich stimme dieser Entschließung zu, da ich der Meinung bin, dass das Instrument der Todesstrafe in ein Museum verbannt werden muss. Der deutliche Aufruf an Weißrussland, dem letzten Land in Europa, in dem die Todesstrafe angewendet wird, sie so bald wie möglich abzuschaffen, ist berechtigt. Dort ist die Hinrichtung weiterhin ein Staatsgeheimnis. Die Angehörigen der zum Tode Verurteilen wissen nicht, ob diese noch leben, da die Leichen der Hingerichteten nicht an ihre Eltern oder Kinder zurückgegeben werden.

 
  
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  Cristian Dan Preda (PPE), schriftlich.(RO) Auch wenn die Kampagne gegen die Todesstrafe bereits jetzt einer der Kernpunkte der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union darstellt, bietet die Schaffung des Europäischen Auswärtigen Dienstes uns eine gute Möglichkeit, der Bedeutung, die wir diesem Thema auf EU-Ebene beimessen, erneut Ausdruck zu verleihen. Um eine effektive Kampagne durchführen zu können, müssen wir differenzieren zwischen dem Fortschritt, der in bestimmten Ländern gemacht wird auf der einen Seite und der kritischen Situation in anderen Gebieten auf der anderen Seite. Daher müssen wir, auch wenn wir darüber besorgt sind, dass die Todesstrafe in den Vereinigten Staaten weiterhin angewendet wird, anerkennen, dass die Anzahl der Hinrichtungen in diesem Land im letzten Jahrzehnt um 60 % zurückgegangen ist. Andererseits müssen wir die chinesische Regierung scharf verurteilen, da sie im Jahr 2009 mehr Menschen hat hinrichten lassen als der Rest der Welt zusammen. Ich hege nichts als Missbilligung für die Tatsache, dass im Jahr 2009 zum ersten Mal in der modernen Geschichte nicht ein einziger Mensch in Europa zum Tode verurteilt wurde und die Behörden in Weißrussland nun zwei Menschen zum Tode verurteilten, die wahrscheinlich noch in diesem Jahr hingerichtet werden. Zusammenfassend glaube ich, wie auch Präsident Buzek, dass die Todesstrafe unter keinen Umständen als ein Akt der Gerechtigkeit betrachtet werden kann.

 
  
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  Joanna Senyszyn (S&D), schriftlich.(PL) Die Anwendung der Todesstrafe basiert auf der falschen Annahme, dass die Schwere einer Verurteilung Andere vom Begehen eines Verbrechens abschreckt. In Wirklichkeit ist es nicht die Schwere einer Strafe, die ihre Bedeutung für die Prävention ausmacht, sondern ihre Unausweichlichkeit. Daher ist es notwendig, ein effektives System für die Ergreifung und die gerichtliche Verfolgung von Straftätern zu besitzen. Es ist ganz entscheidend, dass diejenigen, die das Gesetz brechen, sich darüber im Klaren sind, dass sie gefasst und bestraft werden.

Im Jahr 2009 wurden die meisten Hinrichtungen in China, Saudi Arabien, Nordkorea und den Vereinigten Staaten durchgeführt. Die Anwendung der Todesstrafe hat bislang nicht nachweislich zu einer Verminderung der Fälle von Schwerstverbrechen geführt. Deswegen haben zivilisierte Länder im Zuge ihrer sozialen Entwicklung die Todesstrafe abgeschafft, so wie sie zunächst bestimmte Methoden dieser Strafe abgeschafft hatten, wie beispielsweise das Rädern, das Vierteilen durch Pferde, der Scheiterhaufen und das Pfählen. Denn dies sind Praktiken, die die niedersten Instinkte zum Vorschein kommen lassen und die Gesellschaft verrohen lassen.

In Polen wird die Wiedereinführung des Todesurteils von rechtsgerichteten konservativen Parteien gefordert, die die Regierungsarbeit mit der Einschüchterung der Gesellschaft gleichsetzen. Derartige Methoden verursachen Angst in der Bevölkerung und eine Unsicherheit über das, was morgen sein wird; das wiederum führt zu noch mehr Brutalität und Verbrechen. Die Todesstrafe führt also zum Gegenteil davon, was sie erreichen möchte. Aus diesem Grund müssen die Menschen angemessen darüber informiert werden, und die Gesellschaft muss darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass die Todesstrafe nicht das Problem der Schwerstverbrechen löst.

 
  
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  Csaba Sógor (PPE), schriftlich.(HU) Die Todesstrafe ist in den Mitgliedstaaten des Europarats illegal und somit in allen 27 Mitgliedstaaten der EU, jedoch wird sie in vielen Ländern der Erde regelmäßig angewendet. Das Traurige daran ist, dass die Todesstrafe in vielen Fällen nicht für gewöhnliche strafbare Handlungen verhängt wird, sondern für den mutigen, wiederholten Ausdruck politischer oder religiöser Ansichten oder für die Missachtung kultureller Bräuche. Europa hat eingesehen, dass es nicht nach Gesetzen handeln kann, die die Beendigung eines Menschenlebens durch Gewalt sanktionieren. Die Zeit ist gekommen, diese weise Einsicht deutlich zu bestätigen und sie auf die Länder der Welt auszuweiten, die bislang nicht so denken. Kulturelle Unterschiede und abweichende Weltsichten sind ein Quell der Bereicherung für die menschliche Zivilisation, und kein Gesetz kann die Praxis der Todesstrafe rechtfertigen.

 
  
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  Róża Gräfin von Thun und Hohenstein (PPE), schriftlich.(PL) Leider ist „der Mensch kein schönes Wesen“, wenn ich die große polnische Philosophin Barbara Skarga an dieser Stelle zitieren darf. Es gibt viele unter uns, den Bürgerinnen und Bürgern der freien, demokratischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die die Todesstrafe unterstützen. Es ist erschreckend aber wahr.

Glücklicherweise sehen die Rechtsvorschriften der Europäischen Union keine Todesurteile vor, und keine Regierung in der Union, noch nicht einmal die populistischsten, können sie einführen. Allerdings sollte die Europäische Union entsprechend ihrer Werte und der Art, diese hochzuhalten, ihren Einfluss auf andere Länder geltend machen, wie sie es in der Tat auch plant. Daher ist es wichtig, dass wir auf globaler Ebene handeln. Vielleicht ist der Internationale Tag gegen die Todesstrafe, der vom belgischen Ratsvorsitz vorgeschlagen wurde, ein Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass dieser Tag unsere Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema lenken wird, unsere Achtung für jedes menschliche Wesen sowie unsere Verantwortlichkeit für die Standards der Menschenrechte in der Europäischen Union bestärken wird und dass dies auch Einfluss auf die Länder der Welt hat, in denen die Todesstrafe noch existiert.

 
  
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  Zbigniew Ziobro (ECR), schriftlich.(PL) Die Europäische Union führte ein Verbot der Todesstrafe ein. Dies ist das Endergebnis eines Prozesses, der in den Ländern Europas stattfand, auch wenn es auf diesem Kontinent nach wie vor viele Menschen gibt, die die Todesstrafe befürworten. Ich denke nicht, dass es die Aufgabe des Europäischen Parlaments ist, Stellung zum Abschreckungseffekt der Todesstrafe zu beziehen, vor allem da zahlreiche Studien, die erst kürzlich vornehmlich an US-Universitäten durchgeführt wurden, die abschreckende Wirkung der Todesstrafe bestätigt haben. Unsere Aufgabe besteht darin, für die Sicherheit unserer Gesellschaften zu sorgen.

Im Hinblick auf das geltende Recht der Europäischen Union sollten wir daran denken, dass wir die Ansichten in anderen demokratischen Gesellschaften achten sollten, genauso wie wir erwarten, dass unsere Entscheidungen respektiert werden, und wir sollten diesen Gesellschaften nicht unsere Anschauung von Gerechtigkeit aufdrängen. Die Gesellschaften in den USA, Japan und Südkorea haben das Recht, derartige Gesetze zu erlassen, wenn sie es für richtig halten. Wir in Europa sollten uns jedoch daran erinnern, dass der Verzicht auf die Todesstrafe nicht dazu führen darf, dass Nachsicht gegenüber dem abscheulichsten aller Verbrechen, dem Verbrechen des Mordes, herrscht – für derartige Fälle brauchen wir schwere Strafen, die als Abschreckung dienen und den Täter isolieren, wie beispielsweise die lebenslange Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung. Denn wenn wir in einer sicheren Gesellschaft leben wollen, brauchen wir strenge Gesetze gegen diejenigen, die das grundlegende Menschenrecht, das Recht auf Leben, verletzen und die darüber hinaus oftmals dazu bereit sind, dieses Recht erneut zu verletzen und unschuldige Menschen zu töten.

 
  
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  Jarosław Leszek Wałęsa (PPE), schriftlich. – Bei unseren Fortschritten, die wir im Hinblick auf die völlige Abschaffung der Todesstrafe machen, müssen wir bedenken, dass es noch 58 Staaten der Welt gibt, die die Todesstrafe als Urteil in strafrechtlichen Verfahren verhängen und noch einige mehr, die sie in bestimmten Situationen wie unter der Verhängung des Kriegsrechts anwenden. Die Europäische Union arbeitete sorgfältig zusammen, um diese unmenschliche Vorgehensweise abzuschaffen, und unsere gemeinsamen Anstrengungen werden sich sehr bezahlt machen. Es gibt jedoch noch Einiges zu tun; es gibt europäische Nachbarn, die diese Vorgehensweise noch nicht vollkommen aufgegeben haben, und wir sollten uns weiterhin darauf konzentrieren, deren völlige Abschaffung anzustreben. Ich glaube daran, dass wir durch nachhaltigen Dialog und durch Entschlossenheit dabei erfolgreich seien werden. Auch wenn diese Vorgehensweise eindeutig grundlegende Menschenrechte verletzt, gibt es viele Kulturen auf dieser Welt, deren Gesetze auf anderen Grundlagen wie Religion, Tradition oder Kontrolle basieren. Diese Faktoren erschweren die Abschaffung der Todesstrafe ungemein, aber es ist unsere Pflicht, nicht nur als Mitglieder dieses Parlaments, sondern auch als Mitglieder der menschlichen Rasse, unsere unermüdlichen Anstrengungen fortzusetzen, um der Anwendung dieser Strafe ein Ende zu bereiten.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


11. EU-Maßnahmen zur Ölexploration und Ölförderung in Europa (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt Aussprache über die mündliche Anfrage an den Rat von Jo Leinen im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über die Folgen der Deepwater-Horizon-Ölpest für die EU: Maßnahmen zur Ölförderung und Ölexploration in Europa (O-0122/2010) (B7-0470/2010), und die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission von Jo Leinen im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über die Folgen der Deepwater-Horizon-Ölpest für die EU: Maßnahmen zur Ölförderung und Ölexploration in Europa (O-0123/2010) (B7-0551/2010).

 
  
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  Jo Leinen, Verfasser. − Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Golf von Mexiko kam es wohl zu einer der größten Umweltkatastrophen der letzten Jahre, und wir in Europa, in der Europäischen Union, müssen alles tun, damit so eine Katastrophe bei uns nicht stattfinden kann. Ich glaube, da besteht Einigkeit. Wir haben vier Meere, die an die EU angrenzen oder in der EU liegen: die Nordsee, die Ostsee, das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Und in diesen europäischen Gewässern finden Ölbohrungen statt. Insofern ist das auch ein Problem für die Europäische Union.

Die Tiefseebohrungen insbesondere sind ein besonderes Risiko. Das haben wir bei der Ölquelle im Golf von Mexiko sehen können. Da gibt es Probleme, die nicht beherrschbar sind. Und eine ganze Reihe von offenen Fragen hat sich da aufgetan, auf die es noch immer keine Antworten gibt. Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar, haben wir Ihnen in unserer Entschließung zugestimmt, dass es angebracht wäre, zumindestens für neue Anträge auf Tiefseebohrungen ein Moratorium auszusprechen, bis wir einen kompletten Überblick haben, was da nötig ist und wie die Defizite und die Lücken geschlossen werden können.

Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger in Europa von uns auch erwarten, dass die Sicherheit in allen 27 Mitgliedsländern, also in allen vier Meeren der EU, auf gleich hohem Stand ist und dass wir nicht ein Gefälle haben von Ländern, die schon viel tun – das sei auch anerkannt – bis vielleicht zu Gegenden, wo etwas nachlässiger mit diesem Thema umgegangen wird. Ich spreche da auch die Nachbarschaft an. Wir haben eine Nachbarschaftspolitik, und vor allen Dingen im Mittelmeer gibt es natürlich auch Bohrungen von Ländern, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Herr Kommissar Oettinger, ich glaube, Sie unternehmen Initiativen und müssen sie unternehmen, um insbesondere mit Libyen aber auch mit anderen über unsere Standards, über unsere Vorstellungen zu sprechen.

Die Frage ist: Wäre die EU auf so eine Katastrophe vorbereitet? Was ist der Kontrollmechanismus, was ist die Eingreifmechanik, sollten wir so eine Katastrophe haben? Auch das muss beantwortet werden. Wir haben hier die Agentur in Lissabon, die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, die ja aus einer Katastrophe von zerbrechenden Großtankern heraus entstanden ist. Die Agentur prüft also die Sicherheit der Schiffe, aber nicht die Sicherheit der Meere, also das, was wir jetzt mit den Tiefseebohrungen gesehen haben. Wir sind der Meinung, dass es eine gute Idee wäre, wenn das Mandat der EMSA in Lissabon erweitert würde und sie sich auch um diese Dinge kümmern könnte. Das wäre zumindestens problemnah und adäquat. Ich kann mir vorstellen, dass dann auch neue Ressourcen notwendig sind. Das ist ja immer ein Problem. Aber wenn wir so ein großes Thema bewältigen wollen, müssen die Ressourcen dann auch geschaffen werden.

Ich will noch die Haftung für solche Großereignisse ansprechen. Wie sieht eigentlich die Versicherung aus? Wie sieht die Möglichkeit aus, dafür das nötige Geld herbeizuschaffen? Wir müssen also auch einen Überblick bekommen über das Haftungs- und Versicherungsrecht für Tiefseeölbohrungen, darüber sprechen wir ja. Und vor allen Dingen natürlich auch, wie das bei kleineren Firmen ist, die da tätig sind. Das sind nicht alles nur die Multinationalen, da gibt es auch viele Kleinfirmen. Wie können die das packen? Wie können die sich versichern? Sind da Solidaritätsfonds nötig? Sind da kollektive Lösungen nötig, damit auch die Geschädigten an ihr Geld kommen, die Fischer und andere, die durch solche Katastrophen in Mitleidenschaft gezogen werden?

Wir wollen auch wissen, ob die Umweltverträglichkeitsrichtlinie, die Umweltverträglichkeitsprüfung, die wir an Land fordern, auch für Tiefseebohrungen gilt, und was da vorliegt. Und auf hoher See ist ja vieles nicht bekannt. Welche Arbeitsbedingungen und Sozialstandards gelten hier? Denn der menschliche Faktor kann ja auch eine große Rolle spielen. Man hat eine gute Technik, aber wenn der menschliche Faktor versagt, kann es zu solchen Katastrophen kommen.

Ja, alles in allem, Herr Kommissar, Sie sind für Energie zuständig. Offshore-Oil hat seine Probleme, Offshore-Wind wäre besser. Und ich glaube, diese Debatte öffnet natürlich auch den Weg für eine andere Energiepolitik in der EU, für die Sie ja auch Verantwortung tragen.

 
  
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  Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident.(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, da keine neuen Vorschläge der Kommission zum Thema Ölförderung und Ölexploration vorliegen – eine Tatsache, die, wie ich umgehend anmerken möchte, durchaus nachvollziehbar ist, da die Kommission sich mit anhaltenden Beratungen mit der Industrie und den vielen verantwortlichen Behörden befasst – kann ich an dieser Stelle nur wiederholen, dass wir außerordentlich besorgt sind über die Katastrophe im Golf von Mexiko und die daraus entstandenen viel zu schweren Schäden für Mensch und Umwelt. Diese Katastrophe zeigt, dass man in diesem Bereich nicht zu viele Sicherheitsvorkehrungen treffen kann und dass wir alles in unserer Macht Stehende unternehmen müssen, um eine Wiederholung eines derartigen Unfalls zu verhindern.

Wir können nur hoffen, dass der Rechtsrahmen für Offshore-Ölförderung und -Erschließung der EU und der USA auch dieses Mal verschärft wird, wie es bereits im Jahr 1989 nach dem Unfall der Exxon Valdez und 1999 nach dem Unfall der Erika geschehen ist. Das Ziel besteht offensichtlich nicht darin, einen Rahmen zu entwickeln, der diese Aktivitäten durch seine beschwerliche Umsetzung unrentabel macht, sondern dafür zu sorgen, dass die Aktivitäten sicher ausgeführt werden, vor allem in Zeiten, in denen sich die natürlichen Ressourcen der Erde dem Ende neigen.

Während wir noch auf Legislativvorschläge warten, hat dieses Thema uns auch weiterhin beschäftigt, und auch wenn wir, wie so viele, mit Freude beobachteten, wie das Macondo-Bohrloch Mitte Juli geschlossen und am 19. September endgültig versiegelt wurde, sind wir angesichts der bevorstehenden Rekultivierungsarbeiten der Meinung, dass dies nur den ersten Schritt eines längeren Prozesses darstellt. Deswegen bat der Ratsvorsitz Kommissar Oettinger darum, seine ersten Einschätzungen auf der informellen Tagung der Energieminister am 6. und 7. September mit uns zu teilen.

Unserer Meinung nach gibt es zwei Sachen, die wir dem von ihm dort Gesagten entnehmen können. Erstens sind die in der EU jetzt schon bestehenden Sicherheitsbestimmungen die strengsten der Welt. Zweitens ist zu beachten, dass die Ölaktivitäten verschiedene Regulierungsbereiche betreffen, und jeglicher Vorschlag seitens der Kommission muss diese verschiedenen Bereiche abdecken. Da Vorbeugen besser ist als Heilen, müssen wir zuerst die für alle europäischen Gewässer geltenden Sicherheitsvorschriften verbessern, aber wir müssen auch die Haftungsregelungen verschärfen, die Regulierungsaufsicht intensivieren und die internationale Zusammenarbeit voranbringen, wie wir es beispielsweise mit unseren OPEC-Partnern bereits im Juni getan haben.

Eine erste Mitteilung der Kommission wird zwischen jetzt und Mitte Oktober erwartet und aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Bereiche, die ich gerade erwähnte, wird sie von verschiedenen Ratsformationen und möglicherweise auch mehreren parlamentarischen Ausschüssen diskutiert werden müssen. Jedoch darf die Komplexität dieses Themas keinesfalls dazu führen, dass wir mit Verzögerung darauf reagieren. Wir wollen sicherstellen, dass diese Mitteilung direkt nach Erhalt studiert wird, damit sie so schnell wie möglich auf Ratsebene vorgelegt werden kann.

Betrachten wir speziell das Thema des Umweltschutzes genauer, so verfügt die EU bereits über einen verhältnismäßig fortschrittlichen Rechtsrahmen. Die Anwendung des Vorsorge- und Verursacherprinzips stellt einen Grundgedanken der EU-Umweltpolitik dar, und sie ist in der Tat auch im Vertrag festgeschrieben.

Die durch die Bohrinsel im Golf von Mexiko ausgelöste Ölkatastrophe könnte für die Kommission und die Mitgliedstaaten auch eine Gelegenheit darstellen, bestimmte Aspekte unserer bestehenden Umweltgesetze neu zu bewerten. Im diesem Zusammenhang sollte beispielsweise bedacht werden, dass die Seveso-II-Richtlinie aktuell überarbeitet wird und dass wir bis zum Ende des Jahres einen diesbezüglichen Vorschlag der Kommission erwarten.

Ich sollte auch erwähnen, dass die Kommission aktuell die EU-Katastrophenabwehr speziell mit dem Ziel überprüft, sie zu verbessern. Wir freuen uns darauf, zwischen jetzt und Ende November die Mitteilung zu diesem Thema zu erhalten.

Schließlich möchte ich bestätigen, dass der Ratsvorsitz alles in seiner Macht Stehende unternehmen wird, um die Vorschläge, die uns die Kommission vorlegen wird, weiter voranzubringen.

 
  
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  Günther Oettinger, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, Herr Ratsvertreter! Über die Dimension des Unglücks im Golf von Mexiko sind wir uns einig. Es ist ein Schaden entstanden, der für die Umwelt, die Natur, die Kultur, den Tourismus, die Fischerei lang anhaltende Nachteile bringt und der mit Finanzen nur eingeschränkt wieder gut gemacht werden kann. Trotzdem können wir dankbar sein, dass mit BP eine handlungsfähige Gesellschaft herangezogen werden kann, die im Rahmen dessen, was mit Geld ausgleichbar ist, vermutlich leistungsfähig ist.

Wir sind in diesen Tagen dabei, eine Mitteilung fertig zu stellen. Die Kommission wird spätestens in zwei Wochen das Thema unter Einbeziehung ihrer Mitteilung offiziell beraten und verabschieden. Heute bin ich hier, um – unter der Federführung des Kollegen Leinen und seines Fachausschusses, ergänzt um den Kollegen Reul – von Ihnen zu hören, was Ihre Erwartung ist. Ich sage Ihnen zu, dass wir die Erwartungen und die fachlichen Äußerungen des Parlaments in die Mitteilung, die in spätestens zwei Wochen kommen wird, einarbeiten werden.

Wir haben vor einigen Tagen eine Analyse von BP bekommen, die zumindest ausreichend Selbstkritik beinhaltet und die auch freiwillige Schritte und Korrekturen für die Industrie vorschlägt und angekündigt hat. Wir beobachten, was in Washington läuft, derzeit durch den Wahlkampf etwas verzögert, aber wir merken, dass die Regierung in Washington aus dem schlimmen Vorfall durchaus weitreichende Konsequenzen für die amerikanische Gesetzgebung und Politik ziehen wird. Unser Ziel ist es, den weltweit höchsten Sicherheitsstandard für die für uns erreichbaren Gewässer zu formulieren: für die Nordsee, für den nördlichen Atlantik, für die Ostsee, für das Schwarze Meer, für das Mittelmeer und für den Atlantik vor der Küste von Westafrika. Dabei haben wir eine eigene Autorität in den Gewässern, in denen wir hoheitlich tätig sind, aber wir geben uns auch Mühe, zu erreichen, dass unsere Standards über das Hoheitsgebiet hinaus ausstrahlen. Herr Leinen hat indirekt Libyen angesprochen. Es geht auch um entsprechende Bohrungen, die Auswirkungen auf unsere Küsten und Meere haben, aber nicht direkt in unseren Meeren geschehen.

Es geht um Öl und auch um Gas. Es geht generell um Off-shore-Exploration und Förderung von Kohlenwasserstoffen und die bestmögliche technische Sicherheit. Wir stellen fest, dass im VK – in Großbritannien – und Norwegen vermutlich die größten Erfahrungen und auch hohe akzeptable Standards bestehen, weshalb uns die Kooperation mit der Regierung in London und der norwegischen Regierung besonders wichtig ist. Wir wollen erstens für künftige Lizenzen die Sicherheitsvorkehrungen prüfen, also die Frage, was bei neuen Genehmigungen an höheren, an höchsten Standards möglich ist. Es geht zweitens um die Frage einer möglichen Nachrüstung für bestehende Plattformen, die zum Teil 20 Jahre oder älter sind und wo der Standard von damals nicht dem genügt, was heute möglich und von uns auch politisch zu erwarten ist.

Dann geht es um die Frage der ständigen Kontrollen. Wir müssen das Kontrollnetz dichter machen, wir müssen die Häufigkeit und die Qualität der Kontrollen entsprechend erhöhen. Des Weiteren geht es um Fragen des Versicherungsrechts – also um die Frage, wozu wir die fördernden Unternehmen verpflichten können, um eine umfassende Versicherungspflicht, um für den schlimmen Fall eines Unfalls – zumindest wirtschaftlich und finanziell – in der Schadensminderung und -behebung auf der sicheren Seite zu sein.

Dann geht es mir um die Frage: „Wie exportieren wir unsere Sicherheitsstandards in die Welt?“ Wenn also BP jetzt beabsichtigt, vor der Küste von Libyen entsprechende Fördermaßnahmen zu ergreifen und Plattformen zu errichten, dann schwebt uns vor, eine Selbstverpflichtung der europäischen Energieindustrie – namentlich BP, Shell, Total – zu erreichen und dass sie sich verpflichten, den selben strengen Standard, den sie im Hoheitsgebiet der Europäischen Union anwenden müssen, freiwillig in diesen Nachbarregionen zu akzeptieren und dort anzuwenden. Das heißt konkret, eine Ölplattform off-shore von Libyen, von BP errichtet und betrieben, oder vielleicht eine Plattform vor der Küste Westafrikas, von einem europäischen Energieunternehmen betrieben, soll und muss den gleichen Standard haben, wie es an der Nordsee von uns gesetzlich vorgegeben praktiziert wird.

Alles in allem – geben Sie uns bitte zwei Wochen Zeit. Wir sind auf der Zielgeraden für unsere Mitteilung. Wir werden das, was uns von Ihren Abgeordneten heute noch an Erwartungen mitgegeben wird, berücksichtigen und dann mit Sicherheit im ersten Halbjahr 2011 auch mit legislativen Vorschlägen kommen, die nach der Mitteilung von uns vorgesehen sind.

 
  
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  Richard Seeber, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich möchte mich zuerst beim Kommissar Oettinger bedanken, dass er das Heft des Handelns in die Hand genommen und sofort reagiert hat, als die Ölkatastrophe passiert ist. Wir müssen natürlich die unterschiedlichen Ausgangssituationen betrachten, die in den USA und auch bei uns in Europa gelten. Trotzdem haben wir auch, glaube ich, hier in Europa Handlungsbedarf, und eine grundlegende Analyse der Ist-Situation in Europa sowohl auf der faktischen Seite als auch auf der rechtlichen Seite ist notwendig, um entsprechende Vorschläge machen zu können. Natürlich spielt hier die verzwickte rechtliche Lage eine besondere Rolle, weil wir es hier teilweise mit internationalen Gewässern zu tun haben und teilweise mit Gewässern, die zu den Mitgliedstaaten gehören. Und ich glaube, hier muss man genau schauen, wo die Gemeinschaft als Gemeinschaft handeln und durch rechtliche Vorschläge die Situation verbessern kann.

Ausgangsbasis muss für uns alle sein, die höchsten Sicherheitsstandards für die Menschen, für die Umwelt zu schaffen, damit also solche Katastrophen von vornherein verhindert werden können. Trotzdem möchte ich sagen, es ist wichtig, dass wir weiterhin Ölexploration und Gasexploration insgesamt in Europa betreiben, um die Diversifizierung unserer Energiequellen voranzutreiben. Das sollten wir im Hinterkopf haben. Aber wie gesagt, Sicherheit geht auf jeden Fall vor. Ich sehe hier drei Handlungsfelder. Erstens: Wo müssen wir die EU-Rechtslage anpassen? Mir fällt da die Seveso-II-Richtlinie ein, mir fällt da die Umwelthaftungsrichtlinie ein und auch das dritte Paket zur maritimen Sicherheit. Hier sind sicher Handlungsfelder, die wir von Kommissionsseite angehen sollten und bei denen wir auf Vorschläge warten.

Zweitens: der finanzielle Rahmen. Ich glaube, Versicherungslösungen würden die entsprechende Sicherheit bieten, um nach Katastrophen auch finanzielle Ausgleiche schaffen zu können. Ein drittes Feld ist der EU-Katastrophenschutz. Ist es wirklich notwendig, dass jeder Mitgliedstaat die vollen Kapazitäten erhält, die er braucht, um eine solche Katastrophe bewältigen zu können, oder könnten wir hier nicht auf EU-Ebene eine Zusammenarbeit finden und verstärken, um die Mitgliedstaaten auch ein wenig zu entlasten?

 
  
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  Zigmantas Balčytis, im Namen der S&D-Fraktion.(LT) Die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko verdeutlichte die mangelnde Sicherheit im Bereich der Ölförderung. Diese schreckliche Tragödie, die Menschenleben forderte und der Umwelt ungeahnten Schaden zufügte, muss auch als bedeutende Lektion für Europa gesehen werden.

Ich begrüße die Initiative der Kommission, eine Sicherheitsprüfung der im Gebiet der Europäischen Union betriebenen Offshore-Bohrinseln durchführen zu lassen. Um die Sicherheit aber vollständig gewährleisten zu können, müssen weitreichendere Maßnahmen ergriffen werden. Vor allem sollte die Kommission die Kapazitäten der Europäischen Union für die unmittelbare und effektive Reaktion auf Unglücke bewerten und einen europäischen Aktionsplan entwickeln.

Den bestehenden Vorschriften fehlt es eindeutig an Inhalt und Reichweite, was die Sicherheit und die Verantwortlichkeit für entstandene Schäden betrifft. In der Europäischen Union werden aktuell gigantische Infrastrukturprojekte umgesetzt, deren Sicherheitsaspekte möglicherweise nicht umfassend und ausreichend bewertet wurden. Dazu gehören die heiß diskutierte Nord-Stream-Gas-Pipeline und andere Öl- und Gasinfrastruktur-Projekte, die für Europas Sicherheit der Energieversorgung notwendig sind, aber auch höchsten Umweltvorgaben entsprechen müssen.

Die Frage nach der Verantwortlichkeit muss daher eindeutig geklärt werden: Der Verursacher haftet für entstandene Schäden, und darüber hinaus müssen verpflichtende EU-weite Versicherungssysteme eingerichtet werden. Um ähnlichen Katastrophen vorzubeugen, sollte den Präventivmaßnahmen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Daher sollte die Kommission meiner Meinung nach die Einrichtung eines effektiven Überwachungssystems prüfen, die Inspektionsmethoden verbessern und die verpflichtenden EU-Mindestvorgaben im Hinblick auf die Sicherheit verschärfen.

Ich stimme den Vorschlägen meiner Kolleginnen und Kollegen an die Kommission zu, auch Jahresberichte vorzulegen, die es uns ermöglichen, die wirkliche Situation zu bewerten und Maßnahmen, wenn und sobald nötig, zu ergreifen.

Abschließend möchte ich der Kommission und dem Mitglied der Kommission dafür danken, dass wir in so kurzer Zeit eine Mitteilung erhalten werden und uns dann genauer mit der Frage beschäftigen können, was Europa wirklich braucht.

 
  
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  Corinne Lepage, im Namen der ALDE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, Herr Chastel, Herr Kommissar, der Zwischenfall im Golf von Mexiko stellt einen Wendepunkt dar.

Angesichts der aktuell in Ungarn stattfindenden Ereignisse wird uns vor Augen geführt, dass Europa sich leider nicht vor großen Industrieunfällen sicher wähnen kann. Unsere gemeinsame Aufgabe besteht genau darin, auf Katastrophen vorbereitet zu sein und nicht nur darauf zu warten, dass sie passieren, um dann die Ressourcen aufzubringen, um mit ihnen umzugehen.

Was meine ich mit „vorbereitet sein“? Zuerst brauchen wir angemessene Rechtsvorschriften zur Prävention. Derartige Rechtsvorschriften existieren nicht. Wir müssen solide vorbereitende Studien anfertigen, und ich freue mich darüber, dass in Erwägung gezogen wird, die Seveso-II-Regelungen auf Offshore-Bohrinseln anzuwenden. Wir brauchen ebenfalls solide Folgenabschätzungen und – dieser Punkt ist äußerst wichtig – ein Haftungssystem, das als Abschreckung dient, damit es im wirtschaftlichen Interesse der Betreiber liegt, die Sicherheit zu gewährleisten.

Zuletzt müssen die technischen Mittel zur Verfügung stehen, damit im Falle eines Falles in wenigen Tagen oder sogar Stunden eingegriffen werden kann. Dies bedeutet nicht, dass wir einfach auf dem Papier bereit sein müssen, zu reagieren; es bedeutet, dass wir in der Realität reagieren können müssen. Ich möchte mir kaum ausmalen, was passieren würde, wenn eine ähnliche Situation wie die im Golf von Mexiko in einem Binnenmeer wie dem Mittelmeer mehrere Wochen oder gar Monate anhalten würde.

Natürlich brauchen wir auch – wie Sie es gesagt hatten – ein gerechtes Haftungssystem, damit für Schäden gehaftet wird. Die Umwelthaftungsrichtlinie umfasst, soweit ich weiß, keine wirtschaftlichen Schäden. Deswegen glaube ich, dass wir unbedingt dem Beispiel der USA folgen sollten, ohne zu zögern ein Moratorium für neue Einrichtungen zu verhängen, damit die soeben genannten Vorgaben erfüllt werden können.

Dies bedeutet nicht, dass der aktuelle Betrieb eingestellt wird, aber es werden vorerst keine neuen Lizenzen vergeben, damit sichergestellt ist, dass alle öffentlichen und privaten Interessengruppen dasselbe Ziel verfolgen: so schnell wie möglich die Rechtsvorschriften und die technischen Ressourcen bereitzustellen, die uns vor einer Katastrophe des Ausmaßes wie in den USA schützen können.

Ich denke, dass all diese Maßnahmen einen Schritt in die richtige Richtung darstellen würden; auch wenn ich erwähnen möchte, dass das gemeinsame Ziel darin besteht, die Gesellschaft schrittweise vom Öl unabhängig zu machen, und nicht dafür zu sorgen, dass wir weiterhin davon abhängig sind.

 
  
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  Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(NL) Frau Präsidentin, ich stimme der Rede von Frau Lepage zu, vor allem dem letzten Abschnitt. Vor fünf Monaten, am 20. April, passierte das Unvorstellbare in Gestalt der schrecklichen Katastrophe im Golf von Mexiko. Es dauerte fünf Monate bis das Leck endgültig geschlossen werden konnte. Daher müssen wir als europäischer Gesetzgeber dafür sorgen, dass eine derartige Katastrophe niemals in europäischen Gewässern passieren kann. Aus diesem Grund findet diese Aussprache statt. Deswegen handeln wir.

Die Entschließung, über die wir im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit abgestimmt haben, entspricht im Großen und Ganzen Kommissar Oettingers Analyse, Strategie und Bereitwilligkeit. Kommissar Oettinger erschien bereits mehrfach im Plenum, um darzustellen, wofür er steht und was er erreichen möchte. Unsere Entschließung stimmt diesem in vielen Punkten zu. Ich bedauere die vom Rat geäußerte Absicht, Vorschläge der Kommission abzuwarten, bevor reagiert wird. Ich hatte eigentlich erwartet, dass der Rat auf die vom Parlament im Zuge der aktuellen Debatte vorgelegten Vorschläge reagieren würde.

Diese Vorschläge, von denen es viele gibt, sind wichtig. Wir rufen im Endeffekt die Mitgliedstaaten dazu auf, ein Moratorium zu verhängen, bis Unglücke ausgeschlossen werden können; bis die Einhaltung angemessener Sicherheitsvorschriften gewährleistet ist. Wir wollen ein Moratorium, bis wir uns sicher sein können, dass die Rechtsvorschriften zur Haftung vollständig in Kraft getreten sind. Wir wollen die Situation genauer betrachten, die die Aufsicht über die Aufsicht betrifft. Wir wollen sicherstellen, dass auch Schritte zur Stilllegung von Einrichtungen unternommen werden, die noch im Betrieb sind aber möglicherweise in Kürze stillgelegt werden müssen. Wir wollen, dass das Mandat der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) ausgeweitet wird. Wir wollen, dass diese Organisation nicht nur dafür verantwortlich ist, wenn Umweltbelastungen durch Schiffe auf See verursacht werden, sondern auch im Katastrophenfall auf Bohrinseln.

Bei all diesen Punkte handelt es sich um durchaus greifbare Themen, die in dieser Entschließung enthalten sind. Herr Chastel, ich bedaure, dass Sie nicht bereit sind, im Namen des Rates eine Reaktion auf die parlamentarischen Vorschläge in diesem Haus abzugeben und auf die von Kommissar Oettinger vorzulegenden Vorschläge warten möchten; einer davon sollte nächste Woche in Form des „Stresstests“ für die bestehenden Rechtsvorschriften vorliegen. Ich möchte der Kommission also meine herzlichen Glückwünsche zukommen lassen und verbleibe mit eher verhaltener Einstellung gegenüber dem Rat.

 
  
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  Struan Stevenson, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, die Ölpest im Golf von Mexiko war ein Weckruf für die Ölindustrie. Daran besteht kein Zweifel. Wir alle sind uns dieser Tatsache durchaus bewusst, aber lassen Sie uns darauf achten, dass wir nicht überreagieren.

Ich stimme der Forderung nach angemessenen Entschädigungszahlungen für alle diejenigen zu, die vor allem in der Fischerei ihren Lebensunterhalt aufgrund eines Ölteppichs oder eines derartigen Zwischenfalls nicht mehr bestreiten können, der, Gott bewahre, hoffentlich nie in einem unserer Gewässer auftritt.

Wir müssen entweder einen Entschädigungsfonds oder einen Versicherungsfonds einrichten, der durch die Ölkonzerne selbst finanziert wird. Wenn ich allerdings geschätzte Kolleginnen und Kollegen wie Frau Lepage zuhöre, die ein Moratorium für Erkundungsbohrungen fordern, dann denke ich wirklich, dass dies zu weit geht. Das ist eine Überreaktion. Wir blicken auf 20 Jahre, also zwei Jahrzehnte, der Erfahrung im Bereich der Tiefseebohrungen in der Nordsee und vor der Westküste Schottlands zurück – zwei Jahrzehnte, in denen wir einige der weltweit höchstentwickelten Sicherheitstechnologien exportierten. Wir verfügen über mehr als 315 Tiefsee-Ölquellen, also Quellen in einer Tiefe von mehr als 300 Metern, von denen einige sogar in Tiefen von bis zu 1600 Metern liegen.

Für eine Analyse dessen, was im Golf von Mexiko passiert ist, ist es noch relativ früh, aber die Beweise legen nahe, dass es gar nicht zu der Ölkatastrophe gekommen wäre oder dass sie viel schneller hätte eingedämmt werden können, wäre unsere schon seit zwei Jahrzehnten in der Nordsee bewährte Technologie verwendet worden.

Wir sollten also einer der sichersten Industrien in Europa nicht spontan die Tür vor der Nase zuschlagen, angesichts der Tatsache, dass wir in diesem Jahr bereits 6 Mrd. GBP in Erkundungsbohrungen in der Nordsee und vor der Küste Shetlands investiert haben. Lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, übertrieben zu reagieren und der Welt den Eindruck zu vermitteln, dass das Europäische Parlament nicht mehr von der Sicherheit unserer europäischen Industrie überzeugt ist. Diese Industrie liefert einen unserer wichtigsten Exportartikel.

 
  
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  Niki Tzavela, im Namen der EFD-Fraktion.(EL) Frau Präsidentin, ich möchte Herrn Leinen und dem Kommissar für ihre mitgeteilten Informationen danken. Ich möchte ebenfalls meinem Unmut darüber Ausdruck verleihen, dass der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, der für Industrie und Forschung zuständig ist, bei dieser Entschließung abwesend ist. Ich würde sagen, dass aufgrund dieser Abwesenheit Absätze integriert wurden, die unrealistisch sind oder große Probleme für die ölfördernde Industrie mit sich bringen. Wir sagten, wir würden sie überwachen, nicht vernichten.

Deswegen stimmen wir voll und ganz dem Änderungsantrag von Herrn Callanan zu, der das Entfernen von Ziffer 17 fordert und ich möchte noch bemerken, dass Ziffer 22 eine finanzielle Belastung für die ölfördernden Unternehmen darstellt, und in dieser Hinsicht sollten wir vorsichtig sein. Darüber hinaus möchte ich anmerken, dass ein entscheidender Punkt im Text fehlt: Es gibt gar keine Erwähnung der Förderung von Forschung und Entwicklung in der ölfördernden Industrie. Wir könnten hierbei mit den Amerikanern zusammenarbeiten und die Forschung und Entwicklung vorantreiben, was uns bei der Bewältigung derartiger Krisen zugutekäme.

 
  
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  Nick Griffin (NI). – Frau Präsidentin, die wirkliche Bedeutung der Deepwater-Katastrophe wird verkannt. Die eigentliche Frage ist, warum BP in 1500 Metern Wassertiefe durch 5000 Meter Gestein bohrt und das inmitten eines Hurrikane-Gebiets.

Die Antwort ist das Ölfördermaximum – der Zeitpunkt, an dem die Hälfte der weltweiten Vorkommen, die einfach, sicher und günstig zu gewinnen waren, verbraucht war und an dem wir nun auf die immer schwerer zugänglichen, gefährlichen und teuren Reserven zurückgreifen müssen, die sowohl hohe finanzielle Kosten als auch hohe Kosten für die Umwelt mit sich bringen. Deepwater ist nur ein Symptom des Ölfördermaximums. Wird dies als Entschuldigung für einen erneuten Versuch einer EU-Machtergreifung genutzt, hilft es uns nicht dabei, das Ölfördermaximum oder seine katastrophalen Folgen aufzuhalten.

Statt über die Symptome zu sprechen, sollten wir ernsthaft über die Krankheit sprechen: über die Tatsache, dass wir das leicht erreichbare Öl komplett verbraucht haben und immer noch süchtig sind nach diesem Zeug. In den vergangenen Monaten begann diese Wahrheit einigen klar zu werden, darunter waren auch Präsident Obama, die britische Regierung und die deutsche Bundeswehr. Es wird Zeit, dass die EU ihren Kopf aus dem Sand zieht, damit aufhört, sich wie besessen mit dem Klimawandel auseinander zu setzen und die wirkliche Krise untersucht und in Angriff nimmt: das Ölfördermaximum.

 
  
  

VORSITZ: RODI KRATSA-TSAGAROPOULOU
Vizepräsidentin

 
  
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  Herbert Reul (PPE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Vertreter des Rates, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war eine große Katastrophe, und auf Katastrophen kann man unterschiedlich reagieren. Indem man in hektischen Aktionismus verfällt und jede Woche eine neue Erklärung verabschiedet, oder aber indem man gründlich prüft und dann überlegt, an welchen Stellen man etwas ändern muss. Zum Beispiel von der Ausgangslage ausgeht, dass man feststellt, dass die Lage in dieser Situation in den Vereinigten Staaten mit der in Europa so nicht vergleichbar ist.

Den letzten Weg hat Herr Kommissar Oettinger gewählt, nüchtern, sachlich, Schritt für Schritt prüfend. So macht man Politik, und so gewinnt man auch bei den Bürgerinnen und Bürgern Zustimmung. Und ich bedanke mich dafür, dass der Kommissar das erstens so gemacht hat und zweitens unter Beteiligung aller Ausschüsse. Der Umweltausschuss und der Industrieausschuss waren gemeinsam im Plenum beteiligt, waren gemeinsam beteiligt in den Gesprächen mit dem Kommissar, wo wir einzelne Sachverhalte auch vertiefen konnten. Und dann hat leider der Umweltausschuss gemeint – ich muss das sagen, Frau Kollegin Tzavela hat es schon angesprochen –, er müsse allein eine Entschließung vorlegen. Ich halte das für überhaupt nicht akzeptabel, das dient übrigens auch nicht der Zusammenarbeit im Parlament, und es dient übrigens auch nicht der sachgerechten Aufarbeitung dieser Problemstellung, nur schnell, schnell irgendwo ein schnelles Papier vorzulegen.

Wir erfahren – das wusste auch jeder –, dass die Kommission nächste, übernächste Woche eine Mitteilung vorlegen wird, die die Konsequenz aus Analysen zieht. Dann kann man, und da hat der Rat vollkommen Recht, klug überlegen, welche Konsequenzen man nun zieht. Der Umweltausschuss meinte, er müsste jetzt hier schnell eine Entscheidung vorlegen, und nun liegt eine Entschließung vor, die hinten und vorn, wie ich finde, überhastet ist, die Fehler hat, die eine Menge von Sachverhalten in Forschung und Technologie – darauf hat Frau Tzavela gerade hingewiesen – total unberücksichtigt lässt. Aber das macht ja nichts, Hauptsache, es wird etwas vorgelegt, das nur aus einer einzigen Sichtweise betrieben worden ist. Das ist überhaupt nicht akzeptabel. Und im Übrigen, die Konsequenz zu ziehen, ein Moratorium auszusprechen, ist ein gelungener Beitrag dazu, den Industriestandort Europa nach vorn zu bringen.

Also, meine Damen und Herren, so kann man damit doch nicht umgehen! Ich bedanke mich, dass ich das vortragen durfte. Immerhin durfte man hier reden. An der Entschließung war man ja als Ausschuss nicht beteiligt.

 
  
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  Pavel Poc (S&D). (CS) Bei der Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon handelte es sich ganz eindeutig um eine große Katastrophe. Sie war sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für Europa eine Warnung. Eine Warnung haben wir jedoch übersehen. Zur gleichen Zeit als der ENVI-Ausschuss über Deepwater Horizon im Golf von Mexiko diskutierte, floss Öl aus der Bohrplattform Jebel al-Zayt, die sich ein paar Kilometer vor der ägyptischen Küste befindet, und von diesem Leck haben wir erst durch Touristen erfahren. Wir haben davon noch nicht einmal etwas aus den Massenmedien erfahren, und als ich einen Vertreter der Kommission während einer Sitzung des ENVI-Ausschusses fragte, ob er Informationen zu dieser eher kleinen, aber dennoch sich in der Nähe befindlichen Katastrophe, oder vielmehr diesem Ölleck, habe, hatte er keine. Niemand hatte diese Informationen. Daher möchte ich neben den anderen Themen, die die Kolleginnen und Kollegen hier erörtert haben, noch etwas erwähnen, nämlich, dass es stets notwendig ist, über rechtzeitige und hochwertige Informationen zu verfügen, die nicht aus politischen Gründen falsch berichtet werden, wie es der Fall war, als die ägyptische Regierung falsch über das Ölleck in Jebel al-Zayt berichtet hat.

Meiner Ansicht nach ist ein Moratorium eine der denkbaren Lösungen, wobei wir die Energiewirtschaft natürlich nicht untersagen und einschränken können, wenn sie uns mit dem versorgen soll, was wir benötigen. Da die Standards der Europäischen Union in der Nordsee sehr hoch sind, diese jedoch im Schwarzen Meer nicht angewendet werden, ist es erforderlich, über vereinheitlichte Sicherheitsstandards zu verfügen. Eine derart unterschiedliche Herangehensweise ist nicht hinnehmbar, und wir müssen sicherstellen, dass es vereinheitlichte Sicherheitsstandards zum Schutz der gesamten europäischen Küstenlinie gibt.

 
  
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  Gerben-Jan Gerbrandy (ALDE).(NL) Frau Präsidentin, die Umstände im Golf von Mexiko sind mit denen in unseren Gewässern natürlich nicht vergleichbar, aber es freut mich, dass die Europäische Union dennoch die Gelegenheit zur Überprüfung ihrer eigenen Rechtsvorschriften ergriffen hat. Das ist in der Tat dringend erforderlich.

Meiner Meinung nach gibt es zwei sehr wichtige Elemente. Das erste ist das der Kontrollen. Darüber haben mehrere meiner Kolleginnen und Kollegen gesprochen. Diese Kontrollen sind von entscheidender Bedeutung. In meinen Augen bei weitem noch wichtiger ist das Element der Haftung; und um ehrlich zu sein, war ich schockiert zu erfahren, dass diese sogar in unseren europäischen Gewässern nicht gut organisiert ist. Warum ist die Haftung so wichtig? Eine vernünftige Regulierung wäre eine hervorragenden Zwangsmaßnahme, um Ölfirmen dazu zu bewegen, vornehmlich selbst eine Vielzahl von Maßnahmen zur Minderung der Risiken zu ergreifen. Aus diesem Grund befürworte ich vehement, dass keine neue Lizenzen vergeben werden, bis diese Haftung reguliert worden ist.

 
  
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  Bas Eickhout (Verts/ALE).(NL) Frau Präsidentin, ich möchte insbesondere auf meine Kollegen Herrn Stevenson und Herrn Reul eingehen, die erklären, der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit habe zu schnell reagiert. Seien wir doch ehrlich; diese Katastrophe geschah vor fünf Monaten, und Europa legt erst jetzt eine Entschließung vor: Das ist keinesfalls zu schnell. Im Ausschuss für Umwelt arbeiten wir schon seit langem daran.

Ich möchte außerdem der Kommission herzlich danken, da sie Eigeninitiative gezeigt hat und zugegeben hat, dass die Rechtsvorschriften zur Haftung nicht eindeutig sind und dass es zwischen den europäischen und den nationalen Rechtsvorschriften ganz einfach Lücken gibt. Diese Dinge werden nicht richtig reguliert. Solange wir nicht wissen, dass dieser Bereich richtig reguliert wird, müssen wir einfach alle neuen Tiefseebohrungen unterbinden. Dieses Moratorium würde nicht für den gesamten Sektor gelten, sondern nur für neue Tiefseebohrungen. Das ist keine Überreaktion; das ist eine sehr besonnene Reaktion. Wir sind uns auch darüber bewusst, dass im Golf von Mexiko noch Untersuchungen laufen, um herauszufinden, was schiefgelaufen ist. Dies muss ans Licht gebracht werden, und bis dahin sollte es keine neuen Aktivitäten geben.

 
  
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  Konrad Szymański (ECR).(PL) Frau Präsidentin, Katastrophen und sehr spektakuläre Ereignisse wie das Leck im Golf von Mexiko sind sehr oft der Anstoß für allgemeine Politikwechsel und große Pläne für Regulierungsreformen. Ein Handeln, das jedoch von Gefühlen geleitet wird, ist nicht immer rational, weswegen ich bei der Verhängung neuer Verpflichtungen für Unternehmen um große Vorsicht und Sorgfalt bitten würde, sei es im Bereich der Versicherungen, Umweltstandards oder Sicherheitsstandards, da diese Standards in der Europäischen Union auf jeden Fall die höchsten weltweit sind. In diesem Bereich der Gesetzgebung befinden wir uns in unterschiedlichen Entwicklungsphasen.

Die einzige Folge einer derartigen Hyperregulierung kann in einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit Europas und einer stärkeren Position der Förderindustrie überall außerhalb der Europäischen Union bestehen. Im Fall eines Moratoriums für Offshore-Bohrungen ist die Lage ähnlich – ein derartiges Moratorium wird zu Auswirkungen führen, die höchst wahrscheinlich im völligen Gegensatz zu den beabsichtigten stehen. Ein Moratorium hat zur Folge, dass mehr Schiffe die europäischen Küsten ansteuern und somit dass weitere Gefahren für die Umwelt entstehen. Darum bitte ich in beiden Fällen – im Fall der Rechtsvorschriften und im Fall des Moratoriums – um große Vorsicht.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE).(PL) Frau Präsidentin, dies ist nun schon die dritte Aussprache im Europäischen Parlament, die die große Bedeutung zeigt, die wir der Sicherheit der Förderung von Rohöl in europäischen Meeren beimessen. Wir wollen nicht, dass eine derartige Katastrophe, wie sie sich im Golf von Mexiko abgespielt hat, an den Küsten unseres Kontinents möglich ist. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es 175 Betriebsstörungen der Bohrplattformen in der Nordsee, von denen acht als sehr ernsthafte Zwischenfälle bezeichnet wurden. In 32 Fällen wurde der Betrieb dieser Anlagen angehalten. Ein weiteres Problem ist, dass diese Plattformen erheblich abgenutzt sind. Von 103 Plattformen, die Anfang der 1970er in der Nordsee in Betrieb gegangen sind, werden 44 in fünf Jahren den sogenannten technischen Tod erreicht haben, und 26 haben die zulässige Nutzungsdauer bereits überschritten und dennoch eine Verlängerung der Erlaubnis zur Ölförderung erhalten.

In den vergangenen 30 Jahren haben die Anlagen zudem die Eigentümer gewechselt und die neuen Betreiber haben im Hinblick auf die Sicherheit nicht unbedingt die gleiche Förderungskultur. Der Druck, die Förderung auf ein Maximum zu bringen, geht mit den Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit oder der richtigen Risikobewertung nicht Hand in Hand. Darum unterstützen wir die Arbeit des Kommissars, der das Ziel verfolgt, eine gründliche Analyse der Rechtsvorschriften zur Ölförderung in europäischen Meeren durchzuführen und, falls erforderlich, neue und unbedingt notwendige Vorschriften einzuführen, um die sich aus der Ölförderung im Meer ergebenden Gefahren abzudecken und die Haftungsgrundsätze im Fall von zu Verschmutzungen mit Rohöl führenden Unfällen zu verschärfen.

Es ist von entscheidender Bedeutung, die höchsten Sicherheitsstandards für Tiefseebohrungen in europäischen Meeren festzulegen und sie für alle in europäischen territorialen Gewässern tätigen Gruppen geltend zu machen. Dies muss auch für Unternehmen gelten, die ihren Hauptsitz außerhalb der Europäischen Union haben. Wenn zum Beispiel Förderungen von Lagerstätten in der Arktis von Norwegen und Russland durchgeführt werden, dürfen wir es nicht zulassen, dass eines dieser Länder eine Technik einsetzt, die nicht höchsten Sicherheitsstandards unterliegen, wie sie Unternehmen nutzen, die zur europäischen Union gehören.

 
  
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  George Lyon (ALDE). – Frau Präsidentin, wie schon viele andere Vorredner erklärt haben, war die Katastrophe im Golf von Mexiko ein Weckruf für die Industrie.

Ich habe jedoch aufmerksam zugehört, was der Herr Kommissar bei seiner Einführung und seinen Bemerkungen gesagt hat, und ich stimme den von ihm gemachten Verpflichtungen zu, dass wir Standards verbessern müssen, dass wir die Qualität verbessern müssen und dass wir gewährleisten müssen, dass die EU in diesem Bereich führend sein kann und wir unsere Sicherheitssysteme in die ganze Welt exportieren können und sicherstellen, dass sich andere anschließen. Zudem begrüße ich, dass er in seinem Redebeitrag anerkannt hat, dass das Vereinigte Königreich und Norwegen in der Nordsee bereits unter den höchsten weltweiten Standards tätig sind.

Wir in Schottland hatten bereits eine Katastrophe in der Nordsee – mit der Piper Alpha-Katastrophe vor über 20 Jahren, bei der über 100 Menschen ums Leben kamen. Dies führte zu einer großangelegten Überprüfung der Sicherheitsstandards, aus der die sehr hohen Standards resultierten, über die wir heute verfügen.

Ich unterstütze vieles von dem, was in der heute eingebrachten Anfrage von Jo Leinen steht, aber ich bin nicht der Überzeugung, dass die unbegrenzte Forderung nach einem Moratorium angemessen ist und eine vernünftige Reaktion auf die Herausforderung darstellt, vor der wir stehen. Ich hoffe, dass es sich das Parlament zweimal überlegt, ob es so weit geht.

 
  
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  Zbigniew Ziobro (ECR).(PL) Frau Präsidentin, es besteht kein Zweifel daran, dass die Sicherheit der Förderung und des Transports von natürlichen Rohstoffen von der Europäischen Kommission überwacht werden sollte. Neben optimalen Sicherheitsstandards sollte ein weiteres Schwerpunktthema sein, dass die Unternehmen, die Rohstoffe fördern und transportieren, auf Notsituationen vorbereitet sein müssen, welche Umweltverschmutzungen in großem Umfang verursachen können. Die notwendigen Finanzmittel dürfen wir auch nicht außer Acht lassen, welche von den Firmen zur Seite gelegt werden sollten, die diese Art wirtschaftlicher Aktivität betreiben.

Schon bald wird eine Gaspipeline in Betrieb genommen werden, mit der riesige Mengen an Gas entlang des Meeresbodens der Ostsee gepumpt werden. Ich halte dies für die perfekte Gelegenheit, um zu fragen, ob die Europäische Kommission alles getan hat, um die Interessen der Millionen Europäerinnen und Europäer zu schützen, die an der Ostseeküste leben und die zu Opfern einer Umweltkatastrophe noch nie gesehenen Ausmaßes als Folge einer Explosion oder eines Lecks dieser Gaspipeline werden könnten. Es sollte zudem daran erinnert werden, dass eine vor zwei Jahren verfasste Entschließung des Europäischen Parlaments über die Vorbereitung auf die ökologischen Auswirkungen dieser Investition vollkommen ignoriert worden ist, und die Investition nun im Gange ist. Was wird die Europäische Kommission in dieser Angelegenheit unternehmen, damit wir die verschwendete Zeit im Fall einer Katastrophe nicht bereuen werden?

 
  
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  Catherine Soullie (PPE).(FR) Frau Präsidentin, das Ausmaß der Katastrophe im Golf von Mexiko ist eindeutig so groß, dass wir uns als politische Vertreter der EU Fragen über die Sicherheit unserer eigenen Ölanlagen stellen müssen. Die Gewährleistung, dass Anlagen zur Ölerschließung so sicher wie möglich sind, ist nämlich einer der Schlüssel zum Schutz der Meeresumwelt.

Dennoch ist der Gedanke eines Moratoriums für derzeitige und zukünftige Ölbohrungen in unseren Gewässern eindeutig verfrüht und unangemessen. Er ist verfrüht, weil das Ergebnis der Untersuchung der Katastrophe im Golf von Mexiko noch nicht bekannt ist und einige vorläufige Schlussfolgerungen bestätigen, dass die Ursachen dafür in verhaltensbedingten, organisatorischen und technischen Fehlern lag. Er ist unangemessen, weil − wie schon mehrfach erklärt worden ist − in der Nordsee, im Mittelmeer und im Golf von Mexiko unterschiedliche Vorschriften gelten.

Lohnt es sich, hier auf die ernsthaften wirtschaftlichen und sozialen Folgen hinzuweisen, die ein Moratorium mit sich bringen würde, und nicht zu vergessen, wie es unsere Unabhängigkeit im Energiebereich gefährden könnte?

In der vergangenen Woche haben Norwegen und Russland einen 40 Jahre währenden Streit und ein 30-jähriges Moratorium beendet, indem sie den Grundsatz einer gemeinsamen Meeresgrenze in der Barentssee und der Arktis bestätigt haben. In der Praxis wird diese Vereinbarung dazu führen, dass diese beiden Länder sich ein Gebiet teilen, das reich an Kohlenwasserstoff ist. Wie kann die Exekutive der EU dann gleichzeitig die Forderung in Betracht ziehen, dass diese Ölaktivitäten ausgesetzt werden und dass sich diese Länder freiwillig in eine aus energiepolitischer und wirtschaftlicher Sicht schwächere Position begeben?

 
  
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  Mirosław Piotrowski (ECR).(PL) Frau Präsidentin, die noch nie zuvor gesehene Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko sollte die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu bringen, eine genaue Überwachung der Bohrplattformen in den Gewässern durchzuführen, in denen Rohöl gefördert wird. Wir erleben sogar, dass Vorschläge zur Einführung eines Moratoriums für neue Bohrungen eingebracht werden, bis das Risiko einer Umweltgefährdung ausgeschlossen worden ist. Diese Vorschläge basieren auf der Annahme, dass eine Umweltkatastrophe in einem Meeresbecken auch alle anderen betreffen würde, da sie keine Grenzen haben.

