Der Präsident. – Zu Beginn würde ich Sie gerne kurz über vier Punkte informieren. Mit großer Freude habe ich erfahren, dass Herr Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis erhalten hat. Dieser Vorreiter für die Menschenrechte ist noch immer im Gefängnis, weil er sich gewaltlos für die Redefreiheit in China eingesetzt hat. Wir schätzen durchaus die jüngsten Bemühungen der chinesischen Behörden, sich nach und nach die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Standards der freien Welt anzueignen. Diese Bemühungen reichen aber noch immer nicht aus und somit appellieren wir erneut an die chinesische Führung, nicht nur Liu Xiaobo, sondern auch Hu Jia, Träger des Sacharow-Preises, sowie weitere Verfechter der Menschenrechte freizulassen. Das Europäische Parlament wird stets die Flagge der Menschenrechte hochhalten.
Zweitens organisiert das Europäische Parlament in dieser Woche eine Reihe von Veranstaltungen zum gestrigen Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut. Viele von uns tragen heute dementsprechende Abzeichen. Über die diesem Thema gewidmeten Aussprachen im Plenum hinaus möchte ich Sie für morgen, 14.45 Uhr, zu dem Festakt in der Bronisław-Geremek-Agora einladen, an dem auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon teilnehmen wird.
Drittens begehen wir heute zum vierten Mal den EU-Tag gegen Menschenhandel. Dieses Problem nehmen wir sehr ernst. Derzeit beraten wir über einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel.
Viertens schließlich möchte ich Sie für Mittwoch, 12.00 Uhr, zu einer Ansprache zur Halbzeitbewertung meiner Parlamentspräsidentschaft einladen. Diese wird einen kurzen Überblick enthalten über den Arbeitsfortschritt des Europäischen Parlaments und insbesondere über das, was es erreicht hat, darüber hinaus wird es um Initiativen gehen, die ich persönlich angestoßen habe und darum, wo wir stehen und wo wir uns in einer veränderten Europäischen Union wiederfinden, darum, wie das Europäische Parlament aussieht, und um die Zusammenarbeit mit anderen Organen. Ich denke, dass ich Ihnen in der Mitte meiner Amtszeit diese Informationen schuldig bin.
4. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll
Der Präsident. – Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung, wie er in der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom 14. Oktober 2010 gemäß Artikel 130 und 131 der Geschäftsordnung festgelegt wurde, ist verteilt worden. Zu diesem Entwurf wurden folgende Änderungen beantragt:
Montag
Keine Änderungen.
Dienstag
Keine Änderungen.
Mittwoch:
Ich habe einen Antrag von der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz erhalten, die Abstimmung über den Sitzungskalender 2012 auf eine der kommenden Sitzungsperioden des Parlaments zu verschieben. Sie wollen also abstimmen, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Dieser Antrag wird von einem Vertreter der Fraktion der Grünen vorgebracht. Ist jemand bereit zu sprechen?
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Bitte entschuldigen Sie; ich habe einen Bericht über die Situation in Belgien erhalten und da habe ich etwas nicht ganz verstanden.
Wenn ich mich nicht irre, geht es um die Abstimmung über den Sitzungskalender 2012. Herr Präsident, in unserer Fraktion gibt es, ebenso wie in anderen, Diskussionen über diesen Kalender für – ich wiederhole – 2012.
Da es sich hier nicht um einen Rechtstext handelt, gibt es weder eine Aussprache noch Änderungsanträge. Wir stimmen einfach nur über den Kalender ab. Wir beantragen, dass diese Abstimmung um eine Sitzungsperiode verschoben wird und dass diese deshalb nächsten Monat in Straßburg stattfindet, damit wir mit den anderen Fraktionen Kontakt aufnehmen können und sehen, ob wir vielleicht ein paar zaghafte Versuche starten können, um den Kalender zu ändern.-
Francesco Enrico Speroni, im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Herr Präsident! Dies ist das erste Mal, dass dieses Parlament über einen Kalender abgestimmt hat, der noch so weit in der Zukunft liegt. Dennoch ist es eigentlich nichts wirklich Besonderes, weil der Kalender ja eigentlich das widerspiegelt, was wir immer getan haben; es gibt keine besonderen Abweichungen.
Entgegen den Behauptungen von Herrn Cohn-Bendit können aber Änderungsanträge gestellt werden und laut der eingegangenen E-Mail haben einige Kolleginnen und Kollegen dies sogar vor. Ich sehe keinen Anlass für eine Vertagung der Abstimmung, da wir, wenn der Kalender wirklich erst 2012 in Kraft treten soll, noch in der Lage sein und die Möglichkeit haben werden, Änderungen vorzunehmen, wenn diese für notwendig erachtet werden.-
(Das Parlament lehnt den Antrag ab.)
Donnerstag
Keine Änderungen.
(Der Arbeitsplan wird entsprechend festgelegt.)
12. Tagungskalender des Europäischen Parlaments – 2012: siehe Protokoll
13. Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz - Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
- den Bericht von Edite Estrela im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Richtlinie 92/85/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (KOM(2008)0637 – C6-0340/2008 – 2008/0193(COD)) (A7-0032/2010) und über den Bericht von Britta Thomsen im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen (2010/2018(INI)) (A7-0264/2010).
Edite Estrela, Berichterstatterin. – (PT) Zunächst möchte ich der Schattenberichterstatterin und der Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für die Unterstützung und die gemeinsam geleistete Arbeit danken. Mein Dank gilt auch vielen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften, den Experten, die an dem Präsentationsworkshop für die finanzielle Folgenabschätzung teilgenommen haben, dem Sekretariat des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und dem Sekretariat meiner Fraktion, dem Policy Department des Europäischen Parlaments sowie meinen Assistentinnen und Assistenten. Alle haben unermüdlich gearbeitet und dabei ein hohes Maß an Professionalität und Kompetenz bewiesen.
Die Richtlinie, um die es geht, ist bereits achtzehn Jahre alt und sie ist überholt. Der Prozess der Überarbeitung war lang und nicht unproblematisch: Nun ist es am Parlament, sich ohne weiteres Hinauszögern dazu zu entschließen, den Erwartungen und Bedürfnissen europäischer Familien gerecht zu werden.
Die vom Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter angenommenen Vorschläge stellen die beiden miteinander verbundenen Ziele sicher, die sich aus einer Erweiterung der Rechtsgrundlage ergeben, nämlich die Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz sowie die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben. Diese Maßnahmen werden gleichzeitig dazu beitragen, den demografischen Rückgang der letzten Jahrzehnte einzudämmen.
Vor hundert Jahren machte die europäische Bevölkerung 15 % der Weltbevölkerung aus. Es wird erwartet, dass dieser Anteil 2050 unter 5 % betragen wird. Die zunehmende Überalterung und der entsprechend rückläufige Anteil der beruflich aktiven Bevölkerung gefährden die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherungssysteme und des Wirtschaftswachstums selbst. Aus diesem Grund ist Mutterschaft nicht als Krankheit oder wirtschaftliche Last zu betrachten, sondern als ein Dienst an der Gesellschaft.
Die Dauer des Mutterschaftsurlaubs variiert in den 27 Mitgliedstaaten zwischen 14 und 52 Wochen und auch die Bezahlung während des Mutterschaftsurlaubs ist sehr unterschiedlich, wobei in 13 Ländern 100 % des Arbeitsentgelts gezahlt werden. Verständlicherweise ist das derzeitige Wirtschaftsklima ungünstig für eine Erhöhung von Sozialleistungen, doch es wäre eine gute Investition in unsere gemeinsame Zukunft und würde bei weitem nicht so viel kosten, wie manche behaupten. Die finanzielle Folgenabschätzung besagt, dass die Kosten des Vorschlags des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter komplett gedeckt wären, wenn die Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben dadurch um nur 1 % gesteigert werden könnte. Es handelt sich also um ausgewogene und machbare Vorschläge im Einklang mit den Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation und der Weltgesundheitsorganisation.
Zwanzig Wochen sind geeignet, Frauen zu helfen, sich von der Entbindung zu erholen, sie zum Stillen zu ermuntern und sie dabei zu unterstützen, eine feste Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Ein längerer Zeitraum könnte die Rückkehr der Frauen auf den Arbeitsmarkt beeinträchtigen. Die Zahlung von 100 % des Arbeitsentgelts ist gerechtfertigt, denn Familien sollen keine finanziellen Einbußen erleiden, weil sie sich für Kinder entscheiden – Kinder, die Europa im Übrigen dringend braucht, um die demografische Herausforderung bewältigen zu können.
Das Recht auf Vaterschaftsurlaub ist bereits in 19 Mitgliedstaaten anerkannt, wobei 80 bis 100 % der durchschnittlichen Arbeitsentgelte bezahlt werden. Die Einbeziehung von Vätern in die Erziehung ihrer Kinder ist ein Beitrag zu deren gesunder körperlicher und seelischer Entwicklung. Väter und Kinder haben einen Anspruch darauf.
Während des gesamten Prozesses habe ich mich für einen breiteren Konsens vollkommen offen gezeigt und ich hoffe, dass diejenigen, denen das Wohlergehen von Frauen, Familien und Kindern ein Anliegen ist, diesen Bericht unterstützen werden. Angesichts der Zielsetzungen der Strategie Europa 2020 gibt es keinen Grund, einen Mutterschaftsurlaub von 20 Wochen bei vollem Lohnausgleich ab 2020 abzulehnen. Daher ersuche ich Sie dringend, die Änderungsanträge 126, 127 und 128 zu unterstützen. Aus demselben Grund kann ich auch keine Änderungsanträge befürworten, die darauf abzielen, die Rechte von Familien auf skandalöse Art zu beschneiden.
Britta Thomsen, Berichterstatterin. – (DA) Herr Präsident! Wir diskutieren heute über die Arbeitsbedingungen von Frauen, weil Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt sehr unterschiedliche Bedingungen antreffen. Frauen sind sehr weit hinter den Männern zurück, wenn es um Gehälter, Renten, Top-Jobs und Führungspositionen geht. Deshalb muss die EU mehr denn je Initiativen ergreifen, um die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, damit wir die Realität in Europa mit dem Vertrag in Einklang bringen können. Es gilt, sicherzustellen, dass Frauen, ob sie nun aus Portugal, Polen, Belgien oder Bulgarien kommen, die Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt garantiert wird.
Ein großer und wichtiger Schritt zur vollen Gleichstellung ist eine neue und moderne EU-Gesetzgebung zum Mutterschutz. Es gibt eine ganze Reihe guter Gründe für uns, den Mutterschutz in Europa neu zu regeln. Vor allen Dingen besteht das Risiko, dass die EU schon bald mit einer demografischen Krise konfrontiert sein könnte – einer Krise, die mindestens so ernst wäre wie die noch immer andauernde Wirtschaftskrise. Frauen in der EU haben ganz einfach zu wenige Kinder. Wenn wir unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sichern und Wachstum ermöglichen wollen, was für die Aufrechterhaltung unseres Wohlstandsniveaus unbedingt erforderlich ist, müssen in der EU mehr Kinder geboren werden. Daher brauchen wir ein Mutterschutzgesetz, das Familien motiviert, Kinder zu bekommen.
Ein gemeinschaftlicher hoher Mutterschutzstandard ist entscheidend für die Entwicklung eines effektiven Binnenmarktes. Ein Binnenmarkt sollte nicht nur um billiger Waren willen existieren; es ist mindestens ebenso wichtig, hohe soziale Standards für Arbeitnehmer zu gewährleisten. Wir dürfen keine ungleichen Wettbewerbsbedingungen akzeptieren, wenn schlechtere Arbeitsbedingungen für Frauen vorteilhaft erscheinen und die Frauen somit zu Opfern von Sozialdumping werden.
Auch Väter müssen ein Anrecht auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub bei vollem Gehalt haben. Wenn wir eine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen erreichen wollen, müssen wir uns klarmachen, dass auch der Vaterschaftsurlaub eine wichtige Rolle spielt. Er würde sich günstig auf die Gleichstellung, auf die Kinder und nicht zuletzt auf die Väter selbst auswirken.
Von den Lobbyisten der Berufsverbände bekommen wir zu hören, das Ganze sei verrückt und wir könnten uns keine bessere Mutterschutzregelung leisten. Ich wage zu behaupten, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wir können es uns nicht leisten, nicht dafür zu sorgen, dass wir eine neue und moderne Mutterschutzregelung bekommen. Es geht um die Gesundheit und die Sicherheit der Frauen und Kinder in der EU. Das ist etwas, das wir nicht aufs Spiel setzen dürfen.
Wir müssen den Anteil der Frauen auf dem Arbeitsmarkt überall in der EU steigern. Das Ziel der Strategie Europa 2020 ist es, 75 % aller Frauen in die Beschäftigung zu bringen. Da derzeit bekanntlich nur 60 % aller Frauen berufstätig sind, stellt dies eine große Herausforderung dar. Wie auch immer, wir müssen hier Erfolge erzielen und zweifellos sind gute Kinderbetreuungseinrichtungen hier der richtige Weg. Eine weitere, gleichermaßen wichtige Initiative ist jedoch die Bezahlung des vollen Arbeitsentgelts für die Dauer des Mutterschaftsurlaubes. Nur, wenn wir die Diskriminierung von Frauen verhindern, werden wir mehr Frauen in den Arbeitsmarkt bringen.
Ein weiterer wichtiger Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt ist der Bericht über Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, für den ich Berichterstatterin war. Leider sind Frauen gerade in diesen Arbeitsbereichen signifikant überrepräsentiert. Insbesondere Frauen, die in privaten Haushalten beschäftigt sind, haben sehr prekäre Arbeitsbedingungen, die u. a. durch geringe bzw. nicht vorhandene Sicherheit des Arbeitsplatzes, nicht vorhandene soziale Sicherheit, ein hohes Diskriminierungsrisiko und ein schlechtes Arbeitsumfeld charakterisiert sind. Wir müssen verbieten, dass Frauen unter derart miserablen Bedingungen arbeiten. Die EU sollte daher die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse durch ordentliche Arbeitsplätze mit anständigen Arbeitsbedingungen zu ersetzen. Viel zu lang haben wir über die Situation dieser schutzlosen Frauen hinweggesehen, daher hoffe ich, dass die Kommission diesen Bericht ernst nehmen und uns dabei unterstützen wird, uns dieser besonders schwachen EU-Bürgerinnen anzunehmen.
Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. – Herr Präsident! Ich freue mich sehr, dass ich Frau Vizepräsidentin Reding heute Abend hier in dieser sehr wichtigen Aussprache vertreten kann, weil wir über zwei hochaktuelle Berichte diskutieren, die unter dem Aspekt der Grundrechte und der Gleichstellung der Geschlechter ganz zentral sind. Im Namen der Kommission möchte ich den beiden Berichterstatterinnen, Frau Thomsen und Frau Estrela, meinen aufrichtigen Dank aussprechen, denn sie haben Enormes geleistet.
Die beiden Berichte betreffen die oftmals herausfordernde Situation von Frauen auf dem EU-Arbeitsmarkt. Der Beitrag der Frauen ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir unser ehrgeiziges Ziel einer Gesamtbeschäftigungsquote von 75 % bis 2020 erreichen wollen, aber das ist nur möglich, wenn wir die Grundrechte von Arbeitnehmerinnen sicherstellen. Darüber werden wir heute Abend diskutieren.
Zunächst möchte ich auf das Thema Arbeitnehmerinnen in prekären Beschäftigungsverhältnissen eingehen. Wir haben in den letzten Jahren bei der Integration von Frauen auf dem Arbeitsmarkt viel erreicht. Wie allgemein bekannt ist, arbeiten wesentlich mehr Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen als Männer. Bestimmte Formen prekärer Beschäftigung, die von Frauen ausgeübt werden, z. B. bezahlte Hausarbeit und Pflege, treten auf dem Arbeitsmarkt einfach nicht in Erscheinung. Wenn Frauen keine würdigen Arbeitsplätze haben, können sie auch keine wirtschaftliche Unabhängigkeit genießen, was ja eine Voraussetzung dafür ist, selbstbestimmt leben zu können.
Wir müssen uns mit den Ursachen beschäftigen, warum Frauen häufiger prekäre Beschäftigungsverhältnisse eingehen als Männer: mit den Stereotypen, der ungleichen Aufgabenverteilung in Familie und Haushalt sowie mit der Geringschätzung typischer Frauenberufe. Wir müssen außerdem sicherstellen, dass die wachsende Zahl an Wanderarbeitnehmerinnen, die oftmals in der Schattenwirtschaft ausgebeutet werden, in den Arbeitsmarkt integriert wird. Unsere neue Gleichstellungsstrategie deckt all diese Aspekte ab und wir müssen alle verfügbaren Instrumente mobilisieren, damit sie zügiger umgesetzt wird.
Wenn Sie gestatten, möchte ich nun ein paar ergänzende Bemerkungen zu der Richtlinie zu schwangeren Arbeitnehmerinnen machen.
Es dürfte klar sein, dass höhere Mutterschutzstandards auf EU-Ebene ausschlaggebend sind für die Gewährleistung der Gesundheit und der Sicherheit von Mutter und Kind, ebenso der wachsende Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt, die sich verändernden Familienmodelle und die Auseinandersetzung mit dem demografischen Problem.
Die Hauptpunkte der Kommissionsvorschläge umfassen eine Verlängerung des Mutterschutzes um vier Wochen, um die Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation zu erfüllen, die Anregung, ein höheres Entgelt zu gewähren, mehr Flexibilität für Frauen, die bis kurz vor der Niederkunft arbeiten wollen, sowie das Recht auf flexiblere Arbeitszeiten.
Damit beabsichtigt die Kommission, die Rechte von Arbeitnehmerinnen zu schützen, Frauen ausreichend Zeit zu geben, sich nach einer Geburt zu erholen und eine enge Bindung zu ihrem Kind herzustellen, und Frauen die finanzielle Absicherung während der Dauer ihres Mutterschaftsurlaubs zu ermöglichen.
Ich danke Frau Estrela für ihre Arbeit an diesem umfassenden Bericht, da er den ursprünglichen Vorschlag der Kommission in vielerlei Hinsicht noch verbessert.
Die Kommission hält es für vollkommen richtig, die Rolle von Vätern stärker zu betonen. Die Stärkung des Elternurlaubs durch die neue Richtlinie, die in diesem Jahr angenommen wurde, ist ein wichtiger Schritt in dieser Richtung. Dennoch steht die Einführung des Vaterschaftsurlaubs im Rahmen der Mutterschutzrichtlinie weder im Einklang mit unserer übergeordneten Zielsetzung noch mit der Rechtsgrundlage des Vorschlags. Der Vorschlag beruht auf Artikel 153 über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz für schwangere Frauen und auf Artikel 157, der es der EU ermöglicht, im Bereich der Gleichheit des Arbeitsentgelts für Männer und Frauen zu intervenieren.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen versichern, dass die Kommission sich weiterhin mit dieser Thematik beschäftigen wird. Sie arbeitet zurzeit an einer eingehenden Kosten-Nutzen-Analyse zu diesem Gegenstand, um möglicherweise eine separate Initiative in diesem Bereich zu veranlassen. Auch kann die Kommission nicht hinnehmen, dass das Recht von Frauen auf die Ablehnung von Nachtarbeit eingeschränkt werden soll.
Was die Dauer des Mutterschaftsurlaubs und das während dieser Zeit gezahlte Arbeitsentgelt angeht, möchte ich Folgendes sagen: Vizepräsidentin Reding hat in den letzten Monaten mit zahlreichen Ministern gesprochen, die erklärten, dass die nationalen Mutterschutzsysteme gut funktionieren würden und dass es angesichts der aktuellen finanziellen Engpässe nicht möglich sei, die Dauer oder die Bezahlung des Mutterschaftsurlaubs zu erhöhen, doch die Kommission hat sehr deutlich gemacht, dass sie nicht gewillt ist, den hohen Anspruch dieses Vorschlags zurückzuschrauben.
Vor diesem Hintergrund möchte ich hervorheben, dass die Kommission einen Mindestschutz festlegen will, der den unterschiedlichen Modellen von Ausgleich und familienbedingtem Urlaub in den Mitgliedstaaten gerecht wird. Die Kommission ist der Ansicht, dass ihr Vorschlag eine gute Grundlage für eine Vereinbarung zwischen Parlament und Rat darstellt. Darüber hinaus dankt die Kommission dem Parlament für die Einführung einer Reihe von Änderungsanträgen zur Untermauerung bzw. Klärung der Vorschläge.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Vorschlag darauf abzielen sollte, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Frauen zu stärken, ihre Beschäftigungsperspektiven zu verbessern und der demografischen Überalterung entgegenzuwirken. Ich freue mich auf Ihre Beiträge und Vorschläge zu diesen beiden wichtigen Themen.
VORSITZ: ROBERTA ANGELILLI Vizepräsidentin
Rovana Plumb, Berichterstatterin der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. – (RO) Herr Kommissar, meine Damen und Herrn, als Berichterstatterin der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten möchte ich Ihnen sagen, dass es unser Bestreben war, mit den Verbesserungen dieses Berichts, zu den Strategien beizutragen, die helfen werden, das Ziel einer höheren Beschäftigungsquote und eines verbesserten Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu erreichen.
Wenn wir jedoch über die Ziele der EU-Strategie für 2020 sprechen, müssen wir an die Menschen, in diesem Falle Frauen, denken und ihnen Priorität einräumen. Der neue Ansatz, den wir annehmen, ist, dass Mutterschaft nicht weiter bestraft werden darf, besonders angesichts des Geburtenrückgangs und der Überalterung und Verarmung unserer Bevölkerung: Entwicklungen, die dringende Probleme bezüglich der Nachhaltigkeit der Sozialversicherungssysteme schaffen.
Alle Maßnahmen, die wir vorschlagen, werden Arbeitnehmerinnen schützen, sowohl während der Schwangerschaft als auch nach der Geburt. Die in dem Bericht vorgeschlagenen Maßnahmen sind auch eine Investition in die Zukunft Europas. Wir fordern einen garantierten, voll bezahlten Mutterschaftsurlaub. Wir müssen verstehen, dass Mutterschaft in der Europäischen Union im 21. Jahrhundert nicht länger bestraft werden darf, und dass sichergestellt werden muss, dass Frauen unter würdigen Bedingungen arbeiten können.
Thomas Händel, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. − Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unzweifelhaft haben wir in den letzten Jahren Fortschritte bei der Gleichstellung von Männern und Frauen erreicht. Dennoch gibt es immer noch viele Frauen, die in gering qualifizierte Beschäftigung abgedrängt werden. Das gilt nicht nur für Tätigkeiten, die traditionell innerhalb der Familie verrichtet werden. In der Deregulierung der letzten Jahre ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung häufig in atypische, prekäre und ungesicherte Arbeitsverhältnisse umgewandelt worden. Dort sind besonders Frauen betroffen. Die europäische Beschäftigungsentwicklung von 2000 bis 2010 umfasst 60 % neue prekäre und atypische Beschäftigungsverhältnisse, vorwiegend — zwei Drittel davon — von Frauen. Häufig wird Frauen die demokratische Mitwirkung in Bezug auf ihre Teilzeitbeschäftigung und prekäre Beschäftigung in Betrieben verwehrt. Frauen sind heute allerdings wesentlich stärker engagiert und besser ausgebildet als in allen Generationen davor. Sie verdienen dennoch im Durchschnitt 25 % weniger als Männer.
Wir haben uns im Beschäftigungsausschuss sehr intensiv mit diesem Thema befasst und gute Vorschläge für die Frage der Frauenbeschäftigung entwickelt, die Einbeziehung — unabhängig vom Status ihrer Arbeit — in soziale Sicherungssysteme, die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen, die Ausrichtung von Renten und Sozialsystemen auf eine unabhängige Lebensführung und die Gestaltung der Arbeit nach den Prinzipien von guter Arbeit. Das alles ist im Wesentlichen in den Bericht über die prekäre Beschäftigung von Frauen übernommen worden. Der Beschäftigungsausschuss ist mit dem Ergebnis dieser Arbeit zufrieden und bittet um Zustimmung zu dem vorgelegten Bericht.
Anna Záborská, Im Namen der PPE-Fraktion. – (SK) Dieser Bericht ist schon der zweite Versuch, eine Stellungnahme des Parlaments über Mindeststandards beim Mutterschutz in der Europäischen Union zu formulieren.
Die Meinungen nahezu aller 27 Delegationen in den sieben Fraktionen unterscheiden sich. Das trifft auch auf meine Fraktion, die Christdemokraten, zu. Bis heute haben viele Abgeordnete die Konsequenzen unserer Abstimmung für ihre nationale Wirtschaft noch nicht erkannt, denn die zuvor erwähnte Studie betrachtete nur 10 der Mitgliedstaaten. Ich bin seit 20 Jahren in der Politik und nur selten habe ich eine derart komplexe Situation erlebt. Menschliches Leben beginnt im Körper der Frau und daher müssen wir ihre Gesundheit vor und nach der Geburt schützen. Mutterschutz darf nicht als sozialer Kostenfaktor ein Hindernis für ihre Beschäftigung werden. Mutterschaft darf kein Argument gegen weibliche Beschäftigung sein. Wenn wir jungen, gebildeten Frauen sagen, sie sollten Kinder bekommen und uns gleichzeitig weigern, ihre Mutterschaft anzuerkennen und nicht in der Lage sind, ihnen die Gelegenheit zu bieten, sich um ihre Kinder zu kümmern, werden wir bei der Umkehrung der demographischen Entwicklung nie erfolgreich sein.
Mutterschutz sollte im Zusammenhang mit der Sorge für den Vater, der natürlichen Struktur der Familie und der Notwendigkeit von Mutterliebe für das Neugeborene gesehen werden. Babys sind mehr als zukünftige Steuerzahler. Ich persönlich stimme den maximalen Anforderungen, die der Bericht vorschlägt, zu. Zur gleichen Zeit, spreche ich mich für Bestimmungen aus, welche die Reintegration von Müttern fördern, sollten sie sich entscheiden, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Es ist jedoch unglücklich, von Mutterschutz in Verbindung mit Gleichberechtigung zu sprechen. Ich persönlich würde es besser finden, wenn die Kommission einen Vorschlag macht, der eine umfassende Darstellung von Schwangerschaft, Geburt und der nachfolgenden Gesundheitsfürsorge berücksichtigt. Diese Richtlinie gilt vielleicht zwei Jahrzehnte lang. Wir befinden uns heute gerade einmal bei den Anfängen eines langen schwierigen Entscheidungsprozesses. Ich frage, ob wir die zukünftige soziale und wirtschaftliche Entwicklung nur nach der gegenwärtigen finanziellen Situation bewerten möchten. All dies steht heute auf dem Spiel.
Marc Tarabella, im Namen der S&D-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, obwohl der Kommissar im Namen von Frau Reding und der Kommission gesprochen hat, um die Vorbehalte der Kommission gegenüber der Aufnahme von Vaterschaftsurlaub in den Text darzulegen, möchte ich heute vor allem im Namen aller Väter in Europa, die nicht das Recht auf Vaterschaftsurlaub haben, das Wort ergreifen.
Die Natur ermöglicht es uns nicht, Kinder zu bekommen, aber kann die Gesellschaft uns das Recht absprechen, die ersten Momente im Leben unserer Kinder zu teilen? Lassen Sie uns nicht vergessen, dass Väter auch Elternteile sind. Die Gesellschaft muss uns erlauben, uns bestmöglich unserer Söhne und Töchter anzunehmen, damit wir von der Geburt an eine enge Bindung zu ihnen herstellen können.
Daher rufe ich alle Kolleginnen und Kollegen auf, mit überwältigender Mehrheit für die Einführung von zwei Wochen voll bezahltem Vaterschaftsurlaub in der ganzen Europäischen Union zu stimmen. Ich rufe außerdem die Europäische Kommission und den Rat auf, uns bei diesem Thema zu unterstützen und ich frage noch einmal: Wie können Sie sich gegen unsere Bitte zur Schaffung eines neuen Vaterschaftsrechts auf europäischer Ebene aussprechen?
Ich appelliere auch an all meine Kolleginnen und Kollegen, den Bericht Estrela komplett zu unterstützen. Diejenigen, die die Wirtschaftskrise als Argument anbringen, Frauen eine akzeptablere Länge des Mutterschaftsurlaubs und noch viel mehr eine angemessene Bezahlung und Männern einen Vaterschaftsurlaub zu verweigern, frage ich direkt: Warum bewegen Sie sich in einer Wirtschaftskrise bei den sozialen Errungenschaften immer rückwärts?
Erkennen Sie denn nicht, dass die ganzen wirtschaftlichen Kosten durch eine erhöhte Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt, weniger Diskriminierung, Geschlechtergleichheit und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgeglichen werden, was langfristig zu wirklichen wirtschaftlichen Vorteilen führt?-
Zum Schluss sagen ich denjenigen, die Väter und Mütter auf dem Altar der Wirtschaftskrise opfern möchten, noch einmal: Wir können keine Kosten sparen, wo Grundrechte betroffen sind. Dies ist auch ein Kampf für eine humanere Gesellschaft und in diesen Zeiten der Krise ist die Familie zunehmend unsere letzte Bastion gegen die Herausforderungen des Lebens.
Siiri Oviir, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ET) Herr Kommissar, meine Damen und Herren, seit Jahren wird das Europäische Parlament regelmäßig gerufen, um schwangere Arbeitnehmerinnen zu schützen und die bestehenden Rechtsvorschriften bezüglich des Mutterschaftsurlaubs zu aktualisieren. Die Richtlinie zu diesem Thema gibt es seit 18 Jahren. Europas demografische Zukunft ist nicht ermutigend und nachdem wir diese Situation besprochen haben, haben wir 2008 in diesem Plenarsaal eine Entschließung zu Maßnahmen bezüglich der Dauer und des Schutzes von Mutterschaftsurlaub angenommen. Dadurch wurde dafür gesorgt, dass es mittels einer geeigneten Politik möglich ist, die Geburtenrate zu beeinflussen, indem ein finanziell und psychologisch günstiges Umfeld für die Familie geschaffen wird.
Der derzeit geltende Vertrag der Europäischen Union bietet uns in diesem Parlament eine Rechtsgrundlage zur Annahme der diskutierten Richtlinie. Wir haben viel über Chancengleichheit von Männern und Frauen und Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt gesprochen und es ist klar, dass ein längerer Mutterschaftsurlaub und auch ein längerer Vaterschaftsurlaub eine bessere Grundlage dafür schaffen werden. Es ist eine Tatsache, dass Schwangerschaft und Geburt eine Belastung für den Körper der Frau darstellen. Die Richtlinie soll die Gesundheit von Frauen schützen. Es ist daher wichtig, eine Zeit zu haben, die eine gesundheitliche Erholung ermöglicht und die es der Mutter auch erlaubt, ihre Kinder zum Wohle ihrer Gesundheit und Entwicklung zu stillen.
Ich möchte auch ein paar Worte über Vaterschaftsurlaub sagen. Wer sonst, wenn nicht der Vater des Kindes, sollte das Kind zu dieser Zeit unterstützen? Ich unterstütze die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs, der entsprechend des Mutterschaftsurlaubs vergütet wird. Unsere Bürgerinnen und Bürger beschweren sich oft bei uns, dass die Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu kompliziert sind – verstehen Sie das nicht? Lassen Sie uns die Situation nicht noch komplizierter machen, sondern lassen Sie uns in die Richtlinie einen Vaterschaftsurlaub aufnehmen, der zeitlich dem des Mutterschaftsurlaubs entspricht. Was die Kosten angeht: Wir sind in einer Wirtschaftskrise oder wir beschwören sie eher herauf, aber das ist keine Rechtfertigung, sich vehement zu weigern, Mutterschaftsurlaub in einer Höhe zu vergüten, die für das 21. Jahrhundert angemessen ist. Analysen haben gezeigt, dass wir die Beschäftigung von Frauen nur um 1 % erhöhen müssen, um die Kosten auszugleichen.
Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin, dies ist keine gute Zeit für Mutterschaft, aber eine noch schlechtere für Vaterschaft.
Das liegt daran, dass einige politische Kräfte und einige Unternehmensgruppen immer noch die altmodische Auffassung vertreten, dass Kinder ausschließlich Frauensache sind.
Nun ja, meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall. Absolut nicht. Es ist eine soziale Verantwortung, die kollektiv von der gesamten Gesellschaft getragen werden sollte. Darüber sprechen wir heute. Darüber diskutieren wir: Wer muss die Verantwortung und die Kosten für Kinder übernehmen, die auch unsere Zukunft sein müssen?
Natürlich können nur Frauen schwanger werden und gebären. Keiner stellt das in Frage. Was wir hier diskutieren, ist, dass Frauen alleine den Preis in ihrer Karriere bezahlen müssen und dass sie die Verantwortung in ihrem Privatleben tragen müssen.
Am Ende der letzten Wahlperiode hatten wir die Gelegenheit, bei diesem Thema auf europäischer Ebene einen großen Schritt vorwärts zu machen und es ist uns nicht gelungen, weil ein großer Teil dieses Hauses es verhinderte – der konservativste Teil des Hauses: Abgeordnete aus der der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, einige Delegationen, nicht alle, aber einige Delegationen. Das verhinderte, dass Mütter heute mehr Rechte haben. Das dürfen wir nicht vergessen.
Heute haben wir erneut die Gelegenheit, einen Teil dieses Problems zu beheben. Der Bericht Estrela, welcher schon vom Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter angenommen wurde, ist eine gute Grundlage für Kompromiss und Konsens, und ich denke, wir sollten ihn am Mittwoch durch unsere Stimmen unterstützen.
Er gibt schwangeren Arbeitnehmerinnen in Europa mehr Rechte, er gewährleistet, dass ihre Gehälter weiter bezahlt werden, und er verpflichtet Väter, ihren Teil der Verantwortung zu tragen. Außerdem stellt er sicher, dass schwangere Frauen keine Rechte verlieren, wenn sie von einem Mitgliedstaat in einen anderen ziehen. Das ist alles wichtig und wir sollten dies unter keinen Umständen aus den Augen verlieren.
Wenn wir bei der Stimmabgabe am Mittwoch einige dieser grundlegenden Punkte verlieren, halte ich es für wichtig, dass wir uns darüber im Klaren sind und dass sich die europäischen Eltern darüber im Klaren sind, dass das nicht einfach so zufällig passiert ist und dass das Argument der Wirtschaftskrise nicht in solch einem wichtigen Zusammenhang verwendet werden kann.
Es gibt natürlich eine Krise und wir müssen dafür Verantwortung übernehmen. Mütter müssen jedoch keine Verantwortung dafür übernehmen. Das wird verständlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir nicht über Kosten, sondern über Investitionen reden. Es ist eine Investition in die Zukunft und in viel gesündere Gesellschaften.
Das ist eine Debatte, die wir bei der Abstimmung am Mittwoch haben werden. Ich bin dafür, den Bericht von Frau Estrela zu unterstützen und ich bin dafür, dass die Mehrheit in diesem Haus genau das Gleiche tut, denn wenn nicht, werden wir nicht nur die Gesundheit berufstätiger Mütter riskieren, sondern auch den Sozialstaat, für dessen Errungenschaften wir in Europa so lange gearbeitet haben.
Marina Yannakoudakis, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, ein bekannter Geschäftsmann sagte einmal, dass Gleichstellungsgesetze, die zu weit gingen, in Wirklichkeit die Beschäftigungschancen von Frauen minderten.
Unternehmen dürfen Frauen nicht fragen, ob sie ein Baby bekommen werden. Das macht es einfach – sie stellen sie einfach nicht ein. Und das ist unglücklicherweise die harte Realität der in diesem Bericht geforderten verpflichtenden vollen Bezahlung von Mutterschaftsurlaub.
Sehen Sie dies im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Auswirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen – im Vereinigten Königreich Kosten in Höhe von 2,6 Mrd. GBP, in Deutschland 1,7 Mrd. EUR – und Sie sehen, dass dieser Bericht in der Tat gefährlich im heutigen wirtschaftlichen Umfeld ist.
Was würde es jedoch für einen Unterschied machen, wenn die Mutterschaftsregelung entfernt werden würde. Der Bericht würde sich auf sein ursprüngliches Ziel konzentrieren, das des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen und Wöchnerinnen.
Ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, zu den Grundlagen zurückzukehren und das zu tun, was richtig für Frauen ist. Frauen benötigen Wahlmöglichkeiten. Sie benötigen Instrumente, um diese Entscheidungen zu treffen. Arbeitgeber müssen Frauen unterstützen können, ohne dass dies bedeutet, dass sie nicht länger wirtschaftlich rentabel sind. Mitgliedstaaten müssen auch ihre Volkswirtschaften stärken und dabei Möglichkeiten schaffen.
Die EKR-Fraktion hat einen Änderungsantrag gemacht, der sich mit den zahlreichen Problemen beschäftigt, die die Regelung der verpflichtenden vollen Bezahlung schaffen würde, und ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen, diese Änderung zu unterstützen und diesen Bericht durchführbar zu machen.
Es ist nicht Aufgabe der EU, mit ihrer Politik neue soziale Verhältnisse zu schaffen. Die Vorstellung, dass bezahlter Mutterschaftsurlaub Frauen ermutigen wird, Kinder zu bekommen, ist naiv. Kinder sind für das Leben. Die Kosten sind für das Leben. Also erzählen Sie mir bitte nicht, dass die Gewährung von 20 Wochen voll bezahltem Mutterschaftsurlaub die Bevölkerung wachsen lassen wird.
Es gibt zahlreiche Schwachstellen in diesem Bericht. Die von der EKR-Fraktion angeforderte Folgenabschätzung hat dies bewiesen. Die Frage ist jetzt, ob wir den Bericht stärken oder ihn zur Überarbeitung zurückschicken.
Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Die Debatte über die Richtlinie zum Mutterschaftsurlaub und den Eigeninitiativbericht über Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen berührt den wichtigsten Grund dafür, bei allen Beschäftigungsarten Gleichberechtigung zu schaffen. Die Möglichkeit und die Voraussetzungen für Frauen, in der Lage zu sein, für sich selbst zu sorgen, bilden die Grundlage für Gleichberechtigung in allen Politikfeldern. Am kommenden Mittwoch werden wir die Gelegenheit haben, den Weg für vollständige Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt, freizumachen.
Ich bedaure die Tatsache, dass wir 2010 immer noch über Mutterschaftsurlaub anstatt über Elternzeit sprechen. Für mich ist es selbstverständlich, dass Kinder das Recht haben, beide Elternteile zu haben und ich glaube, dass wir in diesem Fall einen Blick auf die Kinderrechtskonvention werfen sollten. Wir sprechen über die Rechte von Müttern und Vätern, aber wir müssen auch über das Recht – das bedingungslose Recht – von Kindern sprechen, eine enge Beziehung zu beiden Elternteilen aufzubauen.
Wir haben sehr laut über die die Kosten dieser Elternzeit gesprochen und zwar in noch viel lauter als wir dies bei den Millionen von Euro taten, mit denen wir unter anderem die Banken und die Autoindustrie unterstützten. Manchmal frage ich mich, ob es einfacher ist, Kosten in traditionell „männlichen“ Bereichen hinzunehmen als bei Themen, die die Gleichberechtigung und das Recht des Kindes betreffen, beide Elternteile zu haben.
Ich glaube auch, dass die Kosten diskutiert wurden, ohne die individuellen und sozioökonomischen Vorteile, die dieser Vorschlag zu Folge hat, in Betracht zu ziehen. Viele sprachen über die demographische Zukunft und darüber, dass zu wenige Kinder geboren werden. Jetzt haben wir jedoch die Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass mehr Kinder zu zur Welt kommen.
Die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke und ich unterstützen die Vorschläge von Frau Estrela und Frau Thomson, worüber wir im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter abstimmten, wo wir die Möglichkeiten verbesserten.
Ich sehe jedoch eine Reihe von Problemen in bestimmten Mitgliedstaaten, in denen es zurzeit eine deutlich bessere Elternzeit gibt. Ich fände es gut, wenn diese Rechtsvorschriften Rechte gewährten, anstatt einem Elternteil eine Verpflichtung aufzuerlegen. Ich fände es auch gut, wenn die Kinderrechtskonvention und das Recht eines Kindes auf beide Elternteile viel selbstverständlicher wären.
Es gibt in bestimmten Mitgliedstaaten auch Probleme mit den Vergütungssätzen. Jemand in dieser Debatte erwähnte, dass Arbeitgeber Frauen in gebärfähigem Alter heute fragen, ob sie planen, Kinder zu bekommen. Ich hoffe, dass wir in der Zukunft, in sehr naher Zukunft, Vätern dieselbe Frage stellen werden, denn Kinder – noch einmal – betreffen beide Eltern. Dies ist etwas, das wir ernst nehmen müssen.
Mara Bizzotto, im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Weg zu einem frauenfreundlichen Europa ist noch weit und beschwerlich. Die Statistik ist ziemlich eindeutig: Die weltweite Krise hat den Arbeitsmarkt getroffen und die Beschäftigung von Frauen, die 2008 um weitere 0,7 Prozentpunkte gesunken ist, auf eine harte Probe gestellt. Trotz der Provokationen, die mit Blick auf Chancengleichheit und Beschäftigung regelmäßig Euro-Propaganda anheizen, wofür die Unterstützung schwindet, wurden bis heute keine konkreten Maßnahmen ergriffen, um Frauen wirkliche Erfüllung als sowohl Arbeitnehmerinnen und Mütter zu garantieren.
Das Europa der Zukunft muss bei seinem sozialen Modell radikal umdenken und nicht einfach von Zeit zu Zeit dessen Etikett ändern. Die Richtlinie, die die Einrichtung des Mutterschaftsurlaubs in Europa festlegt, ist daher gut, aber die Entscheidung, ganz nebenbei im selben Bericht das ergänzende und genauso wichtige Thema des Vaterschaftsurlaubs anzusprechen, ist unproduktiv.
Die bessere Integration von Frauen ist nicht nur ein moralischer Wert, sondern ein strategisches Ziel der Nachhaltigkeit des viel gelobten europäischen Sozialmodells, welches mich aufgrund des Mangels an Resultaten weiterhin nicht überzeugt.
Edit Bauer (PPE). – (HU) Der Vorschlag zum Mutterschaftsurlaub ist grundsätzlich eine Bestimmung zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit, und der Hauptgrund dafür, dass die Richtlinie aus dem Jahr 1992 zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Müttern geändert werden muss, ist, dass die Internationale Arbeitsorganisation im Jahr 2000 ein internationales Abkommen angenommen hat, das die Mindestdauer für Mutterschaftsurlaub auf 18 Wochen festlegt. In der Zwischenzeit sind wir aber – was die Länge des Mutterschaftsurlaubs, die Finanzierung und die Höhe der Bezahlung angeht – aufgrund der Kombination von Mutterschaftsurlaub und Elternzeit in den unterschiedlichen Gesundheitssystemen Zeuge von solch unterschiedlichen Entwicklungen geworden, dass es jetzt praktisch unmöglich ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Trotz unserer guten Absichten, die wir alle haben, ob wir nun auf der linken oder rechten Seite dieses Hauses sitzen, sind wir nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, die positiv aufgenommen wird und von jedem Mitgliedstaat begrüßt wird.
Eine gute Lösung wäre es gewesen, bei diesem Vorschlag auf der Ebene der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu bleiben und Chancengleichheit in einer anderen Bestimmung zu fördern. Als ich in diesem Bereich den Bericht zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Löhnen und Gehältern vorlegte, verwies ich auf die unvorteilhafte Situation von Müttern, die nach der Geburt ihres ersten Kindes in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Daher ist Chancengleichheit auch problematisch und wir müssen dieses Problem lösen. Solange jedoch Mütter und Väter bei der Geburt nicht dieselben Aufgaben übernehmen können – und Väter können keine Kinder bekommen –, müssen wir Chancengleichheit wohl in anderen Gebieten herstellen. Das Problem der Chancengleichheit muss gelöst werden und wir müssen in dieser Hinsicht auch Fortschritte machen, aber nicht in dieser Richtlinie. Wir haben die Gelegenheit verpasst, die Kombination von Elternzeit und Mutterschaftsurlaub zu modernisieren.
Silvia Costa (S&D). – (IT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich glaube, dass das Parlament eine große Chance hat, zu bekräftigen, dass Mutterschaft ein gesellschaftlicher Wert ist, dass der Schutz der Gesundheit der Mutter und ihres Kindes gestärkt werden muss, dass Arbeitnehmerinnen bei der Suche und beim Verbleiben in einer Arbeitsstelle nicht diskriminiert werden und dass Kinderbetreuung besser mit dem Vater geteilt werden soll.
Trotz der gegenwärtigen Krise müssen wir – wie bereits hervorgehoben – die gleiche Sichtweise annehmen, die bereits die fortschrittlichsten Wirtschaftswissenschaftler angenommen haben. Die Folgenabschätzung, die durchgeführt wurde, zeigt die Notwendigkeit eines weitsichtigeren und ganzheitlicheren Ansatzes. Die heutigen Kosten, die unter Umständen gestaffelt werden können, sind eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Investition in besseres Wohlbefinden von Kindern, weniger Krankheiten und größere Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt.
Viele führen an, dass es ohne ein neues Wohlfahrtssystem und neue Möglichkeiten, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, keinen Anstieg gut ausgebildeter und qualifizierter Frauen auf dem Arbeitsmarkt geben wird. Ich stimme den Berichterstatterinnen, Frau Estrela und Frau Plump, voll zu und danke ihnen für die umfangreiche Arbeit, die sie ausgeführt haben, und ebenso danke ich den Kolleginnen und Kollegen, die versucht haben, eine gemeinsame Basis zu finden.