Eine derartige Herangehensweise steht in Einklang mit der vor zwei Jahren durch das Europäische Parlament angenommenen Entschließung über die Umweltrisiken für die Ostsee in Zusammenhang mit dem Nord Stream-Projekt. Wir hoffen, dass die Europäische Kommission in Bezug auf die Gasinvestitionen auf dem Meeresgrund der Ostsee eine gleichermaßen entschiedene und vernünftige Herangehensweise wählen wird und dass sie dabei von allen verfügbaren Instrumenten Gebrauch machen wird. Es lohnt sich auch, in Betracht zu ziehen, ob nicht auch alternative Technologien unterstützt werden sollten, wie die Förderung von Schiefergas.

 
  
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  János Áder (PPE). (HU) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben sehr viel über diese Ölkatastrophe gehört und wir alle haben die schockierenden Bilder auf unseren Fernsehbildschirmen gesehen. Wussten Sie jedoch, meine Damen und Herren, dass in den vergangenen Jahren 97 %, ich wiederhole 97 % der absichtlichen Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen amerikanischer Ölunternehmen von British Petroleum begangen wurden? Wussten Sie, dass in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Unfälle von diesem Unternehmen verursacht wurden? Ist Ihnen bewusst, dass British Petroleum seinen Etat für Sicherheit und Wartung erheblich gesenkt hat, um die Gewinne konstant zu halten? Auch das hat eine Rolle bei der stetig steigenden Zahl der Unfälle gespielt.

Frau Lepage erwähnte gerade, dass es das Wichtigste ist, Katastrophen vorherzusehen und zu verhindern. Wir alle wissen, dass Prävention das Wichtigste ist. Da hat sie Recht. Ich denke jedoch, dass die amerikanische Katastrophe im Golf von Mexiko genau wie andere Industrie- oder Naturkatastrophen der vergangenen Jahre oder das katastrophale Ereignis vorgestern in Ungarn eindeutig beweisen, dass natürliche und industrielle Katastrophen überall und jederzeit geschehen können. Darum glaube ich, dass Schadenersatz sowie eine schnelle und effektive Schadensregulierung sehr wichtig sind.

Wir reden viel über extreme Wetterbedingungen und ihre Folgen und Risiken, und wie sie das Risiko von Natur- und Industriekatastrophen erhöhen können. Ich denke, dass das zutrifft, und wenn es zutrifft, müssen wir weiterdenken. Außerdem müssen wir die Warnsignale wie die Katastrophe in Ungarn vor zwei Tagen oder die Katastrophe im Golf von Mexiko im Frühjahr beachten. Daher schlage ich meinen Kolleginnen und Kollegen und dem Parlament vor, dass wir einen europäischen Katastrophenfonds für eine wirksame Schadensregulierung einrichten.

 
  
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  Romana Jordan Cizelj (PPE).(SL) Die Katastrophe im Golf von Mexiko ist erschreckend. Sie hat mangelhafte Sicherheitsstandards und Unzulänglichkeiten der nach der Ölpest ergriffenen Maßnahmen aufgezeigt. Obwohl dies in den Vereinigten Staaten geschehen ist, d. h. unter amerikanischen regulatorischen Anforderungen und Standards, müssen wir alle daraus Lehren ziehen und vergleichbare Unfälle vermeiden.

Dabei müssen wir jedoch berücksichtigen, wie die tatsächliche Lage hier aussieht. Soweit mir bekannt ist, gibt es in der europäischen Gesetzgebung bereits Mechanismen, um ähnliche Unfälle in der Union zu verhindern, da sie strikter und fordernder sind als die entsprechenden amerikanischen Gesetze.

Daher würde ich behaupten, dass wir in der Union keinen Grund zur Eile haben. Wir sollten uns Zeit lassen und eine tiefgreifende Expertenanalyse der Ursachen und Folgen der Katastrophe im Golf von Mexiko durchführen. Dann können wir auf dieser Grundlage neue Anforderungen und Maßnahmen formulieren. Einige der Formulierungen in der Entschließung, die ein Gefühl von Panik erzeugen, stören mich, wie „so früh wie möglich“, und ich bin auch gegen ein Moratorium für die Ölförderung. Andererseits stimme ich zu, dass wir gewährleisten müssen, dass wir unsere Gesetze gemäß den höchsten Standards umsetzen und dass wir im Fall eines Unfalls eine gerechte Entschädigung anbieten.

Vor allem müssen wir auch außerhalb unserer Grenzen tätig werden. Es spielt keine Rolle, welches Meer verschmutzt worden ist; ein amerikanisches, ein europäisches oder irgendein anderes Meer. In derartigen Fällen wird die Welt als Ganzes weiter verschmutzt, Tiere und Pflanzen werden sterben und Menschen werden aufgrund der Umweltbelastung leiden. Darum müssen wir das Schwierigste überhaupt tun, nämlich hohe internationale Standards erreichen und nicht nur die Vorschriften innerhalb der europäischen Grenzen verschärfen.

Umgekehrt denke ich, dass wir bei dem Unfall in Ungarn dringend tätig werden müssen, da er innerhalb unserer Grenzen stattgefunden hat. Wir brauchen dringend Antworten auf die Fragen, was diese dickflüssige rote Substanz ist – ist sie wirklich gesundheitsgefährdend? Stimmt es wirklich, dass sie nicht in dem Verzeichnis gefährlicher Abfälle der EU auftaucht? Und wie sollten wir vergleichbare Unfälle verhindern?

 
  
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  Radvilė Morkūnaitė-Mikulėnienė (PPE).(LT) Zunächst möchte ich den Kolleginnen und Kollegen danken, die zu dem Entwurf dieser Entschließung beigetragen haben, und ich möchte auch dem Mitglied der Kommission danken, das uns mit seiner heutigen Ankündigung der Maßnahmen, die die Kommission ergreifen will, viel Hoffnung und Freude bereitet hat. Und tatsächlich, Befürchtungen, dass die Entschließung überstürzt ist und vielleicht nicht genug geforscht wurde ... ich denke dennoch, dass sie die Stimme des Europäischen Parlaments und eine Botschaft an die Gesellschaft, den Rat und die Kommission darstellt.

Seit dem Unfall ist nun schon einige Zeit vergangen und es ist wichtig, dass sich nun wenigstens das Europäische Parlament Gehör verschafft. Wie auch andere hier erklärt haben, halte ich es für wichtig, die derzeit gültigen Rechtsvorschriften in der Europäischen Union und die Rechtsvorschriften in Bezug auf Sicherheits- und Qualitätsstandards zu überprüfen. Tatsächlich reden wir nicht von der Stoppung der Ölerschließung als Ganzes, sondern einfach über die Überwachung der Lage und die Festlegung, welche weiteren Maßnahmen zur Verhinderung einer Wiederholung eines Unfalls und einer Katastrophe wie im Golf von Mexiko ergriffen werden müssen.

Ich persönlich bin über die Bestimmungen in dieser Entschließung zu der Verantwortung von Drittländern sehr erfreut. Die Europäische Kommission und die Europäische Union sollten den Dialog mit Drittländern im Hinblick auf bestimmte Energieinfrastrukturprojekte generell stärken. Das bezieht sich nicht nur unbedingt auf die Ostsee und Ölplattformen oder die Nord Stream-Gaspipeline, sondern auch auf das Schwarze Meer, das Mittelmeer und Konfliktsituationen mit Nordafrika. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass Drittländer in diese Entschließung mit einbezogen werden.

 
  
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  Jolanta Emilia Hibner (PPE).(PL) Frau Präsidentin, die Erfahrung, die wir aus den Ereignissen der vergangenen Monate erlangt haben, und unsere Sorge über die komplizierte Lage auf dem Kraftstoffmarkt, die eine Folge der Katastrophe im Golf von Mexiko ist, sollten uns zu wirksamen und entschiedenen Schritten hin zum Schutz der Umwelt und vor allem zur Verhinderung ähnlicher Katastrophen in der Zukunft antreiben. Alle Anstrengungen sollten darauf ausgerichtet sein, die Sicherheit der Rohölförderung zu erhöhen.

Die Experten versuchen, uns davon zu überzeugen, dass die richtigen Präventionsmaßnahmen dazu führen, dass die Ölunternehmen relativ wenige Unfälle haben – ja, das ist richtig. Die Tatsachen jedoch, dass Verfahren ignoriert werden und dass Einsparungen auf Kosten der Sicherheit durchgeführt werden, bedeutet, dass ähnliche Katastrophen wie im Golf von Mexiko in der Zukunft auch in Europa geschehen könnten.

Weltweit sind derzeit etwa 1600 Bohrplattformen in Betrieb, und diese Zahl steigt ständig. Weiterhin werden neue, noch größere und leistungsstärkere Ölbrunnen und Bohrplattformen eröffnet. Die Förderung erreicht immer tiefere Teile des Meeresbeckens in immer weiter von den Küsten entfernten Bereichen. Daher nimmt die Bedeutung der klassischen Ölbrunnen ab, während die der Bohrplattformen steigt. Eine Debatte über die Sicherheit der Förderung ist unvermeidlich und ein Vergleich der theoretischen Sicherheitsstandards mit denen, die tatsächlich angewendet werden, könnte sich als überraschend erweisen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Ölfirmen zusätzlichen Restriktionen zu unterwerfen und neue Vorschriften zur Verbesserung der Sicherheit einzuführen. Ich weiß, dass einige Länder bereits auf eigene Initiative mit der Kontrolle der Bohrplattformen begonnen haben. Die ersten Kontrollen haben bereits gewisse Verletzungen von Sicherheitsnormen enthüllt. Es hat sich herausgestellt, dass viele Plattformen in der Nordsee unter Verletzung grundlegender Sicherheitsregeln betrieben wurden.

Ich denke, dass sofort Vorbeugungsmaßnahmen eingeleitet werden sollten und Bohrplattformen und alle Anlagen, in denen natürliche Ressourcen aus dem Meeresbecken gefördert werden, geeigneten Vorschriften und Aufsichten unterworfen werden sollten. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass neue Sicherheitsstandards und -grundsätze eingeführt werden, die von allen Gruppen, die an der Förderung von Rohöl beteiligt sind und gemeinsam dafür verantwortlich sind, befolgt werden. Der Besitz einer gültigen Zertifizierung ist eine wesentliche Voraussetzung.

 
  
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  Gaston Franco (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Europa stellt sich ganz zu Recht die Frage, ob eine wie im Golf von Mexiko geschehene Katastrophe in unseren Gewässern geschehen könnte.

Seit Ölpesten in der Vergangenheit mehrere Male unsere Küsten zerstört haben und einen bleibenden Eindruck auf uns hinterlassen haben, glauben wir ganz zu Recht, dass die Bewahrung und der Schutz des marinen Ökosystems, der Artenvielfalt und der Wirtschaftssektoren der Fischerei und des Tourismus von erheblicher Bedeutung sind. Wir müssen jedoch einen kühlen Kopf bewahren und der Versuchung widerstehen, eine extreme Position einzunehmen, welche die Einführung eines Moratoriums für weitere Tiefseeölbohrungen darstellen würde.

Zunächst, weil wir sehr strenge Sicherheitsstandards für die Förderung und Erschließung in Europa haben. Außerdem haben die nationalen Regulierungsbehörden und die Ölunternehmen in Europa selbst zugesagt, die Regeln und Verfahren für Förderung und Sicherheit zu ändern, wenn das Ergebnis der Untersuchung in den USA dies erfordert.

Zweitens, wäre es angesichts unseres Bedarfs an Energieunabhängigkeit aus geostrategischer Sicht höchst riskant, unsere Bohrtätigkeiten in der Nordsee aufzugeben. Schließlich gefährden wir die Zukunft unserer Erdölindustrie, wenn wir ihre Aktivitäten zur Erschließung und Förderung stilllegen. Wie könnten wir die sich daraus ergebende Auswirkung auf das Beschäftigungswachstum in einer Zeit der Krise rechtfertigen?

 
  
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  Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin, ich glaube, wir alle waren über die täglichen Verpestungen im Golf von Mexiko und dem daraus entstandenen Schaden für die Umwelt schockiert. Es ist richtig, dass wir dieses Thema als Folge dessen hier erörtern sollten, um Wege zu finden, um zu gewährleisten, dass dies nicht noch einmal geschieht.

Ich denke, ein paar Punkte kommen einem spontan in den Sinn. Der erste ist, dass die Sicherheitsstandards, die wir haben, rigoros angewendet werden müssen, damit Unfälle verhindert und nicht bewältigt werden müssen, wobei es derzeit sicherlich gute Standards gibt, die überall gelten müssen.

Zweitens stimme ich dem Herrn Kommissar vollkommen zu, wenn er sagt, dass wir unsere Sicherheitsstandards in der ganzen Welt verbreiten müssen, denn wenn etwas im Golf von Mexiko oder sonst wo geschieht, sind wir gegen die negativen Auswirkungen nicht immun. Man kann um die europäischen Gewässer keinen Eisernen Vorhang errichten und sagen, dass nichts passieren wird, wenn wir uns selbst an die Standards halten. Eine weltweite Vereinbarung in dieser Hinsicht ist also dringend erforderlich. Außerdem brauchen wir einen Fonds für Katastrophenmanagement. Das ist schon angesprochen worden und ich stimme dem zu.

Einige haben über ein Moratorium gesprochen und zu diesem Zeitpunkt scheint mir das sicherlich keine gangbare Option zu sein, denn wenn wir dies tun, besteht die große Gefahr, dass wir wie ein reicher Mann werden, der beschließt, sein ganzes Geld zu verschenken und schließlich bei denjenigen betteln muss, denen er sein Geld gegeben hat. Wir wären in der gleichen Lage, da andere Länder die Exploration wie bisher ohne den Einsatz der rigorosen Standards fortsetzen, die wir anwenden würden.

 
  
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  Maria Da Graça Carvalho (PPE).(PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, nach der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko, ist es wichtig, dass die EU gewährleistet, dass ihre Küsten durch ihre Kapazität zur Verhinderung und Reaktion auf diese Art von Problem geschützt sind. Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), mit Sitz in Lissabon, bietet im Bereich der Sicherheit und des maritimen Schutzes Hilfe und technische Unterstützung für durch Schiffe verursachte Umweltbelastungen.

Im Juni dieses Jahres habe ich einen schriftlichen Vorschlag an die Kommissare Oettinger, Kallas und Georgieva zur Erweiterung der Befugnisse der EMSA eingereicht, um Mechanismen zur Überwachung der Sicherheit auf europäischen Ölplattformen zu schaffen und Umweltkatastrophen zu verhindern. Dieser Vorschlag würde in Bezug auf die finanziellen, personellen und technischen Ressourcen mehr Wirtschaftlichkeit bedeuten. Ich begrüße die Antwort der Kommissare, die sich dafür offen gezeigt haben, eine Überprüfung der EMSA-Verordnung in Betracht zu ziehen, um deren Befugnisse zu erweitern.

Ich fordere die Kommission nochmals auf, dieses Problem zu analysieren, und die Befugnisse der in Lissabon ansässigen Agentur zu erweitern, um einen wirksamen Schutz der europäischen Küsten zu gewährleisten.

 
  
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  Diana Wallis (ALDE). – Frau Präsidentin, Katastrophen wie diese sollten uns nachdenklich machen. Ich muss dabei an die Arktis denken, ein Gebiet, in dem die EU zwar keine direkte Zuständigkeit hat, aber viel Einfluss.

Herr Kommissar, Sie haben ganz richtig gesagt, dass Unternehmen der EU, die außerhalb der EU tätig sind, die Standards der EU exportieren sollten. Ich hoffe, dass dies in Bezug auf das Gebiet der Arktis der Fall sein wird. Es ist viel herausfordernder und rauer als die Nordsee und für mich ist es ein Rätsel. Wir als Europäer verfechten eine Loslösung von der auf Öl basierenden Wirtschaft und wir verfechten erneuerbare Energien. Indirekt ermutigen wir jedoch die Ölförderung in den verletzlichsten und anfälligsten Teilen unseres Globus, wo es schreckliche Folgen geben könnte. Vielleicht sollten wir ganz genau darüber nachdenken, was in der Arktis geschieht.

 
  
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  Kriton Arsenis (S&D).(EL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich stimme dem, was bisher in diesem Plenum in Bezug auf den korporativen Protektionismus gesagt worden ist, nicht zu. China veranstaltet derzeit ein Wettrennen, indem es Maßnahmen ergreift, indem es die notwendigen Vorkehrungen trifft, indem es einen Fünf-Jahresplan dazu vorbereitet, wie es seine Industrie verändern will, indem es umweltverschmutzende Industrien schließt, weil es mit uns auf einem riesigen Markt konkurriert, dem 13 Mrd. USD Markt für saubere Energie. Das ist eine Herausforderung, auf die wir nicht mit Protektionismus reagieren dürfen, sondern mit mutigen Maßnahmen.

Herr Kommissar, ja, Sie sollten mit dem Moratorium fortfahren, welches dauerhaft sein wird, nicht vorübergehend, und das ein neuer Schritt hin zu sauberer Energie sein wird. Außerdem, Herr Kommissar, müssen wir uns die ökologische Verantwortung anschauen, auf die Sie und andere Abgeordnete sich bezogen haben, und zu der auch die gesamte ausschließliche Wirtschaftszone gehört, da es diese Zone ist, in der die Unternehmen arbeiten.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT) Wir müssen aus der Ölverpestung im Golf von Mexiko und der daraus entstandenen Umweltkatastrophe Lehren ziehen. Zu diesen Lehren wird sicherlich eine forderndere, rigorosere und regelmäßigere Überwachung der Sicherheitsbedingungen auf ähnlichen Anlagen in Europa gehören, aber sie müssen noch viel weiter gehen. Die Alarmglocken läuten und dürfen nicht überhört werden. Heute sind die Grenzen der Ölreserven der Welt hinreichend bekannt. Neben der Energie gibt es noch viele Dinge, aufgrund derer die Menschheit sehr – zu sehr – von diesen Reserven abhängig ist. Daher müssen diese Reserven äußerst klug verwaltet werden, was vor allem bedeutet, dass sie sehr sparsam verwendet werden sollten.

Wir haben dieses Plenum bereits auf die Bedeutung eines Plans aufmerksam gemacht, der das Ziel hat, diese Ressourcen gut und gerecht zu verwalten, ihre zunehmende Knappheit abzuschwächen und sich auf kontrollierte Weise anderen Quellen für Primärenergien zu nähern. Ich spreche von dem im Jahr 2002 in Uppsala und im Jahr 2005 in Lissabon von einem Gremium von Spezialisten für das Ölfördermaximum vorgeschlagenen „Oil Depletion“-Protokoll.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Frau Präsidentin! Wenn wir aus der Ölkrise eines gelernt haben, dann das, dass sich in Zeiten hoher Ölpreise die Erschließung schwer erreichbarer Ölfelder und die Förderung unter widrigsten Bedingungen, etwa in immer noch größerer Tiefe, zu lohnen beginnt. Unter der Annahme, dass die Experten mit ihrer Prognose massiv steigender Erdölpreise Recht haben, ist davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit noch riskantere Ölexplorationen in Angriff genommen werden.

Obwohl es entsprechend internationaler Übereinkommen nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko angebracht gewesen wäre, die Sicherheitsvorkehrungen für Ölförderungen jenseits von 200 m Tiefe zu verstärken, konnten sich bekanntlich die Anrainerstaaten des Nordostatlantiks nicht einigen. Dabei sind die Tiefenverhältnisse des betroffenen Gebiets und die Risiken mit jenen im Golf von Mexiko durchaus vergleichbar. Eine Verbesserung der Sicherheitsstandards und die Absicherung der finanziellen Haftung sind in Angriff zu nehmen. Dies umso mehr, da die Kommission offenbar ein CO2-Pipelinenetz plant und Emissionen aus Europas Kraftwerken an die Ölindustrie in der Nordsee verkaufen will. Wir haben noch nicht einmal die Entsorgung der Atomabfälle im Griff, obgleich diese Technologie seit Jahrzehnten angewendet wird, und jetzt soll auf einmal gefährliches Treibhausgas in der Nordsee entsorgt werden. Es ist also meines Erachtens höchste Zeit, sich über Sicherheitsbestimmungen Gedanken zu machen.

 
  
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  Kyriakos Mavronikolas (S&D).(EL) Frau Präsidentin, die allgemeine Wahrnehmung ist, dass diese Art von Unfall, wie der kürzlich eingetretene und wie eine Reihe von ähnlichen Unfällen davor, uns und insbesondere den Herrn Berichterstatter, dem ich gratuliere, auf die Notwendigkeit bestimmter Vorkehrungen in Verbindung mit der Zukunft all dieser Förderungen aufmerksam machen, die derzeit und in der Zukunft ausgeführt werden.

Es ist eine Tatsache, dass das Niveau der Kontrollen dieser Anlagen ein sehr wichtiger Faktor ist und als solcher sollten sie verstärkt und in kürzeren Intervallen durchgeführt werden. Es ist auch eine Tatsache, dass die Verantwortung aufgeteilt werden muss, und dass es möglich sein sollte, sie exklusiv aufzuteilen. Dies wird unvermeidlich zu einer Änderung des Versicherungsrechts führen und als Folge daraus wird es auch unvermeidlich dazu führen, dass sich diese Unternehmen selbst gegen alle Faktoren versichern, die in der Folge eines derartigen Unfalls Schäden verursachen können.

 
  
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  Sonia Alfano (ALDE).(IT) Frau Präsidentin, bei der Katastrophe vom April 2010 handelt es sich um eine der schwerwiegendsten Umweltkatastrophen, die es in der Welt je gegeben hat. Wenn das Gleiche in einem geschlossenen Meer wie dem Mittelmeer geschehen wäre, wäre das Leben zehntausender europäischer und nicht-europäischer Bürgerinnen und Bürger unwiderruflich beschädigt worden.

In Italien erleben wir jedoch – wie die Lega Ambiente im Hinblick auf eine schlecht durchdachte Energiepolitik angemahnt hat – einen ungewöhnlichen Anstieg der Forschungsanträge und durch das Ministerium erteilte Genehmigungen für die Identifizierung und Förderung von Ölressourcen, die nicht einmal ausreichen würden, um den italienischen Energiebedarf für ein Jahr zu decken. Es ist offensichtlich, dass die Mühen dies nicht wert sind. Das alles wird durch die Bedenken darüber verschlimmert, dass BP ein Abkommen mit Libyen über die Offshore-Förderung 500 km südlich von Sizilien angekündigt hat.

Ich hoffe, dass die Kommission sich durch diese nun bevorstehende Maßnahme verpflichtet, das Leben im Mittelmeer gegen die Angriffe der multinationalen Konzerne zu verteidigen, die daran beteiligt sind und sich nur wenig für das kollektive Wohlergehen interessieren.

 
  
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  Andrew Henry William Brons (NI). – Frau Präsidentin, die Entschließung beschäftigt sich mit dem Problem der Risiken der Tiefseebohrungen, ohne Berücksichtigung des damit zusammenhängenden Problems, dass uns leicht zugängliches Öl ausgeht.

Der Punkt, an dem wir über die Hälfte des weltweiten Vorrats aufgebraucht haben, ist vielleicht schon überschritten. Diejenigen, die Tiefseebohrungen stoppen oder verbieten wollen, müssen darlegen, wie sie einen energiereichen Ersatz für Öl finden wollen. Oder würde es ihnen gefallen, wenn zukünftige Generationen zu einer nichtindustrialisierten Gesellschaft zurückkehren?

Es gibt keinen Vergleich zwischen den Bohrrisiken in den seichten Gewässern des europäischen Kontinentalsockels und den Gewässern im Golf von Mexiko. Die Antragsteller dieser Entschließung sind ganz zu Recht entsetzt über die Umweltkosten und andere Kosten der BP-Tragödie im Golf. Sie müssen sich jedoch auch über die Kosten eines Moratoriums für Tiefseebohrungen im Klaren sein.

 
  
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  Angelika Werthmann (NI). - Frau Präsidentin! Das Unglück mit der Deepwater Horizon können wir alle leider nicht mehr rückgängig machen. Es sind daher alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass es in EU-Gewässern eine solche Umweltkatastrophe nie geben wird. Dazu sind meines Erachtens die Einhaltung dreier Punkte ein absolutes Muss: Erstens, die größte Vorsorge zu treffen, das heißt, alle Risiken der Offshore-Förderung einzukalkulieren. Zweitens, für höchste Sicherheit zu sorgen und verbindliche EU-Mindestsicherheitsvorschriften zu schaffen, und drittens, höchste Umweltschutzstandards zu garantieren.

Ich denke, es ist von größter Wichtigkeit, die Reaktionsfähigkeit auf Unfälle zu prüfen und ein gemeinsames europäisches und hoffentlich auch weltweites System zur Vermeidung von solchen Umweltkatastrophen zu schaffen.

 
  
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  Günther Oettinger, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, verehrte Vertreter der Ratspräsidentschaft! Ich möchte Ihnen Dank sagen für eine engagierte, sachkundige und sehr zahlreiche Mitwirkung an den Folgerungen und an den Maßnahmen, die zu treffen sind. Das gilt für Ihre parlamentarischen Anfragen in den letzten Wochen, die in großer Zahl von uns zu beantworten waren, und das gilt für die heutige Aussprache, die wir mit Aufmerksamkeit verfolgt haben und die wir auswerten werden und die in die Mitteilung in spätestens zwei Wochen mit einfließen wird.

Ich teile viele Vorschläge und schließe mich ihnen auch an. Zum Beispiel: Wir haben mit BP einen intensiven Gesprächskontakt, um zu erreichen – und die Chancen dafür stehen gut – dass BP nicht nur höchste Sicherheitsstandards, bessere noch als bisher, in europäischen Gewässern akzeptiert, sondern diese Standards auch exportiert, wenn ich das so sagen darf. BP wird bereit sein, bei entsprechenden Bohrungen und Plattformen vor der Küste von Libyen denselben Standard wie in der Nordsee zu garantieren, obwohl er möglicherweise nach libyschem Recht dort nicht zwingend zur Genehmigung gehört und vorgeschrieben ist.

Dann werden wir die Frage besprechen müssen, wo wir nur Vorschläge für Standards machen, die im nationalen Recht zu beachten sind, und wo wir europäisches Recht schaffen wollen. Das wird schon stärker eingeschränkt beim Thema Ölschiffe als beim Transport mobiler Art, wobei es aber bei stationären Plattformen bisher nicht vorhanden ist. Es gab einige Appelle: „Raus aus dem Öl – hin zu erneuerbarer Energie!“. Auch diese unterstützen wir. Aber machen wir uns nichts vor: Zumindest für die nächsten 20-30 Jahre wird unsere europäische Wirtschaft und Gesellschaft noch große Mengen an Öl für den Transport benötigen. Es ist in den nächsten 20-30 Jahren nicht absehbar, dass Ihr Flugzeug, mit dem Sie von Brüssel in Ihre Heimatländer – nach Madrid, nach Lissabon, nach Sofia, nach Riga oder nach München – fliegen, ohne Öl auskommt.

Wir alle als Teilnehmer einer mobilen Gesellschaft im Flugverkehr benötigen Öl, wenn Europa handlungsfähig bleiben soll. Dasselbe gilt für Überlandbusse, den Reiseverkehr; dasselbe gilt für den Transport mit Schwerlastkraftwagen, und es gilt trotz der Entwicklung elektrisch betriebener PKW noch lange Zeit für den Individualverkehr, den PKW-Verkehr. Wir haben heute in den Ländern der Europäischen Union etwas mehr als 200 Millionen zugelassene PKW. Wenn die Dichte, die in Frankreich und in Deutschland besteht, auch in Polen und in den neuen Mitgliedsländern kommen wird, werden es in 15 Jahren 300 Millionen PKW sein. Die große Mehrzahl davon wird mit Energieeffizienz, aber dennoch mit Öl betrieben werden. Das heißt, „Raus aus dem Öl – hin zu erneuerbarer Energie“ ist eine langfristige Politik, aber in den nächsten 10-30 Jahren wird der Bedarf an Öl in Europa nicht zurückgehen, sondern bei aller Effizienz entlang des Nachholbedarfs an Fahrzeugdichte eher noch leicht ansteigen. Dies gilt für die Welt in besonderem Maße ebenso.

Deswegen brauchen wir möglichst hohe Sicherheit: für die notwendige Förderung von Öl, für unsere Wirtschaft und Gesellschaft, wie dargelegt.

Wir kommen erneut auf Sie zu, ich zähle auf Ihre Unterstützung. Ich danke auch den Mitgliedstaaten, die bei dem Thema sehr konstruktiv sind. Dennoch bitte ich Sie, arbeiten Sie mit derselben Intension wie heute hier, auch gegenüber Ihren nationalen Regierungen, damit die Bereitschaft zu einer entsprechenden Gesetzgebung für höhere Standards auch im Rat einstimmig oder mit klarer Mehrheit vorankommt. Ich bin mir noch nicht bei jedem Mitgliedsland sicher, dass die Bereitschaft für europäische Standards durch Sie und durch den Rat auf Vorschlag der Kommission auch schon besteht.

 
  
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  Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident. (FR) Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen meinerseits für diese interessante Aussprache danken. Die Redebeiträge haben gelegentlich sehr unterschiedliche Standpunkte enthüllt. Ich habe gelegentlich sich diametral widersprechende Ansichten aus denselben Fraktionen gehört. Das ist äußerst aufschlussreich.

Ich möchte auf drei Punkte eingehen. Erstens, brauchen wir weitere Rechtsvorschriften, um die Sicherheit der Offshore-Industrie zu verbessern? Ich habe in meiner Rede darauf hingewiesen, dass die durchgeführte Einschätzung bisher darauf hindeutet, dass es bereits strenge Maßnahmen gibt – darauf ist bereits eingegangen worden. Die Kommission, die, wie ich Ihnen ins Gedächtnis rufen möchte, über das Monopol zur Veranlassung von Maßnahmen verfügt, stellt derzeit ihre Einschätzung fertig. Sie hat jedoch bereits darauf hingewiesen, dass erst eine bessere Überwachung und eine bessere Durchsetzung des bestehenden Regulierungsrahmens notwendig sind, wenn man eine Industrie sicherer machen will. Darum werden wir abwarten, was sie uns in diesem Bereich vorzuschlagen gedenkt.

Außerdem prüft die Kommission, wie ich heute schon einmal erklärt habe, die Instrumente der EU zur Bewältigung von Katastrophen mit der Absicht, die Sicherheit der Offshore-Industrie zu verbessern, was in diesem Bereich ein wichtiger Faktor ist. Ich möchte unter Vorwegnahme der Gesetzesvorschläge darauf hinweisen, dass dieses Thema, im Gegensatz zu dem, was einige Abgeordnete heute erklärt haben, für den Rat immer noch von Bedeutung ist. Bei dem informellen Treffen der Energieminister am 6. und 7. September forderte der Ratsvorsitz, dass die ersten Einschätzungen durchgeführt, mitgeteilt und erörtert werden.

Zum zweiten Punkt: Kann ein Moratorium gerechtfertigt sein? Diese Frage direkt zu beantworten, ist sicherlich schwierig. Wir denken auf jeden Fall, dass jede bestehende Rechtsvorschrift zunächst tatsächlich durchgesetzt werden muss. Wir nehmen außerdem zur Kenntnis, dass die Industrie anscheinend nicht warten will, bis dieser zukünftige Regulierungsrahmen festgelegt worden ist; die Industrie selbst überprüft gerade eine Reihe von sicherheitsbezogenen Maßnahmen auf präventiver und operativer Ebene.

Schließlich, muss klar sein, dass die materielle Lage in Europa eine andere ist, da der Großteil der Bohrungen im Golf von Mexiko in einer Tiefe von 1500 Metern stattfindet, wodurch es eindeutig erschwert wird, die Tätigkeiten im Fall einer Katastrophe, wie sie stattgefunden hat, einzustellen. In Europa finden die Bohrungen größtenteils in Tiefen von nicht mehr als 200 Metern statt, wodurch man mehr Spielraum hat bzw. es erleichtert wird, Maßnahmen zu ergreifen.

Schließlich, Frau Präsidentin – der Herr Kommissar hat darüber vorhin gesprochen − wird dieser Unfall die Politik der EU für Energie und erneuerbare Energien beschleunigen? Diese Politik ist natürlich schon jetzt ehrgeizig, aber wir werden die Ziele noch höher ansetzen. Diese Politik wird uns auf jeden Fall dabei helfen, unsere Abhängigkeit vom Öl zu mindern und dem allgemeinen Ziel einer kohlenstoffarmen Gesellschaft näher zu kommen. Wie der Herr Kommissar vorhin erklärt hat, werden wir jedoch nicht einfach den Zauberstab schwingen können und das Öl in den nächsten 10 Jahren loswerden. Ich bin zuversichtlich, dass die Energiestrategie 2011 - 2020, die zu Beginn des kommenden Jahres angenommen werden wird, diesen Übergang zu einer Wirtschaft ohne Öl beschleunigen wird.

 
  
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  Die Präsidentin. – Gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung wurde im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit ein Entschließungsantrag (1) eingereicht.

Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung wird am Donnerstag, dem 7. Oktober 2010, stattfinden.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Cristian Silviu Buşoi (ALDE), schriftlich.(RO) Dank der nichtlegislativen Entschließung, die mit großer Mehrheit angenommen worden ist, hat das Europäische Parlament sowohl der Kommission als auch den Ölunternehmen eine sehr klare Botschaft gesendet, insbesondere dass sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen müssen, um derzeitige Defizite in Bezug auf die Sicherheitsstandards und die Haftung in der Ölförderungsindustrie zu beseitigen. Lizenzen für Tiefseebohrungen müssen ganz genau kontrolliert werden. Für die Verhinderung von Ölteppichen, bei denen es sich um wirkliche Umweltkatastrophen handelt, die die Europäische Union nicht tolerieren kann, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich.

Angesichts dessen, dass es immer schwieriger wird, Öl zu finden, und dass potenziell gefährliche Ölförderaktivitäten in der Tiefsee zunehmen, müssen die Maßnahmen, die in der Zukunft zu ergreifen sind, generell berücksichtigt werden. Die Anstrengungen zur Förderung des Umweltschutzes müssen stetig fortgesetzt werden und die Europäische Union muss ihre Rolle beim Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger und der Natur, mit der wir alle in Einklang leben müssen, erfüllen, indem die Ölförderaktivitäten reguliert werden. Alle auftretenden Ölunfälle, auch die die bereits aufgetreten sind, hätten einen verheerenden Einfluss auf die Umwelt und sind genauso für die Fischerei und den Tourismus schadhaft. Dementsprechend muss das europäische Umwelthaftungsrecht auch den an Meeren entstandenen Schaden beinhalten.

 
  
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  Ioan Enciu (S&D), schriftlich.(RO) Ich begrüße die von meinem Kollegen, Jo Leinen, vorgebrachten Ansichten. Europa muss bei einer der größten Katastrophen des Jahrhunderts Stellung beziehen. Der Vorfall um die Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko und die großen Mengen an Öl, die in den Atlantischen Ozean ausgelaufen sind, haben jetzt und auch in Zukunft einen großen Einfluss auf das Weltklima. Der Nordatlantikstrom ist gewaltigen Temperaturveränderungen ausgesetzt, die diesen Winter zu geringeren Mindesttemperaturen in Europa führen werden. Der Rat und die Kommission müssen gewissenhaft und transparent handeln, indem sie Maßnahmen verabschieden, die die Sicherheit von Ölfördertätigkeiten sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und den Schutz vor Umweltkatastrophen in der Europäischen Union gewährleisten. Außerdem muss die Europäische Union ihre Position zum Klimawandel beibehalten und gleichzeitig die angemessene Förderung von Ölfeldern schützen und vereinfachen, um den Bedarf an fossilen Brennstoffen zu gewährleisten. Das Parlament, die Kommission und der Rat müssen zur Entwicklung eines absolut sicheren Maßnahmenplans zusammenarbeiten.

 
  
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  András Gyürk (PPE) , schriftlich.(HU) Meine Damen und Herren, ich möchte Kommissar Günther Oettinger für seine Bemühungen danken, nach dem Unfall auf der amerikanischen Ölplattform zu analysieren, ob die Vorschriften der EU ausreichend sind, um eine ähnliche Umweltkatastrophe zu verhindern. Vielleicht können wir zu dem Schluss kommen, dass die Gemeinschaftsvorschriften eher auf die Maßnahmen nach einer Katastrophe Wert legen als auf die Verhinderung.

Dieser Mangel ist durch eine schwerwiegende Umweltkatastrophe auf schmerzhafte Weise offensichtlich geworden. Am Montag ist das Auffangbecken eines ungarischen Aluminiumwerks geborsten. Der Schlamm mit seinem hochgiftigen chemischen Inhalt hat die benachbarten Felder und Dörfer überflutet. Die Katastrophe führte zu Todesfällen und könnte zu einer Kontamination des Bodens und des Wassers von noch nicht absehbaren Ausmaßen führen. Hinzu kommt noch, dass die Schwermetalle zu einer schwerwiegenden Luftverschmutzung führen könnten. Die Verantwortung fällt dem Unternehmen zu, das das Werk betreibt, aber es wird kaum dazu in der Lage sein, die unabsehbaren Schäden selbst zu ersetzen.

Die Lehre daraus ist offensichtlich. Erstens muss auf Gemeinschaftsebene sowie auf Ebene der nationalen Behörden darauf beharrt werden, dass die scheinbar strengen Vorschriften rigoros durchgesetzt werden. Zweitens müssen die entsprechenden Vorschriften verstärkt werden, indem von den Unternehmen verlangt wird, über einen angemessenen Versicherungsschutz zu verfügen, sogar für Unfälle dieses Ausmaßes. Solange wir in diesen Bereichen nicht voran kommen, werden die Kosten für Schadenersatzansprüche von unschuldigen Steuerzahlern getragen werden.

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. – Frau Präsidentin, die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko dient als eine Mahnung an die Risiken, die die maritime Ölerschließung in sich trägt. Die Untersuchungen dazu, was in den amerikanischen Gewässern schiefgelaufen ist, müssen vollständig und gründlich sein, und die EU sollte auf die Lehren achten, die daraus gezogen werden müssen. Dennoch sind die Forderungen nach einem Moratorium für alle Tiefseebohrungen in den EU-Gewässern verfrüht und vollkommen unangemessen. Die in schottischen Gewässern geltenden Vorschriften sind nicht die gleichen wie die im Golf von Mexiko geltenden und wir haben in dieser Branche jahrzehntelange Erfahrung. Auch bei der schottischen Ölerschließung hat es Zwischenfälle gegeben und die Piper Alpha-Katastrophe hat gezeigt, dass der Preis auf der Jagd nach Öl manchmal zu hoch ist. Wir haben jedoch aus der Piper Alpha-Katastrophe gelernt und die Vorschriften wurden verschärft. Falls sich aus der Katastrophe im Golf weitere Lehren ergeben, können angemessene Abänderungen vorgenommen werden. Diese Abänderungen sollten jedoch die Zuständigkeit der demokratischen Institutionen Schottlands sein – und reflexhafte Reaktionen dieses Parlaments werden wohl kaum irgendein Problem lösen.

 
  
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  Alajos Mészáros (PPE), schriftlich.(HU) Die Europäische Union muss dringend eine Strategie einführen, um zukünftige Umweltkatastrophen, wie die von BP im Golf von Mexiko verursachte Katastrophe, leicht verhindern zu können. Der Deepwater Horizon-Unfall war eine der schlimmsten Katastrophen der letzten Zeit, bei der während der gesamten Dauer des Lecks 4,4 Mrd. Barrel Rohöl in das Meer geflossen sind. Sogar die Rettungsmaßnahme war aufgrund der Schwierigkeit, welche Art von Technologie eingesetzt werden soll und wie man verfahren soll, fragwürdig. Währenddessen zerstörte das vom Meeresboden herausströmende Öl alles Leben. Nach Ansicht britischer Umweltchemiker hätten, außer der Fernhaltung des Ölteppichs von der Küste, keine weiteren Eingriffe vorgenommen werden sollen. Meeresbiologen erklärten, dass das Abbrennen einiger Ölteppiche und der Einsatz von Dispergiermitteln zur Beseitigung von Schadstoffen, der freien Natur, angesichts der relativ schnellen Zerteilung des betreffenden Öltyps, mehr schaden als die Ölpest selbst. An dieser Stelle möchte ich auch daran erinnern, was vor ein paar Tagen in Ungarn geschehen ist, als mehrere Tonnen eines ätzenden roten Schlamms die Einwohner von drei Gemeinden im Komitat Veszprém bedeckt hat, nachdem der Damm eines Auffangbeckens eines Aluminiumwerks bei Ajka geborsten war. Ich fordere die Europäische Kommission dazu auf, seitens der EU angemessene materielle Hilfe zur Verfügung zu stellen, um den Opfern dieser Katastrophe dabei zu helfen, dieses Gebiet zu säubern. Vielen Dank.

 
  
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  Daciana Octavia Sârbu (S&D), schriftlich.(RO) Es ist vollkommen unerlässlich, dass wir jede erdenkliche Maßnahme ergreifen, um zu gewährleisten, dass sich eine Katastrophe wie Deepwater Horizon in den europäischen Gewässern nicht wiederholt. Die Überprüfung der Umwelt- als auch der Gesundheits- und Sicherheitsgesetzgebung, die Tiefseebohrungen regeln, ist ein begrüßenswertes und notwendiges Verfahren. Der Rat und die Kommission müssen darauf hinarbeiten, eine Strategie zu entwickeln, mit der eine Angleichung zwischen den verschiedenen Sicherheitsniveaus in der gesamten Europäischen Union gewährleistet wird. Ansonsten werden Unstimmigkeiten zwischen den Betriebs- und Bohrstandards in den Mitgliedstaaten den Unternehmen die Möglichkeit geben, ein hohes Sicherheitsniveau nur dort zu bieten, wo sie dazu gezwungen werden. Es ist unmöglich, die menschlichen, sozialen und ökologischen Kosten der Deepwater Horizon-Katastrophe finanziell zu beziffern. Die Ölfördertätigkeiten müssen jedoch in angemessenem Maße versichert sein, um Worst-Case-Szenarios abzudecken. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Steuerzahler nicht dazu gezwungen wird, die Kosten für die Säuberungsmaßnahmen zu tragen, während die örtlichen Unternehmen und die von der Ölverpestung betroffenen Gemeinden die ihnen zustehenden Schadenersatzzahlungen erhalten.

 
  
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  Salvatore Tatarella (PPE), schriftlich.(IT) Die Deepwater Horizon-Ölpest im Golf von Mexiko muss auch Europa eine Warnung sein. Wir müssen alles Mögliche tun, um zu verhindern, dass so eine Katastrophe in unseren Gewässern stattfindet. Ich glaube, dass die heute angenommene Entschließung ein Schritt in die richtige Richtung ist, um den Schutz der Umwelt des Meeres und der Küsten zu gewährleisten. Außerdem halte ich es für unerlässlich, dass die Mitgliedstaaten alle Aspekte der Ölförderung und -erschließung in der Europäischen Union schnellstens untersuchen. Der Schutz unseres Planeten ist eine Priorität, vor allem um zukünftigen Generationen eine nachhaltige Umwelt zu gewährleisten. Darum müssen wir so schnell wie möglich strenge Rechtsvorschriften in diesem Sektor verabschieden, um die Anwendung hoher Sicherheitsstandards für alle bestehenden Ölplattformen zu gewährleisten und zukünftige Förderungen zu beschränken.

 
  

(1) Siehe Protokoll


12. Beitrag der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme zur Erreichung der Millenniumsentwicklungziele - Konferenz über die Artenvielfalt - Nagoya 2010 (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Die Präsidentin. – Der nächste Punkt ist die gemeinsame Aussprache über folgende Berichte:

– Anfrage zur mündlichen Beantwortung von Jo Leinen im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit an den Rat: Wichtigste Ziele für die Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt vom 18. bis 29. Oktober 2010 in Nagoya ((O-0111/2010 - B7-0467/2010);

– Anfrage zur mündlichen Beantwortung von Jo Leinen im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit an die Kommission: Wichtigste Ziele für die Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt vom 18. bis 29. Oktober 2010 in Nagoya (O-0112/2010 - B7-0468/2010);

– Anfrage zur mündlichen Beantwortung von Michèle Striffler im Namen des Entwicklungsausschusses an den Rat: Beitrag der biologischen Vielfalt und ihrer Ökosystemdienstleistungen zur Entwicklung und zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele (O-0107/2010 - B7-0464/2010);

– Anfrage zur mündlichen Beantwortung von Michèle Striffler im Namen des Entwicklungsausschusses an die Kommission: Beitrag der biologischen Vielfalt und ihrer Ökosystemdienstleistungen zur Entwicklung und zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele (O-0108/2010 – B7-0465/2010).

 
  
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  Karin Kadenbach, im Namen d. Verf. − Frau Präsidentin, Herr Kommissar, werte Damen und Herren! Vor einigen Tagen habe ich mit einer Gruppe Journalisten zusammengesessen, und wir haben uns über die Themen unterhalten, die mir in diesem Herbst besonders am Herzen liegen. Und eines davon ist ganz richtig die Artenvielfalt. Wie Sie wissen, findet in Nagoya bald die Artenvielfaltkonferenz statt, und ich habe die Ehre und Freude, mich als Mitglied der Parlamentarierdelegation und als Mitverfasserin der abzustimmenden Entschließung in Nagoya für die Biodiversität einzusetzen. Ich saß also mit den Journalisten zusammen, und man hat mich gefragt, warum wir uns zum Beispiel den Luxus leisten, den Biber zu retten. In meiner Heimat Niederösterreich ist es gelungen, eine vom Aussterben bedrohte Art zu retten, und sie hat sich reichlich Lebensraum genommen, was der Liebe der Bauern und der Förster dem Biber gegenüber nicht wirklich zuträglich war.

Während sich die Europäische Union und viele Behörden in den Mitgliedstaaten sehr intensiv und engagiert und unterstützt von NGO für den Artenschutz einsetzen, zeigte dieses Gespräch einmal mehr, dass für viele Menschen der Schutz und der Erhalt der Artenvielfalt eine Art Luxus ist. Die Menschen fragen sich, ob wir denn in der EU keine anderen Sorgen haben, als ein paar bedrohte Orchideen oder Tierarten zu retten. Es sei doch egal – so hört man oft – ob im Zoo 500 oder nur 499 unterschiedliche Tiere zu bestaunen sind. Für die Menschen, meine Damen und Herren, hat das Thema Artenschutz und Artenvielfalt also kaum Priorität. Und seien wir ehrlich: Das Thema Artenvielfalt ist auch auf der politischen Agenda bei Weitem nicht so prioritär wie Themen wie Wirtschaftswachstum oder Sicherheit. Das sollte es aber sein, denn wir verkennen die Tragweite dieses Themas.

Beim Thema Artenschutz, und das ist mein Punkt, geht es nicht um eine Art Wohltätigkeitsveranstaltung für ein paar arme Viecherln, auf die man dann halt verzichten muss. Das Thema Artenschutz – und verstehen Sie mich nicht falsch – ist eine Frage der Liebe zu Fauna und Flora. Aber es ist vor allem eine Frage der Sicherheit, eine Frage der Arbeitsmarktpolitik, eine Frage der Migrationspolitik. Denn was in der Diskussion um die Artenvielfalt gern vergessen wird, ist die Rolle der Tiere und Pflanzen, die sie in unserem Ökosystem einnehmen. Sie sind sogenannte Dienstleister der Natur, die unser Ökosystem am Laufen halten. Den vielen verschiedenen Arten und ihrem Zusammenspiel ist es zu verdanken, dass Küsten befestigt bleiben, Lawinen nicht abgehen und Gewässer sich selbst reinigen. Mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen wie Nahrungsbereitstellung, Kohlenstoffbindung sowie Wasserregulierung, die die Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand, soziales Wohlbefinden und Lebensqualität bilden, sei hier ein wesentliches Element der nachhaltigen Entwicklung genannt. Sterben die Arten aus, wird das natürliche Gleichgewicht gestört und damit ein gefährlicher Dominoeffekt ausgelöst. Die Dienstleistungen der Tiere und Pflanzen müssten teuer ersetzt werden. Verschiedene Regionen und Lebensräume könnten nach und nach nicht mehr bewohnt und nicht mehr nutzbar gemacht werden. Das kann zur Folge haben, dass diese Lebensräume nicht mehr die wertvollen Güter und Dienstleistungen des Ökosystems zur Verfügung stellen können. Aber nicht nur das. Weitere mögliche Folgen wie Arbeitslosigkeit, Unsicherheit oder auch Abwanderung wären unser aller Schrecken.

Der Schutz der Arten ist damit ganz klar ein politikfeldübergreifendes Thema. Zuletzt hat das auch der Entwicklungsausschuss unterstrichen, der sich bei der Erstellung der Position des Europäischen Parlaments sehr intensiv eingebracht hat. Ich möchte noch ein paar Zahlen nennen: Wie Wissenschaftler schätzen, würde das Ersetzen der natürlichen Dienstleistungen sowie die Behebung der Folgen wie Arbeitslosigkeit und Abwanderung 7 % des weltweiten Bruttoprodukts kosten. Das verwundert wenig, hört man andere Zahlen. Laut der jüngsten Studie der Europäischen Kommission sind 25 % der europäischen Tierarten vom Aussterben bedroht. Dieselbe Studie sagt auch, dass die Ökosysteme an den europäischen Küsten immer weiter zerstört werden. Bei einigen Regionen mit einer großen Artenvielfalt ist die Entwicklung ebenfalls rückläufig. Dagegen haben künstlich angelegte Flächen wie Industriegebiete, Wohnsiedlungen oder die Verkehrsinfrastruktur seit dem Jahr 1990 um 8 % zugenommen.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, herrscht zwischen den Akteuren, die in Nagoya verhandeln werden, nicht immer Einigkeit darüber, was bei der Konferenz erreicht werden soll. Die entwickelten Staaten wollen starke Ziele, die NGO wollen ambitionierte Ziele, und die Wirtschaft, wenig überraschend, begnügt sich mit realistischen Zielen. Meine Meinung ist: Die EU muss in Nagoya die Messlatte hoch anlegen und wie auch hier in Europa darauf einwirken, dass die Business Community stärker in die Pflicht zu nehmen ist, vor allem diejenigen Sektoren und Industriezweige, die in besonders großem Ausmaß biologische Ressourcen nutzen. Die EU kann sich entscheiden, ob sie ein gutes oder ein schlechtes Beispiel sein will.

Meine Damen und Herren, wir haben heuer das Jahr der Artenvielfalt, es ist bereits Oktober, und diese Nachricht hat viele Europäerinnen und Europäer noch nicht erreicht. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Artenvielfalt den Stellenwert bekommt, den sie verdient und den sie braucht, um ihre Ökodienstleistungen auch in Zukunft bieten zu können! Lassen Sie mich noch ein vielzitiertes Indianersprichwort bemühen: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.

 
  
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  Gay Mitchell, in Vertretung d. Verf. – Frau Präsidentin, ich bin dankbar dafür, dass ich bei dieser Aussprache sprechen darf.

In der vergangenen Woche war ich Vorsitzender der Delegation des Parlaments beim UN-Gipfel im Zusammenhang mit den Fortschritten der Millenniums-Entwicklungsziele. Während des Gipfels und der Nebenveranstaltungen war ich von dem Enthusiasmus meiner Kolleginnen und Kollegen, der Regierungen, der internationalen Organisationen und der Menschen vor Ort ergriffen, die sich verpflichtet haben, diese ehrgeizigen im Jahr 2000 festgelegten Ziele zu erreichen. Es sind einige Fortschritte erzielt worden und es gibt vieles, auf das wir stolz sein können, aber es muss noch viel mehr getan werden.

Der Zugang zu Bildung verbessert sich zusehends. Die Teilnahme an Bildung liegt in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara bei 76 % und in Nordafrika bei 94 %. Der Zugang zu Trinkwasser nimmt zu. Bis 2015 werden 86 % der in Entwicklungsländern lebenden Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben – 1990 waren es noch 71 %. In vier Regionen – in Nordafrika, in Lateinamerika und der Karibik, Ostasien und Südostasien – sind die Ziele für den Zugang zu Trinkwasser bereits erreicht worden. Der Zugang zu Energie nimmt zu. In Nordafrika gibt es einen nahezu flächendeckenden Zugang zu Elektrizität.

Obwohl jedoch eindeutig Fortschritte erzielt worden sind, gibt es noch sehr viel mehr zu tun. Ein Stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen hat uns erklärt, dass wir in den nächsten fünf Jahren wirklich einen „Zielsprint“ hinlegen müssen. Eine Milliarde Kinder leben in Armut, jedes Jahre sterben 1,4 Mio. Kinder, weil sie keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser haben, und jedes Jahr sterben 2,2 Mio. Kinder, weil sie keine Impfstoffe erhalten haben, die in der entwickelten Welt so einfach zugänglich sind und über die wir seit mehr als 30 Jahren verfügen.

Bei Ziel 7 der Millenniums-Entwicklungsziele geht es um die Gewährleistung ökologischer Nachhaltigkeit. Bei diesem Ziel gibt es mehrere Teilziele. Ziel 7b ist das vielleicht umfassendste: „den Verlust der Biodiversität verringern, bis 2010 eine signifikante Drosselung der Verlustrate erreichen“. Zu den Indikatoren für Artenvielfalt gehören unter anderem der Anteil der Flächen mit Waldbedeckung, der CO2 -Ausstoß, der Anteil der insgesamt eingesetzten Wasserressourcen, der Verbrauch von ozonschädigenden Substanzen und der Anteil der Fischbestände innerhalb sicherer biologischer Grenzen. Somit ist die Verringerung des Verlusts der Artenvielfalt ein wichtiger Bestandteil der Millenniums-Entwicklungsziele.

Siebzig Prozent der armen Bevölkerung der Welt leben in ländlichen Gebieten und ihr Überleben und Wohlergehen hängen direkt von der biologischen Vielfalt ab. Die arme städtische Bevölkerung hängt ebenfalls von Ökosystemleistungen wie der Aufrechterhaltung der Luft- und Wasserqualität und dem Abbau von Abfällen ab. Es besteht kaum Zweifel daran, dass die Artenvielfalt und der Klimawandel zuerst die arme Bevölkerung treffen werden. Das wird Auswirkungen auf Länder wie Tuvalu auf den polynesischen Inseln – ein Land das lediglich viereinhalb Meter über dem Meeresspiegel liegt – und die Malediven haben, wo Präsident Nasheed in diesem Jahr eine Kabinettsitzung unter Wasser geleitet hat, um darauf hinzuweisen, dass sein Land gegen Ende des Jahrhunderts tatsächlich unter Wasser sein könnte.

Ich fordere die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, dem globalen Klimabündnis und seiner Unterstützungsfazilität einen neuen Antrieb zu geben, um den Aufbau von Kapazitäten und die Erkenntnisbasis in Bezug auf die erwarteten Auswirkungen des Verlusts der Artenvielfalt der Entwicklungsländer zu erhöhen und dies effektiv in die Entwicklungspläne und -etats einzubeziehen.

Ich habe außerdem darauf hingewiesen, dass sich die Programme mit dem Ziel des Schutzes der Artenvielfalt und der Verringerung der Armut mit den Prioritäten der armen Bevölkerung beschäftigen müssen und der Fokus mehr auf lokalem Umweltmanagement, dem Zugang zu Ressourcen der Artenvielfalt, Landreformen und der Anerkennung ortstypischer Besitzansprüche liegen muss.

Bis 2050 wird es zwei Milliarden Menschen mehr auf der Erde geben und 90 % von ihnen werden in den jetzigen Entwicklungsländern leben. Wenn wir es zulassen, dass es weiterhin bittere Armut in diesen Ländern gibt, wird es eine massive Migration vom Süden nach Norden geben und die Ungleichheit könnte der Grund für einen weltweiten Flächenbrand werden.

Viele von uns haben nicht geglaubt, dass wir den Fall der Berliner Mauer zu unseren Lebzeiten sehen würden. Jetzt nehmen wir es als selbstverständlich hin, dass Sowjet-Länder unsere Partner in der EU sind. Auch die Mauer der Armut zwischen Norden und Süden kann fallen und wir können eine bessere und sicherere Welt schaffen – ein Ort, an dem wir neue Partner haben können und eine Umwelt, die für uns alle sicher ist.

 
  
  

VORSITZ: DIANA WALLIS
Vizepräsidentin

 
  
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  Joke Schauvliege, amtierende Ratspräsidentin.(NL) Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, zunächst danke ich Ihnen für die Gelegenheit, hier heute über dieses äußerst wichtige Thema sprechen zu dürfen, nämlich die biologische Vielfalt. In seinen Schlussfolgerungen vom 15. März 2010 mit dem Titel „Biologische Vielfalt: die Zeit nach 2010 und EU-interne und globale Fern- und Zwischenziele und internationale ABS-Regelung (Access and Benefit Sharing, „Zugang zu genetischen Ressourcen und Vorteilsausgleich“)“ hat der Rat hervorgehoben, dass die Artenvielfalt bewahrt und irreversible Schäden an Ökosystemen und ihren Funktionen verhindert werden müssen, um nicht zuletzt soziale und wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten und die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen.

Der Rat erinnerte daran, dass die Artenvielfalt eine zentrale Rolle im weltweiten Kampf gegen Hunger und bei der Gewährleistung der Ernährungssicherheit spielt, und auch entscheidend dazu beiträgt, Wohlstand zu schaffen und die Armut abzubauen. Verglichen mit der EU besteht in den meisten Entwicklungsländern ein größerer Zusammenhang zwischen dem Schutz der Ökosysteme einerseits, sowie der Beschäftigung, dem Einkommen und dem Lebensunterhalt der Menschen andererseits.

Im Hinblick auf die 10. Tagung der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity, CBD), möchte die EU durch einen realistischen und ehrgeizigen Ansatz aktiv und konstruktiv dazu beitragen, einen globalen Konsens hinsichtlich der Maßnahmen zu schaffen, die für die Zeit nach 2010 ergriffen werden müssen, um die Artenvielfalt zu fördern. Hierzu gehören Maßnahmen zur Entwicklung eines Ausblicks auf den strategischen Plan für die Zeit nach 2010, der beispielsweise einen Zeithorizont bis 2020 haben kann, zur Festlegung eines Fernziels mit einem etwaigen Zeithorizont bis 2050 sowie der Zwischenziele und wichtigen Meilensteine, die mit messbaren Ergebnissen verbunden sein sollten, und schließlich zur Einführung geeigneter Einrichtungen zur Überwachung, Bewertung und Nachbereitung.

Die Sondersitzung der UN-Generalversammlung, die vor zwei Wochen, am 22. September, in New York stattfand, bot eine gute Gelegenheit, die internationale Gemeinschaft aufzufordern, den kritischen Zustand der Artenvielfalt auf der ganzen Welt anzuerkennen, und auch darauf hinzuweisen, dass die Grundlage allen Lebens auf der Erde im Interesse der Menschheit und kommender Generationen geschützt werden muss, und angemessene Initiativen auf allen Ebenen zu ergreifen sind.

Hinsichtlich der technischen Unterstützung für die am wenigsten entwickelten Länder ist der Rat der Ansicht, dass die Entwicklung und der Weitergabe bewährter Verfahren und Technologien im Kampf gegen den Verlust der biologischen Vielfalt, den Klimawandel und die Wüstenbildung eine wichtige Rolle spielen. Wichtig sind koordinierte Maßnahmen und der ausreichende, kostenwirksame Einsatz von Mitteln.

Hinsichtlich der Finanzierung ist der Rat der Auffassung, dass die Schaffung eines wirksamen Politikrahmens für die Zeit nach 2010 und die Einführung eines neuen strategischen Plans für das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) die Mobilisierung von Ressourcen jeglicher verfügbarer Quellen, die sowohl öffentliche als auch private Finanzierung umfassen, sowie neue Finanzierungsformen, und die Finanzierung von Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, erfordern wird. Der Rat ist der Ansicht, dass auch die Freigabe finanzieller Mittel für die biologische Vielfalt in Erwägung gezogen werden sollte, indem Subventionen, die der biologischen Vielfalt schaden, modifiziert, gestrichen oder neu ausgerichtet werden. Die Einbeziehung der biologischen Vielfalt in die Wirtschaftaktivitäten der Unternehmen und in andere Sektorpolitiken bleibt ein notwendiges und vorrangiges Ziel.

Schon die Schlussfolgerungen des Rates vom 5. Dezember 2006 wiesen als Reaktion auf die Pariser Erklärung zur biologischen Vielfalt darauf hin, dass die biologische Vielfalt und die Erhaltung der Ökosystem-Dienstleistungen in den politischen Dialog mit Partnerländern und -regionen einfließen müssten. Dabei müssten diese Partner motiviert werden, weitere Bedürfnisse zu ermitteln, und diesen in nationalen und regionalen Entwicklungsstrategien und -plänen Vorrang einzuräumen. Der Rat ist nach wie vor überzeugt, dass die Einbeziehung der Ökosystem-Dienstleistungen und der Biodiversität in die Programme für die Entwicklungszusammenarbeit, und die nachfolgende finanzielle Unterstützung die einzige Möglichkeit bieten, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

Auch wenn eine eindeutige Verbindung zwischen dem Århus-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, der Beteiligung der Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess und den Zugang zur Justiz in Umweltfragen einerseits, und der Biodiversität andererseits besteht, muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass diese Übereinkunft im Rahmen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe, UNECE) ausgearbeitet wurde. Wenngleich das Übereinkommen auch für den Beitritt von Nicht-Mitgliedstaaten der UNECE offen ist, sind unsere Entwicklungspartner derzeit nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens.

Ich möchte Ihnen für Ihr Interesse danken und ich freue mich auf ihre Aussprache, von der ich überzeugt bin, dass sie viele neue Aspekte hervorbringen wird.

 
  
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  Janez Potočnik, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Die für Nagoya vorgesehenen strategischen Ziele der Europäischen Union sind in den Schlussfolgerungen des Rates vom 22. Dezember 2009 und vom 15. März 2010 festgelegt und werden im Rahmen der am 14. Oktober 2010 stattfindenden Tagung des Rates der Umweltminister weiter ausgearbeitet und spezifiziert. Insbesondere drei Punkte werden für die Europäische Union als vorrangig gesehen.

Der erste Punkt ist die Verabschiedung eines neuen strategischen Plans für das Übereinkommen für den Zeitraum 2011–2020. Er sollte die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Zustand der biologischen Vielfalt und einen effektiven Rahmen der Umsetzung enthalten, der ausreichend ehrgeizig ist, um verstärkte Maßnahmen aller Vertragsparteien des Übereinkommens einzuleiten. Nur so können wir einen weiteren Artenschwund verhindern, und gewährleisten, dass wir durch die Biodiversität weiterhin mit den maßgeblichen Gütern und Dienstleistungen versorgt werden, auf die wir alle, und ganz besonders die Armen, angewiesen sind.

Die zweite strategische Priorität für die Europäische Union ist der Abschluss von Verhandlungen zu dem Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechtem Vorteilsausgleich, als wesentlicher Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt in der Zeit nach 2010 und in Einklang mit den Verpflichtungen, die alle Vertragsparteien bei der COP 8 im Jahr 2006 übernommen haben. Hierbei handelt es sich um eine Erwartung, die weitgehend von den Vertragsparteien des Übereinkommens aus den Entwicklungsländern geteilt und größtenteils als oberste Priorität angesehen wird.

Der dritte Punkt ist die Mobilisierung geeigneter Ressourcen, um die Umsetzung des Rahmens zur Biodiversitätspolitik für die Zeit nach 2010, einschließlich des neuen Strategieplans, zu ermöglichen. Die EU als Ganzes ist verpflichtet, ihren Beitrag zur Verhinderung des weltweiten Verlusts der Artenvielfalt als Teil ihres Ziels für biologische Vielfalt bis 2020, das sie Anfang dieses Jahres angenommen hatte, zu verstärken; ich denke aber, dass wir auf das, was wir tatsächlich leisten, wirklich stolz sein können. In der Zeit 2002–2008 wurden von der Europäischen Union über 1 Mrd. USD (ca. 740 Mio. EUR) jährlich für die Erhaltung der weltweiten biologischen Vielfalt aufgewendet, größtenteils durch das Thematische Programm für Umweltschutz und nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen (einschließlich Energie) nach Maßgabe des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit (Development Cooperation Instrument), aber auch im Rahmen des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), die beide umfassende Bestimmungen über die Erhaltung der biologischen Vielfalt beinhalten.

Die Mitgliedstaaten haben auch maßgeblich zur kürzlichen Aufstockung der Globalen Umweltfazilität (Global Environmental Facility) beigetragen, für die 1,2 Mrd. USD zur Erhaltung der Artenvielfalt vorgesehen sind. Im Vergleich zur letzten Aufstockung bedeutet dies eine Erhöhung um 28 %, und die neue Initiative zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele in Höhe von 1 Mrd. EUR, die von Präsident Barroso anlässlich der UN-Generalversammlung, die im vergangenen Monat in New York stattfand, angekündigt wurde, kann der Artenvielfalt eindeutig Vorteile bieten.

Die Kommission aktualisiert derzeit ihre eigenen Zahlen zur biodiversitätsrelevanten Entwicklungszusammenarbeit und verwendet hierbei die gleiche Methodik wie bei der klimabezogenen Finanzierung, und wir fordern die Mitgliedstaaten natürlich ebenfalls hierzu auf, damit wir in Nagoya konsolidierte Zahlen vorlegen können.

Wir müssen auch weitere Möglichkeiten in Betracht ziehen hinsichtlich der Frage, wie wir die Durchführung des Übereinkommens über die Erhaltung der biologischen Vielfalt verbessern können, und den Vertragsparteien der Entwicklungsländer helfen können, ihre Verpflichtungen nach Maßgabe des Übereinkommens zu erfüllen, was insbesondere den neuen strategischen Plan für die Zeit nach 2010 betrifft, der in Nagoya verabschiedet wird. Zu diesem Zweck möchten wir zusammen mit unseren Partnern in Nagoya Wege und Mittel erkunden.

Wie bereits erwähnt, stellt der Verlust der Artenvielfalt keine neue Herausforderung bei der Bekämpfung der Armut dar. Das Ziel für biologische Vielfalt bis 2010 wurde bereits 2002 in das Millenniums-Entwicklungsziel 7 aufgenommen, und die EU selbst hat wiederholt auf die bedeutenden Zusammenhänge zwischen der biologischen Vielfalt und der Entwicklung hingewiesen. Erst letzten Monat bemerkte Präsident Barroso in seiner Erklärung im Rahmen der hochrangigen Veranstaltung zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, dass unsere Fähigkeit, Armut und Hunger zu bekämpfen, und die Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind zu verbessern, abhängig ist von der dauerhaften Verfügbarkeit von Frischwasser, Nahrungsmitteln, Medizin und Rohstoffen, die die Natur bereitstellt.

Dies wird nochmals dargelegt im MDG-Bericht 2010, im EU-Politikrahmen zur Unterstützung von Entwicklungsländern bei den Herausforderungen der Ernährungssicherheit, sowie im Arbeitsprogramm der Kommission zur Politikkohärenz im Interesse von Entwicklung 2010–2013, das ein konkretes Ziel zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und Begleitindikatoren beinhaltet, als Teil des Rahmens für Maßnahmen zur verbesserten Kohärenz der EU-Strategien mit den Entwicklungszielen.

Neu sind möglicherweise die verbesserten Kenntnisse und das verstärkte Bewusstsein über die wirtschaftlichen Folgen des Verlustes der Artenvielfalt, und darüber, inwieweit dies die Aussichten auf eine dauerhafte Bekämpfung der Armut untergräbt. Die internationale Studie „Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität (The Economics of Ecosystems and Biodiversity –TEEB)“ zeigt auf, wie kostspielig der Verlust der Artenvielfalt und die Verschlechterung des Zustands des Ökosystems für unsere Wirtschaft sind, einschließlich der Wirtschaft in den Entwicklungsländern. Somit ist es nicht mehr eine moralische Frage; es ist tatsächlich eine Frage unserer Lebensqualität, und dennoch wird die Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme nicht als Priorität bei der Entwicklung gesehen.

Es ist zu hoffen, dass die TEEB-Studie einen Beitrag zur Änderung dieser Situation leisten wird, so dass mehr unserer Partner aus den Entwicklungsländern der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme im Rahmen ihrer Entwicklungsstrategien Vorrang geben; dennoch erfordert es die europäische Entwicklungspolitik selbst dann, wenn kein Schwerpunkt auf Maßnahmen bei den länderspezifischen und regionalen Strategien gelegt wird, dass der Umweltschutz und die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen als sektorübergreifendes Thema erachtet wird, das in alle Maßnahmen im Interesse der Entwicklungsziele einfließt. Sowohl die Instrumente für Entwicklungszusammenarbeit als auch der Europäische Entwicklungsfonds beinhalten Regelungen zur Erhaltung der Artenvielfalt.

Abschließend möchte ich bezüglich der Maßnahmen zur Sicherstellung des Rechts auf Zugang zu Informationen sowie zur Beteiligung der Öffentlichkeit an biodiversitätsrelevanten Entscheidungsprozessen darauf hinweisen, dass die EU den COP 10-Entscheidungsentwurf zum strategischen Plan, der den Vertragsparteien und anderen Regierungen eindringlich nahe legt, eine breite und effektive Beteiligung an der vollständigen Umsetzung der Ziele des Übereinkommens und des strategischen Plans zu ermöglichen, uneingeschränkt unterstützt. Außerdem sollte unserer Ansicht nach das Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechtem Vorteilsausgleich die Vertragsparteien dazu verpflichten, für einen nationalen Rahmen zu sorgen, der es den lokalen und einheimischen Gemeinschaften ermöglicht, vorbereitete und informierte Entscheidungen über die Frage zu treffen, ob Zugang zu traditionellem Wissen gewährt werden sollte oder nicht.

Ich möchte sämtlichen Aussagen der Verfasser der Fragen zustimmen und ihnen für ihre wertvollen Beiträge vielmals danken.

 
  
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  Esther de Lange, im Namen der PPE-Fraktion.(NL) Frau Präsidentin, Frau Schauvliege, Herr Kommissar, das Wichtigste, was wir morgen in unserer Entschließung von Ihnen fordern werden, sind ehrgeizige, aber realistische Ziele in Nagoya. Der intelligente Ansatz wäre dort die Vereinbarung von Maßnahmen, wodurch nicht nur die Artenvielfalt gewahrt bleibt, sondern auch die Folgen des Klimawandels bekämpft werden, was zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele – worüber bereits sehr viel gesagt wurde – und zur Schaffung grüner Arbeitsplätze beiträgt, nicht zuletzt in der Europäischen Union. Vier Fliegen mit einer Klappe – das nenne ich ein gutes Kosten-/Nutzenverhältnis.

Um dies jedoch zu erreichen, muss die Europäische Union mit einer Stimme sprechen. Ich muss Ihnen gegenüber ehrlich sein: Meine Hoffnung schwindet da ein bisschen. Es gab viele Verweise auf Erklärungen des Rates aus den vergangenen Jahren und vom März dieses Jahres, aber ich habe kaum konkrete Äußerungen gehört. Dennoch hoffe ich, dass die Gedankengänge der Kommission, und auch die des Rates, seit den allgemeinen Erklärungen vom 15. März eine nunmehr ausgereiftere Form angenommen haben. Das hoffe ich jedenfalls – wir werden es am 14. Oktober sehen. Ich hoffe auch, dass wir aus unseren Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben; dass wir nicht zu einem weiteren internationalen Gipfel gehen, mit einem Mandat bewaffnet, das sich durch Unklarheit und Allgemeinheit auszeichnet, und dass wir, die Europäische Union, uns dort nicht wieder die ganze Zeit darüber beratschlagen, wie wir auf Entwicklungen reagieren sollen, so dass uns keine Zeit dafür bleibt, eine führende Rolle zu spielen, zu der uns Frau Kadenbach unter anderem aufgefordert hat.

Der letzte Punkt, bei dem ich Sie um Aufmerksamkeit bitte, betrifft die Einbindung der biologischen Vielfalt in andere Politikbereiche. Wir, das Parlament, haben in dem kürzlich vorgelegten Bericht zur Biodiversität in der Europäischen Union derartige Kohärenz im Bereich der Umwelt sowie in anderen Politikbereichen gefordert; auch müssen wir die Biodiversität in gleicher Weise auf internationaler Ebene verankern. Biodiversität ist nicht nur eine Frage der Umwelt oder der Millenniums-Entwicklungsziele; auch in anderen Bereichen, wie etwa bei der Welthandelsorganisation, müssen nicht handelsbezogene Anliegen wie die Biodiversität auf der Tagesordnung viel weiter oben stehen. Herr Kommissar, ich weiß, dass Ihnen die biologische Vielfalt am Herzen liegt. Ich hoffe, dass Sie diese Botschaft über internationale Verankerung an Ihre jeweiligen Ansprechpartner auf internationaler Ebene weitergeben.

 
  
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  Michael Cashman, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich war zusammen mit Herrn Mitchell ebenfalls bei dem UN-Gipfel, um das Parlament im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele zu vertreten. Ich möchte der Kommission zu dem, was sie tut, gratulieren, aber dem Parlament mitteilen, dass wir bei diesen Themen in der EU die internationale Führungsrolle eingenommen haben – Biodiversität, Klimawandel und sogar Bekämpfung der Armut im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele – bei dem UN-Gipfel jedoch entfällt auf uns interessanterweise lediglich die Beobachterrolle. Das muss sich ändern, da wir bei diesen Themen weltweit an der Spitze stehen.

Es ist das Jahr der Biodiversität, mein Vorschlag wäre aber, dass jedes Jahr das Jahr der Biodiversität sein sollte. Unsere Bürgerinnen und Bürger – die vielleicht auf der Besuchergallerie Platz genommen haben, oder diese Aussprache daheim verfolgen – werden sich fragen, was dies mit ihnen zu tun hat. Ohne das Bewusstsein der Öffentlichkeit und die Sensibilisierung wird sich nichts ändern. Sie müssen realisieren, dass es die Tomatendose, die sie aus dem Supermarktregal nehmen, ohne die biologische Vielfalt nicht gäbe. Es bedarf einer 360-Grad-Drehung unseres Bewusstseins, um sich dieser Bedeutung klar zu werden. Wie Herr Mitchell so schön sagte, muss diese Mauer der Armut – und, ich möchte ergänzen, der Entbehrung – eingerissen werden.

Wir sprechen in diesem Parlament über Politikkohärenz, aber lassen Sie mich kurz auf einige dieser Punkte eingehen: Ohne die Politikkohärenz in den Bereichen Zugang zu Energie in den Entwicklungsländern, Abholzung, Klimawandel, Ernährungssicherheit, Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, gemeinsame Fischereipolitik, Landnahme, natürliche Ressourcen und Zugang zu Wasser, werden wir die Biodiversität niemals schützen, und dem Leiden der Armen der Welt niemals ein Ende setzen können.

 
  
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  Gerben-Jan Gerbrandy, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, während wir die europäische Position bei dem Gipfeltreffen in Nagoya erörtern, findet außerhalb dieses Parlaments eine Jagd statt. Eine unerbittliche Jagd nach Ressourcen, eine Jagd nach Öl und Gas, Mineralien, Holz, Nahrung und Wasser, eine Jagd nach Ressourcen, die allesamt von der Natur bereitgestellt werden.

Bei dieser Jagd möchten chinesische Investoren eine Autobahn bauen, die durch den Serengeti-Nationalpark führt, um die Ressourcen Zentralafrikas zu nutzen. Es gibt Investoren aus Saudi-Arabien, die Milliarden von Dollar auf den Tisch legen, um zur Errichtung riesiger Palmölplantagen 6000 Kilometer lange Straßen durch die Regenwälder im Kongo zu bauen.

Wir alle möchten den Verlust der Biodiversität stoppen, in der realen Welt aber durchkreuzt die Jagd nach Ressourcen unsere Pläne. Das ist die Realität. Daher können wir den Verlust der Biodiversität nur stoppen, wenn wir unser Verhalten radikal ändern.

Wir brauchen die Artenvielfalt für Nahrung, Unterkünfte, Medizin, saubere Luft, Wasser, und so weiter und so fort. Wir können ohne sie schlicht und ergreifend nicht überleben. Wir nähern uns einem Wendepunkt, ab dem der Schaden irreparabel ist und, schlimmer noch, beschleunigt wird. Das ist der Grund für die Dringlichkeit der Konferenz in Nagoya, und ein Bewusstsein für diese Dringlichkeit erwarte ich von den Ministern und Kommissaren, die daran teilnehmen.

Leider werden politische Erklärungen und Entschließungen nicht ausreichen, um das Bewusstsein für diese Dringlichkeit zu erreichen. Wir brauchen viel mehr Druck. Aus diesem Grund habe ich zusammen mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt eine Online-Kampagne gestartet. Ich möchte, dass sich alle Menschen zu diesem Thema Gehör verschaffen können, denn die Menschen sind hierüber besorgt. Unterstützen Sie die Kampagne „Stop biodiversity loss at Nagoya summit“ bei Facebook, um den Verlust der Biodiversität zu stoppen. Gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen werde ich den Entscheidungsträgern in Nagoya die Tausenden von Unterschriften vorlegen, damit sie erfahren, dass die Menschen auf ihre Ausdauer und Beharrlichkeit, Nagoya zu einem Erfolg zu machen, angewiesen sind.

 
  
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  Sandrine Bélier, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin, Frau Schauvliege, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, die Verpflichtungen, die 1992 in Rio und 2002 in Johannesburg übernommen wurden, sind nicht beachtet worden. Unsere Strategien zur Verhinderung des Verlustes der Biodiversität sind gescheitert, und die Gründe für dieses Scheitern sind uns bekannt.

Das Klima ändert sich, die Artenvielfalt schrumpft, und die Menschheit muss sich gezielt immer mehr und immer schneller anpassen, unter immer schwierigeren Umständen. In Nagoya hat die Europäische Union kurz vor den Klimaverhandlungen in Cancún die Möglichkeit, für eine Anpassung unseres Wirtschaftsentwicklungsmodells zu plädieren, um sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.

Eindämmung des Klimawandels, Verhinderung des Verlusts der Biodiversität und Bekämpfung der Armut: Diese drei Herausforderungen und die zu deren Bewältigung erforderlichen Reaktionen sind eng miteinander verknüpft. Wir sind dafür verantwortlich, ein neues Entwicklungsmodell vorzuschlagen und umzusetzen, das reeller, gerechter und nachhaltiger ist.

Lassen Sie uns daher bitte deutlich und konkret werden: In der Entschließung des Parlaments ist von drei zentralen Herausforderungen die Rede, die nun zahlreiche Fragen zum Standpunkt der Kommission und des Rates aufwerfen.

Die erste Herausforderung ist natürlich, den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt in Angriff zu nehmen. Dies setzt eine entsprechende Finanzierung, die Streichung sämtlicher öffentlicher Beihilfen, die der Biodiversität schaden, sowie ein festes Budget, das nach unserer Empfehlung verzehnfacht werden sollte, voraus. Doch ist die Europäische Union bereit, sich zu verpflichten, 0,3 % ihres Bruttoinlandsprodukts für ihre Strategie zur Eindämmung des Verlusts der Artenvielfalt zu verwenden und die OECD-Staaten zu überzeugen, dasselbe zu tun?

Die zweite Herausforderung sind die durch den Verlust der Artenvielfalt verursachten Kosten für die Gesellschaft, deren Schätzung gerade erst begonnen hat. Sie werden sich wahrscheinlich auf etwa 1 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts belaufen, allerdings wird der soziale, kulturelle, moralische und wissenschaftliche Wert der Biodiversität bei dieser Schätzung nicht berücksichtigt.

Ist die Europäische Union entschlossen, der Monetisierung von Lebewesen zu widerstehen? Ist sie entschlossen, das gemeinsame Erbe der Menschheit zu verteidigen, und nochmals zu beteuern, dass die Natur unbezahlbar und unverkäuflich ist?

Die dritte Herausforderung besteht schließlich darin, die Plünderung genetischer Ressourcen durch Unternehmen und Industrie zu stoppen. Eine Lösung wäre, den Zugang zu genetischen Ressourcen so zu regulieren, dass insbesondere die Rechte einheimischer und lokaler Gemeinschaften vollständig gewährt bleiben.

Die Europäische Union wird bei diesen Verhandlungen nach wie vor eine besondere Verantwortung tragen. Ist sie vor diesem Hintergrund entschlossen, erstens den Grundsatz der Nichtpatentierbarkeit von Leben zu verteidigen, und zweitens Länder im Süden bei der Tilgung ökologischer Schulden zu unterstützen, indem sie die Rückwirkung des anzupassenden Systems fördert?

 
  
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  Nirj Deva, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, bei der Biodiversität handelt es sich nicht um irgendein abstraktes Wort, das von abstrusen Wissenschaftlern verwendet wird, um umweltrelevante Eigentümlichkeiten zu schaffen. Biodiversität ist für das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten absolut unabdingbar.

Nehmen Sie die Berechnung als Beispiel, die kürzlich von Dr. Pavan Sukhdev zum Verlust der Biodiversität und zu den Kosten dieses Verlusts durchgeführt wurde. Seine Ergebnisse belegen, dass allein die Abholzung – der Verlust der Lunge der Erde, die Kohlendioxid in Sauerstoff umwandelt und uns ermöglicht, zu atmen – pro Jahr Kosten in Höhe von 4,5 Bio. USD verursacht. Jedes Jahr erleiden wir einen Verlust durch Wiederbeschaffungskosten in Höhe von 4,5 Bio. USD für die Herstellung von Sauerstoff. Das entspricht in etwa dem Wert der New Yorker Börse.

Würden wir jedes Jahr ein Vermögen im Wert der New Yorker Börse verlieren, wäre jeder in diesem Raum zweifellos in Aufruhr, aber da es um die Biodiversität geht, scheint es niemanden zu kümmern. Um den durch das Fällen dieser Bäume verursachten Sauerstoffverlust auszugleichen, wäre ein enormer Finanzierungsaufwand nötig.

Nehmen Sie den Zusammenbruch der Kabeljaufischerei Neufundlands in den neunziger Jahren als Beispiel. Dies hat Ausgleichkosten in Höhe von 2 Mrd. CAD verursacht. Verlieren wir – was wir tun – pharmazeutisches, genetisches Material, das der Biodiversität entstammt, werden wir Rohmaterial im Wert von etwa 640 Mrd. Dollar einbüßen. Es handelt sich hier um ein sehr ernstes Thema, für das ernsthafte Menschen erforderlich sind, die ernsthafte Entscheidungen fällen.

 
  
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  Kartika Tamara Liotard, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(NL) Frau Präsidentin, in zwei Wochen werden wir uns alle auf den Weg nach Nagoya (Japan) machen, um über die Biodiversität zu diskutieren. Ich frage mich, ob unsere Gastgeber uns wohl roten Thun oder Wal als Menü anbieten werden. In der großen Debatte wird es indes wieder einmal darum gehen, ob wir zunächst Geld hinlegen, oder ob wir über Ziele reden sollen. Die Entwicklungsländer würden zuerst einmal lieber Geld auf dem Tisch sehen, und die EU würde lieber anfangen, über Ziele zu diskutieren.

Eine Sache ist jedoch klar: Wir müssen den Verlust der Artenvielfalt aufhalten, egal wie. Die Kosten für Untätigkeit werden sich bis 2050 schätzungsweise auf über 4000 Mrd. USD belaufen. Untätigkeit ist somit keine Option, daher beunruhigt mich, dass die neue niederländische Regierung unter anderembeabsichtigt, den Haushalt für die Entwicklungshilfe – eines der wichtigsten Finanzmittel zur Eindämmung des Verlusts der Artenvielfalt in den Entwicklungsländern – um 1 Mrd. EUR zu kürzen.

Wenn die EU wirklich etwas in Nagoya erreichen will, muss sie die Führungsrolle übernehmen und selbst eine effiziente Agrar- und Fischereipolitik entwickeln, und nicht erst nach Nagoya Vorschläge hierzu vorlegen. Wenn wir die Agrarpolitik verändern wollen, müssen wir über die nachhaltige Agrarpolitik hinaus blicken und einen festen Standpunkt einnehmen. Daher appelliere ich an die Kommission, die Vereinbarungen, welche in Nagoya getroffen werden, in Vorschläge umzusetzen, die bewertet und überwacht werden können, und eine längerfristige Vision zu entwickeln, damit wir im Jahr 2011 nicht schon wieder sagen müssen, dass wir nicht dazu in der Lage waren, den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten.

 
  
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  Anna Rosbach, im Namen der EFD-Fraktion.. – (DA) Frau Präsidentin, alles hängt von der Biodiversität ab – ganz einfach. Daher müssen wir bei der Konferenz in Nagoya um ihren Erhalt kämpfen. Da wir aber kontinuierlich Wälder abholzen, neues Land bewirtschaften und Flüsse eindämmen, ist der Mangel an Wissen und Fähigkeiten deutlich, wenn es darum geht, natürliche Lebensräume und Ökosysteme in die nationalen Rechtsvorschriften aufzunehmen. Von der modernen Landwirtschaft, Fischerei, Siedlungsbau, Straßennetzen und Verkehr bis hin zu zahlreichen Bereichen der Industrie hat alles eine negative Auswirkung auf die Artenvielfalt des Planeten. Das Meeresleben ist in einem schlechten Zustand. Über 60 % aller Fische und Meeresfrüchte, die in der EU verzehrt werden, werden außerhalb der EU gefangen. Unsere Bestände sind überfischt, und sie haben es schwer, sich zu erholen. Die Meeresverschmutzung der Ostsee befindet sich auf einem historisch hohem Niveau. Schwangeren Frauen in Schweden wurde nahe gelegt, auf lokal gefangenen Fisch zu verzichten. Die EU-Mitgliedstaaten mögen Maßnahmen zur Verbesserung der natürlichen Bedingungen ergriffen haben, aber was ist mit dem Rest der Welt? Was können wir tun, um anderen Teilen der Welt zu helfen, Fortschritte bei ihrer Entwicklung zu erzielen? Die globale Artenvielfalt wird als Folge menschlicher Aktivitäten schrumpfen – ob wir eine Erderwärmung haben oder nicht. Wir dürfen hier jedoch keine unrealistischen Forderungen stellen. Der Artenvielfalt ist am besten geholfen, wenn wir realistisch bleiben. Es ist daher höchste Zeit für sinnvolle, realistische Lösungen, zur Erhaltung einer gesunden, terrestrischen Umgebung, einer gesunden Tier- und Pflanzenwelt sowie einer gesunden aquatischen Umwelt.

 
  
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  Claudiu Ciprian Tănăsescu (NI).(RO) Ich möchte zunächst betonen, dass es für die Europäische Union dringend notwendig ist, zu dem Thema Biodiversität für die COP 10-Konferenz in Nagoya klar und einheitlich Stellung zu beziehen. Sollte sie keinen festen und entschlossenen Standpunkt einnehmen, hätte dies ein weiteres skandalöses Ergebnis zur Folge, wie bei der CITES-Konferenz (zum Handel mit gefährdeten Arten) im März 2010. Deshalb wünsche ich mir, dass die Empfehlungen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vorbehaltlos akzeptiert werden, da sie den besten Leitfaden bieten, an dem sich die Europäische Union orientieren kann, um einen offiziellen Standpunkt zu formulieren, hinter dem unsere Abgeordneten diesen Monat in Nagoya hundertprozentig stehen können.

Über diese Erwägungen hinaus dürfen wir nicht vergessen, dass bei dem globalen Entscheidungsfindungsprozess nicht nur die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union als klar denkender, verantwortlicher Partner auf dem Spiel steht, sondern vor allem auch das künftige Schicksal des Planeten.

 
  
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  Richard Seeber (PPE). - Frau Präsidentin! Lassen Sie mich mit einem Detail beginnen. Der von mir sehr geschätzte Kommissar Potočnik nennt Zahlen in Dollar, rechnet sie zwar dann in Euro um. Kollege Deva nennt auch Dollarzahlen. Ich habe es nicht im Detail, aber es zeigt uns eigentlich, dass die Debatte über die Biodiversität offensichtlich noch nicht in Europa angekommen ist. Offensichtlich sind wir noch nicht fähig, uns hier in Europa eine eigene Meinung dazu zu bilden, und ich glaube, es wäre schon gut, wenn wir hier diese Debatte in dem Sinne ernst nehmen, dass wir auch in Zahlen übersetzen, Wir haben hier nämlich eine totale Elitedebatte, die abgehoben ist, glaube ich, von dem, was wirklich zu Hause bei unseren Bürgerinnen und Bürgern passiert. Und solange wir es nicht schaffen, diese Debatte zu Hause in die Haushalte zu bringen, glaube ich, sind wir auch verloren, hier politisches Gewicht zu bekommen. Das heißt: Ich glaube, die Kommunikationsstrategie, die wir jetzt wählen sollten, ist einfach die, dass wir das Thema wie gesagt an die Menschen heranbringen und mit diesem Wissen, wie die Menschen reagieren, dann auch unsere konkreten Ziele festlegen.

Der Herr Kommissar hat sehr konkrete Ziele genannt. Ich hoffe, er wird sie auch dort in Nagoya umsetzen, und ich hoffe auch, die Gemeinschaft wird mit einer Stimme sprechen. Das ist immer die große Herausforderung bei diesen internationalen Konferenzen.

Ich glaube auch, dass Geld allein nicht genug ist. Viele Kollegen fordern, die Mittel aufzustocken. Das mag ein Weg sein, aber das ist nicht genug, wenn wir hier zum Erfolg kommen wollen. Zweitens, wie gesagt, die Kommunikationsstrategie ändern, und drittens, die Daten verbessern, die wir haben. Offensichtlich fehlt da sehr viel noch an Datenmaterial, und ich glaube, hier könnte die Gemeinschaft mit ihrem Forschungsproblem konkret noch einiges tun.

Und Sie wissen, mein Lieblingsthema ist das Wasser. Wir haben beispielsweise, wenn wir jetzt die neue Fischereipolitik auf den Weg bringen, einen großen Nachholbedarf, was zu schützende Arten anlangt. Die Fischereiminister werden wahrscheinlich wieder überhöhte Fangquoten beschließen, und die Biodiversität ist wieder ein Randthema. Darum glaube ich, wir haben jetzt konkret zu Hause einen Anlass, hier unsere Zusagen wirklich ernst zu nehmen. Und wir werden sehen, wie die Vorschläge dann ausfallen.

 
  
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  Kriton Arsenis (S&D).(EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr verehrte Vertreter des Rates, wir führen in diesem Hause in der Tat eine heftige Diskussion über die Ziele und die Umsetzung der neuen Ziele zur Erhaltung der Artenvielfalt. Momentan jedoch drohen die Verhandlungen, während wir hier diskutieren, komplett zu scheitern, und schuld daran sind wir, und auch die Europäische Union. Aus diesem Grund wende ich mich an den Rat mit der dringenden Bitte, seinen Standpunkt zu ändern.

Wir müssen die Verhandlungen über das ABS-Protokoll über den Zugang zu genetischen Informationen und zur Gewinnteilung „freigeben“. Tatsächlich machen wir uns, wenn wir das nicht tun, schuldig, indem wir eine Situation aufrechterhalten, die die Bio-Piraterie fördert und die im Augenblick ein Verbrechen an den lokalen Gemeinschaften und den genetischen Ressourcen darstellt; wir verpassen auch eine weitere Chance, die Umwelt zu verbessern, die Verhandlungen werden scheitern, und wir hätten ein zweites Kopenhagen.

Daher fordere ich den Rat dringend auf, diesen Punkt eingehend zu prüfen. Wir müssen von unserem Standpunkt abweichen, bevor es die Europäische Union ist, die, erstmalig in ihrer Geschichte, Umweltverhandlungen zum Scheitern bringt.

 
  
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  Chris Davies (ALDE). Frau Präsidentin, die Herausforderung, vor der wir stehen, nämlich die Umkehr des Verlusts einzigartiger Spezies, wird im Verlauf dieser Aussprache bedrückend offensichtlich. Bei der Konferenz über die biologische Vielfalt wird eine Menge über den Bedarf an richtigen Maßnahmen gesagt werden, doch wenn sie am Ende nur ein frommer Wunsch bleiben, werden wir sehr wenig erreichen.

Ich hoffe, wir können einige Ziele und die finanziellen Förderungsmaßnahmen – die ohne Zweifel mit dem Zugang zu biologischen Ressourcen verknüpft sind – auf den Weg bringen, damit sie sich irgendwie auszahlen. Ich hoffe, wir können sicherstellen, dass Verfahren eingeführt werden, um deren Einhaltung zu beurteilen und zu bestätigen, und ich hoffe, dass wir Regelungen zur häufigen Überprüfung der Ziele und zu Verbesserungen der Verfahren einführen können, die mit der Zeit erforderlich werden.

Es ist ganz offensichtlich, dass diese Konferenz den Verlust der Biodiversität unmöglich aufhalten kann; er schreitet einfach zu schnell voran. Wenn wir aber wenigstens die Mechanismen und die Struktur einführen, die diesen Verlust irgendwann langsamer voranschreiten lassen, und vielleicht eines Tages umkehren werden, dann wird sie als Erfolg gewertet werden.

 
  
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  Bas Eickhout (Verts/ALE).(NL) Frau Präsidentin, zunächst einmal möchte ich Kommissar Potočnik meinen aufrichtigen Dank für sein Engagement zur Erhaltung der Biodiversität aussprechen. Wir wissen, dass er sein Herz am rechten Fleck hat, und dass er sich sehr um diese Sache bemüht. In dieser Hinsicht stehen die Dinge gut, was Europas Engagement für Nagoya angeht. Allerdings müssen wir uns noch auf Ziele in Teilbereichen wie Fischerei, Landwirtschaft und Forstwirtschaft einigen. Wir erwarten nach wie vor ehrgeizige Ziele in all diesen Bereichen, nicht zuletzt auf europäischer Seite.

Noch wichtiger ist aber, dass dies nach unserer Rückkehr aus Nagoya letztlich in eine europäische Politik umgesetzt wird. Im kommenden Jahr werden wir unsere Agrar- und Fischereipolitik überarbeiten. Der Kommissar äußerte, auch er trage dafür Sorge, dass der Begriff „Biodiversität“ in dieser Politik klar zum Ausdruck kommt. Dennoch schweigt der Rat. Daher die Frage an die amtierende Präsidentin, Frau Schauvliege: Was gedenkt der Rat in naher Zukunft zu tun? Wir können in Nagoya natürlich schöne Versprechen machen, aber wie werden wir in naher Zukunft bei unserer eigene Fischerei- und Agrarpolitik vorgehen? Dann wird es wirklich wichtig; andernfalls werden unsere Versprechen in Nagoya nichts als leere Worte bleiben.

 
  
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  Peter van Dalen (ECR).(NL) Frau Präsidentin, morgen werden wir über einen Entschließungsantrag zur Nagoya-Konferenz abstimmen, und ich möchte Sie in meiner Rede auf Änderungsantrag 1 aufmerksam machen, den Frau de Lange und ich im Namen unserer beiden Fraktionen vorgelegt haben. Dieser Änderungsantrag bekräftigt erneut den Grundsatz, dass Lebensformen und Lebensprozesse nicht patentiert werden dürfen. Daher fordert er eine Züchterausnahme, die die freie Weiterentwicklung von Pflanzensorten ermöglicht.

Ohne eine solche Ausnahme besteht die Gefahr, dass nur die Unternehmen fortbestehen können, die das meiste Geld haben und über das größte Patentportfolio verfügen. Sie wären dann diejenigen, die bestimmen, welche Arten auf den Markt gebracht werden, und das wäre der Biodiversität eindeutig nicht zuträglich. Daher möchte ich Sie ausdrücklich darum bitten, dem Änderungsantrag 1 bei der morgigen Abstimmung Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, und diesen zu unterstützen.

 
  
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  Oreste Rossi (EFD).(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vom 18. bis 29. Oktober findet in Japan die COP 10 zur Biodiversität statt, und für das Parlament ist wichtig zu wissen, was der Rat vorzuschlagen beabsichtigt, um die Biodiversität zu schützen und zu gewährleisten.

Bei einer Untersuchung von 4000 Pflanzenarten sind ganze 22 % als bedroht eingestuft worden. Das bedeutet, dass eine von fünf Pflanzen vom Aussterben bedroht ist und – eine weitere alarmierende Statistik – auch viele Pflanzen verschwinden werden, die noch nicht einmal entdeckt worden sind. Das gleiche gilt für viele Tierarten. Dabei riskieren wir, was die Pflanzen betrifft, den Verlust von Wirkstoffen, die für Industriebereiche elementar sind, die an der Entwicklung neuer Produkte arbeiten, mit denen vielleicht zur Zeit noch unheilbare Krankheiten bekämpft werden können. Was die Tierarten betrifft, werden wir im Falle ihres Verlustes Eigenschaften verlieren, die maßgeblich für unseren Planeten sind.

Im vergangenen September hat das Europäische Parlament hierzu eine EU-Verordnung genehmigt, wobei das Ergebnis der Abstimmung deutlich war, so dass der Rat nicht um die Verpflichtung umhin kommt, diesem Ansatz zu folgen. Wir sollten nicht vergessen, dass der Kampf gegen Armut, und damit auch gegen Hunger, auch die Erhaltung der Reichhaltigkeit unserer natürlichen Ressourcen und unserer unbezahlbaren Tier- und Pflanzenarten einschließt; eine Reichhaltigkeit, die wir nicht verlieren dürfen, und für die wir alles tun müssen, was in unserer Macht steht.

 
  
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  Licia Ronzulli (PPE).(IT) Frau Präsidentin, im Jahr 2002 haben sich Regierungsvertreter aus der ganzen Welt verpflichtet, den Verlust der Biodiversität bis 2010 maßgeblich zu reduzieren. Trotz der Tatsache, dass dieses Ziel in diversen internationalen Foren aufgeworfen und hervorgehoben wurde, wurde es leider nicht erreicht.

Der Verlust von Arten hat sich auf unserem Planeten beschleunigt, und ist an einem Punkt angelangt, wo er mindestens hundert Mal schneller voranschreitet als in natürlichen Kreisläufen, und er hat in den vergangenen 50 Jahren ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht. In Europa ist eines von sechs Säugetieren vom Aussterben bedroht, und wenn eine Art verschwindet, kann ein Dominoeffekt in Bezug auf alle anderen Arten entstehen. In den letzten 30 Jahren sind mindestens 30 % aller Tier- und Pflanzenarten vom Planeten verschwunden.

Ohne ehrgeizige Ziele, die unverzüglich verabschiedet werden müssen, werden sich die Kosten infolge des Verlusts der Biodiversität in Europa – was schon mehr als einmal erwähnt und vom WWF berichtet wurde – bis 2050 auf 1100 Mrd. EUR belaufen. Daher ist die Wahrung der Biodiversität, analog zur Frage von Frau Striffler, ein wichtiger Teil der Millenniums-Entwicklungsziele und der Strategie Europa 2020.

Die Förderung der Biodiversität erfordert ein größeres Arsenal an Waffen im Kampf gegen extreme Armut und Hunger, indem nachhaltige Umweltpolitiken zur Erhaltung unseres reichhaltigen und fruchtbaren Planeten eingeführt werden. Wir brauchen eine neue strategische Vision und neue Ziele, die den kontinuierlichen Artenschwund berücksichtigen und die Wichtigkeit, die wir diesem Problem beimessen, widerspiegeln.

 
  
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  Edite Estrela (S&D).(PT) Wenn wir über die Erhaltung der Biodiversität sprechen, meinen wir damit auch den Kampf gegen den Klimawandel, die Ernährungssicherheit, das Gesundheitswesen, den Kampf gegen die Armut, das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele, und die nachhaltige Entwicklung des Planeten; in anderen Worten, es geht um unsere gemeinsame Zukunft.

Wie in diesem Plenarsaal bereits gesagt wurde, muss die Europäische Union bei der Konferenz in Nagoya mit einer Stimme sprechen und alles tun, was in ihrer Macht steht, um gute Ergebnisse zu erzielen. Politischer Wille ist gefragt, um die am meisten bedrohten Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Mehrere Abgeordnete haben auch bereits darauf hingewiesen, dass sich die Kosten infolge des Verlusts der Biodiversität auf etwa 50 Mrd. EUR pro Jahr belaufen: in anderen Worten, auf ungefähr 1 % des Bruttoinlandsprodukts. Es wurde aber auch gesagt – was auch durch Studien belegt wird – dass diese Kosten bis zum Jahr 2050 auf schätzungsweise 7 % des Bruttoinlandsproduktes ansteigen, wohingegen der Nutzen der Investitionen in die Erhaltung der biologischen Vielfalt das Hundertfache der Kosten dieser Investitionen beträgt.

Die Biodiversität ist für die Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels und die Anpassung daran entscheidend, in Anbetracht der Rolle beispielsweise, die die Ökosysteme an Land und im Meer als bedeutende Kohlenstoffsenken spielen. Daher hoffen wir, dass aus der Konferenz gute Ergebnisse hervorgehen werden. Darin liegt die Hoffnung der europäischen Öffentlichkeit, und wir hoffen auch, dass diese sich infolge der Ergebnisse dieser Herausforderungen, denen wir alle uns stellen müssen, stärker bewusst sein wird.

 
  
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  Paul Nuttall (EFD). Frau Präsidentin, „Biodiversität“ ist ein Wort, das ich oft von Eurokraten, Abgeordneten und Lobbyisten hier in Brüssel höre. Ich frage mich aber, ob hier irgendjemand eigentlich definieren kann, was es wirklich bedeutet, denn ich würde mein letztes Hemd darauf verwetten, dass es keiner von Ihnen kann.

Seltsamerweise denke ich, es ist wichtig, dass Sie wissen, worüber Sie sprechen, wenn Sie Gesetze für die gesamte EU erlassen.

Doch was bedeutet der bequemerweise ungenaue und mehrdeutige Ausdruck „Biodiversität“ überhaupt? Denn in Wahrheit gibt es keine genaue Zahl über die Menge der Arten, sei es für eine Farm in Cumbria, einem Vorort von Liverpool oder auch nur einen Wald in Cheshire, und ich fordere den Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit auf, eine genaue Definition vorzulegen oder aufzuhören, solch ein Sammelsurium von Wörtern zu benutzen.

Und, wenn ich fragen darf, wo ist die Grenze für das Gebiet der Biodiversität? Wird sie jemals für küstenferne Meeresgebiete angewandt? Und wenn ja, warum sind Sie so scharf darauf, monströse Windparks zu bauen, die schädlich für die Tierwelt sind und nicht einmal funktionieren!

Lassen Sie uns offen sein, Sie haben keine Ahnung. Es gibt kein klares Denken, keine kohärente Politik und keine Logik bei dem, was Sie vorschlagen. Wenn Sie predigen wollen, was Sie nämlich tun, halten Sie sich selbst zuerst den Spiegel vor, kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür; und lassen Sie uns bei der Katastrophe anfangen, der gemeinsamen Fischereipolitik.

(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten)

 
  
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  Chris Davies (ALDE). Frau Präsidentin, ich frage mich, ob mir der Herr Abgeordnete zustimmt, dass wir jeden Tag einzigartige Lebensformen auf unserem Planeten verlieren, und dass internationale Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Probleme erforderlich sind. Ich habe in seinen Ausführungen nichts gehört, was auf seine Zustimmung schließen ließe, aber ich bitte ihn, dem Parlament seinen Standpunkt darzulegen.

 
  
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  Paul Nuttall (EFD). – Frau Präsidentin, lassen Sie uns ein paar Tatsachen klarstellen. Wenn Sie Beispiele der Arten genannt haben möchten, die vom Aussterben bedroht sind, so gibt es eine Menge fragwürdige Statistiken diesbezüglich – nehmen Sie die Eisbären als Beispiel. Ständig wird gesagt, dass der Eisbärenbestand gesunken ist. Trotzdem ist der Eisbärenbestand zum jetzigen Zeitpunkt größer als in den vierziger Jahren.

Ich stimme zu, dass Arten aussterben, glaube aber nicht, dass die Europäische Union – die in jeder Hinsicht undemokratisch ist, die britischen Bevölkerung hatte hier nie ein Mitspracherecht – das Forum der Entschlussfassung zu diesem Thema ist. Dies sollte Angelegenheit der Nationalstaaten sein.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (S&D). (HU) Herr Kommissar Potočnik, ich möchte meine Kollegen davor warnen, zu glauben, die Europäische Union könne ihr Ziel erreichen. Es ist gut, dass wir bei der Konferenz über den Schutz der biologischen Vielfalt in Nagoya die Führungsrolle übernehmen wollen, doch selbst die Europäische Union war bislang nicht in der Lage, den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten. Wir müssen daher vorsichtig sein und uns auf unsere eigenen Aufgaben besinnen. Kommissar Potočnik, der aus einer slowenischen Familie von Landwirten stammt – ich selbst stamme aus einer ungarischen Familie von Landwirten – würde auch gern die Aufmerksamkeit auf den starken Widerspruch zwischen biologischer Vielfalt und Agrarverordnungen lenken. Einerseits bieten wir Landwirten Förderung für den Bau von Vogelnestern, andererseits beschließen wir zum Zweck der Förderung von Weideland, dass der Anteil der Bäume und Sträucher nicht größer als ein Drittel sein darf, und alle überzähligen Bäume von den Landwirten gefällt werden müssen. Mit anderen Worten: Wir reduzieren die Lebensräume von Vögeln und anderen Tieren. Die gemeinsame Agrarpolitik der Zukunft muss Artenvielfalt und Agrarsubventionen in Einklang bringen. Ich befürworte ausdrücklich die Forderung des Berichts zur Quantifizierung des Wertes des Umweltschutzes, einschließlich dem Wert der Biodiversität, der schwer zu ermessen ist. Vor diesem Hintergrund ist es für uns sehr wichtig, Landwirte künftig zu fördern und zu belohnen, da der Markt dies nicht tut.

 
  
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  Corina Creţu (S&D).(RO) Die Gewährleistung der ökologischen Nachhaltigkeit ist eines der Millenniums-Entwicklungsziele, das unmittelbare und maßgebliche Auswirkungen auf das menschliche Leben hat. Die Verschmutzung und rücksichtslose Nutzung von Agrarland, Wäldern und Wasserressourcen führen zum Klimawandel, der die natürlichen Ressourcen des Planeten gefährdet.

Ich möchte auf eine der größten Gefahren hinweisen, nämlich den zunehmend erschwerten Zugang zu Wasserressourcen, was die Menschheit mit der düsteren Aussicht konfrontiert, dass bis zum Jahr 2050 etwa 45 % der Weltbevölkerung von Wasserknappheit bedroht sein werden.

Leider erklärte die UN-Generalversammlung erst in diesem Jahr das Recht auf Zugang zu sauberem, qualitativ gutem Trinkwasser und das Recht auf sanitäre Einrichtungen als grundlegende Menschenrechte, die für ein gutes Leben nötig sind. Diese Erklärung wurde jedoch zu einer Zeit abgegeben, in der bereits mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Trinkwasser und geeigneten sanitären Einrichtungen hat. Die Zahl der Erkrankungen oder Todesfälle aufgrund von ungenießbarem Trinkwasser bleibt unter diesen Umständen alarmierend hoch, besonders bei Kindern. Aus diesem Grund denke ich, dass die Europäische Union bei der Tagung in Nagoya eine deutlich schnellere und präzisere Lösung dieser Probleme in den Entwicklungsländern, die die Armut und die Perspektivlosigkeit verstärken, forcieren muss.

Meiner Meinung nach sollte die historische Verantwortung, die die entwickelten Länder für den substanziellen und ökologischen Zustand des Planeten tragen, ein weiteres Argument zugunsten derjenigen Politiken liefern, die den gegenwärtigen Trend zur nicht nachhaltigen Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Entwicklungsländern, die von Rohstoffexporten abhängig sind, bekämpfen.

 
  
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  Mario Pirillo (S&D).(IT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, am 18. Oktober wird die zehnte internationale Konferenz über biologische Vielfalt in Japan eröffnet. An dieser Konferenz wird die Europäische Union teilnehmen, obwohl sie das im Jahr 2001 gesteckte Ziel, sprich die Eindämmung des Verlusts der Artenvielfalt bis 2010, nicht erreicht hat.

Jüngste Studien zeigen, dass unsere Ressourcen ernsthaft gefährdet sind, vor allem die Meeresgebiete der Mittelmeerländer. Die Europäische Union hat wichtige Maßnahmen eingeleitet, um den Klimawandel zu bekämpfen, muss sich aber stärker für den Schutz der biologischen Vielfalt einsetzen, und zwar durch eine Verpflichtung zur Aufstockung der Finanzierung für das Natura 2000-Programm, und durch konsequentere Maßnahmen der Kommission bei der Ausübung ihrer gemäß dem Vertrag übertragenen Kontrollbefugnisse.

Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die verzögerte Anwendung der Natura 2000-Richtlinien zu beschleunigen?

 
  
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  Daciana Octavia Sârbu (S&D).(RO) Wenn wir nicht nur die umweltbezogenen, sondern auch die sozialen und finanziellen Folgen der Zerstörung der Artenvielfalt betrachten, dürfen wir die Bedeutung der bevorstehenden Konferenz in Nagoya nicht unterschätzen.

Die Umweltkatastrophe in Ungarn, bei der vier Menschen ums Leben kamen, hat sieben Städte und die Ökosystem zahlreicher Flüsse in Mitleidenschaft gezogen und droht die Donau und das Donaudelta in Rumänien zu erreichen. Dies wirft nicht nur einen Schatten auf die heutige Aussprache, sondern gibt uns einen deutlichen Anstoß, stärkere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der Artenvielfalt zu ergreifen. Für uns ist die Zeit gekommen, die Debatte über das Verbot der Verwendung von gefährlichen Substanzen in der Bergbauindustrie wieder aufzunehmen, um diesen Tragödien ein Ende zu setzen.

Die vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit eingebrachte Entschließung zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beinhaltet viele wichtige Punkte. Ich möchte jedoch einige der Punkte hervorheben, die meiner Ansicht nach maßgeblich sind.

Zuallererst sollte das Hauptziel der Verhandlungen die Annahme ehrgeiziger, konkreter Ziele sein, die für eine Reihe von Tätigkeitsbereichen relevant sind, angefangen vom Bau- und Verkehrssektor bis hin zur Land- und Forstwirtschaft.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE). (SK) Als Mitglied des Umweltausschusses bin ich über die Ergebnisse der jüngsten Studien, die alarmierende Statistiken über den Verlust der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union zutage bringen, zutiefst besorgt.

Die Dringlichkeit dieses Problems erfordert noch größere Anstrengungen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten, daher halte ich es für unerlässlich, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten bei der Konferenz, die Ende Oktober in der japanischen Stadt Nagoya stattfindet, am gleichen Strang ziehen, um die Wirksamkeit ihrer Ansätze zu verstärken und um messbare und realistische Ziele innerhalb verbindlicher Fristen zu erreichen. Hervorheben möchte ich auch die Notwendigkeit der Sensibilisierung des Privatsektors für die wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus dem Kampf um die Erhaltung der Artenvielfalt und aus den Erträgen von Investitionen in ihre Erhaltung ergeben. Der Rückgang der Artenvielfalt schränkt bereits das Wohlbefinden der Menschen ein und verursacht Verluste in Milliardenhöhe, die bis 2050 auf mehre Billionen anwachsen sollen.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (S&D).(RO) Europa kann entsprechend ähnlicher klimatischer, topographischer, geologischer und vegetationsspezifischer Eigenschaften in neun unterschiedliche biogeografische Regionen unterteilt werden.

Der Donauraum gehört zu den bedeutendsten 20 Ökoregionen der Welt. Diese Region hat eine äußerst reiche Artenvielfalt. Dort gibt es 2000 Pflanzenarten und 5000 Tierarten. Seit 1991 gehört das Donaudelta zum Weltkulturerbe der UNESCO, und der Donauraum umfasst mehrere Sonderschutzgebiete und besondere Schutzgebiete im Rahmen des Schutzgebietssystems Natura 2000.

Da die Donau und das Donaudelta ein einzigartiges und fragiles Ökosystem bieten, in dem seltene Pflanzenarten heimisch sind, die von Umweltbelastungen bedroht sind, glauben wir, dass es für die Europäische Kommission mitunter wichtig ist, die Prognose- und Reaktionsfähigkeit in Bezug auf Überschwemmungen, extreme Dürren und unfallbedingte Verschmutzungen zu verbessern.

Die Europäische Union hat eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz der Vielfalt, insbesondere der Artenvielfalt, angenommen. Die Natur ist nicht nur ein wichtiger Teil des europäischen Erbes und bietet nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch zahlreiche wertvolle Dienste, wie etwa Wasserreinigung, Hochwasserschutz, Verhinderung der Bodenerosion, Bestäubung von Feldfrüchten und Freizeitaktivitäten.

Die Bewirtschaftung von Flächen, der schnelle Urbanisierungsprozess und die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur haben eine starke Auswirkung auf den natürlichen Lebensraum, und groß angelegte Entwässerungsprojekte beispielsweise haben zum Abbau eines Großteils natürlicher Flussauen geführt.

 
  
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  Charles Goerens (ALDE).(FR) Frau Präsidentin, die aufeinander folgenden Konferenzen über den Schutz der biologischen Vielfalt dienen statt der Lösungsfindung bestenfalls als Möglichkeit, die eher dürftige Bilanz in diesem Bereich auf dem aktuellen Stand zu halten. Ist dies eine Frage des Geldes, oder eine Frage der Verantwortung? Ich würde sagen, es ist beides.

Wälder, in denen die Mehrzahl der Arten lebt, sind unter anderem von der Korruption und der Gleichgültigkeit bedroht. Korruption – wofür die Regierungen der Entwicklungsländer ebenso verantwortlich sind wie diejenigen, die von schlechter Regierungsführung profitieren – erklärt nur teilweise das Scheitern in diesem Bereich. Was die Gleichgültigkeit betrifft, sei darauf hingewiesen, dass unsere Verbrauchsgewohnheiten in dieser Hinsicht auch nicht als neutral zu bezeichnen sind.

Wie können wir verantwortlicher handeln? Da mir nicht viel Zeit bleibt, werde ich nur ein Beispiel anführen: forstwirtschaftliche Zertifizierung. Modelle sind vorhanden. Kann die Kommission mir sagen, ob die Importbeschränkungen, sowie die Einführung der zwei forstwirtschaftlichen Zertifizierungssysteme ihrer Meinung nach dazu beitragen, den Schaden auf diesem Gebiet zu begrenzen? Gibt es eine Einschätzung, und wenn ja, könnten Sie uns ihre wichtigsten Schlussfolgerungen nennen?

 
  
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  Isabella Lövin (Verts/ALE). – Frau Präsidentin, wenn die EU in Nagoya auf irgendeine Weise glaubwürdig erscheinen soll, muss sie nicht nur strategische Pläne vorlegen, sondern auch hierzulande ihre derzeitigen Strategien befolgen.

Der Kompromissvorschlag, der derzeit von der Kommission erarbeitet wird, um den weiteren Export des akut bedrohten Europäischen Aals zu ermöglichen, einer Art gemäß Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens, obwohl sie eindeutig als Art gemäß Anhang I dieses Übereinkommens einzustufen wäre, ist einfach nur eine Schande. Der Bestand der Europäischen Aale, die eine eigene Gattung bilden, ist seit 2007 um 40 % zurückgegangen.

Wenn die EU in Nagoya oder bei der nächsten CITES-Konferenz überhaupt auf irgendeine Weise glaubwürdig erscheinen will, bleibt ihr nichts anderes übrig, als ein absolutes Export- und Importverbot für Aale zu verhängen. Sie sollte dem kleinen Fischereisektor, der Babyglasaale – bedrohte Glasaale – zum aktuellen Preis von 600 EUR pro Kilogramm nach Japan exportieren will, kein Gehör schenken.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT) Die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die wichtiger ist als irgendwelche wirtschaftlichen Aspekte, stellen ein unerlässliches ethisches Erfordernis und eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunft des Menschen selbst dar.

Angesichts der bevorstehenden Konferenz in Nagoya muss die Europäische Union hier aus ihren Fehlern lernen und den richtigen Weg einschlagen, wenn sie praktische Resultate erzielen will, anstatt mehrfache und bedeutungslose Absichtserklärungen. Unter anderem ist sie gefordert, ihre sektorbezogenen Politikbereiche grundlegend zu ändern. Der Rückgang der Vielfalt der gezüchteten Arten und angebauten Sorten muss gestoppt bzw. umgekehrt werden, wie auch die Erosion der genetischen Grundlage, von der die Nahrung abhängt. Die Verwendung landwirtschaftlicher Arten, die für bestimmte Gebiete charakteristisch sind, muss gefördert werden. Die Homogenisierung der Agrarproduktion, die Modelle, die die Ausbreitung von Seuchen forcieren, sowie die Abschaffung kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe, die aus der gegenwärtigen Agrar- und Handelspolitik hervorgehen, müssen bekämpft werden. Dies sind nur einige Beispiele. Die biologische Vielfalt und das hiermit verbundene ökologische Gleichgewicht bilden einen Teil des Erbes unseres Planeten. Ein gemeinsames Gut, das unter keinerlei Umständen in private Hände fallen darf; ein unbezahlbares gemeinsames Gut, wofür jedem das Recht gewährleistet werden muss, dieses zu benutzen.

 
  
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  Angelika Werthmann (NI). - Frau Präsidentin! 2010 ist das Internationale Jahr der biologischen Vielfalt. Auf europäischer Ebene gibt es bereits hervorragende Instrumente zum Schutz der biologischen Vielfalt. Ich denke da an das Schutzgebietsnetz Natura 2000 oder die Habitat-Richtlinie. Allerdings ist jede Idee nur so gut wie ihre Umsetzung, und diese erfolgt in vielen Mitgliedstaaten leider mehr als unzureichend.

Als Mitglieder des Petitionsausschusses werden wir immer wieder auf gravierende Missstände in ausgewiesenen Natura-2000-Gebieten aufmerksam gemacht. Die Mitgliedstaaten und die Kommission müssen auf der anstehenden Konferenz in Japan gemeinsam eine führende Rolle übernehmen. Jedoch wird uns dies irgendwann niemand mehr abkaufen. Wir müssen den Worten auch sichtbare Taten folgen lassen!

 
  
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  Radvilė Morkūnaitė-Mikulėnienė (PPE).(LT) Die Biodiversität ist ein schwieriges und komplexes Problem, das natürlich sowohl in der Europäischen Union als auch auf der ganzen Welt ein wichtiges Thema ist. In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch eine weitere Frage: Wie stellen wir ein Gleichgewicht zwischen dem Umweltschutz und dem Wirtschaftswachstum her? Das dürfte wohl die globale Frage sein, die uns am meisten Kopfzerbrechen bereitet.