Ich stimme auch der Möglichkeit zu, die, so denke ich, viele von uns wollten und die Müttern von behinderten Kindern und im Fall von Adoptionen und Mehrlingsgeburten mehr Möglichkeiten für flexible Arbeitszeiten bietet, und ich stimme der Umkehr der Beweislast bei Gesetzesverstößen zu sowie dem Schutz vor Kündigung. Des Weiteren schlug ich gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen vor, dass im Hinblick auf die vorgeschriebenen sechs Wochen Urlaub nach der Geburt eine Schutzklausel für die Länder eingeführt wird, in denen die Rechtsvorschriften diese vorgeschriebene Zeit auch vor der Geburt eines Kindes vorsehen.
Daher hoffe ich jetzt, dass wir in diesen zwei Tagen gewillt sind, eine gemeinsame Grundlage zu finden, damit wir nicht die wichtige Gelegenheit verpassen, diese Richtlinie noch in dieser Wahlperiode anzunehmen.
Antonyia Parvanova (ALDE). – Frau Präsidentin, wenn wir von gleicher Verteilung von familiären Verpflichtungen zwischen Männern und Frauen reden – und uns letztendlich beim Schutz der Interessen des Kindes bei den Vereinbarkeitsmaßnahmen dem Ziel einer gleichberechtigteren Gesellschaft annähern –, müssen wir uns daran erinnern, dass wir hier im Haus die Menschen repräsentieren und nicht die Ansichten des Rats. In letzter Zeit habe ich festgestellt, dass zu viele Leute aus den Ständigen Vertretungen umhergehen und Lobbyarbeit unter den Abgeordneten betreiben, was ich entsprechend unserer Regeln und dem Prinzip des unabhängig gewählten Abgeordneten für nicht akzeptabel halte.
Es wird argumentiert, dass Mutterschaftsurlaub zur Zeit einer Wirtschaftskrise höhere Kosten für den privaten und öffentlichen Sektor verursacht, aber es handelt sich dabei um gerade einmal 0,01 % des Bruttoinlandsprodukts, 2 Mrd. EUR. Gleichzeitig habe ich die Militärhaushalte der erwähnten Länder verglichen. Deren Budget hat sich in der Tat in einem Jahr um 3 Mrd. EUR erhöht und das wurde weder in diesem Haus noch in den Parlamenten dieser Länder in Frage gestellt.
Es ist jedoch in einer Zeit wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit und im Angesicht demographischer Veränderungen entscheidend, flexible Modelle für Mutterschaftsurlaub zu unterstützen, welche helfen könnten, den gegenwärtigen demographischen Trend umzukehren. Wir sollten uns gemeinsam dazu verpflichten, Frauen in ganz Europa am Arbeitsmarkt teilhaben zu lassen und ihre Lebensentscheidungen ernst zu nehmen, und zwar durch eine höhere Teilnahme am Arbeitsmarkt, mit größerer Wertschätzung für Kinder und die Wichtigkeit, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.
Daher möchte ich deutlich betonen, dass das europäische Sozialsystem und Maßnahmen, wie in dieser Richtlinie angeregt, einen Wert haben und keine Belastung für den europäischen Markt sind.
Marije Cornelissen (Verts/ALE). – Frau Präsidentin, aus den eingereichten Änderungsanträgen einiger Kolleginnen und Kollegen der ALDE-, PPE- und EKR-Fraktionen – zum Glück nicht aus allen – geht klar hervor, dass sie ihre Seelen an kurzsichtige Unternehmerinteressen und an Lobbyisten aus Mitgliedstaaten verkauft haben, die sich nicht um Frauenrechte kümmern. Wenn diese Änderungsanträge angenommen werden, wird sich das Leben von Müttern und Vätern in der EU nicht verbessern.
Wenn eine Auszeit nicht angemessen bezahlt wird, können nur Frauen davon Gebrauch machen, deren Arbeitsplätze unwichtig sind. Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen im rechten Lager, bewahren ein System mit einem männlichen Ernährer und seiner kleinen Frau mit ihrem kleinen Nebenjob, die er schön unter Kontrolle hält. Für sie ist es nicht wirklich wichtig, wie hoch die Vergütung ist. Aber jede unabhängige Frau, die ihre Familie wirklich ernährt, sollte besser nach sechs vorgeschriebenen Wochen wieder arbeiten – wenn der Rest schlecht bezahlt ist –, egal, ob sie noch Blutungen hat oder nicht. Außerdem hat sie keine Möglichkeit, ihrem Kind einen guten Start durch Stillen an der Brust zu geben.
Ich hoffe von ganzem Herzen, dass die, die das Leben von neuen Vätern und Müttern besser machen wollen, diese Abstimmung gewinnen. Diese Richtlinie könnte ein Eckstein einer modernen Arbeitsmarktpolitik für eine alternde Gesellschaft sein. In der Zukunft bedarf es Politiker, die mutig genug sind, ihre eigene Meinung zu vertreten, die etwas vorausschauender sind und die eine Vision einer Gesellschaft mit viel mehr arbeitenden Müttern und viel mehr an der Kinderpflege beteiligten Vätern haben. In der Zukunft können wir sicherlich ohne diejenigen auskommen, die auf den Knien rutschen, sobald Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens mit nichts als dem nächsten Finanzbericht im Sinn oder Minister in Mitgliedstaaten mit nichts als den nächsten Wahlen im Sinn mit der Lobbyarbeit beginnen.
Tadeusz Cymański (ECR). – (PL) Die Bedeutung dieser Richtlinie geht über das Problem der Gleichberechtigung von Frauen und der Hilfe für Frauen in der Schwangerschaft hinaus. Wir müssen dieses Thema in einem größeren Zusammenhang sehen; nicht nur in einem sozialen, sondern auch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang und über einen größeren Zeitraum. Es ist etwas paradox, dass wir, indem wir verständlicherweise und logischerweise versuchen, unsere gegenwärtigen finanziellen Praktiken zu schützen, wirtschaftlich und finanziell in zukünftigen Generationen viel verlieren könnten.
Viele Experten glauben, dass eines der größten Probleme in Europa, welches möglicherweise das wichtigste von allen Problemen sein könnte, der demographische Kollaps ist. Fortschritte in der Medizin, eine Verbesserung der Lebensbedingungen und eine Verlangsamung des natürlichen Bevölkerungswachstums bedeuten ein sehr altes und sehr teures Europa in der Zukunft. Schon heute werden die Kosten der Betreuung von älteren Menschen auf fast 2 % von Europas Bruttoinlandsprodukt geschätzt. Die Gründe für das sinkende Bevölkerungswachstum sind sehr komplex und übersteigen soziale Probleme und materielle Sicherheit. Dennoch gibt es keine Zweifel, dass die neuen Vorschläge in der Richtlinie einen signifikanten Anstoß darstellen und dazu beitragen werden, dass sich viele Frauen in Europa entscheiden werden, Kinder zu bekommen.
Frau Präsidentin, der Umfang der Unterstützung für schwangere Arbeitnehmerinnen variiert in den europäischen Staaten sehr stark. Die Bedeutung dieser Richtlinie wird vor allem in den Staaten spürbar sein, in denen der Umfang des Schutzes sehr gering ist und wo Unterstützung für Familien sehr gering oder gar nicht vorhanden ist; auch wenn es um die Betreuung älterer Kinder geht. Daher möchte ich allen, die an dieser Richtlinie mitgearbeitet haben, besonders für ihre Unterstützung für Frauen in anderen Ländern danken, die jetzt mit mehr Hoffnung in die Zukunft sehen können. Was die Kinder angeht, möchten diese natürlich eine glückliche Mutter, die keine Angst hat, ihre Arbeit zu verlieren, und keine Angst hat, nicht in der Lage zu sein, sie zu ernähren oder aufzuziehen. Noch einmal vielen Dank, und ich zähle auf einen Kompromiss bei der Abstimmung am Mittwoch. Vielen Dank.
Jacky Hénin (GUE/NGL). – (FR) Frau Präsidentin, diese Berichte gehen in die richtige Richtung und verdienen viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit. 85 % der unfreiwilligen Teilzeitarbeit und 80 % der schlecht bezahlten Arbeit werden von Frauen ausgeübt. Die Bezahlung von Frauen liegt 27 % niedriger als die von Männern. Fünfzig Prozent aller Frauen haben eine Rente von weniger als 600 EUR. Der Großteil der Fälle von falschen Angaben oder nicht angemeldeter Arbeit, die aufgedeckt werden, betrifft Frauen. Selbst jetzt, im 21. Jahrhundert, entdecken wir noch Fälle von Sklaverei in Europa und in jeden Fall sind Frauen verwickelt.
Ja, alles, was getan werden kann, muss getan werden, um erfolgreich skandalöse Praktiken gegenüber Frauen am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft zu eliminieren. Es erfordert jedoch mehr als guten Willen. Die erwarteten Gewinne sind so groß und die damit verbundenen Sanktionen sind so gering bemessen, dass es – um es ganz offen zu sagen – „Bastarde“ gibt, die nicht zögern, weiterhin Menschen auszubeuten, als ob sie nur Vieh wären. Wir müssen – und das ist eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit – die Mitgliedstaaten dazu bringen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und wir müssen die strengstmöglichen Sanktionen gegen für diejenigen fordern, die denken, sie stünden über dem Gesetz.
Giancarlo Scottà (EFD). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Bereich lenken, in dem die Bedingungen für Arbeitnehmerinnen weiterhin prekär sind. Ich rede vom Agrarsektor, einem Wirtschaftszweig, in dem Frauen sich auf Innovation konzentrieren und gleichzeitig auf die Wiederbelebung von Traditionen und die Bewahrung von landwirtschaftlichem Erbe sowie darauf, den ländlichen Raum am Leben zu erhalten. Dennoch begegnen Frauen bei ihrer Arbeit zahlreichen Hindernissen, wenn sie ihr Arbeitsleben mit ihrem Familienleben in Einklang bringen müssen.
Frau Thomsen nennt uns in ihrem Bericht eine Zahl, die uns zum Nachdenken bringt: Im Agrarsektor arbeiten 86 % der Arbeitnehmerinnen in Teilzeit. Des Weiteren ist der Einstieg von Frauen in diesem Wirtschaftszweig voller Schwierigkeiten und daher sind Frauen, die die Betriebe verwalten, oft über 65. Auf der anderen Seite nehmen einige andere Frauen die Position einer unterstützenden Partnerin ein, was eher bedeutet, dass sie im Betrieb ihres Mannes helfen, ohne einen rechtlichen Status zu haben und ohne angemessenes Entgelt.
Ich behaupte, dass es erforderlich ist, Frauen und ihre Arbeitsplätze in einem Wirtschaftszweig zu schützen, in dem ihre Arbeit oft zeitlich begrenzt oder saisonal ist, sie beim Gesundheitsschutz zu unterstützen und sicherzustellen, dass sie fair bezahlt werden und angemessen für ihre Arbeit anerkannt werden.
Licia Ronzulli (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn wir von Vereinbarkeit sprechen, beziehen wir uns auf die Maßnahmen, die es ermöglichen, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Familie und der Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen, Beruf und Familienleben miteinander zu vereinbaren. Wir reden daher über Unterstützungsmechanismen, ohne die eine Frau, die zum Spaß, für ihre Karriere oder vor allem aus Notwendigkeit arbeitet, vor einem Dilemma steht, und die drastischste und meistens endgültige Entscheidung ist es, ihren Arbeitsplatz zu verlassen. Wenn sie den Arbeitsmarkt einmal verlassen hat, ist eine Rückkehr umso schwerer. Solch eine Situation führt zu großer Frustration und bedeutet gleichzeitig auch große wirtschaftliche Opfer.
Der Text, der heute debattiert wird, schlägt zahlreiche Unterstützungsmechanismen für Arbeitnehmerinnen vor, was die Grundlage für Rechtssicherheit schafft. Diese gibt Frauen die Wahlfreiheit und ermöglicht die wirkliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich möchte auch einen anderen Aspekt hervorheben, der die Position von Arbeitnehmerinnen in prekären Situationen betrifft. Wie schon so oft gesagt wurde, leiden Frauen weiterhin unter Ungleichbehandlung bei Beschäftigungsmöglichkeiten, Qualität der Arbeit und Entlohnung. Was die Qualität der Arbeit betrifft, muss erwähnt werden, dass Frauen sehr oft Misshandlungen nicht melden und gezwungen sind, Beschäftigung am Rande der Legalität zu akzeptieren, um ein ausreichendes Einkommen für ihre Familie zu bekommen. Es ist an der Zeit, dies zu beenden.
Es ist daher erforderlich, jedes Fehlverhalten von Arbeitgebern im Hinblick auf Arbeitnehmerinnen zu überwachen. Jeder Rechtsbruch muss ausnahmslos verfolgt und bestraft werden. Wir müssen uns weiter dafür einsetzen, auf eine Sozialpolitik hinzuarbeiten, die zunehmend gerecht und effektiv ist.
Zita Gurmai (S&D). – Frau Präsidentin, der Bericht, den wir heute diskutieren, ist entscheidend für Eltern und Kinder in Europa und auch für Europa als Gemeinschaft. Die Bestimmungen dieser Rechtsvorschrift tragen dazu bei, dass sichergestellt wird, dass alle Frauen in Europa die gleichen Mindestrechte und die gleiche Mindestunterstützung bekommen, wenn sie sich entscheiden, Kinder zu bekommen. Sie stellen auch sicher, dass Frauen, die sich dafür entscheiden, Kinder zu bekommen nicht für ihre Wahl, Mütter zu werden, finanziell bestraft werden, wenn sie versuchen, die Familie mit ihrer Karriere zu kombinieren.
Ein sehr bedeutender Faktor ist Europas demographische Herausforderung. Sinkende Geburtenraten und eine alternde Gesellschaft und eine folglich schrumpfende Zahl von Arbeitskräften machen die Erhaltung des Wirtschaftswachstums besonders in Krisenzeiten äußerst schwer.
Ist die Lösung, Frauen dazu zu bringen, keine Kinder zu bekommen oder dem amerikanischen Modell zu folgen, bei dem Frauen keine oder wenig Unterstützung bekommen und an den Arbeitsplatz zurückkehren müssen, bevor sie sich von der Geburt erholt haben? Wenn das der Fall ist, sage ich nein. Keine Kinder zu haben, ist für die Gemeinschaft langfristig teurer. Frauen müssen sich von der Geburt erholen, um bereit für einen Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt zu sein. 18 Wochen sind ein Minimum und sie sollten dafür nicht durch direkte oder indirekte Einschnitte bestraft werden.
In 24 von 27 Mitgliedstaaten der EU ist es der Staat, der für den Mutterschaftsurlaub aufkommt, und nicht die Unternehmen. Wollen Unternehmen nicht in junge Frauen investieren, die sie angeworben und ausgebildet haben? Wir sollten unserer sozialen Verantwortung gerecht werden. Angesichts der Tatsache, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten riesige Geldmengen für die Rettung von Banken ausgegeben haben, müssen wir fragen, warum Geld immer auf Kosten von Frauen gespart werden muss. Väter sollten auch in der Lage sein, eine Auszeit zu nehmen, um Zeit mit ihren neugeborenen Babys zu verbringen.
Wir reden ständig über gemeinsame Verantwortung und jetzt können wir etwas dafür tun. Einige der hier Anwesenden glauben, dass das nicht hinnehmbar ist. Hoffentlich wird Kommissar Šefčovič uns zeigen, dass er dabei sehr eindeutig und progressiv ist.
Elizabeth Lynne (ALDE). – Frau Präsidentin, diese Richtlinie hatte zu Recht immer das Ziel, Mindeststandards beim Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen und stillenden Frauen zu schaffen. Dennoch finde ich, dass einige der Änderungsanträge des Ausschusses für die Rechte der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter sowie des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zu weit gehen.
Sie berücksichtigen nicht die unterschiedlichen Traditionen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Einige haben Mutterschaftsurlaub, einige haben auch Vaterschaftsurlaub und einige haben Elternzeit. Sie werden auf vollkommen unterschiedliche Weise in unterschiedlicher Höhe vergütet – einige durch die sozialen Sicherheitssysteme einige von Unternehmen und einige durch eine Kombination von beidem. Wir dürfen nicht einige sehr gute Systeme ruinieren.
Bei meinen Änderungsanträgen geht es um die Schwierigkeiten, etwas zu erreichen, das für alle Mitgliedstaaten passend ist. Eine volle Bezahlung würde meiner Meinung nach dazu führen, dass viele junge Menschen – oder besonders junge Frauen – gar nicht eingestellt werden. Ich bin erfreut, dass die zweite Folgenabschätzung zumindest detaillierter war als die erste. Wie Sie wissen, besagte sie, dass es die zehn Mitgliedstaaten mehr als 7 Mrd. EUR im Jahr kosten würde, wenn volles Arbeitsentgelt mit aufgenommen würde. Er befasste sich noch nicht einmal mit den anderen 17 Mitgliedstaaten und ich vermute, dass die Kosten für die Einführung von voller Bezahlung für sie auch problematisch wären.
Was den verpflichtenden Mutterschaftsurlaub betrifft, war ich immer der Meinung, dass die Mutter selbst entscheiden soll, wann und wie lange sie sich frei nimmt. In den 1960er und 70er Jahren kämpften wir für gleiche Rechte für Frauen – nicht dafür, dass ihnen Vorschriften gemacht werden – und es scheint, als würden wir rückwärts statt vorwärts gehen.
Andrea Češková (ECR). – (CS) Ich bin sehr besorgt, dass zwei sehr unterschiedliche Dinge in Bezug auf den Schutz von Frauen durcheinander gebracht werden: die Einstellungsbedingungen von Arbeitnehmerinnen und die rechtliche Position von selbständigen Frauen oder Unternehmerinnen. Wenn es um weibliche Angestellte geht, können wir generell von Schutz durch das Arbeitsrecht reden, besonders in der Schwangerschaft und nach der Geburt. Es ist nicht möglich, selbständige Frauen mit dem Arbeitsrecht zu schützen, denn es ist generell nicht auf sie anwendbar. Auf der anderen Seite beschäftigen diese Unternehmerinnen Männer und auch andere Frauen und daher war ich erschrocken von der Tatsache, dass die Richtlinie, die ursprünglich nur für den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen und den Schutz von Wöchnerinnen gedacht war, entsprechend der Änderungsanträge auch für Unternehmerinnen gelten sollte. Dies ist nicht nur praktisch sondern auch von einem rechtlichen Standpunkt aus unmöglich. Daher hoffe ich aufrichtig, dass dieses Parlament die Änderungsanträge nicht annimmt, die unglücklicherweise zum größten Teil auch den Ausschuss für die Rechte der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter passierten und die, meiner Meinung nach, nichts mit dieser Richtlinie zu tun haben, da sie nicht auf Selbständige anwendbar ist.
Joe Higgins (GUE/NGL). – Frau Präsidentin, der Bericht Estrela versucht, die Arbeitsbedingungen für schwangere Arbeitnehmerinnen und solche, die gerade ein Kind geboren haben oder die ihre Kinder stillen, zu verbessern, und dies sind die Ziele, die wir entschieden unterstützen.
Jetzt, im Angesicht einer akuten Krise des europäischen und des globalen Kapitalismus, müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen, dass insbesondere gefährdete Arbeitnehmer den Arbeitgebern, die versuchen, ihren Profit zu erhalten, und den Regierungen, die dabei sind, Sozialausgaben und öffentliche Dienstleistungen zu kürzen, zum Opfer fallen.
Viele Frauen der Arbeiterklasse werden in hohem Maße ausgebeutet, z. B. durch Löhne, die viel niedriger sind als die von Männern, und durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Es besteht die reale Gefahr, dass schwangere Arbeitnehmerinnen oder Wöchnerinnen, die gefährdeter sind, unter den gegenwärtigen Umständen von Diskriminierung betroffen sein werden. Wir sind absolut dafür, der Frau ein Recht zu geben, an denselben Arbeitsplatz zurückzukehren und 20 Wochen Mutterschaftsurlaub zu bekommen und wir sind für einen angemessenen Vaterschaftsurlaub. Wir sollten auch den Erhalt des Einkommens in Höhe von 100 % unterstützen.
Wir können uns jedoch nicht nur auf das Gesetz stützen. Es sollte an jedem Arbeitsplatz eine starke Gewerkschaftsorganisation geben, die auf konkrete Weise das Recht der Frau sicherstellen kann, nach der Geburt an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu können, ohne Angst vor Diskriminierung haben zu müssen.
Elisabeth Morin-Chartier (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, ich habe dieses Thema sowohl im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten als auch im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter verfolgt. Dies ist das zweite Mal, dass ein Versuch unternommen wird, Mindestanforderungen für die Europäische Union einzuführen und ich setze mich jetzt seit 40 Jahren in meinem Arbeitsleben für die Gleichstellung von Männern und Frauen, die Integration von jungen Frauen durch Weiterbildungsprogramme und ihre Integration in die Gesellschaft durch ihre Einbindung in den Arbeitsmarkt ein. Wer reden heute über Gleichstellung; Gleichstellung von Männern und Frauen.
Im Bericht Estrela wird jedoch jedes erdenkliche Thema behandelt – man braucht nur die Reden zu hören, die heute gehalten wurden. Alle kommen mit ihren kleinen Beiträgen und möchten einen Abschnitt zu einem anderen Abschnitt hinzufügen. Am Ende haben wir eine bedeutungslose Flickschusterei, obwohl wir uns natürlich auf den Gesundheitsschutz von schwangeren Frauen am Arbeitsplatz genauso konzentrieren sollten, wie wir uns auf die Gleichstellung der Geschlechter bei der Bezahlung konzentrieren müssen.
Eine Babypause ist so ziemlich das Einzige, was in diesem Bericht nicht behandelt wird. Ich möchte Ihnen eines sagen: Heute für 20 Wochen voll bezahlten Schwangerschaftsurlaub zu stimmen, ist verantwortungslos und demagogisch. Ich bestehe darauf, dass effektive Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass das nicht auf Frauen zurückfällt. Je weiter wir den Mutterschaftsurlaub ausdehnen, ohne die Rückkehr der Frau an den Arbeitsplatz und die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu betonen, und je weiter wir den Mutterschaftsurlaub ausdehnen, ohne Maßnahmen zum Schutz von Frauen am Arbeitsplatz zu ergreifen, desto mehr arbeiten wir gegen Frauen.
Tatsache ist, dass es unsere Pflicht ist, mutig und verantwortungsvoll zu sein und die Wahrheit zu sagen, wenn wir eine Regelung erarbeiten. Wer wird bezahlen? Welcher unserer Mitgliedstaaten kann für diese Ausdehnung bezahlen? Welches Unternehmen kann bezahlen? Am Ende sind die Frauen durch einen Text gefangen, der in allen Punkten veränderlich ist und sich letztlich zu ihrem Nachteil auswirkt. Ich bitte Sie, verantwortungsbewusst zu sein. Wir tragen eine große Verantwortung für die Zukunft.
(Beifall)
(Die Rednerin erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage von Marije Cornelissen und Anneli Jäätteenmäki gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten.)
Marije Cornelissen (Verts/ALE). – Frau Präsidentin, Frau Morin-Chartier ist nicht die Einzige, die das sagt. Es gab eine Reihe von Sprechern, die sagten, dass 20 Wochen Mutterschaftsurlaub die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt einschränken würden.
Ich möchte wissen, woher diese Vorstellung kommt, denn wenn Sie Forschungsergebnisse betrachten und wenn Sie sich ansehen, was in Schweden, Norwegen, Island und Bulgarien passiert, wird deutlich, dass eine sehr hohe Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt mit einem angemessen langen Mutterschaftsurlaub möglich ist.
Elisabeth Morin-Chartier (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, ich möchte in meiner Antwort auf diesen Kommentar zwei Dinge klarstellen.
Erstens gibt es keine mathematische Verbindung zwischen der Länge des Mutterschaftsurlaubs und der Fruchtbarkeitsziffer, und um das zu beweisen, muss ich nur die Situation in Frankreich erwähnen, denn Frankreich ist ein Land, das 14 Wochen Mutterschaftsurlaub gewährt und das heute eine der höchsten Geburtenraten Europas aufweist.
Der zweite Teil meiner Antwort ist, dass sich gezeigt hat, dass sich mit jeder Geburt der berufliche Abstand von Frauen und Männern vergrößert. Mit jeder Geburt, mit jedem Schwangerschaftsurlaub reduzieren Frauen zunächst ihre berufliche Verantwortung – es sei denn, die Initiative kommt von einem Unternehmen oder dem öffentlichen Sektor. Mit der zweiten Geburt reduzieren sie ihre Arbeitszeit und sie reduzieren sie mit jeder folgenden Geburt weiter, während Männer auf der anderen Seite mit jeder Geburt ihre berufliche Verantwortung erhöhen. Aus beruflicher Sicht vergrößert sich die Lücke während ihrer ganzen Karriere.
Daher bitte ich sie eindringlich: Schenken Sie dem, was zurzeit im öffentlichen sowie im privaten Sektor passiert, etwas Beachtung.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Frau Morin-Chartier, akzeptieren Sie die ungleichen Standards, nach denen alle Mitarbeiterinnen der Europäischen Union, der Kommission, des Rats, des Parlaments und der parlamentarischen Fraktionen für 20 Wochen Mutterschaftsurlaub voll bezahlt werden, während Sie gleichzeitig dafür sind, dass das für andere Menschen nicht zutrifft? Ich würde sagen, dass Mütter in ganz Europa gleichberechtigt sein sollten, und wir können keine unterschiedlichen Standards oder Janusköpfigkeit akzeptieren.
Elisabeth Morin-Chartier (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, wir sagten nicht, dass wir unterschiedliche Standards befürworten. Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag mit 18 Wochen eingereicht. Wir schlagen die Einfügung einer Brückenklausel vor. Als Grundlage ist das vollkommen möglich, aber es gibt einen Unterschied zwischen dem, was möglich ist und der utopischen Idee, 20 Wochen volle Bezahlung vorzuschlagen; zwischen dem, was machbar ist und dem, was man im Parlament versprechen kann, was aber weder vom Rat noch den nationalen Parlamenten akzeptiert werden wird.
Wenn wir am Mittwoch für den Bericht Estrela und die 20 Wochen stimmen, wird das Europäische Parlament drei Mal auf Ablehnung stoßen: das erste Mal im Rat, der nicht in der Lage sein wird, uns Unterstützung zu gewähren – die Mitgliedstaaten werden nicht ihre Unterstützung gewähren können; das zweite Mal in den nationalen Parlamenten – die nationalen Parlamente mit ihren Haushaltsplänen werden nicht ihre Unterstützung geben können; und das dritte Mal bei Frauen, wenn sie merken, dass wir gegen sie gearbeitet haben.
Emine Bozkurt (S&D). – (NL) Frau Präsidentin, wir müssen Müttern und Vätern in der wichtigsten Zeit ihres Lebens beistehen. Ihnen muss Frieden und Ruhe gelassen werden, damit sie in der Lage sind, sich am Anfang des Lebens ihres Kindes voll einzubringen. Die Mütter müssen stillen und sich von der Geburt vollkommen erholen können, und sie müssen nach ihrer Babypause wieder die Ärmel hochkrempeln können und voll am Arbeitsleben teilhaben. Mütter, Väter, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – alle wünschen dies.
Gegner versehen Frauen fälschlicherweise mit einem Preisschild: Es können von der ständig alternden europäischen Gesellschaft keine zusätzlichen Kosten übernommen werden. Aber wir müssen jetzt in arbeitende Frauen investieren und in eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, damit unser Gesellschaftsmodell in der Zukunft bezahlbar bleibt. Natürlich ist es wichtig, dass Mutterschaftsurlaub voll bezahlt wird. Warum sollten Frauen, die nun mal die Einzigen sind, denen es biologisch möglich ist, Kinder zu bekommen, Einkommenseinschnitte während ihrer Abwesenheit hinnehmen?
Wir sagen, dass wir es für wichtig halten, dass Männer und Frauen Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren können und dass Frauen gleiche Möglichkeiten am Arbeitsplatz erhalten, und daher müssen wir aufhören zu streiten und gemeinsam Verantwortung übernehmen. Wir dürfen Mütter und Väter nicht diejenigen sein lassen, die leiden.
Nadja Hirsch (ALDE). - Frau Präsidentin! Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Was soll diese Richtlinie leisten? Relativ große Einigkeit besteht darin, dass es ein gesundheitlicher Schutz für die werdenden Mütter bzw. die jungen Mütter sein soll. Die große Debatte ist daran entbrannt, in welchen Bereichen es auch um den Aspekt der Gleichstellung gehen soll. Auf der anderen Seite müssen wir als Europäisches Parlament uns bewusst sein, dass wir eine Richtlinie beschließen, die nicht nur für fünf Jahre, sondern vielleicht für die nächsten zwanzig, fünfundzwanzig Jahre gelten soll. Ich hoffe doch, dass die Arbeitsbedingungen für Frauen dann deutlich besser sein werden und die Unternehmen nicht zuletzt aufgrund eines Fachkräftemangels auch junge Mütter begeistert einstellen und vor allem auch die Infrastruktur dementsprechend aufbauen werden. Auch eine solche Perspektive müssen wir beachten.
Allerdings sehe ich auch, dass eine Mehrheit im Moment nicht bereit ist, eine solche Perspektive einzunehmen. Insofern werden wir uns wohl an einem Punkt treffen, der vielleicht mit achtzehn Wochen, einem erhöhten festgeschriebenen Entgelt oder Weiterbezahlung von 75 % einen Kompromiss darstellen wird, der vor allem auch die Verbesserung in anderen europäischen Ländern tatsächlich sicherstellen wird.
Ein wesentlich wichtigerer, über eine Mutterschutzzeit hinausreichender Punkt sind vor allem die Rahmenbedingungen, die eine junge Familie vorfindet. Das heißt Kinderbetreuungseinrichtungen, die z. B. in Deutschland immer noch nicht ausreichend vorhanden sind. Das ist eine wirkliche Gleichstellungspolitik, die den Frauen auch die Chance gibt, wieder zurück in den Job zu gehen.
Julie Girling (ECR). – Frau Präsidentin, wie typisch für die Grünen, diejenigen zu verspotten, die anderer Meinung sind. Wir wagen es, einem kleinen Teil dieser Vorschläge zu widersprechen und müssen daher verhöhnt werden. Ich lobe Ihre Hingabe für diese Vorschläge – in der Tat stimme ich der großen Mehrheit von ihnen zu –, aber es gibt ein oder zwei Dinge, mit denen ich nicht übereinstimme. So kann ich Ihre Bemühungen loben, nicht aber Ihre Toleranz. Kommen Sie in 30 Jahren zurück und predigen Sie mir über die Ausweitung von Frauenrechten, wenn Sie in dem Bereich so viel gearbeitet haben, wie ich.
Ich werde mich nicht als aggressiv abstempeln lassen. Einige Aspekte dieser Vorschläge sind rückwärtsgewandt: Die Vorstellung, dass europäische Frauen in einer überbevölkerten Welt mehr Babys bekommen sollen, ist sozial rückwärtsgewandt. Im Vereinigten Königreich 20 Wochen voll bezahlten Mutterschaftsurlaub zu erzwingen – ich kann unser System hier nicht schnell genug erklären –, ist finanziell rückwärtsgewandt. Eine unverhältnismäßige Anzahl von Frauen mit höheren Einkommen im Vereinigten Königreich wird den Großteil der zusätzlichen 2 Mrd. GBP erhalten. Das Geld wird nicht den niedriger bezahlten Frauen zugutekommen, denen, so denke ich, wir alle am meisten helfen möchten.
Wo ist also der Fortschritt? Mitgliedstaaten sind am besten in der Lage, über diese Einzelheiten zu entscheiden. Das Subsidiaritätsprinzip sollte zum Einsatz kommen.
(Beifall)
Christa Klaß (PPE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Mütter brauchen einen besonderen Schutz. Da herrscht Einigkeit hier im Raum. Einem Kind das Leben zu schenken unter vollem seelischen und körperlichen Einsatz, das ist ein einschneidendes Erlebnis für jede Frau. Die körperlichen Veränderungen, die neuen Lebensumstände und vor allem die Erholungs- und Genesungsphase – sie machen einen ausreichenden Mutterschutz notwendig. Diese Leistung muss von der Gesellschaft übernommen werden. Wir streiten da nicht um den Grundsatz. Wir streiten um das Wie und die Konditionen. Dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die EU den Mindeststandard festlegt und die Mitgliedstaaten den Mutterschutz umsetzen, organisieren und bezahlen müssen. Wir fangen nicht bei Null an.
Die Mitgliedstaaten haben ihren Mutterschutz sehr unterschiedlich organisiert, zum Teil ergänzt durch eine Elternzeit, die auch die Väter einbezieht. Väter müssen eingebunden werden in die Familienaufgaben, und wir sprechen da nicht von Urlaub, sondern von verantwortungsvoller Übernahme von Erziehungs- und Familienaufgaben. Väterzeiten sind aber nicht Teil des Mutterschutzes, sondern immer Teil der Elternzeit. Väter werden auch nicht krank durch eine Geburt. Ich gratuliere allen Mitgliedstaaten, die Väterzeiten eingerichtet haben, und ich freue mich, Herr Kommissar, auf den eben angekündigten Vorschlag der Kommission. Wir dürfen den so wichtigen Mutterschutz nicht aufweichen durch eine Ausdehnung in die Elternzeiten hinein. Beim Mutterschutz geht es um die Gesundheit. Keine Mutter ist 20 Wochen krank, und wer stillt, ist auch nicht krank.
Aus Verantwortung auch den Frauen gegenüber, die am Erwerbsleben teilnehmen, müssen wir den Mutterschutz vertretbar gestalten. 18 Wochen insgesamt, dabei in den letzten 4 Wochen nationale Gestaltungsmöglichkeiten für die Höhe der finanziellen Leistungen – das ist unser Vorschlag, und das sind die Änderungsanträge 115 und 116, die ich bitte zu unterstützen.
Darüber hinaus fordere ich die Mitgliedstaaten auf, ihre Möglichkeiten zu nutzen und allen Familien und den Müttern mehr Leistungen anzubieten, die dann freiwillig angenommen werden können. Mütter bauen Zukunft, und sie brauchen unser aller Unterstützung.
Antigoni Papadopoulou (S&D). – (EL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, indem wir für den Bericht Estrela stimmen, erfüllen wir im Prinzip die Forderungen von Millionen von Frauen nach größerem Schutz für schwangere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerinnen, die kürzlich ein Kind geboren haben oder die ihre Babys stillen. Indem wir den Mutterschaftsurlaub auf 20 Wochen und den Vaterschaftsurlaub auf 2 Wochen bei voller Bezahlung ausdehnen, unterstützen wir die Erholung von der internationalen Krise sowie das Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union, denn wir helfen dabei, Familienleben und Beruf miteinander vereinbar zu machen. Indem wir Arbeitnehmerinnen während der Schwangerschaft und sechs Monate danach vor Entlassung schützen, geben wir einen Anreiz, die Ziele der EU-Strategie umzusetzen und einen Frauenanteil am Arbeitsmarkt von 75 % bis 2020 zu erreichen.
Indem wir für den Bericht Thomsen stimmen, versuchen wir, Frauen vor prekären Beschäftigungsverhältnissen zu bewahren, die zu einer Verselbständigung der Einkommensunterschiede zwischen den beiden Geschlechtern führen, die professionelle Beschäftigung von Frauen unterminieren und das Risiko erhöhen, dass Frauen jede Form von sozialen Rechten, Rentenansprüchen und Gewerkschaftsrechten verlieren.
Eine Stimme für beide Berichte ist eine Stimme für ein ausgeglicheneres, dezentralisierteres, sozialeres Europa und Geschlechtergleichheit.
Gesine Meissner (ALDE). - Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Arbeitsbedingungen von Frauen, die wir in Europa verbessert haben wollen. Ich spreche ganz speziell zum Bericht Thomsen, bei dem ich Schattenberichterstatterin war, also zu dem Thema „Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen“.
Wir haben jetzt das Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Europa. Man kann tatsächlich feststellen, dass Armut eher die Frauen betrifft. Das darf natürlich auf gar keinen Fall so bleiben. Es ist so, dass Armut bei Frauen durch verschiedene Dinge ausgelöst werden kann. Sie kann einmal dadurch ausgelöst werden, dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer. Das alleine ist es natürlich nicht. Frauen haben auch mehr Unterbrechungen im Beruf, z. B. wenn sie Kinder bekommen und Erziehungszeiten nehmen. Frauen üben auch die weniger qualifizierten Tätigkeiten aus. Bei den Frauen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, ist es besonders gravierend, weil sie unter Umständen gar keinen Arbeitsvertrag haben oder auch irreguläre Arbeitsverträge haben können, weil sie möglicherweise keinerlei Schutz bekommen und auch wenig Zugang zu Informationen haben. Und wenn Frauen dann einen Migrationshintergrund haben, ist es besonders schwierig. Das kann dazu führen, dass sich die Armut fortsetzt und man letztlich auch im Alter arm ist.
Wir müssen diese Spirale durchbrechen, die gerade Frauen mehr betrifft als Männer. Das kann man z. B. durch Bildung und Ausbildung. Jede Frau, jedes Mädchen braucht einen Schulabschluss, egal, welchen Hintergrund sie hat, und sie muss einen Zugang zu einem Beruf haben, von dem sie sich auch wirklich vernünftig ernähren kann. Lebenslanges Lernen muss generell auch für Frauen möglich sein. Auch müssen wir sehen, dass wir mehr Frauen und Mädchen für die besser bezahlten Berufe gewinnen. Das sind häufig die stärker von Männern dominierten Berufe.
Also Zugang zu Bildung auf jeden Fall, Zugang zu Sicherheitssystemen, und dann werden wir auch für die Frauen viele Verbesserungen erreichen!
Joanna Katarzyna Skrzydlewska (PPE). – (PL) Die Einführung von Mindeststandards für die Dauer und Vergütung von Mutterschaftsurlaub ist im gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Klima in Europa schwierig. In einigen Ländern übersteigt das vorgeschlagene Minimum den Grad des Schutzes, den nationale Rechtsvorschriften schwangeren Frauen gegenwärtig gewähren. Auf der einen Seite debattieren wir weiterhin die Konsequenzen der Krise: Regierungen einzelner Staaten erhöhen Steuern und setzen drastische Ausgabenkürzungen durch, und wir haben immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit. Auf der anderen Seite müssen wir mit dem Problem der sinkenden Geburtenraten zurechtkommen, negativem natürlichen Wachstum und daher mit einer alternden Gesellschaft. In der nicht allzu fernen Zukunft sind wir vom Versagen der Rentensysteme oder möglicherweise ihrem totalen Zusammenbruch bedroht.
In dieser Art von Situation gibt es keine kostenlosen oder einfachen Lösungen. Daher müssen wir erkennen, dass wir Frauen ermutigen, Kinder zu bekommen, indem wir in sie investieren und vorteilhafte Bedingungen für sie schaffen. Natürlich ist voll bezahlter und längerer Mutterschaftsurlaub alleine nicht genug. Wir brauchen auch familienfreundliche steuerliche Lösungen und sichere Beschäftigung. In diesem Fall haben wir keine Alternative. Es gibt keinen anderen Weg, die Zahl der Europäer zu erhöhen, die in 30 Jahren beruflich aktiv sein werden, wenn wir jetzt nicht in die Familie investieren. Daher benötigen wir faire und gerechte Mindeststandards für Dauer und Bezahlung von Mutterschaftsurlaub in Europa. Wir geben Frauen die Möglichkeit, auszuwählen und über Mutterschaft zu entscheiden.
Jutta Steinruck (S&D). - Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich vermisse bei dieser Debatte die notwendige Unterscheidung zwischen der nationalen Umsetzung in den Mitgliedstaaten und der gesamteuropäischen Aufgabe. Dass wir hier auf nationale Besonderheiten Rücksicht nehmen müssen, ist jedem klar. Aber am Beispiel der deutschen Diskussion kann ich sagen, dass ich sehr wohl für Deutschland die Möglichkeit sehe, diesen Bericht umzusetzen. Es geht um Mindeststandards auf EU-Ebene zur Schaffung sozialer Rahmenbedingungen für Frauen. Auf die ILO beziehen wir uns ja immer gerne, wenn es um gute Arbeit geht, wenn es um Arbeits- und Gesundheitsschutz geht. Ich frage mich: Warum nicht in diesem Fall?
Was die Kostendebatte betrifft, möchte ich alle hier im Haus daran erinnern, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie bei uns in Deutschland – und auch in anderen europäischen Ländern – eine Riesenlobbyarbeit seitens der Unternehmen hervorgerufen hat. Da ging es um eine Kostenlawine, um Unternehmen, die Bankrott gehen, um Belastungen für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und was ist davon eingetreten, Jahre danach? Gar nichts! Diese Debatte, dieser Lobbyismus erinnert mich im Moment wieder genau daran. Mein Appell ist: Wir müssen endlich die Wirtschaft zur Seite schieben und den Menschen in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen!
Ich gehöre nicht zu denen, die hier Sonntagsreden halten. Ich habe gesagt: Ich trete für ein soziales Europa ein. Dazu gehören für mich auch die Frauen. Und in dieser Situation brauchen die Frauen unsere Hilfe!
Sari Essayah (PPE). – (FI) Frau Präsidentin, in seinen Abstimmungen hat der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter eine Reihe von Änderungsanträgen des ursprünglichen Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie angenommen.
Unglücklicherweise hat der Ausschuss in seinen Änderungsanträgen das Subsidiaritätsprinzip im Hinblick auf die Verteilung der Kosten komplett ignoriert. Der Versuch, die Regelungen zum Schwangerschaftsurlaub in 27 unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu harmonisieren, hat zu einem verfahrenen Vorschlag geführt. Des Weiteren wird ein Vorschlag für Vaterschaftsurlaub mit all dem vermischt, der, rechtlich gesehen, überhaupt nicht im Geltungsbereich der Richtlinie liegt, wie der Kommissar glücklicherweise von Anfang an klargemacht hat. Vaterschaftsurlaub muss im Zusammenhang mit dem System für Elternzeit geregelt werden und nicht im Zusammenhang mit einer Babypause, die der Erholung von der Schwangerschaft oder von der Geburt dient.
Die vom Ausschuss für die Rechte der Frau eingebrachten Vorschläge ignorieren auch die progressiven Systeme für Mutterschaftsurlaub und Elternzeit in anderen Ländern, inklusive der nordischen Länder. Die Vorschläge des Ausschusses werfen diese Systeme für Elternzeit durcheinander, die auf nationaler Ebene Entscheidungsfreiheit bieten, und in mancher Hinsicht würden diese Vorschläge sich sogar nachteilig für das Wohlergehen von Mutter und Kind auswirken. Wenn zum Beispiel, entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses, Mütter die vorgeschriebenen sechs Wochen Mutterschaftsurlaub erst nach der Geburt beginnen, besteht für schwangere Frauen am Arbeitsplatz, die bald ein Kind erwarten, und für deren Kinder ein erhöhtes Risiko. Mütter, die kurz davor sind, ihr Kind zu bekommen, werden nicht bis zum Ende einen Achtstundentag arbeiten können und dieser Vorschlag wird zu mehr Fällen von krankheitsbedingten Fehlzeiten vor der Geburt führen.
Der Vorschlag des Ausschusses ignoriert auch im Hinblick auf die Bezahlung die nationalen Systeme, in denen Mutterschaftsurlaub eng an eine deutlich längere Elternzeit geknüpft ist, da sie nicht voll bezahlt wird. In Finnland zum Beispiel können sich Eltern zu Hause um ihr Kind kümmern, bis es durchschnittlich 18 Monate alt ist, und wir können es uns leisten, denn in unterschiedlichen Stadien teilen sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und auch die Steuerzahler die Kosten. Wenn Arbeitgeber die vollen Kosten tragen müssten, dann würde dies zweifellos die Beschäftigungschancen von Frauen mindern und Frauen als Arbeitnehmerinnen schaden.
Olle Ludvigsson (S&D). – (SV) Es ist jetzt wichtig, dass wir flexible Lösungen im Hinblick auf die kontroversen Details in dieser Richtlinie finden. Gleichzeitig müssen wir auch den größeren Zusammenhang sehen. Was für eine Situation wünschen wir uns bei der Gleichstellung in 10 Jahren? Vor diesem Hintergrund ist es ganz klar, dass die vorgeschlagenen Regelungen bei der Geschlechtergleichheit zu Fortschritten führen werden.
Geschlechtergleichheit und die Sicht auf Gleichstellung würden erweitert werden. Es wäre möglich, das Ziel der EU-2020-Strategie, die Beschäftigungsquote von Frauen auf 75 % zu erhöhen, zu erreichen. Mehr arbeitende Frauen wären definitiv ein Nutzen für die Gesellschaft. Es gäbe bessere Anreize, Kinder zu bekommen und eine Familie zu gründen, was eine positive Gegenbewegung zur alternden europäischen Gesellschaft sein würde.
Lassen Sie uns daher nicht die großen Zusammenhänge in unseren Debatten vergessen.
Astrid Lulling (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, in der Regel kommt mit der Zeit die Weisheit. Das ist unglücklicherweise nicht der Fall beim zweiten Bericht, welcher von einer Mehrheit des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter angenommen wurde und welchen wir hier im Parlament 17 Monate nach dem ersten Bericht diskutieren. In seiner aktuellen Form ist der zweite Bericht ebenso verwirrend, kontraproduktiv und überladen mit Texten, die nicht in einen Rechtsakt gehören, wie der Bericht, der im Mai 2009 an den Ausschuss zurückging.