Es ist bekannt, dass der Verlust der Artenvielfalt hauptsächlich auf der unverantwortlichen Wirtschaftstätigkeit des Menschen beruht. Es wird vielleicht immer argumentiert, dass die Erfordernisse des Umweltschutzes die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, weil die Standards der Europäischen Union im Gegensatz zu anderen Ländern hoch sind, was gewisse Probleme auf diesem Gebiet verursacht, und es ist natürlich schwierig, ein Gleichgewicht zu schaffen. Dennoch könnten nach wie vor gewisse Präventionsinstrumente vorhanden sein. Ich spreche über die Aktivitäten in der Europäischen Union und über den Einsatz von Analysen zur Begründung dieser Aktivitäten.

Wichtig ist, dass diese Analysen und die Umweltverträglichkeitsprüfung von hoher Qualität sind und unabhängig durchgeführt werden. Es wird natürlich schwierig werden, in Nagoya eine Übereinkunft zu erzielen, aber dennoch möchte ich der Europäischen Union und dem Mitglied der Kommission alles Gute wünschen.

 
  
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  Luís Paulo Alves (S&D).(PT) Ich begrüße die Aussprache mit dem Rat und der Kommission, in der wir die Pläne und die maßgeblichen strategischen Ziele zur Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt angesichts der bevorstehenden Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt erörtern können.

Ich hoffe, dass die Europäische Union bei dieser Konferenz eine starke und konsequente Position einnimmt, und Vorschläge über die konkreten Maßnahmen einbringt, durch die sichergestellt wird, dass der Schutz der biologischen Vielfalt zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann. Ich möchte anmerken, dass die Erhaltung der biologischen Vielfalt für die Qualität der Ökosysteme von grundlegender Bedeutung ist, direkte Auswirkungen auf wesentliche Funktionen wie die Lebensmittelproduktion oder die Verfügbarkeit von Wasser hat, sowie Erdrutschen und Überschwemmungen vorbeugt.

Abschließend würde ich politische Reaktionen begrüßen, die die Einbeziehung der biologischen Vielfalt in die Aktivitäten der Wirtschaftsbereiche, beispielsweise Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Tourismus, gewährleisten, und die den Mut und den Ehrgeiz mitbringen, dieses unbezahlbare, aber auch äußerst fragile Erbe – wie in meiner Region, den Azoren – vor Interessen von außen zu schützen, durch die es blindlings Gefahren ausgesetzt wird.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE).(ES) Frau Präsidentin, in dieser Woche erhielten wir die wundervolle Nachricht, dass über 20 000 neue Arten im Meer entdeckt wurden. Das ist es, wofür die Vertragsparteien der Konferenz in Nagoya Verantwortung übernehmen müssen, und zwar nicht nur so, dass die Arten weiterhin bestehen können, sondern dass noch mehr Arten entdeckt werden können, und nicht verschwinden, bevor wir uns ihrer bewusst sind.

Allerdings steht die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union – der Kommission, des Rates und der Mitgliedstaaten – nicht nur in Nagoya auf dem Spiel. Sie wird auch einen Monat später in Paris bei der Tagung der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik, die über die Zukunft des Roten Thuns, eine stark gefährdete Meerestierart, entscheiden wird, auf dem Spiel stehen.

Was meiner Ansicht nach wichtig ist, ist diese Konsequenz, denn das, was die Kommission bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt als gut erachtet, ist tatsächlich sehr gut, muss aber konsequent in den sektoriellen Politiken, zum Beispiel in der Fischereipolitik, angewendet werden.

Es wird wichtig und wesentlich sein, zu beobachten, wie die Konsequenz, die wir sehen werden und die wir uns erhoffen – wie für Nagoya gefordert – in Paris beibehalten bleibt, wenn wir wirklich verstehen, dass der Schutz des Roten Thuns nicht nur den Schutz eines Tieres bedeutet, sondern auch einer Lebensweise, einer Kultur, und, vor allen Dingen, einer Möglichkeit, die Welt zu sehen, die für die Menschheit steht.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE). – Frau Präsidentin, dies war eine sehr interessante Aussprache, weil wir jetzt zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der Verlust der Artenvielfalt ein Problem für die Industrieländer und die Entwicklungsländer darstellt. Gay Mitchell hat sehr beredsam über die Schwierigkeiten der Entwicklungsländer gesprochen, die im Falle einer Erosion der Artenvielfalt eintreten. Er hat sich ebenfalls positiv zu der Frage geäußert, wo Verbesserungen eingetreten sind. Um die Ernährungssicherheit in der Welt zu gewährleisten, brauchen wir eine nachhaltige Landwirtschaft in einer nachhaltigen Umwelt.

Ich glaube, ein anderer Kollege erwähnte, dass wir außerhalb der eigenen Reihen denjenigen, die Landwirtschaftsbetriebe und Ökosysteme bewirtschaften, möglicherweise nicht vermittelt haben, wie wichtig die biologische Vielfalt ist. Wir haben es versäumt, für sie zu zahlen, so wie wir für unsere Güter zahlen. Wie bereits gesagt wurde, müssen wir für die Biodiversität einen Marktwert beziffern, wenn wir den Verlust ernsthaft umkehren wollen.

 
  
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  Janez Potočnik, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, im Anschluss an die ausführliche Aussprache unserer verehrten Parlamentarier möchte ich Ihnen zunächst einmal danken, weil ich glaube, dass die Botschaften und die Erkenntnisse, die sie nicht nur mir, sondern hoffentlich der gesamten europäischen Öffentlichkeit mitgeteilt haben, mehr als deutlich sind.

Ich sollte gleich zu Beginn sagen, dass wir nichts verbergen sollten. Wir haben die Biodiversitätsziele für 2010 nicht erreicht und tragen hierfür die Verantwortung, und wir sollten es besser machen.

Es gibt im Wesentlichen zwei Richtungen, die wir einschlagen sollten und auch können. Eine ist die Richtung Europas, die andere ist die internationale Richtung von Nagoya, zu der Sie sich mehr geäußert haben. Schon bald nach der Konferenz in Nagoya aber werden wir auch einen Vorschlag über die Strategie der Europäischen Union zu der Frage vorlegen, wie wir mit diesem schwierigen Thema umgehen, und werden nachfolgend natürlich auf viele der Belange eingehen, die Sie heute hervorgehoben haben. Sie wird eine Grundrichtung beinhalten müssen, die wir derzeit schließlich haben. Sie wird messbare Ziele setzen müssen, nicht viele, aber ein paar, die dem, was wir erreichen möchten, am nächsten kommen: die besten Annäherungen an das, was wir anstreben möchten. Warum ein paar? Weil dies grundsätzlich verstanden werden muss, so dass wir das Verständnis der Bedeutung der Artenvielfalt teilen können.

Wir haben in Europa bislang eine ganze Menge getan. Ich bin sehr verhalten, wenn wir über die Umsetzung von Natura 2000 sprechen. Ich denke, dass Natura 2000 künftig immer noch einige Vorteile bringen wird, wenn wir aber über unsere Strategie sprechen, bin ich der Ansicht, dass wir ehrgeizig sein müssen, wie wir es sind, wenn es darum geht, nach außen aufzutreten, wenn es um internationale Auftritte geht.

Viele von Ihnen haben die Finanzierung angesprochen. Ich unterschätze die Frage der Finanzierung nicht, aber fixieren Sie Ihre Diskussion nicht auf die Finanzierung. Es geht um viel mehr als nur die Finanzierung und um viel mehr als nur neues Geld für die Biodiversität. Es geht um umweltschädliche Subventionen. Es geht auch um private Finanzierung. Es geht um viele der Dinge, die Sie in diesem Haus angenommen haben.

Die illegale Abholzung ist ein typisches Beispiel dafür, wie wir Holz exportierende Länder, auch in Europa, wirklich fördern und sogar finanziell unterstützen können. Ich denke, es ist äußerst wichtig, dass wir das begreifen.

Wie einige von Ihnen erwähnt haben, handelt es sich in Wahrheit und im Wesentlichen um eine moralische und ethische Frage, aber für diejenigen, die das nicht verstehen, wird es mehr als deutlich, dass es eine Frage unserer Lebensqualität und unseres wirtschaftlichen Erfolges ist. Es ist wichtig, dass auch das verstanden wird, denn dies markierte einen Wendepunkt in der Debatte über den Klimawandel, falls Sie sich erinnern.

Meiner Meinung nach ist auch wichtig, dass die Regierungen nicht nur in Europa sondern auch unserer Partner rund um die Welt wirklich verstehen, wie wichtig es ist, der Beachtung der Punkte, die wir heute in diesem Haus erörtern, Vorrang einzuräumen.

Bei der nächsten Frage, auf die ich eingehen möchte, geht es um den Zugang und den Vorteilsausgleich (ABS). Was mich betrifft, wird ABS, nachdem ich bei der Sitzung in New York praktisch mit all unseren Partnern gesprochen habe, ein wichtiger Punkt, wenn nicht gar der Durchbruch, in Nagoya sein. Daher sollten wir alle Anstrengungen für einen Durchbruch dort unternehmen. Sicherlich können Sie etwas verändern, aber es geht hier nicht nur um Sie, und nach all den Diskussionen, die wir in letzter Zeit mit den Mitgliedstaaten geführt haben, kann ich bestätigen, dass es auf Seiten der Mitgliedstaaten eine hohe Bereitschaft gibt, in diesem Punkt einen Durchbruch zu erzielen.

Bei der nächsten Frage geht es um etwas, das wir in Zukunft ebenfalls erörtern müssen, und der Umgang hiermit steht auch in engem Zusammenhang mit der Beantwortung einiger anderer Fragen. Wie Sie wissen, gab es in Rio zwei Übereinkommen. Bei dem einen ging es um den Klimawandel, bei dem anderen um die Biodiversität, und die Entwaldung – ein wichtiges Thema – wurde als gesonderter Punkt behandelt.

Sie werden zunehmend voneinander getrennt und entwickeln sich nebeneinander; immer mehr verstehen wir, dass wir sie wieder zusammenführen sollten. Viele der Punkte zur Anpassung an den Klimawandel bzw. Abmilderung seiner Auswirkungen sind mit der Biodiversität verknüpft. Red Plus umfasst sowohl den Klimawandel, als auch den Umgang mit der Biodiversität. Lassen Sie uns daher bei der Festlegung der Prioritäten zur Frage, wie wir das Geld einsetzen, das für die Aktivitäten von Red Plus vorgesehen ist, die Fragen der Biodiversität bevorzugt behandeln. Gleiches gilt für die Millenniums-Entwicklungsziele. Ich habe mich in New York mit Helen Clark getroffen und mit ihr darüber gesprochen, wie wir künftig eine bessere Kooperation zwischen der Kommission und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) erreichen können, um sicherzustellen, dass diese Punkte noch stärker miteinander verknüpft werden.

Bei dem nächsten Punkt, den einige von Ihnen hervorgehoben haben, und der meiner Ansicht nach die Grundlage aller Fragen ist, geht es um die Verankerung der Biodiversität in andere Politiken. Ich teile den Standpunkt, dass wir, wenn wir über die GAP, die Fischereipolitik, die Kohäsion und andere Politiken reden, diesen Aspekt ebenfalls berücksichtigen müssen, voll und ganz. Bezüglich der gemeinsamen Agrarpolitik – ein Thema, das Ihnen bald vorliegen wird, und über das Sie sich bald aussprechen werden – denke ich, dass wir mehr auf das Allgemeinwohl eingehen sollten. Ich bin der Ansicht, dass den Landwirten teilweise zurückerstattet werden sollte, was sie für uns tun: Sie versorgen uns mit Nahrung und dafür sind wir dankbar, aber wir sollten uns ihnen gegenüber auch für die Erhaltung der Biodiversität erkenntlich zeigen. Dies wird Thema einer wichtigen Diskussion sein, die noch vor uns liegt.

Mit den Konferenzen in Nagoya und Cancún verhält es sich ziemlich ähnlich. Es geht nicht nur um die Biodiversität; es geht nicht nur um den Klimawandel; es geht auch um den Erfolg des Multilateralismus und der Governance weltweit. Daher ist es sehr wichtig, dass wir dort Erfolge erzielen. All Ihre Forderungen an uns, mit einer Stimme zu sprechen, werden sehr wohl gehört. Wir tun alles, was möglich ist, um diese in die Realität umzusetzen, und an dieser Stelle möchte ich dem belgischen Ratsvorsitz für seine sehr konstruktive Haltung danken.

In dem nächsten Punkt, auf den ich eingehen möchte, und damit komme ich fast zum Ende, geht es um die Erwähnung von Euro und Dollar. Ich habe dies positiv aufgenommen, bin aber ein wenig besorgt, dass wir uns bei den Diskussionen über Biodiversität und internationale Hilfen mehr Gedanken um den Euro als um den Dollar machen werden.

Daher müssen wir aus Cancún schlussendlich mit einem Ergebnis hervorgehen, das ein Erfolg ist, das wir als Erfolg definieren können, und das mit Lösungen verbunden ist, denn es steht einfach zu viel auf dem Spiel. Wir haben eine Verantwortung, aber ich denke, es ist fair, zu sagen, dass auch andere eine Verantwortung haben. Zu wissen, dass das Parlament hinter uns steht, ist jedoch sehr hilfreich.

 
  
  

VORSITZ: László TŐKÉS
Vizepräsident

 
  
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  Joke Schauvliege, amtierende Ratspräsidentin.(NL) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte allen Rednern danken, die die Bedeutung der biologischen Vielfalt hervorgehoben haben. Das ist eine sehr wichtige Botschaft, die in dieser Aussprache vermittelt worden ist. In meiner Einleitung habe ich bereits viele Aspekte angesprochen, die hier erwähnt worden sind. Es gibt einige Punkte, die ich gerne genauer erörtern würde.

Zuallererst: der Ressourcenzugang und der Vorteilsausgleich (ABS). Ich möchte herausstellen, dass der Rat sich dazu verpflichtet hat, das Protokoll zum Zugang zu genetischen Ressourcen und zum gerechten Vorteilsausgleich (ABS-Protokoll) auf der Zehnten Konferenz der Vertragsparteien (COP 10) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) zu vervollständigen, da dies ein sehr wichtiger Beitrag zur Umsetzung aller Ziele des CBD wäre. Die Entwicklung und Umsetzung des ABS-Protokolls muss als integraler Teil des Verfahrens angesehen werden, das mit dem CBD im Zusammenhang steht. Während der jüngsten Gespräche in Montreal wurde auf diesem Gebiet bereits ein Fortschritt erreicht, aber es stimmt, dass noch einige andere Probleme vor der COP 10 gelöst werden müssen. Das wird eine ausreichende Flexibilität aller Verhandlungspartner, also auch in der EU, erforderlich machen.

Zweitens, was den Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments betrifft: In dieser Entschließung werden die Kernelemente der Politik im Bereich der biologischen Vielfalt behandelt: die Notwendigkeit zu Handeln, der ökonomische Wert von Ökosystemen und biologischer Vielfalt, die Gesamtziele, der Ausblick und Indikatoren für das CBD und den Strategieplan des CBD sowie die spezifischeren Aspekte wie ABS und Synergien zwischen den drei Übereinkommen von Rio etc. Diese Elemente stimmen mit den Standpunkten überein, die sich im Rat im Hinblick auf die Nagoya-Konferenz verfestigen. Die entsprechenden Schlussfolgerungen sollten auf der Tagung des Rates (Umwelt) am 14. Oktober angenommen werden.

Was die Frage zum Paket und der sektoralen Integration in Bereiche wie Landwirtschaft Fischerei betrifft, möchte ich Sie daran erinnern, dass der Rat die Kommission am 15. März ausdrücklich aufgefordert hat, ein Paket vorzuschlagen. Aus dem, was der Herr Kommissar vor kurzem gesagt hat, schließe ich, dass die Kommission an dieser Aufgabe hart arbeitet, und dass wir damit rechnen können.

Der Rat wird aufgefordert werden, die Schlussfolgerungen zur biologischen Vielfalt auf seiner Tagung am 14. Oktober, also nächste Woche, anzunehmen. Sie werden dann als politische Leitlinien für die Verhandlungen in Japan im Oktober dienen. Diese Schlussfolgerungen sollen die Grundlage für die Festlegung der wichtigen Themen für COP 10 und auch für den Standpunkt des Rates zu diesen Themen bilden: der überarbeitete, aktualisierte Strategieplan des CBD, die Verhandlungen im Hinblick auf das ABS-Protokoll, die Strategie für die Mobilisierung von Finanzmitteln, insbesondere durch innovative Finanzierungsmechanismen, die sektorale Integration und Synergien zwischen der Bekämpfung des Klimawandels, der Wüstenbildung und der Strategien zur Förderung der biologischen Vielfalt.

Ich möchte allen danken, die die Wichtigkeit dieser Themen unterstrichen haben. Ich möchte auch dem Herrn Kommissar für die bisherige konstruktive Zusammenarbeit danken, die hoffentlich im Vorfeld von und in Nagoya fortgesetzt wird.

 
  
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  Der Präsident. – Ich habe einen Entschließungsantrag erhalten(1), der gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung eingereicht wurde.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung wird am Donnerstag, dem 7. Oktober 2010, stattfinden.

 
  
  

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Elisabeth Köstinger (PPE), schriftlich.(DE) Biodiversität ist und bleibt ein wichtiges Thema für die Europäische Union. Denn Biodiversität geht Hand in Hand mit der Sicherung der europäischen Lebensmittelversorgung und steht somit für eine aussichtsreiche Zukunft für nächste Generationen. Die europäische Landwirtschaft ist sich über ihre wichtige Rolle als Förderer und Erhalter der Biodiversität bewusst. Durch CO2-Speicherung der Böden oder naturnahe Bewirtschaftung tragen unsere europäischen Landwirte aktiv zur Erhaltung der Artenvielfalt bei. Allerdings hilft alle Anstrengung nicht, wenn es zu keiner oder nur geringer Bewusstseinsbildung innerhalb der Bevölkerung kommt. Es gilt, die europäischen Bürgerinnen und Bürger über die elementare Bedeutung von Biodiversität für unsere Natur, unsere Wirtschaft, unser Leben und die Zukunft unserer Kinder zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Die Europäische Union bleibt vom Aussterben der unterschiedlichsten Arten nicht verschont. Schon heute sind unzählige Lebensarten massiv bedroht. Reagieren wir jetzt und stellen die Weichen für eine artenreiche Zukunft.

 
  
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  Rareş-Lucian Niculescu (PPE), schriftlich.(RO) Ich möchte anlässlich dieser Aussprache die wichtige Rolle des Projekts „Der ökonomische Wert von Ökosystemen und biologischer Vielfalt“ (The Economics of Ecosystems and Biodiversity, TEEB) betonen, das von einigen europäischen Staaten finanziert wird und durch das der finanzielle Wert der Natur und die Kosten des Verlustes an biologischer Vielfalt berechnet werden. Durch TEEB können wir das Bewusstsein für die Größe der damit verbundenen Herausforderungen wecken und zukünftige Entscheidungen auf diesem Gebiet vorbereiten. Ich möchte einige Fakten ansprechen, die in den neuesten TEEB-Ergebnissen vorgestellt werden. Die Kosten für die Entwaldung wachsen auf ungefähr 4,5 Bio. USD im Jahr. Nach anderen ähnlichen Schätzungen, die vor kurzem veröffentlicht wurden, ist bis zum Jahr 2000 mehr als ein Viertel der ursprünglichen biologischen Vielfalt der Welt verschwunden und man erwartet einen weiteren Verlust von über 10 % bis 2050. Ich kann Ihnen noch weitere Beispiele geben. Unter diesen Umständen könnte das Timing des Gipfels von Nagoya nicht besser sein. Ferner glaube ich, dass diese parlamentarische Aussprache auch zu einer guten Zeit stattfindet, da sie es uns ermöglicht, unseren Standpunkt für das bevorstehende Gipfeltreffen auf EU-Ebene zu harmonisieren.

 
  
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  Rovana Plumb (S&D), schriftlich.(RO) Dieses Jahr ist ein entscheidender Zeitraum für die Verstärkung der Bemühungen und des Engagements auf globaler Ebene, um dem Rückgang der biologischen Vielfalt Einhalt zu gebieten. Wir müssen diese Chance nutzen, um ein Konzept und einige klare Ziele hinsichtlich der biologischen Vielfalt und ihrer nachhaltigen Erhaltung nach 2010 zu entwickeln. Wir müssen einen starken gemeinsamen Standpunkt festlegen und sicherstellen, dass die Europäische Union an zukünftigen Verhandlungen auf internationaler Ebene aktiv partizipiert. Ein langfristiges globales Konzept muss die Verflechtungen zwischen biologischer Vielfalt, Ökosystemleistungen, dem Klimawandel, der Wüstenbildung, wirtschaftlichem Wohlstand und der Gesundheit und dem Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen. Das Erreichen der vorgeschlagenen Ziele auf dem Gebiet der biologischen Vielfalt hängt ab von der Mobilisierung der notwendigen Mittel zur angemessenen Umsetzung der Maßnahmen zur Förderung der Erhaltung und der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen. In diesem Zusammenhang unterstützt Rumänien ein stärkeres Engagement des privaten und öffentlichen Sektors, um innovative Lösungen und Mechanismen zur Finanzierung der biologischen Vielfalt zu finden.

 
  
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  Pavel Poc (S&D), schriftlich.(CS) Der Homo sapiens produziert von allen biologischen Arten den meisten Abfall. Industrielle Umweltverschmutzung, Siedlungsabfälle, CO2-Produktion, Lärm, Lichtverschmutzung, Umweltverschmutzung durch Wärme und all die anderen bekannten und unbekannten Abfallprodukte unserer Zivilisation tragen zur Schaffung eines gewaltigen ökologischen Fußabdrucks bei. Die Auswirkungen des ökologischen Fußabdrucks unserer Art führen dazu, dass gewisse andere Arten im Ökosystem unseres Planeten aufhören zu existieren. Das ist die Basis für den aktuell stattfindenden Rückgang der biologischen Vielfalt. Die biologische Vielfalt ist die grundlegende Voraussetzung für das Bestehen des Ökosystems unseres Planeten in dem metastabilen Zustand, den wir kennen und der das Bestehen unserer eigenen Zivilisation ermöglicht. Die Abhängigkeit und Verflechtung unserer Existenz mit anderen Lebensformen auf unserem Planet werden vernachlässigt, unterschätzt und heruntergespielt. Wenn die biologische Vielfalt zurückgeht, wird auch die Leistungsfähigkeit des Ökosystems unseres Planeten zurückgehen. Das Ökosystem wird weniger widerstandsfähig und veränderungsanfälliger werden, was auch sprunghafte Veränderungen einschließt. Irgendwann wird es dann in einen anderen Zustand kippen. Die Frage ist, ob es möglich sein wird, dass unsere Zivilisation oder die Gesamtzahl der gegenwärtig auf der Erde lebenden Menschen in diesem Zustand weiterbestehen werden können, und ob unsere biologische Art überhaupt weiterbestehen kann.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geht es nicht mehr um die eine oder andere Tierart oder um den Schutz eines einzelnen Ökosystems. Es geht hier um den Erhalt unserer eigenen Art, unseres eigenen Ökosystems. Leider benehmen wir uns immer noch wie ein Krebspatient. Wir belügen uns selbst und wir versäumen es, die Maßnahmen einzuleiten, die unser Leben retten könnten.

 
  

(1) Siehe Protokoll


13. Bestimmungen des Vertrags von Lissabon im Sozialbereich (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Sozialvorschriften im Vertrag von Lissabon.

 
  
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  Philippe Courard, amtierender Ratspräsident.(FR) Herr Präsident! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, im Namen von Frau Onkelinx, der stellvertretenden Ministerpräsidentin, zum Thema der verschiedenen neuen Perspektiven auf soziale Angelegenheiten sprechen zu dürfen, die der Vertrag von Lissabon bietet.

Ich denke wirklich, dass wir berücksichtigen sollten, welche Fortschritte in sozialer Hinsicht im Europarecht erzielt worden sind. So schreibt Artikel 9 des Vertrags eine horizontale Sozialschutzklausel vor, die die europäischen Institutionen dazu verpflichtet, Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung zu tragen.

Diese Bestimmung beruht auf der Erklärung in Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags, dass der europäische Binnenmarkt auf der Grundlage einer sozialen Marktwirtschaft errichtet werden soll, die in hohem Maße wettbewerbsfähig ist und auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt.

In Artikel 9 wird dementsprechend gefordert, dass bei der Festlegung aller europäischen Politiken von nun an die soziale Dimension berücksichtigt wird. Es geht hier um die Wiederherstellung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen den Aspekten, die wir in die Praxis umsetzen werden müssen. Dies ist ein wichtiges Querschnittsziel des belgischen Ratsvorsitzes.

In Zukunft werden wir die sozialen Auswirkungen der Politiken, die auf europäischer Ebene entwickelt werden, dann viel stärker berücksichtigen müssen. Wir müssen einerseits das Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union maximieren, gleichzeitig aber auch die faire und gerechte Verteilung der Früchte dieses Wachstums an die Allgemeinheit gewährleisten, und wir müssen dem Schicksal der schwächsten Bevölkerungsgruppen besondere Aufmerksamkeit schenken.

Wir müssen außerdem die soziale Dimension der Europa-2020-Strategie berücksichtigen, die die Europäische Union, wie Sie wissen, auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni verabschiedet hat. Diese Strategie, die auf Beschäftigung und Wachstum ausgerichtet ist, hat wirtschaftliche, soziale, beschäftigungs- und umweltpolitische Dimensionen. Sie basiert auf einer begrenzten Anzahl von quantifizierten Zielvorgaben und einigen Leitlinien.

Von den fünf Zielvorgaben, die festgelegt worden sind, ist eine speziell der Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung gewidmet. Ziel ist es, bis 2020 mindestens 20 Mio. Menschen in der Europäischen Union aus der Armut herauszuführen. Zusammen mit Leitlinie 10 bildet sie den sozialen Grundpfeiler der Strategie.

Auch wenn wir vielleicht von dem Mangel an Ehrgeizig enttäuscht sind, der sich darin widerspiegelt, wird darin dennoch der Wunsch deutlich, ein spezifisches und klar erkennbares Ziel zu erreichen, was auf diesem Gebiet neu ist, und sie führt eine neue Dynamik ein, die wir ausnutzen müssen. Die Mitgliedstaaten werden jedes Jahr in ihren Nationalen Reformprogrammen über die bei der Umsetzung dieses Ziels erreichten Fortschritte berichten müssen.

Ich war schon immer der Ansicht, dass der größtmögliche Nutzen aus dieser sozialen Dimension der EU-2020-Strategie gezogen werden sollte. Ich will, dass der belgische Ratsvorsitz ein sozialer Ratsvorsitz par excellence wird. In diesem Zusammenhang bietet die Europa-2020-Strategie die Gelegenheit, eine gute Sichtbarkeit zu erreichen: eine europäische Sozialpolitik. Das wird eine echte Herausforderung sein, da die Mitgliedstaaten gerade damit beschäftigt sind, ihre Reformpläne festzulegen und damit auch ihre Strategien, durch die sie die quantifzierten Zielvorgaben erreichen wollen, und gleichzeitig arbeiten sie auch an ihren nationalen Haushalten, die ihre finanzielle Freiheit einschränken.

Außerdem ist die Finanzkrise noch nicht lange her und die wirtschaftliche Erholung wird nur langsam spürbar. Daher müssen wir sicherstellen, dass die Haushaltskonsolidierung sich nicht negativ auf die Beschäftigung und Sozialpolitik auswirkt. Die EU-2020-Wachstumsstrategie muss nachhaltig und integrativ sein. Sie darf nicht durch Wachstum ohne Arbeitsplätze charakterisiert sein; sie muss die Bekämpfung der Arbeitsplatzunsicherheit zum Ziel haben. Die Bekämpfung der Armut muss also wirklich unser Hauptanliegen sein.

Im Rat arbeitet der belgische Ratsvorsitz hart daran, dass diese Dynamik funktioniert, ist sich aber auch der Rolle bewusst, die die Kommission in diesem Zusammenhang spielen muss. Wir möchten die Kommission dringend bitten, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden. Ich denke hierbei an die Leitinitiativen, die sie annehmen muss, insbesondere die Plattform für die Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung, die eine breitere Perspektive auf die sozialen Herausforderungen bieten muss, vor denen Europa steht.

Die Kommission muss unter anderem diese Methode nutzen, um uns Wege vorzuschlagen, wie wir speziell die in Artikel 9 des Vertrags von Lissabon enthaltene neue horizontale Sozialklausel umsetzen können.

Wie Sie sehen können, ist der belgische Ratsvorsitz sehr ehrgeizig, aber ich denke wirklich, dass er die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Mitbürger erfüllen wird. Ohne eine soziale Dimension ist das europäische Projekt zum Scheitern verurteilt. Hier müssen Sie auch Ihre Aufgabe erfüllen, indem Sie die Debatte über diese Strategie weiterführen, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch, indem Sie die soziale Dimension in Ihren jeweiligen Heimatländern herausstellen.

 
  
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  László Andor, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Die in Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankerte horizontale Sozialklausel besagt: „Bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen trägt die Union [u. a.] den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes [und] mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung [...] Rechnung.“ Die Kommission ist fest entschlossen, diese Klausel u. a. durch die verbesserte Abschätzung der sozialen Folgen als Teil ihres allgemeinen Folgenabschätzungssystems umzusetzen.

Was die besondere Situation der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse betrifft, ist die Kommission der Ansicht, dass es wichtig ist, für die Behörden in den Mitgliedstaaten Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Kommission hält es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht für notwendig, eine Taskforce aus vielen Interessenträgern zu bilden, um die Schwierigkeiten zu lösen, auf die einige Anbieter von Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse bei der Auslegung der Binnenmarktvorschriften stoßen.

Die Kommission ist sich bewusst, dass eine bedeutende Zahl an Behörden und Interessenträgern die für die Sozialdienstleistungen geltenden EU-Vorschriften als ein Hindernis für den Aufbau und die Finanzierung solcher Dienstleistungen ansieht. Die Konsultationen mit Behörden und Interessenträgern haben jedoch gezeigt, dass die geltenden Vorschriften die Besonderheiten der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu einem großen Teil berücksichtigen. Die gemeldeten Probleme beruhen oft auf einem mangelnden Bewusstsein über die Rechtsvorschriften und ihrer mangelnden Kenntnis oder über die Art und Weise, wie diese Rechtsvorschriften umgesetzt werden sollen.

Aus diesem Grund hat die Kommission eine Strategie eingeführt, zu der auch der interaktive Informationsdienst, Dokumente über häufig gestellte Fragen und die Weiterbildungsinitiative für lokale Behörden gehören. Die Kommission führt momentan eine Aktualisierung der Dokumente über häufig gestellte Fragen durch. Sobald diese Aktualisierung abgeschlossen ist, wird die Kommission sie den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern im Ausschuss für Sozialschutz vorstellen.

Ein weiteres Forum zur Diskussion mit den Mitgliedstaaten ist die Beratungsgruppe für öffentliche Auftragsvergabe. Eine öffentliche Anhörung zum Paket zu den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, das die Klärung und Vereinfachung der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen für diese Dienste zum Ziel hat, wurde soeben beendet. Die Kommission wird ihre Bewertung der eingereichten Beiträge dem Parlament, dem Ausschuss der Regionen, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Mitgliedstaaten mitteilen. Wie die Kommission bereits wiederholt erklärt hat, werden die Besonderheiten der Sozialdienstleistungen bei der Überprüfung des Pakets angemessen gewürdigt werden.

Außerdem hat die Kommission in den letzten Jahren mit den wichtigsten Interessenträgern, vor allem im Ausschuss für Sozialschutz und der Interfraktionellen Arbeitsgruppe „Öffentliche Dienste“ des Europäischen Parlaments, einen fruchtbaren Dialog über mögliche Anpassungen der geltenden EU-Rechtsvorschriften geführt. Im Juli hat die Kommission an einer vom belgischen Ratsvorsitz organisierten Konferenz mit den Mitgliedstaaten und verschiedenen Interessenträgern teilgenommen. Diese Diskussionen haben wieder einmal gezeigt, dass, obwohl ein starkes und legitimes Interesse an einer genauen Abstimmung bestand, es keine wirkliche Notwendigkeit zur Veränderung der grundlegenden Struktur der geltenden EU-Rechtsvorschriften gab, um sie an die Besonderheiten der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse anzupassen. Die Kommission ist sich in diesem Zusammenhang bewusst, dass der belgische Ratsvorsitz einige Vorschläge im Hinblick auf die Klärung und Anpassung der geltenden Vorschriften eingebracht hat. Die Kommission prüft diese Vorschläge sorgfältig.

Ich denke auch, dass das Dritte Forum über die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, das am 26. und 27. Oktober unter der Schirmherrschaft des belgischen Ratsvorsitzes organisiert werden wird, eine Gelegenheit bieten wird, um diese Vorschläge und möglicherweise auch andere zu diskutieren.

Die Kommission arbeitet außerdem im Ausschuss für Sozialschutz an einem Qualitätsrahmen für soziale Dienstleistungen, der auf freiwilliger Basis angewendet werden soll. Die Kommission hat sehr eng mit den wichtigsten Interessenträgern, Sozialpartnern, lokalen Behörden, Anbietern und Nutzern von Dienstleistungen zusammengearbeitet, um solch einen Qualitätsrahmen auszuarbeiten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kommission fest entschlossen ist, die neue horizontale Sozialklausel umzusetzen, und zwar auch hinsichtlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse.

Wie ich bereits erklärt habe, gibt es zahlreiche Foren für Diskussionen und den Dialog mit den Interessenträgern der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse. Die Kommission sieht daher keine Notwendigkeit, eine spezielle Taskforce zu bilden. Die Kommission ist jedoch fest entschlossen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, mit denen einige Anbieter von Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse bei der Auslegung der Binnenmarktvorschriften konfrontiert sind, zu denen auch die Binnenmarktakte gehört, die die Kommission bis Ende Oktober annehmen will.

 
  
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  Andreas Schwab, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Lissabon-Vertrag hat der Europäischen Union keine grundlegend neuen Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik gegeben. Artikel 9 – der Vertreter des Rates hat darauf hingewiesen – ergänzt die bestehenden Kompetenzen im Sinne des Grundprinzips der sozialen Marktwirtschaft, das für die EVP-Fraktion sehr wichtig ist und das wir in den Europäischen Konvent, der den Lissabon-Vertrag ja im Wesentlichen vorbereitet hat, eingebracht haben.

Zweitens: Die Europäische Kommission hat mit der Berichterstattung vom ehemaligen Kommissar Mario Monti unter der Überschrift „Putting citizens at the heart of the Union“ einen interessanten und wertvollen Beitrag dafür geleistet, wie es gelingen kann, die großen positiven Impulse des Binnenmarktes mit sozialen Elementen des gemeinsamen Verbrauchermarktes zusammenzuführen. Und deswegen, Herr Kommissar Andor, freuen wir uns erwartungsvoll auf den sogenannten single market act, den Kommissar Barnier gerade ausarbeitet. Wir glauben, dass darin in der Tat das Paket Monti-Kroes konstruktiv aufgegriffen werden kann. Wir sind aber skeptisch, ob die Öffnung der Vergaberichtlinien und die Schaffung einer Konzessionsrichtlinie wirklich am Ende dazu führt, dass wir den europäischen Binnenmarkt in die richtige Richtung stellen, denn klar ist, dass wir klar gegen eine Aufblähung des öffentlichen Sektors eintreten.

Das ist umso wichtiger – und der Ratsvertreter hat darauf hingewiesen –, so groß und so bedeutsam die consolidation sociale sein mag, so wichtig ist eben auch, und ich sage das als Vertreter der jüngeren Generation in diesem Parlament, dass wir sämtliche Schattenhaushalte – Professor Bernd Raffelhüschen aus Freiburg spricht davon, dass wir eine Reihe von versteckten Haushalten haben, was die Pensions- und Rentenlasten angeht – in die Betrachtung der consolidation sociale miteinfließen lassen und eine Politik machen, die auch der jungen Generation für die nächsten Jahrzehnte eine faire Chance bietet.

Deswegen glaube ich, dass wir gemeinsam – und darauf hat ja auch der Ratsvertreter hingewiesen – vor großen Aufgaben stehen,. dass das Europäische Parlament und die EVP-Fraktion sich dieser Herausforderung gemeinsam gegenüber sehen, und dass wir alles dafür tun sollten, um die Bemühungen der Europäischen Kommission, um dieses Paket von Maßnahmen für den Binnenmarkt und auf der anderen Seite auch von sozialen Maßnahmen, die diesen Binnenmarkt abrunden müssen, vor dem Hintergrund der sozialen Marktwirtschaft zu unterstützen. Und deswegen freue ich mich auf die weitere Debatte und danke für die Aufmerksamkeit.

 
  
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  Proinsias De Rossa, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Rat und der Kommission für ihre heutigen Erklärungen danken und ich möchte der ALDE-Fraktion, der Verts/ALE-Fraktion und der GUE/NGL-Fraktion für ihre Unterstützung danken, dieses Thema auf die heutige Tagesordnung zu bringen.

Die neuen Sozialklauseln beziehen sich nicht ausschließlich auf Dienste von allgemeinem Interesse, wie heute Nachmittag in dem Redebeitrag der EVP unterstellt worden ist. Was die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse angeht, müssen wir in dieser Angelegenheit, die über viele Jahre heftig debattiert worden ist, Schlussfolgerungen ziehen, statt immer wieder alte Argumente aufzuwärmen.

Als Berichterstatter über die Zukunft der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse freue ich mich darauf, mit all den Fraktionen zusammenzuarbeiten, die anerkennen, dass der Bedarf nach einer starken sozialen Marktwirtschaft besteht, und ich hoffe, konkrete Vorschläge einbringen zu können, um die Anbieter von Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse aus ihrer Zwangslage zu befreien.

Wie Sie sicherlich wissen, hegen die Bürgerinnen und Bürger Europas seit der Annahme des Vertrags von Lissabon große Hoffnungen hinsichtlich der Entwicklung einer kohärenteren und dynamischeren sozialen Dimension der europäischen Politiken und Rechtsvorschriften. Tatsächlich betraf eine der wichtigen Debatten in Irland während des Referendums über den Vertrag von Lissabon die neuen Sozialklauseln, zu denen Artikel 3, Artikel 9, Artikel 14 und das Sozialprotokoll und viele andere gehören, die sich auf Behinderungen und Gleichberechtigung beziehen.

Es ist immer wichtig, dass wir den Erwartungen unserer Bürgerinnen und Bürger gerecht werden. Zu dieser Zeit der Wirtschafts- und Sozialkrise ist es für die vielen Millionen unserer Bürgerinnen und Bürger, die wegen der Krise und der eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise bereits ihre Arbeitsplätze, Häuser, Ersparnisse, Renten, ihr öffentliches Gesundheitswesen und die Bildungsmöglichkeiten für ihre Kinder verloren haben und für die vielen, die dies alles noch verlieren werden, doppelt so wichtig, dass wir dies tun.

Es hätte einen sehr destabilisierenden Effekt auf die Europäische Union, wenn das Kommissionskollegium und der Europäische Rat der Ansicht sein sollten, dass die neuen Artikel des Vertrages nichts ändern, und wenn sie soziale Ziele weiterhin als zweitrangig gegenüber Marktzielen behandeln würden. Wenn wir unsere Verantwortung nicht wahrnehmen, dann warten bereits extrem xenophobe und intolerante politische Parteien auf ihre Chancen, um aus der vorhandenen Wut und der Unzufriedenheit Kapital zu schlagen.

Mein konkretes Anliegen an die Kommission und an den Rat heute ist, anzuerkennen, dass wir einen dynamischen Prozess brauchen, um Fortschritte im Hinblick auf Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu erzielen, insbesondere im Hinblick auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse.

Ich nehme die heutige Erklärung des Herrn Kommissars mit Bedauern zur Kenntnis. Ich hoffe, dass ich ihn in den kommenden Monaten überzeugen kann, dass er Unrecht hat, dass wir einen dynamischen Prozess brauchen, dass wir eine hochrangige Taskforce brauchen, zu der nicht nur er selbst und Mitglieder anderer Generaldirektionen gehören, sondern auch Mitglieder der Zivilgesellschaft, der Gewerkschaften, des Rates und des Ausschusses der Regionen.

Wir brauchen einen Mechanismus, der den Wandel vorantreibt, den alle anerkennen. Herr Kommissar, Sie und Herr Barroso haben gesagt, dass die Interessenträger Ihnen anscheinend berichten, dass es kein echtes Problem gibt. Die Interessenträger berichten mir etwas anderes. Ich habe in den letzten sechs Monaten Dutzende von ihnen getroffen. Sie berichten mir, dass es administrative Probleme und rechtliche Probleme gibt, und dass sie dringend gelöst werden müssen. Ich befürchte, dass sie auf der Basis dessen, was Sie und der Rat heute hier gesagt haben, nicht vordringlich gelöst werden. Wie ich bereits gesagt habe, hoffe ich, dass ich in den kommenden Monaten Ihre Ansicht ändern kann. Es gibt jedoch die dringende Notwendigkeit nach einem Mechanismus, einem Mechanismus auf hoher Ebene, der die Interessenträger einschließt und sicherstellt, dass die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, getroffen werden und umgesetzt werden.

Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass das Parlament an diesem Prozess beteiligt ist. Wir müssen bedenken, dass wir den Anliegen der Bürger Rechnung tragen müssen, und zeigen müssen, dass es Europa ernst ist damit, eine soziale Marktwirtschaft zu schaffen, und nicht nur einen Binnenmarkt.

 
  
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  Marian Harkin, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich habe eine abgegriffene Ausgabe des Vertrags von Lissabon voller Notizen, Unterstreichungen, Eselsohren und Teeflecken. 12 Monate lang war sie mein ständiger Begleiter auf Reisen, als ich versucht habe, die irischen Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen, mit „ja“ zu stimmen. Wenn die irischen Bürgerinnen und Bürger mich gefragt haben, warum sie mit „ja“ stimmen sollten, war einer der fünf wichtigsten Gründe, die ich ihnen gab, die Tatsache, dass dieser Vertrag zu einem sozialeren Europa führen würde.

Erst vor 12 Monaten haben wir diesen Vertrag ratifiziert und jetzt müssen wir als Politiker unsere Versprechen halten. Wir haben über die neue horizontale Sozialklausel gesprochen – Artikel 9 –, durch die die EU verpflichtet wird, bei der Erarbeitung ihrer Strategien die sozialen Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu berücksichtigen. Dies ist ein bereichsübergreifendes Ziel, und es gibt uns einen größeren Spielraum, um bei der Erlassung, Änderung und Umsetzung von Rechtsvorschriften der EU ehrgeiziger zu sein, aber Artikel 9 garantiert nicht die erwünschten Ergebnisse der politischen Maßnahmen. Er ist ein mächtiges Instrument, das uns zur Verfügung steht, aber wir müssen uns selber fragen, ob wir es wirklich benutzen wollen, oder ob es nur Dekoration ist.

Die Sozialpolitik wurde in die ursprünglichen Verträge nur unzureichend eingebaut, aber ich denke, dass sie im Vertrag von Lissabon einen größeren Stellenwert hat. Abgesehen vom Protokoll über Dienste von allgemeinem Interesse wurde auch Artikel 14 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erwähnt. Dadurch wird die gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten und der EU hinsichtlich der Dienste von allgemeinem Interesse ganz klar festgelegt. Bisher hat die EU die Binnenmarktvorschriften angewendet, aber Artikel 14 legt fest, dass „die Union und die Mitgliedstaaten [bei der Anwendung der Verträge] [...] dafür Sorge [tragen], dass die Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene wirtschaftlicher und finanzieller Art, für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass diese ihren Aufgaben nachkommen können.“ Das stellt eine Veränderung der EU-Politik dar und muss sich auch in den Mitteilungen und Vorschlägen der Kommission widerspiegeln.

Außerdem wird die Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierung immer noch im Rat blockiert. Das ist eine wichtige Richtlinie. Es ist notwendig, dass sie umgesetzt wird. Während also die fundamentalen Grundsätze festgelegt werden und soziale Rechtsvorschriften durch den Vertrag von Lissabon geschützt werden, ist die zukünftige Richtung der Sozialpolitik noch nicht endgültig entschieden. Wir, die Kommission, der Rat und das Parlament, können und müssen die Instrumente, die uns der Vertrag von Lissabon zur Verfügung stellt, nutzen.

 
  
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  Karima Delli (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, Herr Courard, Herr Kommissar! Das wichtigste Ziel der Europäischen Union, ein Ziel, das auch im Vertrag von Lissabon Erwähnung findet, ist die Entwicklung einer sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt ausgerichtet ist. Er enthält daher eine horizontale Sozialklausel, die festlegt, dass die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines angemessenen sozialen Schutzes sowie die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung bei der Festlegung und Umsetzung aller EU-Strategien richtungsweisend sein müssen.

Die Anerkennung der sozialen Rechte und insbesondere des Rechts auf Zugang zu Diensten von allgemeinem Interesse wird in der Charta der Grundrechte verbindlich festgelegt. Die Charta enthält Rechte und Grundsätze wie das Recht auf Zugang zu Geldleistungen der Sozialversicherung, Wohngeld und Sozialdienstleistungen.

Wie können Sie kurz vor dem Dritten Forum zu Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, das durch das Parlament initiiert wurde, behaupten, dass bei der Anwendung der Bestimmungen des Vertrags von Lissabon nur die Vorschriften, die sich auf den Wettbewerb und den Binnenmarkt beziehen, auf diese Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse angewendet werden müssen, ohne Anpassungen an ihre besonderen Organisations- und Finanzierungsformen vorzunehmen?

Ist es nicht so, dass zum Beispiel die Dienstleistungsrichtlinie die Rolle der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse mit einer starken lokalen Basis bestehend aus Gemeindemitgliedern, die nicht nach finanziellem Gewinn streben, infrage stellt? Wann werden Sie aufhören, den Kopf in den Sand zu stecken, und wann werden Sie endlich Ihre Verantwortung als Mitgesetzgeber in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des neuen Artikels 14 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union wahrnehmen?

 
  
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  Lothar Bisky, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Ich will eingestehen, dass sich der Lissabon-Vertrag und seine sozialen Festlegungen ganz gut lesen. Aber wir dürfen nicht übersehen, dass Hunderttausende in Brüssel und in anderen europäischen Städten auf die Straße gegangen sind. Sie haben protestiert gegen eine verfehlte, unsoziale Krisenpolitik.

Kaum ist die schlimmste Krise verebbt, schallt es aus vielen Regierungen: Die Staatsverschuldung muss zurückgedrängt werden. Die Rettungsschirme sollen zugeklappt, Investitionsprogramme abgeschafft werden. Die Kommission fordert, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verschärfen. Staaten, in denen vernünftige Löhne und Gehälter gezahlt werden, in denen der Arbeitsmarkt noch Regeln folgt, oder deren Sozialsysteme zu sozial – sprich zu teuer – sind, sollen bestraft werden. Die Bankster machen weiter wie vorher. Renten und Löhne sollen gekürzt, Verbrauchsteuern eventuell erhöht werden. Beiträge zur sozialen Krankenversicherung steigen bei weniger Leistungen.

Seit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Fällen Viking, Laval und Rueffert fürchten nicht nur die Gewerkschaften, dass die soziale Balance der EU in eine Schieflage gekommen ist. Die Forderung der Gewerkschaft nach einer sozialen Schutzklausel verdient die volle Unterstützung. Arbeitnehmerrechte, Gewerkschaftsrechte sowie sozialer Schutz müssen mindestens den gleichen Stellenwert und ja, den Vorrang vor Dienstleistungsfreiheit und Binnenmarkt genießen. Das muss im Primärrecht deutlich festgehalten werden. Ich erwähne diese Fakten, weil die Paragraphen allein sich gut lesen, aber in der Wirklichkeit nichts verändern.

Menschenwürde ist ohne soziale Mindeststandards nicht zu gewährleisten. Eine soziale Fortschrittsklausel würde das stark gesunkene Ansehen der Europäischen Union bei der Bevölkerung wieder steigern und soziale Ängste eindämmen helfen.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Wir verzeichnen im Gebiet der Europäischen Union eine meines Erachtens besorgniserregende Entwicklung, in der immer mehr Menschen in Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit und McJobs getrieben werden und in der die sozialen Rechte der Arbeitnehmer in den Hintergrund zu geraten scheinen. Nicht nur, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung Arbeitnehmerschutzstandards zu beschneiden scheint. Es ist auch nicht möglich, etwa sozial engagierte Unternehmer bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu bevorzugen.

Mit dem Vertrag von Lissabon hätte alles besser werden sollen, haben wir gehört, von einer sozialen Kehrtwende aber ist meines Erachtens wenig zu merken. Beispielsweise wird über den Europäischen Sozialfonds versucht, wirtschaftliche und soziale Unterschiede zwischen den Mitgliedern zu verringern. Wenn allerdings die Abrechnung und Abwicklung der Projekte in vielen Regionen Probleme bereitet, verfehlt der Fonds sein Ziel. Und überhaupt gehen die Freiheiten des Binnenmarkts allzu oft nur mit den Freiheiten der multinationalen Konzerne einher, die die Arbeitgeber vor Ort, also die Klein- und Mittelbetriebe verdrängen. Das muss sich meines Erachtens möglichst rasch ändern.

 
  
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  Jean-Paul Gauzès (PPE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Vertrag von Lissabon setzt unzweifelhaft neue soziale Ziele für Europa. Die nachhaltige Entwicklung in Europa beruht auf der hohen Wettbewerbsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft, was Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt, die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung, die Förderung von Gerechtigkeit und die Beseitigung der Armut beinhaltet. Der Vertrag von Lissabon bestätigt die Rolle der Sozialpartner und fördert den sozialen Dialog zwischen den Gewerkschaften und den Vertretern der Arbeitgeberorganisationen auf europäischer Ebene.

In Bezug auf diese verschiedenen Punkte ist die tatsächliche Situation bestimmt nicht so, wie sie von einigen Rednern in diesem Parlament beschrieben wurde. Heute können wir die Lage dramatisieren; es ist wahr, dass es besorgniserregende Zustände gibt, dass die Krise noch nicht vorbei ist, und dass dies Folgen hat. Europa leitet jedoch Maßnahmen auf diesem Gebiet ein – die wir unseren Bürgerinnen und Bürgern erklären müssen –, um insbesondere im Finanzsektor eine gewisse Ordnung zu schaffen, und Europa gehört in dieser Hinsicht zu den ersten, die sich bemühen, diesen Sektor auf der Basis unserer Arbeit zu organisieren.

Erlauben Sie mir einige kurze Kommentare. Insbesondere hinsichtlich der Dienste von allgemeinem Interesse sage ich ganz klar, dass wir besondere Umstände in den Mitgliedstaaten berücksichtigen sollten, weil es zutrifft, dass einige unserer Mitbürger etwas beunruhigt sind – ich denke da zum Beispiel an die französischen Bürgerinnen und Bürger –, wenn sie, zu Unrecht, das Gefühl haben, dass Europa die öffentlichen Dienste gefährdet, die eine französische Tradition darstellen. Ebenso sollten wir in Bezug auf öffentliche Aufträge die individuellen Umstände berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf die Aufträge, die die Zusammenarbeit zwischen mehreren Behörden ermöglichen.

Dennoch hängt die Sozialpolitik vom Zustand der Wirtschaft und vom Wirtschaftswachstum ab. Das ist das Hauptziel einer sozialen Marktwirtschaft.

 
  
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  Elizabeth Lynne (ALDE). – Herr Präsident! Anders als andere Redner glaube ich nicht, dass der Vertrag von Lissabon auf dem Gebiet der Sozialpolitik ebenso viel verändert wie in einigen anderen Politikbereichen.

Auf dem Gebiet der Beschäftigung gibt es schon seit vielen Jahren das Mitentscheidungsverfahren, aber da die Titel-II-Bestimmungen allgemeine Gültigkeit haben, wird in Artikel 9 u. a. auf den Schutz der menschlichen Gesundheit hingewiesen. Eine Richtlinie, die das berührt, ist die Richtlinie über elektromagnetische Felder, und ich weiß, dass sich die Kommission damit beschäftigt. Wenn wir die Richtlinie über elektromagnetische Felder das gesamte Verfahren im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten durchlaufen lassen, dann müssen wir sicherstellen, und ich hoffe, die Mitgliedstaaten werden in diesem Punkt zustimmen, dass auch moderne Kernspintomographen benutzt werden können.

Artikel 10 unter Titel II betrifft die Bekämpfung von Diskriminierung. Wie einige andere Redner bereits gesagt haben, ist es sehr wichtig, dass wir sicherstellen, dass der Rat seine Blockade der horizontalen Richtlinie über den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen aufhebt, und dass diejenigen Mitgliedstaaten, die diese Richtlinie blockieren, ihre Einwände beiseiteschieben, damit wir eine echte Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierung in Bezug auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen haben.

 
  
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  Patrick Le Hyaric (GUE/NGL) . – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Bei der Anwendung des Vertrags von Maastricht sieht das vorherrschende Prinzip überhaupt nicht so aus, wie Sie es beschrieben haben: es ist weder Artikel 9 noch Artikel 14 zum Schutz der öffentlichen Dienste. Es ist eher das Prinzip des Wettbewerbs, des uneingeschränkten Freihandels, der Schwächung des sozialen Schutzes, der Senkung der Renten und der Löhne und Gehälter sowie der Ablehnung einer fairen Steuerharmonisierung.

So ist zum Beispiel dieses Jahr zum Europäischen Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung erklärt worden. Lassen Sie uns genau auflisten, was Sie getan haben, das im Widerspruch dazu steht, verehrte Mitglieder der Kommission und des Rates. Die in den letzten Tagen gefällten Entscheidungen, durch die uns extreme Sparmaßnahmen aufgezwungen werden, und die Tatsache, dass die Kommission sich als veritables Tribunal gebärdet, um diese zu verwirklichen, stehen im Widerspruch zu jedem einzelnen sozialen Projekt. Anstatt zu glauben, dass Sparmaßnahmen und Sozialabbau die Europäische Union aus der Krise herausführen werden, denke ich, dass wir einer ganz anderen Logik folgen sollten; nämlich genau der gegenteiligen Logik. Sozialer Fortschritt wird zur Beendigung der Krise führen.

Ich würde Ihnen daher gerne einen Vorschlag machen, den ich zur weiteren Erörterung in die Debatte einfließen lassen möchte. Der Vorschlag beinhaltet die Schaffung eines neuen Systems, das der Europäischen Zentralbank erlauben würde, bei Bedarf die Schulden der Mitgliedstaaten vollständig oder teilweise aufzukaufen – auch durch die Ausgabe von Geld, wie es momentan alle Banken auf der Welt tun – und gleichzeitig einen europäischen Fonds für die menschliche, soziale und Umweltentwicklung aufzubauen.

Gestützt durch die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank sollte es dieser Fonds ermöglichen, dass die öffentlichen Dienste – oder auch die kommunalen Dienste von allgemeinem Interesse – erweitert werden, und sollte auch Unterstützungsmaßnahmen für die Industrie, Forschung und Weiterbildung bereitstellen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Der erhöhte Druck, den die Kommission und die europäischen Großmächte auf Länder mit schwächeren Volkswirtschaften und einem höheren Armutsniveau ausüben, läuft allen Grundsätzen des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zuwider, über die der belgische Ratsvorsitz hier im Namen der sogenannten „Sozialklausel“ des Vertrags von Lissabon – Artikel 9 – gesprochen hat.

Die Wahrheit ist, dass es erst dann möglich war, sich von den irrationalen Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu entfernen, als es für die Mitgliedstaaten notwendig wurde, ihre Banken aufgrund der Probleme, unter denen sie wegen des Giftmülls, den sie erzeugt haben, litten, zu unterstützen. Jetzt, wo die Banken Milliarden Euro an staatlichen Beihilfen aufgesaugt haben und die öffentliche Schuld der Länder mit den größten Schwierigkeiten in die Höhe geschossen ist, setzt der Druck zur Reduzierung der Schulden und der Defizite wieder ein, ohne Rücksicht auf Beschäftigung, soziale Eingliederung oder das universelle Recht auf Bildung und Gesundheitsfürsorge, Unterkunft oder Löhne und Renten auf einem existenzsicherndem Niveau. Im Namen der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen vervielfachen sich die Sparmaßnahmen, die einigen Ländern wie Griechenland und Portugal auferlegt wurden, soziale Missstände werden immer größer und die wachsende Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung bedrohen 120 Mio. Menschen in der Europäischen Union.

Portugal wird wieder in die Depression zurückfallen, wenn das neue Sparprogramm, das die portugiesische Regierung kürzlich angekündigt hat, wirklich umgesetzt wird. Das wirft einige Fragen auf. Was für ein soziales Europa ist das? Wo sind im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung die Garantien für ein Mindesteinkommen, durch das man die Armut bekämpfen kann? Wo endet die Verflechtung von sozialen Zielen und Zielen der sozialen Nachhaltigkeit mit der makroökonomischen Politik? Wo bleibt die Verteidigung und Förderung von öffentlichen Diensten? Wann wird es eine bereichsübergreifende soziale Leitlinie und eine effektive Bewertung der sozialen Folgen, der Politiken des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der Wettbewerbspolitik, des Binnenmarkts, der Haushalts- und Steuerpolitik und der Währungspolitik geben? Dafür setzen sich die Arbeitnehmer in den immer mehr werdenden Demonstrationen in ganz Europa ein.

 
  
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  Othmar Karas (PPE). - Herr Präsident! Die politischen Ziele sind klar. Wir wollen ein Europa der nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft, der Grundrechte, ohne Diskriminierung, der Vollbeschäftigung, eine durchgängige Sozialklausel, den sozialen Zusammenhalt und Dienste im allgemeinen Interesse, die subsidiär definiert werden. Das ist unser Ziel. Wir haben aber dafür auf europäischer Ebene zu wenig Instrumente. Die meisten Instrumente sind auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Wir benötigen eine Balance zwischen den wirtschaftlichen, den wettbewerbspolitischen und den sozialen Instrumenten, um diese, Ziele europaweit verwirklichen zu können. Daher sollten wir die Währungsunion erweitern auf eine Wirtschafts- und Sozialunion. Und wir müssen klar sagen, dass wir mehr Taten der Solidarität benötigen, und dass Bildung, Qualifikation, Wachstum und Beschäftigung nicht gegen das Soziale auszuspielen, sondern Voraussetzung für die Bekämpfung von Armut, von Ausgrenzung und von working poor sind

 
  
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  Marie-Christine Vergiat (GUE/NGL).(FR) Herr Präsident! Ich komme gerade aus einer Sitzung der Arbeitsgruppe „Öffentliche Dienste“. Ich frage mich manchmal wirklich, ob wir mit den gleichen Menschen sprechen. Ihrer Ansicht nach ist alles in Ordnung. Die Mehrzahl der beteiligten Parteien weiß bestenfalls nichts über europäische Gesetzgebung, oder aber sie kennt sie zu gut.

Sie sprechen über die Abschätzung der sozialen Folgen der Strategien der Europäischen Union. Daher möchte ich Ihnen sagen: Es gibt einen guten Bereich, an dem Sie arbeiten können – trauen Sie sich! Wenn es, wie Sie behaupten, keine Probleme mit den öffentlichen Diensten gibt, und insbesondere mit kommunalen öffentlichen Diensten, dann setzen Sie sich dafür ein, eine exakte, vollständige Überprüfung der Liberalisierung der öffentlichen Dienste in der Europäischen Union durchzuführen.

Durch den freien und fairen Wettbewerb sollten die Preise sinken. Ich bin Französin. Ich möchte Ihnen einige Beispiele präsentieren, die vielleicht erklären, wieso die Franzosen Europa bei diesem Thema misstrauen: Die Preise für die Postdienste, für den Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr, die an Privatunternehmen übergeben worden sind, sind exponentiell gestiegen.

Die Idee der Grundversorgung sollte garantieren, dass die meisten Grunddienstleistungen für alle zugänglich sind. In Wirklichkeit reicht diese Versorgung für die ärmsten Menschen kaum aus und Fälle von Diskriminierung nehmen zu. Was ist mit unserer großartigen Umverteilung des Reichtums passiert, wenn wir doch wissen, dass die Kluft zwischen den Reichsten und den Ärmsten überall in Europa weiter wächst?

Also, Herr Kommissar, ich stelle Ihnen noch einmal die gleiche Frage, die Ihnen viele Abgeordnete bereits gestellt haben: Wann wird sich die Kommission dazu entscheiden, die Folgen der Artikel 9 und 14 der Verträge sowie das Protokoll über Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu berücksichtigen? Anders gesagt: Wann wird sie die Rechte des Parlaments anerkennen? Bitte, wovor fürchten Sie sich?

 
  
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  László Andor, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Die gesamte Kommission glaubt, ebenso wie ich, dass unser Ziel die Entwicklung einer sozialen Marktwirtschaft ist. Ich kann für mich persönlich und für mein Ressort sagen, dass bei diesem Ausdruck das „Soziale“ wichtiger ist als der „Markt“. Natürlich muss die Kommission letzten Endes einen sehr ausgewogenen Ansatz vorlegen, vertreten und umsetzen. Dennoch habe ich immer die sozialen Ziele vertreten, und wir haben das sehr ernst genommen.

Während der Diskussion habe ich auch festgestellt, dass das Parlament enttäuscht wäre, wenn die bevorstehende Binnenmarktakte keine starke soziale Dimension enthalten würde. Daran haben wir gearbeitet: sicherzustellen, dass dieses sehr wichtige Dokument einen starken sozialen Bezug hat. Ich habe mit der zuständigen Gruppe der Kommissionsmitglieder zusammengearbeitet und sichergestellt, dass die Positionen zu den Renten und andere Fragen, die in Bezug auf die Stärkung der sozialen Dimension der europäischen Wirtschaft sehr wichtig sind, berücksichtigt wurden.

Es gibt jedoch viele andere Probleme. Ich würde sicherlich eine Herangehensweise ablehnen, die nur eine bestimmte Lösung verfolgen würde, wie die Schaffung eines weiteren hochrangigen Gremiums, um sicherzustellen, dass wir unser Versprechen in Bezug auf die sozialen Probleme halten.

In meiner Antwort wollte ich in keiner Weise andeuten, dass ich einen dynamischen Prozess hinsichtlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse ablehne. Tatsächlich sind wir im Vorfeld der Oktober-Konferenz des belgischen Ratsvorsitzes bereits in einem dynamischen Prozess zu Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse. Ich werde sowohl bei der Eröffnung als auch zum Abschluss dieser Konferenz anwesend sein, und ich hoffe, dass dort einige Fragen zum Thema Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse angesprochen werden, durch die wir eine Perspektive für die Zukunft erhalten.

Die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse werden in der Europäischen Plattform gegen Armut, die Ende dieses Jahres veröffentlicht wird, sehr ernst genommen. Herr Courard, der Staatssekretär für soziale Integration und Armutsbekämpfung, hat dies in seiner Einleitung auch angesprochen.

Ich bin offen dafür, weitere Schritte einzuleiten. Ich würde jedoch gerne zunächst sehen, was diese Ereignisse und Dokumente aus der weiteren Gruppe der europäischen Interessenträger einbringen. Ich möchte betonen, dass, obwohl es offiziell eine gewisse Erholung gibt, wir uns in einer schwierigen Phase der Wirtschaftskrise befinden, und dass es immer noch ein hohes Maß an Leid gibt, das nicht nur durch die Krise selbst verursacht wird, sondern auch durch die Maßnahmen, durch die die Krise beendet werden soll.

Die Kommission hat beständig gefordert, dass die Interessen der Sozialdienste und die Interessen schwacher Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden. In den letzten Wochen habe ich viele Reden gehalten und habe gefordert, in Bezug auf die makroökonomischen Strategien der Mitgliedstaaten Umsicht walten zu lassen.

Eine Haushaltskonsolidierung ist unvermeidbar, weil viele Länder hohe Schulden angehäuft haben. Sparmaßnahmen – insbesondere sinnlose Sparmaßnahmen – und sture Ausgabensenkungen sind jedoch nicht unvermeidbar. Alle Mitgliedstaaten, sogar diejenigen, die durch die Märkte unter Druck gesetzt werden, haben ausreichend Spielraum, um sorgfältig zu prüfen, wie sie eine maßvolle Haushaltskonsolidierung erreichen können. Jeder hat die Möglichkeit, verschiedene Optionen abzuwägen – Ausgabensenkungen oder eine Steigerung der Einnahmen, und sie können dabei fair bleiben; sie können die Interessen von schwachen Gruppen berücksichtigen. Die Kommission hat das gefordert.

Sogar in diesen schweren Zeiten fordern wir ein soziales Bewusstsein. In diesem Punkt hat uns das Europäische Jahr sehr geholfen. Es handelte sich hierbei um eine Sensibilisierungskampagne und sie war insofern erfolgreich, als sie dazu beigetragen hat, zwei sehr wichtige Ziele von „Europa 2020“ zu erreichen. Ohne diese Kampagne hätten wir die sehr ehrgeizigen Ziele der Steigerung der Beschäftigungsquote und der Reduzierung der Armut in Europa nicht erreichen können.

Natürlich glaubt niemand, dass diese Ziele über Nacht erreicht werden können. Wir müssen unsere Instrumente verbessern. Ich akzeptiere, was der Herr Abgeordnete über den Europäischen Sozialfonds (ESF) gesagt hat. Er hat nicht perfekt funktioniert, aber wir untersuchen gerade, wo der ESF in Bezug auf Innovation verbessert werden sollte, womit er sich beschäftigen sollte und wie er genutzt werden sollte. Dies ist alles Teil eines Prozesses. Es gibt eine Reihe von Konferenzen, auf denen das diskutiert werden kann, insbesondere in Bezug auf die Frage, wie man u. a. mit der Situation der Roma-Bevölkerung umgehen soll. Der belgische Ratsvorsitz hält eine Konferenz eigens zu dem Thema ab, wie der ESF bei der Reduzierung der Armut effektiver eingesetzt werden könnte.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir einen neuen Fonds schaffen sollten. Ich denke, dass wir zuerst untersuchen müssen, wie der Sozialfonds mit den vorhandenen Instrumenten genutzt werden kann, um die sozialen Bedingungen zu verbessern. Ich möchte an dieser Stelle die Rolle der Europäischen Investitionsbank in Bezug auf die Entwicklung der Infrastruktur und der Dienstleistungen in Europa unterstreichen.

Niemand fordert die Privatisierung der Sozialdienstleistungen. Diese fallen vorwiegend in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Wenn jedoch die EU-Vorschriften, etwa zum öffentlichen Auftragswesen oder zu staatlichen Beihilfen, korrekt angewendet werden und alle wichtigen Faktoren berücksichtigt werden, sind sie ein Garant für Qualität, Wirtschaftlichkeit und Transparenz. Das sind sehr wichtige Ziele und wir sollten diese wichtigen Ziele nicht untergraben, insbesondere die Transparenz, wenn wir andere Ziele verfolgen, wie wichtig oder relevant diese Ziele auch sein mögen.

Ich hoffe, dass diese Punkte Sie überzeugt haben, und dass die bevorstehenden Veranstaltungen, insbesondere die nächste Konferenz zu Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, zahlreiche Möglichkeiten bieten werden, um über unsere weitere Vorgehensweise zu diskutieren. Ich kann Ihnen versichern, dass die Reduzierung der Armut und die Verbesserung der Sozialstandards in Europa einen wichtigen Schwerpunkt der Arbeit der Kommission und auch meiner eigenen Arbeit bilden.

 
  
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  Philippe Courard, amtierender Ratspräsident.(FR) Herr Präsident! Ich möchte allen Abgeordneten für ihre erstklassigen Reden danken.

Der Rat hat die Kommission aufgefordert, eine Plattform zu entwickeln, die sich nicht auf Armut beschränkt, sondern die eine wirklich breitere Dynamik für die Bekämpfung der Ausgrenzung und im Hinblick auf die Sozialfürsorge entwickelt.

Ich möchte außerdem sagen, dass es hinsichtlich der Sparmaßnahmen, über die der Herr Kommissar gerade gesprochen hat, offensichtlich sehr wichtig war, gründlich zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Sparmaßnahmen die Menschen nicht noch ärmer machen. Die Bekämpfung der Armut darf heute wirklich nicht vergessen werden.

Ich möchte der Kommission auch für ihre Bemühungen danken, eine größere Rechtssicherheit für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu schaffen, insbesondere angesichts ihrer besonderen Eigenschaften.

Wir haben den ehrlichen Wunsch, die Diskussionen weiterzuführen, insbesondere im Ausschuss für Sozialschutz, sowie den Dialog mit den verschiedenen Akteuren zu verbessern, sowohl mit den institutionellen als auch den nichtinstitutionellen. Wie Herr de Rossa betont hat, steht ganz klar fest, dass das Europäische Parlament in der Debatte über Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse umfassend eingebunden ist und dies auch bleiben muss. Artikel 14 ist auch ein wichtiges Element, das wir in den Diskussionen zu Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse benutzen müssen. Tatsächlich wird er eines der wichtigsten Themen sein, über das auf dem dritten Forum am 26. und 27. Oktober diskutiert werden wird.

Abschließend möchte ich anmerken, dass Diskussionen über soziale Themen im Rat aufgrund der finanziellen Beschränkungen, wie Sie wissen, schwierig sind. Gleichwohl nehmen Sozialdienstleistungen notwendige Aufgaben wahr – unverzichtbare Aufgaben –, weshalb ihnen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Und obwohl ihre besonderen Eigenschaften anerkannt werden, bedeutet dies, dass wir einen besonderen Weg finden müssen, mit ihnen umzugehen.

Zum Schluss möchte ich Kommissar Andor für seine Tatkraft und seinen Wunsch nach Fortschritt in allen Bereichen der Sozialpolitik danken.

 
  
  

VORSITZ: Miguel Angel MARTÍNEZ MARTÍNEZ
Vizepräsident

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Nuno Teixeira (PPE), schriftlich.(PT) Die Finanzkrise hat zu einer ernsthaften Verschlimmerung der sozialen Lage der europäischen Bürgerinnen und Bürger beigetragen. Es ist eine lange Zeit hoher Arbeitslosigkeit und schwachen Wirtschaftswachstums vergangen, bis der Konjunkturaufschwung fühlbar wurde. Die Strategie EU 2020 zielt darauf ab, einen Plan zur Förderung des Wirtschaftswachstums aufzustellen, wodurch eine höhere Beschäftigung sowie eine größere Wettbewerbsfähigkeit in der EU erreicht werden können. Die darin enthaltenen Leitinitiativen stellen einen Weg dar, dem wir folgen müssen, um für die Europäer ein Europa zu schaffen, das weniger ausgrenzt und stärker einbezieht. Der Vertrag von Lissabon verstärkt die sozialpolitische Dimension Europas. Die Europäische Union gehört der europäischen Öffentlichkeit und es zählt zu ihrer Mission, zur Förderung der Beschäftigung und zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen beizutragen. Ich möchte die Bedeutung des Dialogs zwischen den Sozialpartnern und die Rolle der Klein- und Mittelbetriebe als treibende Kraft der Wirtschaft betonen. Wir müssen die Ziele des Vertrags von Lissabon hinsichtlich sozialer Themen mit Hilfe der spezifischen Vorschläge der Strategie EU 2020 verwirklichen, indem wir beispielsweise Initiativen wie „Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung“ oder „Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten“ erarbeiten. Europa muss wettbewerbsfähiger werden und dazu imstande sein, den Herausforderungen der Globalisierung entgegenzutreten, ohne jedoch davon Abstand zu nehmen, die Menschen einzubeziehen, und es muss eine Entwicklung anstreben, die nachhaltig ist und die soziale Integration gewährleistet.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (S&D), schriftlich.(RO) Der Vertrag von Lissabon bestätigt noch einmal die Bindung der Mitgliedstaaten an die in der Europäischen Sozialcharta von 1961 und in der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 festgelegten sozialen Grundrechte. Der Vertrag von Lissabon bekräftigt noch einmal, dass die Europäische Union auf eine nachhaltige Entwicklung Europas hinarbeitet. Die EU-Wirtschaft ist eine soziale Marktwirtschaft, die ein hohes Niveau an Wettbewerbsfähigkeit fördert. Ihre Ziele beinhalten Vollbeschäftigung, den sozialen Fortschritt und ein hohes Maß an Schutz und Verbesserung der Umweltqualität. Die EU bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung der Geschlechter, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes.

Im August betrug die Arbeitslosenquote in den 27 Mitgliedstaaten der EU 9,6 %, wobei der Anteil der Jugendarbeitslosigkeit bei 20 % lag. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich dramatisch auf die soziale Lage ausgewirkt, wobei die europäischen Bürgerinnen und Bürger heute hauptsächlich um ihre Arbeitsstellen und ihre Lebensqualität besorgt sind. In der Europäischen Union geht es in erster Linie um die 500 Mio. Bürgerinnen und Bürger, weshalb Europa eine soziale Gestalt aufweisen muss. Ein soziales Europa muss den europäischen Bürgerinnen und Bürgern Arbeit und ein annehmbares Leben, den jungen Menschen eine qualitativ hochwertige Bildung und die Aussicht auf ihre Integration in den Arbeitsmarkt sowie den Rentnern ein annehmbares Leben und qualitativ hochwertige Gesundheitsdienste bieten.

 

14. Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Frau Fajon im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (KOM(2010)0256 – C7-0134/2010 – 2010/0137(COD)) (A7-0256/2010).

 
  
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  Tanja Fajon, Berichterstatterin.(SL) Herr Präsident, sehr geehrter Vertreter der Europäischen Kommission, Frau Kommissarin Malmström, sehr geehrte Vertreter des Rates, meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, jetzt vier und, wenn nötig, am Ende weitere zwei Minuten zu sprechen.

Albanien sowie Bosnien und Herzegowina haben alle Bedingungen erfüllt und sind nun bereit für die Visaliberalisierung. Die Europäische Kommission und auch wir im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres haben dies, sogar ohne eine einzige Gegenstimme, bestätigt. Die Erwartungen der Bürger und Bürgerinnen von Albanien sowie Bosnien und Herzegowina, dass wir morgen in diesem Parlament grünes Licht geben werden, sind legitim und die Menschen haben es verdient.

Ich möchte Herrn Sven Alkalaj, Außenminister von Bosnien und Herzegowina, und Frau Jozefina Topalli, Sprecherin des albanischen Parlaments, die auf der Besuchertribüne Platz genommen haben und diese Debatte genau verfolgen, willkommen heißen. Es wird Zeit, dass wir diesen beiden Ländern die Botschaft senden: Wir sind bereit für euch, ihr habt die Bedingungen erfüllt. Wir werden die Visa-Mauern niederreißen, die die Länder des westlichen Balkans schon zu lange abgegrenzt haben.

Wir haben lange dafür gekämpft, dieses unser gemeinsames Ziel zu erreichen, und ich möchte jedem danken, der an diesem Prozess beteiligt war, insbesondere der Europäischen Kommission und dem Rat. Es freut mich, dass mein Land, Slowenien, hier eine sehr wichtige Rolle gespielt hat.

Den Menschen von Bosnien und Herzegowina sowie Albanien scheint die Europäische Union manchmal viel weiter entfernt zu sein, als sie es eigentlich ist. Mit der Visaliberalisierung werden wir bezüglich des Vertrauensaufbaus bei diesen Menschen einen großen Schritt nach vorne tun und mit den dringenden Reformen fortfahren, die noch notwendig sind, um diese Länder zur Vollmitgliedschaft zu führen.

Albanien sowie Bosnien und Herzegowina haben ihre Grenzen sicher gemacht, sichere biometrische Pässe eingeführt und bedeutende Schritte beim Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität gemacht.

Letztes Jahr hat die Europäische Union die Visabestimmungen für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien sowie Serbien und Montenegro liberalisiert und deren Freude war unbeschreiblich. Dies ist sinnvoll, weil die Bürgerinnen und Bürger des westlichen Balkans etwa zwanzig Jahre zuvor noch ohne Visa in den Westen reisen konnten. Ich glaube, dass dies nicht nur ein rein diplomatisches Geschenk ist. Es ist nun unsere Pflicht, die Pflicht der Europäischen Union, unser Versprechen einzuhalten. Was hier auf dem Spiel steht, ist unsere Glaubwürdigkeit und die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union.

Darf ich Sie daran erinnern, dass es im letzten November das Parlament selbst war, das sich zusammen mit dem Europäischen Rat vornahm, die Visaliberalisierung für Albanien sowie Bosnien und Herzegowina per Eilverfahren durchzuführen, sobald diese Länder die Bedingungen erfüllen würden.

Daher fordere ich Sie auf, meinen Bericht zu unterstützen, damit wir diesen beiden Ländern eine wahrhaft positive Botschaft senden können. Ihre Bürgerinnen und Bürger verdienen es mehr als je zuvor und ich glaube, dass uns die europäischen Regierungen sehr bald folgen werden.

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Vertreter der Kommission und des Rates, lassen Sie uns eine Anstrengung unternehmen und vielleicht einen weiteren Schritt machen, um es den Bürgerinnen und Bürgern von Albanien sowie Bosnien und Herzegowina möglich zu machen, noch vor der katholischen Weihnacht, d.h. vor Jahresende, ohne Visum zu reisen, sodass sie noch in der Ferienzeit ihre Verwandten und Freunde besuchen können. Das haben wir letztes Jahr im Fall von FYROM, Serbien und Montenegro getan und ich glaube, dass wir mit unserem großen Willen auch dieses Jahr in der Lage dazu sein werden.

Ein letzter Punkt, den ich hinzufügen möchte, ist, dass unser „ja“ morgen im Parlament eine Anerkennung der äußerst harten Arbeit darstellt, die beide Länder, Bosnien und Herzegowina sowie Albanien, geleistet haben. Sie haben alle Bedingungen erfüllt, was unser Hauptkriterium darstellt, und ich denke, dass diese Anerkennung ein sehr guter Anreiz für alle Länder des westlichen Balkans sein wird, denn sie wird zeigen, dass sich harte Arbeit wirklich auszahlt.

 
  
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  Cecilia Malmström, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich möchte damit beginnen, der Berichterstatterin, Frau Fajon, für ihre sehr engagierte, enthusiastische und harte Arbeit an diesem Dossier danken. Es war mir eine große Freude, mit Ihnen – und auch den Schattenberichterstattern – mit vereinten Kräften daran zu arbeiten, den Bürgerinnen und Bürgern von Albanien sowie Bosnien und Herzegowina die Befreiung von der Visumpflicht zu ermöglichen.

Der Vorschlag, den wir heute diskutiert haben, bestätigt den politischen Willen der Europäischen Union und unser Engagement für die Liberalisierung der Kurzzeitvisabestimmungen für die Bürgerinnen und Bürger der Staaten des westlichen Balkans. Dies ist Teil der Agenda von Thessaloniki und ein Eckpfeiler unserer Integrationspolitik für die westlichen Balkanstaaten.

Durch die Unterstützung der Visumfreiheit senden wir nicht nur eine politische Botschaft. Diese Botschaft ist wichtig, doch sorgen wir auch konkret für die Erleichterung zwischenmenschlicher Kontakte, die Förderung von Geschäftsmöglichkeiten und kulturellem Austausch und geben den Menschen die Gelegenheit, sich kennenzulernen – d.h. wir geben den Menschen von Bosnien und Albanien die Gelegenheit, die Europäische Union kennenzulernen, und umgekehrt.

Wir stehen heute hier als Ergebnis der harten Arbeit der Behörden und der Menschen dieser beiden Länder und ich möchte dieser Arbeit Tribut zollen. Ich gratuliere ihnen zu den gemachten Anstrengungen und den bedeutenden Ergebnissen, die sie erreicht haben. Die ergebnisorientierten Dialoge zwischen den beiden Ländern und der Europäischen Kommission zur Visaliberalisierung haben als sehr starke Initiative und als Anreiz gewirkt, wodurch die Reformen zur Erfüllung der EU-Standards in den Kernbereichen Gerichtswesen, Freiheit und Sicherheit beschleunigt wurden.

Die beiden Länder haben einen bedeutenden Fortschritt bei der Verbesserung der Sicherheit von Reisepässen, der Verstärkung der Grenzkontrollen und des institutionellen Rahmens zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption sowie im Bereich der Außenbeziehungen und Grundrechte gemacht. Die Kommission hat die durchgeführten Schritte sorgfältig überwacht.

In unserem Verschlag vom Mai dieses Jahres hat die Kommission eine begrenzte Anzahl von noch offenen Vorgaben sowohl für Albanien als auch für Bosnien und Herzegowina festgestellt, die weiterer Überwachung bedurften. Dieser Ansatz entsprach genau dem, der 2009 für Montenegro und Serbien verfolgt wurde.

Im Fall von Albanien bestanden die noch offenen Vorgaben in der Entwicklung einer Politik zur Unterstützung der Reintegration albanischer Rückkehrer, der Verstärkung der Kapazitäten beim Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption und schließlich in der effektiven Umsetzung der Konfiszierung von Vermögen in Zusammenhang mit organisierter Kriminalität.

Bei Bosnien und Herzegowina bezogen sich die noch offenen Anforderungen auf die Verstärkung der Kapazitäten beim Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption, auf Schritte hin zu einem verbesserten elektronischen Datenaustausch der Polizei und auf die Harmonisierung des Strafgesetzbuches auf Ebene des Gesamtstaats und der Gebietseinheiten.

Gestützt auf von beiden Ländern zur Verfügung gestellten ausführlichen Informationen, auf Expertendelegationen mit der wertvollen Teilnahme von Sachverständigen der Mitgliedstaaten in diesem Sommer und später auf weitere verfügbare Informationen, konnte die Kommission am 14. September unsere Einschätzung der Erfüllung der noch offenen Vorgaben vorstellen. Sie hat gezeigt, dass beide Länder alle notwendigen Maßnahmen unternommen haben, um alle im Vorschlag vom Mai dieses Jahres aufgeführten noch offenen Vorgaben zu erfüllen.

Folglich ist die Kommission der Meinung, dass alle im Fahrplan aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, und darauf basierend schlagen wir vor, diesen Ländern die Befreiung von der Visumpflicht zu gewähren. Lassen Sie mich jedoch betonen, dass die Befreiung von der Visumpflicht für die beiden Länder auch Verpflichtungen mit sich bringt. Um Missbrauch vorzubeugen, ist es unabdinglich, dass Albanien sowie Bosnien und Herzegowina alle notwendigen Maßnahmen treffen, um den Zustrom von Personen, die unbegründete Asylanträge stellen, zu begrenzen. Dieser Aspekt wurde beim Zusammentreffen der Kommission mit den beiden Ländern sehr stark hervorgehoben und ich weiß, dass diesbezüglich in beiden Ländern bereits Anstrengungen unternommen wurden.

Es ist wichtig, dass Sie Ihre Informationskampagnen fortsetzen, um Ihre Bürgerinnen und Bürger angemessen darüber zu informieren und ihnen die Bedeutung der Kurzzeitvisa und was diese mit sich bringen, erklären und dabei besonders vor Missbrauch zu mit Reisevisa unvereinbaren Zwecken warnen.

Hier sind wir nun – und dies ist ein sehr wichtiger Schritt. Ich hoffe, dass der Rat in der Lage sein wird, die Untersuchung dieses Vorschlags in den kommenden Wochen abzuschließen, und dass es zu einer formellen Verabschiedung kommt, die bis November bestätigt wird.

 
  
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  Sarah Ludford, Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten. – Herr Präsident! Ich möchte Frau Kommissarin Malmström darin beipflichten, Tanja Fajon für ihre engagierte und geduldige harte Arbeit aufrichtig zu danken. Ich durfte während der letzten achtzehn Monate Mitglied des Teams unter ihrer Führung sein, was sie, wie ich weiß, und was auch ich als eine äußerst wichtige Aufgabe angesehen habe.

Es wird berichtet – und ich zitiere eine englische Übersetzung dieses Berichts –, dass der französische Europaminister, Pierre Lellouche, die Visapolitik eine Sicherheitsfrage genannt hat. Anscheinend hat er neulich in der französischen Nationalversammlung gesagt, dass seine Position und die der Regierung die sei, dass die Visaproblematik eine Sicherheitsfrage darstelle. Es handle sich nicht einfach um ein diplomatisches Geschenk, das man im Vorbeigehen mache. Wie gesagt, ich zitiere eine englische Übersetzung.

Ja, wir stimmen hier zu, aber ich werde gleich noch auf das Thema der Sicherheit zurückkommen. Natürlich – und Tanja Fajon hat sich damit befasst – handelt es sich nicht nur um ein diplomatisches Geschenk. Doch fuhr Herr Lellouche anscheinend fort und sagte, dass Frankreich Sicherheitsgarantien von den beiden Ländern einfordern würde. Dies ist jedoch genau das, was die Kommission gemäß dem üblichen, sorgfältig vorbereiteten Fahrplan getan hat, der sowohl vom Ministerrat als auch vom Parlament volle Unterstützung erfuhr.

Also waren alle Punkte, die Frau Kommissarin Malmström vorgebracht hat, absolut angemessen und sie hat ebenso Recht, hinzuzufügen, dass den Bürgerinnen und Bürgern von den nationalen Behörden dieser beiden Länder klargemacht werden muss und, da bin ich mir sicher, auch klargemacht wird, dass dieses Recht nicht missbraucht werden darf, dass es das Recht auf kurzzeitiges Reisen, Tourismus, Austausche, Geschäfte usw. ist, aber nicht für andere Zwecke, einschließlich Arbeit, gedacht ist.

Nun aber zurück zum Punkt der Sicherheit im weitesten Sinne. Bei der Europäischen Union geht es um Sicherheit im weitesten Sinne und sie ist Teil der Gesamtaufgabe, die darin besteht, Aufgeschlossenheit hervorzurufen, Nationalismus und ethnische Konflikte zu bekämpfen, einen Kontinent auf Frieden und Wohlstand aufzubauen – und dafür wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern dieser Länder die Augen öffnen.

Darauf arbeiten wir alle gemeinsam hin und hoffen, sie darauf vorbereiten zu können, Mitglieder der Europäischen Union zu werden, denn die Europäische Union ist ein Sicherheitsprojekt. Wir haben eine Verabredung getroffen. Wir haben gesagt: „Wenn ihr durch diese Reifen springt, dürft ihr ohne Visum reisen.“ Wenn Frankreich oder irgendein anderer Mitgliedstaat Zweifel an diesem Weg hegt, hätten sie den Fahrplan zur Visaliberalisierung niemals unterstützen sollen. Sie dürfen dieses Versprechen nun nicht brechen.

 
  
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  Anna Maria Corazza Bildt, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich bin froh, dass wir heute Abend endlich zu den Menschen von Albanien und Bosnien sagen können: „Wir haben euch nicht vergessen.“

Ich hoffe, dass die Plenarabstimmung morgen eine starkes Engagement dieses Parlaments für die Visaliberalisierung für Albanien und Bosnien zeigen wird. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) fordert den Rat auf, die in der vom schwedischen Ratsvorsitz angenommenen gemeinsamen Erklärung gegebene Garantie, die Befreiung von der Visumpflicht so bald wie möglich zu gewähren, zu respektieren.

Nun da die Vorgaben – laut der Europäischen Kommission – erfüllt werden, sollten die Menschen von Albanien und Bosnien das Licht am Ende des Tunnels sehen und zu Weihnachten ohne Visum in den Schengen-Raum reisen dürfen.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) hat sich sehr dafür eingesetzt, das Verfahren der Visaliberalisierung zu beschleunigen, wobei alle Länder des westlichen Balkans gleich behandelt wurden. Wir haben von Anfang bis Ende eine beständige, realistische und glaubwürdige Linie verfolgt, indem wir die Behörden unterstützt und die Verantwortung für den Reformprozess übernommen, jedoch gleichzeitig die berechtigten Sicherheitsbedenken der europäischen Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt haben.

Ich bedaure es aufrichtig, dass mit unrealistischen Zeitplänen falsche Erwartungen geweckt wurden, und ich freue mich, dass der übrige Teil dieses Parlaments endlich auch unseren realistischen Weg geht und akzeptiert, dass es leider keine Abkürzungen gibt. Wir sind bereit, wenn sie bereit sind. Jetzt sind sie bereit und wir gratulieren den Behörden von Bosnien und Albanien zu den bei der Durchführung der Reformen erzielten Leistungen.

Für die Menschen dieser Region ist es wichtig, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken sowie Kriminalität und Korruption zu bekämpfen, was dazu beiträgt, die Lücke zur Europäischen Union zu schließen. Zwischenmenschliche Kontakte, wie Frau Kommissarin Malmström sagte, und dabei zu helfen, jenes Gefühl der Isolierung loszuwerden, sind wichtig, um die Stabilität in dieser Region aus einer europäischen Perspektive zu fördern.

Ich habe die Belagerung von Sarajevo erlebt und war jahrelang im Krieg in Bosnien. Die inständige Bitte der Menschen, die sich eingeschlossen und zurückgelassen fühlten, ist mir stark in Erinnerung geblieben und war, seit ich im Sommer 2009 Mitglied dieses Parlaments wurde, die Grundlage meines Engagements.

 
  
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  Monika Flašíková Beňová, im Namen der S&D-Fraktion.(SK) Zunächst möchte ich meiner Kollegin Tanja Fajon für diesen Bericht danken.

Man kann nicht verleugnen, dass sich in den letzten zwei Jahrzehnten sozusagen eine Visa-Mauer zwischen der Europäischen Union und bestimmten Staaten des westlichen Balkans aufgebaut hat. Glücklicherweise wurde letztes Jahr ein Teil dieser Mauer niedergerissen, als die Visumpflicht für Bürgerinnen und Bürger von Mazedonien, Montenegro und Serbien aufgehoben wurde. Diese Arbeit muss jedoch fortgesetzt werden und die Vorteile des Reisens durch Europa ohne Visum müssen auch den Bürgerinnen und Bürgern von Bosnien und Herzegowina, Albanien und zukünftig vielleicht auch dem Kosovo gewährt werden.

Als Erstes muss gesagt werden, dass die Regierungen dieser Länder im letzten Jahr enorme Fortschritte gemacht und fast alle Forderungen der Kommission erfüllt haben. Zweitens, meine Damen und Herren, können wir nicht so naiv sein und glauben, dass die derzeitigen Visabestimmungen Kriminelle davon abhalten, die Grenzen zu überschreiten. Sie finden immer einen Weg. Doch heute sprechen wir nicht von Kriminellen noch von Politikern, Geschäftsleuten oder Unternehmern. Wir sprechen von den gewöhnlichen Bewohnern des Balkans. Wir sprechen nicht über Jobsicherung oder Aufenthaltsrechte. Wir diskutieren heute über das Grundrecht zukünftiger Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, frei in der EU zu reisen und soziale und berufliche Kontakte mit Partnern aus den Mitgliedstaaten der EU zu knüpfen. Drittens wird die Liberalisierung der Visabestimmungen dabei helfen, die Staaten des westlichen Balkans zu stabilisieren, die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken, die Unterstützung der EU durch die Bewohner und die Aussichten auf eine europäische Integration zu fördern, den Horizont der Menschen zu erweitern und den Kräften des antieuropäischen Extremismus Einhalt zu gebieten.

Der einzige Vorbehalt, den ich zu diesem Bericht habe, betrifft den Kosovo. Ich stimme Frau Fajon zu, dass die Menschen in diesem Gebiet nicht als Geiseln der aktuellen politischen Situation herhalten sollten, doch gleichzeitig ist es notwendig, eine klare Entscheidung hinsichtlich des freien Reisens der Kosovaren zu formulieren, und zwar auf eine solche Art und Weise, dass ihre politischen Führer diese nicht fälschlicherweise als eine De-facto-Anerkennung ihrer Proklamation des Staates Kosovo interpretieren. Wir müssen jetzt alle Anstrengungen unternehmen, um die Befreiung von der Visumpflicht für die Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina sowie Albanien so bald wie möglich einzuführen. Bosnien und Herzegowina hat, nachdem die EU im Juli letzten Jahres entschieden hatte, dass diese Länder die Bedingungen für die Liberalisierung der Visabestimmungen nicht erfüllten, in den letzten Monaten deutliche Fortschritte gemacht. Solange diese Vorteile nur bestimmten Staaten zuteilwerden, wird es immer das Risiko geben, die Region zu destabilisieren, und es wird die Gefahr bestehen, dass dieses politische und ethnische Mosaik in noch kleinere Teile zerfällt. Die Regierungen dieser Länder haben in den letzten Monaten hart daran gearbeitet, Unzulänglichkeiten zu beseitigen, die verlorene Zeit aufzuholen und den Nachbarländern ebenbürtige Qualitätsniveaus erkennbar werden zu lassen.

Das Wissen darum, dass die Europäische Union beiden Ländern – und besonders Bosnien und Herzegowina – bald das Reisen ohne Visum erlauben wird, wird die Gefahr noch größerer ethnischer und politischer Instabilität verringern, die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken, die Unterstützung der EU durch die Bewohner und die Aussichten auf eine europäische Integration fördern, den Horizont der Menschen erweitern und den Kräften des antieuropäischen Extremismus Einhalt gebieten.

 
  
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  Nathalie Griesbeck, im Namen der ALDE-Fraktion.(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Auch ich möchte unserer Kollegin Frau Fajon zu ihrem herausragenden Bericht gratulieren und ebenfalls sagen, dass, auch wenn wir über eine sehr wichtige erste Etappe oder Phase sprechen, die in diesem Bericht vorgeschlagene Befreiung von der Visumpflicht doch ein Eckpfeiler des Fortschritts auf dem Weg zur Integration darstellt.

Wie Sie gesagt haben, Frau Fajon, ist dies tatsächlich ein großer Moment für alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger und besonders für junge Menschen, für die Freizügigkeit eine sehr wichtige Bedingung dafür ist, dass sie Bürgerinnen und Bürger werden, die dem Rest der Welt aufgeschlossen gegenüberstehen. Ich teile ihren Wunsch, dass dieser Bericht so schnell wie möglich angenommen werden sollte, absolut, damit es noch vor Weihnachten vorwärts gehen kann.

Jedoch möchte ich nicht, dass wir an diesem Punkt stehen bleiben, sondern dass dieser Prozess es uns ermöglicht, weiterzugehen. Wir können nicht zulassen, dass die Bürgerinnen und Bürger des Kosovo die einzigen auf dem Balkan sind, die nicht frei reisen können, und ich hoffe, dass die Kommission sich dieser Sache ohne Aufschub annimmt.

Während wir also unsere europäischen Anforderungen beibehalten – und als Französin unterstütze ich Baroness Ludford vollkommen, wenn sie sagt, dass die Position der Regierung nicht die allein herrschende Ansicht in Frankreich ist –, schlage ich vor, dass wir furchtlos auf diesem Weg der Liberalisierung voranschreiten.

 
  
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  Marije Cornelissen, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(NL) Herr Präsident! Ich glaube fest daran, dass morgen eine große Mehrheit dieses Parlaments für das Reisen ohne Visum für Bosnien und Herzegowina sowie Albanien stimmen wird. Und das ist richtig so. Trotz aller möglichen politischen Schwierigkeiten, haben diese Länder sehr hart daran gearbeitet, die Kriterien zu erfüllen. In der Tat sind sie in dieser Hinsicht weiter vorangekommen, als Serbien und FYROM zu dem Zeitpunkt gekommen waren, als ihnen die Befreiung von der Visumpflicht gewährt wurde. Daher habe ich keine Bedenken hinsichtlich der Abstimmung unseres Parlaments. Wir haben gesagt, dass Kriterien Kriterien sind und dass, sobald ein Land diese erfüllt, wir seinen Bürgerinnen und Bürgern das Reisen ohne Visum ermöglichen. Dies ist wichtig für junge Menschen, für Geschäftsleute und für jedermann.

Was mir allerdings Sorgen bereitet, ist der Ministerrat. Es gibt Gerüchte, dass einige Länder Zweifel haben. Ich hoffe, dass diese Gerüchte unbegründet sind. Wenn der Rat es nicht schafft, bald das Reisen ohne Visum zu erlauben, würde dies ein falsches Signal senden. Es würde aussehen, als ob wir mit zweierlei Maß messen. Die allgemeine Auffassung wäre, dass die Kriterien nicht wirklich zählen, da alles eigentlich nur von politischen Ränken abhängig ist, und dass der Rat dem Urteil der Kommission nicht traut. Wohin würde das führen?

Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass Bosnien und Herzegowina sowie Albanien die Kriterien erfüllt haben, und daher müssen das Europäische Parlament und der Ministerrat dies so bald wie möglich anerkennen. Deren Mitglieder mögen ihre eigene Meinung über die Kommission und die Politiker dieser Länder haben, doch geht es hier um die Menschen, die dort leben.

 
  
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  Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident! Die Visaliberalisierung ist ein wichtiger Schritt für jedes Land, das eine engere Beziehung zur Europäischen Union sucht. Ehrlichen Bürgerinnen und Bürgern das Reisen in die EU zu geschäftlichen und touristischen Zwecken zu erleichtern, stellt einen wichtigen Bestandteil der Integration dieser Länder in unsere Union dar.

Die positive Erfahrung der Ausweitung der Visaliberalisierung auf Montenegro – ein Dossier, für das ich Berichterstatter dieses Parlaments sein durfte –, auf Serbien und Mazedonien hat dem Bestreben dieser Länder, Mitglieder der EU zu werden, zusätzlichen Schwung gegeben. Jedoch müssen wir letztendlich allen Ländern des westlichen Balkans die gleiche Gelegenheit dazu geben, diesen Status zu erreichen, wenn sie sich dafür qualifizieren. Im Grunde handelt es sich um keinen anderen Status, als den, den sie zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawiens genossen.

Die jetzige Ausweitung der Visaliberalisierung auf Albanien sowie Bosnien und Herzegowina ist daher die natürliche Weiterentwicklung einer langjährigen strategischen Politik, die ich im Namen meiner Fraktion gutheiße. Doch sollten wir darauf bestehen, dass all diese Länder hohe Standards bei den Sicherheitsanforderungen biometrischer Pässe erreichen und auch beibehalten. Die Visaliberalisierung ist ein Privileg und kein automatisches Recht, das als selbstverständlich angesehen werden kann.

Was den Kosovo betrifft, bestehen noch immer Bedenken hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen für Reisepässe und der organisierten Kriminalität. Bis diese Fragen vollständig beantwortet werden können, muss der Kosovo notwendigerweise außerhalb des Geltungsbereichs unserer Politik bleiben. Doch bin ich persönlich, zum Beispiel, nicht prinzipiell dagegen, dass der Kosovo schlussendlich die Visaliberalisierung erreicht. Auch wenn fünf EU-Länder ihn nicht als Staat anerkennen, sollte dies allein kein Grund sein, dem Kosovo als Gebiet das Recht auf freies Reisen in die Europäische Union zu verweigern. Kein Mitgliedstaat der EU erkennt Taiwan, ein Gebiet, dessen parlamentarischer Freundschaftsgruppe ich zufällig als Präsident vorstehe, als Staat an, trotzdem wird die EU den Taiwanern voraussichtlich – und zu Recht – in Kürze die Befreiung von der Visumpflicht einräumen. Also sollte der Kosovo, ein bisschen wie Taiwan, schließlich, wenn die Zeit reif ist, die gleichen Privilegien genießen können.

 
  
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  Cornelia Ernst, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank, Tanja Fajon, für den sehr guten Bericht, der uns wirklich vorangebracht hat. Die Vereinigte Linke im Europäischen Parlament ist ganz klar für eine Visaliberalisierung auf dem gesamten Westbalkan, und in diesem Fall sind wir natürlich auch für die Visafreiheit für Bosnien-Herzegowina und Albanien, und zwar weil damit die Öffnung dieser Länder tatsächlich beginnt und weil auch bessere Chancen entstehen für ihre gesamte Entwicklung. Und diese Chancen, hoffen wir, werden auch tatsächlich genutzt.

Ich persönlich wünsche mir, dass solche Regelungen auch sehr bald – zumindest in ersten Gesprächen – mit dem Kosovo zustande kommen. Das ist dringend notwendig, weil das Kosovo sonst eine kleine Insel auf dem Westbalkan bleibt, die tatsächlich abgeschnitten ist. Was mich allerdings besorgt, das will ich auch sagen, ist der Zwang, gleichzeitig auch biometrische Daten einzuführen. Ich will Ihnen ganz klar sagen: Biometrische Daten sind nach wie vor umstritten, und sie sind vor allem nicht sicher. Denn vor einigen Tagen kam in Deutschland eine Meldung auf, dass die Pincodes geknackt werden können und geknackt wurden. Und dass solche Möglichkeiten existieren, muss man zur Kenntnis nehmen.

Tun wir alles, damit diese Länder nicht nur Visafreiheit erhalten, sondern dort auch vor allem eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung einsetzt. Das ist in beiden Ländern dringend notwendig, und die Menschen haben es auch verdient. Dafür sollten wir uns auch hier in der EU einsetzen!

 
  
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  Mario Borghezio, im Namen der EFD-Fraktion.(IT) Herr Präsident! Wir werden schon allein gegen diesen Bericht stimmen, weil die Berichterstatterin vorschlägt, Druck auf die Kommission und den Rat auszuüben, um den Prozess der Visaliberalisierung für den Kosovo zu beschleunigen. Sind wir uns wirklich im Klaren darüber, über was wir hier diskutieren? Sind wir uns darüber im Klaren, dass der Kosovo Schwierigkeiten hat, die Tausende von Roma, die in Deutschland Asyl gesucht hatten, zu reintegrieren? Es handelt sich hier um eine äußerst heikle Situation für die ganze Europäische Union.

Sind wir uns darüber im Klaren, dass die Visaliberalisierung – die, wie ich gehört habe, nur von Studenten und respektablen Menschen genutzt werden wird, obwohl ich persönlich diese optimistische Ansicht überhaupt nicht teile – ganz einfach bedeutet, dass es in Europa nur so von Roma wimmeln wird? In Hinsicht auf die ernsten Probleme, die wir bei der Integration und der Lösung des äußerst bedenklichen Problems der Roma haben, können wir das wirklich nicht gebrauchen.

Was Albanien betrifft, möchte ich hervorheben, dass die Kommission im Mai erneut vorgeschlagen hat, dass Albanien sowie Bosnien und Herzegowina in der Lage sein sollten, ihren Bürgerinnen und Bürgern das Reisen im Schengen-Raum mit elektronischen Pässen zu ermöglichen. Der Vorschlag wurde jedoch nicht weiterverfolgt, da Albanien Unzulänglichkeiten bei der Reintegration heimgekehrter Albaner aufwies.

Ich glaube, dass es Sicherheits- und Kontrollangelegenheiten gibt, die schwer auf der Visaliberalisierung lasten. Wir müssen sehr sorgfältig darüber nachdenken: Visa sind notwendig, und wie!

 
  
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  Daniël van der Stoep (NI).(NL) Herr Präsident! Die niederländische Partei für die Freiheit (PVV) ist gegen die Befreiung von der Visumpflicht für Bosnien und Herzegowina sowie Albanien, zwei Länder, die Mitglied bzw. Beobachter der Organisation der Islamischen Konferenz sind. Dies ist eine Organisation, die die Scharia als Grundlage der Menschenrechte ansieht und die Vereinten Nationen mit ihrem unverhohlenen Antisemitismus zur Geisel nimmt. Wie in aller Welt können Sie symbolische Geschenke an Länder verteilen, die die Scharia als Grundlage der Menschenrechte festlegen? Die Scharia besteht aus Gesetzen, die jeden Lebensbereich der islamischen Gesellschaft regeln, vom Zivilrecht über das Familienrecht bis hin zum Strafrecht. Sie schreibt vor, wie man zu essen, sich anzuziehen und selbst wie man auf die Toilette zu gehen hat. Die Unterdrückung der Frau ist gut, Alkohol zu trinken, ist schlecht. Das geht über meinen Verstand.

Kann mir jemand erklären, wie dieses Recht Seite an Seite mit den von der Europäischen Union so hoch gehaltenen Grund- und Menschenrechten gelten kann? Diese beiden Länder könnten als die korruptesten Länder Europas angesehen werden und doch hält es das Parlament für notwendig, sie mit der Befreiung von der Visumpflicht zu belohnen, nur weil sie weniger korrupt sind als Simbabwe. Dies wird durch Aussagen verschleiert wie: „Nun, das wird ihnen ermöglichen, ihre Familien zu besuchen oder ein Auslandsstudium zu absolvieren.“ Dies ist natürlich absoluter Unsinn, denn diese Möglichkeit besteht bereits. Nur müssen sie dafür ein Stück Papier erwerben, das ihnen die Erlaubnis dazu gibt. Es ist absoluter Unsinn, die Visumpflicht aufzuheben, weil sie sonst in ihren bemitleidenswerten kleinen Ländern eingeschlossen wären. Das ist völliger Unsinn! Die niederländischen Städte wurden bereits durch Horden von Polen, Rumänen und Bulgaren überschwemmt. Genug, um verrückt zu werden. Diese Befreiung von der Visumpflicht wird die Dinge nur noch verschlimmern. Das ist äußerst bedauerlich!

(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten)

 
  
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  Emine Bozkurt (S&D).(NL) Herr Präsident! Ich möchte Herrn van der Stoep eine Frage stellen. Sie haben gesagt, dass diese Länder die Scharia als Grundlage der Menschenrechte ansehen. Könnten Sie uns bitte sagen, welche spezifischen Vorschläge die Parlamente von Bosnien und Herzegowina sowie Albanien hinsichtlich der Einführung der Scharia diskutiert haben und an welchen Tagen diese Debatten stattgefunden haben? Sie stellen doch hier eine Behauptung auf, die Sie nicht beweisen können? Ich hoffe, dass Sie es doch können, aber lassen Sie es uns bitte wissen.

 
  
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  Daniël van der Stoep (NI).(NL) Herr Präsident! Frau Bozkurt weiß natürlich, dass ich nicht mit den genauen Einzelheiten aller Vorgänge in Bosnien und Herzegowina sowie Albanien vertraut bin, noch liegt das, ehrlich gesagt, in meinem Interesse. Darf ich sie daran erinnern, dass die Erklärung von Kairo ausdrücklich besagt, dass die Scharia die Grundlage der Menschenrechte darstellt und dass Bosnien und Herzegowina sowie Albanien diese Erklärung unterzeichnet haben? Können Sie mir bitte erklären, warum Sie daran nichts Falsches sehen? Wenn man die Scharia als Grundlage der Menschenrechte ansieht, ist man doch nicht ganz bei Trost? Das ist alles, was ich zu diesem Thema sagen kann.

 
  
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  Agustín Díaz de Mera García Consuegra (PPE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Frau Fajon zu einem Bericht beglückwünschen, der sehr viel Engagement erfordert hat und in sehr bestimmter Art und Weise erarbeitet wurde.

Außerdem möchte ich meiner Kollegin und Freundin Frau Corazza Bildt zu ihrem bestimmten und leidenschaftlichen Engagement für die Befreiung von der Visumpflicht für Bosnien und Herzegowina sowie Albanien gratulieren, zwei Länder, die diese unbedingt nötig haben.

Wie Sie war auch ich während des Krieges in Sarajevo und Mostar und auch ich habe Milosevics massive Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen und die Solidarität der Albaner miterlebt. Deshalb, Herr Präsident, möchte ich hier und heute meine Freude ausdrücken, denn glücklicherweise ist doch noch für Gerechtigkeit gesorgt worden. In der Folge des Gipfels von Thessaloniki im Juni 2003, als die Europäische Union, nach der ersten Phase, in der beide Länder die Anforderungen noch nicht erfüllten, endlich und glücklicherweise zur Tat schritt und die Staaten des westlichen Balkans von der Visumpflicht befreite, können wir nun unsere Verpflichtung bekräftigen und begrüßen, dass Albaner und Bosnier endlich in die EU reisen dürfen.

Die Notwendigkeit, den Staaten des Balkans und besonders Ländern, die der EU sicherlich einmal beitreten werden, Stabilität zu verschaffen und die Mobilität einer gegenwärtig isolierten Bevölkerung zu ermöglichen, muss meines Erachtens, Herr Präsident, Frau Kommissarin, eine politische Verpflichtung dieses Parlaments sein.

 
  
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  Emine Bozkurt (S&D). – Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin Frau Fajon danken. In Bosnien und Herzegowina fühlen sich die Menschen seit dem Krieg in den 90er-Jahren wie in einem Käfig eingeschlossen. Nun wird endlich die Tür aufgehen, um sie hinauszulassen.

Morgen ist der Tag, an dem das Europäische Parlament ein deutliches Zeichen geben kann, dass die Menschen von Bosnien und Herzegowina sowie Albanien in Europa willkommen sind. Die Europäische Kommission ist zu der Schlussfolgerung gekommen, dass beide Länder die Vorgaben für die Visaliberalisierung erfüllt haben. Die Reformen sind wichtig für diese Länder, aber auch für die EU. Es wurden bedeutende Fortschritte bei der Sicherung der Grenzen und der Verbesserung der Zusammenarbeit zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität – wie beispielsweise Menschen- und Drogenhandel – gemacht und es wird möglich sein, Personen, die sich illegal auf europäischem Boden aufhalten, zurückzuführen.

Die Erfahrung mit der Visaliberalisierung hat gezeigt, dass die politischen Führer in Bosnien und Herzegowina willens und imstande waren, einer schnellen Durchführung der erforderlichen Reformen zuzustimmen. Die Zusammenarbeit bei diesen Reformen und deren Wirksamkeit werden hoffentlich als Beispiel für weitere für die EU-Integration nötige Reformen dienen, doch ist die Befreiung von der Visumpflicht auch sehr wichtig für Menschen, die endlich ihre Familien besuchen werden können, besonders in Hinsicht auf die große Diaspora von Bosnien und Herzegowina in Europa. Außerdem ist sie entscheidend dafür, dass junge Menschen und Studenten ihre europäische Zukunft ins Auge fassen können. Sie werden die Gelegenheit haben, über die Mauern ihres Landes hinaus zu sehen. Hoffentlich werden sie auch von ihren neuen politischen Führern verlangen, dass die EU-Integration ein wichtiges Thema auf ihrer Agenda bildet.

Was wir auf keinen Fall wollen, ist ein schwarzes Loch in Europa. Die Europäische Kommission – und wir, das Parlament – wollen diese Isolierung aufheben. Wir haben diesen Ländern die Visaliberalisierung versprochen, sofern sie die Kriterien erfüllen. Durch die Zustimmung der Kommission und des Europäischen Parlaments werden zwei Drittel der europäischen Institutionen die Bemühungen und den Fortschritt dieser Länder anerkennen. Ich möchte, dass auch der Rat sein Versprechen hält, damit Bosnier und Albaner schließlich Licht am Ende dieses langen Tunnels sehen können.

 
  
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  Jelko Kacin (ALDE).(SL) Meinen Glückwunsch, Tanja. Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Lassen Sie uns deutlich sagen, warum Albanien sowie Bosnien und Herzegowina es letztes Jahr verfehlt haben, sich die Visaliberalisierung für ihre Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Nämlich, weil sie es verfehlt haben, eine politische Hausaufgabe zu erledigen, die ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern gezeigt hätte. Dieses Jahr haben die Parlamente und Regierungen dieser Länder die Wiederholungsprüfung jedoch erfolgreich bestanden. Allerdings haben sie dies erst im letzten Moment geschafft, da einige Leute dort immer noch Zweifel haben.

Wir, die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, freuen uns auf die Visaliberalisierung und möchten den Bürgerinnen und Bürgern von Albanien sowie Bosnien und Herzegowina sagen, dass sie unsere Freunde, unsere Partner und unsere lieben Nachbarn sind. Sie werden willkommen sein, wenn sie uns und ihre Verwandten besuchen kommen, die durch ihre harte Arbeit mit uns gemeinsam eine vereinigte, bessere, reichere und größere Europäische Union aufbauen.

Die Entscheidung zur Visaliberalisierung, die im Europäischen Parlament getroffen werden wird, ist unsere gemeinsame Errungenschaft, eine wichtige politische und eine aufrichtige, menschliche Botschaft. Die Visaliberalisierung soll den Menschen dieser Länder zugutekommen und nicht ihre Politiker belohnen. Dennoch müssen die Regierungen beider Länder mit ihren Anstrengungen fortfahren, um die Innenminister der EU-Mitgliedstaaten zu überzeugen, dass sie sich wirklich völlig an die Durchführung und konsequente Befolgung der übernommenen Regeln und Verpflichtungen binden.

 
  
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  Ulrike Lunacek (Verts/ALE). - Herr Präsident! Auch ich möchte mich im Namen meiner Fraktion bei Frau Tanja Fajon für ihre hervorragende Arbeit bedanken und diesen Dank auch an Kommissarin Malmström richten, denn ich denke, Sie haben beide wertvolle Arbeit geleistet und die richtigen Schritte gesetzt. Die Abstimmung morgen im Europäischen Parlament wird das Versprechen einer europäischen Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger sowohl in Albanien als auch in Bosnien-Herzegowina konkreter machen. Es wird ihnen endlich das zugesichert werden können, was Serbien, Montenegro, Mazedonien schon seit letztem Jahr haben. Diese breite Zustimmung im Europäischen Parlament morgen wird aber auch eine klare Aufforderung an den Rat sein, an die nächste Ratssitzung im November, klarzumachen, dass auch der Rat hier grünes Licht geben wird, genauso wie die Kommission es gemacht hat und wie das Europäische Parlament es morgen tut.

Es darf nicht sein, wie hier schon erwähnt wurde, dass einige Mitgliedstaaten jetzt hergehen und Argumente vorschieben, wie neue Sicherheitsgarantien, während wir genau wissen, dass das nur auf innenpolitischen Debatten basiert und nicht auf der Realität der erfüllten Kriterien in Bosnien-Herzegowina und in Albanien. Das heißt, die Aufforderung von uns hier morgen geht an den Rat: Gebt auch grünes Licht, wie es die Kommission und das Parlament bereits getan haben!

Als Berichterstatterin für den Kosovo muss ich aber auch sagen, zum einen zu Frau Flašíková Beňová, die jetzt, glaube ich, leider nicht mehr im Raum ist: Kosovo ist ein unabhängiger Staat. Auch wenn das die fünf noch nicht anerkennen, noch nicht sehen wollen. Es ist aber eine Tatsache und ist so. Und als Kosovo-Berichterstatterin geht auch meine Forderung an die Kommission, der Regierung in Kosovo endlich eine Roadmap zu geben, damit die beginnen können, daran zu arbeiten, und auch für die Bürgerinnen und Bürger des Kosovo die Visafreiheit, das freie Reisen, endlich näherrückt.

 
  
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  Jaroslav Paška (EFD). (SK) Der unterbreitete Vorschlag – eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates – wird es den Bürgerinnen und Bürgern von Albanien sowie Bosnien und Herzegowina ermöglichen, ohne Visum in alle Länder der europäischen Union zu reisen.

In einer Zeit, in der mehrere islamische Organisationen Europa mit Terroranschlägen bedrohen, ist dies meiner Ansicht nach eine überraschende und positive Geste, die vielleicht an die gesamte islamische Welt gerichtet ist. Jedoch gibt es außerhalb des Rahmens der Verordnung, in der Begründung einen Hinweis auf den Kosovo. Laut fast zwei Dritteln der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ist der Kosovo gemäß der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats und Kapitel 1 Artikel 2.7 der UN-Charta formell ein rechtmäßiger Teil der serbischen Republik, wenn auch heute in Form eines speziellen Protektorats. Daher denke ich, Frau Kommissarin, dass wir das internationale Recht im Falle des Kosovo peinlich genau befolgen sollten und die Bürgerinnen und Bürger Serbiens nicht nach deren Wohnort oder nach ethnischen Kriterien aufteilen, sondern den Bewohnern der serbischen Provinz Kosovo erlauben sollten, genauso wie andere Bürgerinnen und Bürger Serbiens auch, mit einem serbischen Pass in alle Länder der Europäischen Union zu reisen.

 
  
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  Philip Claeys (NI).(NL) Herr Präsident! Es ist eine außerordentlich unkluge Idee, die Visaliberalisierung für Länder wie Bosnien und Herzegowina oder Albanien einzuführen. In ihrer Begründung sagt Frau Fajon wörtlich, dass es hier hauptsächlich um Studenten und junge Leute geht, die ihre Freunde und Verwandten besuchen kommen. Ist das nun wirkliche Naivität oder gespielte Treuherzigkeit in der Bemühung, die Realität zu verleugnen? Zum Beispiel führen Sie in Ihrem Bericht an, dass die Aufhebung der Visumpflicht zur Beseitigung ethnischer und politischer Instabilität beitragen wird. Seien wir ehrlich: Wir werden schlicht und allein erst einen Großteil dieser Instabilität in die Europäische Union importieren.

Lassen Sie mich Ihnen ein Zitat aus einem Bericht von Europol, Eurojust und Frontex zur internen Sicherheitslage der EU vorlesen. Es handelt sich um ein Dokument vom 7. Mai 2010. „Albanien, Kosovo, Serbien, Montenegro und FYROM sind Durchgangsländer für illegale Einwanderer und Opfer von Menschhandel zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung, Cannabisprodukte, Heroin, Kokain, Zigaretten, synthetische Drogen und deren Ausgangsstoffe, Eurofälschungen und Schusswaffen. Besonders beim Heroinhandel und dem Handel von Frauen zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung stechen albanischsprachige Gruppen organisierter Krimineller hervor.“ Zitatende. Deshalb werden wir nun, statt die Kontrollen zu verschärfen, die Visumpflicht abschaffen, unsere Türen weit öffnen und das Problem der importierten Kriminalität noch verschlimmern.

 
  
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  Andrey Kovatchev (PPE).(BG) Ich begrüße Frau Fajons Bericht und den Vorschlag der Kommission, die Visapflicht für Albanien sowie Bosnien und Herzegowina aufzuheben. Die Praxis hat gezeigt, dass Visa leider nicht immer die wirksamste Methode sind, illegale Einwanderung und organisierte Kriminalität aufzuhalten. Diejenigen, die am meisten unter Reisebeschränkungen leiden, sind die gewöhnlichen Leute und vor allem die jungen. Diese Einschränkungen hindern die zukünftigen Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union daran, alles, was wir gemeinsam in Europa erreicht haben, zu sehen und zu würdigen, und daran, andere Europäer ihrer Altersgruppe zu treffen und sich mit ihnen anzufreunden. Ich möchte einige, die gerade Kritik erhoben haben, darauf hinweisen, dass die Befreiung Mazedoniens, Montenegros und Serbiens von der Visumpflicht keinerlei negative Folgen gehabt hat. Die Europäische Union ist die Verpflichtung eingegangen, den Staaten des westlichen Balkans eine klare europäische Perspektive zu geben, also lassen Sie uns unseren Teil beitragen und diesen Ländern die Befreiung von der Visumpflicht einräumen.