Wir haben bereits zwei Jahre bei der Verbesserung des Schwangerschaftsschutzes verschwendet. Wenn wir für den Bericht stimmen, so wie er ist, verschwenden wir wenigstens wieder genauso viel Zeit mit Diskussionen mit dem Rat im Mitentscheidungsverfahren, obwohl der ursprüngliche Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2008 doch vernünftig war. Er garantierte deutlichen Fortschritt in Mitgliedstaaten, in denen die Länge und die Bezahlung des Mutterschaftsurlaubs noch geringer sind als in einigen anderen Ländern; 20 Wochen Mutterschaftsurlaub bei voller, ungekürzter Bezahlung, finanziert vom Staat, sind recht selten.
Lassen Sie uns nicht vergessen, dass in diesem Fall die Einrichtung von Mindeststandards das Ziel ist und dass wir den 27 Staaten keine radikalen Lösungen vorschreiben können. Um beschäftigte und vor allem hoch qualifizierte Frauen zu ermutigen, Kinder zu bekommen, ist es für sie in Wirklichkeit wichtiger, das Recht auf einen kürzeren Mutterschaftsurlaub zu haben, der aber voll bezahlt ist, als 20 oder 30 Wochen Mutterschaftsurlaub ohne die Garantie auf volle Bezahlung. Die Vorschläge im Bericht Estrela sind hinsichtlich der Beschäftigungsfähigkeit von Frauen nicht nur kontraproduktiv, sondern sie sind für Regierungen und Unternehmen in bestimmten Mitgliedstaaten auch schwer zu finanzieren. Es ist besser, jetzt einen realen Schritt in die richtige Richtung zu gehen, als ein Versprechen für die Zukunft zu geben, dass in 10 Jahren realisiert werden soll.
Ich persönlich werde nicht für diesen Bericht in seiner gegenwärtigen Form stimmen und ich rufe alle Kolleginnen und Kollegen dazu auf, all die Abänderungen abzulehnen, die nichts mit Mutterschutz zu tun haben, wie die Bestimmungen für selbständige Erwerbstätige. Es ist kaum vier Monate her, dass wir in diesem Haus für eine Richtlinie über Mutterschaftsurlaub für selbständige Erwerbstätige abstimmten.
Das Gleiche gilt für Vaterschaftsurlaub, Herr Tarabella, und ich bin dafür. Die Belgier können morgen 20 Wochen voll bezahlten Vaterschaftsurlaub einführen, wenn sie eine Regierung haben. Niemand hält sie davon ab. Gleichermaßen – und dies ist ein weiterer zu beachtender Punkt – diskutieren die Sozialpartner gegenwärtig eine Richtlinie zum Vaterschaftsurlaub. Lassen Sie uns auf sie warten und dann wird bei diesem Thema gehandelt, genauso, wie es bei der Elternzeit war. Dies ist der richtige Weg.
Ich rufe alle anderen Abgeordneten dazu auf, für die Änderungsanträge zu stimmen, die den Mutterschaftsurlaub auf 18 Wochen begrenzen und für die Änderungsanträge, Frau Präsidentin, die Ihre und meine Fraktion vorgelegt haben.
(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage von Marc Tarabella gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten.)
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D). – (RO) Die Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung in jedem Bereich des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz der Menschenrechte sowie des Wohls aller Bürgerinnen und Bürger. Die Förderung des Prinzips der Gleichberechtigung von Männern und Frauen muss gemeinsam mit einer stärkeren Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, wobei sie in den Genuss sämtlicher Rechte kommen, als Anliegen höchster Priorität gesehen werden. Ich bin der Auffassung, dass sich dieser Ansatz in der gemeinsamen Agrarpolitik widerspiegeln muss, um Gerechtigkeit und Gleichheit zwischen den Geschlechtern sicherstellen zu können. Auf der anderen Seite kann dieser Ansatz sicherstellen, dass unterschiedliche Strategien effektiv auf europäischer Ebene in jedem beruflichen Bereich, aber besonders in der Landwirtschaft, umgesetzt werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass das Prinzip der Gleichberechtigung in der europäischen Gesetzgebung gefördert wird und eine der grundlegenden Forderungen der Europa-2020-Strategie ist, halte ich es für angemessen, dieses Thema auch in der Landwirtschaft aufzunehmen, und zwar auch durch die Verwendung neuer Instrumente, um das Prinzip zu fördern. Ich unterstütze die beiden Berichte von Frau Estrela und Frau Thomsen, welche Frauenthemen in den Vordergrund rücken. Sie beziehen sich auf Mutterschaft und die damit verbundenen Arbeitsbedingungen, welche wichtige Aspekte für das Leben jeder Frau und für alle unter uns sind, die angesichts der Probleme dieser Frauen Solidarität zeigen sollten.
Marc Tarabella (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, ich danke Frau Lulling für die Zustimmung zu meiner kleinen Unterbrechung. Ich möchte nur hervorheben, dass Väter in Belgien bereits 10 Tage bezahlten Urlaub bekommen. 19 von 27 Ländern in der Europäischen Union folgen derselben Praxis mit unterschiedlichen Anrechten auf Bezahlung.
Ich möchte nur wissen, ob Sie für oder gegen zunehmende Harmonisierung auf europäischer Ebene sind. Zugegeben, zwei Wochen sind nicht sehr viel, aber sie sind angemessen: Zwei Wochen für alle Väter in Europa, damit sie die Aufgaben zur Aufnahme des kleinen Neuankömmlings in die Familie teilen können. Ich möchte wissen, ob Sie für oder gegen diese Harmonisierung sind. Ich danke Ihnen für Ihre Antwort, Frau Lulling.
Astrid Lulling (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, ich bin natürlich dafür, Herr Tarabella. Ich bin für eine europäische Richtlinie, aber ich bin nicht dafür, dass dieses Problem in dieser Richtlinie gelöst wird, welche den Schutz von Müttern und Kindern betrifft. Die Sozialpartner sprechen derzeit, wie ich sagte, über eine Richtlinie zum Vaterschaftsurlaub.
Ich glaube, dass wir das Ergebnis abwarten müssen. Wir werden dann einen guten Vorschlag haben, genau wie der, den wir für die Elternzeit hatten und den wir übrigens gerade verbessert haben, auch wenn er nicht perfekt ist. Ich glaube, dass dies der richtige Weg ist. Ich glaube, dass die Sozialpartner auch mit der Aufgabe betraut werden sollten, in diesem Bereich Vorschläge zu machen, denn sie sind am besten in der Lage, das zu tun. Daher bin ich dafür. Ich gratuliere Ihnen: Sie können die Situation in Belgien verbessern.
Ich möchte Ihnen sagen und all den Frauen, die absolut nicht verstanden haben, dass eine europäische Richtlinie eine Sammlung von Mindeststandards, nicht Maximalstandards, ist, dass jeder noch weiter gehen kann, aber dass es wichtig ist, den Ländern, die unter – weit unter – 18 Wochen liegen, die Möglichkeit der Angleichung zu geben.
Des Weiteren glaube ich, dass, wenn Sie und ich diesen Bericht heute schreiben müssten, wir in diesem Haus gemeinsam mit dem Rat schon lange die richtigen Maßnahmen ergriffen hätten.
Thomas Mann (PPE). - Frau Präsidentin! Jetzt weiß ich, wie man Redezeit verändern und verlängern kann. Der Beschäftigungsausschuss hat 18 Wochen Mutterschutz gefordert, das sind 4 Wochen mehr als in Deutschland einvernehmlich beschlossen. Der Frauenausschuss hat 20 Wochen gefordert bei 100 % Lohnfortzahlung plus zweiwöchigem Vaterschaftsurlaub plus Ausdehnung auf Selbstständige. Völlig ausgeblendet wird: 20 Wochen kosten Frankreich pro Jahr 2 Milliarden Euro zusätzlich oder Großbritannien 2,85 Milliarden zusätzlich nach Aussagen der Kommission. Für Deutschland rechnen wir mit Mehrkosten von etwa 1,7 Milliarden Euro. Gelegentlich muss man auch die Kosten bedenken.
Kürzlich hatten wir eine gemeinsame Studie der Ausschüsse EMPL und FEMM mit zahlreichen handwerklichen Fehlern. Zahlungen wie etwa das Mutterschaftsgeld in Deutschland wurden nicht einbezogen. Der Bezugsraum für das deutsche Elterngeld ist falsch. Die von einigen Mitgliedstaaten in Auftrag gegebenen Kostenschätzungen wurden nicht ausreichend berücksichtigt. Auf einer solchen Grundlage kann man keine verantwortungsvolle Politik machen. Deutschland ist vorbildlich: In einer Elternzeit werden zwei Drittel des Gehalts bis zu 14 Monate weitergezahlt. Aus 14 Wochen Mutterschutz werden so bis zu 170 Wochen. Deutschland ist also ein Babyschutz-Europameister und braucht eine Ausnahmeregelung in dieser Richtlinie.
Deshalb habe ich mit 50 Kolleginnen und Kollegen der EVP einen Passerelle-Antrag eingebracht, der von der ECR-Fraktion und großen Teilen von ALDE unterstützt wird. Unser Ziel ist, nationale Systeme ausreichend zu berücksichtigen. Dieser Antrag der Vernunft findet hoffentlich bei der Abstimmung am Mittwoch eine Mehrheit. Wir wollen, dass Mütter ausreichend geschützt werden, aber jede überzogene Ausweitung, gerade aus ideologischen Gründen, ist für die Einstellung von Frauen ein so hohes Hindernis, und das muss beseitigt werden, anstatt es zu fördern.
Anna Hedh (S&D). – (SV) In einigen Mitgliedstaaten waren die Reaktionen auf diesen Bericht sehr stark und viele Politiker versuchten, zu punkten, indem sie diese EU-Initiative zerrissen. Was die Menschen vergessen, ist die Tatsache, dass es sich um die Überarbeitung einer bestehenden Richtlinie handelt. Die Menschen können darüber, was auf EU-Ebene geregelt werden soll, denken, was sie wollen, aber, wie ich sagte, gibt es bereits eine Richtlinie und wir haben die Gelegenheit, sie zu verbessern.
Der Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter wurde mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon mehr Aufmerksamkeit geschenkt und wir sind für dafür verantwortlich, dieses Thema voranzutreiben. Wir können heute sehen, dass Mitgliedstaaten mit gut funktionierenden Regeln für Mutterschaftsurlaub auch hohe Beschäftigungsquoten von Frauen aufweisen. Dies ist ein Kontrast zu der Situation in den Ländern mit schlechteren und weniger funktionsfähigen Regeln.
Wenn diese Richtlinie angenommen wird, werden wir auch eine größere Chance auf das Erreichen des Ziels der EU-Strategie 2020 haben. Ich stimme zu, dass es einige kontroverse Details in diesem Vorschlag gibt, aber was wichtig ist, ist, dass wir ihn verbessern können. Die Kritiker behaupten, der Vorschlag sei zu teuer, aber ich bin überzeugt, dass eine verbesserte Qualität vorteilhaft für die Gesellschaft ist.
Barbara Matera (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, heute hat dieses Haus – repräsentiert durch alle 27 Staaten – wieder einmal mit Mut und Eigensinn entschieden, ein heikles, aber zugleich aktuelles Thema für das gesellschaftliche Wachstum unserer Länder zu behandeln. Wir beschäftigen uns mit einem Bericht, der die Sozial-, Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitiken unserer Staaten betrifft, der aber auch ganz Europa bei dem Bestreben betrifft, gemeinsam zu wachsen.
Der Bericht Estrela, so, wie er besprochen und geändert wurde, verfolgt mit Überzeugung das Prinzip der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und das Prinzip der Chancengleichheit und damit eines gesunden und ausgeglichenen Fortschritts. Ein Mindestmaß an Schutz für die erwähnten Prinzipien in ganz Europa sicherzustellen bedeutet eine Verbesserung der Lebensqualität unserer Familien, nicht nur der unserer Frauen, und daher auch unserer Lebensqualität. Das ist unser Ziel, von dem wir überzeugt sind und das wir mit den angemessenen Kompromissen verfolgen müssen.
Ausgewogenheit ist in den Details ebenso erforderlich wie bei den gewählten Mitteln und muss sowohl die Position von Frauen am Arbeitsmarkt als auch die Vorrechte der Staaten bei der Umsetzung ihrer Strategien schützen. Jean Monnet lehrte uns, mit kleinen Schritten zu wachsen. Lassen Sie uns mit diesen kleinen Schritten beginnen, ohne Angst vor denen, die folgen werden.
Vilija Blinkevičiūtė (S&D). – (LT) Heute ist es im Hinblick auf die Ziele Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter sehr wichtig, Beruf und Familienleben besser miteinander zu vereinbaren. Da es einen starken Rückgang der Geburtenraten in fast allen Mitgliedstaaten gibt, müssen wir Maßnahmen ergreifen, welche die bestmöglichen Bedingungen für Mütter schaffen, die Kinder großziehen, und die Müttern echte Chancen auf eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt geben. Ich rufe auch alle Mitgliedstaaten und Abgeordneten auf, Möglichkeiten zu finden, die Kosten für die Bezahlung von Mutterschaft und für die Zuschüsse zur Kinderbetreuung zu koordinieren, um sicherzustellen, dass Frauen keine teureren Arbeitskräfte sind als Männer. Das Teilen von Verantwortung in der Familie und die Gelegenheit, auch Männern das Recht zuzusprechen, zwei Wochen Vaterschaftsurlaub zu haben, würde Frauen mehr Möglichkeiten geben, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren und es würde die familiären Beziehungen stärken. Daher bin ich überzeugt, dass ein verlängerter Mutterschaftsurlaub auch das Erreichen höherer Geburtenraten vereinfachen wird, besonders in Anbetracht unserer schnell alternden Gesellschaft.
Anne Delvaux (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, wie ich es sehe, ist die Notwendigkeit für eine Verlängerung des Elternurlaubs sehr offensichtlich. Eine Erhöhung der Mindestzeit für Mutterschaftsurlaub ist ein Schritt vorwärts, ein Vorteil, und man sollte nicht vollkommen demagogisch sein, indem man den wirtschaftlichen Effekt mit einem qualitativen Vorteil vergleicht, der schwer zu messen ist.
Das Problem besteht jedoch im Wesentlichen aus zwei Teilen: Der erste ist der wirtschaftliche Kontext; das ist wahr. Aber das ist nicht Grund genug, Millionen Familien für weitere Jahrzehnte im Stich zu lassen. Der Zweite sind rechtliche Schlupflöcher in dem Bericht, denn der Text beinhaltet mehrere Arten des Elternurlaubs mit inkompatiblen rechtlichen Grundlagen. Lassen Sie uns über Adoptionsurlaub reden, der in dem Text neben Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub erscheint.
Ich persönlich, als Adoptivmutter und im Namen aller Frauen, die ich repräsentiere, würdige den Willen, dieselben Rechte einzuräumen, wie sie biologischen Müttern eingeräumt werden. Ich verkörpere in der Tat das, was Frau Morin-Chartier als das kleine zusätzliche Paket bezeichnete, das dem Bericht Estrela hinzugefügt werden soll.
Während es in der Tat das Ziel ist, die Gesundheit und die Rechte von Frauen – allen Frauen – am Arbeitsmarkt zu verbessern, haben Adoptivmütter, die Mütter geworden sind, wie die anderen, dieselben Ansprüche auf Rechte und Schutz bei der Arbeit. Wie die anderen sind sie eigenständige Mütter und das trifft grundsätzlich zu; unabhängig davon, ob das Kind, das sie adoptieren, weniger als 12 Monate alt ist oder nicht. Wir müssen die Art von Diskriminierung verhindern, die im Text erscheint.
Beim Thema Adoption bedauere ich die Tatsache, dass der Text so wenig ins Detail geht. Er umfasst nicht einmal die Ergebnisse der Ramboll-Folgenabschätzung. Nichts davon wurde gut behandelt, was eindeutig ein Schwachpunkt ist. Dennoch, trotz dieser Vorbehalte, unterstütze ich den Bericht von Frau Estrela, denn, ganz abgesehen von wirtschaftlichen Überlegungen, es gibt nicht nur Männer und Frauen, die ihre elterlichen Pflichten in einer Gesellschaft, die sich zunehmend von ihrer Verantwortung, junge Menschen aufzuziehen, zurückzieht, besser wahrnehmen müssen, sondern es ist auch unsere Pflicht, sicherzustellen, dass Menschen nicht wählen müssen, ob sie ihre Kinder für ihre Arbeit opfern oder ihre Arbeit für ihre Kinder.
Schließlich sind wir nicht Mitglieder des Rats sondern des Parlaments. Sagen Sie mir, wenn wir direkt gewählten Repräsentanten nicht ambitioniert sind, wer wird es dann sein?
Sylvie Guillaume (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, viele Dinge wurden gesagt, besonders gerade eben. Dennoch zeigen die unterschiedlichen neuen Entwicklungen und Kontroversen um Frau Estrelas Bericht Eines: Es ist heute immer noch schwer, das Thema der Gleichstellung der Geschlechter in Ruhe anzusprechen, besonders das einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Dieser Gesetzestext – bitte verzeihen Sie den Ausdruck – hatte eine schwierige „Gestationszeit“, vor allem, weil sich Ansichten in diesem Bereich noch stark ändern müssen. Folgenabschätzungen sind zweifellos notwendig, um ein umfassendes Verständnis der vorliegenden Probleme sicherzustellen. Jedoch müssen sie mit Bedacht und so, wie sie sich stellen, verstanden werden. Widersprüchliche Schlussfolgerungen sind, das möchte ich hinzufügen, deutlicher Beweis dafür.
Natürlich wäre es dumm, das Thema der potentiellen Kosten bestimmter Änderungsanträge nicht anzusprechen. Dennoch wäre es genauso dumm, sich zu weigern, die mittel- bis langfristigen sozioökonomischen Vorteile hinsichtlich der Gesundheit von Müttern und Kindern oder der Gleichstellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt in Betracht zu ziehen. Außerdem glaube ich, dass unsere Debatte etwas Besseres verdient, als bestimmte Karikaturen und bestimmte Stereotypen, die man heute noch hört.
VORSITZ: SILVANA KOCH-MEHRIN Vizepräsidentin
Regina Bastos (PPE). – (PT) Europa altert und hat sehr niedrige Geburtenraten. Diese Faktoren stellen große Herausforderungen für die Europäische Union dar und wir müssen ihnen mit konkreten Lösungen begegnen. Wir haben uns im Zuge dieser Aussprache auf diese Beobachtung geeinigt, trotz der während der Diskussion an den Tag gelegten unterschiedlichen Ansichten.
In Portugal ist die Geburtenrate beispielsweise nicht hoch genug, um die Generationenablöse zu sichern und diese Situation stellt eine Gefahr für die Zukunft dar. Dies geschieht in meinen Land sowie in den meisten Mitgliedstaaten der EU. Ich bin davon überzeugt, dass flexiblere Strategien in Bezug auf den Mutterschaftsurlaub dabei helfen können, diese Entwicklung umzukehren. Wir müssen Familien eine konsequente Botschaft der Unterstützung der Mutterschaft zukommen lassen, die konkrete Maßnahmen für die bessere Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben enthält. Frauen müssen geschützt werden, damit sie sich dafür entscheiden können, Kinder zu bekommen, ohne den Arbeitsmarkt verlassen zu müssen. Wenn wir die wirtschaftlichen und sozialen Ziele der Strategie Europa 2020 im Hinblick auf die Bekämpfung der demografischen Überalterung erreichen wollen, müssen wir diese Herausforderung unbedingt bestehen.
In Portugal werden während des Mutterschaftsurlaubs beispielsweise 120 Tage lang 100 % des Gehalts ausgezahlt, was ein Versuch ist, gegen die niedrigen Geburtenraten vorzugehen, denen wir momentan gegenüberstehen. Daher plädiere ich dafür, dass die Gehälter der Arbeitnehmerinnen während des Mutterschaftsurlaubs, wie im diskutierten Bericht beschrieben, gewährleistet werden sollten. Es scheint ein vernünftiger Schritt zu sein, jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit zu geben, bis 2020 Bedingungen zu schaffen, die das Ziel des vollen Arbeitsentgelts während des Mutterschaftsurlaubs gewährleisten.
Zu guter Letzt möchte ich die Berichterstatterin, Frau Estrela, beglückwünschen, die bei der Verteidigung der Maßnahmen für den Schutz der Familien hartnäckig geblieben ist, die auch der Überalterung der Bevölkerung vorbeugen.
Iratxe García Pérez (S&D). – (ES) Frau Präsidentin, ich denke, wir sind uns alle der Verantwortung bewusst, die das Parlament heute bei der Revision der Richtlinie über die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerinnen tragen muss; eine Richtlinie, die wir bereits seit der letzten Wahlperiode diskutieren und bei der, aufgrund verschiedener Ansichten und Schwierigkeiten, noch keine Fortschritte gemacht wurden.
Deswegen sage ich heute, dass wir trotz unserer unterschiedlichen Ansichten die Verantwortung auf uns nehmen müssen, damit wir einen Fortschritt bei der Gleichberechtigung von Männern und Frauen erreichen können und die Lebensumstände von Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessern können.
Diese Richtlinie erhöht die Anzahl der Wochen für den Mutterschaftsurlaub, da wir uns, wie ich glaube, geeinigt haben, dass 14 Wochen nicht ausreichen und wir diesen Zeitraum verlängern müssen. Jedoch sprechen wir neben der Anzahl der Wochen auch über die Kündigung von Wöchnerinnen, die wir als ungerechtfertigte Kündigung ansehen, oder den Vaterschaftsurlaub, der zum Wohle der Gesundheit einer berufstätigen Mutter gewährt wird.
Ich verstehe nicht, wieso einige sagen, dass der Vaterschaftsurlaub der Gesundheit einer berufstätigen Mutter nicht zugutekommt. Natürlich ist dies der Fall. Wenn wir Mutter und Vater ermöglichen, die Aufgabe der Versorgung eines Kindes in den ersten Tagen nach der Geburt zu teilen, stellt dies einen essenziellen und grundlegenden Schritt für den Fortschritt im Hinblick auf die Gleichstellung von Männern und Frauen dar. Es gibt Länder wie Spanien, die bereits einen unabhängigen und übertragbaren Vaterschaftsurlaub eingerichtet haben.
Wir müssen es Männern ermöglichen, die Verantwortung gemeinsam mit den Frauen zu übernehmen, damit der Weg, den wir momentan vor uns haben, besser verfolgt werden kann. Ich denke, dass dies wichtig ist.
Ich möchte der Berichterstatterin, Frau Estrela, für ihre Arbeit danken und für die Verantwortlichkeit des Parlaments, das ...
(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin)
Godfrey Bloom (EFD). – Frau Präsidentin, vor fünfeinhalb Jahren erregte ich ein gewisses Aufsehen mit meiner Andeutung, dass jeder Kleinunternehmer, der halbwegs bei klarem Verstand ist, wahnsinnig sei, wenn er eine Frau im gebärfähigen Alter einstellt.
Seitdem ist es immer nur schlimmer geworden und das Gleichgewicht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist völlig außer Kontrolle geraten. Einer meiner Wähler aus York schrieb mir letztes Jahr und sagte, dass das Thema der Anstellung der Frauen im gebärfähigen Alter gar nicht mehr entscheidend wäre, sondern dass ein Kleinunternehmer, der überhaupt irgendjemanden einstellt, verrückt sein muss.
Wir stehen hier vor einer ungewöhnlichen Situation, oder nicht? Es gibt junge Frauen, die unbedingt arbeiten wollen, die unbedingt für Unternehmen und vor allem für kleine Unternehmen arbeiten wollen – die ja die treibende Kraft der Wirtschaft des Vereinigten Königreichs darstellen – und es gibt Arbeitgeber, die zu verängstigt sind, um sie einzustellen. Vor diesem Problem stehen wir. Wir machen es hier in diesem Haus, in dem die Mitglieder so wenig Wirtschaftserfahrung besitzen, fast unmöglich für kleine Unternehmen, junge Frauen einzustellen, obwohl sie dies gerne machen würden.
Ich habe immer gedacht, es gäbe eine Art chinesische Verschwörung, im Zuge derer dieses Haus das Funktionieren der europäischen Wirtschaft fast unmöglich machen wollte und die Chinesen hinter den Kulissen alles so schlimm machen wollten, dass wir letztendlich ausnahmslos alles aus China importieren müssten. Nun habe ich allerdings eine andere Theorie, nämlich, dass die Frauen, die es in den Ausschüssen, der Kommission und diesem Haus den kleinen Unternehmen so schwierig machen, junge Frauen einzustellen, sich einfach selbst am nächsten stehen.
Ich würde sagen, dass, sobald die Wählerschaft sie sich genauer ansieht und sie in einigen Jahren aufgrund von Inkompetenz und Dummheit aus dem Amt wirft, sie nur wieder den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen werden, weil sie mittleren oder höheren Alters sind. Ihnen steht nichts mehr im Wege. Das ist meine Theorie. Mir fällt keine andere vernünftige Antwort auf diese Art der lächerlichen Einmischung in die Angelegenheiten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Wenn Sie denken, dass dies eine abwegige Theorie ist, denken Sie nur daran, wie in diesem Haus über den Klimawandel gesprochen wird und glauben Sie mir, nichts ist zu dämlich für diese Kammer.
Salvatore Iacolino (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, ohne Zweifel sollten wir die Tatsache begrüßen, dass dieser Vorschlag einer Rechtsvorschrift dem Parlament zur Aussprache vorgelegt wurde, nachdem 18 Monate intensiv daran gearbeitet wurde. Es ist klar, dass ein derartiges Projekt von einigen empfindlichen Faktoren charakterisiert wird, da die entsprechenden Gesetze sich in den Mitgliedstaaten stark unterscheiden. In jedem Fall sollte die innovative Tragweite dieser Maßnahme als Ergebnis sehr positiv betrachtet werden, genauso wie die Bestätigung des Grundsatzes, dass die Familie im Mittelpunkt stehen muss und die Gewährleistung einer besseren sozialen Absicherung für Frauen und Frauen unter besonderen Umständen, wie dem Umstand, ein Baby zu bekommen.
Für Frauen, die ein Kind bekommen, muss ebenfalls ein konstanter Schutz gewährleistet werden – und das sage ich, obwohl ich finde, dass die Regulierungen dieser Maßnahme weitreichender sind als ursprünglich angedacht – da erwähnt werden muss, dass es in Europa und vielen Mitgliedstaaten nach wie vor einen deutlichen Unterschied zwischen dem angebotenen Schutz im Hinblick auf Geburt und das ungeborene Baby gibt.
Diese Maßnahme muss eindeutig damit verbunden werden, dass der Missbrauch durch Arbeitgeber unterbunden wird und die betreffenden Bereiche der Änderungsanträge sollten eingegrenzt werden – einige dieser Anträge machen diese Rechtsvorschriften meiner Meinung nach insgesamt zu unflexibel – dabei sollten wir mit dem Vaterschaftsurlaub beginnen, der mit einer Maßnahme, die vornehmlich dem Schutz der Frauen dienen soll, nicht sehr viel zu tun hat.
Es besteht kein Zweifel, dass die Problematik bezüglich der eingewanderten Arbeitnehmerinnen und der Hausangestellten gründlich betrachtet werden muss, die ebenfalls ein Element dieses Themenbereichs ausmacht – dem Vorschlag einer Rechtsvorschrift über Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen – auf einem flexiblen und elastischen Arbeitsmarkt, auf dem Frauen vor allem jetzt als Ressource zum Dienste an der Gesellschaft betrachtet werden müssen.
Nicole Sinclaire (NI). – Frau Präsidentin, die Arbeitgeber und die Regierung des Vereinigten Königreichs drängen die britischen Abgeordneten dazu, gegen die Vorschläge zur Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs bei vollem Arbeitsentgelt von 14 auf 20 Wochen zu stimmen – obwohl ich denke, dass dies eine augenfällige Scheinheiligkeit seitens der Konservativen ist, die im Ausschuss noch einen Änderungsantrag vorlegten, der 24 voll bezahlte Wochen vorschlug. Wie ich gerne sage, kennt Scheinheiligkeit offenbar keine Grenzen.
Die britische Vereinigung der Kleinunternehmer („British Federation of Small Businesses“) erklärte, dass diese Pläne nicht bezahlbar seien und dass sie den britischen Unternehmen jährlich Kosten von mehr als 2,5 Mrd. GBP aufbürden werden. Sogar die Koalitionsregierung im Vereinigten Königreich, an der auch die Liberaldemokraten beteiligt sind, ist gegen diese Änderungen. Durch die vorgeschlagenen Änderungen werden für das Vereinigte Königreich Kosten von 2 Mrd. GBP entstehen und das in einer Zeit, in der im privaten und öffentlichen Sektor Arbeitnehmer entlassen werden, um weitaus kleinere Summen einzusparen.
Es ist ebenfalls der Fall, dass diese Änderungen sich möglicherweise selbst im Keim ersticken, da nach Angaben der britischen Regierung vor allem die höchstbezahlten Arbeitnehmerinnen profitieren, während die schlechtbezahlten Arbeitnehmerinnen kaum etwas davon haben. Diese Änderungen werden, auch wenn sie gut gemeint sind, im Endeffekt dazu führen, dass wir bei der Entwicklung für das Erreichen der Gleichstellung von berufstätigen Müttern zurückgeworfen werden. Es wird ebenfalls so kommen, dass diese Änderungen Arbeitgeber dazu verleiten werden, männliche Bewerber den weiblichen vorzuziehen.
Frau Präsidentin, es gibt andere Wege, die Rechte der Mütter nach der Geburt zu stärken, wie beispielsweise flexiblere Urlaubssysteme. Wir müssen auch die starken sozialen und kulturellen Unterschiede in den verschiedenen Mitgliedstaaten respektieren. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Die arbeitenden Familien, die sich so sehr darauf verlassen, dass wir diese Rechtsvorschriften gut auf den Weg bringen, damit sie leben, arbeiten und Kinder großziehen können, leben in der wirklichen Welt, nicht in einem ideologischen Euro-Disneyland.
Diese Änderungen kommen zu einer falschen Zeit und die falschen Menschen profitieren davon. Zu einer Zeit, in der die Regierungen überall in der Europäischen Union versuchen, die öffentlichen Ausgaben zu verringern, wollen Sie die Kosten der Beschäftigung erhöhen, was einen Sektor treffen wird, in dem der Frauenanteil überdurchschnittlich hoch ist und die Frauen daher eher von der Möglichkeit der Kündigung betroffen sind. Im Vereinigten Königreich gibt es bereits jetzt die gerechtesten und großzügigsten Standards in Bezug auf Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub. Britische Mütter erhalten momentan sechs Wochen lang ein Gehalt von 90 %, gefolgt von 33 Wochen gesetzlich festgelegtem Mutterschaftsgeld von 125 GBP pro Woche.
Ich werde im Interesse des britischen Volkes abstimmen. Ich werde dem Rat der Regierung Ihrer Majestät folgen und gegen die Änderungsanträge zum Mutterschaftsgeld stimmen.
Ria Oomen-Ruijten (PPE). – (NL) Frau Präsidentin, ich habe mir alles, was in dieser Plenarsitzung gesagt wurde, angehört und ich bin sicher, dass die Gleichbehandlung von Männern und Frauen – die bislang eine Menge Mut und Anstrengungen sowie große Geldsummen gekostet hat – nicht erreicht wurde. Ich sage dies nicht nur zu einer Reihe meiner Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion – die zufälligerweise die Kammer verlassen haben – sondern auch anderen. Soviel zum ersten Punkt.
Der zweite Punkt betrifft die Überalterung und die keulenförmige demografische Entwicklungsstruktur der Gesellschaft. Dies ist für Europa eine äußerst wichtige Angelegenheit und somit ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir das Kinderkriegen unterstützen. Beispielsweise schätze ich das Interview der französischen Finanzministerin Frau Lagarde, das sie zum Thema der Frauen am Arbeitsplatz gegeben hat, da es ausgezeichnet war. In der Tat hoffe ich, dass wir uns danach richten.
Der dritte Punkt betrifft die Tatsache, dass die Gleichbehandlung eine Verpflichtung zu einem sozialen Europa darstellt. Wir sagten, dass Männer und Frauen in diesem sozialen Europa Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt genießen müssen und in der Lage sein müssen, Kinder zu haben. Momentan zielen wir alle auf 18 Wochen ab und wir haben uns mehr oder weniger auf 18 Wochen geeinigt, aber wir wissen noch nicht, wie wir uns das leisten können.
Ich hege absolut keine Einwände gegen den von meiner Fraktion vorgelegten Kompromiss, der ein Maximum von 75 % für diese vier Wochen vorsieht. Wogegen ich allerdings Einwände hege, ist die Tatsache, dass der betreffende Kompromiss auch eine Verknüpfung zu den Gesundheitskosten enthält. Darin liegt mein Haupteinwand, da es Ländern wie Großbritannien und Irland – und auch in Frankreich werden diese Kosten stark subventioniert – die Möglichkeit einräumt, diese 75 % zu umgehen, die weiterhin bezahlt werden müssen. Daher frage ich mich, ob wir diesen Teil des Kompromisses bei der Stimmabgabe vielleicht ablehnen können. Dies würde auch bedeuten, dass wir hier in der Lage waren, eine verabschiedete Stellungnahme abzuliefern, die wohl eine Mehrheit im Rat erreichen könnte.
Pascale Gruny (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, wir brauchen europäische Rechtsvorschriften, die die Gesundheit von schwangeren Frauen, Wöchnerinnen und stillenden Müttern schützen und wir müssen uns der uns bevorstehenden demografischen Herausforderung stellen und eine Steigerung der Geburtenraten in Europa vorantreiben. Jedoch darf dieser Vorstoß nicht dazu führen, dass Unternehmen vor der Einstellung von Frauen abgeschreckt werden.
Ich möchte an dieser Stelle drei Punkte hervorheben: Als erstes begrüße ich den Vorschlag der Europäischen Kommission über Sicherheit und Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Ich möchte den Titel noch einmal herausstellen, der den rechtlichen Rahmen dieser Richtlinie darstellt, da wir manchmal zu vergessen scheinen, worum es in diesem Text eigentlich geht. Wir sprechen hier über Frauen, da Männer, zumindest bis einer das Gegenteil beweist, keine Kinder gebären können.
Diese Aussprache verliert durch die Verweise auf Vaterschafts- oder Elternurlaub zunehmend an Bedeutung. Lassen Sie uns zuerst das Problem der Frauen lösen, indem wir uns darauf konzentrieren, dass wir ihre Gesundheit schützen, wenn sie ein Kind zur Welt bringen. Wir müssen wirkliche Garantien einführen, damit die Gesundheit dieser Frauen auf dem Arbeitsmarkt geschützt wird. Um Vaterschafts- und Elternurlaub kümmern wir uns in einer anderen Richtlinie.
Zweitens dreht sich die Aussprache um die Anzahl der Wochen. Momentan liegt der durchschnittliche Mutterschaftsurlaub bei 14 Wochen. Die Europäische Kommission schlägt 18 Wochen vor und der Bericht 20. Offensichtlich möchte ich als Frau und Mutter dreier Kinder, dass Mütter so lange wie möglich bei ihren Neugeborenen bleiben können. Daraus folgt allerdings die Frage: Wer soll diese Verlängerung von 14 auf 20 Wochen bezahlen? Der Staat? Die Unternehmen?
Ich bin davon überzeugt, dass die durchschnittliche Erhöhung von 14 auf 18 Wochen einen großen europäischen Fortschritt und eine wirkliche Investition seitens unserer Wirtschaft in die Erhöhung der Geburtenraten in Europa darstellt. Zwanzig Wochen bergen die Gefahr, eine negative Auswirkung auf die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen auszuüben: Ihre Beschäftigung würde behindert. In diesen Krisenzeiten können Unternehmen und Staaten diese schwere finanzielle Mehrbelastung nicht tragen.
Drittens müssen wir der Verbesserung der Kinderbetreuung mehr Beachtung schenken, damit Müttern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht wird. In dieser Sache haben wir kaum Fortschritte gemacht, obwohl unser Parlament mehr als einmal dazu aufrief. Lassen Sie uns also nicht kontraproduktiv agieren und schicken wir die Frauen nicht wieder nach Hause.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, der Familie von Maricica Hăhăianu mein Beileid auszusprechen. Die 32 Jahre alte Krankenschwester aus Rumänien war nach Italien gekommen, um eine bessere Arbeitsstelle zu finden. Letzte Woche kam sie ums Leben, nachdem ein junger italienischer Mann sie in einer U-Bahnstation in Rom angegriffen hatte.
Ich glaube, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse für Europa zum Thema werden müssen. Frauen arbeiten vermehrt in schlechtbezahlten Jobs und stellen die deutliche Mehrheit bei den Teilzeitarbeitnehmern in der Europäischen Union dar. Jedoch gibt es einige Fälle, in denen die Krise sich nur begrenzt auf die Frauen ausgewirkt hat, die aktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen. In Rumänien stieg beispielsweise der Anteil der Frauen, die eine Stelle gefunden haben, auch im Jahr 2009 weiter an.
Ich muss die Situation der Frauen erwähnen, die im Ausland arbeiten. Oft arbeiten sie abseits der rechtlichen Vorschriften und besitzen keinerlei Rechte …
(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin)
Rovana Plumb (S&D). – (RO) Ich muss mich erneut auf die Richtlinie über den Mutterschaftsurlaub berufen. Ich habe der Aussprache an diesem Abend sehr aufmerksam zugehört und ich möchte sagen, dass diejenigen, die sich gegen den Vorschlag stellen, ich beziehe mich hierbei auf die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs bei vollem Arbeitsentgelt, nur ein Argument vorbringen können – die wirtschaftliche Argumentation. Dies ist aber zu weit vereinfacht, denn schauen wir über das Haushaltsdefizit hinaus, geht es hier um Menschen. Sie sind sich nicht darüber im Klaren, dass die Bilanz der Vorteile sowohl für die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmerinnen für diesen Bericht spricht. Ich meine, dass auch die Arbeitgeber profitieren, weil sie in die Zukunft investieren.
Außerdem sind die Gegner nicht in der Lage, zu verstehen, dass sie die Mutterschaft an sich in Gefahr bringen und das in einer Zeit, in der die Geburtenraten fallen, ganz davon zu schweigen, dass die Bevölkerung älter und ärmer wird, was einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Sozialversicherungssysteme hat.
Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin, auch ich habe allem, was hier bis jetzt gesagt wurde, aufmerksam zugehört und ich möchte anmerken, dass zu viel des Guten auch einen negativen Effekt haben kann, wie es so oft der Fall ist. Die Argumente, die zur Verteidigung des Super-Mutterschaftsurlaubs vorgebracht werden – 20 Wochen, von denen sechs Wochen vor und zwei Wochen nach der Geburt genommen werden müssen und das bei vollem Arbeitsentgelt – sind nicht wirklich überzeugend. Mit derartigen isolierten Maßnahmen wird Europa sicherlich nicht die hochkomplexen Herausforderungen der Demografie und der Beschäftigung von Frauen bestehen.
Wer kann ernsthaft glauben, dass Menschen sich dafür entscheiden, ein Kind zu bekommen, um fünf Monate Urlaub anstelle von viereinhalb Monaten zu bekommen? Andererseits glaube ich nicht, dass es der Situation von Frauen hilft, wenn wir ihnen ihre Entscheidungsfreiheit nehmen. Lassen Sie uns darüber hinaus an die Auswirkungen, also die Kollateralschäden der von uns getroffenen Entscheidungen, denken. Der Schutz der Frauen bedeutet vorrangig, dass wir mit unseren Forderungen nicht übers Ziel hinausschießen und somit keine neuen Arten der Diskriminierung der Frauen den Weg ebnen, die sich bei er Ersteinstellung und der Rückkehr zur Arbeit bemerkbar machen, wie es beispielsweise die Experten der OECD und der „Union des classes moyennes“ bestätigen.
Daher bin ich klar für die Lösung mit 18 Wochen Urlaub, für den Grundsatz des Vaterschaftsurlaubs und natürlich dafür, dass es im Aufgabenbereich der Mitgliedstaaten liegt, weiterführende Maßnahmen zu ergreifen.
Franziska Katharina Brantner (Verts/ALE). - Frau Präsidentin! Ich möchte nur einen kurzen Punkt ansprechen, und zwar die Anerkennung von Elternzeiten in den einzelnen Ländern. Herr Mann hat dazu auch mit seinen Kollegen Änderungsanträge gestellt, unter anderem Änderungsantrag 115, in dem es im ersten Teil wirklich darum geht, die vier Wochen anrechnen zu lassen oder nicht.
Leider ist aber damit im zweiten Teil des Antrages – und das lese ich jetzt vor, damit das auch wirklich deutlich ist – verknüpft, dass die Vergütung der durchschnittlichen Vergütung während der 18 Wochen Mutterschaftsurlaub entsprechen kann, die mindestens 75 % des letzten Monatsgehalts oder eines durchschnittlichen Monatsgehalts nach einzelstaatlichem Recht entspricht, wobei das einzelstaatliche Recht eine Obergrenze vorsehen kann. De facto bedeutet das, dass wir eine europäische Harmonisierung aufgeben, wenn es um die Finanzierung in diesem Bereich geht und darum, wie viel eine Frau in der Zeit bekommt. Das geht aber nicht. Ich fände es extrem schade, wenn man das zusammen abstimmt, da wir im Endeffekt doch nicht auf europäischer Ebene die Harmonisierung aufgeben, sondern nach oben heben wollen, um für alle Frauen und Männer etwas zu verbessern.
Cornelia Ernst (GUE/NGL). - Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sollten uns fragen, was wir mit dieser gesamten Diskussion eigentlich wollen. Geht es um ein bisschen Gleichstellung, um ein bisschen Familienförderung, möglichst kostengünstig? Natürlich kostet die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Geld. Ich frage meinen Kollegen aus Deutschland ganz schlicht: Was sind denn Ausgaben von einer Milliarde in Deutschland, wenn gleichzeitig 450 Milliarden als Bankbürgschaften ausgegeben werden? Was wollen wir denn eigentlich auf diesem Feld? Eine hundertprozentige Bezahlung im Elternurlaub, das ist völlig korrekt. Ja, was denn sonst? Das ist doch keine Freizeit, es ist auch kein Urlaub, es ist Arbeit, was hier gemacht wird!
Natürlich sind wir auch für die Ausweitung auf 20 Wochen, weil wir meinen, dass nur so tatsächlich dieser Arbeit nachgekommen werden kann.
Es geht auch nicht nur um ein bisschen Gleichstellung im Erwerbsleben. Wir wollen sie ganz, für Frauen und Männer. Und dazu bedarf es drastischer Schritte, wie beispielsweise des gesetzlichen Mindestlohns in allen Ländern.
Angelika Werthmann (NI). - Frau Präsidentin! Die Frage des Mutterschutzes sollte aus Gründen der kulturellen Unterschiede in Europa eine Angelegenheit der Mitgliedstaaten bleiben. Österreich hat 16 Wochen Mutterschutz. Eine Ausweitung würde pro Verlängerungswoche im Jahr 17,4 Millionen Euro kosten. Wären 20 Wochen verpflichtend, dann wären es für Österreich über 60 Millionen. Weitere Mehrkosten entstünden, wenn es noch zusätzlich einen zweiwöchigen bezahlten Babyurlaub für jeden Vater gäbe.
Überlegen wir sehr klar: Erstens ist dies eine ganz persönliche Entscheidung der Eltern, zweitens sehe ich hier die Gefahr einer weiteren Diskriminierung der Frauen im gebärfähigen Alter. Das kann einen Anstieg der prekären Arbeitsverhältnisse, in welchen schon 31,5 % der erwerbstätigen Frauen stehen, fördern. Die Frage ist: Wollen wir das wirklich?
Seán Kelly (PPE). – (GA) Frau Präsidentin, wir haben hier an diesem Abend eine ausgezeichnete Aussprache gehalten und allgemein betrachtet wurden vor dieser Kammer viele gute Argumente vorgebracht. Die angesprochenen Argumente waren idealistisch, aber Frau Estrela verdient ein Lob dafür, dass sie diese Argumente für uns dargelegt hat. Gleichzeitig müssen wir aber praktisch und realistisch denken. Ich habe meine Zweifel. Wenn wir die Gesamtheit der vorliegenden Vorschläge umsetzen, ist es gut möglich, dass vor allem junge Frauen nicht mehr in der Lage sein werden, eine Anstellung zu finden. Ich betrachte dies aus der Sicht eines Vaters. Ich habe zwei Töchter und möchte, dass sie dieselben Chancen auf eine Anstellung haben können, die auch Jungen haben. Das ist die Hauptsache! In Irland befinden wir uns momentan im einem finanzpolitischen Dilemma. Ganze 20 % der jungen Menschen sind arbeitslos. Täglich schließen vier klein- und mittelständische Unternehmen und uns steht der schlimmste Haushaltsplan bevor, dem wir uns je stellen mussten. Auch wenn er viele gute Vorschläge enthält, wären diese vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt angebrachter. Ich denke nicht, dass sie in der aktuellen Situation praktikabel sind.
Marita Ulvskog (S&D). – (SV) Diese Aussprache war sehr aufregend. Ich denke, sie zeigt, dass es eine Möglichkeit für uns gibt, einen Kompromiss zu finden, damit wir eine Entscheidung über dieses Thema treffen können.
Ich glaube, dass es gut wäre, wenn wir dies machen könnten und natürlich müssen wir bei unserer Vorgehensweise bedenken, dass wir über unterschiedliche Systeme verfügen. In den einzelnen Mitgliedstaaten wurden unterschiedliche Fortschritte gemacht.