Natürlich können wir bei Maßnahmen zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Geldwäsche sowie Menschen- und Drogenhandel keinen Kompromiss eingehen. Die Intensivierung der Gesetzes- und Verwaltungsreformen sowie die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern ist ebenfalls wichtig. In Europa sollte sich niemand isoliert und ausgeschlossen und ohne jegliche Gelegenheit, zu reisen, fühlen. Die Europäische Union gründet auf Werten, die wir mit unseren Nachbarn und mit den Ländern teilen, die sich auf den Weg der europäischen Integration gemacht haben. Ich bin froh, dass wir den Albanern und den Bosniern die Türen öffnen, da sie voraussichtlich eines Tages ebenfalls Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sein werden. Die Aufhebung der Visumpflicht für die Staaten des westlichen Balkans wird der Sicherheit, der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger dieser Länder und der gesamten Europäischen Union zugutekommen. Auch der Kosovo muss in die Visaliberalisierung einbezogen werden. Nach der Aufhebung der Einschränkungen für Albanien sowie Bosnien und Herzegowina werden die Bürgerinnen und Bürger des Kosovo das letzte Volk auf dem Balkan sein, das ein Visum braucht, um nach Europa zu reisen. Ungeachtet unserer Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Kosovo, muss diesem durch politische Führer der EU ein Fahrplan für die Befreiung von der Visumpflicht vorgegeben werden. Ich glaube, dass dies Gelegenheit bieten wird, die ethnischen Spannungen in den Balkanstaaten zu verringern, und dass diese nicht länger das historische Pulverfass Europas darstellen werden, sondern zu einem Vorbild der Gesetzestreue und bürgerlichen Freiheiten sowie zu einer Wohlstandsgarantie werden.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (S&D).(RO) Ich möchte damit beginnen, Tanja Fajon zu ihrem Bericht zu gratulieren.

Als Teil der Agenda von Thessaloniki berücksichtigt der Visaliberalisierungsprozess mit Albanien sowie Bosnien und Herzegowina die während der Dialoge der letzten sieben Monate gemachten Fortschritte. Auf einer Fall-zu-Fall-Basis wurde eine gründliche Beurteilung durchgeführt, um eine Liste mit Kriterien in Bezug auf illegale Einwanderung, öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie bezüglich der Außenbeziehungen der Europäischen Union mit Drittländern aufzustellen.

In diesem Zusammenhang muss offensichtlich auch der Sicherheit von Reisedokumenten, die von den betreffenden Drittländern ausgestellt werden, besondere Achtung geschenkt werden. Die Befreiung von der Visumpflicht basiert auf den auf das jeweilige Land angepassten Fahrplänen. Hier besteht die Notwendigkeit, an das europäische Los der beiden Länder zu erinnern und daran, dass sie die Visumpflicht für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union bereits aufgehoben haben.

Schließlich möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Befreiung von der Visumpflicht nur für Inhaber biometrischer Pässe, die von den beiden besagten Ländern ausgestellt wurden, gelten sollte.

 
  
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  Kinga Gál (PPE). (HU) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, dass wir endlich, fast ein Jahr nachdem wir zu Serbien, Montenegro und Mazedonien Stellung bezogen haben, nun auch zur Befreiung von der Visumpflicht für Bosnien und Herzegowina Stellung nehmen können. Besondere Anerkennung möchten wir der Berichterstatterin Tanja Fajon und meiner Kollegin Anna Maria Corazza Bildt für ihre engagierte Arbeit zollen.

Das Thema des Reisens ohne Visum in Europa kann weder als Privileg noch als diplomatische Geste angesehen werden. Es basiert auf gegenseitigen Verpflichtungen, was bedeutet, dass Sicherheitsbedenken unsere politischen Ziele nicht gefährden können. Daher möchte ich der Kommission und besonders Frau Kommissarin Malmström ausdrücklich für ihre Arbeit zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Zeitplans danken, der für die Liberalisierung der Visabestimmungen der Staaten des westlichen Balkans festgelegt wurde.

Die Tatsache, dass nur einige Tage seit den Wahlen in Bosnien und Herzegowina vergangen sind, macht dieses Thema noch bedeutender. Zudem zeigen die Wahlergebnisse, dass die tiefen ethnisch bedingten Diskrepanzen nicht auf einen Schlag behoben werden können. Doch die Befreiung von der Visumpflicht wird der nächsten Generation, den jungen Menschen, Zugang zu einer europäischen Perspektive verschaffen und diese europäische Perspektive kann zur Versöhnung beitragen. Auch deshalb wird die Visumfreiheit in dieser Region benötigt. Der Weg zur Schaffung der für ein friedvolles Nebeneinander erforderlichen Bedingungen führt über die Europäische Union und durch die Unterstützung der Befreiung von der Visumpflicht tragen wir selbst zu diesem Ziel bei. Deshalb sollten wir auch den Kosovo nicht vergessen und deshalb müssen wir auch so bald wie möglich einen Zeitplan für diese Region aufstellen.

 
  
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  Victor Boştinaru (S&D). – Herr Präsident! Ich denke, dass wir die Befreiung von der Visumpflicht für Albanien sowie Bosnien und Herzegowina unterstützen sollten, und ich begrüße den Bericht von Tanja Fajon außerordentlich. Doch in Bezug auf Albanien müssen wir sicherstellen, dass wir die Botschaft übermitteln, dass eine positive Abstimmung im Europäischen Parlament auf keinen Fall eine Belohnung der albanischen Regierung bedeutet. Sie stellt stattdessen lediglich eine Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger Albaniens dar, die für über ein Jahr die Konsequenzen einer nie enden wollenden politischen Krise erleiden mussten. Es ist jedenfalls klar, dass Albanien mit einem positiven Ergebnis im Parlament erst die Hälfte des Weges geschafft hätte, da einige Ratsmitglieder, sofern das Land nicht deutliche Fortschritte macht, Vorbehalte anmelden werden.

Bis jetzt scheint die albanische Regierung, ungeachtet der im Juni vom Europäischen Parlament angenommenen Entschließung, keinerlei Fortschritt gemacht noch jegliche Bemühung zur Lösung der politischen Krise gezeigt zu haben. Der einzige Bereich, in dem eine sichtbare Entwicklung stattgefunden hat, war der der Korruption, doch leider in die falsche Richtung, denn in den letzten Monaten wenigstens sind täglich neue Bestechungsfälle hochrangiger Mitglieder der albanischen Regierung an die Öffentlichkeit gedrungen.

Dies ist nicht die richtige Art und Weise, sich gegenüber der EU zu verhalten, und Albanien sollte auf diese Warnung hören, bevor es zu spät ist.

 
  
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  Georgios Papanikolaou (PPE).(EL) Herr Präsident! Die Abschaffung der Visumpflicht für die Bürgerinnen und Bürger aller Länder des westlichen Balkans ist der wahre Beweis für die europäischen Erfolgsaussichten dieser Menschen. Es ist sehr wichtig, dass Albanien sowie Bosnien und Herzegowina jetzt die für die Befreiung von der Visapflicht erforderlichen Bedingungen, Voraussetzungen und Indikatoren erfüllen.

Ich möchte indes einige Punkte zu dem hinzufügen, was bereits gesagt wurde, und Ihre Aufmerksamkeit auf meine folgenden drei Anmerkungen lenken: Erstens werden wir von nun an besonders sorgfältig und streng sein müssen, was die Einhaltung von Verpflichtungen im Bereich der illegalen Einwanderung angeht. Wichtiger noch: Ich möchte dieses Parlament daran erinnern, dass im Jahr 2009 an der Landgrenze zwischen Griechenland und Albanien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien der höchste Anteil, nämlich 34 %, an in der Europäischen Union aufgegriffenen illegalen Einwanderern festgestellt wurde.

Zweitens dürfen wir die Bedenken über einen möglichen Zuwachs an Wirtschaftsmigranten aus diesen Ländern in die restlichen Länder der Europäischen Union aus einem zusätzlichen Grund nicht ignorieren: Die Erfahrung mit der Zunahme von Anträgen auf politisches Asyl aus der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Serbien und Montenegro von vor etwa einem Jahr hier in Brüssel ist noch frisch. Zu jenem Zeitpunkt war, wie uns in Erinnerung gerufen wurde, unmittelbar nach der Aufhebung der Visumpflicht eine Sonderaktion der belgischen Regierung notwendig.

Schließlich müssen die hier von bestimmten Mitgliedstaaten gestellten Fragen beantwortet werden und der Ratsvorsitz muss sein Versprechen halten und ein Expertentreffen organisieren, um die Punkte zu untersuchen, die einige Mitglieder als noch ausstehend betrachten. Es handelt sich hier um ausstehende Themen, für die eine Lösung gefunden werden muss, wenn das Verfahren reibungslos ablaufen soll.

 
  
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  Carlos Coelho (PPE).(PT) Ich möchte damit beginnen, Frau Fajon zu ihrem herausragenden Bericht und meine Kollegin Frau Bildt, die als Schattenberichterstatterin für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) wirkte, zu ihrer Arbeit zu beglückwünschen. Es wurde bereits daran erinnert, dass als wir im November 2009 die Befreiung von der Visumpflicht für Serbien, Montenegro und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien beschlossen, wir aber dies für Albanien sowie Bosnien und Herzegowina aus dem einfachen Grund nicht auch tun konnten, weil diese die Kriterien nicht erfüllten. In der Tat unterliegt die Liberalisierung der Visumpflicht für den Zugang zum Schengen-Raum einer strengen Fall-zu-Fall-Beurteilung. Diese Beurteilung basiert auf Kriterien in Bezug auf die Verstärkung der Rechtsstaatlichkeit, der öffentlichen Ordnung und insbesondere der Sicherheit, auf die Bekämpfung organisierter Kriminalität, Korruption und illegaler Einwanderung und auf die Außenbeziehungen der Europäischen Union mit Drittländern. Die Beurteilung berücksichtigt außerdem die Auswirkungen auf die regionale Kohärenz und Gegenseitigkeit.

Der von der Kommission eingebrachte Vorschlag ermöglicht auf der Grundlage der Evaluierungsberichte die Schlussfolgerung, dass diese beiden Länder derzeit den Großteil der Kriterien erfüllen, um von Anhang I (der so genannten „Negativliste“) auf Anhang II (der so genannten „Positivliste“) übertragen zu werden. Es bleibt nur noch eine sehr begrenzte Anzahl an Kriterien zu erfüllen, deren Durchführung von der Kommission überwacht wird. Bleibt zu hoffen, dass dieses Verfahren sehr bald abgeschlossen wird.

Das Europäische Parlament und der Rat haben sich verpflichtet, so schnell wie möglich eine Entscheidung zu treffen, sobald bestätigt würde, dass diese Kriterien allesamt erfüllt wurden. Wir werden dieser Verpflichtung nun nachkommen und wir hoffen, dass der Rat dies auch tun wird. Wie meine Kollegin Frau Bildt bereits gesagt hat, ist es nun an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und der Isolierung ein Ende zu bereiten. Wollen wir hoffen, dass diese beiden Länder schon zur kommenden Weihnachtszeit von der Aufhebung profitieren können. Dies würde die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dieser Region stärken und dazu dienen, dem Gefühl der Isolierung dieser Menschen ein Ende zu bereiten.

 
  
  

VORSITZ: Isabelle DURANT
Vizepräsidentin

 
  
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  Lena Kolarska-Bobińska (PPE).(PL) Frau Präsidentin, die Aufhebung von Visumbeschränkungen wird nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger von Albanien und Bosnien und Herzegowina ein sehr freudvoller Moment sein, sondern auch für uns Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union. Denn dies wird bestätigen, dass wir getreu unseren Werten der Offenheit gegenüber unseren Nachbarn handeln. Dies wird uns auch sicherere nachbarschaftliche Beziehungen bringen.

Während wir die Tatsache begrüßen, dass Anstrengungen unternommen wurden, um visumfreies Reisen einigen westlichen Balkanstaaten zuzusichern, sollte dennoch eine große Bitte und ein Appell an die Europäische Kommission sowie an die Kommissarin und auch an unsere Mitgliedsländer gerichtet werden: lassen Sie uns an die Länder der Östlichen Partnerschaft denken, lassen Sie uns in dieser Zeit an die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien denken. Es erwarten uns weitere Herausforderungen. Lassen Sie uns, da wir jetzt eine Stufe erreicht haben, sogleich an die nächste denken. Diese Länder – die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien – haben nicht einmal offiziell Fahrpläne erhalten. Dies ist etwas, worum wir bereits während der aktuellen Amtszeit des Europäischen Parlaments dringend gebeten hatten.

Die Europäische Union fühlt sich den westlichen Balkanstaaten gegenüber verpflichtet, und sie sollte sich auch gegenüber ihren – und unseren – östlichen Nachbarn verpflichtet fühlen. Die Situation ist in beiden Fällen vergleichbar – wir sprechen über Nachbarn, die vor nicht allzu langer Zeit ungehindert in einige der Länder der Europäische Union reisen konnten. Jetzt sind sie leider die Opfer von Beschränkungen, und es handelt sich überwiegend um junge Menschen und Studenten. Denn die Elite weiß sich zu helfen und reist überall hin. Wir sprechen hingegen über die Zukunft von Europa, über Studenten und jüngere Erwerbspersonen. Es ist nicht nur das Leben dieser Menschen, auf das sich die Visumliberalisierung auswirken könnte, sondern auch die Qualität der Demokratie in den betroffenen Ländern. Und dies würde in eine Festigung der Beziehungen zu unseren direkten Nachbarn resultieren und somit eine Stärkung der Europäischen Union bedeuten. Daher wiederhole ich den Aufruf an die Europäische Kommission und die Kommissarin, diese weiteren Herausforderungen anzunehmen und einen Fahrplan für die Länder der Östlichen Partnerschaft vorzulegen.

 
  
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  Eduard Kukan (PPE). – Frau Präsidentin, ich möchte Bosnien und Herzegowina und Albanien zur Erfüllung sämtlicher Kriterien für eine visumfreie Regelung gratulieren. Auch möchte ich meiner geschätzten Kollegin Tanja Fajon zu ihrer ausgezeichneten und engagierten Arbeit gratulieren.

Die Freizügigkeit ist eine der wichtigsten Freiheiten, auf der die Europäische Union gründet. Ich freue mich, dass wir diesen Grundsatz erweitern, um die Nachbarländer von Südosteuropa aufzunehmen. Dies ist ein wichtiger Schritt und eine positive Entwicklung auf deren Weg zur europäischen Integration.

Ich habe persönlich die positiven Auswirkungen des visumfreien Reisens auf die Reisebedingungen der Bürgerinnen und Bürger von Serbien, Montenegro und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien seit dem letzten Jahr erfahren können. Eine Möglichkeit zur ungehinderten Einreise in die EU zu haben ist nicht nur ein praktischer Vorteil, sondern sie hat in vielen Fällen auch psychologische Barrieren abgebaut und die Menschen wieder miteinander verbunden. Dies hat auch gezeigt, dass der durch die Europäische Union für die Visumliberalisierung verwandte Grundsatz der Konditionalität gut funktioniert und positive Ergebnisse hervorbringt.

Trotzdem muss die EU auch ihre Glaubwürdigkeit bewahren und ihre Verpflichtungen einhalten. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die Einführung der Regelung der Visumliberalisierung für Albanien und Bosnien und Herzegowina nicht weiter aufgeschoben wird. Sie wird nicht nur Gutes für die Menschen dieser Länder bewirken, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union stärken.

Letztendlich sollte die Politik der Öffnung der EU gegenüber dem westlichen Balkan, um der Region mehr Stabilität zu verleihen, hier nicht enden. Ich würde daher eine Strategie und Lösung für eine visumfreie Regelung, die man dem Kosovo vorschlagen könnte, in naher Zukunft begrüßen.

 
  
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  Cecilia Malmström, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, vielen Dank für diese Aussprache. Ich verspüre eine sehr deutliche Unterstützung für den Kommissionsvorschlag, den Bürgerinnen und Bürgern von Bosnien und Herzegowina sowie Albanien Visumfreiheit zu gewähren, und ich meine, dass dies eine sehr gute Sache ist. Hoffentlich wird es morgen eine große Mehrheit im Plenum geben. Und das wird ein Signal an die Menschen dieser beiden Länder senden, dass die gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments nachhaltig ihren Wunsch unterstützen, ungehinderter in der Europäischen Union zu reisen.

Ich kann Ihnen neuerlich versichern, dass den Kriterien entsprochen worden ist. Wir haben dies sehr aufmerksam verfolgt. Wir stehen natürlich weiterhin in Verbindung mit den zuständigen Stellen und werden die Situation beobachten, aber die Kriterien sind erfüllt worden. Alle Länder müssen gleich behandelt werden. Die Kriterien sind klar und sehr transparent. Das Verfahren ist so transparent wie möglich gewesen.

Noch einige Worte zum Kosovo, bevor ich zum Schluss komme. Der Kosovo ist nicht vergessen. Der Kosovo ist dabei natürlich auch ein sehr wichtiger Partner. Er hat viele Fortschritte gemacht. Aber die Kommission muss weiterhin, um glaubwürdig zu sein, alle Kriterien und Bedingungen überwachen, wenn wir die Glaubwürdigkeit und Legitimität für dieses Verfahren bewahren wollen. Der Kosovo ist nicht bereit. Wir arbeiten mit ihm zusammen. Ich weiß, dass der Kosovo vonseiten der Regierung große Anstrengungen zur Rückübernahme und Wiedereingliederung von Zwangsrückkehrern unternimmt. Er muss mehr tun. Sofern diese Bedingungen erfüllt werden, sind wir natürlich bereit, mit ihm in einen formelleren Dialog über Visumfragen einzutreten. In der Zwischenzeit können wir die Mitgliedstaaten nur zur Nutzung aller Möglichkeiten ermutigen, die durch den geänderten Visum-Kodex eingeräumt werden, wenn sie die von Bürgerinnen und Bürger des Kosovo vorgelegten Visumsanträge behandeln.

Demnach danke ich, Frau Berichterstatterin, für diese sehr fruchtbare und ermutigende Aussprache und hoffe auf eine sehr breite Zustimmung morgen im Plenum.

 
  
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  Tanja Fajon, Berichterstatterin.(SL) Ich freue mich, dass – bei den wenigen Ausnahmen, die ihre offensichtliche Ignoranz gegenüber der Lage in den Balkanländern bekundet haben – die große Mehrheit dieses Parlaments darin übereinstimmt, es sei an der Zeit, die Aufhebung der Visumbeschränkungen im westlichen Balkan zu unterstützen.

Wie bereits mehrfach gesagt wurde, stimmt es, dass diejenigen, die über die entsprechenden Finanzmittel verfügen, Mittel und Wege für das Reisen gefunden haben. Aber morgen werden wir im Europäischen Parlament über das Schicksal von Bürgerinnen und Bürgern und deren Mobilität, insbesondere dasjenige von jungen Menschen und Studenten, entscheiden.

Es gibt dort eine ganze Generation, die hinter Visummauern aufgewachsen ist, und der Kosovo wird, wie wir gesagt haben, ein ernstes Problem bleiben. Wir müssen so schnell wie möglich eine Lösung für diese Menschen finden, denn ihre Isolation und Frustration wird verständlicherweise zunehmen. Frau Kommissarin, wir brauchen klare Leitlinien, damit die Behörden im Kosovo ihre Arbeit aufnehmen können.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Menschen in Albanien und Bosnien und Herzegowina dank unserer umfangreichen Informationskampagne heute viel mehr wissen als früher. Sie wissen, was Visumliberalisierung bedeutet. Sie wissen, dass wir mit der Abschaffung ihrer Visa in der Europäischen Union keine Arbeitsplätze, Asylrechte, Nationalität oder dergleichen preisgeben werden. Was wir ihnen jedoch anbieten, ist das Grundrecht jeder europäischen Bürgerin und jedes europäischen Bürgers, das Recht auf freies und ungehindertes Reisen. Für die Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina sowie Albanien und für die Menschen des westlichen Balkans im Allgemeinen wird dies ein bedeutender und wichtiger Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union sein.

Abschließend möchte ich sagen, dass das, was wir morgen tun werden und im vergangenen November getan haben, für uns alle wichtig sein wird – wichtig für die Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit nicht nur in der Region, sondern auch in der Europäischen Union. Insbesondere wird dies jedoch im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den Menschen von Bedeutung sein, die, wie man sagen kann, nur wenige Kilometer entfernt von uns leben. Die Botschaft, die wir vermitteln werden, ist, dass wir es ernst damit meinen und dass sie eine klare europäische Zukunft haben. Die Menschen in Albanien und Bosnien und Herzegowina erwarten das von uns. Ich denke, das ist die Botschaft, auf die sie morgen warten werden.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet wie geplant morgen statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Elena Băsescu (PPE), schriftlich. – (RO) Ich unterstütze die EU-Initiative zur Visumliberalisierung für Bosnien und Herzegowina und Albanien. Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen, um die Frage der Visumliberalisierung für die Republik Moldau anzusprechen. Ein Land, welches innerhalb der Östlichen Partnerschaft bemerkenswerte Fortschritte gemacht hat. Wie bei Albanien und Bosnien und Herzegowina hat die Republik Moldau während des letzten Jahres ungewöhnliche Anstrengungen unternommen, um eine visumfreie Regelung zu erzielen. Die Regierung hat bereits damit begonnen, die von der EU von den Staaten des westlichen Balkans geforderten Maßnahmen als Bestandteil der Fahrpläne umzusetzen, wobei eine „erste Umsetzungsstrategie“ unterstützt wird. Die ersten Maßnahmen in diesem Bereich beinhalten die Annahme des Ausländergesetzes und erste Arbeiten zur Konzeptentwicklung eines integrierten Grenzmanagements.

Auch wurde die Entscheidung getroffen, nur noch biometrische Pässe auszustellen, und das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde ratifiziert. Die „Visumpflicht“ schadet dem Ansehen der EU in der Republik Moldau in beträchtlichem Maße. Der erste Schritt zur Behebung dieses Problems durch die Europäische Union wäre der schnellstmögliche Entwurf eines Fahrplans für eine visumfreie Regelung. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Wahlen würde diese Maßnahme eine überzeugende Botschaft der Unterstützung an die pro-europäischen Kräfte in diesem Land senden.

 
  
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  George Becali (NI), schriftlich.(RO) Ich unterstütze den Standpunkt der Berichterstatterin, wenn sie sagt, dass der Prozess der Wiedervereinigung Europas zu einem Kontinent nur dann vollendet sein wird, wenn alle Europäerinnen und Europäer ungehindert in die Europäische Union reisen können. Es berührt bei mir persönlich mehr als einen wunden Punkt, wenn wir die Frage des westlichen Balkans und speziell die Probleme Albaniens sowie die Fortschritte erörtern, die es der Europäischen Union ermöglichen, die Visumpflichten für innerhalb der EU reisende Bürgerinnen und Bürger aufzuheben. Ein Teil meiner Familie stammt aus Albanien. Vor einem Jahr begrüßte ich die gleiche Maßnahme, welche angenommen wurde und damals die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Montenegro und Serbien betraf. Ich werde mit voller Überzeugung für das wirkliche Recht auf Freizügigkeit für europäische Bürgerinnen und Bürger aus Albanien und Bosnien und Herzegowina stimmen. Wir alle wissen, wie grausam die Kriege gewesen sind, die zu einer Auflösung Jugoslawiens führten und diese Region teilten. Auch wissen wir, dass es den jungen Menschen in diesen Regionen extrem schwerfällt, die Isolierung von einer florierenden EU zu ertragen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu ermutigen. Das Recht auf visumfreies Reisen wird helfen, dies zu erreichen.

 
  
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  Kinga Göncz (S&D), schriftlich. (HU) Das Europäische Parlament kann erneut seine Unterstützung des Aufholprozesses und des EU-Beitritts der Staaten des westlichen Balkans unter Beweis stellen. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass die Liberalisierung der Visumpflicht für Bürgerinnen und Bürger von Albanien und Bosnien und Herzegowina beinhaltet, dass fast alle Einwohner des ehemaligen Jugoslawiens visumfrei in der Europäischen Union reisen können. Weder die Gewährung von visumfreien Reisen noch der Beitritt kann andere Anforderungen als die Erfüllung der Kriterien beinhalten. Beide Länder erfüllen die strengen Anforderungen, die ihren Organen und Einrichtungen für Justiz und Inneres auferlegt wurden. Und sie haben gezeigt, dass sie bereit und in der Lage sind, die jeweiligen in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Die mit der Durchführung von Inspektionen vor Ort betrauten EU-Experten haben ferner festgestellt, dass Sicherheitsrisiken beseitigt werden können. Es ist für Regierungen inakzeptabel hinzunehmen, dass ihre Handlungen stärker von internen politischen Erwägungen als einer unparteiischen Bewertung der Erfüllung von Eignungskriterien beeinflusst werden. Die Gewährung von visumfreien Reisen vermittelt den betroffenen Ländern auch die Botschaft, dass sie die Schwierigkeiten erfolgreich überwinden können, wenn ihre vorbereitenden Maßnahmen durch politische Einigung gestützt werden. Ich war erfreut zu hören, dass die politischen Mächte in Albanien und Bosnien und Herzegowina über gebündelte Kräfte zur Erreichung dieses Ziels verfügen. Ich hoffe aufrichtig, dass die Möglichkeit eines EU-Beitritts, was sich durch greifbare Ergebnisse wie den heute erzielten zeigt, ihren Aufholprozess beschleunigt und zur Überwindung der spalterischen nationalistischen Tendenzen, die den Prozess nur behindern, beiträgt.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI), schriftlich. Bereits mit der Visa-Liberalisierung 2009 haben auf dem Balkan viele die Visa-Freiheit mit einem Freibrief gleichgesetzt. Unzählige haben die erleichterten Visabedingungen genutzt, um einzureisen. Wie viele nach Fristablauf tatsächlich in ihre Heimat zurückkehrten, weiß keiner. Für uns ist offensichtlich, dass eine Visa-Liberalisierung nichts mit Arbeitsplätzen und Aufenthaltsrecht zu tun hat, den Betroffenen scheint das jedoch nicht klar zu sein. Gerade der Kosovo stellt uns in diesem Zusammenhang vor ein großes Problem: Die EU hat sich ja noch nie entscheiden können, was ihr wichtiger ist bzw. was ihrer Ansicht nach rechtens ist – die territoriale Integrität oder das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Und weil man die Vielvölker-Problematik zu lange negiert hat, haben wir jetzt einen gespaltenen Balkanstaat.

Das Kalkül, mit Rückübernahme-Abkommen die irreguläre Einreise in die EU einzudämmen, kann nicht aufgehen, solange Visa-Erleichterungen missbraucht werden. Dem ist ein Riegel vorzuschieben. Wie wichtig Visa-Regelungen sind, zeigt sich ja auch daran, dass Ankara im Gegenzug für Visa-Erleichterungen für türkische Geschäftsleute bereit scheint, endlich das Rücksendeabkommen zu unterzeichnen. Dabei sind diese für EU-Beitrittskandidaten Pflicht. Dies zeigt, neben dem nicht erfüllten Zollabkommen, die Beitrittsunreife der Türkei und ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der EU. Die Verhandlungen sind endlich zu stoppen, und eine privilegierte Partnerschaft ist anzustreben.

 
  
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  Siiri Oviir (ALDE), schriftlich.(ET) Eine visumfreie Regelung hat große Bedeutung im Leben von Menschen, da sie die Beziehungen zwischen den Menschen festigt. Ferner hilft sie bei der Verwirklichung der Idee der Freizügigkeit, die eines der Grundrechte in Europa darstellt. Bereits im Kontext des Aktionsplans von Thessaloniki hat die Europäische Union den politischen Wunsch geäußert, das Erfordernis zur Erteilung von Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt für Bürgerinnen und Bürger aller Staaten des westlichen Balkans abzuschaffen. Die definitive Tatsache, dass die Europäische Union in naher Zukunft sowohl Bosnien und Herzegowina und Albanien als auch den Bürgerinnen und Bürgern der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Montenegros und Serbiens die Möglichkeit des visumfreien Reisens einräumen wird, wird das Risiko einer zunehmenden ethnischen und politischen Instabilität reduzieren, die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Region stärken, die Zustimmung der Menschen zur Europäischen Union festigen und die Aussichten für eine europäische Integration verbessern. Gleichzeitig wird sie den Horizont der Menschen erweitern und antieuropäische und extremistische Kräfte verhindern. Dennoch bin ich im Hinblick auf eine Tatsache unglücklich, und zwar, dass der Kosovo das einzige Land ist, welches die Mitgliedstaaten wegen privater Differenzen von der Abschaffung der Visumpflicht für Bürgerinnen und Bürger der Staaten des westlichen Balkans ausgeschlossen haben. Wir möchten den Kosovo wegen privater Differenzen zwischen Einwohnern der Mitgliedstaaten nicht bestrafen, sondern die Europäische Kommission und der Rat sollten zügig Maßnahmen einleiten, um den Kosovo in den Prozess der Abschaffung der Visumpflicht einzubeziehen. Dies würde die staatlichen und regierungsnahen Stellen und die Politiker des Kosovo dazu ermutigen, die notwendigen Strukturreformen durchzuführen und die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Europäischen Union stärken.

 

15. Basel II und die Änderung der Richtlinie über die Eigenkapitalausstattung (CRD 4) (Aussprache)
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  Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht von Herrn Karas im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über Basel II und die Änderung der Richtlinie über die Eigenkapitalausstattung (CRD 4) [2010/2074(INI)] (A7-0251/2010).

 
  
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  Othmar Karas, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament bezieht mit diesem Bericht zu Basel III klar Position zu den Beratungen des Basel-Komitees. Wir machen auf die offenen Fragen und Probleme für Europa aufmerksam, und wir legen der Kommission ein Forderungspaket für die Erstellung des Richtlinienentwurfs vor. Obwohl – und dafür bedanke ich mich bei allen Schattenberichterstattern – dieser Bericht im Ausschuss mit 38 zu 0 beschlossen wurde, ist es trotzdem notwendig, als Berichterstatter sechs zusätzliche Änderungsanträge einzubringen, wobei sich drei auf die Entwicklung durch die Sitzungen im Basel-Komitee beziehen, um zu aktualisieren, und drei weitere sich auf die Leverage Ratio und auf die Liquiditätsstandards beziehen.

Wir meinen, dass es nicht günstig ist, automatisch ab 2018 die Leverage Ratio in die erste Säule aufzunehmen, sondern es sollte vorher ein Evaluierungsprozess vorgenommen werden. Zum Zweiten gibt es bei den Liquiditätsstandards einige offene Punkte in Basel, die angesprochen werden müssen, damit wir aktuell bleiben

Ich wundere mich ein bisschen über die neun EU-Mitgliedstaaten im Basel-Ausschuss, weil sie den Prozess als abgeschlossen bewerten haben lassen, obwohl es aus unserer Sicht kein level playing field zwischen, der USA-Wirtschaftsstruktur und der europäischen Wirtschafts- und Bankenstruktur und auch nicht den klassischen Retail und Investmentbanken gibt. Und wir haben gleichzeitig noch keine Definition der Liquidität.

Natürlich hat die Krise gezeigt, dass wir eine Änderung des Rahmens benötigen. Daher ist es richtig, sich damit auseinanderzusetzen und Vorschläge zu unterbreiten. Aber die Krise hat auch deutlich gezeigt, dass wir primär eine Liquiditätskrise hatten und nicht primär eine Eigenkapitalkrise, obwohl wir ein höheres Eigenkapital benötigen – Stichwort Lehman Brothers: Da war das Eigenkapital z. B. bei 11 %.

Wir haben aus unserer Sicht fünf offene Punkte: Erstens: Es gibt keine Studie zu den Auswirkungen der jetzt vereinbarten Zahlen auf Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union. Ich bitte die Kommission diese ehebaldigst zu erstellen und vorzulegen. Zweitens: Wir haben die kumulativen Effekte aller Regelungen, die wir derzeit beraten, nicht näher untersucht. Stichwort Basel III, Stichwort Einlagensicherung, Stichwort Bankenabgabe, Stichwort Transaktionssteuer und darüber hinaus. Drittens: Es gibt kein level playing field zwischen EU und USA z. B. bei den Rechnungslegungsvorschriften und noch keine Einigung beim Inkrafttretungszeitraum. Viertens: Es gibt kein level playing field bei der Definition von Kapital zwischen Retailbanken und Investmentbanken. Und fünftens, es gibt offene Fragen wie jene zur Leverage Ratio, der Liquiditätsdefinition oder zur Rolle der Ratingagenturen nach den Beschlüssen von Amerika.

Diese Fragen müssen geklärt werden, bevor die Kommission einen Richtlinienvorschlag auf den Tisch legt. Und sie sollten auch bei G20 nicht abgeschlossen werden, sondern vor einem Abschluss durch das Basel-Komitee einer Klärung zugeführt werden. Wir bleiben am Ball.

 
  
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  Michel Barnier, Mitglied der Kommission.(FR) Frau Präsidentin, Herr Karas, meine Damen und Herren! Erst vor wenigen Tagen wurde im Basler Ausschuss eine Vereinbarung getroffen. Ich halte es für sehr wichtig, dass das Parlament sein Engagement für eine Bankenreform deutlich macht und zeigt, dass sich Europa auf eine Art und Weise verhält und verhalten muss, die seiner globalen Positionierung entspricht. Ich möchte Herrn Karas und den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaft und Währung für ihr Engagement und diesen hervorragenden Bericht danken.

Herr Karas, Sie sprechen eine Reihe kritischer Punkte an, die vor der Annahme unseres Änderungsvorschlags der Eigenkapitalrichtlinie im nächsten Frühjahr sehr sorgfältig untersucht werden.

Ich möchte zunächst sagen, dass ich Ihre Ansicht, Herr Karas, zur Bedeutung der spezifisch europäischen Probleme teile. Unsere Bankwirtschaft in Europa ähnelt der Bankwirtschaft anderer Regionen nicht auf allen Gebieten. Es ist notwendig, Herr Karas, eine eingehende Folgenabschätzung durchzuführen und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf internationaler Ebene aufrechtzuerhalten.

Wir müssen natürlich betonen, dass gesteigerte Kapitalbildung der Banken eine notwendige Voraussetzung für die Stabilisierung und Stärkung des Finanzsektors ist. Das wird aber nicht genügen. Meine Damen und Herren, da Sie daran arbeiten, wissen Sie, dass wir auch eine strengere Aufsicht, stärkere Unternehmensführung, eine Überwachung spekulativer Finanzaktivitäten und einen Rahmen für das Krisenmanagement und die Lösung von Bankenkrisen haben müssen. Das ist unser Fahrplan. Ich danke Ihnen sehr. In diesen Bereichen wurden bereits große Fortschritte erzielt. Ich denke an die Aufsichtsvereinbarung und das Grünbuch zur Führung der Finanzinstitute.

Die Kommission tut ihrerseits ihre Arbeit und wird so verfahren, dass wir Ihnen und dem Rat bis Ende des nächsten Frühjahrs alle von uns erwarteten Texte zur Umsetzung der Empfehlungen der G20 vorgelegt haben. In diesem Sinne habe ich vor einigen Tagen die Entwürfe von Verordnungen über Derivate und Leerverkäufe vorgestellt. In einigen Tagen werden wir ein neues Dokument über Instrumente zur Bankensanierung und zum Krisenmanagement vorlegen.

Um jedoch auf die heutige Aussprache zurückzukommen, möchte ich drei Themen diskutieren, bei denen ich die Bedenken von Herrn Karas teile. Das erste ist die Anerkennung von Kapitalinstrumenten, die von Genossenschaftsbanken oder Gegenseitigkeitsgesellschaften unter der Definition „Kernkapital“ ausgegeben werden. Die in Basel getroffene Vereinbarung wird es uns nun ermöglichen, die jeweiligen Verhältnisse dieser nicht börsennotierten Banken zu berücksichtigen, die eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung von europäischen Unternehmen spielen. Meine Dienste arbeiten nun gerade mit Fachleuten aus den Mitgliedstaaten an der Festlegung der technischen Vereinbarungen zur ordnungsgemäßen Einführung dieser neuen Grundsätze in die europäische Gesetzgebung.

Zweitens ist sich die Kommission die Regeln zur Liquidität und die Definition des „Liquiditätspuffers“ betreffend der insbesondere in Dänemark und Österreich bestehenden Problematik bewusst. Tatsächlich sind die sehr ernsten von der Kommission in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken der eigentliche Grund, warum eine Vereinbarung zu dieser Frage noch nicht getroffen wurde. Wir hatten einige Vorbehalte, und meine Dienste werden weiterhin mit unseren Partnern in Basel zusammenarbeiten, um insbesondere hinsichtlich der Anerkennung von gedeckten Anleihen eine Lösung zu finden.

Der dritte Punkt betrifft die Leverage Ratio. Wir können in diesem Punkt nicht hinter unseren G-20-Verpflichtungen zurückbleiben. Wir sind jedoch mit der in Basel erzielten Vereinbarung zufrieden, die die Aufnahme der Leverage Ratio während eines Berichtszeitraumes in Säule 2 festlegt, wie Herr Karas gerade sagte. Dabei besteht das Ziel darin, sie in Säule 1 aufzunehmen. Diese Aufnahme wird nicht automatisch verlaufen, und wir werden eine Revisionsklausel zu diesem Thema in unseren ersten Vorschlag für CRD 4 aufnehmen.

Ich möchte nun einige Worte zur Umsetzung der Basler Vereinbarung in der Europäischen Union sagen. Die Finanzkrise hat die Welt erschüttert. Sie hat uns einiges gelehrt, das wir berücksichtigen müssen. Die globalen Aufsichtsregeln entsprachen bisher nicht den realen Bedingungen. Neben den Reformen, die bereits umgesetzt wurden, um die bestehenden Regeln zu stärken, haben wir nun die vor Kurzem in Basel von einer Gruppe von Präsidenten der Zentralbanken sowie den Verantwortlichen für die Bankenaufsicht ausgearbeitete Vereinbarung vorliegen.

Meiner Meinung nach ist diese Vereinbarung eine gute Nachricht. Es ist eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Regeln und der weltweiten Finanzstabilität, und diese neue Basler Vereinbarung wird dazu beitragen, international gemeinsame Bestimmungen für den Bankensektor zu schaffen, was extrem wichtig ist. Diese Vereinbarung ebnet auch den Weg für eine ausgeglichene Lösung: Unternehmen profitieren von einem Anpassungszeitraum, der genügend Zeit lässt, um diese neuen Anforderungen zu erfüllen, wodurch ein gesundes Bankensystem schrittweise aufgebaut wird, ohne dabei das Wirtschaftswachstum zu gefährden.

Meine Damen und Herren! Meine Dienste, meine Kolleginnen und Kollegen – denen ich danken möchte – haben in Basel viel Arbeit geleistet, um eine gemeinsame Grundlage mit unseren außereuropäischen Partnern zu finden. Ich hoffe, dass die Staats- und Regierungschefs der G20 diese neue Basler Vereinbarung im anstehenden Gipfel von Seoul im November bestätigen werden. Wir werden hier jedoch nicht aufhören.

Der nächste Schritt wird darin bestehen, die das Bankensystem auf Ebene der Union grundlegend zu reformieren. Wir berücksichtigen immer die besonderen Umstände unserer Union, wenn wir internationale Regeln umsetzen, und meine Damen und Herren, die CRD 4-Richtlinie wird hier keine Ausnahme sein; auch hier werden wir die Besonderheiten der Europäischen Union berücksichtigen. Außerdem werden wir in diesem Zusammenhang die makro- und mikroökonomische Analyse durchführen, die Teil der Basler Vereinbarung ist, und Sie, Herr Karas, sowie Ihre Kolleginnen und Kollegen werden darüber natürlich informiert werden.

Es ist unser Ziel, den Richtlinienvorschlag im ersten Quartal 2011 anzunehmen. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten ihn vor dem 1. Januar 2013 umsetzen müssen. Das wird ihnen genug Zeit lassen, um sich an diese neuen Regelungen anzupassen.

Wir müssen jedoch realistisch bleiben. Diese in Basel erzielte Vereinbarung stellt einen großen Fortschritt dar, aber ich wiederhole: Es muss noch viel getan werden. Wir werden mit Ihnen und den Mitgliedstaaten in den kommenden Monaten zusammenarbeiten, um eine der wichtigen Reformen der Zeit nach der Krise umzusetzen. Ich möchte auch in diesem Punkt sehr deutlich sein: Wir werden sehr aufmerksam und wachsam sein, wenn es darum geht, dafür zu sorgen, dass auch unsere wichtigsten Partner in der Welt, vor allem die Amerikaner, aber nicht nur sie, diese wichtige Reform korrekt und fristgerecht umsetzen. Dies ist ein Thema, dass ich bei meinem zweiten und kurz bevorstehenden Besuch in den Vereinigten Staaten Ende dieses Monats ansprechen werde.

Schließlich stimme ich Ihnen, Herr Karas, zu, dass das Europäische Parlament in diesem Bereich eine noch wichtigere Rolle spielen sollte. Deswegen sage ich Ihnen abschließend zu, Sie – Ihren Ausschuss und das Plenum – weiterhin regelmäßig über alle zukünftigen Entwicklungen im Basler Ausschuss zu informieren.

 
  
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  Jean-Paul Gauzès, im Namen der PPE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte damit beginnen, kurz die hervorragende Arbeit von Herrn Karas zu loben. Ich gehöre zu denjenen, die die Erstellung eines Eigeninitiativberichts vor der Unterbreitung der Vorschläge der Kommission zum Rahmen der Umsetzung der Basler Vereinbarung befürworten, und ich freue mich, dass die Arbeit von Herrn Karas mithilfe verschiedener Schattenberichterstatter die wesentlichen zu erwägenden Punkte aufzeigt.

Ich werde sie hier nicht wiederholen, Herr Kommissar, und natürlich begrüße ich die Punkte, die Sie anbringen sowie Ihre Entschlossenheit, dafür zu sorgen, dass diese Rahmenbedingungen effektiv und praktikabel sind und dass sie vor allem keine Wettbewerbsverzerrungen auf internationaler Ebene hervorrufen.

Um zu einem anderen Thema überzugehen, möchte ich anmerken, dass oft ein großer Unterschied zwischen den öffentlich abgegebenen Erklärungen und deren praktische Umsetzung besteht. Ich finde auch, dass Länder außerhalb der Europäischen Union – und ich denke insbesondere an die Vereinigten Staaten – dazu tendieren, Werturteile über unsere Arbeitsweise abgegen, während sie selbst die Systeme, die sie verwirklichen sollten, nicht einführen.

Hinsichtlich Basel ist es entscheidend, dass mit europäischen Unternehmen gleichberechtigt umgegangen wird und sie nicht stärker US-Unternehmen benachteiligt werden. In den Vereinigten Staaten beachten wenige Banken diese Richtlinien oder den Basler Ausschuss und derzeit wird nichts wirklich verwirklicht. Ich würde es missbilligen, wenn die im Juni zur Regulierung der US-Finanzen verabschiedeten Bestimmungen – in den betreffenden Erklärungen werden ihre tatsächlichen Auswirkungen übertrieben dargestellt – als Rechtsgrundlage für die Nichtanwendung der Bestimmungen, die von Einrichtungen und Organen außerhalb der Vereinigten Staaten eingeführt werden könnten, genutzt würden.

Herr Kommissar, ich vertraue Ihrer Entschlossenheit und Wachsamkeit, um dafür zu sorgen, dass dies nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung für die französischen Banken, die europäischen Banken und für diejenigen, die die Wirtschaft im Allgemeinen finanzieren, führt. Es ist richtig, dass wir die Banken zu ihrer wichtigsten Funktion der Finanzierung der Wirtschaftsentwicklung zurückführen sollten, aber wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht auf unverhältnismäßige Art und Weise bestraft werden.

 
  
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  Udo Bullmann, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich bitte vorab eines feststellen: Der Basler Ausschuss ist eine Runde von mehr oder weniger klugen Zentralbankern und Aufsehern, aber er ist ganz sicherlich nicht der Rat der Weisen, der unfehlbar wäre, und er ist schon gar nicht das Gesetz! Der Gesetzgeber sitzt hier – Herr Kommissar, Sie wissen das, und wir wissen, dass Sie das wissen, – und dieser Gesetzgeber wird darauf achten, was auf den Tisch kommt, und ob das Sinn ergibt, was hier auf den Tisch kommt.

Natürlich wollen wir, dass die Eigenkapitalvorschriften verschärft werden. Was denn sonst nach dieser Krise, in der wir uns immer noch befinden? 20 bis 30 % des Bruttosozialprodukts unserer Volkswirtschaften sind als Bankenrettungsschirm verpfändet worden. Natürlich erwarten die Menschen draußen, dass wir anständige Bankenregeln machen, damit wir uns nicht wieder neu in eine solche Krise hineinbegeben. Natürlich wollen wir, dass es in dieser Bankensicherung antizyklische Elemente gibt, wie sie sich z. B. in Spanien schon jahrelang bewährt haben, auch dort gegen Widerstände durchgesetzt werden mussten, aber sich heute bezahlt machen, weil sie entsprechend frühzeitig umgesetzt worden sind und das Bankensystem nicht schlechter gemacht haben, sondern robuster haben werden lassen.

Aber es gibt zentrale Fragen, und ich bin Berichterstatter Karas ausdrücklich dankbar, dass er diese zentralen Fragen in den Mittelpunkt seines Initiativberichts gerückt hat, den wir voll und ganz unterstützen können. Erstens: Ja in der Tat, wir brauchen eine Auswirkungsstudie, und zwar eine komplexe Auswirkungsstudie, die deutlich macht, was die Auswirkungen zum einen auf den finanziellen Sektor in allen seinen Teilen, aber natürlich insbesondere auf die reale Wirtschaft sind, auf die Frage, wie geht es eigentlich weiter mit den Kreditfinanzierungsbedingungen der kleinen und mittleren Unternehmen.

Zweitens: Wir brauchen die Sicherheit dafür, dass die Vereinbarungen diesmal anders als in der Vergangenheit auch in anderen Hoheitsgebieten umgesetzt werden. Das wollen wir wissen, bevor wir die Gesetzgebung machen, weil ansonsten eine neue Asymmetrie eintreten wird, die wir nicht verantworten können.

Und drittens: Es darf keine Diskriminierung von Rechtsformen geben. Diejenigen, die sich in der Vielgliedrigkeit des europäischen Bankensystems in der Krise besonders bewährt haben – und das sind die Banken, die auf den Mittelstand geachtet haben, das sind die Banken, die das Privatkundengeschäft im Auge gehabt haben und eben nicht die grenzüberschreitenden Risiken hervorgerufen haben –, dürfen nicht bestraft werden für die Solidität ihrer Aufstellung. Das ist nicht hinreichend gewährleistet in der Vorlage, die wir haben. Deshalb sind wir der Auffassung, dass sie nachgebessert werden muss, und dass wir darüber nachdenken müssen, wie wir das denn praktisch auch anpacken können. Das public banking insgesamt ist von hohem Wert, wenn es vernünftig betrieben wird. Man muss hier auch – Stichwort stille Einlage – danach fragen, wie das eigentlich in Zukunft abgewickelt werden soll, wenn wir entsprechende Vorschriften einkaufen, wie sie in Basel vorgesehen sind. Das kann nicht das letzte Wort sein, und das ist auch nicht der letzte Punkt, wie wir ihn akzeptieren werden.

Die Kapitalinstrumente müssen daran gemessen werden, inwiefern sie gleich und ohne falsche Vorbehalte Qualität sichern, bei Verlusten absorbierend zur Verfügung stehen, dauerhaft und zahlungsflexibel sind, so wie das auch vom Berichterstatter in seinem Bericht gefordert wird. Das ist eine vernünftige Grundposition, von der wir ausgehen. Wir wollen, dass Hebelwirkungen begrenzt werden und dass den unterschiedlichen Risikoprofilen angemessen Rechnung getragen wird. So werden wir Ihren Vorschlag, Herr Kommissar, prüfen, und wir hoffen auf beste Zusammenarbeit mit dem Parlament.

 
  
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  Sharon Bowles, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Darf ich dem Kommissar sagen, dass ich, als wir über die Aufsicht abstimmten, sagte, unsere Rechtsvorschriften seien wie ein Schweizer Käse, voller Löcher, Stellen, die das gemeinsame Regelwerk nicht abdeckt?

Dann haben sich vergangene Woche Banker aus der ganzen EU zur Eurofi-Konferenz versammelt und Basel III erörtert. Das Wort „national“ war in aller Munde: nationale Flexibilität, nationale Bestimmungen, nationale Ausnahmen, Fehlanreize in großem Umfang. Sobald der Rahmen für Harmonisierung und Stabilität angenommen ist, beginnt das Winden und Betteln um Schlupflöcher, und so ist es auch hier. Ich habe das satt. Warum muss Europa die „Heulsuse“ von Basel sein? Das haben wir mit der Aufsichtsstruktur nicht beabsichtigt. Das wurde von Basel III nicht beabsichtigt. Die Fakten sind klar. G20 war klar. Banken müssen der jetzigen Krise standhalten können, und Kapital ist dafür entscheidend.

Ich sehe die Probleme der Realwirtschaft und die Notwendigkeit, dass Banken Geld leihen, und wie andere begrüße ich die makroökonomischen und zusätzlichen Folgenabschätzungen im Rahmen der Basler Beschlüsse und der gesamten Regulierung des Finanzsektors im Anschluss an die Krise, die Sie, Herr Kommissar, sowie Kommissar Rehn mir beide in Ihrer Anhörung zugesagt haben.

Den Banken sage ich: Wir können Ihren Protesterklärungen kein Gewicht geben, während Ihre monetären Aggregate geheim gehalten werden und Sie alles mit dem Stempel „vertraulich“ versehen. Was mich betrifft, bedeutet der erweiterte Zeitplan von Basel genug Verzögerung: nichts weiter.

Nun, Herr Kommissar, Liquiditätsmaßnahmen wurden – wie andere bereits anmerkten – noch nicht in vollem Umfang beschlossen, und ich fürchte weitere Fehlanreize bei der wachsenden Konzentration auf Staatsschulden und kurzfristige Instrumente. Wir müssen hier sehr vorsichtig sein; wir müssen sorgfältig abwägen und nicht immer dieselben Maßnahmen im Rahmen des Maßnahmenpakets zur Finanzaufsicht in den Bereichen festlegen, wo sie vielleicht unangemessen sind und Investitionen in Aktien und die Realwirtschaft zunichte machen.

 
  
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  Philippe Lamberts, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin! Basel III soll ein Ausgangspunkt sein und unter keinen Umständen darf es das Ende von dem sein, was die Europäische Union zu tun bereit ist. Denjenigen, die sagen, dass wir, wenn wir über Basel hinaus weitergehende Maßnahmen treffen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Banken auf der internationalen Bühne aufs Spiel setzen könnten, entgegne ich, dass unser Hauptanliegen in der Lebensfähigkeit unserer Wirtschaft besteht und bestehen sollte. Und wenn dies strengere Regeln bedeutet, dann sei es so. Ich möchte auch hinzufügen, dass wir viel von gleichen Wettbewerbsbedingungen hören, und doch zögern die Vereinigten Staaten nicht, einen Alleingang zu machen, wenn es ihnen gefällt. Deswegen möchte ich nicht erleben, dass Europa einfach auf einen Konsens wartet, der sich nie verwirklichen wird.

Zweitens muss jede Übergangszeit notwendigerweise zeitlich begrenzt sein und ich kann Ihnen sagen, dass die acht Jahre, die wir selbst ins Auge fassen, zu lang sind. Außerdem, und das ist nicht berücksichtigt worden, müssen während der Übergangszeit strenge Bedingungen hinsichtlich der Zahlung von Dividenden und Boni eingeführt werden. Wir fänden es ungehörig und inakzeptabel, wenn sich ihre Aktionäre und Manager weiterhin aus der Kasse bedienen, während die Banken behaupten, dass es schwierig sei, die im Rahmen der neuen Regeln auferlegten Kapitalreserven aufzubauen.

Meine abschließende Botschaft geht direkt an die Banken. An jene Banken, die sich beschweren, dass sie nicht länger dieselben Profite wie während der goldenen Jahre machen können. Ihnen sage ich, dass alle Unternehmen, die in der Industrie oder im Einzelhandel in der Realwirtschaft arbeiten, mit jährlichen Nettogewinnen von zwischen zwei und fünf Prozent auskommen müssen. Und dessen muss man sich nicht schämen. Es ist deswegen an der Zeit einzusehen, dass die Party vorüber ist.

 
  
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  Vicky Ford, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Wirtschaftskrise weit davon entfernt ist, vorbei zu sein, und dass wir das Kreditwesen in der allgemeinen Wirtschaft brauchen. Vergangene Woche sahen wir jedoch in Irland, dass die Banken zu ihrer Rettung immer noch zum Steuerzahler kommen.

Wir können den Steuerzahler die Rettung von Banken nicht weiterhin bezahlen lassen. Wir brauchen Banken, die vorbereitet sind, Risiken einzugehen, aber sie brauchen das Kapital und die Liquidität, um mit ihren Mitteln auszukommen, wenn etwas schief läuft. Dies ist eine komplizierte Arbeit und eine, für die ich Herrn Karas danken möchte, aber es ist nur ein Teil der Arbeit und wir brauchen auch die richtigen Lösungsmechanismen.

Es geht ganz klar aus der Anzahl der Änderungsanträge hervor, dass die Abgeordneten den Schwerpunkt auf die Vorgänge im Einzelnen und ihre Auswirkungen legen wollen. Wir müssen dafür sorgen, dass ein ähnlicher Ansatz die Derivategeschäfte betreffend verfolgt wird. Zunächst gibt es eine Folgenabschätzung. Sie wurde für Basel durchgeführt, ist jedoch so vertraulich, dass sie nicht sichtbar ist. Lassen Sie uns sie veröffentlichen und nutzen.

Wenn wir ein internationale Vereinbarung treffen, müssen wir dafür sorgen, dass sie weltweit umgesetzt wird, nicht nur hier und an der Wall Street, sondern weltweit. Es gibt eine Reihe von Stellen in diesem Text mit Schlupflöchern: Artikel 24 über Minderheitsanteile und latente Steuern, Artikel 40 mit seiner Beschreibung von Pfandbriefen sowie der neue Artikel 43A.

Ja, Basel sollte Netzwerke von kleinen Banken, die einander unterstützen, berücksichtigen. Sie tun das. Meine Auslegung des Englischen ist jedoch, dass wir auf eine Art und Weise ihren Schlussfolgerungen zuvorkommen könnten.

Außerdem wurde vereinbart, dass es einen Übergang zu einer vollen und bindenden Leverage Ratio geben wird. Lassen Sie uns davon nicht Abstand nehmen. Ich stimme zu, dass wir ihnen dort, wo wir gute lokale Praktiken haben, erlauben sollten, fortzufahren, aber lassen Sie uns diese öffentlich prüfen und nicht mit Ausnahmen durch die Hintertür hereinkommen. Der Markt wird einfach annehmen, dass die Hintertür ein Weg der Förderung schlechter Praktiken und nicht eine Förderung guter Praktiken ist.

 
  
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  Astrid Lulling (PPE).(FR) Frau Präsidentin! Ich möchte damit beginnen, unserem Berichterstatter, Herrn Karas, für seine hervorragende Arbeit zu danken, und ich unterstütze ihn gänzlich in seiner Herangehensweise an dieses komplexe Thema. Ich halte es jedoch für wichtig, meine zwei Minuten zu nutzen, um ein Thema anzusprechen, das zwar im Bericht erwähnt wurde, aber eine nähere Betrachtung verdient. Ich beziehe mich auf das Thema Hypothekenpfandbriefe, oder zu Deutsch Pfandbriefe, im Zusammenhang mit Liquiditätsstandards.

Die neuen europäischen Liquiditätsstandards, an deren Neudefinierung wir arbeiten, sollen ihrem speziellen wirtschaftlichen, rechtlichen und operationellen Charakter größere Bedeutung verleihen. Hypothekenpfandbriefe werden für langfristige Finanzierung und Investitionen in der allgemeinen Wirtschaft verwendet. Die aktuellen Vorschläge des Basler Ausschusses hinsichtlich dieser Anleihen würden jedoch im Vergleich mit anderen Hauptwirtschaftszonen, wie den Vereinigten Staaten, negative und unverhältnismäßige Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben.

Ich begrüße natürlich die Tatsache, dass die am 26. Juli 2010 vom Basler Ausschuss erzielte Vereinbarung Hypothekenpfandbriefe im Zusammenhang mit der Berechnung der Liquiditätsquote als hoch liquide Mittel anerkennt.. Herr Barnier, ich rufe den Basler Ausschuss und die Kommission jedoch auf, um diesem Finanzinstrument im Hinblick auf die Förderung ausreichender Diversifizierung geeigneter hoch liquider Aktiva und der Vermeidung einer Verzerrung der Märkte mehr Anerkennung zu schenken. Dieses risikoarme Finanzinstrument muss ein angemessenes Umfeld erhalten.

 
  
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  Anni Podimata (S&D).(EL) Frau Präsidentin! Wir wissen alle, dass die heutige Aussprache über die vom Basler Ausschuss erzielte Vereinbaung eine weitere, durch die derzeitige Krise verursachte Maßnahme ist. Diese Krise hat die Mängel und Schwächen der Regulierung und Aufsicht des Finanzsystems dramatisch aufgezeigt. Sie hat das umgekehrt, was bis dahin die herrschende Lehre der Deregulierung der Märkte war und den Bedarf an strengeren Regeln, sowohl die Kapitaladäquanz betreffend als auch zur Kontrolle von Finanzinstituten hervorgehoben.

Vor diesem Hintergrund hat der Basler Ausschuss eine Vereinbarung getroffen, die bestimmte Grundsätze und Veränderungen beinhaltet, die die Kapitaladäquanzregeln betreffen, um die Sicherheiten für das Bankensystem zu erhöhen. Was die Umsetzung dieser Vereinbarung in Europa betrifft, betont der Bericht von Herrn Karas zahlreiche wichtige Aspekte, die ernsthaft berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören unter anderem die Besonderheit des europäischen Marktes, in dem 80% des Kreditgeschäfts auf Bankkrediten basieren, die Notwendigkeit, den Basler Prozess mit aktiverer Beteiligung des Europäischen Parlaments zu demokratisieren und natürlich der Vorschlag, die gesamten Staatsschulden des Euroraums als hoch liquide Mittel, unabhängig von ihrem Rating, aufzunehmen, um die Auswirkungen auf Ratingagenturen zu reduzieren.

Ich möchte jedoch wiederholen, dass die neuen Kapitaladäquanzmaßnahmen eine minimale Überprüfung darstellen und noch einer allgemeineren Reform über einen längeren Zeitraum bedürfen. Europa hat, wie der Kommissar sagte, bereits einen wichtigen Schritt mit der Annahme des neuen europäischen Aufsichtssystems gemacht. Wir schlagen eine neue Richtung ein und fördern verstärkte Koordinierung als grundlegende Präventivmaßnahme. Wir dürfen hier jedoch nicht aufhören. Wir müssen weitere Maßnahmen durch die Einführung eines Aufsichts- und Regulierungsrahmens für Agenturen einleiten, wie Rating-Agenturen und alternative Fonds, die bisher ohne Kontrollen operiert haben.

Herr Kommissar, ihre vor Kurzem vorgelegten Vorschläge müssen Regeln enthalten, um Transaktionen zu regulieren, die sehr undurchsichtig sind und damit einem erhöhten Systemrisiko, wie der Markt nicht börsengehandelter Derivate und ungedeckter Optionen, ausgesetzt sind. Schließlich müssen wir, wovon Sie, Herr Kommissar, beim G20-Gipfel in Seoul sprachen, die Bemühungen vorantreiben, um eine Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen, und natürlich nicht an den Banken Rache nehmen oder sie bestrafen, sondern die Spekulationen einschränken und den Bürgerinnen und Bürgern der EU, die derzeit den Preis der Krise bezahlen, ein Signal senden, dass wir eine gerechtere Verteilung der Last erwarten.

 
  
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  Wolf Klinz (ALDE). - Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Wenn Banken mehr Kapital für Kredite und für Finanzinstrumente vorhalten müssen, dann erhöht sich ihre Fähigkeit, Verluste zu tragen. Die jüngsten Vorschläge des Basel-Ausschusses bauen auf diesem stabilitätsorientierten Ansatz auf. Leider adressiert der Basel-Ausschuss das Problem systemrelevanter Banken bisher nicht ausreichend. Ich begrüße daher die Forderung unseres Kollegen Othmar Karas, die Anforderungen für die Liquiditätsstandards von dieser Systemrelevanz abhängig zu machen. Sprich: Für Banken, die wegen ihrer Größe oder Vernetzung mit dem globalen Finanzsystem im Krisenfall durch den Steuerzahler aufgefangen werden müssen, sollten entsprechend strengere Anforderungen gelten.

Differenzierter sollten wir mit dem Faktor Verschuldungshebel umgehen. Nur wenn empirisch belegt ist, dass dieses Instrument nicht zu Arbitrageeffekten und Wettbewerbsverzerrungen führt und einer überhitzten Kreditvergabe tatsächlich entgegenwirkt, sollten wir eine verbindliche Verankerung in Säule I in Erwägung ziehen.

In jedem Fall ist es notwendig, dass diese Vorschläge jetzt global umgesetzt werden. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die amerikanischen Behörden die Vorschläge von Basel maßgeblich beeinflussen, sie aber dann anschließend nicht umsetzen. Der G20-Gipfel im nächsten Monat in Seoul wird zeigen, ob und in wie weit wir dieses Ziel erreichen können.

 
  
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  Sławomir Witold Nitras (PPE).(PL) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich sehr freue, dass das Europäische Parlament diese Frage aufgegriffen hat, insbesondere, weil dieser Bericht aus einer Initiative des Parlaments entstand. Ich möchte Herrn Karas sehr herzlich gratulieren.

Im vergangenen Jahrzehnt haben wir bei den verschiedenen Typen der Finanzinnovation und neuen verfügbaren Instrumente eine beispiellose Entwicklung erlebt. Oft bestimmen tatsächlich diese Instrumente den Charakter des heutigen Marktes. Ich halte es für eine wesentliche Bedingung für eine effektive Aufsicht, in dieser Situation wirklich über zuverlässiges Wissen über diese Märkte zu verfügen. Unterdessen haben die Finanzinstrumente, die so gebräuchlich geworden sind, einen Komplikationsgrad erreicht, der Aufsichtsbehörden daran hindert, eine angemessene Bewertung des damit verbundenen Risikos vorzunehmen.

Neben diesen Instrumenten müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass sich der Markt verändert und sehr schnell globalisiert, und dass diese Instrumente vollkommen unangemessen und die Aufsicht erfolglos ist, wenn der globalisierte, sich entwickelnde Markt und die nationalen Aufsichtsbehörden aufeinanderprallen. Das Wachstum von Finanzinstituten verursacht in gewisser Weise auch einen Mangel an Kontrolle bei der Arbeit der Aufsichtsbehörden, und deswegen ist die Aufsicht auch eingeschränkt.

Mit all dem möchte ich sagen, dass tatsächlich kein Gesamtüberblick über den Sektor, sowohl hinsichtlich des geografischen Aspekts als auch hinsichtlich der Aktivität des Sektors selbst, besteht. Kenntnisse über die Beziehungen der Parteien, die in diesem Sektor agieren, sowie den sich entwickelnden Charakters der Aktivität selbst sind meiner Meinung nach entscheidend für die Sicherheit des weltweiten Finanzsystems. Mir scheint, dass dies bisher fehlte.

Die aktuellen Basler Vorschriften betreffen nämlich das Kapital – und ich begrüße es, dass die neuen Maßnahmen die mit der Liquidität in Zusammenhang stehenden Anforderungen beinhalten – sowie Mechanismen der antizyklischen Politik. Die auf diesem Gebiet vorgeschlagenen Maßnahmen sollten begrüßt werden. Im Zusammenhang mit der geringen Effektivität von Kapitalindikatoren als fortgeschrittene Diagnosemaßnahme sollten die Stabilität des Systems und der Versuch einer Standardisierung von Liquiditätsquoten sowohl in der kurzfristigen als auch in der langfristigen Perspektive positiv bewertet werden, denn schließlich waren es Liquiditätsprobleme, die Maßnahmen zur Rettung der Banken, die wir erlebt haben, erforderten.

 
  
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  Olle Ludvigsson (S&D).(SV) Frau Präsidentin! In vielerlei Hinsicht ist es ein positives Zeichen, dass die Arbeit an den neuen Kapitaladäquanzregeln Fortschritte macht. Die Tatsache, dass der Basel III-Prozess zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird, ist eine Voraussetzung, um Stabilität im Finanzsektor wieder herstellen zu können. Der Bericht, über den wir nun abstimmen werden, ist sowohl ausgewogen als auch gut formuliert. Ich möchte jedoch drei Punkte hervorheben, die etwas klarer hätten sein können.

Zunächst ist es wichtig, nicht zuviel Druck auf die Banken auszuüben, indem man ihnen einen viel zu kurzen Umsetzungszeitraum gibt. Gleichzeitig ist es aber zumindest genauso wichtig, dass die Umsetzung nicht zu langsam verläuft. Das Ziel sollte darin bestehen, dass die Banken über genügend Stabilität verfügen, um die nächste Rezession verkraften zu können. Da das Ziel erst 2017/2018 ansteht, besteht ein Risiko, dass viele Banken dies nicht schaffen werden.

Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass die Umsetzung in enger und guter Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und anderen Akteuren durchgeführt wird. Das eindeutige Ziel muss darin bestehen, dass der gesamte internationale Bankensektor stabilisiert wird, und nicht nur Teile davon. Bereiche, in denen schwächere Regulierungsmaßnahmen angewandt werden oder eine geringere Umsetzungsquote erfordern, könnten das globale System gefährden.

Drittens sind regelmäßige Stresstests eine hervorragende Art und Weise, immer wieder zu gewährleisten, dass das Bankensystem stabil ist. Deswegen sollten wir dies als effektives Instrument zur Ergänzung der Kapitalregeln verwenden. Sowohl das Niveau der Häufigkeit als auch der Anforderungen dieser Tests könnte gut gesteigert werden. Die Krise hat gezeigt, dass einige Dinge extrem schnell geschehen können. Im Finanzsektor ist es deswegen wichtig, dass die Entwicklungen stets sehr genau überwacht werden.

 
  
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  Olle Schmidt (ALDE).(SV) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Die neuen Basler Vorschriften werden die Voraussetzungen für Stabilität und nachhaltiges Wachstum schaffen. Die Krise hat uns gelehrt, dass die Banken mehr und besseres Kapital haben müssen, und die Vorschriften müssen solides Bankwesen und solide Risikobereitschaft fördern. Die Regeln hinsichtlich der Leverage Ratio müssen so formuliert werden, dass Banken, die risikoarmes Kapital leihen, nicht benachteiligt werden. Es besteht ein Risiko, dass die Regeln Banken in den nordischen Ländern besonders schwer treffen werden, da diese Banken über große risikoarme Baukreditbestände verfügen. Das gibt Anlass zur Sorge.

Alle Richtlinien und neuen Regeln müssen gut durchdacht sein, aber insgesamt laufen wir Gefahr, zu viele Regeln zu haben, was wiederum das Wachstum beeinträchtigen könnte. Ich stimme Frau Bowles zu, dass die Kommission eine Analyse der Auswirkungen all dieser neuen Bankregeln zum Wirtschaftswachstum in Europa durchführen muss. Regeln und neue Gesetze sind nicht immer die Lösung. Begnügen wir uns nicht mit einem guten Ergebnis, wenn wir das Optimale erreichen können.

 
  
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  Antonio Cancian (PPE).(IT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte Herrn Karas für seine hervorragende Arbeit danken. Ich glaube, dass wir in den vergangenen zwei Jahren Zeugen dieses weltweiten Zusammenbruchs der Finanzmärkte waren und unfähig waren, angemessen darauf zu reagieren, obwohl einige behaupten, dass die Dinge noch schlimmer hätten sein können.

Heute ist die Europäische Union an vorderster Front und Sie, Herr Kommissar, leiten einen Umbruch ein, der auf Stabilität abzielt und uns notwendige Sicherheiten bietet. In der letzten Plenarsitzung haben wir die Wirtschaftsmächte ermutigt, Europa zu retten. Wie Sie vor Kurzem sagten, waren bereits Vorschläge für Derivate und Leerverkäufe vorbereitet, und wir erörtern auch die Besteuerung von Banken sowie Abgaben auf Finanztransaktionen, während wir auf die abschließende empfohlene Änderung der Kommission warten.

Herr Kommissar, wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir nicht, wie es oft passiert, mit der Verabschiedung von Regeln und Gesetzen von einem Extrem ins andere fallen und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung und den Aufschwung behindern oder verlangsamen. Ich bin davon überzeugt, dass Starrheit und Bürokratie stets lauern. Es stimmt, dass wir im Moment Stabilität brauchen, aber es ist sogar auch wahr, dass wir viel Wachstum, Wachstum und noch mehr Wachstum brauchen, wie Präsident Barroso es in diesem Plenarsaal sagte.

Basel III markiert den Anfang eines Prozesses, der von uns allen verlangt, verantwortungsvoll zu sein. Wir müssen aber auch Wettbewerbsfähigkeit und gleiche Bedingungen sicherstellen und KMU einerseits sowie Sparkassen und Volksbanken andererseits berücksichtigen, die der Basis nahe stehen.

 
  
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  Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin! Ich denke, alle stimmen zu, dass wir die Stabilität des Bankensystems stärken müssen. Dank Herrn Karas sind wir uns bewusst, dass wir im Rahmen der Basler Vorschläge keine gleichen Wettbewerbsbedingungen haben, und wenn man keine gleichen Wettbewerbsbedingungen hat, kann man nicht konkurrieren. Es besteht tatsächlich eine große Gefahr, dass Sie viele Eigentore erzielen werden.

Es ist noch einmal herhorzuheben, dass die USA und Europa vollkommen unterschiedlich sind. Die US-Wirtschaft wird hauptsächlich durch die Kapitalmärkte finanziert. Europa verlässt sich auf die Darlehenskapazität des Bankensektors und, wie wir wissen, das am meisten in Irland. Unsere Banken können KMU einfach keine Kredite geben, und ansonsten lebensfähige KMU machen täglich einfach deswegen Konkurs, weil sie keine Kredite erhalten. Und der Steuerzahler rettet diese Banker, wie Vicky aufgezeigt hat, und finanziert auch die Sozialpläne und Pensionsfonds sowie die hohen Abfindungen ruhender Regulierungsbehörden usw.

Es muss also viel getan werden, um die richtige Balance zu finden, und ich denke, dass ist hier der richtige Ansatz. Die Antwort des Kommissars ermutigt mich, und er hat gesagt, dass er mit uns arbeiten und versuchen werde, das richtige Gleichgewicht zu finden und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Dann würden wir Tore schießen und keine eigenen Tore zulassen.

 
  
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  Michel Barnier, Mitglied der Kommission.(FR) Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich danke Ihnen und allen für Ihre Vorschläge, Ihre Ermutigung, Ihre Anregungen und Fragen, die ich und mein Team sorgfältig notiert haben.

Herr Gauzès hat als erster die Frage der Erzielung des richtigen Gleichgewichts erwähnt und dies wurde von Herrn Schmidt, Herrn Klinz, Herrn Ludvigsson und gerade erst von Herrn Kelly fortgeführt. Ja, wir werden versuchen, dafür zu sorgen, dass wir das richtige Gleichgewicht finden; In der Tat muss das Gleichgewicht in drei speziellen Bereichen gefunden werden, auf die ich besonders achten werde:

eine Ausgewogenheit betreffend die Basler Maßnahmen und die Art und Weise ihrer Einführung in unsere Gesetzgebung. Ich werde die Übergangszeiträume und den Handlungsspielraum, den die Basler Vereinbarung vorsieht, bestmöglich nutzen. Außerdem werden Sie Ihren eigenen Beitrag hierzu leisten.

Der zweite Bereich, der ausgewogen gestaltet werden muss, liegt zwischen den Basler und all den anderen Maßnahmen, die wir im Zusammenhang mit der Agenda für Krisenprävention und -bewältigung der G20 einführen, und ich werde auf diese gleich zurückkommen.

Das dritte Gebiet, das Herr Kelly gerade erwähnt hat, betrifft die Vereinigten Staaten. Herr Kelly, ich weiß, dass Europas Bankensektor viel stärker in die Finanzierung der Wirtschaft eingebunden ist, als es in den Vereinigten Staaten der Fall ist, und wir werden diesen Unterschied berücksichtigen. Das ist das transatlantische Gleichgewicht. Wir müssen uns darum kümmern – ich spreche hier insbesondere Herrn Lamberts an – ohne auf die Vereinigten Staaten zu warten. Ich werde in die Vereinigten Staaten reisen, um Tim Geithner und die anderen Aufsichtsbehörden zu treffen, und ich gehe dort nicht schleppenden Schrittes hin, sondern um dafür zu sorgen, dass wir uns betreffend Basel II, Basel II (1/2), Basel III, Basel IV – Entschuldigung, Basel III und CRD 4 – und auch betreffend eines anderen extrem sensiblen Themas, das ein umstrittener Punkt zwischen den Amerikanern und Europäern werden könnte, nämlich der Frage der Rechnungslegungsstandards, in dieselbe Richtung bewegen. Wir sind deswegen nicht naiv in unseren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, aber wir wollen ihre Absichten auch nicht vorverurteilen.

Ich kann deswegen Herrn Gauzès und all den anderen ehrenwerten Abgeordneten versichern, dass wir genau auf dieses Dreiergleichgewicht achten werden. Herr Cancian hat auch ziemlich zu Recht die finanzielle Stabilität erwähnt, die in der Tat der schlimmste Feind des Wachstums ist. Deswegen müssen wir Bedingungen schaffen, die größere finanzielle Stabilität fördern, und angesichts der Debatte, die wir gerade mit China führen, möchte ich auch Währungsstabilität hinzufügen.

Ich habe mir die Anmerkung von Herrn Bullmann, der uns mahnt, mikro- und makroökonomische Studien durchzuführen, genau notiert. Wir werden auch die Übergangszeiträume auf produktive Art und Weise nutzen. Sie sind nicht unbegrenzt, und Sie haben Recht, Herr Bullmann, wenn Sie sagen, dass die europäischen Gesetze hier und im Rat und nicht in Basel verabschiedet werden. Hier befindet sich der europäische Gesetzgeber und genau deswegen werden wir einen Vorschlag für CRD 4 vorbereiten, der ein Gesetzgebungsvorschlag sein wird, für den wir noch vor der Aussprache und Vorlage von Anträgen Ihre Zustimmung ersuchen werden.

Frau Bowles, Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie uns fragen und sagen, dass es nicht weitergehen kann wie bisher. Ich höre hier und dort auch bestimmte Banker, die ein kurzes Gedächtnis haben und uns sagen, dass die Wirtschaftskrise vorüber ist und dass wir zur Tagesordnung zurückkehren können. Wir können es uns nicht erlauben, ein so kurzes Gedächtnis zu haben, und wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir nehmen die Reformen vollkommen ernst.

Frau Präsidentin, ich möchte auch hinzufügen, dass verbesserte Kapitalbildung, über die wir in Basel und CRD 4 betreffend sprechen, nicht das einzige Instrument oder die einzige Lösung ist. Es gibt viele weitere Lösungen für das Krisenmanagement, die ich zuvor in meiner ersten Rede erwähnt habe: Wir tun natürlich alles, um Maßnahmen zur Regulierung von Hedgefonds einzuleiten, was wir hoffentlich in den nächsten Tagen abschließen können; dann gibt es unsere Maßnahmen zu Private Equity, Derivate und Leerverkäufe. Es gibt weitere Instrumente, die auch wichtig sind. Vor einigen Monaten sprach Herr Ludvigsson von Stresstests. Diese müssen regelmäßig durchgeführt werden. Das ist also unser derzeitiger Ansatz.

Herr Lamberts, ich möchte einen weiteren wichtigen Punkt erwähnen, den Sie angesprochen haben: die Bezahlung von Dividenden durch Banken, welche die Mindestkapitalanforderungen nicht in die Praxis umsetzen. Dieses Problem wurde durch einen der so genannten Puffer, in diesem Fall den Kapitalerhaltungspuffer, deutlich dargelegt, der verlangt, dass eine Bank keine Dividenden auszahlen kann, wenn sie nicht die Mindestkapitalanforderungen erfüllt hat. Dies ist eine der Vorschriften, die wir natürlich in unseren Gesetzgebungsvorschlag aufnehmen werden.

Frau Ford, in der Tat müssen wir die Steuerzahler schützen. Ich bin sicher, Sie werden die Vorschläge, die wir in einigen Tagen zu Krisenmanagement und -verhütung sowie zur Einrichtung eines Sanierungsfonds in jedem Mitgliedstaat vorlegen werden, genau im Auge behalten. Wir hoffen, dies wird dafür sorgen, dass Banken für Banken zahlen und nicht Steuerzahler.

Frau Lulling hat eine sehr spezifische Frage gestellt. Ja, in den Basel-Gesprächen haben ich und meine Kolleginnen und Kollegen diesem Punkt viel Aufmerksamkeit geschenkt, und wir haben eine Vereinbarung getroffen, aus der hervorgeht, dass 40% des Liquiditätspuffers aus Pfandbriefen oder Hypothekenpfandbriefen, nach denen Sie gefragt haben, zusammengesetzt sein dürfen. Ich halte dies für ein positives Ergebnis und wir befürworten alle vollkommen eine Diversifizierung der Liquiditätsmittel.

Herr Klinz hat das Thema „zu groß zum Scheitern“ angesprochen. Auch hier habe ich, als diese Bedenken in den Vereinigten Staaten angesprochen wurden, geantwortet, dass es unmöglich ist, Vergleiche anzustellen, weil die Bankensysteme der USA und von Europa nicht dieselben sind, weder hinsichtlich ihres Beitrags zur Wirtschaft noch hinsichtlich ihrer Struktur. Herr Klinz, es ist jedoch ein Problem, das auf internationaler Ebene im Rahmen der G20 und des Finanzstabilitätsrats.noch erörtert und gelöst werden muss. Wir beobachten die Lage genau, um dafür zu sorgen, dass die Steuerzahler nicht involviert werden.

Herr Nitras, hinsichtlich der komplexen Finanzinstrumente benötigen wir eine stärkere Aufsicht. Deswegen wird die neue europäische Behörde, die ESMA, insbesondere dank dieses Parlaments eine entscheidende Rolle spielen, wenn sie die Möglichkeit des Verbots bestimmter kritischer Produkte in Erwägung zieht, und Sie werden sehen, dass wir die Rolle der ESMA in der nahen Zukunft weiter stärken werden.

Schließlich möchte ich Frau Podimata wissen lassen, dass es hinsichtlich der Ratingagenturen erneut eine dritte Aktionsrunde geben wird. Wie wir bisher damit verfahren sind, ist nicht genug, und ich arbeite derzeit an dieser dritten Aktionsrunde, um Ratingagenturen zu regulieren und den Markt der Ratingagenturen zu diversifizieren, der, milde ausgedrückt, von zu wenigen Instanzen dominiert wird. Wir haben die Minister beim ECOFIN-Rat am vergangenen Freitag befragt und Ihre Ausschuss-Vorsitzende, Frau Bowles, war zugegen. Ich werde eine Anhörung, mit dem Ziel der Stärkung dieser Regulierung vorbereiten.

Herr Schmidt hat auch das Thema Gesamtwirkung angesprochen; ich habe diese Frage jedoch in meiner Anmerkung zu dem Dreiergleichgewicht beantwortet. Wir werden das sehr aufmerksam beobachten.

 
  
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  Othmar Karas, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatte war klar, deutlich, kompetent, verantwortungsvoll. Wir haben ein sehr gutes Bild abgegeben – ge- und entschlossen. Und, Herr Kommisssar, ich möchte mich bei allen Beteiligten, auch bei Ihnen, bedanken. Wir stellen den Prozess nicht in Frage, aber er ist nicht abgeschlossen. Und wir haben den Finger in die Wunden gelegt. Vor allem in die Wunden, die entstehen durch die unterschiedliche Banken- und Wirtschaftsstruktur in Europa gegenüber den Vereinigten Staaten. Und wir müssen eines hier sehr deutlich sagen: Der Gesetzgebungsprozess hat noch nicht begonnen, aber der Basel-Prozess präjudiziert und schränkt unsere politische Entscheidungsfreiheit ein. Was wäre, hätten wir nicht selbst von uns aus einen Initiativbericht erarbeitet? Dann hätte es heute keine Debatte gegeben. Daher müssen wir den Basel-Prozess, den G-20-Prozess, die neuen globalen Einrichtungen, die geschaffen werden, parlamentarisieren und demokratisieren, und wir müssen gleichzeitig in den Prozess eingeschaltet werden, um nicht nachher vor vollendeten Tatsachen zu stehen.

Wir brauchen einen Zusammenhang zwischen Basel III und der Einlagensicherung. Es gibt nämlich diesen Zusammenhang. Wir benötigen ein Junktim zwischen unserer Beschlussfassung und dem globalen Inkrafttreten, vor allem in den Vereinigten Staaten. Wir benötigen vor dem Richtlinienentwurf die Liquiditätsdefinition. Und wir haben ja aufgrund des Dodd-Frank-Act in den USA schon wieder ein neues Problem. Weil die Amerikaner Probleme bei der Umsetzung der Liquiditätsstandards bekommen werden, versuchen sie jetzt schon wieder, neben den externen Ratings noch Zusatzkriterien einzuführen. Unsere Devise muss sein: entweder externe Ratings als Beurteilungsgrundlage oder alternative Kriterien wie Preisstabilität. Aber auf keinen Fall beides für Europa und nur eines für die Vereinigten Staaten.

Wir müssen wachsam sein, und ich bitte Sie, Herr Kommissar, sorgen wir gemeinsam auch dafür, dass die nationalen Finanz- und Wirtschaftsminister das, was die Kommission jetzt als Auswirkungsstudie vorlegt, auch gegenüber ihren nationalen Parlamenten vertreten. Die Bewusstseinslage über das, was wir hier tun und was in den Mitgliedstaaten die Konsequenzen und die Ursachen sind, ist in den nationalen Parlamenten nicht so ausgebildet wie hier. Wir müssen auch hier eine Offensive starten. Beziehen wir die nationalen Parlamente in diesen Kommunikationsprozess mit ein!

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Sergio Berlato (PPE), schriftlich.(IT) Ich bin davon überzeugt, dass die kürzliche Wirtschafts- und Finanzkrise oder die größte Rezession seit der Weltwirtschaftskrise die Notwendigkeit einer radikalen Überprüfung des aktuellen Basel II-Regulierungsrahmens aufgezeigt hat. Ich möchte Sie hier im Parlament daran erinnern, dass die Basel II-Vereinbarung die Kriterien der Kreditzugänglichkeit festlegt, indem es Banken zwingt, den Kreditstatus eines Unternehmens objektiv zu bewerten und dabei seine mögliche Zahlungsunfähigkeit, Garantien und die mit Konkurs verbundene Risiken berücksichtigt. Obwohl das Ziel dieser Kriterien darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu verbessern und das Finanzsystem zu stärken, sind sie für Klein- und Mittelbetriebe, welche die Wirtschaft der Union vorantreiben, extrem rigoros. Weil europäische Unternehmen nicht auf einer so soliden finanziellen Basis stehen, bedeutet die Umsetzung der Vereinbarung konkret oft weniger Zugang zu Krediten bei höheren Zinssätzen. Obwohl ich die Bemühungen des Basler Ausschusses, den allgemeinen Regulierungsrahmen zu aktualisieren, für ermutigend halte, mache ich mir große Sorgen über die Unzulänglichkeiten, die im Laufe des Verhandlungsprozesses zu Tage getreten sind. Aus diesem Grund stimme ich zu, dass es für das Parlament ratsam ist, sich stärker an den Verhandlungen zu beteiligen, um die erforderlichen Änderungen vorzunehmen und zu gewährleisten, dass die europäische Industrie und Wirtschaft nicht benachteiligt sind.

 
  
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  Giovanni Collino (PPE), schriftlich.(IT) Ein neuer Stabilitätspakt für Europa muss das Bankensystem beteiligen, welches das andere Ende des Prozesses darstellt, in dem die Eigenmittel, die das schlagende Herz der europäischen Wirtschaft sind, verwendet werden. Mit anderen Worten werden die Schulden, welche die Mitgliedstaaten und die Europäische Union im Laufe der Zeit anhäufen, um nationalen Wohlstand zu generieren und an ihre Bürgerinnen und Bürger zu verteilen, von den Banken angelegt und verwaltet, die in der Lage sein sollten, sie in Gewinne umzuwandeln.

Während es stimmt, dass die Mitgliedstaaten viel Zeit brauchen werden, um die Standardisierung ihrer Finanzgesetze anzupassen und ein angemessenes Niveau der Einheitlichkeit ihres Steuerwesen zu erzielen, ordentliche Liquiditätsmargen zu schaffen und die Nutzung von Hebeleffekten zu gewährleisten, um Ersparnisse und ihre langfristigen Trends abzusichern, müssen wir dafür sorgen, dass wir es schaffen können, die richtige Antwort auf die Krise selbst kurzfristig zu finden.

Die Eigenmittel, zu denen die Europäische Union zunehmend Zugang haben wird, werden gewährleisten, dass das Ziel der Verwaltung der Ressourcen und Finanzen in der EU immer weniger darin bestehen wird, Systemrisiken zu unterstützen und immer mehr darin, eine Reihe von Anreizen zugunsten nationaler Wirtschaftssysteme zu schaffen, nicht zwar nicht nur streng behütet innerhalb der nationalen Grenzen, sondern im Rahmen eines integrierten Ansatzes, um die Nutzung und die jeweiligen Wettbewerbsvorteile zu optimieren.

 
  
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  Diogo Feio (PPE), schriftlich.(PT) Starke und stabile Finanzinstitute sind für die Nachhaltigkeit des Kapitalmarktes, den Kreditzugang, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche sowie finanzielle Stabilität entscheidend. Ich begrüße deswegen die Annahme dieses Berichtes, insbesondere, weil er entscheidende Maßnahmen umfasst, die ich vorgelegt habe und die sich mit der Situation nationaler Finanzinstitute befassen. Ich beziehe mich insbesondere auf: die Notwendigkeit, dass der Basler Ausschuss und die Kommission die Handhabung von Vereinbarungen zu wechselseitigen Kapitalbeteiligungen klären; die Bedeutung der Festlegung von Kriterien für hoch liquide Mittel unter Berücksichtigung der Festlegung von geeigneten Mitteln der Europäischen Zentralbank für Transaktionen der Geld- und Kreditpolitik (Repo-Angebote); und die Einbeziehung aller Euroraum-Staatsschulden als hoch liquide Mittel, unabhängig von ihrem spezifischen Rating, wodurch der unverhältnismäßige Einfluss von Aktionen der Ratingagenturen verringert wird.

 
  
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  Jiří Havel (S&D), schriftlich. (CS) Der vorgelegte Bericht wurde relativ präzise erstellt. Er analysiert klar die Frage der neu vorgeschlagenen Bankenregulierung, die überprüft wird (Basel II) und bietet eine detaillierte Analyse ihrer Hauptpunkte, die derzeit auf praktischer und akademischer Ebene diskutiert werden. Konkret ist er mit der Einführung von Maßnahmen verbunden, die zu mehr finanzieller Stabilität des Bankensektors und zur Reduzierung der Wahrscheinlichkeit einer weiteren Krise beitragen sollen und die sich auf fünf Gebiete konzentrieren: die Qualität von Kapital (Steigerung der Qualität von Bankkapital ist zweifelsfrei wünschenswert), strengere Liquiditätsstandards (es wurde gezeigt, dass das Liquiditätsrisiko während der Krise erheblich ist), antizyklische Maßnahmen (die Schaffung zusätzlichen Bankkapitals in guten Zeiten sollte exzessives Kreditwachstum und die daraus folgende Entwicklung von Preisblasen, wie beispielsweise in Spanien, einschränken), die Einführung einer Leverage Ratio (dieser neue Indikator solle zu mehr Stabilität des Bankensystems beitragen, aber er sollte nicht nur finanzielle Punkte aus der Bilanzaufstellung der Bank, sondern auch Bereiche außerhalb der Bilanzaufstellung, wie Derivate und die möglichen Verbindlichkeiten der Bank umfassen) und nicht zuletzt die Schaffung einer zentralen Gegenpartei für die Regelung von OTC-Transaktionen, insbesondere im Zusammenhang mit mehr Transparenz bei Derivaten. Auf Grundlage des oben Genannten bin ich davon überzeugt, dass der vorgelegte Bericht eine detaillierte Analyse sowie relevante Empfehlungen auf dem Gebiet der vorgeschlagenen Bankenregulierung enthält und empfehle deswegen die Annahme des Textes.

 
  
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  Petru Constantin Luhan (PPE), schriftlich.(RO) Ich bin davon überzeugt, dass dynamische, klar definierte Finanzmärkte, die große Investitionen finanzieren können, eine unbedingte Voraussetzung für den Auschwung der europäischen Wirtschaft sind. Ich unterstütze die während des G20-Gipfels gemachte Zusage, mehr Kapitalvolumen zu generieren und Standards für das Liquiditätsmanagement zu entwickeln. Diese Liquiditätsstandards sind ein Schlüsselelement bei der Bewältigung der Krise.

Ich denke auch, dass mehr Flexibilität im Hinblick auf geeignete in der Europäischen Union verfügbare Mittel, die durch die Ermittlung sicherer Finanzierungsquellen und ihrer spezifischen Eigenschaften erzielt werden kann, finanzielle Stabilität schaffen wird, wenn Krisensituationen sowohl kurz- als auch langfristig eintreten.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE), schriftlich.(PL) Die Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen Jahre hat Illusionen zerstreut, dass die Banken ihr eigenes Risiko am besten kennen und Sicherheitsanforderungen selbst bestimmen können. Die tiefgründige Unwissenheit einiger der Personen, die Banken leiten, den Absatzplänen höchste Bedeutung beizumessen und Risikofaktoren zu ignorieren, zusammen mit der Passivität des Finanzaufsichtssystems sind die grundlegenden Sünden des Bankensektors, die der direkte Katalysator der Weltrezession waren.

Basel II hat sich nicht als sehr effektiver Mechanismus zur Krisenprävention herausgestellt. Unter diesen Umständen ist es wichtig, so schnell wie möglich einen neuen Standardkodex – Basel III – zu schaffen, der nicht länger die optimistische Annahme aufrechterhält, dass Banken fähig sind, sich selbst zu regulieren.

Die Anhebung von Kapitalanforderungen wird sicherlich zu einer Erhöhung der Sicherheit des Bankensektors mit einer Zunahme an Liquidität beitragen. Solche Maßnahmen tragen jedoch auch das Risiko, die Kosten auf die Kunden der Banken zu übertragen – eine Erhöhung der Darlehenspreise und eine Zunahme anderer Finanzdienstleistungen – zum Nachteil der Wirtschaft. Es ist deswegen notwendig, geeignete Schutzmechanismen zu schaffen, die uns vor unwillkommenen negativen Auswirkungen schützen oder diese zumindest erträglich machen. Andererseits müssen wir uns jedoch darüber im Klaren sein, dass Finanzsicherheit auch etwas kostet. Die Frage ist, wie viel wollen wir dafür bezahlen?

 
  
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  Angelika Werthmann (NI), schriftlich.(DE) Die Krise hat deutlich gezeigt, dass auch das Eigenkapital der Banken hinsichtlich Solvabilität und Solvenz unzureichend ist. Der bestehende Regulierungsrahmen muss daher tiefgreifend verändert werden, und somit sind die Bemühungen des Baseler Ausschusses, eine allgemeine Überarbeitung vorzunehmen, zu begrüßen, insbesondere einheitliche, klare und transparente Regeln zu schaffen. Dennoch gibt es hier einige Mängel, und das Regelwerk in seiner jetzigen Form beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Europäische Unternehmen sind von den Krediten der Banken abhängig. 80% der Investitionen und Darlehen laufen in Europa über Bankenkredite. Insbesondere ist hier die Finanzierung von KMU abzusichern. Unterschiede sind zu berücksichtigen, ohne bestimmte Geschäftsmodelle zu benachteiligen. Ansonsten könnte die europäische Wirtschaft Schaden nehmen.

 

16. Von der Kommission in Kartellfällen verhängte Geldbußen (Aussprache)
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  Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung der Kommission zu kartellrechtlichen Geldbußen der Kommission.

 
  
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  Michel Barnier, Mitglied der Kommission.(FR) Frau Präsidentin, es ist wie immer eine große Freude, Tag und Nacht mit Ihnen hier zu sein, und ich spreche auch im Namen meines Kollegen und Freunden Herrn Almunia, der aufgrund des Arbeitsessens zwischen China und der Europäischen Union heute nicht anwesend sein kann. Das Parlament hat die Kommission gebeten, sich über ihre Politik bezüglich Geldbußen zur Bekämpfung von wettbewerbswidrigen Praktiken zu äußern. Somit ist es mir eine Freude, Ihnen diesen Beitrag präsentieren zu dürfen.

Wie Sie wissen, ist die Kommission verpflichtet, wettbewerbswidrige Praktiken zu bekämpfen und diese zu bestrafen, wenn sie den Unternehmen und Verbrauchern im Binnenmarkt abträglich sind.

Das wichtigste Instrument, das uns dabei zur Verfügung steht, ist unsere Befugnis, gegen die in diese Kartelle verwickelten Unternehmen Geldbußen zu verhängen, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken annehmen oder ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen. Diese Geldbußen werden in Übereinstimmung mit unseren Leitlinien für die Berechnung von Geldbußen festgelegt. Die derzeit geltende Version wurde erst vor vier Jahren angenommen.

Unternehmen, die sich in unseren Ermittlungen kooperationsbereit zeigen, indem sie uns beispielsweise auf ein bestehendes Kartell hinweisen oder einen Vergleich mit der Kommission unterzeichnen, bieten wir auch reduzierte Bußen an. Dadurch können alle Beteiligten viel Zeit gewinnen und Aufwand einsparen. In keinem Fall kann ein Unternehmen jedoch gezwungen werden, mehr als 10 % seines Jahresumsatzes zu zahlen. Das ist die Obergrenze für die Bußgelder, die verhängt werden können.

Somit sind also, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Geldbußen unser wichtigstes Instrument. Die Einführung von Strafen für Einzelpersonen sollte jedoch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, und ich denke hier insbesondere an administrative Strafen. In einigen Mitgliedstaaten sind solche Strafen tatsächlich zugelassen. Lassen Sie uns nun die rechtlichen und politischen Auswirkungen einer solchen Entwicklung genauer ansehen.

Wird ein formeller Rechtsrahmen benötigt? Artikel 23 der Verordnung des Rates (EG) Nr. 1/2003 bietet die rechtliche Grundlage für die von der Kommission verhängten Geldbußen, enthält jedoch keine Leitlinien zur Berechnung der Bußen. In Artikel 23 werden die Grundsätze, einschließlich des soeben erwähnten Umsatzkriteriums, festgelegt, die Leitlinien enthalten detaillierte Angaben zu deren Anwendung.

Es ist in vielen europäischen Rechtssystemen üblich, über eine breite Spanne möglicher und gesetzlich festgelegter Strafmaßnahmen und administrativer Leitlinien zur Festlegungsmethode des endgültigen Bußbetrags zu verfügen. Das ist bei der Anwendung von Wettbewerbsregeln zum Beispiel in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden der Fall. Auf dieser Grundlage sehen wir keinen Grund, neue Rechtsvorschriften für die von der Europäischen Union in Wettbewerbsverfahren verhängten Bußen vorzuschlagen.

Die zweite Frage lautet, ob die Leitlinien überarbeitet werden müssen, bevor wir uns mit der Höhe der verhängten Geldbußen befassen. Ich möchte Ihnen einen Überblick über die Kosten vermitteln, die Kartelle für die europäische Wirtschaft verursachen. Unseren Schätzungen zufolge betrug der Schaden der 18 Kartelle, die zwischen 2005 und 2007 aufgedeckt wurden, fast 8 Mrd. EUR. Studien haben belegt, dass die Preise in Kartellen um 10 bis 30 % in die Höhe getrieben werden können. Sehr verlockende Aussichten also, wenn die Wettbewerbsregeln nicht streng angewendet würden, und genau das ist unsere Aufgabe.

Unsere Geldbußen befinden sich auf einem fairen Niveau, auf dem vergangene rechtswidrige Verhaltensweisen angemessen bestraft werden. Sie sind zwar hoch, spiegeln aber die verursachten Schäden und die durch die Kartellmitglieder unrechtmäßig erworbenen Gelder wider. Unsere Strafen müssen Unternehmen zudem von der zukünftigen Anwendung solcher wettbewerbswidrigen Praktiken abhalten. Deshalb wiederhole ich, dass wir keinen Grund sehen, die Leitlinien für die Berechnung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 abzuändern.

Die dritte und letzte Frage betrifft die krisenbedingte Reduzierung der Geldbußen. Sie können uns glauben, dass wir die finanzielle Lage der Unternehmen, die in einigen Fällen ihre Zahlungsunfähigkeit geltend machen, genau untersuchen und wir für einige unter ihnen unsere Bußen deutlich reduziert haben. In den jüngsten Entscheidungen über Sanitärkeramik für Badezimmer und über hochfesten Stahl haben wir Reduktionen von 25 bis 75 % angewendet.

Es ist nicht in unserem Interesse, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, diese Unternehmen vom Markt auszuschließen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die Wettbewerbsregeln werden oft angewendet, um neuen Unternehmen den Zugang zum Markt zu ermöglichen und ihnen eine normale Geschäftstätigkeit mit gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle zu gewährleisten.

 
  
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  Klaus-Heiner Lehne, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Zunächst einmal gilt mein Dank der Kommission für die bereits gezeigte Flexibilität. Herr Kommissar Barnier hat darauf hingewiesen, dass im Bereich bestimmter Branchen, im Baubereich, angesichts der Tatsache, dass es dort erhebliche Konjunktureinbrüche gegeben hat, es bei der Festsetzung der Strafen und der Gewährung von – Nachlässen kann man nicht sagen, aber – von Ratenzahlungsmöglichkeiten bereits erhebliche Bewegung gegeben hat. Ich denke, das ist eine angemessene Reaktion von Seiten der Kommission vor dem Hintergrund der besonderen wirtschaftlichen Situation, in der viele Unternehmen stecken. Aber unabhängig von dieser begrüßenswerten Flexibilität der Kommission muss man natürlich trotzdem grundsätzlich die Frage stellen, ob das System der Strafbemessung, wie wir es im Augenblick haben, überhaupt noch rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht.

Ich wage zu behaupten, dass man Zweifel daran haben kann. Denn die Verordnung 1 aus dem Jahr 2003 gibt natürlich der Kommission bei der Festsetzung einen so weiten Bestimmungsrahmen, ohne dass konkrete Kriterien im Rechtsakt selbst festgelegt worden sind, dass man schon fast vermuten könnte, dass die Entscheidungen, die dahinter stehen, nicht zwingend von einer Rechtsetzung getragen werden, sondern durchaus auch gewisse Willkürelemente beinhalten können. Leider hat das Europäische Gericht erster Instanz diese Praxis und diese Art und Weise der Bemessung bisher mitgemacht und hier keine Bemängelung vorgenommen.

Ich könnte mir aber vorstellen – wir haben ja eine veränderte Situation, wir werden jetzt bald der Menschenrechtskonvention beitreten, die Grundrechtscharta ist jetzt durch den Vertrag von Lissabon verbindlich geworden –, dass sich eventuell vor diesem Hintergrund auch die Rechtsprechung ändert. Ich meine deshalb, man sollte sehr wohl darüber nachdenken, und ich begrüße, dass die Kommission sich auch in diese Richtung mit Blick auf Kriterien und andere Arten von Sanktionen Gedanken macht, die Bestimmungen in der Verordnung Nummer 1 aus dem Jahr 2003 zu verändern, stärker zu konkretisieren und stärker auch im Hinblick auf die festzusetzenden Strafmaßnahmen Kriterien festzusetzen. Ich persönlich glaube, dass dies notwendig ist, um auch die rechtsstaatlichen Defizite, die im Augenblick von vielen Experten gesehen werden, in Europa zu beseitigen.

 
  
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  Antolín Sánchez Presedo, im Namen der S&D-Fraktion.(ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, das Thema der Geldbußen ist sehr wichtig. Dabei geht es um die Reaktion auf wettbewerbswidriges Verhalten, und diese Reaktion muss wirksam und entschieden ausfallen. Eine schwache und unangemessene Reaktion gäbe einen Anreiz, Rechtsverletzungen zu begehen. Deshalb müssen diejenigen, die die Regeln brechen wollen, durch die Geldbußen davon abgehalten werden. Diese müssen aber auch ein allgemeines Abschreckmittel für alle sein. Es muss eindeutig klar sein, dass der unlautere Wettbewerb niemandem Vorteile bringt.

Es stimmt, dass der Kommission in der Anwendung der Bußen ein breiter Ermessensspielraum zusteht. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie arbiträr handelt, denn es gibt Regeln, Grenzen und Kriterien, eine Vorgehensweise mit Garantien und in jedem Fall eine gerichtliche Kontrolle.

Der Vertrag, die Verordnung (EG) Nr. 1/2003, die Leitlinien aus dem Jahr 2006 und die Mitteilung über die Kronzeugenregelung – auch aus dem Jahr 2006 – bilden ein Rahmenwerk, das relativ gut funktioniert.

Das System könnte jedoch verbessert werden. Durch die Erfahrungen in der Anwendung des Systems, den Empfehlungen von Experten und den von Institutionen und einigen Beteiligten zu Recht geäußerten Bedenken scheint es empfehlenswert, sich einigen Problemen zu widmen. Die Transparenz und Vorhersehbarkeit könnten verbessert werden und die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen, die Beschäftigung und die Tragfähigkeit von Unternehmen könnten ebenfalls erörtert werden. Zudem könnte eine gewisse Flexibilität bezüglich Betrag und Bezahlung in Betracht gezogen werden, wie auch die Verbindung mit der Kronzeugenregelung und sogar die Frage, wie die Differenzen zwischen den verschiedenen Systemen der Mitgliedstaaten überbrückt werden könnten.

Das System könnte zudem durch andere relevante Instrumente vervollständigt werden: so beispielsweise die Betonung der individuellen Verantwortung, die Erwägung anderer Rechtsmittel – nicht nur, um wettbewerbswidriges Verhalten zu beenden, sondern auch um einen Rückfall zu verhindern – und die Einführung von privaten Schadenersatzklagen für Einzelpersonen und Gruppen.

Diese Fragen müssen entschieden, systematisch und positiv angegangen werden, ohne Zweifel an der Funktionsweise der Wettbewerbspolitik aufkommen zu lassen.

 
  
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  Sophia in 't Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich bin mit dem Gesagten weitgehend einverstanden. Ich begrüße die Erklärung des Kommissars, denn, wenn ich genau hinhöre, steht die Kommission der Anfrage des Parlaments offen gegenüber. Dieses verlangte im letztjährigen Jahresbericht über die Wettbewerbspolitik komplexere Instrumente im Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln.

Die Aufmerksamkeit richtet sich insbesondere auf die Geldbußen und deren Umfang, aber wir müssen aufpassen, dass die Debatte keine ideologische Komponente erhält. Es geht hier um die verfügbaren Instrumente zur wirksamen Abschreckung der Unternehmen vor wettbewerbswidrigen Praktiken. Wie Sie zu Recht hervorhoben, ist der Schaden für unsere Wirtschaft und auch für die Verbraucher beträchtlich. Ich denke, dass Geldbußen angemessen sein sollten, aber wenn sich Unternehmen über diese Strafen beklagen, dann sollten sie sich von Kartellen fernhalten. Das ist die beste Garantie, keine überhöhten Bußgelder zahlen zu müssen.

Im vergangenen Jahr haben wir die Kommission um Vorschläge für komplexere Instrumente gebeten. Wir haben Sie gebeten, zu folgende Anliegen Vorschläge vorzubringen: Die individuelle Verantwortung (die Sie erwähnt haben), Transparenz und Verantwortung der Unternehmen, kürzere Verfahren, das Recht auf Verteidigung und auf ein angemessenes Rechtsverfahren, und Mechanismen zur Gewährleistung des wirksamen Funktionierens der Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung, aber auch Programme zur Einhaltung der Vorschriften durch die Unternehmen und die Entwicklung von europäischen Normen. Ich möchte wissen, ob die Kommission konkrete Vorschläge hierzu vorbringen wird. Es ist uns bewusst, dass dies sehr kompliziert ist, da es sowohl in die Zuständigkeit der EU als auch ihrer Mitglieder fällt. Ich denke jedoch, dass wir dasselbe Ziel verfolgen, und zwar ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Marktes.

 
  
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  Jean-Paul Gauzès (PPE).(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich erinnere mich daran, die Wettbewerbskommissarin vor ein paar Jahren gefragt zu haben, ob sie wisse, ob eine Evaluation über die Wirksamkeit von Geldbußen für Verbraucher durchgeführt werde. Diesbezüglich verwies die damalige Kommissarin zu Beginn unserer Ausschusssitzung darauf, dass sie soundso viele Millionen Euro Bußen zurückerhalten konnte. Die Antwort lautete also, dass dies nicht in Erwägung gezogen wurde. Es scheint, als hätten Sie jedoch seither Studien durchgeführt, um herauszufinden, welche Schäden wirklich entstanden sind.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jedoch auf zwei Themen lenken. Erstens, die Preise werden auf der Grundlage des Umsatzes eines Konzerns festgelegt. Das Unternehmen, das gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, und dabei billige ich dies keineswegs, kann jedoch auch ein relativ kleines Unternehmen innerhalb des Konzerns sein. Und genau das stört mich, insbesondere, wenn eigenständige Rechtspersonen involviert sind.

Zweitens, Herr Kommissar – denn das haben Sie gesagt, nicht ihre Kollegin –, reden Sie oft über das Präventionsbedürfnis, darüber, dass Prävention besser und auf jeden Fall wirksamer sei als Repression. Dabei drängt sich mir die Frage auf, ob diese riesigen Summen, die in den Zeitungen immer auf die Titelseite kommen, im Sinne der Prävention wirklich eine Rolle spielen. Und ich frage mich, ob es rein präventiv nicht wirksamer wäre, sich mehr auf die Anzahl der Kontrollen statt auf die Höhe der Bußen zu konzentrieren.

Wie dies kürzlich in Frankreich geschehen ist, können Urteile über Summen gefällt werden, zu deren Abzahlung 4000 bis 5000 Jahre benötigt werden. Ich glaube, wir sollten uns nicht auf diese Zahlen versteifen. In einer Zeit der wirtschaftlichen Instabilität müssen wir auf die spezifischen Auswirkungen für das Unternehmen achten.

Die Verzerrung der Wettbewerbsvorschriften ist nicht richtig. Es ist richtig, dass eine Strafe ausgesprochen wird, aber diese Strafe muss wirklich proportional sein, deshalb möchten wir wissen, ob die Kommission ihre Regeln anpassen wird. Ich denke, Sie haben gesagt, dass dem nicht so ist. Das ist schade.

 
  
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  Peter Skinner (S&D). – Frau Präsidentin, ich weiß nichts über Unternehmen, die 400 Jahre lang Bußen abzahlen müssen, aber das hört sich eher drakonisch an. Ich bin mir jedoch bewusst, Herr Kommissar, dass Sie sich nicht unbedingt in einer Position befinden, in der sie heute Abend aus dem Stegreif Strategien entwerfen können. Deshalb werde ich Herrn Kommissar Almunia einige Fragen über die Themen, die heute Abend behandelt werden, unterbreiten.

Ich möchte kurz zwei Sachen erwähnen. Erstens, möchte ich die Kommission bitten, Taten auf die Folgenabschätzungen über die Leitlinien aus dem Jahr 2006 folgen zu lassen. Wie ich das verstehe, haben Herrn Almunias Mitarbeiter bereits bezeugt, dass dies machbar sei. Ich freue mich darüber. Vielleicht brauche ich nur ein Update diesbezüglich, aber ich wäre beruhigt, wenn dies der Fall wäre.

Zweitens haben wir heute Abend gehört, dass sich die ganze Aufmerksamkeit auf die Bußen konzentriert. Und dass Bußen gegen Unternehmen ausgesprochen werden, die die Bestimmungen des Wettbewerbs nicht einhalten. Dabei gibt es zwar möglicherweise eine Staffelung der Bußen, diese scheint jedoch nicht abschreckend zu wirken. Die Unternehmen tun es trotzdem.

Wir müssen vielleicht mit etwas Innovativerem aufwarten. Bei den Preisabsprachen können beispielsweise relativ häufig kleine Unternehmen weiter unten in der Hierarchie durch die Auswirkungen von widerrechtlich handelnden Unternehmen betroffen sein und durch diese Strafen unverschuldet in Schwierigkeiten geraten.

Was, wenn die Kommission nur eine Minute lang über die sozialen Auswirkungen nachsinnen würde? Oder über die Annahme anderer Ansätze? In Großbritannien ermöglichen die Maßnahmen beispielsweise den Ausschluss eines Geschäftsführers anstelle einer Geldbuße. Damit sind die wirklichen Schuldigen betroffen, und die Belegschaft und die Unternehmen werden verschont. Diese Philosophie ist vielleicht gar nicht so schlecht, und wir könnten es als Modell oder auch nur als Pilotprojekt ansehen.

Es gibt auch andere Beispiele – wie wir bereits gehört haben, aus anderen Ländern – und ich bin sicher, dass wir dasselbe tun könnten. Wenn wir die Frage mit etwas Intelligenz angehen, können wir viel unternehmen, um sicherzustellen, dass die Belegschaft der betroffenen Unternehmen nicht gleichermaßen durch die schlechten, wettbewerbswidrigen Praktiken der Geschäftsleitung betroffen ist.

 
  
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  Catherine Stihler (S&D). - Frau Präsidentin, ich werde mich kurz fassen. Ich möchte die Beiträge meiner Kolleginnen und Kollegen begrüßen. Die Macht, die wir durch die kartellrechtlichen Strafen haben, ist eine wahre Macht, Kartelle zu unterbinden, wettbewerbswidrige Praktiken zu verhindern und die Verbraucher in den Vordergrund zu rücken.

Ich möchte der Kommission, Herrn Gauzès und den anderen drei Fragen stellen. Erstens: Wie können wir die präventiven Maßnahmen verbessern? Zweitens: Betrachten wir hierbei – wie Herr Skinner erwähnte – die empfehlenswerten Verfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten? Herr Skinners Vorschlag zur Mittäterschaft des Vorstands und mögliche Maßnahmen die Geschäftsleitung betreffend ist enorm wichtig. Drittens: Gibt es einen zeitlichen Rahmen für die vorgebrachten Vorschläge?

 
  
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  Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin, in den Artikeln 81, 101 und 102 werden diese Themen unter Kartelle, Preisabsprachen, Preisbindung usw. behandelt. Natürlich ist dies etwas, das uns am Herzen liegen sollte, aber oft ist ihre Existenz schwierig zu beweisen. Hier habe ich beispielsweise eine Schlagzeile, die folgendermaßen lautet: „Kartellrecht: Autopreise 2009 nur leicht gesunken“. Die Preise für Reparaturen und Wartung hingegen steigen trotz der Krise in die Höhe, obwohl die Löhne gesenkt wurden und wir statt einer Inflation eher eine Deflation erleben. Handelt es sich dabei um ein Kartell?

In meinem Land fallen die Viehpreise automatisch, wenn es regnet. Ich denke, wir müssen die Leitlinien sicherlich überarbeiten, um einerseits die langfristige Entwicklung ermitteln und auch die anwendbaren Strafen verbessern zu können. Ich denke, Herrn Skinners Vorschlag, die Geschäftsleitung zur Kasse zu bitten, ist sehr interessant. Ich finde, wir sollten jedoch auch eine Buße verhängen: Wieso nicht beides? Es gibt bestimmt noch viel zu tun, aber wir gehen in die richtige Richtung.

 
  
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  Michel Barnier, Mitglied der Kommission.(FR) Frau Präsidentin, ich habe nun alle Argumente und Anfragen gehört und werde sie meinem Kollegen, Herrn Almunia, übermitteln. Er hat Ihnen durch mich ausrichten lassen, dass er keinen Beweggrund sieht, brandneue Rechtsvorschriften für Strafen vorzulegen, da die von mir bereits erwähnte geltende Verordnung (EG) Nr. 1/2003 für uns in absehbarer Zukunft sehr nützlich sein kann.

Was die Leitlinien betrifft, so überwacht die Kommission deren Umsetzung permanent und hat ein offenes Ohr für Verbesserungsvorschläge; das Gesagte wäre diesbezüglich äußerst hilfreich.

Herr Lehne, Herr Gauzès, Herr Skinner, wir haben im Rahmen der Leitlinien der Rechtsprechung nichts gegen eine gewisse Flexibilität betreffend die Überwachung der Umsetzung der Verordnungen unter Berücksichtigung der schwierigen konjunkturellen Bedingungen. Gegenwärtig sieht Herr Alumnia jedoch, wie gesagt, keinen Bedarf, die Leitlinien aus dem Jahr 2006 zu überarbeiten. Er ist mit ihrer Funktionsweise zufrieden. In der gegenwärtigen Krise haben sie sich als ausreichend flexibel bewährt und uns ermöglicht, die von einigen unter Ihnen erwähnte schwierige Finanzlage der Unternehmen zu berücksichtigen.

Die Kommission ist an diese Leitlinien über die Methode zur Festsetzung der Strafen gebunden. Das bedeutet, dass sie den Unternehmen eine Rechtssicherheit geben, denn die Kommission kann von diesen Leitlinien nicht grundlos abweichen. Weicht die Kommission von diesen Leitlinien ab, so läuft sie Gefahr, dass die Gerichte ihre Beschlüsse aufheben.

Frau in 't Veld, bezüglich der Strafen, die keine Geldbußen sind, sollten wir zuerst beurteilen, inwiefern es möglich wäre, diese bei Bedarf in unseren bestehenden Rechtsrahmen aufzunehmen. Obwohl in den Mitgliedstaaten auch alternative Strafen angewendet werden, scheinen sich diese auf eine Minderheit der Fälle zu beschränken und Geldbußen bleiben die Hauptstrafe.

Diese Aussprache sollte von zwei Grundsätzen gelenkt werden. Erstens, individuelle Strafen dürfen unser gegenwärtiges System zur Überprüfung der Verstöße und insbesondere das Kronenzeugenprogramm nicht infrage stellen. Zweitens mindert die Tatsache, dass die Geschäftsleitung oder Angestellten eines Unternehmens einzeln bestraft werden, was somit möglich wäre, keinesfalls die Verantwortung des Unternehmens, wenn es Wettbewerbsregeln missachtet hat.

Und schließlich glaubt die Kommission, dass die aktuelle Höhe der Geldbußen und die einheitliche Anwendung des Wettbewerbsrechts in der Europäischen Union ein gutes Abschreckmittel gegen wettbewerbswidriges Verhalten im Binnenmarkt ist.

Eine Sache, Herr Lehne. Wir haben ein administratives System zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Wettbewerbsregeln. Darüber hinaus hat dieses System viele Vorteile. Außerdem wird es durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs unterstützt.

Herr Sánchez Presedo erwähnte die Transparenz und das überrascht mich angesichts der anderen Debatten zum Thema Überwachung mit ihm auch nicht. Es sind Verbesserungen möglich. Wir haben flexible Leitlinien, wie ich eben erwähnt habe, und dieses Jahr wurden insbesondere empfehlenswerte Verfahren eingeführt.

Frau in 't Veld und Frau Stihler haben das Thema von komplexeren Programmen und komplexeren Instrumenten angesprochen. Wir können dieses Anliegen über die Compliance-Programme einbringen. Sie sind sehr willkommen. Es ist mir wohl bewusst, dass die Unternehmen diese Programme aus unserer Sicht ernst nehmen und dass sie eine präventive Wirkung haben, die, wie Herr Gauzès richtig sagte, immer noch billiger ist als eine Ausgleichszahlung oder eine Strafe.

Und schließlich haben Herr Skinner und Herr Kelly von den Unternehmen gesprochen, die manchmal unter diesen Bußen leiden, und von den sozialen Problemen, die diese verursachen können. Wir verfolgen die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten sehr aufmerksam, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen. Deshalb liegt uns viel daran, wie bereits in unserem Weißbuch vorgeschlagen, dass wir auf Schadensersatzklagen eingehen werden, um ihre Wirksamkeit und ihre Auswirkungen zu überprüfen. Aus diesem Grund wird die Kommission bald eine öffentliche Anhörung über dieses Anliegen durchführen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  George Sabin Cutaş (S&D), schriftlich.(RO) Die Europäische Kommission erlegt Kartellen und Unternehmen, die ihre Marktstellung missbrauchen, immer öfter immer strengere Geldbußen auf. Die Gesamtsumme der von der Kommission verhängten Bußen überschritt 2009 die 2-Milliarden-Euro-Grenze. Ich begrüße die schnelle Reaktion der europäischen Exekutive. Wir müssen uns jedoch zugleich auch fragen, ob das gegenwärtige Sanktionssystem umfassend genug ist. Die Kommission übernimmt eine doppelte Rolle als Ankläger und Richter. Des Weiteren betreffen die negativen Auswirkungen der Bußen auch die Angestellten der Unternehmen, die durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes bestraft wurden. Das bedeutet, dass Personen, die nicht gegen das Gesetz verstoßen haben, zu Nebenopfern werden. Deshalb glaube ich, dass zum Kartellrecht komplexere Maßnahmen festgelegt werden müssen, die durch eine unabhängige Judikative sowohl transparentere Verfahren fördern als auch die Option bereitstellen, die für das illegale Verhalten der Unternehmen verantwortlichen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer individuell zu bestrafen.

 

17. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
Video der Beiträge
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  Die Präsidentin. – Der nächste Punkt sind die einminütigen Ausführungen zu politisch wichtigen Fragen.

 
  
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  Artur Zasada (PPE).(PL) Frau Präsidentin, ich möchte auf die Probleme zu sprechen kommen, denen Mütter mit Kleinkindern und ältere Menschen auf europäischen Flughäfen ausgesetzt sind. Auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 müssen an Flughäfen für diese beiden Bevölkerungsgruppen Hilfsangebote zur Verfügung stehen. Leider werden die Bestimmungen der Verordnung jedoch oft nicht eingehalten. Sogar in einer Fernsehwerbung, die dieses Jahr im Rahmen einer großen Kampagne von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde, wird kein Wort über allein reisende Mütter oder Väter mit Kleinkindern verloren.

Die Lösung für dieses Problem ist einfach – es müssen effiziente Maßnahmen ergriffen werden, um die Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte zu informieren. Erstens muss der Titel der Verordnung geändert werden, um Informationen hinzuzufügen, die aufzeigen, dass sie auch allein reisende Mütter und Väter mit Kleinkindern betrifft. Zweitens muss für diese Gruppe von Reisenden ein neues Piktogramm vorgeschlagen werden, das für alle Flughäfen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union obligatorisch wäre.