Ich komme aus Schweden, wo unser Elternurlaub mehr als ein Jahr beträgt, eine hohe Bezahlung mit sich bringt und wo der Vater verpflichtet ist, einen Teil des Elternurlaubs zu übernehmen.
Ich glaube nicht, dass wir etwas derartig Gutes für Männer, Frauen und Kinder sowie für die Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt auf Ebene der Europäischen Union schaffen könnten. Lassen Sie uns jedoch sicherstellen, dass wir eine minimale Richtlinie hervorbringen, um zu einer Einigung zu kommen.
Elżbieta Katarzyna Łukacijewska (PPE). – (PL) Zum Thema der beruflichen Aktivitäten von Frauen möchte ich zwei Altersgruppen berücksichtigen: Die erste Gruppe, über die heute schon viel gesprochen wurde, sind junge Frauen, die sehr gut ausgebildet sind und keine Anstellung bekommen, da Arbeitgeber oftmals die Kosten fürchten, die mit einer Schwangerschaft und dem Mutterschaftsurlaub einhergehen.
Die zweite Gruppe sind Frauen über 50, denen weniger Produktivität und Kreativität zugetraut wird. Der Statistik nach stellen Frauen zwischen 59 und 60 nur 25 % der Arbeitnehmer in dieser Altersgruppe. Der Anteil der über 60 Jahre alten Frauen, die noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, ist noch geringer. Deswegen sollten wir, wenn wir über die Arbeitnehmerinnen in prekären Beschäftigungsverhältnissen sprechen, diese beiden Gruppen berücksichtigen und alles in unserer Macht stehende unternehmen, damit Frauen geholfen wird, die erste Anstellung zu finden, nach dem Mutterschaftsurlaub zurück in die Arbeitswelt zu finden und ihre Qualifikationen zu erhöhen.
(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin)
Izaskun Bilbao Barandica (ALDE). – (ES) Frau Präsidentin, diese Initiative zielt darauf ab, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen und Wöchnerinnen zu verbessern und Maßnahmen umzusetzen, um Familie und Beruf vereinbarer zu machen.
Europäische Frauen blicken heute auf das Europäische Parlament und erwarten von uns, dass wir die modernen Maßnahmen ergreifen, die im 21. Jahrhundert erforderlich sind. Daher müssen wir über die Möglichkeit des 20-Wochen-Urlaubs sprechen, die Möglichkeit des Arbeitsentgelts für die Mutter von 100 %, auch für selbstständige Mütter, über die Möglichkeit, dass Väter den Elternurlaub nach der Geburt nehmen und über das Schaffen von gleichen Bedingungen für Männer und Frauen bei der Inanspruchnahme dieses Urlaubs. Es geht nicht nur um die Frauen.
Wenn wir über die Kosten des Mutterschaftsurlaubs sprechen, ist es nicht nur eine weitere Bestrafung für Frauen; es zeigt die fehlende Verantwortlichkeit, angesichts der Krise hinsichtlich der Geburtenraten und der aktuell alternden Bevölkerung in Europa, Faktoren, die beide auch zur Entwicklung der Wirtschaftskrise beitragen.
Ist es Ihnen in den Sinn gekommen, danach zu fragen, was die Kosten der Arbeitsversäumnis in Europa sind? Ich habe darüber kein einziges Wort gehört. Wir haben die Möglichkeit, Fortschritte bei der Gleichstellung von Männern und Frauen zu machen, also lassen Sie und die Menschen Europas nicht enttäuschen.
Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. – Frau Präsidentin, ich möchte den geschätzten Abgeordneten für ihre Teilnahme an dieser wichtigen, anregenden und, wie ich sagen möchte, sehr leidenschaftlichen Aussprache danken.
Auch wenn wir diese Themen von verschiedenen Standpunkten aus betrachten, können sich die meisten von uns in mehreren Punkten einigen. Mutterschaftsurlaub sollte nicht bestraft werden; wir müssen sehr hart daran arbeiten, die gleiche Bezahlung durchzusetzen; außerdem müssen wir die wirtschaftlichen Folgen der hier getroffenen Entscheidungen sehr sorgsam beachten.
Viele von Ihnen sprachen das Thema des Vaterschafts- oder Elternurlaubs an. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die soeben angenommene Elternurlaubs-Richtlinie den Eltern ein Minimum von acht Monaten je Kind einräumt. Zum ersten Mal gibt es für Väter einen rechtlichen Anreiz auf Ebene der Europäischen Union, einen Urlaub in Anspruch zu nehmen.
Ein ganzer Monat des Urlaubs verfällt, wenn der Vater seine Verantwortung nicht übernimmt. Diese Richtlinie tritt demnächst in Kraft und wir werden auf diesem Fortschritt aufbauen und weitere Vorschläge zum Thema Elternurlaub sorgfältig prüfen.
Wie ich in meinen einleitenden Bemerkungen sagte, untersuchen wir aktuell die Situation und werden Ihnen die Ergebnisse in Kürze vorstellen.
Lassen Sie mich die Unterstützung für Väter, an der Elternschaft teilzuhaben, durch eine persönliche Anmerkung unterstreichen. Ich hatte das Glück, bei der Geburt zweier meiner drei Kinder anwesend zu sein. Natürlich konnte ich damals im Krankenhaus nichts weiter machen, als ein tapferes Gesicht aufzusetzen und so zu erscheinen, als sei ich weder besorgt noch verängstigt und meiner Frau die bestmögliche moralische Unterstützung zu bieten. Manchmal kümmerten sich aber auch meine Frau und die liebenswürdigen Krankenschwestern um mich, damit ich diese moralische Unterstützung bieten konnte! Ich werde diese überaus wichtigen Momente nach der Geburt und die ersten Tage niemals vergessen, in denen ich meiner Frau mit dem Neugeborenen helfen konnte.
Es ist ganz klar, dass nicht nur Mütter eine Bindung zum neugeborenen Baby herstellen müssen. Väter müssen dies genauso und wir müssen sie ermutigen, das Modell der Vaterschaft verändern und Bedingungen schaffen, unter denen auch Väter eine Bindung zu ihren neugeborenen Babys aufbauen können.
Um auf die heute besprochenen Berichte zurückzukommen, habe ich in Bezug auf Frau Thomsens Bericht über prekäre Beschäftigungsverhältnisse sorgsam auf das hier Gesagte geachtet. Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission Aktionen unterstützen wird, die die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerinnen in prekären Beschäftigungsverhältnissen verbessern, indem wir die nationalen Beschäftigungspolitiken der Staaten überwachen und im Speziellen Unterstützung durch Strukturfonds leisten.
Im Hinblick auf Frau Estrelas umfassende Arbeit über den Vorschlag der Kommission für eine verbesserte Mutterschaftsurlaubs-Richtlinie versuchen wir in der Tat ein sehr schwieriges Gleichgewicht herzustellen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Grundrechte der Arbeitnehmerinnen gewahrt werden, aber wir dürfen den Mitgliedstaaten keine Ausrede bieten, diese äußerst wichtigen Verhandlungen einzustellen. Wir müssen die Modelle untersuchen, die uns eine hohe Beschäftigungsquote und gleichzeitig hohe Geburtenraten bieten.
In diesem Sinne begrüßt die Kommission die Änderungsanträge, die eine Beibehaltung des Mindesturlaubs von 18 Wochen fordern, einen Alternativvorschlag zur Höhe des Mutterschaftsentgelts bieten, den Verweis auf den Krankheitsurlaub enthalten und andere Arten des Urlaubs als Mutterschaftsurlaub zulassen.
All dies unter der Prämisse, dass es nicht zu einer Abschwächung des bestehenden Schutzes führt. Ein Rückschritt in dieser Sache darf für die Europäische Union keine Option darstellen.
Ich hoffe sehr, dass das Parlament und der Rat sich in dieser Sache auf einen Kompromiss einigen werden. Der Standpunkt der Kommission zielt darauf ab, die Lücke zwischen den Standpunkten der beiden Institutionen zu überbrücken und eine solide Grundlage für kommende Diskussionen zu bieten.
Die Verbesserung der Umstände der Frauen in Europa muss unser endgültiges Ziel darstellen. Sie tragen entscheidend zu unserer Gesellschaft bei und wir müssen einen Weg finden, sie dafür zu entlohnen.
Miroslav Mikolášik (PPE). – Frau Präsidentin, ich fürchte, dass vielen Kolleginnen und Kollegen das Wort erteilt wurde und sie kamen sicherlich nach mir und meiner Kollegin hier. Wir haben bereits um das Wort gebeten, als Präsident Buzek seinen Punkt zur Sprache brachte, also möchte ich Einspruch gegen diese Ungerechtigkeit bei der Erteilung des Wortes nach dem „Catch the eye“-Verfahren erheben.
Die Präsidentin. − Herzlichen Dank für Ihre Wortmeldung. Wie ich gesagt hatte, gab es sehr viel mehr Meldungen, als eigentlich angenommen werden können. Wir hatten 19 Wortmeldungen für einen Slot von fünf Minuten. Die Redner auf den Listen, die es hier gibt, habe ich versucht, entsprechend dranzunehmen.
Ihre Bemerkung wird selbstverständlich aufgezeichnet. Und wir werden bei den nächsten Debatten sicherlich sehr ernsthaft den Versuch unternehmen, das Ganze so gerecht wie möglich zu machen.
Edite Estrela, Berichterstatterin. – (PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich möchte Ihnen für Ihre Umsichtigkeit danken, die Sie bei Ihren einleitenden Bemerkungen und Ihrer abschließenden Rede an den Tag legten sowie für Ihre persönliche Aussage. Ich halte es für wichtig, dass dies in Verbindung mit den Aussagen anderer Leute betrachtet wird, wie beispielsweise die der anderen Abgeordneten, die während dieser Aussprache ebenfalls gesprochen haben, da auf diese Weise mit Sicherheit einige Vorurteile und Stereotypen, die in unserer Gesellschaft nach wie vor existieren, ausgeräumt werden können.
Daher ist es ebenfalls wichtig, dass wir auch den Vaterschaftsurlaub einschließen, indem wir die duale rechtliche Grundlage dieser Richtlinie, die das Ziel der Geschlechtergleichheit und der Vereinbarkeit von Familie und Privatleben verfolgt, optimal ausnutzen, denn eines der nach wie vor in unserer Gesellschaft bestehenden Vorurteile besteht darin, dass Frauen für die Reproduktion zuständig sind und Männer für die Produktion. Männer sind genauso Väter, wie Frauen Mütter und auch Arbeitnehmerinnen sind, daher steht ihnen sowohl der berufliche Erfolg als auch das Recht, ihre Kinder von Geburt an aufzuziehen, zu. Das Mitglied aus dem Vereinigten Königreich, der hier gesprochen hat, ist nicht anwesend. Ich hätte ihn gerne gefragt, ob David Cameron besser ist als andere Europäer, die auch gerne einen Vaterschaftsurlaub nehmen würden, aber in mindestens acht Mitgliedstaaten diskriminiert werden.
Wir befinden uns noch in der ersten Lesung, daher werden wir Gelegenheit haben, diese Vorschläge gemeinsam mit der Kommission und dem Rat zu verbessern. Ich möchte auch meinen verehrten Kolleginnen und Kollegen für ihre Mitarbeit danken. Ich finde, dass diese breite Unterstützung äußerst wichtig ist.
Wir leben sicherlich in schwierigen Zeiten, aber dies ist die Zeit, in der die Gesellschaften mutige Entscheidungsträger am dringendsten benötigen, denn wie es der römische Dichter Horaz vor tausenden von Jahren anmerkte, wird derjenige, der sich vor Stürmen fürchtet, am Ende kriechen.
Britta Thomsen, Berichterstatterin. – (DA) Frau Präsidentin, ich möchte meinen geschätzten Kolleginnen und Kollegen für ihre Anmerkungen zu dem Bericht über Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen danken und der Kommission meinen Dank für ihre Bereitschaft, Initiativen zur Verbesserung der Situation zu ergreifen, aussprechen.
Wie viele der Abgeordneten anmerkten, stellen Frauen die deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer dar, die unter schlechten Arbeitsbedingungen und für geringe Bezahlung arbeiten. Dies bedeutet nicht nur, dass Frauen in Europa weniger verdienen als Männer, sondern auch, dass Frauen geringere Renten erhalten, und wir werden in Europa zukünftig viele Frauen in Armut erleben, denn die Ehe bietet nicht mehr automatisch finanzielle Sicherheit im Alter.
Die anfälligste Gruppe auf dem europäischen Arbeitsmarkt sind die weiblichen Einwanderer. Diese Gruppe ist vermehrt von Ausbeutung betroffen, vor allem die 11 Millionen Frauen, die als Hausangestellte arbeiten. Zu dieser Gruppe gehören auch Au-Pairs. Au-Pair bedeutet übersetzt „zu gleichen Bedingungen“, aber viele der Frauen stammen von den Philippinen und aus den ehemaligen Sowjetrepubliken und arbeiten nicht als Au-Pair, um den kulturellen Austausch zu fördern. Sie kommen, weil sie Geld verdienen wollen und dieses System wird in Europa vielerorts ausgenutzt, um billige Arbeitskräfte zu bekommen. Ich möchte die Kommission dazu aufrufen, diese Situation zu untersuchen. Wir sollten nicht erlauben, dass diese Form der Ausbeutung in Europa legal ist. Wir müssen daher in Verbindung mit dem Au-Pair-System strenger agieren.
Entsprechend der eigenen Gehaltsstatistik der Kommission beginnt die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen, sobald die Kinder kommen. Wenn wir die komplette Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt erreichen wollen, müssen Frauen während des Mutterschaftsurlaubs das gleiche Arbeitsentgelt erhalten und Männer müssen in die Versorgung der Kinder eingebunden werden und somit das Recht auf Vaterschaftsurlaub erhalten.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung über den Bericht Estrela findet am Mittwoch, 20. Oktober, statt.
Die Abstimmung über den Bericht Thomsen findet am Dienstag, 19. Oktober, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Sergio Berlato (PPE), schriftlich. – (IT) Die Gleichstellung von Männern und Frauen stellt einen der Grundsätze der Europäischen Union dar. Sie wurde bereits 1992 im Maastricht-Vertrag definiert und einige Jahre später im Vertrag von Amsterdam (1997) sowie in der aktuellen EU-Strategie 2010-2015. Eine der Prioritäten der sozialen Agenda der Europäischen Union ist die Notwendigkeit, Strategien zu fördern, die der Unterstützung der Vereinbarkeit von Arbeits-, Privat- und Familienleben der Frauen dienen. In diesem Zusammenhang stellt die Mutterschaft ein absolut grundlegendes Recht zum Zweck der sozialen Stabilität dar.
Die Europäische Union steht momentan vor eine demografischen Herausforderung, die sich aus niedrigen Geburtenraten und dem ständig größer werdenden Bevölkerungsanteil der älteren Menschen ergibt. Ich glaube, dass die Verbesserung von Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen betreffen, einen Teil der Antwort auf diese negative demografische Entwicklung darstellt. Ich bin mir der Bedeutung bewusst, die die Einführung besserer Schutzmechanismen gegen Entlassungen in der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis unmittelbar nach dem Ende des Mutterschaftsurlaubs trägt.
Daher unterstütze ich die zu diesem Zweck eingebrachten Änderungsanträge, einschließlich und ganz besonders das Recht einer Frau, zu ihrem alten Arbeitsplatz zurückzukehren oder eine gleichrangige Position zu erhalten.
Zuzana Brzobohatá (S&D), schriftlich. – (CS) Das grundlegende Ziel des Berichts liegt in der Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Ich persönlich halte den Vorschlag über die Verlängerung des Mindest-Mutterschaftsurlaubs von 14 auf 20 Wochen für den wichtigsten Aspekt, da dies zur Verbesserung der Gesundheit und der psychologischen Verfassung der Mutter beitragen wird, die auf diese Weise in der Lage sein wird, ihr Kind uneingeschränkt zu versorgen. Die Verlängerung der Mindestdauer des Mutterschaftsurlaubs fördert ebenfalls das Stillen, was nachgewiesenermaßen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit von Mutter und Kind mit sich bringt. Ebenso wichtig ist meiner Meinung nach der aktuelle Vorschlag, den finanziellen Beitrag zum Mutterschaftsurlaub mit dem vollständigen Gehalt der Arbeitnehmerin zu bemessen – also dem durchschnittlichen Monatsgehalt – oder zumindest 85 % davon. Diese Maßnahmen reichen aus, um Familien und vor allem Familien mit nur einem Elternteil vor dem Abrutschen unter die Armutsgrenze und vor sozialer Ausgrenzung zu schützen. Ein Teil des Berichts befasst sich mit dem traditionellen Rollenverständnis bezüglich der Frauen. Frauen und nicht Männer tragen nach wie vor die Hauptverantwortung bei der Versorgung der Kinder und anderer Schutzbefohlener und sind daher oft gezwungen, sich zwischen einem Leben als Mutter oder der beruflichen Entwicklung zu entscheiden. Daher ist es sehr wichtig, dass die neuen Formen des Elternurlaubs die bestehenden sozialen Stereotypen weder widerspiegeln noch verstärken. Der Vorschlag betrifft die Tschechische Republik nur im Hinblick auf die Höhe der Mutterschaftszahlungen und nicht in Bezug auf die Länge des Mutterschaftsurlaubs.
Corina Creţu (S&D), schriftlich. – (RO) Frauen sind die häufigeren Opfer der Rezession, was auf die Entlassungen zurückzuführen ist, die vornehmlich prekäre Beschäftigungsverhältnisse betreffen. Am schlimmsten von Entlassungen, Gehaltskürzungen und Missbrauch seitens der Arbeitgeber betroffen sind Frauen, die als Hausangestellte ihre Dienste verrichten und mit befristeten Arbeitsverträgen arbeiten. Hausangestellte machen fast ein Zehntel der Arbeitsplätze in den entwickelten Ländern aus, und stellen damit eine große Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, vor allem jedoch Bürgerinnen, dar, die sich in einer besonders kritischen Situation befinden. Dies fördert Missbrauchsverhalten seitens der Arbeitgeber, speziell wenn die Arbeitnehmerinnen aus neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder aus Drittländern eingewandert sind.
Ich glaube, dass die Aufhebung von Einstellungsbeschränkungen für rumänische und bulgarische Staatsbürger, die nach wie vor in den meisten alten Mitgliedstaaten einen untergeordneten und prekären Status mit sich bringen, einen ersten Schritt in Richtung der Abschaffung des diskriminierenden Verhaltens darstellt. Das tragische Beispiel der rumänischen Krankenschwester, die vor Kurzem vor den gleichgültigen Blicken der Passanten in einer italienischen U-Bahn-Station ermordet wurde, muss eine Alarmglocke über die Gefahren der kollektiven Diskriminierung und Stigmatisierung aufläuten lassen, da diese Ansichten, wie in diesem Fall, unvorhersehbare und extrem ernste Konsequenzen haben können. Ich möchte mich auch deutlich für die verlängerte Mindestdauer des Mutterschaftsurlaubs von 20 Wochen aussprechen, damit Frauen die nötige Zeit haben, sich entsprechend um ihre Kinder zu kümmern.
Proinsias De Rossa (S&D), schriftlich. – Ich unterstütze diesen Bericht, durch den der Mutterschaftsurlaub innerhalb der Europäischen Union auf 20 Wochen bei vollem Arbeitsentgelt verlängert und zwei Wochen Vaterschaftsurlaub eingeführt werden sollen. Es ist äußerst wichtig, dass die Regierungen die Empfehlungen des Europäischen Parlaments nun beim Treffen des Rates Arbeit und Soziales am 2. Dezember unterstützen. Wenn sie sich gegen diese Maßnahme stellen, wird dies dazu führen, dass viele Frauen aus der Arbeitswelt ausgeschlossen werden und damit ginge eine wertvolle Ressource verloren. Anstatt Frauen für das Kinderkriegen zu bestrafen, muss die Europäische Union sie unterstützen und ihnen dabei helfen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser umsetzen zu können. Ein besserer Mutterschaftsurlaub stellt eine Investition in das zukünftige Wohlbefinden unserer Gesellschaft dar. Die ersten Wochen im Leben eines Neugeborenen sind für die Entwicklung des Vertrauens, der sensorisch-kognitiven Fähigkeiten und der Bindung zu den Eltern außerordentlich wichtig. Studien haben ebenfalls gezeigt, dass soziale Maßnahmen wie der Mutterschaftsurlaub dabei helfen, die Beschäftigungsquote der Frauen um 3-4 % zu erhöhen. Ein besserer Mutterschaftsurlaub und der bezahlte Elternurlaub stellen also umsichtige Investitionen dar. Die Folgenabschätzung dieser Maßnahme zeigte, dass eine Erhöhung der weiblichen Arbeitsmarktbeteiligung von nur 1 % die Kosten des 20-wöchigen bezahlten Mutterschaftsurlaubs und der zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaubs decken würden.
Jim Higgins (PPE), schriftlich. – Im Verlauf der letzten 50 Jahre haben die Frauen Europas sehr große Fortschritte in Richtung Geschlechtergleichheit gemacht. Eines der bedeutendsten erreichten Ziele ist der Zugang der Frauen zum Arbeitsmarkt. Allerdings stellt der gestiegene überproportionale Anteil von Frauen in Nichtstandard-Arbeitsverhältnissen einen großen Grund zur Sorge dar und ich möchte wiederholen, dass der Bericht die Kommission dazu aufruft, die Mitgliedstaaten dazu zu ermutigen, „bewährte Vorgehensweisen auszutauschen und die durch die Strukturfonds [...] gebotenen Kofinanzierungsmöglichkeiten voll zu nutzen, um so einen breiteren Zugang zu erschwinglichen und hochwertigen Möglichkeiten der Betreuung von Kindern und älteren Menschen sicherzustellen, so dass Frauen nicht gezwungen sind, diese Pflichten auf einer informellen Basis zu übernehmen“. Er „betont zudem die Notwendigkeit, prekäre Arbeitsplätze im Bereich der häuslichen Betreuung nach Möglichkeit in menschenwürdige, langfristige Arbeitsplätze umzuwandeln“. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse stellen schon seit langem einen Grund zur Sorge dar; jedoch macht die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise die Problematik der prekären Beschäftigungsverhältnisse und vor allem das Thema der Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu einem sehr dringenden Thema und ich möchte die Kommission dringend zum Handeln aufrufen, um Frauen, die sich in kritischen Beschäftigungssituationen befinden, zu schützen.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – (FI) Grundsatzreden befassen sich gern mit der Notwendigkeit, den Status der Familien zu fördern. Die Förderung der Gleichberechtigung stellt eine Priorität in der Beschäftigungspolitik dar. Wenn es um Familien geht, ist nun die Zeit zum Handeln gekommen. Familien brauchen konkrete Maßnahmen und eine bessere Koordinierung von Beruf und Familienleben. Die Geburtenraten und die Beschäftigungsquoten der Frauen sind in den Ländern höher, die gute Systeme des Familienurlaubs und gute Angebote der Kinderversorgung anbieten, damit die Last, die durch Kinder entsteht, gemindert wird. Gute Beispiele hierfür sind Schweden, Dänemark, Island und Finnland. Daher ist es also möglich, die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt mit hohen Geburtenraten zu verbinden und dies sollte in der Europäischen Union unterstützt werden. Ich stehe hinter dem Vorschlag des Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, den Mutterschaftsurlaub auf 20 Wochen bei vollem Arbeitsentgelt festzulegen. Frauen und Familien sollten nicht dafür bestraft werden, wenn sie Kinder bekommen. Abgesehen von der Forderung nach vollem Arbeitsentgelt besagt dieser Richtlinienvorschlag, dass der Mutterschaftsurlaub zu der Zeit in einem Beschäftigungsverhältnis hinzugerechnet werden sollte, so dass er bei der Berechnung der Rente berücksichtigt wird. Dieses Thema steht in Verbindung mit der Forderung der Europäischen Union nach gleicher Bezahlung. Wird die Richtlinie weiter vorangetrieben, wird sich der Abstand zwischen den Einkommen von Frauen und Männern verkleinern. Die Richtlinie würde ebenfalls den Status der Familien mit Mehrlingsgeburten und Adoptivkindern verbessern sowie den der Familien mit behinderten Kindern. Es fällt in der Tat schwer, einen Grund zu finden, diesen Richtlinienvorschlag mit den vom Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter vorgebrachten Änderungsanträgen nicht zu unterstützen. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördert das Wohlbefinden der Familien, die Beschäftigung und die wirtschaftliche Entwicklung.
Eija-Riitta Korhola (PPE), schriftlich. – (FI) Wir stehen einstimmig hinter der Notwendigkeit, schwangeren Frauen und Wöchnerinnen speziellen Schutz in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. Es geht hierbei im Endeffekt um die grundlegende Einheit der Gesellschaft, also die Stärkung des Status der Familie. Wir sind uns allerdings nicht einig darüber, welche Art der Rechtsvorschriften nun wirklich umgesetzt werden sollte, um dieses Ziel in den Mitgliedstaaten zu erreichen. Ich unterstütze die Ansicht der Kommission, die Mindestdauer des Mutterschaftsurlaubs in der gesamten Union von aktuell 14 Wochen auf 18 Wochen zu erhöhen und dabei das Arbeitsentgelt so zu bemessen, dass es zumindest der vorgesehenen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entspricht. Dies würde eine deutliche Verbesserung in Europa darstellen. Wenn wir darüber hinaus die Änderungen beim Elternurlaub in Betracht ziehen, die wir im letzten Jahr vorgenommen haben, können wir daraus schließen, dass der Schutz der Familie in der Europäischen Union besser wird. Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter hat allerdings Änderungsanträge angenommen, die die Unterschiede zwischen nationalen Systemen und finanzielle Realitäten außer Acht lassen. Die Mitgliedstaaten verfügen über sehr unterschiedliche Systeme des Mutterschaftsurlaubs. Wenn wir diese alle über einen Kamm scheren, würde dies zu schlechten Rechtsvorschriften führen und das Subsidiaritätsprinzip verletzen. Beispielsweise wird der Mutterschaftsurlaub in Finnland mit dem Vaterschaftsurlaub und einem langen Elternurlaub von mehr als sechs Monaten kombiniert, was zu einem umfassenden System führt, dessen Kosten auf verschiedene Beteiligte aufgeteilt werden. Das System verfügt noch über eine weitere Komponente: die Möglichkeit, einen Kindererziehungsurlaub zu nehmen, während dem das Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen wird. Ein Mutterschaftsurlaubs von 20 Wochen bei vollem Arbeitsentgelt, wie er aktuell vorgeschlagen wird, würde die Kosten in Finnland von aktuell 30 Mio. EUR auf 80 Mio. EUR ansteigen lassen. In vielen Mitgliedstaaten wären die Kosten sogar noch höher. In dieser wirtschaftlichen Situation kann so ein Vorschlag nur jenseits jeder haushaltspolitischen Verantwortung eingebracht werden. Vom Standpunkt der Gleichstellung aus betrachte ich das gefürchtete Szenario ebenfalls mit Sorge, dass sich die Beschäftigungsmöglichkeiten der Frauen tatsächlich verschlechtern, wenn den Arbeitgebern die enormen Kosten aufgebürdet werden.
Jiří Maštálka (GUE/NGL), schriftlich. – (CS) Die Annahme der Aktionsplattform Peking liegt 15 Jahre zurück. Dieses Dokument fasst den Status der Frauen weltweit zusammen und schlägt Schritte vor, wie er verbessert werden kann. Darin werden die Arbeitsbedingungen von Frauen betont, vor allem was Wirtschaft, Gesundheit und Bildung angeht. Das Europäische Parlament und der Rat haben einige Richtlinien angenommen, um diese Empfehlungen umzusetzen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse, die zum großen Teil positiv zu sein schienen, wurden weitere Maßnahmen ergriffen und den Mitgliedstaaten im Zuge des Fahrplans für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010) zur Umsetzung vorgelegt. Der im Februar erschienene jährliche Bericht des Europäischen Parlaments zur Gleichstellung von Männern und Frauen für das Jahr 2009 besagt, dass es infolge der Finanzkrise und aufgrund von Haushaltskürzungen in den Staaten der Europäischen Union zu Entlassungen kam, von denen vor allem Frauen betroffen waren. Frauen geben dem Druck der Arbeitgeber oft nach, wovon vor allem multinationale Einzelhandelsketten profitieren. Die Arbeitsbelastung übt einen negativen Einfluss auf die Gesundheit der Frau, ihre Familie, die legalen Arbeitszeiten oder die Ausbildung aus. Nur wenige Arbeitgeber sind bereit, günstige Arbeitsbedingungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen, damit diese Beruf und Familie vereinbaren können. Einwanderinnen müssen sich mit den schwierigsten Arbeitsbedingungen plagen. Sie haben mit der Sprachbarriere zu kämpfen, mit einem unbekannten Arbeitsumfeld, mit familiären und kulturellen Traditionen und so weiter. Die Krise hat das Erreichen von vielen gesteckten Zielen behindert. Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen sollte die Situation umgehend analysieren und die Europäische Kommission und das Europäische Parlament sollten effektive Maßnahmen ergreifen, um die Verschlechterung des Status der Frauen aufzuhalten.
Erminia Mazzoni (PPE), schriftlich. – (IT) Die lange Austragungszeit (welch treffender Begriff in diesem Zusammenhang) dieses Richtlinienvorschlags begründet sich auf dem Konflikt zwischen jenen, die unmögliche Ziele in dieses Dokument einbringen wollten, um ihm eine symbolische Qualität zu verleihen und den anderen, die einfach nur unsere Gesellschaft voranbringen wollten, indem sie bestimmte geltende Rechte fördern. Letztendlich erfüllt der Kompromiss nicht vollkommen die genannten Anforderungen hinsichtlich verschiedener Arten von Schutz: der Gesundheitsschutz schwangerer Frauen; die Gewährleistung der Gleichbehandlung von Arbeitnehmerinnen, die auch Selbständige umfasst, und die Erweiterung der geteilten Verantwortung beider Eltern für die Versorgung der Kinder. Jedoch bedeuten die neu eingebrachten Punkte, dass wir tatsächlich einen Schritt nach vorne machen. Zu diesen Punkten gehören: die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs auf 18 Wochen und 6 Wochen verpflichtender Mutterschaftsurlaub nach der Entbindung; die Einführung des vollen Arbeitsentgelts in Bezug auf das übliche Gehalt der Frau; der verbesserte Schutz vor Entlassungen und die Einführung des Rechts, flexible Arbeitszeiten einzufordern, wobei es den Mitgliedstaaten möglich ist, abweichende Grenzwerte einzuführen und noch wohlwollendere Vorkehrungen zu treffen. Ich habe für die Entschließung gestimmt, um die grundlegende Bedeutung der Maßnahmen hervorzuheben, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz betreffen, auch wenn meine Meinung im Hinblick auf viele Änderungsanträge von der vieler Mitglieder meiner Fraktion abweicht.
Siiri Oviir (ALDE), schriftlich. – (ET) Schon seit langer Zeit stellt die geschlechterspezifische Ungleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt für die Europäische Union ein wichtiges Thema dar und seit Jahren wird versucht, eine Lösung zu finden. Dennoch können wir auch heute keine positiven Entwicklungen in diesem Bereich vorweisen. So hat sich beispielsweise nach Angaben von Eurostat die Anzahl der Frauen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten – also Frauen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen – deutlich erhöht und deren Anteil liegt aktuell bei 31,4 % während er bei Männern nur 8,3 % beträgt. Es scheint vernünftig, die Gründe hierfür bei der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise zu suchen, die die Probleme der Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen noch weiter verschlimmert hat. Ich glaube, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse nicht nur eine Grundlage für die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern sind, sondern auch ein Hindernis für die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten darstellen. Da der Anteil von Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen heutzutage sehr hoch ist und somit Frauen unverhältnismäßig stark von den zuvor genannten negativen Folgen betroffen sind, denke ich, dass die Europäische Union die gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf Zeit-, Teilzeit- und Agenturarbeit stärken sollte. Vielleicht werden wir dann eines Tages sagen können, dass die Europäische Union gleiche Rechte für Männer und Frauen geschaffen hat und die geschlechterspezifische Ungleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt abgeschafft hat.
Sirpa Pietikäinen (PPE), schriftlich. – (FI) Meine Damen und Herren, ich möchte Frau Estrela für ihren bemerkenswerten Bericht über die Änderung der Richtlinie zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz danken. Die im Bericht dargelegten Reformen sind wichtig für die Verbesserung der Rechte und des Wohlbefindens der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und für die Schaffung eines gesünderen Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt. Die Europäische Union benötigt eine kohärente Sozialpolitik. Die Harmonisierung des Systems für den Mutterschaftsurlaub ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines sozialeren Europas. Der Bericht schlägt einen Mutterschaftsurlaub von 20 Wochen bei vollem Arbeitsentgelt vor. Dies würde die Bezüge während der Mutterschaft in vielen Staaten der Europäischen Union erhöhen. Inzwischen ist erwiesen, dass eine lange und gut bezahlte Mutterschaftszeit einen positiven Einfluss auf die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt ausübt. Der größere Beitrag, der durch Arbeitnehmerinnen auf dem Arbeitsmarkt geleistet würde, würde die Kosten dieser Reform schnell decken, die viele als untragbar bezeichnen. Bessere Mutterschaftsbezüge erhöhen auch die Geburtenraten. Ein alterndes Europa braucht Steuerzahler, damit die Sicherheit der Versorgungsleistungen auch zukünftig gewährleistet werden kann. Der Ruf nach vollem Arbeitsentgelt während des Mutterschaftsurlaubs ist gleichzeitig ein wichtiger Schritt zur Verringerung der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Der Mutterschaftsurlaub würde nicht mehr bedeuten, dass Frauen weniger verdienen und außerdem würde das volle Arbeitsentgelt während des Mutterschaftsurlaubs die Rentenansprüche der Frauen erhöhen. Im Europa von heute laufen vor allem ältere Frauen Gefahr, in die Armut abzurutschen.
Daciana Octavia Sârbu (S&D), schriftlich. – (RO) Die meisten prekären Arbeitsplätze werden seit jeher von Frauen belegt. Schon lange wird über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Frauen geredet, aber leider ändert sich nichts. Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Misere von Saisonarbeitern lenken, die in Spanien Erdbeeren pflücken. Ich kenne ihre Situation nicht nur aufgrund zahlloser Klagen rumänischer Arbeitnehmer oder Gewerkschaften, sondern auch aufgrund von Erfahrungen, die ich direkt vor Ort machen musste. Jedes Jahr pflücken Tausende rumänische Frauen für einen Zeitraum von drei bis fünf Monaten Erdbeeren in Spanien. Einige von ihnen werden häufig von ihren Arbeitgebern missbraucht. Die Originalverträge werden durch Verträge auf Spanisch ersetzt, die sie nicht verstehen. Sie haben oft keine Krankenversicherung, und sind gar gezwungen, diese aus ihrer eigenen Tasche zu bezahlen. Ihre Arbeit erfordert es manchmal, Erdbeeren zu pflücken, die mit Pestiziden besprüht sind, ohne jegliche Schutzausrüstung. Sie können sich jedoch nicht beklagen, aus Angst, entlassen und nach Hause geschickt zu werden. Ich habe die Europäische Kommission in Form von Anträgen auf eine Richtlinie zur Regelung der Rechte von Saisonarbeitern in der Europäischen Union auf diese Situation aufmerksam gemacht. Jedoch lautete die Antwort darauf, dass dieses Thema nicht zu deren Prioritäten gehöre. Deshalb fordere ich die Kommission nochmals auf, einen Legislativvorschlag zu diesem Thema vorzulegen.
Olga Sehnalová (S&D), schriftlich. – (CS) Die Unterstützung von Frauen, die ihr Berufs- und Familienleben miteinander vereinbaren wollen, ist eine der größten Herausforderungen in der heutigen Zeit. Die Anzahl oder Länge der Auszeiten aufgrund von Mutterschaftsurlaub dient natürlich nicht der Entscheidung, ob man eine Familie gründen bzw. ein Kind haben möchte, oder eben nicht. Dennoch sind die Bedingungen, nach denen solche Entscheidungen gefällt werden, wichtig. Es geht hier um das Maß an Sicherheit, das die Frauen in dieser Zeit haben, damit sie sich die ersten Wochen und Monate in Ruhe und ohne Angst ihrem Kind widmen können. Damit wird auch die Bedeutung zum Ausdruck gebracht, die die Gesellschaft diesen Frauen beimisst. Es geht darum, ob wir die Mutterschaft grundsätzlich lediglich als einen unglücklichen Hinderungsgrund im Berufsleben einer Frau betrachten, die den rauen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeliefert ist, oder ob die Gesellschaft in der Lage ist, Frauen den notwendigen Schutz zu bieten. Wenn der verstärkte Schutz von Frauen auf dem Arbeitsmarkt bei Geburt und Mutterschaft in erster Linie eine wirtschaftliche Last bedeutet, die die europäische Gesellschaft nicht zu tragen bereit ist, dann müssen wir uns über die Werte dieser Gesellschaft Gedanken machen. Dies ist eine Frage der gesellschaftlichen Prioritäten.
Edward Scicluna (S&D), schriftlich. – Viele Redner haben verständlicherweise auf die wirtschaftlichen Folgen eines verlängerten Mutterschaftsurlaubs von 14 auf 20 Wochen hingewiesen. Leider werden oft Kosten zitiert, weil sie leicht zu bemessen sind. Allerdings kann man auch die Vorteile bemessen. Tatsächlich ist eines der Themen, das quantitativ gut erforscht wurde, die Auswirkung des bezahlten Mutterschaftsurlaubs auf Erwerbsquoten von Frauen im Haupterwerbsalter (female labour force participation rates, FLFPR). Eine der maßgeblichsten wirtschaftswissenschaftlichen Studien der EZB zeigt, dass die Erwerbsquoten von Frauen im Haupterwerbsalter stets ansteigen, und zwar bei bis zu 43 Wochen eines solchen bezahlten Mutterschaftsurlaubs. Lediglich über diesen Punkt hinaus wird die Quote aktiv beeinflusst. Für viele Mitgliedstaaten, deren Länge des Mutterschaftsurlaubs nahe am gesetzlichen Minimum ist, und deren Erwerbsquote von Frauen entsprechend niedrig ist, ist eine Verlängerung des bezahlten Mutterschaftsurlaubs von wirtschaftlichem Vorteil. Für diese Mitgliedstaaten sind die Kosten infolge des verlängerten Mutterschaftsurlaubs gut investiertes Geld, anstatt eine Belastung.
14. Revision der Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission - Anpassung der Geschäftsordnung des Parlaments an die revidierte Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
- den Bericht von Paulo Rangel im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Revision der Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission (2010/2118(ACI)) (A7-0279/2010) und
- den Bericht von Paulo Rangel im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Anpassung der Geschäftsordnung des Parlaments an die revidierte Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission (2010/2127(REG)) (A7-0278/2010).
Paulo Rangel, Berichterstatter. – (PT) Mit Blick auf diese beiden Berichte möchte ich zunächst die bemerkenswerte Arbeit meiner Kollegen Herrn Lehne, Herrn Swoboda, Frau Roth-Behrendt, Frau Wallis und Frau Harms, dem Team der Mitglieder dieses Parlaments, die diese Rahmenvereinbarung mit der Kommission ausgehandelt haben, beglückwünschen und öffentlich hervorheben, wie ich es auch schon im Ausschuss für konstitutionelle Fragen getan habe.
Ich möchte auch die große Offenheit und den höchst konstruktiven Geist der Zusammenarbeit des Präsidenten der Kommission, und auch seitens des Kommissars Šefčovič und seiner Teams nach Amtsantritt der neuen Kommission hervorheben. Ich glaube, dass ein bemerkenswertes Stück Arbeit geleistet wurde, das zu einer historischen Übereinkunft geführt hat, nämlich die erste Rahmenvereinbarung nach Unterzeichnung des Vertrages von Lissabon, und die erste Rahmenvereinbarung mit einer direkten und ausdrücklichen Rechtsgrundlage in den Verträgen, insbesondere aber in Bezug auf Artikel 295 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Ich möchte sogar sagen, dass mit dieser Vereinbarung eine in höchstem Maße transparente, dynamische und enge Verbindung zwischen dem Parlament und der Kommission geschaffen wird, die im Wesentlichen einen Kompromiss darstellt: ein Gleichgewicht zwischen den jeweiligen Visionen der beiden Institutionen über die neue Rolle, die jeder von ihnen nach dem Vertrag von Lissabon zuteilwird.
Meiner Ansicht nach hat unser Team tatsächlich sehr positive Arbeit geleistet, da es den neuen Befugnissen und der Stärkung der Rechte infolge des Vertrages von Lissabon mit dieser Rahmenvereinbarung Ausdruck verleihen konnte. Dies gilt für das Gesetzgebungsverfahren und die Programmierung oder Planung, was, um nur zwei Beispiele zu nennen, vor allem die Einbindung des Parlaments in das Arbeitsprogramm der Kommission, oder die Anwendung von nicht zwingenden Rechtsinstrumenten („soft law“) bei den Gesetzgebungsbefugnissen des Parlaments durch die Kommission betrifft.
Zweitens sind die gesteigerten Kontroll- und Überwachungsbefugnisse des Parlaments ein sehr wichtiger Aspekt, sei es bei den Details der Festlegung von Regelungen zur Wahl des Präsidenten der Kommission und der Wahl Letzterer als Institution, oder etwa im Falle der Einbeziehung des Parlaments bei Belangen wie der Umbesetzung oder möglichen Amtsenthebung eines Kommissars oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, bei Anhörungen von Direktoren der Regulierungsagenturen oder sogar bei der Überwachung internationaler Verhandlungen. In all diesen Bereichen sind die Befugnisse, die sich aus dem Vertrag von Lissabon ergeben, bekräftigt worden.
Der Zugang zu Informationen, vor allem in Bezug auf Verschlusssachen oder vertrauliche Informationen, sowie der reine Austausch von Informationen und Meinungen zwischen den führenden Vertretern des Parlaments und der Kommission sind ebenfalls von hoher Bedeutung. Wir wissen zum Beispiel, dass es dem Kommissar für konstitutionelle Fragen und dem Präsidenten der Kommission bereits jetzt möglich ist, an den relevanten Programmpunkten der Konferenz der Präsidenten teilzunehmen, oder dass es eine Vielzahl an Plattformen für einen direkten Dialog zwischen der Konferenz der Präsidenten, der Konferenz der Ausschussvorsitzenden, dem Präsidenten des Parlaments, dem Präsidenten der Kommission und dem Kollegium der Kommissare gibt. Sogar die Präsenz der Kommission im Parlament ist verstärkt worden, besonders durch die Einführung von Fragestunden, nicht nur für den Präsidenten der Kommission sondern auch für die Kommissare.
Angesichts dessen möchte ich, mit tiefem Respekt für den Vertrag von Lissabon, seine neue Aufteilung der Befugnisse und für die Idee der Gewaltenteilung, darauf hinweisen, dass wir hier eine präzisierende Vereinbarung vorliegen haben, die den Vertrag von Lissabon zu einem zeitgemäßen, wirksamen und anwendbaren Instrument werden lässt.
Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. Frau Präsidentin, es ist mir eine große Freude, an Ihrer Aussprache zur überarbeiteten Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen unseren beiden Institutionen teilnehmen zu dürfen. Ich bin sehr zufrieden damit, dass die Entschließung, über die Sie am Mittwoch abstimmen werden, die Unterstützung der Rahmenvereinbarung durch das Parlament befürwortet. Dies wird einen Prozess, der vor fast einem Jahr mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon begann, zu einem erfolgreichen Abschluss bringen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Herrn Lehne und der gesamten Arbeitsgruppe meinen aufrichtigen Dank aussprechen: Frau Diana Wallis, Frau Dagmar Roth-Behrendt, Frau Rebecca Harms, Herrn Hannes Swoboda und natürlich unserem Berichterstatter, Herrn Paulo Rangel. Wir haben in einem großartigen Geist und mit großer Intensität gearbeitet, und unsere Aussprachen waren sehr konstruktiv und gleichzeitig sehr offen.
Es wird deutlich, dass die Stärkung der Rechte und Kompetenzen des Parlaments unter dem neuen Vertrag die Arbeitsbeziehungen zwischen unseren Institutionen in vielerlei Hinsicht beeinflusst. Dies zeigte sich bei der Entschließung des Parlaments vom 9. Februar 2010 sowie bei der Mitteilung, die Präsident Barroso diesbezüglich am selben Tag formuliert hat. Daher ist sehr wichtig, dass unsere Institutionen mit der überarbeiteten Rahmenvereinbarung nun eine solide und formell vereinbarte Grundlage für gegenseitige Beziehungen erhalten und damit beginnen können, alle Aspekte der Vereinbarung in die Alltagspraxis umzusetzen. Diese überarbeitete Rahmenvereinbarung baut auf der bestehenden Rahmenvereinbarung von 2005 auf, die, wie wir gesehen haben, ein sehr erfolgreiches Instrument zur Regelung der Beziehungen zwischen unseren Institutionen darstellte.
In eben diesem Sinne der erfolgreichen Zusammenarbeit nahmen wir im März unsere Verhandlungen zur Überarbeitung der Rahmenvereinbarung auf. Ich denke, dass wir alle mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein sollten. Wie Ihr Berichterstatter, Herr Rangel, bin auch ich der Meinung, dass diese Überarbeitung einen beträchtlichen Erfolg darstellt, der die Beziehungen zwischen unseren Institutionen vertiefen und praktische Lösungen bieten wird, in Einklang mit den verstärkten Befugnissen des Parlaments, die sich mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ergeben haben. Auf diese Weise setzen wir die besondere Partnerschaft zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament in die Praxis um.