 
  
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  Teresa Jiménez-Becerril Barrio (PPE). (ES) Frau Präsidentin, ich spreche heute als Mitglied des Menschenrechtsausschusses, als spanischer und europäischer Bürger und als Opfer des Terrorismus, seit die Terrororganisation ETA in Sevilla meinen Bruder und seine Frau ermordet hat. Ich verurteile die Tatsache, dass die venezolanische Regierung und ihr Präsident den Terroristen der ETA erlaubt haben, auf Geheiß des mutmaßlichen Terroristen Arturo Cubillas, der trotz des auf seinen Namen ausgestellten internationalen Haftbefehls für die Regierung unter Hugo Chávez arbeitet, auf venezolanischem Boden zu trainieren. Das ist eine schwerwiegende Verletzung des Grundrechts auf Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger Europas.

Ich verlange von der spanischen Regierung ein entschlossenes Vorgehen gegen diese schwere Demütigung des spanischen Volkes. Herr Zapatero kann nicht weiterhin sein Schweigen bewahren, während der venezolanische Botschafter die Mitglieder unserer Guardia Civil, die in ihrem Kampf gegen die ETA eine heldenhafte Tapferkeit an den Tag legen, als Folterer beschreibt. Er kann auch nicht tatenlos zusehen, wie die Zusammenarbeit zwischen der ETA und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens auf venezolanischem Boden wächst, was bereits durch den Richter Eloy Velasco verurteilt wurde. Herr Zapatero kann nicht die Hand eines Staatschefs wie Herrn Chávez schütteln, der Venezuela in ein Paradies für Terroristen verwandelt.

Der Ministerpräsident eines Landes wie Spanien, in dem der Terrorismus so viel Leid verursacht hat, kann dieses Problem nicht länger ignorieren und muss angemessen reagieren, was jeder Bürger tun würde, wenn er die Möglichkeit dazu hätte.

 
  
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  Catherine Stihler (S&D). – Frau Präsidentin, ich möchte auf folgende Sache hinweisen: Am 18. September wurden 36 Mitglieder dieses Parlaments, darunter auch ich, von der Europäischen Lungenstiftung für unsere Anti-Tabak-Arbeit geehrt.

Dieses Jahr ist das Europäische Lungenjahr, und Kolleginnen und Kollegen, die sich für unsere gegen die Tabakindustrie gerichtete Arbeit und unsere Maßnamen zur Eindämmung des Tabakkonsums interessieren, können die Petition immer noch unterzeichnen.

Gegenwärtig haben nur 10 der 27 Mitgliedstaaten ein umfassendes Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen eingeführt, um diese Orte rauchfrei zu gestalten. Ich bin stolz darauf, dass Schottland eines der ersten Länder war, die ein Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen eingeführt haben. Die jüngsten Hinweise deuten darauf hin, dass die Anzahl der Kinder, die mit Asthma-Problemen in Krankenhäuser eingeliefert werden, durch dieses Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen um 18 % gesunken ist. Dieses Beispiel muss innerhalb der Europäischen Union Schule machen.

Ich möchte das Parlament bitten, den 36 Kolleginnen und Kollegen, die am 18. September diese Auszeichnung der Europäischen Lungenstiftung erhalten haben, zu gratulieren.

 
  
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  Nessa Childers (S&D). – Frau Präsidentin, ich möchte die letztwöchige Abstimmung des Haushaltsausschusses über die Einfrierung der Gehälter und der Zulagen der Kommissionsmitglieder begrüßen, sofern ihr Verhaltenskodex dadurch nicht beeinflusst wird. Diese Abstimmung zeigt, dass das Parlament keine Wiederholung von Fällen wie denjenigen des früheren für den Binnenmarkt zuständigen EU-Kommissars Charlie McCreevy, dessen neuer Aufsichtsratsposten von der Kommission hinsichtlich eines möglichen Interessenskonflikts überprüft wird, wünscht.

Kommissionsmiglieder, die nach ihrer Zeit in der Kommission eine neue Arbeit aufnehmen wollen, haben 201 Anträge gestellt. Nur einer wurde abgewiesen. Der Codex muss überarbeitet werden und sollte nicht bloß aus ein paar frei ausgelegten Leitlinien bestehen.

 
  
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  Sergej Kozlík (ALDE). (SK) Die slowakische Regierung hat mehrere Gesetzesentwürfe vorgelegt, die die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter untergraben.

So liegt dem Parlament ein Antrag auf eine Gesetzesänderung vor, der eine Einschränkung der richterlichen Immunität bewirken soll, ohne dass zuvor Stellungnahmen dazu angehört wurden oder eine Debatte unter Sachverständigen durchgeführt worden wäre. Das slowakische Abdriften in eine Verzerrung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wird auch durch die Tatsache deutlich, dass der Präsident des Obersten Gerichtshofs und der Präsident des Obersten Justizrates bereits zwei Mal davon abgehalten wurden, auf einer Plenarsitzung des Nationalrates bei Debatten über die Judikative, einschließlich eines Gesetzes über den Obersten Justizrat, zu sprechen. Die Abänderung des Gesetzes über den Obersten Justizrat beinhaltet eine Änderung der Zusammensetzung des Rates noch vor Ablauf seiner normalen Amtsperiode. Die Abänderung des Richtergesetzes erhöht die Anzahl politischer Kandidaten in den Auswahlausschüssen zur Auswahl und Förderung der richterlichen Karrieren von einem auf drei Kandidaten. Das ist nur ein kleiner Teil der Geschichte, aber er zeigt deutlich, dass die gegenwärtige Exekutiv- und Regierungsgewalt in der Slowakei versucht, in die Befugnisse der Gerichte einzugreifen.

 
  
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  Csaba Sógor (PPE). (HU) Der heutige Tag, der 6. Oktober, ist ein wichtiger Tag in der Geschichte Ungarns. Vor über 150 Jahren ergriffen ungarische Revolutionäre im Namen der in ganz Europa aufkommenden Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die Waffen gegen die zwei mächtigsten Armeen Europas. Die dreizehn Generäle der niedergeschlagenen Freiheitsbewegung wurden an diesem Tag in der Stadt Arad im heutigen Rumänien hingerichtet. Das Verlangen des ungarischen Volks nach Freiheit wandte sich genauso entschieden gegen das kommunistische Unterdrückungsregime des zwanzigsten Jahrhunderts, wie die Ereignisse im Jahr 1956 deutlich gezeigt haben. Nur vier der dreizehn Märtyrer, die 1848 in Arad hingerichtet wurden, waren Ungarn. Das ist ein klarer Beweis dafür, dass universelle Werte nationale Differenzen überschreiten. Für uns Ungarn symbolisiert dies das ewige Streben der ungarischen Nation nach Freiheit und Einheit sowie nach Versöhnung und Solidarität unter den Nationen.

 
  
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  Agustín Díaz de Mera García Consuegra (PPE).(ES) Frau Präsidentin, ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um die entwürdigende und undemokratische Behandlung der Verteidiger der Freiheit und der Menschenrechte durch die Regierung von Hugo Chávez zu verurteilen.

Die Festnahme meines Kollegen Herrn Iturgaiz am Flughafen von Caracas darf nicht unbeachtet bleiben. Es ist dies nicht das erste Mal, dass das Regime einen Angriff auf Mitglieder der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) gestartet hat. Unsere Aufgabe als Mitglieder dieses Parlaments beschränkt sich nicht nur auf die EU. Sie umfasst auch auf internationaler Ebene die Verteidigung der Grundwerte der Union, wie Freiheit, Demokratie und die Achtung der Menschenrechte.

Es ist offensichtlich, dass diese Aufgabe denjenigen, die ihren Bürgerinnen und Bürgern totalitäres Gedankengut aufzwingen, ein Dorn im Auge ist.

Das Ergebnis der Parlamentswahlen vom 27. September ist zwar ein Hoffnungsschimmer, trotzdem sollten wir jedoch alle über die Reaktion auf die Fortschritte der venezolanischen Opposition besorgt sein.

Was können wir anderes erwarten von einer Regierung, die Terroristen der Oker-Terrorzelle beherbergt, einer Exekutive, die einen mutmaßlichen ETA-Mörder als Sicherheitschef des Nationalen Landinstituts in Venezuela beschäftigt, oder einer Regierung, die Auslieferungsersuche gegen zahlreiche flüchtige Terroristen ignoriert?

Offensichtlich können wir nichts anderes erwarten.

Frau Präsidentin, solche verachtenswerte Verhaltensweisen erfordern eindeutige Maßnahmen und eine vehemente Ablehnung durch das Parlament.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (S&D). (HU) Das zweigeteilte Deutschland war das greifbarste Symbol der Absurdität und Unmenschlichkeit einer bipolaren Weltordnung. Ohne die Wiedervereinigung Deutschlands hätten auch die Wiedervereinigung Europas und die Erweiterungen im Jahr 2004 und 2007 nicht stattfinden können. Kein anderes Volk in Europa konnte die künstliche und absurde Aufteilung Deutschlands besser nachempfinden als die Ungarn. Die Wiedervereinigung Europas begann mit der Wiedervereinigung Deutschlands. Der Fall der Berliner Mauer brachte auch die Mauern im durch den Kalten Krieg entzweiten Europa zu Fall. Als Ungar bin ich besonders stolz darauf, dass der Regierungschef meines Landes zu jener Zeit die tapfere und kühne Entscheidung traf, den mehreren zehntausend nach Ungarn flüchtenden DDR-Bürgerinnen und Bürgern auf ihrem Weg nach Österreich die Durchquerung des Eisernen Vorhangs zu ermöglichen. Er löste den Vertrag zwischen Ungarn und der DDR auf und gab der Berliner Mauer somit den ersten Schlag. Der damalige Außenminister Ungarns, Gyula Horn, und der Ministerpräsident Miklós Németh machten einen historischen Schritt, der ohne die reformistischen Bemühungen von Michail Gorbatschow nicht möglich gewesen wäre.

 
  
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  Pat the Cope Gallagher (ALDE). – Frau Präsidentin, ich bin soeben von Island zurückgekehrt, wo ich dem ersten Treffen des gemischten parlamentarischen Ausschusses EU-Island beigewohnt habe. Im Verlaufe des zweitägigen Besuchs pflegte unsere Delegation einen sehr informativen Meinungsaustausch mit den Mitgliedern der isländischen Regierung und des isländischen Parlaments bezüglich ihres Beitrittsantrags.

Anlässlich des Treffens der Delegation mit dem isländischen Fischereiminister habe ich die Gelegenheit genutzt, um den deutlichen Anstieg der Gesamtfangmenge von Makrelen anzusprechen. Es liegt in unser aller Verantwortung, die nachhaltige Bewirtschaftung dieser Fischerei sowie der gesamten Fischerei sicherzustellen, aber ich verweise insbesondere auf diese eine Sorte. Mit Freude habe ich festgestellt, dass Island am 12. Oktober in London Verhandlungen mit den Küstenstaaten aufnehmen wird und ich vertraue darauf, dass eine zufrieden stellende Lösung gefunden werden kann.

Die Auswirkungen der Finanzkrise sind in Island immer noch sehr deutlich zu spüren. Deshalb muss die Icesave-Debatte eine bilaterale Angelegenheit zwischen Island, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden bleiben. Es ist sehr wichtig, dass die betroffenen Parteien die Verhandlungen weiterführen, um ein zufrieden stellendes Resultat zu erzielen.

 
  
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  Georgios Koumoutsakos (PPE).(EL) Frau Präsidentin, ich bin besonders erfreut, dass Kommissar Barnier heute anwesend ist, denn ich weiß, dass ihm die Angelegenheit, die ich ansprechen werde, besonders am Herzen liegt. Naturkatastrophen verursachen unschätzbare Kosten im Hinblick auf Menschenleben und die wirtschaftlichen Infrastrukturen, die davon betroffen sind. Der Umgang mit solchen Katastrophen ist eine gemeinsame Herausforderung und verlangt ein gemeinsames Handeln. Die Europäische Union muss deshalb schnell und effizient auf solche Notfälle reagieren können. Dazu muss Europa sein Potenzial besser ausschöpfen und die Bürgerinnen und Bürger Europas veranlassen, aktiv zu werden.

Die tief verwurzelte Tradition der Freiwilligenarbeit und das Solidaritätsprinzip bieten eine solide Grundlage, um dies zu erreichen. Deshalb ist es nun an der Zeit, ein Europäisches Freiwilligenkorps einzurichten, wie dies der Artikel 214 Absatz 5 des Vertrags von Lissabon vorsieht. Ich möchte Sie daran erinnern, dass 2011 das Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit wird. Ein Europäisches Freiwilligenkorps würde die Rolle und das Bild Europas stärken und die Herzen und Köpfe der Bürgerinnen und Bürger Europas in der ganzen Welt gewinnen.

Das Europäische Parlament hat die Aufgabe, umgehend Maßnahmen einzuleiten, um ein Europäisches Freiwilligenkorps einzurichten.

 
  
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  Zbigniew Ziobro (ECR).(PL) Frau Präsidentin, ab 2013 werden in der Europäischen Union spezifische Grenzen für CO2-Emissionen in Kraft treten. Die jüngsten Pläne der Europäischen Union, eine niedrigere Obergrenze als ursprünglich geplant einzuführen, das heißt maximal 0,688 Tonnen CO2 pro Tonne Warengewicht, könnte Zementproduzenten in vielen europäischen Ländern, einschließlich Polen, in eine verheerende Lage bringen.

Wie in einigen Medien berichtet wurde, so zum Beispiel in der Tageszeitung Gazeta Prawna, werden Berechnungen zufolge die Zementpreise um mindestens 30 % ansteigen, was sich auf Einzelhandelskunden, die ein Haus bauen wollen, auswirkt und die wirtschaftliche Entwicklung in Bereichen, in denen Zement ein grundlegender Produktionsbestandteil ist, verlangsamen wird. Diese Situation ist insbesondere für die neuen EU-Mitgliedstaaten gefährlich, da sie noch einen langen Weg vor sich haben, bevor sie den Vorsprung der reichen Länder wie Frankreich oder Deutschland aufgeholt haben. Diese haben ihre Infrastruktur, wie beispielsweise Autobahnen, vor langer Zeit gebaut, als in diesem Bereich noch keine Restriktionen bestanden. Die Situation hat auch insofern negative Auswirkungen als ein Teil der Produktion über unsere östlichen Grenzen hinaus verlegt und CO2 somit trotzdem erzeugt wird. Der Verlierer dabei ist unsere Wirtschaft.

 
  
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  Georgios Toussas (GUE/NGL).(EL) Frau Präsidentin, die undemokratische Entschließung, die am gestrigen 5. Oktober von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats angenommen wurde, stellt die Arbeiterbewegung mit Extremismus gleich und schlägt im Namen der Extremismusbekämpfung vor, grundlegende demokratische Rechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungs- und Vereinigungsrecht einzuschränken und aufzuheben, und will sogar ein Handlungsverbot für politische Parteien einführen.

Diese verachtenswerte Entschließung hält sich mit einem speziellen Kommentar zu Griechenland und der bedeutenden Arbeiterbewegung, die sich jüngst gegen die barbarische, volksfeindliche Strategie der Europäischen Union, der Regierung unseres Landes und der Regierungen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gebildet hat, zurück. Der Klassenkampf kann nicht durch reaktionäre Entschließungen und Gesetze gestoppt werden. Er ist ein historisches Druckmittel, die unvermeidliche Folge eines Systems der Grausamkeit und Ausbeutung der Menschen. Dieser Kampf der Arbeiterklasse sowie der Wiederaufbau der Arbeiterklasse und der Volksbewegungen in ganz Europa und ihre Proteste werden diese Entschließungen dahin befördern, wo sie hingehören: In den Mülleimer der Geschichte.

Die Kommunistische Partei Griechenlands fordert die Arbeiter- und Volksklassen dazu auf, diese reaktionäre Entschließung zu verurteilen, und ihren Kampf gegen die volksfeindliche Attacke des Kapitals in den europäischen und bürgerlichen Regierungen zu intensivieren und dabei die Bemühungen zur Bildung einer soziopolitischen Allianz der Arbeiterklasse und der Selbstständigen zu schaffen, die Änderungen im Sinne des Volkes einführen werden.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE). (LT) Heute findet der EU-China-Gipfel in Brüssel statt. Neben dem Klimawandel und dem Handel stehen auch Diskussionen über die Lage der Menschenrechtsaktivisten in China, die Todesstrafe und die Laogai -Zwangsarbeitslager auf dem Programm. Diese Themen sind zweifelsohne sehr wichtig, aber ich möchte Sie auf ein weiteres akutes Problem in China hinweisen – Tibet. Es ist bedauerlich, dass der erfolgversprechende Dialog zwischen den Vertretern des Dalai Lama und den Vertretern der Regierung der Volksrepublik China nur sehr langsam vorangeht. Im November fand die neunte Verhandlungsrunde statt. Die Treffen werden nicht regelmäßig organisiert und sind von einer misstrauischen Grundhaltung gekennzeichnet, obwohl der Dalai Lama seit langem nicht nur sein Ziel der Unabhängigkeit Tibets, sondern auch die tibetische Souveränität aufgegeben hat.

Einmal mehr möchte ich die chinesischen Führungskräfte dazu aufrufen, die Tibet-Frage im Dialog zu lösen, ohne Gewalt anzuwenden und ohne den Dalai Lama zu ignorieren. Die Europäische Union würde einen solchen Dialog eindeutig begrüßen und ist auch bereit, soweit wie möglich dazu beizutragen, zu vermitteln und helfen.

 
  
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  Corneliu Vadim Tudor (NI).(RO) Leider gibt es in Rumänien ein drakonisches Zensursystem, das in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ein vergleichbares Pendant findet. Ich beziehe mich auf diese absurde Institution, die sich Nationaler Audiovisionsrat nennt.

Das ist eine stalinistische Ausgeburt, die dem gesunden Menschenverstand zuwiderläuft, eine Institution, die sogar bedeutende Schriftsteller wie Cervantes, Goethe, Cesar Pavese und Adam Mickiewicz zensieren würde, wenn sie noch am Leben wären. Und dieses „Ungetüm“ terrorisiert die unabhängigen Fernsehsender. Ich würde diesen Rat mit einem Elefantenfriedhof vergleichen, auf dem ein paar „Zombies“ erwacht sind. Kontrolliert wird das Ganze von einer dem Untergang geweihten Diktatur, die die Programme, die die Oppositionsparteien zu Wort kommen lassen, mit hohen Geldbußen, die „eine lähmende Wirkung“ zeigen, belegt.

Helfen Sie uns, die despotischen Funktionäre des Nationalen Audiovisionsrats loszuwerden und die größte rumänische Errungenschaft des Revolutionsjahrs 1989 wiederzuerlangen: Die Pressefreiheit.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE). – Frau Präsidentin, heute Abend haben wir die Sozialvorschriften und den Vertrag von Lissabon erörtert, der die Union verpflichtet, bei der Erarbeitung ihrer Politik die sozialen Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu tragen. Ist sich die EU – oder sollte ich sagen die Kommission – der sozialen und tatsächlich auch wirtschaftlichen Konsequenzen bewusst, wenn sie darauf besteht, dass Irland den Stabilitäts- und Wachstumspakt bis 2014 einhält?

Selbstverständlich ist die Haushaltskonsolidierung sehr wichtig, aber es hat den Anschein, dass nur das alleine zählt. „Wenn ihr die 3 % bis 2014 nicht schafft, dann“: Das ist ein eindeutiges Signal der EU. Der belgische Ratsvorsitz hat vorhin gesagt, dass ein starres Sparprogramm nicht unumgänglich ist, und doch steht uns genau dies bevor: Ein starres Sparprogramm, eine Haushaltskonsolidierung um jeden Preis. Und wie steht es mit dem notwendigen Vorhaben, unsere Wirtschaft wiederaufzubauen? Ja, wir müssen die 3 %-Grenze erreichen, aber dafür brauchen wir mehr Zeit.

Ich akzeptiere, dass wir uns viele der Schwierigkeiten selbst eingebrockt haben, und wir brauchen auch keine Mitleidsbekundungen, aber ich bin der Ansicht, dass ein starres Sparprogramm unsere kleine offene Wirtschaft zerstören wird, da schon jetzt, nach zwei Jahren in der Krise, täglich vier Unternehmen aufgelöst werden.

 
  
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  Joanna Katarzyna Skrzydlewska (PPE).(PL) Frau Präsidentin, in den vergangenen Tagen gab es viele Berichte über die tödlichen Auswirkungen psychoaktiver Substanzen, die auch als „Designerdrogen“ bekannt sind. Dieses Problem ist aufgrund der zunehmenden Anzahl von Vergiftungs- und auch Todesfällen insbesondere unter jungen Menschen auch in Polen sehr sichtbar.

Der Erfindergeist der Produzenten und der Verkäufer von Designerdrogen ist den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten immer einen Schritt voraus. Sie bringen die tödlichen Drogen auf den Markt, lange bevor die Mitgliedstaaten deren Verkauf in ihren Gesetzen untersagen können, und unter den Käufern macht sich die Überzeugung breit, dass Designerdrogen nicht gefährlich sind, da sie ja noch nicht verboten wurden. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Designerdrogen sind genauso schädlich wie illegale Drogen und in Wirklichkeit sogar noch gefährlicher, da sie schneller in die Abhängigkeit führen.

Angesichts des sehr ernsten sozialen Problems der Designerdrogen, das mit jedem Tag schlimmer wird, müssen wir so schnell wie möglich entschiedene und wirksame Schritte einleiten. Die Europäische Kommission muss aufgrund der Bedenken zur Gesundheit tausender Jugendlicher umgehend eine Reihe von Maßnahmen einleiten, um die Menschen über die Schädlichkeit der Designerdrogen und die mit deren Gebrauch verbundenen Gefahren zu informieren und auch neue rechtliche Maßnahmen vorbereiten.

 
  
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  Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin, wie in der Financial Times vom 6. Oktober erwähnt, warnte die Forschungskommissarin Frau Geoghegan-Quinn vor einem Innovationsmangel in Europa.

Wir müssen die Förderung der Forschung im privaten Sektor durch verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise Initiativen zur Risikokapitalfinanzierung stimulieren. Die Vorschläge der Europäischen Union, die eine Wiederholung der Wirtschafts- und Finanzkrise verhindern sollen, werfen jedoch das für die kleinen innovativen Start-up-Unternehmen in der EU entscheidende Risikokapital mit spekulativen Objekten wie den Hedgefonds in einen Topf.

Das Risikokapital ist die „fleißige Biene“ der alternativen Fonds, da es aufstrebende Unternehmen beflügeln kann und allgemein ein Wachstumsmotor für die globale Wirtschaft darstellt, wie dies bei Google, Facebook und Skype der Fall war. Risikokapitalfonds bieten innovativen, privaten Start-up-Unternehmen und KMU Zugang zum Kapital, dem betriebswirtschaftlichen Know-how und oft sogar zum Markt selbst. Sie bieten eine stabile Grundlage und Investitionen für eine durchschnittliche Zeitdauer von drei bis sieben Jahren.

Wir müssen die Schere zwischen uns, den USA und Japan schließen. Ich denke, wir sollten den Rat der Forschungskommissarin Frau Geoghegan-Quinn beherzigen.

 
  
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  Sonia Alfano (ALDE).(IT) Frau Präsidentin, ich möchte dem Parlament berichten, dass die italienische Verfassung und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union während des Papstbesuchs in Palermo am vergangenen Sonntag aufgehoben wurden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Gedankenfreiheit und die Unverletzlichkeit der Privatwohnung wurden mit Füßen getreten.

In diesem Rahmen bestand die italienische Polizei auf die Entfernung eines Transparents, das einen Gospeltext trug: „Mein Haus ist ein Bethaus, ihr aber habt's gemacht zur Mördergrube.“ Dieselben Polizeikräfte ließen jedoch homophobe Plakate, die eheähnliche Gemeinschaften verurteilen, anschlagen. Im Buchladen Altro quando hatte der Besitzer ein Spruchband angebracht mit dem Satz: „Ich liebe Milingo“. Die Polizei ist in das Privatgrundstück eingedrungen und hat das Spruchband ohne richterliche Anordnung und mit Methoden entfernt, die sogar für ihre Verhältnisse alles andere als erfreulich waren.

Es ist paradox, dass in einem eigentlich demokratischen und laizistischen Land wie Italien das Recht auf freie Meinungsäußerung von den Behörden aus Achtung vor dem Papst unterdrückt wird, aber der Ministerpräsident Berlusconi in aller Öffentlichkeit fluchen kann, ohne dass dies für die Kirche ein Problem darstellt. Bei diesem Anlass jedenfalls wurde die Demokratie von den laizistischen und religiösen Institutionen erneut mit Füßen getreten und die unüberwindbare Kluft zwischen den Institutionen und der Öffentlichkeit noch weiter vergrößert.

 
  
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  Claudiu Ciprian Tănăsescu (NI).(RO) Trotz der Konjunkturbelebungsmaßnahmen der europäischen Regierungen bezeugen die jüngsten Demonstrationen und Streiks, dass sich die Situation alles andere als verbessert.

Leider sind es jedoch genau diese Maßnahmen, mit denen die Regierungen die Löcher in den Haushalten stopfen und die teuren Bankdarlehnen zurückzahlen wollen, die eine neue Krise verursachen. Dies spiegelt sich im unmittelbaren Einkommensrückgang und der Verschlechterung der Lebensqualität der europäischen Bürgerinnen und Bürger wider.

Es ist vielleicht an der Zeit, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Einstellung ändern und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, deren Taschen immer leerer werden, vor diejenigen der Banken stellen, die wie durch ein Wunder immer noch riesige Profite erzielen. Ich meine, wenn schon jemand dieses Spiel verlieren muss, dann nicht unbedingt immer der kleine Mann.

 
  
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  Gabriel Mato Adrover (PPE).(ES) Frau Präsidentin, ich möchte ebenfalls über Venezuela sprechen, denn einige Menschen verstehen einfach nicht, dass es bei der Demokratie nicht nur um die Wahlen geht. Demokratie heißt, zugleich auch Sicherheit, Freiheit und Gleichheit zu gewährleisten, und in einer Demokratie und in einem Freiheitssystem muss auch das Privateigentum geachtet werden.

Leider sind die Öffentlichkeit und die Unternehmen in Venezuela gegenwärtig bedroht. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Unternehmen erwähnen, Agroisleña, das von Spaniern der Kanarischen Inseln gegründet wurde und von dem über 1000 Familien abhängen. Es wurde unfairerweise enteignet, und wie viele andere Unternehmen geht es nach vielen Jahren harter Arbeit durch die wechselhaften Entscheidungen derjenigen, die glauben, dass alles erlaubt sei, langsam unter. Zuerst wurde Land beschlagnahmt, nun werden Unternehmen beschlagnahmt, wer weiß, was als nächstes kommt!

Es ist an der Zeit, dass sich das venezolanische Volk frei fühlt und die Unternehmer nicht länger hilflos sind und unter ständiger Bedrohung stehen. Wie bereits gesagt wurde, ist es an der Zeit für Venezuela, eine echte Demokratie zu werden, in der Terroristen keine Zuflucht finden.

 
  
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  Evelyn Regner (S&D). - Frau Präsidentin! Ich möchte auf die Aktionswoche der Internationalen Transportarbeiterförderation, der ITF, hinweisen, die dieses Wochenende in Istanbul stattfinden wird. Anlass für den Internationalen Solidaritätstag ist die aggressive Vorgehensweise eines weltweit operierenden Paketdienstleisters gegenüber den eigenen Beschäftigten, die sich gewerkschaftlich organisieren wollten. Leider entspricht das türkische Arbeitsrecht noch nicht dem europäischen Standard, und dies wird von Arbeitgebern oftmals bis aufs Äußerste ausgenutzt. Nach dem türkischen Arbeitsgesetz kann eine Gewerkschaft in einem Unternehmen erst dann aktiv werden, wenn ein Organisationsgrad von über 50 % erreicht wird. Ich wiederhole: von über 50 %.

UPS, der US-Paketdienstleister, hat nun mit einer rüden Vorgangsweise die Organisierungskampagne gestoppt. Das Unternehmen kündigte 157 Beschäftigten fristlos, die sich in der zuständigen Transportarbeitergewerkschaft TÜMTIS organisiert hatten und sich für die gewerkschaftliche Anerkennung bei UPS einsetzen. Seit Mai kämpfen nun tausende UPS-Angestellte für die Wiedereinstellung ihrer Arbeitskollegen und für bessere Arbeitsbedingungen. Mit diesem unternehmerfreundlichen Arbeitsgesetz und seinen rabiaten Methoden wird in der Türkei ein gewerkschaftsfreier Raum geschaffen.

 
  
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  Izaskun Bilbao Barandica (ALDE).(ES) Frau Präsidentin, am 18. Oktober beginnt in der türkischen Stadt Diyarbakir ein Prozess über 28 führende Politiker der Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP).

Darunter befinden sich 14 Vertreter, die vom Volk gewählt wurden: 12 Bürgermeister und zwei Stadträte. Ihr Verbrechen ist die friedliche Verteidigung ihrer politischen Ansichten, die sie 15 Jahre Haft und ein Leben im Gefängnis kosten könnte.

Das Verbot der DTP und die Verhaftungen, die ich erwähnt habe, sind ein weiteres Beispiel der Verfolgung, unter der die kurdische Minderheit in der Türkei leidet. Diese Ereignisse wurden in der von uns am 10. Februar angenommenen Entschließung zur Analyse der Fortschritte der Türkei in ihrer Annäherung an die Union im Jahr 2009 ausdrücklich verurteilt. Wir denken nicht, dass die Fortschritte ausreichend waren.

Wenn wir einheitlich vorgehen, den Opfern beistehen und der Türkei helfen wollen, weiter auf dem richtigen Weg vorangehen, so können wir das tun. Lassen Sie uns in dieser Zeit die Solidaritätsbewegung und die Anliegen der Kurden unterstützen.

Ich möchte deshalb die Kommission und das Parlament dazu auffordern, umgehend einen offiziellen Vertreter zum Prozess in Diyarbakir zu entsenden.

 
  
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  Corina Creţu (S&D).(RO) Das Schlimmste, das in einer Wirtschaftskrise geschehen kann, ist, dass sich auch eine politische Krise einstellt. Genau dies geschieht in Rumänien, das den schlimmsten wirtschaftlichen Niedergang in einem Europa erlebt, das wieder aus der Krise auftaucht.

Sparmaßnahmen beispielloser Strenge werden von einer Regierung umgesetzt, der es egal ist, dass Millionen Rumäninnen und Rumänen leiden, dass sie zu einem Leben verdammt werden, in dem sie frieren und hungern müssen und noch nicht einmal Medikamente kaufen können. Die sozialen Proteste die wir seit Kurzem sehen, spiegeln die Stimmung der Bürgerinnen und Bürger angesichts der Tatsache, dass sie in den harten winterlichen Bedingungen mit drastisch gekürzten Einkommen auskommen müssen, wider. Zur gleichen Zeit wird das Recht auf freie Meinungsäußerung durch schockierende Verstöße aufgehoben, wie heute Abend während der Aussprache im Plenum bereits erwähnt wurde.

Die betrügerische Durchsetzung einer Pensionsregelung in der ärmsten Bevölkerungsschicht zwingt mich dazu, die europäischen Institutionen zu bitten, der Krise in Rumänien die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken und den undemokratischen Missständen in diesem Land ein Ende zu setzen.

 
  
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  Maria Da Graça Carvalho (PPE).(PT) Ich möchte hier ein Ereignis hervorheben, das gestern in Portugal vorgefallen ist und für das Land, Europa und die Zukunft der Menschheit von größter Bedeutung ist.

Die „Champalimaud Foundation“ hat ein Forschungszentrum für die Krebsforschung und Neurowissenschaften eröffnet. Herr Champalimaud war ein Unternehmer, der ein Drittel seines persönlichen Vermögens – 500 Mio. EUR – für wissenschaftliche Forschung in diesen Bereichen hinterließ und zur Verfügung gestellt hat. Ich gratuliere dem Präsidenten der „Champalimaus Foundation“, Herrn Dr. Leonor Beleza, der strenge Maßstäbe eingeführt hat, um ausgezeichnete wissenschaftliche Forschung mit der klinischen Praxis zu kombinieren. Ich bin mir sicher, dass das Ziel, Portugal und Europa auf das höchste Niveau in diesen Bereichen der wissenschaftlichen Forschung zu heben, in vollem Umfang erreicht wird.

Die „Champalimaud Foundation“ wird weltberühmte Wissenschaftler nach Portugal und Europa locken. An der Flussmündung des Tagus wird ein neues Kapitel in der portugiesischen und europäischen Forschung aufgeschlagen, und der Welt werden neue Möglichkeiten eröffnet.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE). (SK) Auf der morgigen parlamentarischen Versammlung des Europarats wird eine Abstimmung über den Bericht der britischen Sozialdemokratin Christine McCafferty mit dem Titel: „Zugang von Frauen zur gesetzlichen Gesundheitsfürsorge: das ungeregelte Problem von Verweigerung aus Gewissensgründen“ durchgeführt.

Wir müssen diesen Bericht vollständig verurteilen, denn er ist ein beispielloser und ernsthafter Eingriff in und eine Gefahr für die Souveränität der Mitgliedstaaten, das Subsidiaritätsprinzip und die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Der Bericht konzentriert sich insbesondere auf den Bereich der so genannten reproduktiven Gesundheitsfürsorge für Frauen und auf Schwangerschaftsabbrüche, Sterilisationen und auch, ich zitiere „lebensverkürzende Maßnahmen zur Behandlung von Schmerzen bei Sterbenden“, was aktive Sterbenshilfe bedeutet. Dieses Dokument des Europarats sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sogar die Gesundheitsdienstleister dazu verpflichten sollen, unabhängig von ihren Gewissenseinwänden einem Patienten die ihm gesetzlich zustehende und von ihm gewünschte Behandlung anzubieten. Des Weiteren sieht es die Erstellung einer Art Register für Personen, die sich diesen Maßnahmen widersetzen, und eine strafrechtliche Verfolgung dieser Personen vor. Es ist inakzeptabel, diese Entwicklung zur Regulierung der Gewissenseinwände in Europa zu unterstützen.

 
  
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  María Muñiz De Urquiza (S&D).(ES) Frau Präsidentin, es ist unverantwortlich, die Entschlossenheit der spanischen Außenpolitik in der Terrorbekämpfung zu hinterfragen, und es ist falsch, der venezolanischen Regierung vorzuwerfen, dass sie die Ausbildung von ETA-Terroristen auf ihrem Grund und Boden fördert, da es keine Beweise für eine solche Zusammenarbeit gibt.

Es gibt einen Dialog auf internationaler Ebene und eine Zusammenarbeit im mutigen Kampf Spaniens gegen den Terrorismus, sowohl innerhalb als auch außerhalb der spanischen Grenzen. Es gibt auch einen Dialog und eine Zusammenarbeit mit Venezuela, das in diesem Zusammenhang gebeten wurde, spezifische Maßnahmen zu ergreifen.

Anstatt die Beziehungen abzubrechen und auf Konfrontationskurs zu gehen, lassen wir lieber die Polizei, die Justizbehörden und die Diplomaten ihre Arbeit erledigen. Diese haben im Kampf gegen den Terrorismus in Spanien beispiellose Erfolge und Resultate erzielt.

 
  
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  Die Präsidentin. – Dieser Punkt ist nun abgeschlossen.

 

18. Systeme der Gesundheitsversorgung im subsaharischen Afrika und eine globale Gesundheitspolitik (kurze Darstellung)
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  Die Präsidentin. – Der nächste Tagesordnungpunkt ist der Bericht von Frau De Keyser im Namen des Entwicklungsausschusses über die Systeme der Gesundheitsversorgung im subsaharischen Afrika und eine globale Gesundheitspolitik (2010/2070(INI) (A7-0245/2010).

 
  
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  Véronique De Keyser, Berichterstatterin.(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, vielen Dank dafür, dass sie noch geblieben sind. Dieser Bericht ist eigentlich die Antwort auf eine Mitteilung der Kommission zur globalen Gesundheitspolitik. Wir wollten jedoch einen eher außergewöhnlichen Blickwinkel einnehmen und uns stärker auf die Systeme auf Gegenseitigkeit konzentrieren, die in Afrika derzeit florieren. Gestatten Sie mir, ein wenig abzuschweifen.

Der Gesundheitszustand in Afrika ist trotz der internationalen Hilfe dramatisch. Dies ist auf zahlreiche Faktoren wie den Klimawandel, die Finanzkrise, Kriege, schlechte Regierungsführung in einigen Ländern, oder die Begehrlichkeiten, die durch die in Afrika gefundenen Bodenschätze geweckt werden, zurückzuführen. Hinzu kommen die großen Pandemien wie Aids, Malaria, Tuberkulose, und so weiter. Und das Zusammenspiel dieser Faktoren bedeutet, dass wir vor einer echten Katastrophe stehen.

Daher möchte ich zunächst einmal den Einsatz der NRO und auch einiger Kirchen begrüßen, die in Notsituationen, in Konfliktregionen wirklich bemerkenswerte Arbeit leisten. Dies kann jedoch keine langfristige Lösung sein, es ist keine nachhaltige Lösung.

Es gibt die so genannten vertikalen Fonds, die erwähnt wurden, und die zur Bekämpfung schwerer Krankheiten, wie beispielsweise Aids, Malaria und Tuberkulose, verwendet werden. Sie ziehen viel Geld an und sind sehr attraktiv für private Unterstützungsbemühungen, da die Menschen den Eindruck haben, dass sie für einen Zweck spenden, der stets einer Kontrolle untersteht. In Wirklichkeit decken diese Fonds, die ihr Ziel sicherlich erreichen, jedoch auch nur einen kleinen Teil des Problems ab, da in Afrika heutzutage bedauerlicherweise immer noch mehr Todesfälle auf den Mangel an einer sanitären Infrastruktur, den Mangel an Trinkwasser – Kinder sterben an der Ruhr – oder den Mangel an lokalen Pflegestationen als auf Aids oder Malaria zurückzuführen sind.

Daher die Aufmerksamkeit, die auf eine Bewegung gelenkt wurde, die sich seit den 1990er-Jahren entwickelt hat, und die von Initiativen vertreten wird, die aus Versicherungssystemen, jedoch insbesondere aus Systemen auf Gegenseitigkeit bestehen, welche in unterschiedlichen afrikanischen Ländern entstanden sind. Das Ziel dieser Systeme auf Gegenseitigkeit besteht natürlich darin, die Menschen an der Erhaltung ihrer eigenen Gesundheit aktiv zu beteiligen. Wir dürfen unsere Augen nicht verschließen: sie sind nicht autark, sie werden nicht die gesamte Finanzierung für die Versorgung oder den Zugang zu Medikamenten leisten können. Aber in Kombination mit anderen Fonds, mit anderen Hilfsleistungen, gewährleisten sie dennoch die Bereitstellung von medizinischer Versorgung und Arzneimitteln und schaffen zusätzlich eine Beteiligung, eine Art soziale Dynamik, die Fuß gefasst hat.

Es gibt Hunderte davon, es gibt sie in unterschiedlichen Ländern und in unterschiedlichen Bereichen. Es gibt Versicherungen auf Gegenseitigkeit für Frauen, für Cafébesitzer und so weiter. Für uns besteht die Herausforderung also darin, diese soziale Dynamik zu unterstützen, sie zu finanzieren und zu koordinieren, und uns gleichzeitig zu sagen, dass sie vielleicht eines Tages, aber noch nicht sofort, autark sein wird.

Wenngleich diese Gesundheitsorganisationen und Versicherungen auf Gegenseitigkeit also bestehen können, so können sie dies selbstverständlich nur dann, wenn es daneben so genannte horizontale Systeme gibt. Das heißt, warum sollte man sich versichern oder für das Auftreten von Erkrankungen, für einen chirurgischen Eingriff bezahlen, wenn es kein Krankenhaus gibt, wenn es keinen Arzt gibt, wenn es keine Medikamente gibt? Daher sind wir der Meinung, dass die Europäische Union als logische Folge diese Systeme auf Gegenseitigkeit nicht nur unterstützen, koordinieren und stärken muss, sondern auch großen Wert auf die horizontalen Systeme, auf die medizinische Grundversorgung legen muss, auch wenn dies bedeutet, dass teilweise auf die vertikalen Fonds zurückgegriffen werden muss, um diese „horizontale“ Versorgung zu finanzieren – dieses Element der Grundversorgung, das erforderlich ist, das ein Gleichgewicht herstellt, damit die Systeme auf Gegenseitigkeit existieren können.

Auf diese Reihe von Problemen bezieht sich der Bericht. Meine Redezeit ist zu Ende, aber ich werde vielleicht den Kollegen antworten, die Bedenken im Hinblick auf die im vorliegenden Bericht erwähnte reproduktive Gesundheit haben. Diesem Thema messe ich große Bedeutung bei.

 
  
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  Niccolò Rinaldi (ALDE).(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Frau De Keyser hat bereits fast alles gesagt, was zu sagen ist. Ich möchte diesen Augenblick einem kleinen Jungen widmen, den ich am 1. Dezember 2009 in Luanda kennengelernt habe, als wir für die Parlamentarische Versammlung AKP-EU in Angola waren. Der kleine Junge war an seinem Lebensende angelangt, er starb an Unterernährung in den Armen seiner Mutter im „Divine Providence Hospital“ im Zentrum Luandas, in der Nähe des Ortes, an dem wir unsere Arbeit durchgeführt haben und in der Nähe des Stadions, das für die Weltmeisterschaft in Afrika erbaut wurde; mit anderen Worten, er war vom Überfluss umgeben.

Das war jedoch kein Einzelfall: immer noch sterben in Luanda tagtäglich Kinder aufgrund von Unterernährung an Hunger in den Armen ihrer jungen Mütter, die nichts über Ernährung gelernt haben und die häufig sich selbst überlassen sind.

Für einen Christen stellen solche Anblicke eine Sünde, eine große Sünde, dar. Für einen Politiker sind sie ein Zeichen des Versagens unserer Politik. Und für die Führungsschicht dieses Landes, Angolas, sind sie auch ein Zeichen für Habgier und für die ungerechte Verteilung des Wohlstandes. Ich denke, dass die Gründe, aus denen dieses Kind solch ein flüchtiges Dasein auf Erden hatte, uns viele Denkanstöße geben, und ich hoffe, dass meine Aussage einen Beitrag zu diesem Prozess des Nachdenkens leisten kann.

 
  
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  Anna Záborská (PPE). (SK) Trotz gewisser Vorbehalte, die ich gegen diesen Bericht hege, möchte ich zunächst Frau De Keyser danken. Sie hat, wie schon so oft vorher, bewiesen, dass sie etwas von Entwicklungspolitik versteht, und wie sehr sie um die Lebensbedingungen in verschiedenen Teilen der Erde besorgt ist.

Der Stand der Gesundheitsversorgung im subsaharischen Afrika ist beklagenswert. Ich bin jedoch darüber beunruhigt, dass Frau De Keyser nicht einmal einige meiner Änderungsvorschläge angenommen hat. Es kann nicht richtig sein, dass wir positiv über die Abschlussdokumente von Kairo und Peking sprechen, dass diese jedoch – wenn ich mich auf sie beziehe – nicht angenommen werden. Dies liegt nur daran, dass einigen Abgeordneten zufolge manche Absätze vielleicht nicht mit der Europäischen Politik zur reproduktiven Gesundheit übereinstimmen. Es ist bedauerlich, dass wir nicht gewillt sind, die Bedeutung nationaler und regionaler Besonderheiten und die historische, kulturelle und religiöse Vielfalt der Staaten im subsaharischen Afrika zu würdigen. Die Gesundheit der dortigen Bevölkerung kann folglich nur leiden.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE). (SK) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte erkennt die Gesundheit als eines der grundlegenden Menschenrechte an. Ich persönlich bin der Meinung, dass dieses Recht in enger Verbindung mit dem eigentlichen Recht auf Leben angesehen werden muss.

Im subsaharischen Afrika haben diese Rechte einen sehr spezifischen und prekären Kontext, und ich möchte daher hervorheben, wie wichtig es für die Europäische Union ist, eine verantwortungsvolle und menschliche Vorgehensweise im Bereich der Gesundheitsversorgung zu wählen. Zunächst einmal möchte ich erwähnen, dass die Europäische Union den Abbruch einer Schwangerschaft nicht als Recht anpreisen sollte, da dieses so genannte Recht in keinem internationalen Dokument als ein so genanntes grundlegendes Menschenrecht anerkannt ist. Stattdessen sollte die Union als Verfechterin der Menschenrechte auf der ganzen Welt stufenweise Programme zum Schutz von Müttern mit Kindern in ihrer Entwicklungspolitik unterstützen und Ergebnisse fördern, die auch mit dem Recht auf Leben und dem Schutz des ungeborenen Kindes zu vereinbaren sind. Zweitens möchte ich noch einmal hervorheben, dass die EU und die Mitgliedstaaten sich nicht an Bestimmungen von Handelsabkommen zu den Rechten des geistigen Eigentums beteiligen sollten, die verarmten Menschen in Entwicklungsländern den Zugang zu grundlegenden Medikamenten verwehren und die zu den hohen Sterblichkeitsraten in diesen Regionen beitragen.

 
  
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  Michel Barnier, Mitglied der Kommission.(FR) Frau Präsidentin, mein Kollege, Herr Piebalgs, konnte nicht persönlich anwesend sein. Ich werde in seinem Namen einige Kommentare und Anmerkungen machen. Um noch einmal Klarheit zu schaffen: die Kommission steht dem Parlament immer zur Verfügung, und ich bin sehr froh darüber, Frau De Keyser und die anderen Rednerinnen und Redner zu einem Thema angehört zu haben, das mich persönlich schon seit langer Zeit interessiert. Darüber hinaus, Frau De Keyser, ist es in meinem Amt als Kommissar für Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen kein Zufall, dass ich – zusätzlich zu den Besuchen, die ich den Hauptstädten der Union derzeit wöchentlich abstatte, und nach der ersten Reise, die ich in die USA unternehmen musste, da fast all unsere Transaktionen transatlantischer Natur sind – Ende Juli meine zweite Reise in ein Land außerhalb der Union nach Addis Abeba antreten wollte, um die politischen Verantwortlichen der Afrikanischen Union zu treffen. Denn unsere Schicksale stehen miteinander in Verbindung, und ich plädiere nun bereits seit Jahren für eine neue Partnerschaftspolitik zwischen unseren beiden großen Kontinenten.

Im Hinblick auf viele Themen, die mit der Krise in Zusammenhang stehen und die unsere eigenen Anliegen betreffen oder mit diesen zusammenhängen – wie zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen unseren Märkten, die Bekämpfung der Geldwäsche, Finanzverordnungen, der Kampf, den ich unerbittlich gegen überzogene Spekulationen landwirtschaftliche Grunderzeugnisse betreffend führen möchte, insbesondere in Afrika, wo viele Länder von Nahrungsmittelimporten abhängig sind –, habe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen beschlossen, im Anschluss an diese Reise an unsere Zusammenarbeit anzuknüpfen und sie zu intensivieren.

Ich gratuliere Ihnen im Namen von Herrn Piebalgs und auch in meinem eigenen Namen zur Qualität Ihres Berichts, in welchem Sie die Lage der Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern beschreiben, möchte jedoch hinzufügen, dass wir nicht einzig und allein über Afrika sprechen. Vor einigen Wochen war ich in Haïti, um die Besuche meiner Kolleginnen und Kollegen, Baronin Ashton, Frau Georgieva und Herrn Piebalgs, fortzusetzen, und es war deutlich, dass es auch außerhalb Afrikas in den ärmsten Ländern Herausforderungen im Bereich der Vorbeugung von Krankheiten und im Gesundheitswesen gibt, die es zu meistern gilt.

Wie Herr Rinaldi gesagt hat, sterben fast 30 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern jedes Jahr frühzeitig an Ursachen, die mit dem Betrag, der in der Europäischen Union oder in den Vereinigten Staaten allein für Heimtierfutter ausgegeben wird, oder – wenn wir einen weiteren Vergleich ziehen wollen – mit rund 2 % der weltweiten Militärausgaben behandelt werden könnten. Ich finde diese Situation einfach nicht akzeptabel.

Eine funktionsfähige Sozialpolitik, auch für das Gesundheitswesen, sollte vor dem Hintergrund eines nachhaltigen und integrativen Wachstums im Mittelpunkt der Grundfunktionen eines Staates stehen. Gesundheit ist nicht nur ein universelles Recht, sondern auch Bestandteil der wirtschaftlichen Entwicklung. Gesundheitssysteme, die auf Pro-Kopf-Ausgaben von weniger als 30 EUR pro Jahr basieren – das ist 50 Mal weniger als der EU-Durchschnitt – werden nie ausreichend sein, um ausreichendes medizinisches Personal bereitzustellen, um die Verfügbarkeit wichtiger Medikamente zu gewährleisten oder den Menschen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Behandlung zu bieten.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen im Namen von Herrn Piebalgs mitteilen, dass wir weiterhin darauf bestehen werden, dass die Europäische Union ihre Verpflichtungen hinsichtlich der Höhe und der Qualität der öffentlichen Entwicklungshilfe für die Drittländer, die diese am meisten benötigen, einhält. Was die Kommission betrifft, so bleibt die Unterstützung der Gesundheitssysteme eine vorrangige Verpflichtung unserer Außenpolitik und eine wichtiger Bestandteil unseres politischen Dialogs mit Drittländern. Um die Bedenken von Frau Záborská aufzugreifen: die Drittstaaten befinden sich in Wirklichkeit nicht alle in der gleichen Situation. Es gibt, wie Sie erwähnt haben, große Unterschiede zwischen den Entwicklungsländern und den weniger entwickelten Ländern in Afrika beispielsweise.

Darüber hinaus versuchen wir dieses Konzept mithilfe der aktiven Beteiligung der Kommission an weltweiten Initiativen, wie dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, sowie durch die Interaktion mit anderen öffentlichen und privaten Akteuren in diesem Bereich zu fördern. Frau De Keyser, Sie haben die Arbeit der NRO, die meiner Ansicht nach beispielhaft ist, zu Recht gewürdigt. Vor wenigen Tagen habe ich in Haïti erneut gesehen, dass diese eine bemerkenswerte sowie entscheidende Rolle spielen, wenn es um die administrativen oder öffentlichen Aspekte der unterschiedlichen von der Union, von Geldgebern oder von der Weltbank durchgeführten Aktionen geht.

Eine angemessene Sozial- und Gesundheitspolitik ist für die Erzielung konkreter Ergebnisse sowohl in Europa als auch in den Entwicklungsländern von entscheidender Bedeutung. Es genügt nicht, einfach nur sicherzustellen, dass ein beträchtlicher Anteil der Mittel der Unterstützung unserer europäischen Partner dient. Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass unsere internen Politikbereiche, zum Beispiel die Politik zur Migration von Leistungserbringern im Gesundheitswesen oder zum Handel mit Arzneimitteln, kohärent sind, sodass die globalen Auswirkungen der internen politischen Strategien für diejenigen, die sie weltweit am dringendsten benötigen, auch nützlich sein können oder ihnen zumindest keinen Schaden zufügen.

Im Hinblick auf meinen eigenen Zuständigkeitsbereich möchte ich zwei Punkte ansprechen, die für Sie, Frau De Keyser, von Interesse sein könnten. Zunächst einmal versuche ich in dem Entwurf des EU-Binnenmarktgesetzes, den wir für den 27. Oktober vorbereiten, den wichtigen Bereich des social business vorrangig zu behandeln und auf ein Statut für die Europäische Stiftung hinzuarbeiten. Darunter befinden sich Anreize für Einrichtungen, NRO, soziale Unternehmen hier in Europa, die man in ihrer Arbeit zugunsten der ärmsten Länder oder Entwicklungsländer – insbesondere in diesem Bereich des Gesundheitswesens – unterstützen könnte.

Schließlich gibt es einen zweiten Bereich, der mich gerade jetzt sehr beschäftigt, nämlich Fälschungen. Im Plan zur Bekämpfung von Piraterie und Fälschungen, den ich Ihnen im Herbst vorstellen werde, habe ich verschiedene Kapitel zu folgenden Themen vorgesehen, die wir finanzieren und unterstützen werden: Technologien zur Erkennung gefälschter Waren, Kommunikation mit der europäischen Öffentlichkeit und Schulung der Mitarbeiter an den Zollstellen oder an den Außengrenzen der Union.

Ich möchte jedoch auch ein Kapitel – und darum habe ich meine Kolleginnen und Kollegen gebeten – über die Zusammenarbeit mit den Ländern, aus denen diese gefälschten Waren stammen, und wo sie der Gesundheit der Menschen beträchtlichen Schaden zufügen könnten, insbesondere wenn es sich um gefälschte Medikamente handelt, einbauen. Wir werden zu gegebener Zeit auf dieses Thema zurückkommen.

Auf Grundlage der Analyse, die ich Ihnen kurz dargelegt habe, hat die Union die Schlussfolgerungen zur Rolle der Union in der globalen Gesundheitspolitik angenommen. Sie sind unser Bezugspunkt, wenn wir in Sachen Gesundheit eingreifen. Wie ich bereits gesagt habe, reichen die Mittel für die öffentliche Entwicklungshilfe nicht aus, und es gibt einen Punkt, an dem die Analyse in Ihrem Bericht beweist, wie zutreffend sie ist. In Europa verfügen wir über zahlreiche Möglichkeiten, das Gesundheitswesen zu finanzieren, und jede davon hat ihre Stärken und Schwächen. Es gibt keine einzige, perfekte Lösung für die jeweiligen lokalen Umstände. Es ist klar, dass ein Versicherungssystem auf rein freiwilliger Basis, das sich auf private Finanzierungsmechanismen stützt, auch nicht ausreichend wäre, um einen gleichberechtigten und universellen Zugang zur Gesundheitsversorgung bereitzustellen. Daraus geht die wichtige Rolle hervor, welche die öffentlichen Behörden bei der Regulierung und Finanzierung des Gesundheitswesens spielen müssen, um die Grundsätze der Gerechtigkeit und Einbeziehung einzuführen und sicherzustellen.

Wir setzen sehr auf den Beitrag des Parlaments zu diesem Bestreben, um die Solidarität der Menschen in der Europäischen Union und der anderen Akteure der Union in diesem Bereich, insbesondere der NRO, zu stärken und zu fördern. Ich denke, dass es für unsere Union noch viel zu lernen, aber auch noch viel mit der übrigen Welt zu teilen gibt, und dass wir in diesem Bereich einen Mehrwert bieten können. All dies muss in unserem Ansatz zur Gesundheitspolitik in den Entwicklungsländern klar zum Ausdruck kommen, und was mich betrifft, so war es mir eine Freude, Ihnen Antworten geben zu können und diese Gelegenheit zu nutzen, um mein persönliches Engagement für diese Themen zum Ausdruck zu bringen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Maria Da Graça Carvalho (PPE), schriftlich.(PT) Die Unfähigkeit afrikanischer Länder – das sind häufig schwache Länder, die erst vor Kurzem Konfliktsituationen bewältigt haben, oder die nicht über hinreichend stabile Institutionen oder adäquate Mittel verfügen –, eine wirksame Gesundheitspolitik anzuwenden und insbesondere den Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung sicherzustellen, stellt eine große Herausforderung und globale Verantwortung dar. Es muss eine weltweite EU-Vision für die Gesundheitspolitik mit Leitprinzipien geben, die auf alle wesentlichen strategischen Bereiche anzuwenden sind. Investitionen in Bildung und den Aufbau von Kapazitäten werden positive Auswirkungen auf die Gesundheitspolitik weltweit haben, und ich rufe die Europäische Union dazu auf, die Weiterbildung qualifizierten medizinischen Personals aktiv zu unterstützen. Für die Mitgliedstaaten der EU ist es von grundlegender Bedeutung sicherzustellen, dass ihre Migrationspolitik das medizinische Personal nicht davon abhält, in Drittländern zur Verfügung zu stehen. Ich rufe zur Einhaltung der Verpflichtungen, die im Rahmen des EU-Aktionsprogramms zur Bekämpfung des akuten Gesundheitspersonalmangels in den Entwicklungsländern vereinbart wurden, auf. Die EU muss die zirkuläre Migration erleichtern, um die Abwanderung von Fachkräften aus Ländern, die in Schwierigkeiten sind, zu verringern.

 
  
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  Corina Creţu (S&D), schriftlich.(RO) Der Gesundheitszustand der Bevölkerung im subsaharischen Afrika stellt eine der größten Herausforderungen für die humanitäre Hilfe und Entwicklungspolitik der EU dar. Ich glaube, dass die Tatsache, dass die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Region eine Lebenserwartung haben, die ungefähr halb so hoch ist, wie die eines europäischen Staatsangehörigen, die Dramatik der Situation am deutlichsten widerspiegelt. Der Bericht erläutert die Gründe dafür sehr deutlich und hebt die erforderlichen Maßnahmen sowie unsere Mitverantwortung für diese Bedingungen hervor. Die internationalen Finanzmittel für die Gesundheitsversorgung belaufen sich auf die Hälfte des Betrages, der für die Bildung bereitgestellt wird. Ohne die Bildung im Geringsten abwerten zu wollen, bin ich der Ansicht, dass diese Unverhältnismäßigkeit einen Fehler widerspiegelt, der in Zukunft korrigiert werden muss.

Darüber hinaus ermöglichen die Industrieländer die Fortdauer der derzeitigen Katastrophe, indem sie die Abwanderung von Ärzten und Pflegekräften aus afrikanischen Staaten unterstützen. Ich denke, dass mehr Einsicht, besonders seitens der EU-Länder, bei der Rekrutierung von Experten in ähnlichen Schlüsselbereichen erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung des afrikanischen Gesundheitssystems bringen würde.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL), schriftlich.(PT) Bedauerlicherweise ist das universelle Recht auf Gesundheitsversorgung immer noch sehr weit davon entfernt, Wirklichkeit zu werden. Millionen von Menschen haben immer noch keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung, die Lebenserwartung ist in vielen Ländern immer noch skandalös niedrig, und Millionen von Kindern sterben immer noch an Krankheiten, die verhindert und geheilt werden können. Diese Situation ist umso ernster, als es von politischen Entscheidungen abhängt, ob sie andauern oder beendet wird. Diese Entscheidungen waren bisher von den Interessen großer Wirtschafts- und Finanzkreise abhängig. Die multinationalen Pharmaunternehmen verhindern weiterhin die günstigere Herstellung von Medikamenten, mit deren Hilfe man Millionen von Menschen das Leben retten könnte. Internationale Finanzinstitute erlassen weiterhin so genannte „Strukturanpassungen“, indem sie die verhasste Auslandsverschuldung von Entwicklungsländern aufrechterhalten und Einschnitte und Privatisierungen im Gesundheitswesen auferlegen, wenn der Mangel ohnehin schon gewaltig ist. Ein echter Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitssysteme dieser Länder würde als Erstes die sofortige Ablehnung der so genannten „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ erfordern – deren Umsetzung, wie sie sich die EU vorstellt, Abhängigkeiten verstärken und noch größere Auswirkungen auf die Prioritäten dieser Länder haben würde – sowie die Aufhebung ihrer Auslandsverschuldung und eine zweckentsprechende Entwicklungshilfe und Politik der Zusammenarbeit beinhalten.

 

19. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

20. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
Video der Beiträge

21. Schluss der Sitzung
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(Die Sitzung wird um 23.25 Uhr beendet)

 
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