Lassen Sie mich ein paar Elemente herausstellen, die einen wirklichen Fortschritt darstellen. Die Vereinbarung legt Regelungen und einen Zeitplan zugunsten eines intensiveren und strukturierten Dialogs zwischen unseren Institutionen fest, der es dem Parlament ermöglicht, im Rahmen der Programmplanung der Union einen wertvollen Beitrag zu den Arbeitsprogrammen zu leisten, die die Kommission ausarbeitet.
Sie beinhaltet detaillierte Regelungen über die Art und Weise, wie das Parlament von der Kommission über die Aushandlung und den Abschluss internationaler Abkommen informiert wird. Sie enthält Regelungen über die Übermittlung von Verschlusssachen an das Parlament, bis hin zu internationalen Standards, und wird so die Weitergabe von Informationen an das Parlament, beispielsweise bei internationalen Verhandlungen, vereinfachen.
Sie legt auch Regeln über die Verbesserung von Informationen fest, die im Rahmen der Arbeit von Experten, die die Kommission beraten, an das Parlament weitergegeben werden.
Ich rechne damit, dass sie unseren Dialog und unsere Zusammenarbeit in Bezug auf die Planung der Sitzungen des Parlaments verbessern und die Anwesenheit der Kommissare sicherstellen wird.
Auch wenn die Vereinbarung noch nicht in Kraft ist, haben wir bereits wichtige Elemente hieraus umgesetzt. Erlauben Sie mir, nur ein paar Beispiele zur Ausarbeitung des Arbeitsprogramms der Kommission für 2011 zu nennen. Präsident Barroso hielt am 7. September im Parlament seine Rede zur Lage der Union, und ich gab im Rahmen der Konferenz der Präsidenten Auskunft über den Fortschritt bei der Ausarbeitung des Arbeitsprogramms der Kommission.
Am 7. Oktober kam das Kollegium mit der Konferenz der Ausschussvorsitzenden im Berlaymont-Gebäude zusammen. Darüber hinaus wird sich Präsident Barroso am Mittwoch erneut mit der Konferenz der Präsidenten des Parlaments treffen.
All dies dient der Intensivierung des politischen Dialogs zwischen unseren Institutionen, und mir scheint, dass wir mit unserer Rahmenvereinbarung die richtigen Instrumente zu diesem Zweck geschaffen haben.
Wie Sie alle wissen, waren die Verhandlungen über die überarbeitete Rahmenvereinbarung lang und machten von beiden Institutionen große Anstrengungen erforderlich, um sich über einen Text zu einigen, der den Interessen und Sorgen unserer Institutionen gleichermaßen gerecht wird.
Wir wussten auch, dass wir für einige Aspekte unserer Beziehungen – zum Beispiel die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten Programme der Union – ebenso den Rat einbeziehen müssten.
Da sich der Rat gegen eine Teilnahme an den Verhandlungen über die revidierte Rahmenvereinbarung entschieden hat, haben wir darauf geachtet, Themen, die mit dem Rat vereinbart werden müssen, nicht vorwegzunehmen.
Die Verhandlungsführer beider Seiten haben sich daher sehr bemüht, das Gleichgewicht zwischen den Institutionen, wie in den Verträgen festgelegt, und deren Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit vollständig zu wahren.
Darauf wird in der Vereinbarung wiederholt hingewiesen, und die Kommission ist darüber hinaus der festen Überzeugung, dass der nach manchmal schwierigen Verhandlungen vereinbarte Wortlaut die Rechte und Befugnisse einer jeden EU-Institution tatsächlich wahrt und der rechtlichen Prüfung standhält.
Dennoch gibt es Stimmen, die besagen, dass die Rahmenvereinbarung schon zu weit ginge, und dass die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen die Vereinbarung oder gegen bestimmte Fälle ihrer Umsetzung nicht ausgeschlossen werden könne.
In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass der Entschließungsantrag zur Verabschiedung der überarbeiteten Rahmenvereinbarung offiziell der parlamentarischen Auslegung des vereinbarten Wortlauts entsprechen wird.
Bei manchen wichtigen Aspekten geht diese Auslegung über den Wortlaut hinaus, der nach schwierigen Diskussionen vereinbart wurde. Dies betrifft insbesondere die Bestimmungen über die Weitergabe von Informationen an das Parlament zu Aushandlungen internationaler Abkommen, die Einbeziehung von Mitgliedern des Europäischen Parlaments als Beobachter in den Delegationen der Union bei internationalen Konferenzen sowie die Definitionen und Bedingungen zur Anwendung nicht zwingenden Rechts (soft law).
Als dieser Ansatz im Ausschuss für konstitutionelle Fragen in Zweifel gezogen wurde, erklärte man der Kommission, dass diese Auslegungen eigentlich dafür gedacht seien, die ursprünglichen Ziele des Parlaments zu Protokoll zu bringen, und nur der Text der Rahmenvereinbarung als solcher rechtliche Gültigkeit habe.
Um sämtliche Unklarheiten zu vermeiden, nimmt sich die Kommission der parlamentarischen Auslegung des Wortlauts an.
Die Kommission steht fest zu allen Verpflichtungen, die sie in der Vereinbarung eingegangen ist, und beabsichtigt, die Vereinbarung in Einklang mit dem abgestimmten Wortlaut anzuwenden. Lassen Sie mich klarstellen, dass die Kommission an keinerlei unilateralen Auslegungen dieser Rahmenvereinbarung gebunden sein wird. Der Wortlaut der Rahmenvereinbarung wird uns, so wie er ausgehandelt wurde, in der Praxis alle notwendigen Möglichkeiten geben, Lösungen zu finden, die sowohl im Interesse des Parlaments als auch der Kommission sind, ohne die Rechte und Interessen anderer Institutionen zu missachten.
In diesem Sinne werden wir die besondere Partnerschaft zwischen unseren beiden Institutionen weiterhin in die Praxis umsetzen und gleichzeitig mit allen Institutionen loyal zusammenarbeiten.
Ich freue mich auf die Unterzeichnung der Vereinbarung und deren nachfolgende erfolgreiche Umsetzung.
Íñigo Méndez de Vigo, im Namen der PPE-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin, ich bin jetzt seit 18 Jahren Mitglied des Parlaments. Damals war das Europäische Parlament ein beratendes Organ. Es war ein Parlament ohne jegliche Befugnisse.
Im Laufe der letzten 18 Jahre haben wir gesehen, wie sich das Parlament von einem beratenden zu einem vollständig mitgesetzgebenden Organ entwickelt hat. Unser guter Freund Francisco Lucas Pires, der Zeuge dieses Prozesses war, sagte, es habe sich von einem deliberativen zu einem legislativen Organ entwickelt.
Daher ist der Text, den wir am Mittwoch verabschieden werden, der Höhepunkt der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem Parlament über die Rahmenvereinbarung.
Ich muss gestehen, dass ich meiner Familie eine ziemlich langatmige Erklärung geben musste, als ich ihnen erzählt habe, dass ich nach Straßburg gehe, um an der Aussprache über die Rahmenvereinbarung zwischen dem Parlament und der Kommission teilzunehmen. Das liegt daran, dass es solche Dinge bei nationalen Parlamenten oder auf nationaler Ebene offensichtlich nicht gibt, daher verstehen die Menschen nicht, warum zwischen der Kommission und dem Parlament eine Einigung erzielt werden muss, um das umzusetzen, was in den Verträgen steht.
Dennoch muss es gemacht werden. Es muss vor allem aus einem ganz elementaren Grund gemacht werden, den Herr Rangel und Herr Šefčovič bereits genannt haben: weil wir effizient sein wollen.
Hauptziel der Rahmenvereinbarung ist es, sämtliche praktischen Hindernisse abzubauen, die sich hinsichtlich der Rechtsvorschriften, der parlamentarischen Kontrolle und der Verhaltenskodizes aufbauen könnten.
Daher glaube ich, dass sie ein gutes Stück europäischer Demokratie bietet. Es ist eher „einvernehmliche“ Demokratie als „gegensätzliche“ Demokratie, wie sie in unseren Ländern herrscht.
In einer einvernehmlichen Demokratie ist es klug und weise, Lösungen für alle Probleme zu finden, die auftreten könnten. Daher stellt die Rahmenvereinbarung ein Instrument dar, um zukünftige Probleme zu verhindern und um das, was in den Verträgen steht, in die Realität umzusetzen. Da wir einen neuen Vertrag haben, den Vertrag von Lissabon, ist es sinnvoll, ihn umzusetzen.
Ich möchte Herrn Rangel und dem Team unter seiner Leitung sowie der Europäischen Kommission meine Glückwünsche aussprechen, weil ich denke, dass sie eine sehr vernünftige Vereinbarung erarbeitet haben. Wenn man den Inhalt der Vereinbarung liest, kann man sich nur über die Stimmen wundern, die in einigen nationalen Parlamenten zu hören sind und fragen, ob diese eine Bedrohung für die Befugnisse des Rates darstelle.
Um Himmels willen! Der Rat ist in der Tat der andere Mitgesetzgeber. Wir möchten Gesetze erlassen, und wir erlassen Gesetze – eine ganze Menge, und dies erfolgreich, gemeinsam mit dem Ministerrat. Wir sind gleichgestellte Mitgesetzgeber. Wir müssen uns nicht den kleinsten Vorteil verschaffen. Wir wollen, dass dies effektiv vonstattengeht, und ich glaube, dass uns die Vereinbarung dabei helfen wird, dies zu erreichen.
Erlauben Sie mir zu sagen, Herr Šefčovič, dass Sie den Stier bei den Hörnern gepackt haben – ein Ausdruck, der in meinem Land in sehr engem Zusammenhang mit dem Stierkampf steht – als Sie sagten, dass die Auslegung der Artikel 6 und 7 der Entschließung der Auslegung des Parlaments in Bezug auf internationale Abkommen und internationale Konferenzen entspricht. Ich glaube nicht, dass hier irgendetwas befremdlich ist. Wir sprechen hier darüber, dass das Parlament informiert wird und durch die Kommission und durch Verhandlungen mitwirkt, nicht mehr. Zu welchem Zweck dient es? Es dient dem Zweck, dass wir wissen, was die Kommission gemacht hat, wenn wir hier etwas verabschieden müssen.
Daher – und an dieser Stelle möchte ich abschließen, Frau Präsidentin – meinen herzlichen Glückwunsch an Sie beide. Ich glaube, dies ist ein gutes Omen. Wie es in Casablanca so schön heißt: „der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“
Ramón Jáuregui Atondo, im Namen der S&D-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin, ich möchte wiederholen, was in dieser Aussprache bisher von allen Sprechern geäußert wurde.
Wichtiger als die technischen Schwierigkeiten, die diese Vereinbarung mit sich bringen mag, ist meiner Ansicht nach, dass wir über etwas Wichtiges reden, etwas, das wir neben der Reform der Geschäftsordnung berücksichtigen müssen, die wir vor wenigen Monaten nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon eingeführt haben. Diese Rahmenvereinbarung und die neue Geschäftsordnung sind zwei wichtige Elemente der neuen demokratischen Struktur Europas.
Ich bin überzeugt, dass diese neue Rolle, die das Parlament infolge des Vertrages von Lissabon als gesetzgebendes Haus einnimmt, durch die Reform der Geschäftsordnung und die Rahmenvereinbarung eine Grundlage erhält, ein Fundament, um sinnvoll arbeiten zu können. Das liegt daran, dass es – wie bereits gesagt wurde – wichtig ist, nun diesem Parlament die tragende Rolle zukommen zu lassen, sich mit der Kommission über neue Gesetze für die Europäische Union zu beraten und zu einigen.
Zu diesem Zweck haben wir eine neue Geschäftsordnung und eine Rahmenvereinbarung eingeführt, mit der auch sämtliche Aspekte geregelt werden, auf denen unsere Beziehung begründet ist. In diesem Rahmen möchte ich etwa die Bedeutung der Kontrollfunktionen hervorheben, die dieses Haus gegenüber der Kommission ausübt.
Herr Šefčovič, meiner Ansicht nach sollten wir also eine Maßnahme in Betracht ziehen, die die Präsenz der Kommission in diesem Parlament gemäß dieser Vereinbarung gewährleistet. Dies könnte zum Beispiel bedeuten, dass alle Kommissare anwesend sein müssen, um direkte Fragen zu beantworten. Dies wäre eine erforderliche Maßnahme, um unverzüglich und direkt auf die politische Beziehung reagieren zu können, die wir haben.
Im Zusammenhang mit ihrer Auslegung der Absätze 7 und 8 möchte ich sagen, dass ich diese verstehe. Ich verstehe sie, weil es richtig ist, dass dieses Parlament nicht zwangsläufig an den Verhandlungen beteiligt sein muss, Sie müssen aber auch verstehen, dass wir als Parlament einen Wunsch, eine Ausgangsposition, und eine künftige Position zur Frage geäußert haben, in welcher Beziehung dieses Haus zu internationalen Verhandlungen stehen sollte.
Andrew Duff, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, wir haben mit großem Interesse die Rede von Kommissar Šefčovič verfolgt, der anscheinend eher darauf bedacht ist, den Rat versöhnlich zu stimmen, als darauf, den Standpunkt des Parlaments ernsthaft anzugreifen. Dies ist meiner Meinung nach ganz richtig, denn wenn der Rat – der am heutigen Abend offensichtlich noch nicht anwesend ist – ernsthaft daran interessiert gewesen wäre, eine Vertragspartei dieser Rahmenvereinbarung zu werden, hätte er das durchaus tun können.
Wir als Parlament wissen, dass wir unsere neuen Befugnisse infolge des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon vertraulich und verantwortlich ausüben müssen. Wir sind auch verpflichtet, die Handlungsfähigkeit der Union bei internationalen Verhandlungen durch ein effektives Vorgehen der Kommission zu unterstützen. Ich möchte vor allem darauf hinweisen, dass sich Präsident Barroso dafür einsetzen muss, den Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder, insbesondere die Erklärungen über die finanziellen Interessen, zu überarbeiten. Wir waren uns gewisser Schwachpunkte bewusst, die sich im Laufe der Zustimmung des Parlaments zur Kommission Barroso II gezeigt haben.
Ryszard Czarnecki , im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Unser spanischer Kollege, Herr Méndez de Vigo, verwies auf die großen Probleme bei seinem Versuch, seiner Familie die sehr speziellen rechtlichen und verfahrensrechtlichen Beziehungen zwischen den Institutionen der Europäischen Union darzulegen. Er ist geduldiger als ich. Ich habe noch nicht einmal versucht, dies mit meiner Frau zu besprechen, weil es zu kompliziert ist. Meiner Meinung nach hat sich der Vertrag von Lissabon als eine Art „Blind Date“ herausgestellt, was bedeutet, dass es keine gute oder sinnvolle Sache ist, jetzt erst damit anzufangen, die Befugnisse der einzelnen Organe der Union zu definieren. Es ist spät, aber, wie es im amerikanischen Film so schön heißt: „besser spät als nie“. Lassen Sie uns nicht über Freundschaft sprechen, wie von Herrn Méndez de Vigo vorgeschlagen. Lassen Sie uns lieber über praktischere Beziehungen und eindeutigere Verträge zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament sprechen. Das ist besser, als über Freundschaft zu sprechen. Vielen Dank.
Morten Messerschmidt, im Namen der EFD-Fraktion. – (DA) Frau Präsidentin, auch ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um die gute Arbeit von Herrn Rangel zu würdigen, die er bei einer Reihe von Abschnitten dieses Berichts geleistet hat. Die Tatsache, dass uns von der Kommission mehr Informationen vorgelegt werden, ist natürlich ein Fortschritt. Die Tatsache, dass auf zwei Notwendigkeiten hingewiesen wird, nämlich die parlamentarische Kontrolle sowie die bessere gemeinsame Zusammenarbeit, ist ebenfalls eindeutig ein Fortschritt.
Ein Bereich jedoch – der sowohl heute als auch bei der vorherigen Aussprache wichtigste Bereich – gibt Grund zur Enttäuschung. Hier ist natürlich von der gemeinsamen Außenpolitik die Rede, bei der Herr Rangel keinerlei Vorwurf gemacht werden kann, wohl aber hinsichtlich der Richtung insgesamt, die in diesem Bereich seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon eingeschlagen wurde. Ich war Mitglied des Folketing, dem dänischen Parlament, als Dänemark ein „Ja“ zum Vertrag von Lissabon entlockt wurde, zu der Bedingung, dass dies nicht zu einer Aufgabe der Souveränität führt. Alle EU-Behörden haben uns ihr Wort gegeben, dass es keine solche Abtretung von Befugnissen gäbe, und jetzt werden wir gewahr, dass das Europäische Parlament ganz klar eine Befugnis übernimmt, die ursprünglich nicht im Bereich der Außenpolitik vorgesehen war. Dies ist zutiefst bedauerlich, weil sehr viele Europäer, einschließlich natürlich der Franzosen, Niederländer und Iren, die einst die Gelegenheit hatten, „Nein“ zu sagen, diese Zusammenarbeit mit der Erwartungshaltung eingegangen sind, die Außenpolitik sei ein Bereich, in dem ihre Souveränität bewahrt bleibe. Jetzt werden wir gewahr, dass alles in einem Zusammenspiel zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament ausgehandelt wird, wobei der Rat gänzlich außen vor bleibt. Das ist äußerst bedauerlich.
Andrew Henry William Brons (NI). – Frau Präsidentin, ich werde der Versuchung widerstehen, jegliche Vereinbarungen zwischen zwei Befürwortergruppen des so genannten „Projekts“ automatisch als heimtückisch oder wertlos abzutun. Ich werde mich bemühen, diese abhängig von ihren Vor- und Nachteilen zu bewerten.
Das Team des Parlaments hat die Mission, Macht und Einfluss des Parlaments zu verstärken, und es gab einen Erfolgsmaßstab. Es wäre falsch, dies abzustreiten. Es kann auf einige Erfolge zurückblicken, etwa die Gleichstellung von Parlament und Rat, die verstärkte Aufgabe der Kommission, gesetzgebende Initiativen des Parlaments zu berücksichtigen, Fragestunden mit dem Hohen Vertreter, Beteiligung an internationalen Verhandlungen und vieles mehr.
Es gibt allerdings eine Kehrseite. Die Gleichstellung von Parlament und Rat erfordert eine vergleichsweise eingeschränkte Handlungsfähigkeit dieses Organs, das – im Falle meines Landes jedoch in unzureichender Weise – die Interessen der Nationalstaaten vertritt. Weiterhin werden die durch das Parlament ausgeübten Befugnisse von den Führungskräften der großen Fraktionen und den Vorsitzenden des Ausschusses auf unverhältnismäßige Weise wahrgenommen. Die einfachen Abgeordneten dieser Fraktionen haben nicht mehr autonome Befugnisse als wir in unserer Eigenschaft als fraktionslose Mitglieder.
Die Zusage der Beteiligung an internationalen Verhandlungen war auch in der Vereinbarung von 2005 festgelegt, und dem Parlament wurde mit Geringschätzung begegnet. Uns wurde die Identität des Beobachters in dem Abkommen zur Übertragung von Finanzdaten zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten nicht preisgegeben, und als sich die Mitglieder des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres nach dem Grund der vermeintlich notwendigen Geheimhaltung erkundigten, weigerte sich das Mitglied der Kommission, eine Antwort zu geben, das entweder die Frage missverstanden hatte, oder so tat, als würde es sie missverstehen.
Salvatore Iacolino (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, auch ich möchte die Verhandlungsführer zu dem positiven Ergebnis beglückwünschen, das überdies innerhalb relativ kurzer Zeit erzielt wurde. Der konstruktive interinstitutionelle Dialog findet seine Konkretisierung und Bestätigung durch diese Vereinbarung, die hoffentlich am Mittwoch verabschiedet und anschließend unverzüglich ratifiziert wird.
Diese Vereinbarung wirkt sich sicherlich positiv auf die zentrale Rolle des Europäischen Parlaments aus, wie vom Vertrag von Lissabon eindeutig vorgesehen, und sorgt für eine enge Zusammenarbeit zwischen den Institutionen; die intensive Arbeit der Verhandlungsführer geht mit Sicherheit in diese Richtung. Es besteht kein Zweifel, dass das Parlament Vertrauen in die Kommission setzt, und es muss natürlich die zugunsten genehmigter Programme eingeleiteten Maßnahmen und die konkreten erzielten Ergebnisse mittels ständiger Kontrolle bewerten. Der Verhaltenskodex für Kommissare wird ebenso wie die erforderliche Informationsbeschaffung, einschließlich vertraulicher Informationen, begrüßt.
Ich bin gegen einige Änderungen, die meiner Meinung nach nicht die entgegengesetzte Richtung einschlagen, selbst wenn sie im Großen und Ganzen halbwegs mit der beabsichtigten Fassung des vereinbarten Wortlauts übereinstimmen. Ferner bin ich überzeugt, dass dieser Bericht eine bessere Gesetzgebung und Folgenabschätzung in Bezug auf die einzelnen Gesetzgebungsvorschläge ermöglicht. Gleichzeitig müssen die Beziehungen mit den nationalen Parlamenten gestärkt werden, die diesen Aktivitäten spiegelbildlich gegenüberstehen.
Die in Bezug auf die Agenturen geleistete Arbeit wird begrüßt, und ich bin überzeugt, dass das Primat der Politik auch von einer größeren Bereitschaft der Generaldirektionen der Kommission, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten, abhängig ist.
Abschließend hoffe ich, dass die Kommission die Vereinbarung, sobald sie festgelegt ist, ohne Bürokratieaufwand umsetzen wird.
Zita Gurmai (S&D). – Frau Präsidentin, ich bin erfreut, zu sehen, dass die neue Rahmenvereinbarung zu einer erheblichen Verbesserung und Vertiefung der Beziehungen zur Kommission beiträgt und dass die besondere Partnerschaft die neuen Rechte des Europäischen Parlaments widerspiegelt, die ihm durch den Vertrag von Lissabon übertragen wurden. Dank der hervorragenden Arbeit, die innerhalb der Kommission und der Arbeitsgruppe geleistet wurde, führen die praktischen Lösungen, die in der vorgeschlagenen überarbeiteten Vereinbarung enthalten sind, zu deutlichen Verbesserungen in den Bereichen Gesetzgebungsverfahren und Planung, parlamentarische Prüfung, Informationspflichten sowie Präsenz der Kommission im Parlament. Willkommen, Kommissar Šefčovič!
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit vor allem auf zwei Punkte lenken: Ich halte die Beteiligung des Parlaments an internationalen Verhandlungen, die die Zustimmung des Parlaments erleichtert und das Verfahren berechenbarer macht, für einen großen Fortschritt. In meinen Augen ist die Nachbereitung der vom Parlament ausgehenden Anfragen zu Gesetzesinitiativen einer der wichtigsten Aspekte. Ich begrüße die Entwicklung dahingehend, dass die Kommission innerhalb von drei Monaten nach der Verabschiedung eines Antrags für eine Gesetzgebungsinitiative Bericht über dessen konkreten Verlauf erstatten muss; die Kommission muss spätestens nach einem Jahr einen Gesetzesvorschlag unterbreiten oder den Vorschlag in das Arbeitsprogramm des folgenden Jahres mit aufnehmen. Sollte die Kommission keinen Vorschlag unterbreiten, ist sie zu einer ausführlichen Darlegung von Gründen gegenüber dem Parlament verpflichtet.
Als Berichterstatter für die Europäische Bürgerinitiative hoffe ich, dass auch die Nachbereitung der Anfragen der Bürgerinnen und Bürger gleichberechtigt vorgenommen wird. Ich war erfreut, dass der Bericht im Ausschuss größtenteils auf Zustimmung stieß. Ich hoffe, dass die Plenarsitzung die von der Kommission und der Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments vereinbarte Linie weiterführt. Das haben Sie gut gemacht, ich danke Ihnen sehr herzlich.
Trevor Colman (EFD). – Frau Präsidentin, diese Rahmenvereinbarung über die Beziehung zwischen der Kommission und diesem Parlament, die durch den Vertrag von Lissabon – oder vielmehr durch die EU-Verfassung – herbeigeführt wurde, soll für einen demokratischeren Regierungsprozess sorgen. In Wahrheit ist dies nichts als eine Illusion über eine Demokratie, wo keine existiert.
Folgende Punkte sind von Bedeutung: Der Vertrag von Lissabon stellt im Vereinigten Königreich, dessen britische Bürgerinnen und Bürger von der herrschenden politischen Klasse betrogen wurden, als sie ihr Urteil über den Vertrag hätten fällen sollen, keine demokratische oder moralische Instanz dar. Die so genannten Änderungen, die in dieser Vereinbarung vorgenommen wurden, werden die Macht und die Aktivität der nicht gewählten und zu wenig verantwortungsbewussten Kommission, die von diesem nachgiebigen Parlament unterstützt wird, in keiner Weise schmälern. In der Praxis bedeutet dies: „business as usual“ in der EU, in den Hinterzimmern und hinter verschlossenen Türen.
Die Empfehlung wird zu gegebener Zeit lauten, entschieden gegen diese Vorschläge zu stimmen, weil wir den Vertrag von Lissabon nicht anerkennen, und auch nicht anerkennen werden, solange er der britischen Bevölkerung nicht zur Entscheidung vorgelegt wurde. Das ist wahre Demokratie.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Ich bin sehr erfreut, in unserer heutigen Sitzung mit Ihnen über die überarbeitete Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission sprechen zu können. Diese Überarbeitung verleiht der stärkeren Position, die dem Europäischen Parlament infolge der Verabschiedung des Vertrages von Lissabon zuteilwurde, eine konkrete Gestalt und bekräftigt diese. Heute möchte ich gerne vor allem auf die Vereinbarung eingehen, die zwischen der Kommission und der Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments zur Rahmenvereinbarung geschlossen wurde, und mich bei Ihnen, Herr Vizepräsident, für Ihr persönliches Engagement bedanken.
Lassen Sie mich einige Kommentare zur Rahmenvereinbarung anbringen. Die stärkere Position des Europäischen Parlaments sorgt für eine demokratischere Europäische Union. Als gewählte Vertreter der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten werden wir uns an der Erlassung europäischer Rechtsvorschriften beteiligen und eine größere Kontrolle über die Kommission ausüben können. Die Kommission wird etwa verpflichtet sein, uns nach der Verabschiedung eines Antrags für eine Gesetzgebungsinitiative Bericht über dessen konkreten Verlauf zu erstatten. Die Kommission wird gleichermaßen verpflichtet sein, uns im Falle einer beabsichtigten Änderung des Verhaltenskodex für Kommissare um unsere Zustimmung zu bitten. Unsere volle Zustimmung findet auch die Tatsache, dass das Europäische Parlament auf der Grundlage des Vertrages besser und transparenter über den Abschluss internationaler Abkommen informiert wird. Die vorgenannten Bestimmungen sind nicht die einzigen; die überarbeitete Rahmenvereinbarung enthält weit mehr Bestimmungen dieser Art, und ich bin der festen Überzeugung, dass sie gänzlich zu einer effektiveren und engeren Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen und zu einer kohärenteren Umsetzung des Vertrages von Lissabon führen werden.
Abschließend möchte ich einen Schlüsselbereich hervorheben: die zeitnahe Zusammenarbeit des Parlaments bei Anfragen auf Initiative europäischer Bürgerinnen und Bürger ist eine maßgebliche Bestimmung, die nach der Vereinbarung einen engen Kontakt zwischen dem Europäischen Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern herstellen wird.
Hannes Swoboda (S&D). - Frau Präsidentin! Ich möchte zuerst dem Kollegen Rangel herzlich für seinen Bericht danken, und natürlich Herrn Šefčovič für die Verhandlungen, die wir geführt haben. Er war kein leichter Verhandlungspartner, aber er war ein fairer Verhandlungspartner. Ich glaube, wir haben ein gutes Ergebnis erzielt. Das konkrete Ergebnis ist natürlich die Basis unserer Zusammenarbeit, und die Interpretation, die Herr Rangel gibt, ist vielleicht etwas extensiv, aber man wird ja noch Ziele vor Augen haben dürfen.
Was jetzt bleibt, ist nicht nur die Offenheit und Transparenz zwischen unseren Organen, sondern auch dass wir den – nichtanwesenden – Rat davon überzeugen, dass, wenn wir gut zusammenarbeiten, das nicht unbedingt auf Kosten des Rates geht. Der Rat verhält sich leider manchmal wie ein Kind, dem ein Spielzeug weggenommen wird und das jetzt jammert und beleidigt ist. Statt beleidigt zu sein und mit Klagen zu drohen, sollte der Rat mitarbeiten, so dass wir für die Bürgerinnen und Bürger unseres Kontinents das Beste herausholen. Denn wenn wir nach außen hin stark sein wollen – und die gemeinsame Außenpolitik, gemeinsame Handelsverträge etc. sind ein wichtiger Aspekt des Ganzen –, dann wäre es am besten, wenn wir zusammenarbeiten.
Kader Arif (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Vertrag von Lissabon stärkt, wie wir alle wissen, und worauf soeben hingewiesen wurde, die Rechte des Parlaments. Wenige von uns sind sich jedoch der radikalen Veränderung, die er mit sich bringt, bewusst, insbesondere im Bereich der Handelspolitik, die ich aufmerksam verfolge.
Mit dem Vertrag von Lissabon werden alle internationalen Handelsabkommen vom Parlament ratifiziert. Dies hat bereits für einige Diskussionen gesorgt, und die Aussprachen über das Abkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA) und über das Freihandelsabkommen mit Korea sind nur erste Anzeichen hierfür. Die Sozialisten und Demokraten im Ausschuss für Handel wollten jedoch über den Rahmen dessen hinausgehen, was laut Vertrag zulässig ist. Ich bin deren Sprecher, und ungeachtet der Skepsis und des Widerstands hier und da übermittelte ich eine klare Botschaft: Sollte vom Parlament ein Handelsabkommen zu ratifizieren sein, muss es von Anfang an in dem Prozess involviert sein. Das, was ursprünglich utopisch erschien, ist nunmehr ein Kernelement unserer Beziehungen mit der Kommission, da wir bei Verhandlungsmandaten vollständig einbezogen werden. Ich begrüße dies.
Daher ersuche ich die Kommission und den Rat, den Gemeinschaftsgeist und den demokratischen Willen, die ein Herzstück des Vertrages bilden, weiterhin zu wahren. Ich ersuche ebenfalls meine Kolleginnen und Kollegen – da wir in Bezug auf die Kommission und den Rat unter einer Art Stockholm-Syndrom leiden – von all unseren Rechten Gebrauch zu machen, da es hierbei um die Rechte unserer Mitbürger geht.
Guido Milana (S&D). – (IT) Frau Präsidentin, die Revision der Vereinbarung zwischen dem Parlament und der Kommission schafft eine Grundlage für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen. Es wurden viele Fortschritte erzielt, was die Verfahren, Legislativplanung, parlamentarische Prüfung, Informationspflichten, sowie Präsenz der Kommission im Parlament angeht. Dennoch möchte ich unbedingt auf den Fortschritt hinweisen, der in Bezug auf die interinstitutionellen Aspekte internationaler Beziehungen erzielt wurde.
Die Rolle, die dem Parlament zuteilwurde, sollte nicht als gestärkt bezeichnet werden: Sie ist eine Bedingung. Wir hoffen, dass niemand die Anwesenheit von Beobachtern des Europäischen Parlaments bei multilateralen und bilateralen internationalen Konferenzen als rein verantwortungsbewusstes Handeln in Frage stellt. Sollte den Mitgliedern des Europäischen Parlaments bei bilateralen Abkommen, wie zum Beispiel Fischereiabkommen, der Status eines Beobachters verwehrt werden, würde dies tatsächlich einer vollen Kenntnis des auszuhandelnden Bereichs, über den das Parlament anschließend eine Meinung äußern muss, im Wege stehen.
Ich glaube, dass wir auf diese Voraussetzungen nicht verzichten können, da das Parlament anderenfalls bilaterale Abkommen ablehnen würde, die per definitionem nicht geändert werden können, und die Abstimmung in Ermangelung einer Partnerschaft zu einer reinen Formalität machen würden.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Ich freue mich sehr, dass die Europäische Kommission anerkennt, wie wichtig demokratischere Entscheidungsprozesse für eine erfolgreiche Zukunft der Union sind. Daher handelt es sich hier um eine Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments. Ich begrüße, dass die neue Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission dafür sorgt, dass die Bedeutung des Parlaments über die Vorschriften des Vertrages von Lissabon hinaus gestärkt wird. Ich begrüße die Tatsache, dass die Vereinbarung detailliertere Folgeabschätzungen und bessere Reaktionen der Kommission auf die politischen Anforderungen des Europäischen Parlaments ermöglicht. Besonders wichtig ist, dass die Kommission den Abgeordneten einen wirklich besseren Zugang zu Dokumenten, einschließlich der Vorschläge zu internationalen Abkommen, gewährt. Dies ist hier bereits gesagt worden. Ihre Ratifizierung kann nicht nur eine Formalität sein, wie es oft in nationalen Parlamenten üblich ist. Wir brauchen im Vorfeld entsprechende Informationen, um ihre Inhalte im weiteren Verlauf mitgestalten zu können. Der Rat, der sich benachteiligt fühlt, muss sich an die Tatsache gewöhnen, dass er in Zukunft deutlich besser mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten muss.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Der Vertrag von Lissabon bringt neue Aufgaben und Verpflichtungen mit sich, sowohl für das Europäische Parlament als auch für die Europäische Kommission.
Es ist lobenswert, dass wir in weniger als einem Jahr nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon die überarbeitete Rahmenvereinbarung über eine verbesserte Zusammenarbeit bei gemeinsamen Aufgaben der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments vorliegen haben. Das gegenseitige Einvernehmen bei gemeinsamen Verfahren wird sicherlich zur Vermeidung möglicher Missverständnisse bei gemeinsamen Entscheidungsfindungen beitragen. Die Europäische Union gründet sich auf ein Übereinkommen der Nationalstaaten, die uns – sowohl dem Europäischen Parlament als auch der Europäischen Union – einen Teil ihrer Befugnisse abgetreten haben. Daher ist der Vertrag von Lissabon bei bestimmten Belangen mit der Verpflichtung verbunden, mit nationalen Parlamenten zusammenzuarbeiten. Die korrekte Form dieser Zusammenarbeit sollte der nächste Schritt sein, wenn es darum geht, die Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union zu definieren. Darum möchte ich bitten, Herr Kommissar.
Franz Obermayr (NI). - Frau Präsidentin! Parlament und Rat fungieren in der EU als Gesetzgeber und sind im Fall des EU-Parlaments direkt, im Fall des Rates zumindest indirekt demokratisch legitimiert. Dennoch ist die Kommission, welche keinerlei demokratische Legitimation besitzt, nach wie vor das einzige Organ, das Vorschläge für die EU-Regelungen einbringen kann – und das trotz des Vertrags von Lissabon. Somit sehe ich hier noch massive Defizite.
Damit das EU-Parlament sein Initiativrecht effizient wahrnehmen kann, muss auch die Informationspflicht entsprechend erweitert werden. Mit dem neuen Instrument der Bürgerinitiative sollte das Parlament als Vertretungsorgan der Bürger so früh wie möglich in den legislativen Prozess eingebunden werden.
Auch im Bereich der internationalen Beziehungen muss der Informationsfluss zwischen Kommission einerseits und Parlament andererseits gestärkt werden. Die EU-Außenpolitik darf nicht alleinige Kompetenz eines relativ bürgerfernen und bürokratischen EAD werden.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Ich denke, dass die neue Vereinbarung die Beziehungen zwischen dem Parlament und der Europäischen Kommission von 2010 bis 2015 erheblich verbessern wird.
Der Zeitpunkt zur Überprüfung der rechtlichen Grundlage für diese Zusammenarbeit, die nur kurze Zeit nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon vorgenommen wird, ist passend. Die neuen Regelungen legen die politische Verantwortung beider Institutionen genau fest und sorgen für eine Stärkung der Rechte, die das Europäische Parlament kürzlich im Entscheidungsprozess erworben hat.
Basierend auf dem Prinzip der Gleichstellung wird das Parlament, was den Zugang zu legislativen oder haushaltsrelevanten Dokumenten angeht, die gleichen Rechte ausüben wie der Rat. Zusätzlich wird die öffentlichkeitswirksame Rolle, die das Parlament bei der Ausarbeitung des EU-Jahresarbeitsprogramms spielt, die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Festsetzung von Prioritäten der europäischen Politik verstärken.
Krisztina Morvai (NI). – (HU) Wie eine biblische Weisheit besagt, bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der kranke Baum bringt schlechte Früchte. Der Vertrag von Lissabon wurde unter diktatorischen Verhältnissen unterzeichnet, was bedeutet, dass er keine demokratischen Auswirkungen haben kann. Er wurde den Nationalstaaten, zumindest Ungarn, meinem Heimatland, unter ausdrücklich diktatorischen und antidemokratischen Umständen aufgezwungen, da er ein Vertrag ist, der den Menschen hinter ihrem Rücken und über ihre Köpfe hinweg zahlreiche Entscheidungsbefugnisse, die ihr eigenes Schicksal betreffen, genommen und diese an Brüssel abgetreten hat. Aufgrund von Naturrecht ist der Vertrag von Lissabon offenkundig ungültig, zumindest was Ungarn angeht, weil erstens versäumt wurde, diesen außerordentlich wichtigen Vertrag mit den Menschen, der Öffentlichkeit und diversen zivilen Organisationen zu besprechen und auf diese abzustimmen, und er zweitens ohne eine Vorstellung über den Inhalt des Textes angenommen wurde. So viel zu den demokratischen Auswirkungen dieses diktatorischen Vertrages.
Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. – Frau Präsidentin, zunächst möchte ich allen Rednern danken, ganz besonders denjenigen, die ihre Unterstützung für die Rahmenvereinbarung zum Ausdruck gebracht haben, denn ich denke, dass sie eine sehr wichtige Anleitung dafür ist, wie wir in Zukunft besser zusammenarbeiten können.
Ich möchte der Arbeitsgruppe und dem Team des Europäischen Parlaments nochmals meinen Dank aussprechen, denn wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Wir hatten elf Runden sehr intensiver Verhandlungen, aber diese harte Arbeit hat sich ausgezahlt, und ich denke, dass wir heute dank einer ausgezeichneten Vereinbarung einen wirklichen Grund zum Feiern haben.
Selbstverständlich habe ich den Anmerkungen der Damen und Herren Abgeordneten und ihren Fragen, von denen einige Bedenken über die erzielte Vereinbarung zum Vorschein brachten, mit großer Aufmerksamkeit zugehört.
Ich möchte daher zunächst unterstreichen, dass es für die Kommission ein wichtiger Grundsatz ist, die etablierten und bewährten Verfahren bei der Zusammenarbeit zwischen unseren Institutionen aufrecht zu erhalten. Das bedeutet, dass sich die überarbeitete Rahmenvereinbarung nicht nachteilig auf bewährte Verfahren auswirken sollte. Tatsächlich erwarte ich, dass die Anwendung der Rahmenvereinbarung in allen Fällen klare Verbesserungen hervorbringen wird.
Gleichwohl realisierten beide Vertragsparteien bei den Verhandlungen, dass ihnen die Auslegung Schwierigkeiten bereiten wird, aber sie erklärten sich auch bereit, die überarbeitete Rahmenvereinbarung so konstruktiv wie möglich umzusetzen, und ich kann Ihnen versichern, dass sich die Kommission dazu verpflichtet fühlt.
Die Praxis, davon bin ich überzeugt, wird zeigen, dass sich viele der heute geäußerten Bedenken nicht bewahrheiten werden. Außerdem werden manche Erwartungen, die über die kraft der Verträge zugewiesenen Befugnisse der beiden Institutionen hinausgehen, korrigiert werden müssen. Erlauben Sie mir, als Antwort auf die Anfrage hinsichtlich meiner Aussage zum Verhaltenskodex zu bekräftigen, dass die Kommission bald einen Vorschlag für einen überarbeiteten Verhaltenskodex vorlegen wird und, gemäß der Rahmenvereinbarung, rechtzeitig die Meinung des Parlaments einholen wird, wie bei den Verhandlungen zugesichert.
Abschließend möchte ich hervorheben, dass wir uns im Falle etwaiger Probleme noch einmal zusammensetzen und Lösungen suchen werden. Tatsächlich haben wir bereits eine Überprüfung der Rahmenvereinbarung für Ende 2011 vorgesehen, die uns genügend Möglichkeiten bieten wird, mögliche Fehler zu berichtigen.
In diesem Sinne freue ich mich sehr darauf, mit Ihnen auf Grundlage dieser überarbeiteten Rahmenvereinbarung zusammenzuarbeiten, und hoffe und erwarte, dass Sie am Mittwoch für diese Vereinbarung stimmen werden.
Ich glaube und hoffe, dass sich dieser positive Geist auch auf die Beziehungen zwischen allen Institutionen der Europäischen Union insgesamt erstrecken wird, denn das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten und was wir leisten sollten.
Paulo Rangel, Berichterstatter. – (PT) Ich möchte meine Schlussrede darauf aufbauen, was in dieser Aussprache diskutiert wurde. Abschließend möchte ich Ihnen Folgendes sagen. Eines der wichtigsten Ziele dieser Rahmenvereinbarung bestand darin, den Rat und das Parlament in ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und haushaltsrelevanten Belangen gleichzustellen, also parallel zu positionieren. In Bezug auf andere Belange war es ferner Ziel, das aus dem Vertrag von Lissabon hervorgehende Kräftegleichgewicht und das Prinzip der Gewaltenteilung zu wahren, so dass das Parlament seine politische Kontrollfunktion außerhalb der ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und haushaltsrelevanten Belange besser ausüben kann.
Ich denke, dass die Klarstellung, die diese Rahmenvereinbarung bietet, für beide Institutionen gut ist. Ihre Beziehungen zueinander werden hierdurch klarer und transparenter.
Aber sie ist auch für die anderen Institutionen gut, besonders für den Rat, weil der Rat nun eine eindeutige Grundlage hat, mit einem klaren Verständnis und einer Vision davon, wie er die Beziehungen zwischen dem Parlament und der Kommission nach den Verbesserungen aus dem Vertrag von Lissabon handhaben wird. Daher wird, bei aller emotionaler Reaktion des Rates oder direkter Kritik zur Rahmenvereinbarung, eine Zeit kommen, in der er sich daran erinnern wird, dass sie ein positiver Schritt für alle Institutionen war, und eine Zeit, in der es nicht nur für zwei, sondern, wie von der europäischen Öffentlichkeit gewünscht, endlich für drei Institutionen eine Rahmenvereinbarung geben wird, die allesamt ihre Sichtweise der Worte und des Geistes des Vertrages von Lissabon darlegen werden.
Ich begrüße die Offenheit, die die Kommission während dieses gesamten Verfahrens gezeigt hat.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, 20. Oktober, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Rafał Trzaskowski (PPE), schriftlich. – (PL) Als wir vor einem Jahr die Gespräche über die neue interinstitutionelle Vereinbarung aufnahmen, wiesen wir darauf hin, dass, angesichts der Stärkung des Parlamentes durch den Vertrag von Lissabon, die Zeit für eine neue Qualität unserer Zusammenarbeit mit der Kommission gekommen war. Ich sagte damals selber, dass das Parlament durch den Vertrag von Lissabon gewiss Vorteile auf Kosten der Kommission erlangt hat aber der Teufel im Detail steckt und es von diesen Details abhängt, wie sinnvoll unsere Verhandlungsführer den Wortlaut des Vertrages in der Rahmenvereinbarung in konkrete Bestimmungen umsetzen können. Heute liegen uns diese Bestimmungen vor, und wir haben es geschafft, die Vereinbarungen, die wir in der Entschließung im Rahmen der Plenarsitzung im Februar getroffen haben, aufzunehmen, und hierfür möchte ich unsere Verhandlungsführer und den Berichterstatter des Ausschusses für konstitutionelle Fragen, Herrn Rangel, beglückwünschen. Hoffen wir, dass die Vereinbarung trotz der anfänglichen Spannungen, die zwischen uns und der Kommission aufgrund der Auslegungen der ausgehandelten Bestimmungen herrschten, zu einer effizienteren und effektiveren Zusammenarbeit zwischen unseren Institutionen beitragen wird.
15. Datenübermittlung durch Mitgliedstaaten an die Vereinigten Staaten auf der Grundlage von Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding) (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über
– die Anfrage zur mündlichen Beantwortung an die Kommission: Datenübermittlung durch Mitgliedstaaten an die Vereinigten Staaten auf der Grundlage von Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding) von Sophia in 't Veld und Alexander Alvaro im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und Birgit Sippel im Namen der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament (O-0149/2010 - B7-0555/2010),
– die Anfrage zur mündlichen Beantwortung an die Kommission: Datenübermittlung durch Mitgliedstaaten an die Vereinigten Staaten auf der Grundlage von Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding) von Rui Tavares und Marie-Christine Vergiat im Namen der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (O-0160/2010 - B7-0558/2010),
– die Anfrage zur mündlichen Beantwortung an die Kommission: Weitergaben von Daten durch Mitgliedstaaten an die USA auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen von Jan Philipp Albrecht im Namen der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz (O-0168/2010 - B7-0561/2010).
Sophia in 't Veld, Verfasserin. – Frau Präsidentin, ich möchte mich kurz fassen. Ich denke, die mündliche Anfrage ist sehr deutlich. Wir arbeiten derzeit an einem Fluggastdatensatzpaket (Passenger Name Record, PNR). Die Kommission hat drei Mandatsentwürfe für Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten, Kanada und Australien ausgearbeitet. In der Zwischenzeit jedoch verhandeln die Mitgliedstaaten bilateral mit den Amerikanern über den Austausch persönlicher Daten oder, genauer gesagt, über die Gewährung des Zugangs zu Europäischen Datenbanken durch die Vereinigten Staaten, einschließlich Passagierdaten.
Bevor dieses Haus eine Position zu einem PNR-Vorschlag oder einer PNR-Vereinbarung einnehmen kann, müssen wir wissen, wie die Situation aussieht. Wenn sich die Mitgliedstaaten mit den USA bilateral über den Austausch von PNR-Daten einigen, frage ich mich, was wir in diesem Parlament machen.
Mir wurde außerdem gesagt – aber es gibt keine Möglichkeit, dies zu verifizieren, da die bilateralen Vereinbarungen und die bilateralen Verhandlungen geheim sind – dass dies auch die PNR-Daten von Nicht-EU-Bürgern oder EU-Bürgern auf Flügen mit Zielen außerhalb der Vereinigten Staaten betreffen könne und diese daher nicht von einer möglichen Vereinbarung zwischen der EU und den USA abgedeckt wären. Wir brauchen Klarheit darüber, bevor wir unsere Gespräche über PNR fortsetzen können.
Abschließend, Herr Kommissar, möchte ich darauf hinweisen, dass ich am vergangenen Wochenende auf einen weiteren Aspekt gestoßen bin, über den wir nicht informiert wurden und der für diese Aussprache wichtig sein könnte. Es geht um ein Programm namens „One Stop Security“ (Programm über einheitliche Sicherheit), das die Kommission offenbar zurzeit mit der US-amerikanischen Behörde für Transportsicherheit (United States Transport Security Authority) aushandelt. Dies würde zu einer Lockerung der Sicherheitskontrollen für US-amerikanische Reisende, die nach Europa kommen, und umgekehrt, führen.
Ich finde es etwas seltsam, dass die Sicherheitskontrollen für europäische Bürgerinnen und Bürger, die in die Vereinigten Staaten reisen, immer strikter werden – wir müssen sogar ESTA-Gebühr (elektronisches System zur Reiseautorisierung) zahlen – und die Europäische Kommission gleichzeitig darüber verhandelt, die Sicherheitskontrollen für Amerikaner, die hierher kommen, zu lockern.
Es wird Zeit, dass uns die Europäische Kommission vollständig über dieses Programm und den Stand der Verhandlungen informiert, und ich möchte wissen – und damit werde ich abschließen – ob die Vereinigten Staaten die Sicherheitsstandards, die dieses Programm möglich machen würden, tatsächlich eingeführt haben.
VORSITZ: STAVROS LAMBRINIDIS Vizepräsident
Birgit Sippel, Verfasserin. − Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der Lissabon-Vertrag vielfach genannt worden. Und ich will einmal etwas Positives sagen. Die meisten Bürgerinnen und Bürger finden es gut, dass wir in Europa grenzenlos reisen, dass wir uns für Bildung, Arbeit und Freizeit in der Europäischen Union frei bewegen können. Doch wir hinterlassen dabei natürlich auch Datenspuren. Unsere Daten sind längst nicht nur in einem Mitgliedstaat gespeichert, sondern verteilt über die ganze Europäische Union. Und gerade deshalb ist es gut, dass wir auch in diesem Bereich, wo es um den Schutz von Daten europäischer Bürger geht, mehr Kompetenzen auf europäischer Ebene haben, weil die Bürgerinnen und Bürger zu Recht erwarten, dass ihre Daten überall in Europa gut geschützt sind und dass nicht unnötig viele Daten – möglicherweise auch an Drittstaaten – weitergegeben werden.
Doch wie sollen wir als Europäische Union – und ich sage ganz deutlich: als Europäisches Parlament und als Rat, also zusammen mit den Mitgliedstaaten – diesen Schutz sicherstellen, wenn wir zwar als Europäische Union mit Drittstaaten über die Weitergabe von Daten verhandeln – darüber, welche Daten überhaupt notwendig sind, für welchen Zweck sie verwendet werden und welche Schutzmechanismen notwendig sind, um diese Daten zu schützen –, gleichzeitig aber einzelne Mitgliedstaaten mit Drittstaaten über Daten verhandeln und wir gar nicht wissen, um welche Daten es geht, welche Schutzstandards eingehalten werden, ob Daten womöglich doppelt weitergegeben werden, oder ob sogar Daten weitergegeben werden, deren Weitergabe wir auf europäischer Ebene gerade nicht zulassen wollen.
Und noch ein weiterer Punkt kommt hinzu, den die Mitgliedstaaten an dieser Stelle vielleicht nicht ausreichend beachten. Denn wenn ein Mitgliedstaat mit einem Drittstaat verhandelt, wie will ich denn sicherstellen, wie will und kann der einzelne Mitgliedstaat sicherstellen, dass – wenn überhaupt – tatsächlich nur Daten seiner Bürger weitergegeben werden? Wir haben doch mittlerweile Datenbanken innerhalb der Europäischen Union, in denen Daten unterschiedlichster Bürger an einer zentralen Stelle gesammelt werden und auf die viele Behörden europäischer Staaten Zugriff haben. Gehen also, wenn meine Daten irgendwo in einem Land A gespeichert sind und das Land A die Weitergabe beschließt, auch meine Daten an ein Drittland? Das kann nicht der Mehrwert der Europäischen Union sein, den wir beschlossen haben, als wir mit guten Gründen über den Lissabon-Vertrag verhandelt haben. Auch die Mitgliedstaaten müssen die neue Gewichtung der Institutionen wahrnehmen und umsetzen und müssen sich an die Spielregeln halten und das heißt: Datenschutz ist auch eine europäische Aufgabe. Wir müssen auf europäischer Ebene darauf achten, dass so wenig Daten wie möglich für eng begrenzte Ziele weitergegeben werden und das alles nicht durch bilaterale Vorhaben ausgehöhlt wird.
Rui Tavares, Verfasser. – (PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr haben wir bei vielen Gelegenheiten verschiedene Gesichtspunkte des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre der europäischen Bürgerinnen und Bürger erörtert und wir haben erklärt, dass wir, um die Sicherheit von Reisenden, zum Beispiel Flugreisenden, zu gewährleisten, die personenbezogenen Daten der europäischen Bürgerinnen und Bürger schützen sollten. Dieser Austausch hat sowohl rechtliche als auch politische Auswirkungen, die das Parlament sorgfältig prüfen sollte.
Wir wissen, dass das so ist, als würde man ein Pferd von hinten aufzäumen: Jedes Mal, wenn wir ein Problem haben, versuchen wir das Problem zu lösen. Zuerst hatten wir Secure Widespread Identities for Federated Telecommunications (SWIFT) und jetzt die Fluggastdatensätze(Passenger Name Records - PNR). Und dennoch gelingt es uns nicht, das Pferd von vorne aufzuzäumen. Mit anderen Worten, wir legen nicht erst fest, was die allgemeinen Überlegungen zum Datenschutz in Europa sind, um sie dann allgemeingültig auf jeden Gesichtspunkt und jeden internationalen Partner anzuwenden, seien es heute die USA oder China, Südkorea oder Saudi Arabien in der Zukunft: alle internationalen Partner, die diese Art von Daten anfordern.
Da wir so bruchstückhaft und stückchenweise vorgehen, haben wir es bereits mit einem äußerst schwierigen Rahmen zu tun, aus dem das Parlament versucht, etwas Sinnvolles zu machen. Wir alle wissen jedoch, dass die Dinge ganz anders aussehen sollten. Wenn die Lage jedoch schon schlecht ist, wird sie noch schlimmer, falls die Berichte zutreffend sind, dass bestimmte Mitgliedstaaten mit den USA Absichtserklärungen ausgehandelt haben, die die direkte Übermittlung von Daten in Bezug auf Fluggäste ermöglichen, die aus diesen Mitgliedstaaten in die USA einreisen.
Ich möchte hier ganz deutlich machen, dass sich meine Hauptbeschwerde nicht gegen die USA richtet. Die USA gehören zu unseren internationalen Partnern; an diesem Land gibt es viel Bewundernswertes und wir teilen gemeinsame Interessen. Ich beschwere mich jedoch über die Mitgliedstaaten, die mit den Verhandlungen brechen, die wir auf europäischer Ebene führen sollten. Das lässt auf Seiten dieser Mitgliedstaaten Illoyalität erkennen und es unterwandert nicht nur die mit den USA laufenden Verhandlungen, sondern auch die interinstitutionelle Verständigung innerhalb der EU selbst. Es unterwandert zudem die Möglichkeit, dass wir eventuell später ein Abkommen mit den USA erzielen – ein Rahmenabkommen über den Datenschutz, für das Herr Albrecht der Berichterstatter ist.
Eine derartige Einstellung kann zudem unabsehbare Auswirkungen haben, denn wenn die USA nun mit einzelnen Mitgliedstaaten verhandeln, was hält sie dann später davon ab, die Daten von Bürgerinnen und Bürgern mit einzelnen Fluggesellschaften auszutauschen oder sogar direkt an diese beim Kauf eines Tickets heranzutreten?
Es muss jemand aufstehen und die Rechte der 500 Millionen europäischen Bürgerinnen und Bürger verteidigen. Das Parlament hat dies auf dieser Ebene getan. Es ist wichtig, dass sich die Kommission, die Mitgliedstaaten und die USA darüber bewusst sind, dass das Parlament bei der Frage der PNR den Finger auf dem Knopf hat. Außerdem scheut sich das Parlament nicht, wie es bereits im Fall von SWIFT bewiesen hat, seine Privilegien einzusetzen, um ein Interimsabkommen zu verhindern oder ein Langzeitabkommen abzulehnen, das nicht den Gewährleistungen zur Datensicherheit und zum Datenschutz der europäischen Bürgerinnen und Bürger entspricht.
Jan Philipp Albrecht, Verfasser. − Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren der Kommission! Ich würde Sie wirklich bitten, diese Frage von uns sehr ernst zu nehmen, denn hier geht es um die grundsätzliche Frage – wie es gerade schon gesagt wurde –, inwiefern es überhaupt Sinn macht, an Datenschutzbestimmungen zu arbeiten, wenn gleichzeitig hinter unserem Rücken als Europäischem Parlament, aber vielleicht sogar auch hinter dem Rücken der nationalen Parlamente Abkommen verhandelt werden, die diese Standards unterlaufen.
Eine enge transatlantische Sicherheitszusammenarbeit – überhaupt eine transatlantische Zusammenarbeit – ist sehr wichtig, insbesondere wenn es um die Schaffung eines Raums von Freiheit und Recht geht. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass am Ende die Durchsetzung kollektiver Sicherheitsinteressen gestaltet wird, aber die Durchsetzung individueller Freiheits- und Grundrechte an dieser Stelle auf der Strecke bleibt. Das gilt gerade für den Datenschutz in der internationalen Zusammenarbeit.
Wir haben als Parlament lange Jahre immer wieder deutlich gemacht, dass es uns wichtig ist, dass bei all diesen Maßnahmen – sei es die Weitergabe von PNR-Fluggastdaten oder der Zugriff auf die SWIFT-Bankdaten – generell Datenschutzprinzipien gelten, die auch individuell durchsetzbar sind. Das bleibt hier immer wieder auf der Strecke. Deswegen haben wir als Parlament auch deutlich gemacht: Wir wollen allgemeine Standards, die für die gesamte EU gelten und die dann mit den Vereinigten Staaten vereinbart werden. Ich als Berichterstatter für das Rahmenabkommen der EU mit den USA muss dabei sagen: Es ist sehr wichtig, dass das nicht nur für EU-Abkommen der Mitgliedstaaten, sondern auch für mitgliedstaatliche Abkommen gilt. Es ist klar, wir sind hier in einem Bereich der geteilten Kompetenz, es wird also auch immer noch bilaterale Abkommen von Mitgliedstaaten mit den USA geben. Das ist durchaus in Ordnung, solange dies erstens nicht dazu führt, dass die gemeinsam vereinbarten Standards auf europäischer Ebene abgesenkt oder unterlaufen werden – und darum geht es hier – und man zweitens im Rahmen des geltenden Rechts bleibt.
Und wir haben nun einmal nach dem Lissabon-Vertrag nicht nur die Situation, dass das Europäische Parlament richtigerweise mit diesen Themen befasst wurde, sondern auch einen Rechtsrahmen, der besagt, dass bei einer geteilten Kompetenz, wenn schon Regelungen auf EU-Ebene getroffen wurden, wie zum Beispiel bei den Fluggastdaten, dieser Bereich dann für die Mitgliedstaaten gesperrt ist. Dann darf es meines Erachtens nicht sein, dass die Mitgliedstaaten an dieser Stelle eigene Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten aufnehmen, weil das schlicht und einfach unsere Verhandlungsposition beim Datenschutz unterläuft.
Deswegen fordere ich auch Sie als Europäische Kommission auf, in dieser Frage bei den Mitgliedstaaten zu intervenieren und der Ratspräsidentschaft deutlich zu machen, dass diese Verhandlungen eingestellt werden müssen und dass vor allen Dingen die rechtliche Grundlage geklärt werden muss, die nach dem Lissabon-Vertrag nun gilt. Für uns als Parlament ist klar: Wir brauchen eine Stimme der EU in den Verhandlungen, und auch der Kommission, deren Vorschläge ich in vielen Fällen richtig finde, sollte gesagt werden, dass auf jeden Fall folgender klarer Grundsatz gelten muss: eine Stimme, mit der wir verhandeln und nicht dauernd neue Verhandlungen auf bilateraler Ebene.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Ich begrüße die Anfragen der Damen und Herren Abgeordneten sehr. Ich möchte von Anfang an feststellen, dass die Kommission ihre Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Daten unserer Bürgerinnen und Bürger teilt.
Lassen Sie mich direkt zu Beginn auf dieses Thema eingehen. Sie wissen vielleicht, dass dies kein neues Thema ist. Im August 2007 haben die Vereinigten Staaten ihr Programm für visumfreies Reisen (Visa Waiver Program) durch das Hinzufügen bestimmter Bedingungen zur Verbesserung der Sicherheit modernisiert. Wir müssen zugeben, dass diese Bedingungen alle Mitgliedstaaten der EU betreffen, ob sie am US-Programm für visumfreies Reisen teilnehmen oder nicht. Sie sehen vor, dass ein Land, damit es am Programm für visumfreies Reisen teilnehmen kann, zustimmen muss, mit den Vereinigten Staaten bei Fragen des Gesetzesvollzugs zusammenzuarbeiten. Es muss sich insbesondere am Austausch von strafverfolgungsrelevanten Informationen beteiligen.
Wie Sie bereits erwähnt haben, führte dieses neue Gesetz zu einem zweigleisigen Ansatz seitens der EU. Auf der EU-Schiene begannen Verhandlungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten im Hinblick auf bestimmte Bedingungen für den Zugang zum Programm für visumfreies Reisen der USA, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Die EU-Schiene befasste sich mit der Rückführungspolitik aller Staatsangehörigen, der Sicherheit von Reisedokumenten und der Flughafensicherheit. Diese Punkte fallen in unsere Zuständigkeit.
Die bilaterale Schiene, die es noch zwischen den USA und einzelnen Mitgliedstaaten gibt, wurde genutzt, um die Anforderungen der USA nach Zusammenarbeit bei Anti-Terror-Vorhaben und Informationsaustausch zu erfüllen. Für Mitgliedstaaten, die noch nicht im Programm für visumfreies Reisen sind, ist das Schließen von Abkommen zu diesen Punkten eine Voraussetzung, um als ein Mitgliedsland des Programms für visumfreies Reisen bestimmt zu werden. Darum müssen wir uns kümmern.
Für Mitgliedstaaten, die bereits im Programm für visumfreies Reisen sind, finden solche Verhandlungen zu einem späteren Zeitpunkt statt, wodurch es für sie viel einfacher ist. Den Informationen zufolge, die die Kommission von den Mitgliedstaaten erhalten hat, ist dies die einzige Möglichkeit, um sich mit diesem Thema zu befassen. Acht Mitgliedstaaten haben Absichtserklärungen mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet, in denen es heißt, dass sie zustimmen, mit den Vereinigten Staaten in diesen Punkten zusammenzuarbeiten. Diese Staaten sind die Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta und die Slowakei. Das war das Problem, das sie lösen wollten. So konnten diese acht Mitgliedstaaten dem Programm für visumfreies Reisen beitreten und deswegen haben sie das auch getan.
Wie die Kommission erfahren hat, verfolgten die Absichtserklärungen nicht das Ziel, eine Rechtsgrundlage für den Datenaustausch zwischen den Vereinigten Staaten und den jeweiligen Mitgliedstaaten darzustellen. Sie bringen lediglich die Absicht beider Parteien zum Ausdruck, über spezifische Regelungen und Vereinbarungen für die Steuerung des Datenaustauschs zu verfügen. Darum geht es.
Ich muss betonen, dass sich die Informationen über den genauen Inhalt der Gemeinsamen Absichtserklärung bei den Mitgliedstaaten selbst befinden. Dazu gehören auch die dadurch abgedeckten Datenkategorien. Wenn das Europäische Parlament weitere Informationen erhalten möchte, müssen Sie sich also an die betreffenden Mitgliedstaaten wenden.
Die Kommission hat jedoch sichergestellt – und ich komme jetzt zu unserer Verantwortung – dass die Vereinigten Staaten keine bilateralen Regelungen mit den Mitgliedstaaten über den Austausch von PNR-Daten anfordern, da diese Angelegenheit gemäß dem entsprechenden PNR-Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten in die Zuständigkeit der EU fällt. Das haben wir erreicht.
Schließlich gab es bei den Verhandlungen zu dem Abkommen zwischen der EU und den USA einen Briefwechsel, um schriftlich festzuhalten, dass die gesetzlichen Bestimmungen der USA hinsichtlich der ständigen Beteiligung im Programm für visumfreies Reisen für Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der EU fallen, eingehalten werden. In diesem Zusammenhang hat die Kommission deutlich gemacht, dass dieser Briefwechsel, der Teil laufender Verhandlungen ist, keinen Zugang zur Datenbank der EU bieten kann.
Carlos Coelho, im Namen der PPE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, ich habe mir Ihre Antworten angehört und ich muss gestehen, dass ich überrascht bin, weil die Kommission einerseits erklärt, dass wir bei den Mitgliedstaaten anklopfen müssen, wenn wir mehr Informationen haben wollen. Das kann nur Folgendes bedeuten: Die Kommission erklärt, dass sie nicht dazu in der Lage ist, Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben oder in dieser Sache zu intervenieren. Andererseits erklärt sie jedoch, dass die Kommission die US-Regierung aufgefordert hat, keine Daten anzufordern, die den Zugang zu europäischen Datenbanken unterwandern. Ich verstehe nicht, warum die Kommission glaubt, dass es leichter ist, die US-Regierung zu etwas aufzufordern, als in Kontakt mit den Mitgliedstaaten und den Regierungen der Mitgliedstaaten der EU zu treten.
Ich muss gestehen, dass es dafür nach meiner Ansicht nur eine Erklärung geben kann: Es zeigt, dass die Kommission in einer schwachen Lage ist, und bedeutet, dass die Bedenken, die das Parlament in dieser Angelegenheit zum Ausdruck gebracht hat, vollkommen Sinn ergeben. Wir sind besonders darüber besorgt, dass die USA offenbar ungestraft eine „divide et impera“-Strategie verfolgen. Zweitens sind wir darüber besorgt, dass sich mehrere Mitgliedstaaten dazu entschlossen haben, bilaterale Beziehungen und Verhandlungen einzugehen, und somit einen gewissen Mangel an europäischer Solidarität erkennen lassen. Zudem sind wir über die resignierte Haltung und das mangelnde Verantwortungsbewusstsein seitens der europäischen Institutionen besorgt, was uns nicht gerade eine stärkere Verhandlungsposition beschert.
Europa muss bei diesem Thema ein Mitspracherecht haben. Wir müssen gewährleisten, dass es keinen Zugriff auf Datenbanken mittels bilateraler Abkommen gibt. Außerdem sind der Mantel der Geheimhaltung, der diese Verhandlungen umgibt, die Tatsache, dass bestimmte Vertreter der Mitgliedstaaten oder nationalen Parlamente den Inhalt der Absichtserklärungen enthüllt haben, und die Tatsache, dass diesem Parlament immer noch Informationen zu diesem Thema fehlen, wesentliche Gründe, die unsere Sorgen untermauern, und diese konnten durch die von der Kommission gerade gegebenen Antworten nicht ausgeräumt werden.
Alexander Alvaro, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Herzlichen Dank an die Kommissarin, die stellvertretend für ihre Kollegin, Frau Malmström, hier antwortet. Wir wissen das sehr zu schätzen. Aber, ehrlich gesagt, glaube ich, dass wir auf einer anderen Faktenbasis arbeiten. Denn letzten Endes geht es nicht um die alleinige Inanspruchnahme von DNA-Datenbanken. Die Kollegen haben es vermieden, das explizit zu nennen: dass DNA-Daten abgefragt werden sollen, dass Fingerabdruckdaten abgefragt werden sollen, dass Daten über verurteilte Straftäter abgefragt werden sollen, und zwar über das System, das wir mit dem Vertrag von Prüm geschaffen haben. Insofern ist das ein elementarer Bestandteil europäischer Politik, der hier zur Rede stellt.
Ehrlich gesagt, darum geht es mir gar nicht so sehr. Darüber kann man reden, darüber kann man sich austauschen, da kann man Modalitäten finden und diskutieren, wenn man es für richtig hält. Was mich ärgert, ist, dass weder der Rat noch die Kommission das Rückgrat haben, den Vereinigten Staaten zu sagen, dass es so nicht geht. Man kann nicht die Visafreiheit als Erpressungsmittel – in dem Fall gegenüber Österreich, keinem neuen Mitgliedstaat – nutzen und sagen: Wir entziehen Euch die Visafreiheit, wenn ihr nicht bereit seid, diese Daten zu liefern. Interessant ist, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vereinigten Staaten nicht einmal alleinig – quasi als Antwort – die Visafreiheit entziehen könnte, weil in unserem Abkommen geregelt ist, dass wir als EU insgesamt Visafreiheit gewähren. Was mich ärgert, ist der Tonfall, und dass da nicht das Rückgrat besteht zu sagen: Wir arbeiten mit Euch zusammen und wir wollen diese transatlantische Partnerschaft. Wie in jeder guten Beziehung, wie in jeder guten Ehe sind es Anstand und Respekt, die dazu beitragen, dass sie fruchtbar wird. Und genau das erwarten wir vom Verhältnis mit den amerikanischen Bürgern und der amerikanischen Politik, und wir wünschen, dass die Kommission und der Rat darauf mehr Wert legen.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Schon als der SWIFT-Kompromiss ausgehandelt wurde, war klar, dass das, was als Datenschutz verkauft wurde, einen peinlichen Selbstbetrug der Europäer darstellt. Jetzt ist es meines Erachtens amtlich: Das EU-eigene Überwachungssystem hat sich nicht, wie vermutet, erst binnen einiger Jahre als Placebo, als Beruhigungspille für die Kritiker, herausgestellt, sondern schon binnen einiger Monate.
Die USA scheren sich offenbar kaum um Vereinbarungen. Einmal mehr zeigen die USA nämlich, dass sie nicht an Partnern interessiert sind, sondern bestenfalls an Staaten, die zu allen amerikanischen Allmachtsallüren Ja und Amen sagen. Da mussten wir zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass die USA jahrelang nach Lust und Laune Einsicht in europäische Bankdaten nahmen, und als wir im Rahmen eines Abkommens dann auf europäischen Datenschutzstandards bestanden und einen EU-Aufpasser einsetzten, konnten die USA leicht zustimmen, da einfach über die bilaterale Hintertür wieder ungebremster Datenzugang möglich war.
Meines Erachtens ist bereits jetzt und nicht erst bei den nächsten transatlantischen Gesprächen diesem Albtraum ein Ende zu bereiten.
Ernst Strasser (PPE). - Herr Präsident, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich einem der Vorredner anschließen, der gesagt hat: Es ist höchst anzuerkennen, dass Sie persönlich hierher gekommen sind und eine Erklärung abgeben. Ich verstehe auch, dass das nicht Ihr Spezialgebiet ist. Aber ich muss sehr klar sagen, dass die Erklärung der Kommission außerordentlich unbefriedigend ist. Da ist etwas passiert, auf das ich wirklich aufmerksam machen muss.
Alle wichtigen Fraktionen hier im Haus wollen den Grundsatz diskutieren. Und wir sind entsetzt darüber, um das sehr vorsichtig zu sagen, dass die Kommission nicht handelt. Das war auch bei SWIFT so. Wir haben die Kommission in der letzten Sitzung des Plenums auf die 14 Dollar Einreisegebühr aufmerksam machen müssen. Heute hat die Kollegin zu Recht die Frage angesprochen: Was macht die Kommission, was machen die Mitgliedstaaten? Und jetzt höre ich, dass es sogar Diskussionen über bevorzugte Stellungen von Amerikanern gegenüber Europäern geben soll!
Wir müssen sehr klar festhalten, dass wir hier mit der Kommission sehr ernsthaft über das Grundsätzliche sprechen wollen. Und das Grundsätzliche heißt zumindest Reziprozität. Das heißt, dass hier nicht auf europäische Daten zugegriffen werden kann, sondern dass sie abgeholt werden müssen – das Push-Verfahren. Das sind Grundsätze, die man jetzt noch weiter vertreten kann, ebenso wie die Bürgerrechte, nämlich dass der Bürger ein Recht darauf hat zu wissen, welche Daten von ihm wo und wie verwendet werden, und dass das selbstverständlich auf einem europäischen Konzept aufgebaut wird. Das, was wir hier hören, ist, dass die Kommission eigentlich die Verhandlungsposition mit den Amerikanern dadurch verschlechtert, dass sie nicht auf die Mitgliedstaaten zugeht und das koordiniert und dass sie zweitens nicht selber aktiv wird.
Wann geht es denn los mit den Verhandlungen? Wann wird man denn aktiv? Bei SWIFT ist es plötzlich auf Druck des Parlaments innerhalb eines Monats gegangen. Jetzt brauchen wir so ähnliche Aktivitäten bei PNR und bei den allgemeinen Daten.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Obwohl es notwendig ist, den Terrorismus energisch und mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen, ist es im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich nicht möglich, die in den Nationen des transatlantischen Raums geltenden demokratischen Normen zu umgehen. Darum bin ich sehr enttäuscht, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten bei den letzten bilateralen vertraglichen Beziehungen zwischen der Union und den USA nicht aus vergangenen Fehlern gelernt haben und Vereinbarungen hinter dem Rücken des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente treffen. Aufgrund der schnellen Einigung, die eher auf die Erfordernisse des amerikanischen Vorwahlkampfes zugeschnitten zu sein scheint, werden Legitimität, Transparenz und demokratische Kontrollen in Frage gestellt. Zudem geschieht all dies zu einer Zeit, in der die USA eine Gebühr auf das Programm für visumfreies Reisen für die Union erhoben haben, das auf Grundlage der öffentlichen Meinung in Europa unterzeichnet wurde. Ich persönlich habe kein Problem mit der Übermittlung ausgewählter personenbezogener Daten von europäischen Bürgerinnen und Bürgern, z.B. Fluggästen, an entwickelte demokratische Länder, aber dies muss in Einklang mit allen gesetzlichen Bestimmungen so geschehen, dass es von einem unabhängigen Gremium, wie etwa durch die Abgeordneten des Parlaments oder durch Gerichte, überprüft werden kann.
Monika Flašíková Beňová (S&D). – (SK) Die Übermittlung von personenbezogenen Daten der Bürgerinnen und Bürger ist immer, sowohl aus ziviler als auch menschenrechtlicher Sicht, ein sensibles Thema.
Die Übermittlung von Daten über Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, wenn es um die USA geht, gerechtfertigt, insbesondere im Hinblick auf die Terrorbekämpfung und unser gemeinsames Interesse an der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Das ist sicherlich ein ehrenhaftes Anliegen, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger im Namen des Kriegs gegen den Terror immer mehr ihrer Privatsphäre berauben. Ich möchte die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA nicht abwerten und ich bin weiterhin der Überzeugung, dass die USA unser engster Verbündeter sind. Andererseits spricht die bloße Tatsache für sich selbst, dass die USA sowohl einzeln als auch bilateral mit den Mitgliedstaaten verhandeln und nicht nur mit der Europäischen Union als Ganzes.
Zum Schluss möchte ich die Mitgliedstaaten unterstützen, die bereits eine Absichtserklärung abgegeben haben. Dazu ist es gekommen, weil diese Länder schon Beziehungen auf der Grundlage von Visa zu den USA hatten, und weil die Europäische Union nicht geschlossen aufgetreten ist, hatten diese keine andere Wahl als die bilaterale Absichtserklärung zu unterzeichnen. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass die Europäische Union in Zukunft im Vergleich zu den einzelnen Mitgliedstaaten eine bedeutendere Rolle spielen wird.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unsere Anstrengungen beim Kampf gegen den Terrorismus fortsetzen müssen, der für die zivilisierte Welt weiterhin eine große Gefahr darstellt.
Der Umgang mit personenbezogenen Daten von europäischen Reisenden unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung scheint jedoch unkoordiniert und unorganisiert zu sein. Die Vereinigten Staaten sind die größten Sammler von personenbezogenen Daten und sammeln Daten von Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union sowohl auf der Grundlage von Abkommen mit der Europäischen Union als auch auf der Grundlage von bilateralen Abkommen mit einzelnen Ländern. Ich glaube, dass dieser zweigleisige Ansatz nicht länger toleriert werden sollte. Wir sollten den Umgang mit personenbezogenen Daten von Bürgerinnen und Bürgern der EU so ändern, dass Verstöße gegen das Recht auf den Schutz von personenbezogenen Daten durch halblegale Verfahren der Mitgliedstaaten verhindert werden. Daher müssen wir in unserer Beziehung zu den USA den Grundsatz der Gegenseitigkeit anwenden und gewissenhaft gewährleisten, dass die Regelungen auch für uns Europäer akzeptabel sind, und dass europäische Daten bzw. die Daten von europäischen Bürgerinnen und Bürgern gemäß den in Europa geltenden Regeln ausgetauscht werden.
Der Präsident. – Frau Morvai, ich lasse diese Intervention ausnahmsweise zu. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die einminütige Intervention funktioniert nicht auf die letzte Minute. Wenn Sie an diesem Verfahren teilnehmen möchten, bitte ich Sie, vorher Ihre Hand zu heben. Ich mache eine Ausnahme, weil dieses Mal nicht so viele auf der Liste stehen.
Krisztina Morvai (NI). – Vielen Dank, Herr Präsident. Betrachten Sie es als einen mildernden Umstand, dass es für dieses wichtige Thema anscheinend keine große Begeisterung und wenig Interesse gibt, ich stehle also nicht vielen Leuten die Zeit.
Jedes Verfahren zum Datenschutz oder jedes Verfahren, das gegen die fundamentalen Interessen des Datenschutzes verstößt, muss in Verbindung zu einem klar erkennbaren Ziel stehen und sollte dieses vertretbare Ziel erreichen können. Wie sieht dieses vertretbare Ziel den USA zufolge genau aus und wie kann dieses Ziel durch die Übermittlung von personenbezogenen Daten erreicht werden? Mit anderen Worten, wie werden diese Daten eingesetzt? Das ist meine erste Frage an die Kommission.
Außerdem möchte ich fragen, warum zwei verschiedene Kontrollen durchgeführt werden – eine für die „alten“ Mitgliedstaaten und eine für die „neuen“ Mitgliedstaaten, zu denen auch mein Heimatland Ungarn gehört. Warum sollte ein ungarischer Bürger im Hinblick auf den Terrorismus gefährlicher sein als ein Bürger aus den „alten“ Mitgliedstaaten? Ist auf dieses Thema bei den Verhandlungen eingegangen worden oder wird dies noch geschehen?
Sophia in 't Veld, Verfasserin. – Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit geben, in Bezug auf zwei Punkte um Klärung zu bitten.
Ich war überrascht, dass die Kommission erklärt hat, dass das Thema des Programms für visumfreies Reisen lediglich die Mitgliedstaaten betrifft – zumindest habe ich das so verstanden, Frau Kommissarin. Im Jahr 2007 erklärte die Europäische Kommission zunächst, dass sie in diesem Bereich die alleinige Zuständigkeit habe und schließlich musste sie die Zuständigkeit an die Mitgliedstaaten abgeben. Liege ich richtig, wenn ich davon ausgehe, dass die Europäische Kommission ihre Ansichten über ihre eigenen Zuständigkeiten geändert hat?
Zweitens, Frau Kommissarin, haben Sie erklärt, dass es in keiner der Absichtserklärungen um die Übermittlung von PNR-Fluggastdaten geht. Nun, ich kann Ihnen ein Exemplar einer Absichtserklärung geben, in der es um PNR geht. Bedeutet das, dass die Kommission selbst nicht einmal weiß, was vor sich geht?
Jetzt möchte ich etwas klarstellen, Frau Kommissarin. Dieses Parlament hat beschlossen, die Abstimmung über zwei PNR-Abkommen zu vertagen, da wir meinten, darauf vertrauen zu können, dass die Kommission als Gemeinschaftsorgan genauso verantwortlich ist wie wir im Europäischen Parlament. Ich beginne, mich zu fragen, ob die Kommission dieses Vertrauen verdient. Ich hoffe, dass Sie uns nicht enttäuschen werden.
(Beifall)
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, zunächst möchte ich sagen, dass ich diese Diskussion sehr interessant finde und dass ich hier bin, um Ihnen Erklärungen zu liefern, aber ich kann weder die Behauptung, dass die Kommission für den Schutz von Daten der Bürgerinnen und Bürger der EU nicht empfänglich sei, noch die Behauptung, dass ich nur hier sei, um meinen Kollegen zu vertreten, ohne das Thema oder das Geschehen zu kennen, akzeptieren. In der Kommission wissen wir alle sehr gut – wirklich sehr gut – was vor sich geht und ich kann Ihnen sagen, dass wir für den Schutz der Daten unserer Bürgerinnen und Bürger wirklich empfänglich sind.
Kommen wir jetzt zu den Fakten: Müssen wir den Vertrag von Lissabon respektieren oder nicht? Wie lautet Ihr Vorschlag? Den Rat zu ignorieren? Sie haben ganz einfach erklärt, dass Sie wünschen, dass die Stimme Europas bei diesem Thema geeint ist. Da stimme ich Ihnen zu: Das wünsche ich auch.
Was ist Ihnen also lieber? Der Kommission mitzuteilen, dass sie den Rat vollkommen ignorieren soll? Ich möchte Ihnen mitteilen – und ich rede hier über Fakten, nicht Träumereien – dass wir den Rat bereits dazu aufgefordert haben, wie Ihnen wohl bewusst ist, denn das ist ja nichts Neues. Im vergangenen Mai haben wir dem Rat vorgeschlagen, dass sämtliche Verweise auf personenbezogene Daten im zukünftigen Rahmen zwischen der EU und den USA auch für die Daten der Mitgliedstaaten gelten sollten. Wir haben vorgeschlagen, was Sie alle hier angesprochen haben.
Wenn es eine Einigung gibt, werden wir uns damit befassen. So sieht der Fall aus. Aber wenn es mit dem Rat keine Einigung gibt, was sollen wir dann Ihrer Ansicht nach tun? Wenden wir uns an die Mitgliedstaaten und erklären, dass wir nicht weiterkommen? Soweit ich es verstanden habe, lautet so Ihr Vorschlag und meine Antwort darauf ist sehr einfach: Wir müssen den Vertrag von Lissabon respektieren.
Ich komme jetzt zu einigen anderen sehr interessanten Themen: Ich habe viel über die europäische Datenbank und die Prüm-Datenbank gehört. Meine Antwort lautet, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie über Absichtserklärungen und bilaterale Abkommen verfügen, gegebenenfalls in der Lage sind, Daten über ihren eigenen Staatsangehörigen herauszugeben. Sie können keine Daten aus den Datenbanken der EU oder der Prüm-Datenbank herausgeben und das habe ich sehr deutlich gemacht. Ich habe auch sehr deutlich gemacht, dass wir die Vereinigten Staaten aufgefordert haben – und dabei hat es einen Briefwechsel gegeben und wir verhandeln noch darüber – zuzustimmen, dass sich die bilateralen Abkommen nicht auf PNR-Fluggastdaten beziehen können. Das heißt nicht, dass einige Mitgliedstaaten nicht versucht haben, mit den Vereinigten Staaten zu verhandeln, aber das ist der Standpunkt der Kommission.
Ich verstehe Ihre Bedenken sehr gut, aber wir müssen weiterkommen, um besser – so gut es geht – mit den Vereinigten Staaten zu verhandeln und versuchen, verbindliche Regeln für die Mitgliedstaaten innerhalb dieses Abkommens zu erzielen, denn nur so können wir genau das erreichen, was Sie erreichen wollen. So können wir etwas erreichen und deswegen wird die Kommission diesen Weg gehen: Wir befinden uns derzeit in Verhandlungen mit den USA und versuchen, zu einem Abkommen zu gelangen, das für die Mitgliedstaaten bindend ist.
Darum haben wir uns an den Rat gewandt und gesagt: Bitte vergewissern Sie sich, dass Sie das Gleiche tun, wenn es eine Einigung gibt und wenn wir einen Datenschutz auf unserer Schiene haben – der Schiene zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. Haben Sie einen anderen Vorschlag auf der Grundlage des Rechtsrahmens, an den wir uns halten müssen? Wenn ja, höre ich mir diesen gerne an. Wenn es jedoch keinen derartigen Vorschlag gibt, verstehen Sie bitte, dass auch wir sehr empfänglich in Bezug auf die Daten der Bürgerinnen und Bürger sind und versuchen, sie zu schützen, aber wir versuchen auch, die Mitgliedstaaten und den Rat zu respektieren.
Es handelt sich um ein kontinuierliches Thema. Ich verstehe all Ihre Bedenken und ich werde versuchen, sie mit einzubeziehen. Die Kommission kann sich an den Rat wenden und ein Ende der Gespräche mit anderen Ländern fordern. Was wir sagen können, ist, dass wir verhandeln und hinterher versuchen werden, sie an unsere Schiene zu binden. So können wir die Dinge handhaben.
Der Präsident. – Frau Kommissarin, gestatten Sie mir zu betonen, da ich mich mit dem Thema auskenne, dass fast jede Fraktion in diesem Plenarsaal große Bedenken geäußert hat, wie Sie gehört haben. Derzeit wird ein PNR-Abkommen neu verhandelt und geschlossen. Es ist diesem Parlament äußerst wichtig, dass die Kommission diese Bedenken sehr ernst nimmt, und dass nicht dieses Gefühl einer Kluft entsteht, wie wir es zum Beispiel beim SWIFT-Abkommen hatten.
Wir haben in jüngster Zeit bei diesen Gesprächen außerdem auf die sehr gefährlichen Grauzonen hingewiesen. Wenn beispielsweise jeder Mitgliedstaat einem Drittland die Daten überlassen würde, die er in europäische Datenbanken stellt – sagen wir die Schengen-Datenbank – dann könnte ein Drittland am Ende alle Daten in der Schengen-Datenbank sammeln. Obwohl es diese nicht aus der Schengen-Datenbank erhält, bekommt es sie einzeln von jedem Mitgliedstaat.
In diesem Sinne sind wir, wie Sie ganz zu Recht erwähnt haben, für die Entschlossenheit, mit der die Kommission diesen Gemeinschaftspfeiler schützt, dankbar. Gestatten Sie mir außerdem, Sie darum zu bitten, sicherzustellen, dass dies alles so gut wie möglich erledigt wird.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich stimme mit Ihnen überein, dass wir über all diese Bedenken reden müssen und ich stimme mit Ihnen auch überein, dass es einen Problembereich gibt.
Das habe ich von Anfang an deutlich gemacht und ich möchte, dass Sie das verstehen.
In der Kommission bemühen wir uns, legale Wege zu finden, die die Verträge achten, um dieses Problem zu lösen, um die Daten zu schützen und um zu versuchen, diesen Gemeinschaftspfeiler zu stärken.
Das ist jedoch nicht der einzige Pfeiler, den wir haben. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich alle Bedenken verstanden habe. Ich möchte, dass Sie verstehen, dass wir den Rat aufgefordert haben, eine Verpflichtung einzugehen. Wenn wir Erfolg haben und über einen wirklichen Schutz der personenbezogenen Daten in unserem Abkommen verfügen, dann haben wir den Rat aufgefordert, sich dazu zu verpflichten.
Das ist der einzige legale Weg, um voranzukommen.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
16. Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik - Überwachungs- und Kontrollregelung für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik (Aussprache)
Der Präsident. – Der nächste Punkt ist die gemeinsame Aussprache über folgende Dokumente:
- die Empfehlung von Jarosław Leszek Wałęsa, im Namen des Fischereiausschusses, zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Annahme der Änderungen des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik im Namen der Europäischen Union (11076/2010 - C7-0181/2010 - 2010/0042(NLE)) (A7-0262/2010) und
- den Bericht von Carmen Fraga Estévez, im Namen des Fischereiausschusses, über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit einer Überwachungs- und Kontrollregelung für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik (KOM(2009)0151 - C7-0009/2009 - 2009/0051(COD)) (A7-0260/2010).
(Der Präsident betont, dass die Redner angehalten sind, sich streng an ihre Redezeit zu halten.)
Jarosław Leszek Wałęsa, Berichterstatter. – (PL) Das Übereinkommen, das Ihnen heute präsentieren darf, wurde 1978 in Ottawa unterzeichnet und trat am 1. Januar 1979 in Kraft. Die Organisation für die Fischerei im Nordwestatlantik, kurz NAFO, wurde im Rahmen dieses Übereinkommens geschaffen, um die Erhaltung und optimale Nutzung der Fischbestände und die internationale Zusammenarbeit zu fördern. Bei den Jahrestagungen 2007 und 2008 der NAFO nahmen die Vertragsparteien Änderungen zu diesem Übereinkommen an. Dieses Dokument führt zu grundlegenden Änderungen des Übereinkommens, wobei es das Hauptziel ist, den Wortlaut in Einklang mit anderen Übereinkommen auf regionaler Ebene und internationalen Instrumenten zu bringen und neue Konzepte der Bestandsbewirtschaftung mit einzubinden. Die Organisationsstruktur wurde auf den neuesten Stand gebracht, eine eindeutige Verteilung der Pflichten zwischen den Vertragsparteien, den Flaggenstaaten und den Hafenstaaten wurde eingeführt, es wurde ein in sich schlüssigerer Beschlussfassungsprozess geschaffen, das System für die Haushaltsbeiträge der NAFO wurde reformiert und ein Verfahren zur Beilegung möglicher zwischen den Vertragsparteien auftretenden Streitigkeiten wurde eingerichtet.
Angesichts dessen, dass der Europäischen Union im Rahmen des Übereinkommens Fischfangrechte gewährt wurden, liegt die Ratifizierung der vorgeschlagenen Änderungen im Interesse der Europäischen Union. Darum sollten wir der Ratifizierung der Änderungen an dem Übereinkommen zustimmen. Gleichwohl möchte ich einige Schwierigkeiten, die dieses Mal bei der Ratifizierung aufgetreten sind, klar und eindeutig hervorheben. Zunächst haben die Vertragsparteien Änderungen bei einer Jahrestagung der NAFO im Jahr 2007 angenommen, wobei eine englische Fassung erstellt wurde. Im Jahr 2008 wurde eine französische Fassung erstellt, das KOM-Dokument jedoch, der Vorschlag der Kommission zur Umsetzung in das Gemeinschaftsrecht, ist vom 8. März 2010. Das bedeutet, dass die Arbeit an diesem Dokument zwei Jahre in Anspruch genommen hat. Eine derartige Verzögerung ist nicht hinnehmbar und sollte in Zukunft nicht noch einmal vorkommen. Eine schnelle Beschlussfassung ist eine unabdingbare Voraussetzung für das effiziente Funktionieren der Union. Drei Institutionen, die Kommission, der Rat und das Parlament, müssen eine angemessene Lösung finden, um eine Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden und eines der Hauptziele des Vertrags von Lissabon zu erreichen, nämlich die Vereinfachung und Beschleunigung von Beschlussfassungsprozessen. Der aktuelle Fall, der zur Ratifizierung vorgelegt worden ist, beweist, dass immer noch etwas falsch läuft und unverzüglich Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ergriffen werden müssen. Zweitens möchte ich Sie daran erinnern, dass der Vertrag von Lissabon im Dezember 2009 in Kraft getreten ist. Im Rahmen dieser neu erlangten Rechte, sollten der Fischereiausschuss und das Europäische Parlament bei allen späteren Verhandlungen über zukünftige internationale Vereinbarungen angemessen vertreten sein. In den Jahren 2007 und 2008 war das Europäische Parlament aus offensichtlichen Gründen nicht vertreten. Unsere Institution ist jedoch bereit, das Übereinkommen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu ratifizieren, aber gleichzeitig sollten der Rat und die Kommission an die neuen verfahrenstechnischen Anforderungen und die Notwendigkeit, mit den neuen Befugnissen des Europäischen Parlaments übereinzustimmen, erinnert werden.
Carmen Fraga Estévez, Berichterstatter. – (ES) Herr Präsident, gestatten Sie mir, dem Rat und der Kommission meine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck zu bringen, dass diese hervorragende Vereinbarung in erster Lesung erzielt wurde, und ich möchte insbesondere den juristischen Diensten aller drei Institutionen für ihre Zusammenarbeit und Hilfe bei der Lösung der nach dem Vertrag von Lissabon durch die neuen Ausschussverfahren aufgetretenen Probleme danken.
Ich glaube, dass wir einen guten Kompromiss erzielt haben, insbesondere da er im Vergleich zu der derzeitigen Lage einen erheblichen Fortschritt darstellt, obwohl wir alle, wie bei jedem Kompromiss, bei dieser besonders komplexen Aufgabe Zugeständnisse machen und flexibel sein mussten, da der Vorschlag der Kommission vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon vorgelegt wurde. Dies bedeutete, dass er gleichzeitig an die neue Situation angepasst werden musste, insbesondere an die Artikel 290 und 291 des Vertrags, die sich mit delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten befassen.
Da es hier um die Umsetzung von Empfehlungen einer regionalen Fischereiorganisation in EU-Recht geht, in diesem Fall die Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik (NEAFC), der jedoch noch viele weitere folgen werden, war es das grundsätzliche Ziel des Parlaments, ein Verfahren festzulegen, mit dem die Umsetzung so schnell wie möglich stattfinden konnte, und interne bürokratische Verzögerungen zu vermeiden, die uns daran hindern, angemessen auf unsere internationalen Verpflichtungen zu reagieren, wie es bisher der Fall gewesen ist.
Darum ermöglicht der neue Wortlaut des Artikels 48, nach dem mit dem Rat erzielten Kompromiss über die nachfolgenden Änderungen dieser Verordnung, der Kommission sowohl die Erfüllung der von der NEAFC gestellten Verpflichtungen als auch die Anpassung an die neuen Empfehlungen, die zukünftig durch die neue Delegierung von Befugnissen entstehen könnten.
Es stimmt, dass es die Kommission ermöglichen wollte, alle Artikel in dem Vorschlag durch delegierte Rechtsakte zu überarbeiten, und der Kompromiss stimmt darin überein, dass dies auf die Mehrzahl der Artikel zutreffen wird, mit Ausnahme von Bereichen wie der Registrierung von Fängen, Umladungen, Inspektionen oder der Verfolgung von Verstößen: mit anderen Worten, grundlegende Angelegenheiten im Hinblick auf die Kontrolle und Überwachung, die weiterhin nicht Teil des normalen Gesetzgebungsverfahrens sein werden.
Auf jeden Fall, Frau Kommissarin, verpflichtet sich das Parlament zur Änderung dieses Verfahrens, wenn es sich zeigt, dass die Miteinbeziehung dieser Punkte in den Rahmen des gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahrens die Übereinstimmung mit den Verpflichtungen der Europäischen Union und insbesondere der Kommission, als Vertragspartner der regionalen Fischereiorganisation, gefährden könnte.
Darum sind wir der Ansicht, dass dieser Kompromiss einen erheblichen Fortschritt darstellt, nicht nur in Bezug auf diesen spezifischen Vorschlag, sondern die Grundlage für zukünftige Gespräche zwischen dem Rat, der Kommission und dem Parlament über die Fischereipolitik darstellt.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, die Kommission ersucht das Parlament, seine Zustimmung zu der Bewilligung der Änderungen des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik, allgemein als Änderung des NAFO-Übereinkommens bekannt, zu geben.
Ich möchte Herrn Wałęsa für seine hilfreiche Arbeit an diesem Bericht danken.
Diese Änderung revidiert das Übereinkommen, um es mehr mit anderen regionalen Übereinkommen und internationalen Instrumenten in Einklang zu bringen. Sie beinhaltet moderne Konzepte der Bestandsbewirtschaftung; sie strafft die Struktur der Organisation für die Fischerei im Nordwestatlantik (NAFO); und sie führt eine eindeutige Festlegung der Pflichten der Vertragsparteien, Flaggenstaaten und Hafenstaaten sowie einen in sich schlüssigeren Beschlussfassungsprozess ein.
Sie modernisiert die Haushaltsbeitragsregelung der NAFO und bietet ein Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien.
Diese gründliche Änderung wird der EU dabei helfen, ihren internationalen Verpflichtungen in Bezug auf nachhaltige Fischerei nachzukommen und die vertraglichen Ziele voranzubringen. Eine zügige Ratifizierung der Änderung liegt im Interesse der EU, weswegen ich sie diesem Plenum empfehle.
Ich komme nun zu dem zweiten Bericht über die Überwachungs- und Kontrollregelung für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik.
Ich möchte Frau Fraga Estévez für ihre Arbeit an diesem Bericht danken. Ich bin über die nachdrückliche Unterstützung des Fischereiausschusses für den Kern dieses wichtigen Vorschlags erfreut.
Die Umsetzung der Überwachungs- und Kontrollregelung der Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik (NEAFC) ist tatsächlich eine zentrale Maßnahme, damit wir Fischereiressourcen im Atlantik bewirtschaften können und illegale, nicht gemeldete und unregulierte (IUU) Fischerei beseitigen.
Ich muss jedoch darauf hinweisen, dass die Kommission mit der zwischen dem Parlament und dem Rat während des Trilogs mit der Kommission getroffenen Gesamtvereinbarung nicht vollkommen zufrieden ist.
Tatsächlich bin ich über bestimmte Ergebnisse enttäuscht, insbesondere über Artikel 48, der sich mit dem Änderungsverfahren der Verordnung befasst.
Die Kommission hat eine umfangreichere Befugnisübertragung für die Übernahme zukünftiger Änderungen an der Regelung in das EU-Recht angestrebt. Lassen Sie mich erklären, warum – und ich möchte, dass Sie aufmerksam zuhören, denn wir werden zukünftig dieselben Probleme haben.
Wie Ihnen bekannt ist, muss die Europäische Union diese Regelung vollständig umsetzen, da wir gemäß dem NEAF-Übereinkommen international dazu verpflichtet sind. Gemäß diesem Übereinkommen werden Änderungen normalerweise 80 Tage nach der Annahme für uns bindend. Wir haben also 80 Tage Zeit, um sie umzusetzen. Ich mache mir wirklich Sorgen, dass die begrenzten an die Kommission von den Mitgesetzgebern delegierten Befugnisse eine rechtzeitige Übernahme der Änderungen in das EU-Recht behindern könnten. So sieht die Wirklichkeit aus und so lautet die Antwort auf die Bedenken von Herrn Wałęsa in Bezug auf den Zeitplan.
Obwohl es nicht meine Aufgabe ist, das Abkommen zu bestätigen, möchte ich, dass Sie sich über das Problem im Klaren sind.
Schließlich müssen wir verhindern, dass die Übernahme der NEAFC-Maßnahmen zu einer Sisyphusarbeit wird. So wie es jetzt aussieht, werden die von der NEAFC im vergangenen Jahr verabschiedeten Maßnahmen übernommen werden, wenn die Gesamtvereinbarung schließlich angenommen worden ist. Im kommenden Monat wird die NEAFC jedoch vermutlich neue Änderungen annehmen, für die eine wirksame Übernahme Anfang 2011 erforderlich ist.
Darum werden wir dafür mehr Zeit benötigen.
Darum ist die Kommission der Ansicht, dass diese Verordnung keine Beeinträchtigung für zukünftige Standpunkte der Institution im Hinblick auf die Anwendung der Artikel 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union für die Übernahme von Maßnahmen der Regionalen Fischereiorganisation darstellt.
Außerdem behält sich die Kommission das Recht vor, Änderungen zu der Verordnung vorzuschlagen und die Zahl der Maßnahmen, die durch delegierte Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte angenommen werden, zu erhöhen.
Dies werden wir tun, wenn die Übernahme durch das normale Gesetzgebungsverfahren zu Verzögerungen führt, was unsere Pflicht zur Einhaltung von internationalen Verpflichtungen kompromittieren würde.
Bis dahin möchte ich Frau Fraga Estévez und Herrn Wałęsa noch einmal für ihre Berichte und dem Fischereiausschuss für seine Arbeit an diesen wichtigen Punkten danken.
Alain Cadec, im Namen der PPE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, ich werde hauptsächlich über den Bericht von Frau Fraga Estévez sprechen. Dieser Bericht, zu dem wir heute unseren Standpunkt darlegen, ist von großer Bedeutung für die Verbesserung der Kontrollen im Nordostatlantik und für die Rolle des Europäischen Parlaments als Mitgesetzgeber bei Themen der Gemeinsamen Fischereipolitik.
Tatsächlich ist eine der Hauptaufgaben des Fischereiausschusses des Parlaments die Bekämpfung von illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter Fischerei, welche direkte Auswirkungen auf unsere Fischer und unsere europäische Fischereiwirtschaft hat. Diese sind nämlich Opfer unlauteren Wettbewerbs der schwarzen Fischereiwirtschaft. Illegale Reedereien beuten unterbezahlte Mannschaften aus und verkaufen Fischereiprodukte zu Niedrigstpreisen. Ihre Missachtung des Seerechts, der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation und der IUU-Verordnung vom 1. Januar 2010 führt dazu, dass europäische Reeder nun aufgrund der zu tragenden Arbeitskosten wettbewerbsunfähig sind. Wir fordern eine Angleichung der Regelungen und Arbeitsbedingungen, die für den Fischfang von Drittländern in der Europäischen Union gelten, nach oben hin.
Die europäischen Fischer halten sich ebenso an die strengen Bewirtschaftungs- und Kontrollregeln, die Bewahrung der Ressourcen und die nachhaltige Entwicklung der europäischen Bestände, diese Regeln dürfen unsere Fischer jedoch nicht bestrafen, wenn andere sich nicht daran halten. Darum fordere ich schärfere Kontrollen und die ordnungsgemäße Anwendung der Strafmaßnahmen gegen illegalen Fischfang.
In diesem Zusammenhang beglückwünsche ich unsere Vorsitzende zu ihrem Bericht, in dem sie darauf hinweist, dass die von der Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik (NEAFC) angenommenen Kontrollmaßnahmen unverzüglich in europäisches Recht umgewandelt werden müssen; ich begrüße insbesondere die Einführung eines Programms zur Förderung der Einhaltung durch Fischereifahrzeuge von Nichtvertragsparteien. Zudem verdeutlicht dieser Bericht den Anwendungsbereich des Artikels 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Hinblick auf delegierte Rechtsakte.
Ich begrüße das Hinzufügen eines aus drei Erklärungen bestehenden Anhangs, in denen die Bedingungen für die Umsetzung der delegierten Rechtsakte festgelegt werden, welche es ermöglichen, die operativen Befugnisse der Kommission zu überwachen und das institutionelle Gleichgewicht beizubehalten.
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Parlament als Gesetzgeber völlige Handlungsfreiheit im Hinblick auf die Delegierung haben muss.
Ulrike Rodust, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin Damanaki, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir eine Verordnung beschließen können, die einen weiteren kleinen Schritt auf unserem gemeinsamen Weg zu einer nachhaltigen Fischerei darstellt. Die regionalen Fischereiorganisationen sind außerordentlich wichtige Einrichtungen für ein gutes Management weltweit. Leider sind die Verhandlungen oft schwierig und der Fortschritt für ungeduldige Menschen wie mich viel zu langsam. Deshalb müssen wir alles tun, um die regionalen Fischereiorganisationen zu stärken.
Zum Ergebnis des NEAFK-Berichts im Einzelnen: Ich denke, die im Rahmen von NEAFK verabschiedete neue Hafenstaatkontrollregelung und die neuen Maßnahmen zur Verhinderung der illegalen Fischerei sind sehr begrüßenswert. Trotzdem haben wir intensiv mit Rat und Kommission über Fragen verhandeln müssen, die auf den ersten Blick sehr technisch wirken, aber für unsere zukünftige Arbeit wichtig sind. Ich denke, dass wir einen für alle Seiten akzeptablen Kompromiss zum Thema delegierte Akte gefunden haben.
Einigen konnten wir uns auch bei der Frage, wie zukünftige NEAFK-Beschlüsse in EU-Recht umgesetzt werden sollen. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Kommission hier mit dem Ergebnis nicht sehr glücklich ist. Ich kann das verstehen. Es darf nicht Jahre dauern, bis die Europäische Union NEAFK-Beschlüsse umsetzt. Rat und Parlament müssen hier gemeinsam beweisen, dass man, wo nötig, in der Lage ist, ein Mitentscheidungsverfahren schnell abzuschließen.
Abschließend noch ein Wort zu einem aktuellen Thema: dem Streit mit Island und um die Makrelenfischerei. Wir haben nun schon die NEAFK, die für die internationalen Gewässer im Nordostatlantik zuständig ist. Aber bei Wanderfischen wie Makrelen braucht man eben auch eine Einigung für die staatlichen Hoheitsgewässer. Sie wissen, daran hakt es immer noch. Ich finde es äußerst bedauerlich, dass es trotz der grundsätzlich funktionierenden Zusammenarbeit hier so viel Streit gibt. Wie wäre es, wenn wir den regionalen Fischereiorganisationen auch Kompetenz für die Küstengewässer geben – zumindest für Wanderfische? Das wäre natürlich ein radikaler Schritt, aber sicherlich eine Überlegung wert.
Britta Reimers, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kollegen! Mit dem Übereinkommen über die künftige multinationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik wurde eine überaus wichtige Organisation, die NAFO, gegründet. Ziel ist die Erhaltung und optimale Nutzung der Fischereiressourcen im Nordwestatlantik. Das Übereinkommen wurde dann geändert und stärker an andere, regionale Übereinkommen angepasst. Moderne Konzepte zur Bestandsbewirtschaftung wurden übernommen. Ich halte es für wichtig, dass die Struktur der Organisation gestrafft und die Pflichten der Vertragsparteien klar definiert werden. Gut ist auch, dass es die Möglichkeit gibt, Konflikte durch ein Streitbeilegungsverfahren zu regeln. Die Fangmöglichkeiten der Europäischen Union im Rahmen des Übereinkommens sind von großem Interesse für die EU. Das Parlament sollte im Rahmen seiner neuen Befugnisse aus dem Lissabonner Vertrag seine Zustimmung geben.
Als Schattenberichterstatterin der ALDE-Fraktion befürworte ich die Stellungnahme des Kollegen Wałesa.
Isabella Lövin, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, ich möchte den Berichterstattern, Frau Fraga Estévez und Herrn Wałęsa, für die Berichte, die wir heute erörtert haben, danken.
Die Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik (NEAFC) ist für die regionale Fischereiorganisation – oder RFO – für Europa und für das Ökosystem im Nordatlantik sehr wichtig. Eine unabhängige Überprüfung der Leistung der NEAFC war insgesamt positiv, was bei den RFO nicht immer der Fall war. Obwohl die NEAFC besser arbeitet als andere RFO, ist der Zustand der wichtigsten Fischbestände im Bereich des Übereinkommens an einem kritischen Punkt. Hinsichtlich wirtschaftlicher und sozialer Aspekte kann die Leistung nicht bewertet werden, wodurch es in Bezug darauf, ob das Ziel des Übereinkommens einer optimalen Nutzung erreicht worden ist, große Ungewissheit besteht. Die Verbesserungen bei den Kontroll- und Überwachungseinrichtungen, die Durchsetzung einer Schwarzen Liste für IUU-Fischereifahrzeuge und Maßnahmen der Hafenstaaten sind jedoch wichtige Errungenschaften.
Ein weiteres Ergebnis der Evaluierung war die Einrichtung eines Streitbeilegungsverfahrens, bei dem es jedoch viel zu lange gedauert hat, bis die EU dieses in die Gesetzgebung übernommen hat. Diese Maßnahmen wurden von der NEAFC bereits 2006 angenommen und sind erst jetzt in Kraft getreten. Die EU muss besser vorbereitet sein, um auf neue Entwicklungen zu reagieren und internationalen Verpflichtungen nachzukommen.
Die Bekämpfung illegalen Fischfangs wird immer wichtiger. Bei manchen Fischereien sind 30 % der Fänge illegal. Weltweit werden 11 bis 26 Mio. Tonnen Fisch im Wert von geschätzten 23 Mrd. USD jedes Jahr illegal gefangen. Das entspricht etwa einem Fünftel des weltweit gemeldeten Fischfangs. Illegaler Fischfang untergräbt die nachhaltige Bestandsbewirtschaftung insbesondere, aber nicht nur, auf hoher See und in den Küstengewässern der Entwicklungsländer. Außerdem ziehen sie erhebliche ökologische, soziale und wirtschaftliche Folgen nach sich.
Das Inkrafttreten der Kontrollverordnung und der IUU-Verordnung stellen für die EU wichtige Instrumente dar. Im Gebiet des CCAMLR-Abkommens (Abkommen zur Erhaltung der lebenden Meeres-Ressourcen der Antarktis) haben die Betreiber von IUU-Fischereifahrzeugen gezeigt, dass sie auf Bewirtschaftungsmaßnahmen mit dem Ziel der Verminderung von IUU-Fischfang mit dem Wechsel von Fischgründen, Häfen, Anlandehäfen und Flaggenstaaten reagieren. Diese Anpassungsfähigkeit hat zwischen den Betreibern von IUU-Fischereifahrzeugen und Gremien für Bestandsbewirtschaftung auf nationaler und internationaler Ebene zu einem Wettrüsten geführt. Die Einhaltungsmechanismen einer RFO können dazu führen, dass IUU-Fischereifahrzeuge die Fanggründe wechseln. Die Betreiber von IUU-Fischereifahrzeugen wechseln ständig die Flaggenstaaten – was man auch „Flaggen-Hopping“ nennt. Dieses Thema muss die EU ansprechen.
Die EU muss noch weiter gehen. Die Zusammenarbeit zwischen den RFO ist von grundlegender Bedeutung, aber wir sollten auch in Bezug auf ein globales Register für Fischereifahrzeuge, wozu auch alle Begleitschiffe gehören, das ganz eindeutig den wirtschaftlichen Eigentümer ausweist, die Initiative ergreifen. Die EU muss bei dem Thema IUU-Fischfang weltweit größere Verantwortung übernehmen.
Marek Józef Gróbarczyk, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Zunächst möchte ich den Berichterstattern zu ihren höchst bedeutenden und wichtigen Berichten gratulieren und insbesondere zu den Berichten, die die Inspektionen regulieren. Angesichts dessen, dass es Gebiete in den Gewässern der Europäischen Union gibt, in denen keine Inspektionen und keinerlei Prüfungen stattfinden, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um in allen Fischereigewässern der gesamten Europäischen Union Inspektionen durchzuführen.
Im Zusammenhang mit den Inspektionen sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass es kein allgemeingültiges System zur Verteilung von Quoten oder zur Meldung von Fischfängen der einzelnen Mitgliedstaaten gibt. Die vorgelegten Analysen beweisen, dass die Kommission in diesem Bereich über keine Fachkenntnisse verfügt und die von Vertretern der Kommission vorgelegten Stellungnahmen waren mehr als einmal widersprüchlich. Gleichzeitig verfügen auch die regionalen Beratungsagenturen über keine Fachkenntnisse. Es sei an die tragische Situation der Heringspopulation in der westlichen Ostsee erinnert. Die Gründe für diese Krise werden seit 2004 untersucht. Bisher hat man keine vernünftige Erklärung finden können. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Problem der Überproduktion von Fischmehl und Fischöl ausgelassen wurde.
Man sollte sich mit dem Thema der Fischereiaufsichtsagentur in Vigo befassen, die in bestimmten Fällen Inspektionsberichte selektiv vorgelegt hat, wie im Fall der östlichen Ostsee. Die Inspektion der industriellen Fischereifahrzeuge ist ebenso kontrovers. Aber jetzt ist der Bau der Nördlichen Pipeline ein grundlegendes Thema, bei dem sich die Fischer für die ihnen zustehenden Rechte eintreten und die verlorenen Einnahmen auf sich gestellt zurückfordern müssen. Das alles zwingt uns dazu, eine gründlichere Analyse durchzuführen, die Teil einer zukünftigen Gemeinsamen Fischereipolitik sein sollte und alle Berichte sollten sich an diese Politik halten.
Diane Dodds (NI). – Herr Präsident, Kommissarin Damanaki, Sie haben wirklich einen anstrengenden Abend, wir haben uns ja bereits im Fischereiausschuss gesehen. Als Erstes möchte ich den Berichterstattern für diese Berichte danken und die Stellungnahmen vieler meiner Kolleginnen und Kollegen hier heute Abend über ihre Bedenken in Bezug auf die Verzögerung bei der Erzielung von Fortschritten wiederholen.
Ich möchte jedoch die Gelegenheit in diesem Plenum nutzen, um auf die Fischereiabkommen im Allgemeinen einzugehen und zu betonen, dass eine Zusammenarbeit aller Parteien dieses Abkommens notwendig ist. Das wurde von der Kommissarin kurz dargestellt, als sie darauf hinwies, dass Abkommen die Übernahme von Verantwortung aller Beteiligten erfordern.
Jetzt stellen Sie sich einmal vor, Sie haben mehrere Millionen Pfund in eine neue hochmoderne Fabrik investiert, die jedes Jahr ein hochwertiges Produkt aus erneuerbaren und nachhaltigen Ressourcen gemäß den höchsten international anerkannten Normen herstellt. Dann beschließt Ihr Nachbar, dieses internationale Abkommen zu zerreißen und einseitig zu erklären, dass er seinen Anteil an dem Rohstoff, von dem Ihr Unternehmen abhängt, massiv erweitert. Genau das ist im Fall der Makrele und insbesondere einer Fischerfamilie aus Nordirland geschehen.
Natürlich beziehe ich mich auf das Küstenstaatenabkommen zwischen der EU, Norwegen, Island und den Färöer-Inseln. Frau Kommissarin, Sie haben sich bereits dazu geäußert und wir wissen die starke Haltung, die Sie in diesem speziellen Fall einnehmen, zu schätzen. Wir erkennen Ihre Anstrengungen im Interesse der Fischer an, aber wir möchten sowohl das Parlament als auch die Kommission auffordern, fest an Ihrer Seite zu stehen, wenn Sie die Verhandlungen über eine Lösung eines Problems, das sehr schwierig und sehr nervenaufreibend geworden ist, fortsetzen.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, heute Abend sind drei Redner aus Irland anwesend: Frau Dodds, die bereits gesprochen hat; Pat the Cope, der gleich sprechen wird; und ich. Wir drei vertreten fast die gesamte Fischereigemeinschaft der irischen Insel. Seit vielen Jahren ist die Fischerei für unser Land sehr wichtig. Wir haben wundervolle Küstengebiete, die vom Fischfang abhängig sind, aber, wie ich hier schon einmal erklärt habe, habe ich nie so viel Ernüchterung bei einer Gruppe von Menschen angetroffen wie bei diesen Fischern. Das ist das Ergebnis von Quoten, illegalem Fischfang, mangelhafter Verfolgbarkeit der Verarbeitungskette des Fisches und insbesondere die übereifrige Regulierung, die drakonischen Strafmaßnahmen und die Niedrigpreise von Fischimporten zweifelhafter Qualität und zweifelhaften Ursprungs.
Glücklicherweise haben die Berichterstatter hier heute Abend einige dieser Themen angesprochen. Ich begrüße besonders das von dem Übereinkommen für die Fischerei im Nordatlantik vorgeschlagene Verbot für die Anlandung von Gefrierfisch in europäischen Häfen ohne Ratifizierung durch den Flaggenstaat des ausländischen Fischereifahrzeugs. Das ist ein sehr wichtiger Punkt und ich hoffe, dass er mit dem gleichen Eifer umgesetzt wird, mit dem wir unsere eigenen Vorschriften für unsere eigenen Fischereigemeinschaften umsetzen.
Die Berichterstatter haben darauf hingewiesen, dass es für das Parlament wichtig ist, sein Privileg, zukünftige Änderungen an dem Übereinkommen genau zu überprüfen, zu behalten, aber es ist gleichermaßen wichtig, dass die Kommission und das Parlament eng zusammenarbeiten, um das bestmögliche Ergebnis für unsere Küstengemeinden zu erzielen, die größtenteils unsere Fischereigemeinschaften ausmachen.
Schließlich sollten wir diese Gelegenheit nicht versäumen, um uns alle Möglichkeiten anzuschauen, die sich uns im Hinblick auf die Entwicklung einer Aquakultur bieten. Es wird viel zu viel Fisch in die Europäische Union importiert, den wir eigentlich selbst produzieren könnten. Diese Zeit der Wirtschaftskrise stellt sicherlich eine großartige Gelegenheit zur Entwicklung einer Aquakultur dar.
Josefa Andrés Barea (S&D). – (ES) Herr Präsident, ich möchte Frau Damanaki für ihr Kommen danken und die Berichterstatter, Herrn Wałesa und Frau Fraga, beglückwünschen.
Der Bericht von Frau Fraga ist das Ergebnis der Empfehlungen zu der durch die Kommission für die Fischerei im Nordatlantik (NEAFC) im Jahr 2006 angenommenen Kontrollregelung, wobei das Übereinkommen bereits 1982 entworfen wurde, und er legt die Überwachungs- und Kontrollregelungen für Fischereifahrzeuge im Bereich des Übereinkommens neu fest. Der Bericht von Frau Fraga stellt den in dem Verordnungsvorschlag enthaltenen Rechtsrahmen zur Anwendung von Maßnahmen auf europäischer Ebene dar.
Die wichtigsten Änderungen lauten: die Förderung der Einhaltung der Regeln durch Fischereifahrzeuge von Nichtvertragsparteien, ein neues Kontrollsystem, das Verbot von Anlandungen von Gefrierfisch, dessen Legalität nicht bewiesen werden kann, die Orientierung an anderen Übereinkommen, an der Bestandsbewirtschaftung und an neuen Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Fischerei.
Ich möchte etwas hervorheben, auf das schon andere Abgeordnete hingewiesen haben. In dem Bericht von Frau Fraga wird erwähnt, dass die Empfehlung zur Kontrollregelung 2006 angenommen wurde, obwohl das Übereinkommen 1982 unterzeichnet wurde, also vor 28 Jahren, während das in dem Bericht von Herrn Wałesa genannte Übereinkommen 1978 angenommen wurde und ich glaube, dass er sagte, dass es 1989 übernommen wurde. Ich möchte also mit anderen Worten meine Missbilligung über die Art und Weise zum Ausdruck bringen, wie die Kommission die Empfehlungen der regionalen Fischereiorganisationen übernimmt.
Die illegale Fischerei muss nicht nur durch die zulässigen Gesamtfangmengen und die Quoten überwacht werden, sondern wir müssen uns auch um das rechtliche Vakuum kümmern, das entstehen könnte, wenn diese Rechtsvorschriften nicht übernommen werden.
Es reicht nicht, die Empfehlungen aus anderen Verordnungen zu übernehmen, da es dann an Klarheit und Glaubwürdigkeit mangelt. Zudem werden dadurch das normale Gesetzgebungsverfahren und das institutionelle Gleichgewicht in Frage gestellt. Die von den regionalen Organisationen angenommenen Maßnahmen müssen effizient und schnell aufgenommen werden. Das Parlament hat schon oft betont, dass die regionalen Organisationen und ihre Abkommen Vorrang haben.
Eine Nichteinhaltung des EU-Rechts bei der Übernahme der von den regionalen Organisationen getroffenen Beschlüssen schadet dem Parlament und stellt natürlich eine Missachtung des Vertrags von Lissabon dar.
Die Kommissarin hat erklärt, dass es neue Abkommen geben werde. Kurzum, darum fordern wir die Kommission auf, diese schnell und dynamisch in die Gesetzgebung aufzunehmen. Es darf kein rechtliches Vakuum entstehen, in dem illegale Fischerei möglich ist.
Pat the Cope Gallagher (ALDE). – Herr Präsident, zunächst möchte ich die beiden Berichterstatter zu ihren Berichten beglückwünschen und insbesondere auf den Bericht von Carmen Fraga Estévez verweisen, der sich als unumstritten erwiesen hat, da sich alle Beteiligten auf den Kompromiss geeinigt haben. Dieser Bericht verfolgt das Ziel, die langfristige Erhaltung und optimale Nutzung der Fischereiressourcen im Nordostatlantik zu gewährleisten, indem er ökologische und soziale Vorteile bietet.
Ich möchte diese Gelegenheit dazu nutzen, um auf die Streitigkeiten in Bezug auf die Makrele einzugehen, da ein Teil des Bestandes im Nordostatlantik gefangen wird. Es ist wichtig, dass diese Streitigkeiten so schnell wie möglich beigelegt werden, da eine Überfischung des Makrelenbestandes verheerende Auswirkungen auf die zukünftigen Fänge haben wird. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Bestand auf nachhaltige Art und Weise gefangen wird, worauf sich alle Parteien einigen sollten. Wie ich höre, waren die jüngsten Gespräche in London ergebnislos, aber ich stelle fest, dass sie in der kommenden Woche wieder aufgenommen werden. Ich wünsche diesen Gesprächen viel Erfolg und ich hoffe, dass der gesunde Menschenverstand obsiegen wird. Frau Kommissarin, wie ich höre, werden Sie die Situation nach den Gesprächen am 26. Oktober beurteilen, und ich weiß die feste Haltung, für die Sie sich entschlossen haben, zu würdigen. Sie müssen gewährleisten, dass diese gemeinsam bewirtschafteten Bestände auch zukünftig gesund bleiben. Schließlich können wir es uns nicht leisten, die Fehler der Vergangenheit in Bezug auf den Blauen Wittling zu wiederholen. Wir dürfen diesen gesunden Bestand an Makrelen nicht dezimieren.
Ian Hudghton (Verts/ALE). – Herr Präsident, da ich die zur Debatte stehenden Berichte unterstütze, ergreife ich auch die Gelegenheit, um einige allgemeinere Anmerkungen in Bezug auf internationale und multinationale Fischereiabkommen zu machen.
Wenn Abkommen zwischen Fischereinationen Erfolg haben sollen, muss es für alle Parteien klare Anreize für die Einhaltung derartiger Erhaltungsmaßnahmen geben, wie sie von Zeit zu Zeit benötigt werden.
Außerdem muss es einen Glauben an die wissenschaftlichen Ratschläge geben, die die Grundlage für die Erhaltungs- und Bewirtschaftungspläne darstellen. Aus der Sicht meiner eigenen Fischereination, Schottland, war die Gemeinsame Fischereipolitik, das internationale Abkommen der EU, kein großer Erfolg.
Der sogenannte Plan zur Wiederauffüllung des Kabeljaubestands führt tatsächlich zum Ausschuss von einwandfreiem Fisch und der Auferlegung einer fast unausführbaren Kombination aus einer Kontingentierung und den Tagen auf See. Die derzeitigen Streitigkeiten, von denen schon andere Redner berichtet haben, über die Makrele – die für die schottische Fischerei am wertvollsten ist – haben Auswirkungen auf alle internationalen Verhandlungen.
Wenn es irgendeine Hoffnung auf erfolgreiche Abkommen zwischen Fischereinationen gibt, dürfen wir es nicht zulassen, dass die Bestände durch einseitige Wettrennen um den Fang aller verfügbaren Fische bedroht werden.
Ich bitte die Kommissarin, ihre gute Arbeit fortzusetzen, um eine Lösung für diese Streitigkeiten zu finden. Ich weiß, dass sie sich sehr wohl über die starken Emotionen in Schottland bei diesem Thema seit ihrem letzten Besuch bewusst ist, aber ich rufe die Kommissarin dazu auf, daran zu denken, dass gewährleistet werden muss, dass wir bei allem, was wir zu erreichen versuchen, über einen robusten wissenschaftlichen Rat verfügen, dass wir über sinnvolle, funktionierende Regelungen für die Bewirtschaftungspläne verfügen – was unter der GFP ein Novum wäre – und dass wir vor allem für diejenigen Anreize zur Einhaltung haben, um die es bei diesen Plänen geht, d. h. Fischereigemeinschaften.
Daciana Octavia Sârbu (S&D). – (RO)Illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei zerstört die in den Küstenregionen lebenden Gemeinschaften, hat verheerende Auswirkungen auf marine Ökosysteme und bedroht die Nahrungsressourcen. Darum begrüße ich dieses Übereinkommen mit dem Rat und ich bin der Überzeugung, dass wir mit der Umsetzung der Empfehlungen der Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik einen Fortschritt erzielt haben.
Die Kontrollmaßnahmen zu verschärfen und sie auf die Grundlage vernünftiger Rechtsvorschriften zu stellen, ist entscheidend, damit wir die in dem Vertrag übernommenen Pflichten erfüllen und die Ressourcen im Atlantik schützen können, die derzeit stark überfischt sind. Trotz dieses Fortschritts ermöglicht es uns der Anwendungsbereich dieser Verordnung jedoch nicht, die Probleme in Bezug auf die illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei vollständig anzugehen.
Wir alle sind uns darüber bewusst, dass tausende Fischereifahrzeuge unter der Flagge von Staaten fahren, die nicht über die Möglichkeit verfügen, die internationalen Rechtsvorschriften einzuhalten. Nicht nur die Fischbestände, sondern auch die Meeresumwelt hätte zu leiden. Die Arbeitsbedingungen auf vielen dieser Fischereifahrzeuge sind nichts Geringeres als Sklavenarbeit.
Czesław Adam Siekierski (PPE). – (PL) Die Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik erfordern eine Anpassung auf die aktuellen Herausforderungen und deswegen müssen die Vorschriften geändert werden. Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen: erstens, die optimale Nutzung der Fischbestände; zweitens, das korrekte Vorgehen in Bezug auf die Bestandsbewirtschaftung und angemessene Fangmethoden; und schließlich drittens, die Verhinderung von illegaler Fischerei.
Diese Änderungen werden die dauerhafte und nachhaltige Entwicklung der Fischerei fördern, wobei jedoch eine ständige Überwachung der Auszehrung der Fischbestände und die Erholung der Bestände entscheidend sind, um die derzeitige Lage zu bewerten und angemessene Beschlüsse in diesem Bereich zu fassen.
Elie Hoarau (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, bei den Verhandlungen über die Abkommen der Organisation für die Fischerei im Nordwestatlantik (NAFO) hat der Delegationsleiter der EU eine Rückübertragung der Fangquoten für Kabeljau an die Fischer von St. Pierre und Miquelon fest zugesagt. Diese Rückübertragung taucht in dem NAFO-Abkommen nicht auf.
Im Namen der Fischer von St. Pierre und Miquelon bitte ich um eine Bestätigung dieser Rückübertragung und deren Formalisierung. Ich glaube, dass man dies in Form eines einfachen Schreibens erledigen kann, sobald die NAFO-Abkommen definitiv ratifiziert worden sind. Kann uns die Kommissarin Genaueres zu diesem Punkt sagen?
João Ferreira (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, die multilaterale Zusammenarbeit in Bezug auf die Fischerei in internationalen Gewässern ist zur Gewährleistung ihrer Nachhaltigkeit und der mittelfristigen und langfristigen Bewahrung der Fischbestände notwendig. Die Maßnahmen zur Erhaltung und die Verwaltung der Ressourcen auf Ebene der regionalen Fischereiorganisationen sollten natürlich neben den Maßnahmen zur Gewährleistung einer effektiven Einhaltung festgelegt werden.
Darum sind wir für das Schließen von Lücken im Überwachungssystem, insbesondere in Bezug auf die illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei. Heutzutage stellt die Überwachung der Fischereiaktivitäten höhere Anforderungen an die Mitgliedstaaten, sei es im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) oder im Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit, wie die vorgeschlagene Übernahme nun zeigt.
Die Kommission sollte diese Tatsache nicht übersehen. Die notwendige Einführung, Entwicklung oder Modernisierung von Kontrollsystemen könnte beträchtliche finanzielle Investitionen erfordern. Darum wird es für uns wichtig sein, die für die Überwachung in den verfügbaren Legislativinstrumenten eingesetzten Finanzmittel zu berücksichtigen, vor allem bei der Regulierung der Finanzierungsmaßnahmen der GFP, und insbesondere durch die Überprüfung des in diesem Bereich zur Verfügung gestellten maximalen Kofinanzierungsanteils, der derzeit bei 50 % liegt.
Franz Obermayr (NI). - Herr Präsident! Auf der Jahrestagung der NAFO kam es zu Änderungen des Übereinkommens von Ottawa vom 1.1.1979. Es ist wichtig, dass wir uns die grundsätzlichen Überlegungen wieder vor Augen führen: optimale Nutzung und sinnvolle Bewirtschaftung der Fischereiressourcen. Es bedarf einer nachhaltigen und ökologischen Konzeptlegung, um Nahrungsbeschaffung durch Fischerei auch für zukünftige Generationen zu gewährleisten.
Mit den Vereinbarungen sollen vor allem die kleinen, die lokalen Fischer mit ihren Familienstrukturen erhalten und vor dem Wettbewerb mit illegalen Methoden, aber auch gegenüber Großfangflotten geschützt werden, die hochgerüstet mit elektronischer Ausrüstung und Tieffangnetzen hier Raubbau betreiben. Also kurzum: Fischereiindustrie ja, aber nicht in dieser Form, wo sie die Kleinstrukturen, die lokalen Strukturen gefährdet, um hier in einem negativen Sinn tätig zu sein. Es gilt, auch für die nächsten Generationen Nachhaltigkeit zu zeigen und sie entsprechend zu schützen und vertraglich zu sichern.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte den beiden Berichterstattern noch einmal für ihre hervorragende Arbeit danken und ich möchte auch allen Damen und Herren Abgeordneten für ihre Anmerkungen danken. Mir ist klar, dass es sich dabei um sehr wichtige Berichte handelt. Diese Änderungen würden die Situation erheblich verbessern, insbesondere im Hinblick auf die Kontrollen und unseren Umgang mit dem Problem der illegalen Fischerei.
Ich stimme mit allen überein, dass wir das Problem der illegalen Fischerei angehen müssen, da sie die Nachhaltigkeit unserer Bestände zerstört. Außerdem stellt sie eine große Gefahr für unsere Küstengemeinschaften dar, denn wenn die Nachhaltigkeit der Bestände zusammenbricht, haben unsere Küstengemeinschaften keine Zukunft. Es ist sehr wichtig, diese Kontrollregelungen zu sichern. Die Berichte und die Änderungen in Bezug auf diese Regelungen können uns dabei sehr behilflich sein.
Außerdem möchte ich betonen, dass ich verstehe, dass wir weitere Ressourcen benötigen – und vielleicht auch weitere Finanzmittel – um die erfolgreiche Umsetzung dieser Regelungen zu gewährleisten. Die Handhabung dieser Krise ist keine leichte Aufgabe, aber wir werden dennoch unser Bestes geben.
Ich möchte mich etwas mehr auf das Mitentscheidungsverfahren zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission im Zusammenhang mit Änderungen an diesen RFO-Beschlüssen und deren Übernahme in unsere Gesetzgebung konzentrieren. Ich teile Ihre Ansicht, dass diese regionalen Fischereiorganisationen für unsere Politik sehr wichtig sind und wir müssen ihre Aktivität erhöhen, um gegen die illegale Fischerei auf der ganzen Welt vorzugehen. Ich stimme auch zu, dass die Nachhaltigkeit unserer Fischerei viel sicherer wäre, wenn wir die Umsetzung unserer Grundsätze auf der ganzen Welt sicherstellen können.
Auch die Vorschläge dazu, wie wir die Zusammenarbeit fördern können, und den Vorschlag zur Einführung einer internationalen Registrierung von Fischereifahrzeugen finde ich begrüßenswert, aber bevor wir dazu kommen, ist es noch ein weiter Weg.
Wenn wir die internationale Zusammenarbeit wirklich fördern wollen, müssen wir zügig vorangehen und die von diesen Organisationen gefassten Beschlüsse rasch umsetzen. Darum bittet die Kommission bei diesem Thema um weitere Befugnisübertragungen. Wir respektieren das Mitentscheidungsverfahren, uns ist klar, dass wir uns in einem neuen Umfeld befinden, und uns ist klar, dass der Rat und das Parlament über die Befugnisse entscheiden werden, die sie uns gemäß dem Verhandlungsmandat übertragen können. Dennoch möchte ich betonen, dass dies nicht allein das Problem der Kommission ist: Der internationale Ruf der EU steht auf dem Spiel, wenn wir die Übernahme dieser Beschlüsse der regionalen Organisationen in unsere Gesetzgebung verzögern. Darum bestehen wir darauf, dass wir ein besseres Gleichgewicht brauchen.
Ich stimme Ihnen zu, dass wir ein Gleichgewicht zwischen den drei Institutionen benötigen, aber wir brauchen ein besseres Gleichgewicht, und ich bin bereit, an den jeweiligen Diskussionen mit dem Parlament im Hinblick darauf, wie diese Maßnahmen der RFO effektiver in das EU-Recht übernommen werden können, teilzunehmen.
Jarosław Leszek Wałęsa, Berichterstatter. – (PL) Ich möchte allen für die heutige Aussprache danken. Wie ich sehe, sind wir uns einig. Die Änderungen, die im Zuge der Überarbeitung der Übereinkommen vorgenommen wurden, sind unbedingt notwendig. Ich möchte Frau Fraga Estévez dafür danken, dass sie den Vorsitz unseres Ausschusses übernommen hat, aber vor allem möchte ich der Kommissarin danken. Es ist mir ein Vergnügen gewesen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen für Ihre Worte und Ihre Zusagen, da ich merke, dass Sie die sich wandelnde Dynamik der Arbeitsweise der europäischen Institutionen verstehen. Obwohl wir, als das Europäische Parlament, nur der Ratifizierung der Änderungen an den Übereinkommen zustimmen können, bin ich voller Hoffnung, dass die Zusammenarbeit und die Verhandlungen so fortschreiten werden, wie sie es sollten, und dass sie zügig, transparent und effizient verlaufen werden. Ich danke Ihnen, Frau Kommissarin, für Ihre Worte, und ich zähle auf weitere gute Zusammenarbeit in der Zukunft.
Carmen Fraga Estévez, Berichterstatterin. – (ES) Herr Präsident, ich möchte der Kommissarin mitteilen, dass ich glaube, dass die neueste Verordnung über die Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik (NEAFC), die wir morgen annehmen werden, kein gutes Beispiel abgibt, da nun genau das geschieht, was wir vermeiden wollten.
Die Kommission hat den Vorschlag erst spät vorgelegt und das Verfahren hat sich geändert, da wir von einem Konsultationsverfahren zum normalen Gesetzgebungsverfahren übergegangen sind, und der Vorschlag insgesamt hat sich gemäß dem normalen Gesetzgebungsverfahren geändert. Genau das werden wir durch diesen Kompromiss vermeiden. Durch den neuen Wortlaut des Artikels 48 der Verordnung – in diesem Artikel geht es um zukünftige Änderungen der Verordnung zur Übernahme der verschiedenen Empfehlungen der NEAFC in das EU-Recht – haben wir die Befugnisse bei den meisten Artikeln an die Europäische Kommission übertragen. Wir haben das normale Gesetzgebungsverfahren nur in ein paar Bereichen beibehalten und bewahrt, was der Kompromiss mit dem Rat war.
Somit ist ein bedeutender Fortschritt erzielt worden, um zu gewährleisten, dass dies in Zukunft funktioniert, aber, Frau Kommissarin, gleichermaßen habe ich hier ein öffentliches Bekenntnis abgegeben, dass das Parlament dazu bereit ist, das Verfahren zu überarbeiten, falls es zukünftig nicht richtig funktioniert und wir daran gehindert werden, unseren Pflichten nachzukommen. Ich glaube, dass wir eine durchaus beträchtliche Anstrengung unternommen haben, und ich denke, dass dies als Ausgangspunkt ein sehr bedeutender Fortschritt ist. Wir sind überzeugt, dass die Kommission in der Lage sein wird, die neuen Befugnisse, die ihr der Rat und das Parlament gewährt haben, einzusetzen.
Herr Präsident, Frau Kommissarin, ich danke Ihnen. Ich bin überzeugt, dass dies viel besser funktionieren wird als das, was wir in der Vergangenheit hatten. Natürlich sind Sie, Frau Kommissarin, diejenige, die über die Instrumente verfügt, um zu gewährleisten, dass dies der Fall ist.
Der Präsident – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung wird am Dienstag, dem 19. Oktober 2010, um 12.30 Uhr stattfinden.
(Die Sitzung wird einige Minuten ausgesetzt)
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Luis Manuel Capoulas Santos (S&D), schriftlich. – (PT) Als portugiesischer Abgeordneter und angesichts der Tatsache, dass Portugal ein Land mit einer langen Tradition in der Fischerei und spezifischen Interessen in der Nordwestatlantischen Fischereiorganisation (NAFO) ist, begrüße ich die Änderungsanträge zum Text des Übereinkommens, mit dem für bessere Arbeitsbedingungen für diese regionale Fischereiorganisation (RFO) gesorgt werden soll.
Durch die Restrukturierung, die durch eine Konzentration der Entscheidungsbefugnis in einem einzigen neuen Gremium gefördert wird, zusammen mit dem neuen Streitbeilegungsverfahren werden die internen Entscheidungsprozesse beschleunigt werden. Mit neuen Bestimmungen wurden klarere Leitlinien für die Pflichten und Rechte der verschiedenen Beteiligten eingeführt und damit größere Transparenz der Fischereitätigkeit in diesem Bereich geschaffen.
Neben der NAFO sollte die EU in Verbindung mit den anderen Vertragspartnern eine proaktive Haltung einnehmen und versuchen, mit Kanada weiterhin gute Beziehungen anzustreben und dabei den Dialog und die Konsensfindung mit den anderen Vertragspartnern der Organisation fortzusetzen, auch unter den einzelnen Mitgliedstaaten, die Interesse an dieser RFO haben.
Trotz der zentralen Rolle der wissenschaftlichen Partnerschaften, welche die Grundlage für Entscheidungen bilden, die hinsichtlich der nachhaltigen Bewirtschaftung der Meeresressourcen getroffen werden können und die sich für bestimmte Fischarten erfolgreich erwiesen haben, sollten diese Entscheidungen sehr sorgfältig durchdacht sein. Ihr Zielsetzung sollte darin bestehen, ein besseres Gleichgewicht zu erreichen, und das kann nur nachhaltig gelingen, wenn ihre sozioökonomischen Auswirkungen berücksichtigt werden.
17. Ausführungen von einer Minute (Artikel 150 GO)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute zu Fragen von politischer Bedeutung.
Íñigo Méndez de Vigo (PPE). – (ES) Herr Präsident! Am 14. Februar 2008, als Valentinsgeschenk, beschloss die Konferenz der Präsidenten, dass die Sitzungen der interfraktionellen Arbeitsgruppen nur am Donnerstag abgehalten werden.
Seitdem versuchen wir, dieses Problem zu lösen. Dies ist uns nicht gelungen. Jetzt müssen die interfraktionellen Arbeitsgruppen zu einem ungünstigen Zeitpunkt zusammenkommen. Es stehen ihnen fast nie Säle zur Verfügung und sie haben keine Dolmetscher.
Ich spreche heute nicht nur als Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe Armut und Menschenrechte, sondern auch als Inhaber eines Mandats von der Mehrheit der interfraktionellen Arbeitsgruppen in diesem Haus und somit von den Kolleginnen und Kollegen, die diesen interfraktionellen Arbeitsgruppen angehören. Ich bitte die Konferenz der Präsidenten in aller Form, den Beschluss vom 14. Februar 2008 zu überprüfen und zu widerrufen, zur vorherigen Situation zurückzukehren und den interfraktionellen Arbeitsgruppen Spielraum zu geben.
Andernfalls möchte ich mit allem Respekt darauf hinweisen, dass wir diese Angelegenheit ins Plenum dieses Parlaments bringen werden, und es wird entscheiden, wer in diesem Haus souverän ist, nämlich das Parlament.
Evgeni Kirilov (S&D). – (BG) Heute begehen wir den 85. Jahrestag des Vertrages von Angora zwischen Bulgarien und der Türkei. Es geht darin um die Eigentumsrechte von nahezu 350 000 thrakischen Bulgaren, die Anfang des letzten Jahrhunderts gewaltsam aus der Türkei vertrieben wurden. Einige von ihnen sind noch am Leben und die Zahl ihrer Nachkommen beläuft sich auf nahezu 800 000.
Die Frage des eingezogenen thrakischen Eigentums wurde wiederholt von den beiden Ländern erörtert, sowohl auf höchster Ebene wie auch in Arbeitsgruppen, doch ohne Erfolg. Die Türkei betrachtet diese Menschen als Vertriebene, doch zahlreiche historische Fakten und Dokumente, darunter das Protokoll des Völkerbundes von 1926 über die Kredite an Flüchtlinge für Bulgarien, weisen ihren Flüchtlingsstatus nach.
Ministerpräsident Erdoğan hat einen Vorschlag unterbreitet: Personen, die über Eigentumsurkunden verfügen, sollten vor den türkischen Gerichten Rechtsmittel einlegen. Es gibt zwar solche Dokumente, doch ist es unanständig, sie von Menschen zu verlangen, die gestorben sind bzw. die gerade noch mit dem Leben davongekommen sind. In seiner Entschließung vom 21. Mai 2008 forderte das Europäische Parlament die Türkei auf, den Dialog mit Bulgarien in dieser Angelegenheit zu verbessern. Ich hoffe aufrichtig, dass der gute Wille im Geiste gutnachbarschaftlicher Beziehungen überwiegen wird.
Ramon Tremosa i Balcells (ALDE). – Herr Präsident! Es wird Ihnen bekannt sein, dass es im Milchsektor eine deutliche Asymmetrie der Verhandlungspositionen zwischen den Landwirten und der milchvertreibenden Industrie gibt. Diese Asymmetrie und die Volatilität der Milchpreise haben in den letzten Jahren zugenommen und die Gewinne sowie die Vorhersehbarkeit für die Milchproduzenten geschmälert.
Um dieses Problem anzugehen, unterstütze ich nachdrücklich die Schaffung einer Europäischen Agentur für Milchkontrolle, um bessere Vereinbarungen über Mengen und Preise für Milch zu erreichen. Diese von der Europäischen Kommission überwachte Agentur würde die Bedürfnisse des Marktes ermitteln und die Entwicklung der Milchherstellungskosten regelmäßig untersuchen. Mit diesem System könnte der Milchsektor ein höheres Maß an Stabilität erlangen und dadurch könnten die derzeit gezahlten öffentlichen Zuschüsse reduziert werden.
Michael Cramer (Verts/ALE). - Herr Präsident! Die Rheinische Post berichtet am Freitag, den 15. Oktober, auf der Titelseite über den Verkehrskommissar Siim Kallas, der Folgendes gesagt haben soll: Die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Paris und Bratislava sei eine extrem wichtige transeuropäische West-Ost-Achse. Die Kommission lege allergrößten Wert darauf, dass sie gebaut wird. Stuttgart 21 bilde ein Kernstück dieser Magistrale.
Ist das nur eine Ente, oder nicht? Denn der Koordinator für das Projekt, Péter Balázs, hat wiederholt gesagt, die Schiene gehört zu den TDE-Projekten, die Bahnhöfe sind eine nationale Angelegenheit. Angesichts der begrenzten Finanzmittel für die Entwicklung des transeuropäischen Verkehrsnetzes sind die Bahnhöfe und alle dazugehörigen Infrastrukturen von den kommunalen, regionalen und nationalen Behörden selbst zu finanzieren.
Ich fordere Siim Kallas auf, in einer Presseerklärung die bisherige Position der Kommission zu bestätigen und laut und deutlich zu sagen, der unterirdische Bahnhof in Stuttgart wird nicht von der Europäischen Union kofinanziert.
Marisa Matias (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident! Die Devise in Brüssel lautet derzeit Sparen, Sparen, Sparen. Die Folgen davon sind leider deutlich sichtbar. Pläne für Stabilität und Wachstum sind nichts weiter als kollektiver Diebstahl an Arbeitnehmern und Rentnern, das heißt an der europäischen Öffentlichkeit. Aus irgendeinem Grund erleben wir eine Welle noch nie dagewesener Generalstreiks in ganz Europa. Anfangs waren es Griechenland, Spanien und Frankreich. Für November sind bereits Streiks in Italien geplant, und am 24. November in Portugal. Und das ist erst der Anfang.
Meine Frage ist: Wie viele Generalstreiks, wie viele Demonstrationen, wie viele Stimmen müssen noch gehört werden, bevor es zu einem Abrücken von diesem Kurs kommt und der Brüsseler Konsens durchbrochen wird und die Menschen respektiert werden? Mit diesen Maßnahmen wird die Krise nicht bekämpft, sondern nur verschlimmert, und ich fordere, Herr Präsident, andere, gerechtere Maßnahmen zu ergreifen. Und frage Sie: Worauf warten wir eigentlich?
Nikolaos Salavrakos (EFD). – (EL) Herr Präsident! Berichten in der griechischen Presse zufolge und laut offiziellen Angaben der griechischen Regierung, die nicht angefochten wurden, ist ein Besorgnis erregender Anstieg der Zahl an Ausländern ohne Papiere, die über die Grenzen im Norden Griechenlands einreisen, zu beobachten. Dank des Vorgehens von Frontex ist die Zahl der Ausländer, die über die Nordostseegrenze einreisen, erheblich zurückgegangen. Diese Ergebnisse wurden an der nördlichen Landgrenze allerdings nicht erzielt, die von Ausländern nun zu Tausenden überschritten wird und wodurch eine neue Problemzone entsteht. Offensichtlich haben in der Grenzstadt Orestiada die Festnahmen von Ausländern in einem Jahr um 640 % zugenommen, gegenüber einem Rückgang von 80 % auf den Inseln.
Angesichts dessen schlage ich vor, dass das Parlament eine Dringlichkeitsentschließung auf den Weg bringt: erstens die Schaffung eines Frontexposten auf der türkischen Seite des Flusses Evros; zweitens die Verurteilung der Türkei, die von der Europäischen Union sehr großzügige Fördermittel für Einwanderung erhält, jedoch ihre Verpflichtungen im Rahmen des Ankara-Protokolls nicht einhält, und drittens und letztens das Überdenken des Problems der illegalen Einwanderung, das ein europäisches Problem darstellt.
Csanád Szegedi (NI). – (HU) Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute möchte ich über die Rotschlammkatastrophe in Ungarn sprechen. Zuerst möchte ich all jenen danken, die den Opfern und ihren Angehörigen in dieser Zeit geholfen haben. Das Tragischste an dieser Katastrophe ist, dass alles, was passiert ist, und was bedauerlicherweise mehrere Menschenleben gefordert hat, hätte verhindert werden können. Die Europäische Union hat die Pflicht, Katastrophen wie diese zu verhindern. Dafür ist es unumgänglich, die in den zentraleuropäischen Ländern geschlossenen Privatisierungsverträge zu überprüfen, die in Wirklichkeit nichts anderes sind als Ausbeutung und die verdächtigen postkommunistischen Kreisen zu Macht verholfen haben. Außerdem müssen gegebenenfalls Unternehmen, die dem Volk auf illegale Weise weggenommen wurden, verstaatlicht werden. Diese Finanzkreise nehmen keine Rücksicht mehr auf Arbeitnehmer und ihre raffgierigen Praktiken machen nicht einmal vor einer Umweltkatastrophe Halt. An diesem Punkt bitte ich die Europäische Union um Unterstützung.
Alf Svensson (PPE). – (SV) Umwelt- und Klimafragen gehen uns alle an. Wie wir wissen, sind sie globaler Natur. Es ist selbstverständlich, dass die EU im Kampf für die Gewährleistung unserer Lebensbedingungen eine führende Rolle spielen muss.
Umweltexperten vertreten die Position, dass gleich nach der Industrie als Verursacher von Klimaschäden und als Emissionsquelle alle die primitiven Feuerstellen und Herde folgen, die überall in Afrika, Asien und Südamerika in Hütten und Baracken verwendet werden.
Einige wenige Länder, bei denen der Umweltschutz an ganz wichtiger Stelle steht, haben das endlich begriffen. Heute gibt es solarbetriebene, einfache Kocher, die für einen kleinen Betrag 95 % dieser Schadstoffemissionen, die bei der Verbrennung von Steinkohle, Dung und anderen Kraftstoffen freigesetzt werden, beseitigen.
Berechnungen zeigen auch, und dies muss als Erstes hervorgehoben werden, dass nahezu 2 Millionen Menschen vorzeitig sterben, weil sie diese Gase einatmen müssen.
Ich hoffe, dass die EU, gemeinsam mit den USA, die gezeigt haben, dass sie sich dieses Problems bewusst sind, ein aktives Interesse an diesem überaus konkreten Mittel haben werden, um Menschen und Umwelt zu schützen.
Iosif Matula (PPE). – (RO) Erst vor kurzem wurden konkrete Schritte unternommen, um die Energieversorgungssicherheit der Europäischen Union durch die Bereitstellung von Erdgas aus unterschiedlichen Quellen zu stärken, um eine neue Gaskrise in Europa zu vermeiden. Ich beziehe mich auf die Eröffnung der Gaspipeline Arad-Szeged zwischen Rumänien und Ungarn, die auch von EU-Mitteln gefördert wurde.
Die Investition ist demnach nicht nur eine Erfolgsgeschichte, sondern auch beispielhaft für die Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedstaaten.
Durch die auf europäischer Ebene geplanten Verbindungen wie auch die allgemeinen Einrichtungen für den Gastransport in beide Richtungen bis 2014 sowie Gasreserven werden alle Länder eine größere Energieunabhängigkeit genießen können. Die europäischen Staaten werden sich, sollte es zu einer neuen Gaskrise kommen, gegenseitig helfen können.
Ein weiterer ebenso wichtiger Aspekt ist, dass der Gaspreis auf regionaler Ebene festgelegt wird, und nicht über Verhandlungen mit einem einzigen Anbieter. Ich hoffe, dass die Fertigstellung der Pipeline Arad-Szeged nicht nur das Nabucco-Pipeline-Projekt, sondern auch das Projekt AGRI-Pipeline vorantreiben wird, durch die Erdgas über Aserbaidschan, Georgien und Rumänien nach Europa transportiert werden soll.
Alexander Mirsky (S&D). – (LV) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte auf einen interessanten Moment bei unserer Arbeit aufmerksam machen. Am Donnerstag verlassen fast alle Mitglieder des Europäischen Parlaments Straßburg um 13.30 Uhr. Wie wir alle wissen, ist für diese Zeit ein Sonderzug eingesetzt. Bitte erklären Sie mir, wo hier die Logik bleibt? Warum stimmen wir auf den Plenartagungen immer um 16.00 Uhr über Menschenrechte ab? Warum legen Sie Abstimmungen fest, wenn Sie wissen, dass 95 % der Abgeordneten an der Sitzung nicht teilgenommen haben? Dies ist völliger Unsinn. Ich bin davon überzeugt, dass mein Beitrag gar nicht gehört wird. Auch das ist sehr bedauerlich, Herr Präsident. Vielen Dank.
Daciana Octavia Sârbu (S&D). – (RO) In Rumänien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, verstößt die gegenwärtige Regierungspartei gegen die Demokratie, ohne die geringsten Konsequenzen befürchten zu müssen. Der Präsident der Abgeordnetenkammer, einer der zwei Kammern des rumänischen Parlaments, zählte die 80 Mitglieder, die in der Kammer waren, und verkündete ein Ergebnis von 170.
Zu jenem Zeitpunkt wurde ein Gesetz, das für viele rumänische Bürgerinnen und Bürger von großer Bedeutung ist, zur Abstimmung gestellt. Es handelte sich um den Entwurf des neuen Rentengesetzes, in dem eine übermäßige Anhebung des Renteneintrittsalters vorgesehen ist, wobei für Männer und Frauen das gleiche Renteneintrittsalter festgelegt wird, und in dem eine Neuberechnung aufgestellt ist, die für eine große Zahl von Rentnern eine reale Senkung der Pensionszahlungen beinhaltet.
Obwohl die Opposition ihre Ablehnung gegen diese Änderungen unmissverständlich zum Ausdruck brachte und zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht in der Kammer anwesend war, konnte durch die laufenden Kameras der Betrug, der sich abspielte, aufgedeckt werden. Hätten Opposition und Presse seitdem nicht jeden Tag gegen diese Aktion protestiert, wäre das Gesetz heute offiziell vom rumänischen Präsidenten verkündet worden.
Olle Schmidt (ALDE). – Herr Präsident! Die schwedische Regierung hat heute ein Rechtsgutachten zum Fall Dawit Isaak erhalten, der neun Jahre lang in Eritrea gefangen gehalten wurde. Dawit Isaak ist ein schwedischer Journalist, der aufgrund freier Meinungsäußerung inhaftiert wurde.
Gemäß dem Rechtsgutachten, das auf der Europäischen Menschenrechtskonvention und auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruht, haben Schweden, die EU-Mitgliedstaaten und die EU die Pflicht, diplomatische und rechtliche Mittel einzusetzen, um die Grundrechte Dawit Isaaks sicherzustellen. Eritrea ist eines der ärmsten Länder der Welt und von der Unterstützung der Europäischen Union abhängig. Wir müssen Dawit Isaaks sofortige Freilassung im Gegenzug für finanzielle Unterstützung einfordern.
Morgen wird Dawit Isaaks Bruder zu einem Treffen mit dem Präsidenten des Parlaments und mit Kommissionsmitglied Piebalgs ins Europäische Parlament kommen und das Rechtsgutachten an die Europäischen Organe übergeben. Ich hoffe, dass dadurch die Europäischen Organe dazu verpflichtet werden, größeren Druck auf den Präsidenten von Eritrea auszuüben, Dawit Isaak freizulassen, und damit sein Leben retten.
Joe Higgins (GUE/NGL). – Herr Präsident! Im September habe ich mit einer Delegation der Vereinten Europäischen Linken im Europäischen Parlament eine Woche in Kasachstan verbracht. Kasachstan unter Präsident Nasarbajew ist eine totalitäre Diktatur, in der systematisch die Menschenrechte unterdrückt werden.
Wir sind vielen Gruppen begegnet, die sich für Menschenrechte, politische Rechte und Arbeitnehmerrechte einsetzen. Wir haben abschreckende Bekundungen von einem grauenhaften Regime gehört, das in vielen kasachischen Gefängnissen äußerste Gewalt an den Tag legt: Kürzlich freigelassene Gefangene berichteten von grotesken Erniedrigungen Gefangener und von systematischen grausamen Schlägen, brutalen Vergewaltigungen und anderen Folterungen.
Vor diesem Hintergrund ist es beschämend, dass Kasachstan der Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Jahr 2010 zugebilligt wurde und dass ein wichtiges Gipfeltreffen mit den Staatschefs der OSZE-Staaten im Dezember in der Hauptstadt Astana stattfinden wird. Beschämenderweise wird Präsident Nasarbajew, der für diesen Albtraum verantwortlich ist, nächste Woche zu einem offiziellen Besuch in die Europäische Union kommen, und von Herrn Buzek, dem Präsidenten des Parlaments, von Kommissionspräsident Barroso und anderen empfangen. Natürlich wird er wegen der gewaltigen Erdöl- und Erdgasgeschäfte empfangen, die EU-Firmen in Kasachstan betreiben, doch ich verlange, dass diese Entscheidungsträger dieses Thema der grotesken Herabsetzung der Menschenrechte klar zur Sprache bringen und nachprüfbare Maßnahmen einfordern, damit dies aufhört.
Oriol Junqueras Vies (Verts/ALE). – (IT) Herr Präsident! In den letzten Wochen traten über 30 Mapuche in den Hungerstreik, um gegen die Militarisierung ihres Landes zu protestieren. Sie sehen sich einer doppelten, zivilen und militärischen, Gerichtsbarkeit und dem Antiterrorgesetz ausgesetzt, das seit der Militärdiktatur in Kraft ist. Trotzdem haben die beiden Mehrheitsfraktionen dieses Parlaments einem Dringlichkeitsantrag aus humanitären Gründen nicht zugestimmt.
Der Hungerstreik ist zwar zur Zeit beendet, aber die maßgeblichen Gründe, die diesen ausgelöst haben, bestehen weiter, wie der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte Indigener Völker im April einräumte.
Chile muss die Internationale Erklärung über die Rechte der indigenen Völker und das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation über das Recht auf vorherige Konsultation und auf freie und informierte Einwilligung dieser Menschen in Bezug auf alle Gesetze, die einen Eingriff in ihre Rechte und Interessen darstellen, einhalten. Das Europäische Parlament muss von allen ihm zur Verfügung stehenden politischen Instrumenten Gebrauch machen, um sicherzustellen, dass die chilenische Regierung das Völkerrecht und auch die Verträge mit der Europäischen Union einhält.
Dimitar Stoyanov (NI). – (BG) Ich wollte mich zu der bevorstehenden Debatte in der bulgarischen Nationalversammlung über das Referendum, das über die Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union durchgeführt wird, äußern. Doch haben mich die Äußerungen meines Kollegen, Evgeni Kirilow, von der gegenüberliegenden Seite des Hauses geärgert, der praktisch wörtlich die Rede des Vorsitzenden meiner Partei, Volen Siderov, in der bulgarischen Nationalversammlung vor ein paar Tagen wiederholt hat.
Ich möchte aber anschließen, an das, was Herr Kirilow gesagt hat. Kolleginnen und Kollegen, diese Menschen, die aus Ostthrakien vertrieben wurden, haben keine Besitzurkunden. Sie überließen ihre Kinder ihrem Schicksal, denn wenn die Kinder schrien, verrieten sie dadurch den Türken ihre Anwesenheit, und diese fanden und töteten sie.
Die Türkei ist ein Land, das auf seine Geschichte der Völkermorde stolz ist; so war der Völkermord, der 1913 begangen wurde, bei dem 50 000 Bulgaren ermordet und 300 000 aus Ostthrakien vertrieben wurden, die Generalprobe für den von den Osmanen nicht anerkannten Völkermord an den Armeniern. Deshalb lautet die Botschaft von Attack: „Ja“ zum Referendum über die Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union und „Nein“ zur Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union.
Theodoros Skylakakis (PPE). – (EL) Herr Präsident! Jean-Claude Juncker sagte gestern, dass wir seit 2008 Druck auf die griechische Regierung ausübten, damit sie geeignete Maßnahmen ergreift, doch dass wir mit den Problemen nicht an die Öffentlichkeit getreten sind, weil die Euro-Gruppe ein inoffizielles Gremium ist. Die Kommission hat mitgeteilt, dass die griechische Verschuldung für 2009 bei über 15 % liegen wird, im Vergleich zu den im Mai 2009 geschätzten 5 %.
Ich frage mich: Wie können 10 Prozentpunkte des BIP übersehen werden? Die Finanzminister waren sich doch sicherlich darüber im Klaren, als sie beim ECOFIN-Rat tagten, der als Institution offiziell befugt ist, an Stelle der Eurogruppe? Das Problem bestand daher weniger darin, keine Prognose geben zu können, als die politischen Kriterien einzuhalten. Als europäische Steuerzahler aber hatten die griechischen Bürgerinnen und Bürger doch sicherlich das Recht, davon zu erfahren? Letztendlich brauchen wir mehr unabhängige Behörden zur Überwachung der finanziellen Kriterien und vor allem die faire und automatische Anwendung der Regelungen, die für alle gelten.
Crescenzio Rivellini (PPE). – (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gipfeltreffen EU-China am 6. Oktober in Brüssel endete mit Spannungen, als die abschließende Pressekonferenz mit einer lakonischen Begründung im Hinblick auf die Logistik abgesagt wurde. Im Hintergrund herrschte Uneinigkeit im Zusammenhang mit dem Wechselkurs des Yuan, der von der Eurozone als viel zu niedrig erachtet wird.
Die Europäische Union hat den chinesischen Ministerpräsidenten aufgefordert, die Landeswährung aufzuwerten und unlauteren Geschäftspraktiken ein Ende zu setzen, durch die seit Jahren Handelskriege angeheizt werden; dies hat sie als Grundvoraussetzung in den Mittelpunkt gestellt, ehe man sich mit der Frage befasst, China den Markwirtschaftsstatus zuzuerkennen.
Seit Juni ist die chinesische Währung zwar gegenüber dem Dollar um 2,15 % gestiegen, doch gegenüber dem Euro um 9,4 % gefallen. Das sind schreckliche Nachrichten für den Euroraum, nicht zuletzt da Europa offenbar die einzige Macht ist, die nicht über den Mechanismus verfügt, die eigene Währung abzuwerten.
In den Beziehungen EU-China sind wir aufgrund von vertraglichen Unterschieden zwischen Arbeitnehmern, den Kosten von Rohstoffen und ihrer protektionistischen und rücksichtslosen Handelspolitik benachteiligt. Es ist daher unmöglich, im Wettbewerb zu bestehen, wenn der Euro auch überbewertet ist. In zwei Wochen werden wir versuchen, diese Punkte mit der europäischen Delegation zu behandeln.
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D). – (RO) Zu einem Zeitpunkt, da sich die Frage der Reduzierung von Nahrungsmitteltransporten über weite Entfernungen immer nachdrücklicher stellt, wozu auch die lokale Herstellung und eine Anpassung an die Marktbedürfnisse beitragen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Schaffleischproduktion in der EU wiederzubeleben.
Es ist unakzeptabel, dass der EU-Markt zu exorbitanten Preisen mit Schaffleisch aus tausenden Kilometern Entfernung versorgt wird, während unsere eigenen Erzeuger dazu gezwungen sind, ihre Produkte zu lächerlichen Preisen zu verkaufen, und sich aus dem Sektor zurückziehen.
Rumänien verfügt zwar über die fünftgrößte Stückzahl an Schafen unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aber der Schafbestand ist um mehr als 40 % gefallen. Gleichwohl ist der Schaffleischexport ein wichtiger Bestandteil unserer Volkswirtschaft.
Angesichts dieser Faktoren sowie der Tatsache, dass es langfristig zu schwerwiegenden sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Folgen kommen könnte, wodurch eine jahrhundertealte Tradition verloren ginge, unterstützt Rumänien Irlands Handeln und wartet gespannt auf angemessene Förderungsmaßnahmen von der Kommission und vom Rat, durch die der zunehmende Rückgang im Schaffleischsektor in der Europäischen Union aufgehalten wird.
Kriton Arsenis (S&D). – (EL) Herr Präsident! Die schwerste Nahrungsmittelkrise hatten wir 2008. Die Getreidepreise schnellten in die Höhe und dies hatte zur Folge, dass große Teile der Bevölkerung, insbesondere in Afrika, Hunger litten. Zur gleichen Zeit verzeichneten wir die höchste Zahlen in der Getreideproduktion. Dieses Paradoxon wurde auf die Biokraftstoffe zurückgeführt. Schließlich stellte sich heraus, dass die Schuld bei den Kreditinstituten lag, die, als sie aufgehört hatten, ihre Spielchen mit dem Nasdaq zu treiben, und die Blasen auf dem Immobilienmarkt geplatzt waren, ihre Aufmerksamkeit zu Spekulationszwecken auf Staatsschulden und Preise für Grundnahrungsmittel richteten.
Durch diese Spielchen verarmten weltweit Millionen unserer Mitmenschen. Wir können es nicht länger hinnehmen, dass diese Unternehmen ungestraft handeln können, und es geht jetzt darum, auf europäischer und auf globaler Ebene klare Rahmenbedingungen für diese Unternehmen festzulegen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Heute ist der Europäische Tag gegen Menschenhandel. Dieser verdient unsere volle Aufmerksamkeit, und wir müssen fordern, dass mehr getan wird, als bloße Gemeinplätze über diese Tragödie zu äußern, von der allein in der EU gegenwärtig jedes Jahr hunderttausende von Menschen betroffen sind. Sie sind Opfer moderner Sklaverei aufgrund von Hunger und extremer Armut, unter der über 1 Milliarde Menschen weltweit leiden. Dies ist die Schattenseite der kapitalistischen Ausbeutung und Folge von Kolonialismus und Neokolonialismus, für die verschiedenen europäischen Mächten wesentliche Verantwortung zukommt.
So gibt es einen symbolischen Zusammenhang zwischen der gestrigen Begehung des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut und dem heutigen Europäischen Tag gegen Menschenhandel. Die Bekämpfung von Armut und Menschenhandel macht globale Maßnahmen erforderlich, die dem neoliberalen Politikmodell eine klare Absage erteilen und ein entschiedenes Eintreten für die soziale Dimension der makroökonomischen Politik beinhalten, um eine Politik zu gewährleisten, die auf Entwicklung und sozialem Fortschritt beruht, so wie es die Öffentlichkeit und die Arbeitnehmer in den Demonstrationen forderten, die wir in Europa erlebt haben.
Franz Obermayr (NI). - Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! 67 Jahre nach Absetzung des Diktators Benito Mussolini werden heute noch in Südtirol faschistische Denkmäler erhalten, gepflegt und aufwendig saniert. Für die Südtiroler ist das eine tägliche Erinnerung an erlittenes Unrecht. Das ist ein unwürdiger Zustand in einem vereinten Europa des 21. Jahrhunderts! Bereits vor Jahren regte der damalige EU-Kommissar Franco Frattini an, ein europaweites Gesetz zum Verbot aller Nazi-Symbole zu erlassen. Folgerichtig hätten im Kampf gegen die NS-Symbole auch faschistische Denkmäler in Südtirol verboten und somit auch beseitigt werden müssen. Frattinis Vorschlag verlief im Sande; nun ist es Zeit, einen neuen Anlauf zu wagen.
Die Kommission soll unmissverständlich klarstellen, dass Verstöße gegen Minderheitenrechte Verstöße gegen die Werte der EU sind. Artikel 2 des Lissabon-Vertrags soll durch Erläuterungen näher definiert werden. Außerdem müssen der Minderheitenschutz kontrolliert und auch verbindliche Konsequenzen von Amts wegen festgeschrieben werden.
Czesław Adam Siekierski (PPE). – (PL) Die Europäische Union hat das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung erklärt. Am 17. Oktober 2010 fanden 23 Veranstaltungen zur Begehung des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut statt, die von den Vereinten Nationen angekündigt waren. An diesem Tag wurden weltweit Sonderveranstaltungen zum Ausdruck der Solidarität und Anteilnahme mit den Bedürfnissen der sozial Ausgegrenzten organisiert.
Der Internationale Tag für die Beseitigung der Armut zielt in erster Linie darauf ab, die Öffentlichkeit für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, die Armut weltweit, und insbesondere in den Entwicklungsländern, zu beseitigen und hervorzuheben, dass die Bekämpfung der Armut für uns Priorität besitzt. Auch gilt es, die Ursachen und Folgen der Armut in Europa stärker zu berücksichtigen. Ich betone: in Europa. Deshalb ist die Umsetzung des Programms der Europäischen Union zur kostenlosen Verteilung von Nahrungsmitteln für die Ärmsten unter uns in Höhe von 500 Mio. EUR jährlich so wichtig. Die Initiative zur Begehung des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut ist sehr sinnvoll, da sie ein Beitrag dazu ist, sich der Tragweite der Armut weltweit bewusst zu werden und Ursachen und Lösungen des Problems zu finden. Vielen Dank.
Sergio Gutiérrez Prieto (S&D). – (ES) Herr Präsident! Anlässlich des Internationalen Tages gegen Menschenhandel zur sozialen Ausbeutung wurden Zahlen vorgelegt, die uns mahnen sollten, als politisch Verantwortliche zu handeln.
Mehr als 90 % der Fälle von Prostitution in Europa rühren von Erpressung und Nötigung her. Angesichts dieser Zahlen müssen wir uns die Frage stellen, ob wir alles Nötige tun, um die Würde und Integrität von tausenden von Frauen zu schützen, deren Rechte unter anderem durch die Charta der Grundrechte geschützt sind, die wir mit dem Vertrag von Lissabon angenommen haben.
Wir sprechen hier nicht vom „ältesten Gewerbe der Welt“, sondern von der einzigen Form der Sklaverei, bei der es uns nicht gelungen ist, sie aus dem alten Europa zu beseitigen. Länder wie Spanien unternehmen in dieser Hinsicht große Anstrengungen, indem sie Menschenhändlern das Handwerk legen, die Öffentlichkeit sensibilisieren und Pläne zur Wiedereingliederung von Frauen, die Opfer geworden sind, fördern. Das reicht nicht aus. Europa muss ein einheitlicher Raum der Aktionsbereitschaft und des Engagements sein.
Die nächste Richtlinie über Menschenhandel bietet die Chance, im Hinblick auf die Forderungen an die Industrie auf dem Wege der Bildung zu handeln und beispielsweise in Bezug auf das Angebot Werbung in sämtlichen Medienformen zu erschweren sowie die bilaterale Zusammenarbeit mit Drittländer zu stärken, um dieses Übel an der Wurzel zu bekämpfen.
Wir haben eine Chance. Ich möchte die Aufmerksamkeit des Parlaments darauf lenken, damit es auch in Zukunft an vorderster Front für die Rechte der Bürger eintritt.
Marc Tarabella (S&D). – (FR) Herr Präsident! Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist gemäß ihrer Satzung eine unabhängige Quelle für wissenschaftliche Beratung im Bereich Risiken im Zusammenhang mit der Ernährungskette. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte meine Zweifel hierüber ausdrücken, und ich bin nicht der Einzige.
Nehmen wir ein Beispiel von vielen: In vielen Ländern, wie Dänemark und Frankreich, wurde Bisphenol A in Saugflaschen verboten, nachdem zahlreiche Studien dessen Schädlichkeit bewiesen haben. Die EFSA hingegen erlaubt weiterhin seine Verwendung in für den Verzehr bestimmten Produkten, in völliger Missachtung des Vorsorgeprinzips.
Die EFSA hat außerdem alle ihr vorgelegten Anträge für die Verwendung von GVO gutgeheißen, und es waren immerhin insgesamt 125. Finden Sie das nicht merkwürdig? Das für diese Angelegenheit verantwortliche Kommissionsmitglied, Herr Dalli, hat sich vergangene Woche in Bezug auf Bisphenol A von der EFSA distanziert, und der Rat hat um Erläuterungen zur Funktionsweise der Agentur seit 2008 gebeten.
Ich fordere daher mindestens und so bald wie möglich eine gemeinsame Anhörung der EFSA durch den parlamentarischen Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, den Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz unseres Parlaments. Wir müssen die Zweifel, die der EFSA anhaften, ausräumen, für einen besseren Schutz der Bevölkerung und ihrer Gesundheit, die hier auf dem Spiel steht.
Cătălin Sorin Ivan (S&D). – (RO) Meine Botschaft richtet sich an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek.
Da er vor einigen Monaten in Rumänien war, der Plenarsitzung des rumänischen Parlaments beiwohnte und die Regierung der liberalen Partei (PDL) sowie die von ihr geförderten Sparmaßnahmen unterstützte, möchte ich Präsident Buzek mitteilen, dass Rumänien seit über einem Monat kein Parlament mehr hat. Es ist weit über einen Monat her, seit die Sitzungen des rumänischen Parlaments eingestellt wurden und keine Entscheide mehr gefällt werden, und zwar aufgrund des Abstimmungsbetrugs bei der Verabschiedung des Rentengesetzes, wie meine Kollegin Daciana Sârbu bereits erwähnte.
Da Rumäniens Präsident Traian Băsescu keine Stellung zu der Sache nimmt und diese Praktiken schon gar nicht in Abrede stellt, denn die PDL übt sie regelmäßig, und betrügerisches Vorgehen ist im rumänischen Parlament üblich geworden, würde mich sehr interessieren, ob Herr Buzek die PDL und die staatlichen Organe in Rumänien weiterhin unterstützt und ob er auch heute noch dem rumänischen Parlament beiwohnen würde, um die Boc-Regierung zu unterstützen.
Slavi Binev (NI). – (BG) Ich denke, dass die Europäische Union, wie wir alle, sich bemüht, Europa aus der Rezession herauszubringen. Einige Länder sind im Begriff, aus der Rezession herauszukommen, doch leider nimmt sie in anderen Ländern aus irgendeinem Grund weiter zu. Ich denke, dass die Wiederherstellung und Konsolidierung des europäischen Marktes zu den Prioritäten aller Mitgliedstaaten gehören.
Aus diesem Grund bin ich sehr besorgt über die Absicht der Europäischen Union, Pakistan den zollfreien Marktzugang zu gewähren. Es ist mir bewusst, dass Pakistan durch Naturkatastrophen Schaden erlitten hat, doch ich halte es für eine unzureichende Rechtfertigung für die Gefährdung des europäischen Handels, insbesondere der Textilindustrie.
Ich appelliere an Sie im Namen des bulgarischen Verbandes der Textilproduzenten und -exporteure, dessen Mitglieder sich an mich gewandt und mich gebeten haben, ihnen zu helfen, diesen Sektor in Bulgarien zu retten. Bulgarien ist ein kleines Land, in dem die Rezession ihren Höhepunkt erreicht hat. Pakistans Zugang zum europäischen Markt wird Bulgariens Textil- und Bekleidungsproduktion gefährden.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, in einer Rezession muss, aus meiner Sicht, der Schutz des europäischen Marktes eine doppelt so hohe Priorität einnehmen, und der zollfreie Marktzugang für Pakistan ist nicht der Weg, auf dem wir Europa aus der Rezession herausführen werden.
Ioan Enciu (S&D). – (RO) Ich möchte auf die besonders ernstzunehmende wirtschaftliche und soziale Situation hinweisen, in der sich Rumänien befindet. Die Konjunkturmaßnahmen der rumänischen Regierung sind ohne Wirkung und haben einen ausgesprochen unsozialen Charakter. Sie bilden einen Angriff auf die Grundrechte der Menschen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Bildung, und auf das Recht auf menschenwürdige Lebensbedingungen. Welches sind die Auswirkungen dieser Maßnahmen? Eine Inflationsrate von 8 %, der größte Rückgang des BIP in der gesamten Europäischen Union, die Lähmung der nationalen Volkswirtschaft sowie beispiellose Proteste, an denen sich Polizeibeamte, Lehrkräfte, Rentner, Beamte des Finanzministeriums sowie alle Gewerkschaftsbünde beteiligen. Diese Regierung handelt entgegen den Interessen des rumänischen Volkes und untergräbt den Status der rumänischen Bevölkerung als europäische Bürger. Die Europäische Kommission verfügt über geeignete Instrumente und Mechanismen für die Beobachtung und Korrektur der Finanzpolitik von Mitgliedstaaten. Die Kommission muss zu den von der rumänischen Regierung eingeleiteten Sparmaßnahmen Stellung nehmen, denn sie verletzen grundlegende Menschenrechte.
Zigmantas Balčytis (S&D). – (LT) Am 10. Oktober dieses Jahres brach auf der „Lisco Gloria“ auf ihrem Weg von Kiel nach Klaipėda ein Feuer aus. Obschon es keine Todesopfer gab, zeigte der Unfall, wie extrem problematisch es ist, die Sicherheit von Fährreisenden zu gewährleisten. Die Betroffenen berichteten, dass die Crew der Fähre nicht auf eine Rettungsaktion vorbereitet war und die Passagiere sich um sich selbst kümmern mussten. Zudem war die Zahl der geretteten Passagiere höher als die der offiziellen Passagierliste, was ernsthafte Besorgnis hinsichtlich der allgemeinen Sicherheit der Passagiere und einer potenziellen Terrorismusbedrohung weckt. Nach dem 11. September wurde der Sicherheit von Flugzeugpassagieren in der Europäischen Union höchste Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser Unfall macht deutlich, dass für Schiffe ein ähnliches Kontrollsystem wie für Flugzeuge nötig ist und dass kontinuierlich unabhängige Leistungstests durchgeführt werden müssen, sowohl in Hinsicht auf den technischen Zustand der Schiffe als auch auf die für die Sicherheit der Passagiere verantwortliche Besatzung.
Katarína Neveďalová (S&D). – (SK) Letzte Woche führte ich eine Beobachterdelegation des Europäischen Parlaments zu den Parlamentswahlen in Kirgisistan. Wir hatten zahlreiche Treffen mit Vertretern der politischen Parteien und Bürgerorganisationen und wir trafen auch die Interimspräsidentin Rosa Otunbajewa.
Obschon man uns während unserer Mission versicherte, das Land sei eindeutig auf dem Weg zum Regimewechsel und zur parlamentarischen Demokratie und die Sicherheitslage habe sich beruhigt, setzten kurz nach unserer Abreise von Bischkek neue Unruhen ein und die politischen Parteien begannen, die Wahlergebnisse anzufechten. Dies geschah trotz der Erklärungen internationaler Organisationen, die Wahlen in Kirgisistan seien relativ korrekt durchgeführt worden. In diesem Land, in dem das Niveau der Sozialstandards wahrlich beklagenswert ist und wo zehntausende Menschen ihr Heim verlassen mussten, hat der Kampf um die alleinige Führungsposition erneut eingesetzt, und das Land beginnt, sich rückwärts zu wenden.
Ich halte es für notwendig, die Europäische Union und das Europäische Parlament aufzufordern, der zentralasiatischen Region, in der zurzeit sehr viel Unruhe herrscht, mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dies gilt nicht nur für Kirgisistan, sondern auch für die jüngsten Unruhen in Tadschikistan, und die Nähe zu Afghanistan bedarf dabei kaum der Erwähnung. Es ist wichtig, dass wir unser Interesse und unsere Präsenz in der Region erhöhen, für eine bessere Zukunft für uns alle.
Ivailo Kalfin (S&D). – (BG) Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf wichtige Fragen im Zusammenhang mit Sicherheit im Internet lenken. Es ist viel wirksamer, den mit der rapiden Ausdehnung des Internets verbundenen Risiken vorzubeugen, als den Schaden, der durch Missbrauch entsteht, zu beheben. Hierzu ist eine Reihe von Maßnahmen notwendig.
Erstens erfordert der Cyberspace einen Schutz, der dynamisch ist und keine statischen Mauern errichtet, sondern sich auf Flexibilität und proaktive Innovationen stützt. Zweitens müssen die für das Internet geltenden Gesetze die Möglichkeiten der Informationstechnologien nutzen, statt sie einzuschränken. Drittens muss von den verschiedenen Einrichtungen, die sich mit Sicherheit im Internet befassen, eine äußerst aktive horizontale Koordination verlangt werden. Viertens erfordert Sicherheit im Internet höchst aktive und effiziente Mechanismen der internationalen Kooperation und Koordination.
Ich möchte die Europäische Kommission dazu ermutigen, große Bestimmtheit und Entschlossenheit zu zeigen und bei künftigen Legislativinitiativen darauf zu bestehen, dass eine europäische Strategie für Sicherheit im Internet entwickelt und umgesetzt wird und dass Stellen oder ein Mechanismus geschaffen werden, die die horizontale Koordination zwischen allen Gemeinschaften und diesbezüglichen nationalen Politiken ermöglichen.
Der Präsident. – Damit ist die Aussprache zu diesem Punkt geschlossen.
18. Zukunft der europäischen Normung (kurze Darstellung)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Edvard Kožušník im Namen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über die Zukunft der europäischen Normung (2010/2051(INI)) (A7-0276/2010).
Edvard Kožušník, Berichterstatter. – (CS) Der Bericht, mit dem wir uns heute befassen, wird als Vorläufer eines Normungspakets vorgelegt, an dem die Kommission derzeit arbeitet. Dies soll zu einer Revision des bestehenden gesetzlichen Rahmens für die europäische Normung führen, anhand derer wir die Entwicklung der Normung in den kommenden Jahrzehnten definieren werden. Es liegt daher im Interesse des Parlaments, diesen Bericht dazu zu nutzen, um der Kommission und der Fachwelt unsere Vorstellungen über die künftige Entwicklung der europäischen Normung zu vermitteln.
Die Form des europäischen Normungssystems ist entscheidend für die vollumfängliche Nutzung des Potenzials des Binnenmarkts, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und die Erfüllung der Ziele der Strategie Europa 2020. Wir haben diesem Thema im Ausschuss für den Binnenmarkt daher unsere volle Aufmerksamkeit gewidmet. Wir haben intensive Diskussionen mit allen Interessengruppen geführt, sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene und mit Organisationen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Bei unserer Suche nach der besten Form für die europäische Normung haben wir nach Möglichkeit Vertreter kleiner und mittlerer Unternehmen ebenso mit einbezogen wie Vertreter der Verbraucher, der Menschen mit Behinderungen, des Umweltschutzes sowie andere Organisationen, die für die Interessen der Gemeinschaft einstehen.
Im Verlauf der Diskussionen über die zukünftige Form der europäischen Normung kamen wir zu der Schlussfolgerung, dass die Neugestaltung auf den Stärken des bestehenden Systems basieren sollte, da dieses eine solide Grundlage für den Aufbau darstellt. Wir sollten keine radikalen Änderungen vornehmen, die die zentralen Vorzüge des bestehenden Systems schwächen könnten. Um ein effizient funktionierendes System der europäischen Normung zu erreichen, ist es nötig, dass nationale Normungsorganisationen, welche eine weniger aktive Rolle im bestehenden Normungsprozess spielen, den stärkeren nationalen Organisationen näher rücken. Die starken nationalen Normungsorganisationen, die untereinander, aber auch mit anderen beteiligten Parteien, effizient kommunizieren können, bilden die Grundlage für die Stabilität des europäischen Normungssystems.
In Zukunft müssen wir zudem stärker auf eine größere Beteiligung der Interessengruppen am Normungsprozess selbst achten. Ziel ist es sicherzustellen, dass die Normen aus einem breiten Konsens hervorgehen und dadurch letztendlich auch repräsentativer sind. Ein weiteres Thema, das in dieser langen Diskussion besprochen wurde, war eine bessere Zugänglichkeit zu Normen. Ich möchte insbesondere den Prozess der Normenschaffung erwähnen. Dieser sollte dem Wesen der Nutznießer und Anwender entsprechen. Damit die Normen besser umgesetzt werden können, müssen sie verständlicher und leichter anzuwenden sein.
Mit der zunehmenden Liberalisierung von Dienstleistungen entsteht die Notwendigkeit, vermehrt an die Normung im Bereich der Dienstleistungen zu denken. Wir halten diesen Bereich im Hinblick auf einen größeren grenzüberschreitenden Wettbewerb bei den Dienstleistungen für entscheidend. Die Schaffung europäischer Normen für Dienstleistungen ist der Weg, auf dem die Barrieren für Dienstleistungen im Binnenmarkt behutsam abgebaut werden können. Der Abbau dieser Barrieren und die Stärkung des Wettbewerbs bilden den Weg zu mehr Transparenz und einer höheren Qualität der europäischen Dienstleistungen sowie zur Förderung des Wettbewerbs, was mit Innovation einhergeht. Innovation und neue Technologien bilden den Motor für das wirtschaftliche Wachstum in der Zeit nach der Krise. Die Herausforderung für die europäische Normung besteht darin, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Urhebern der Normen, den Innovatoren, Akademikern und Forschern zu erreichen. Ohne eine intensive Mitwirkung dieser vier Gruppen am Prozess der Normenschaffung wird es Europa schwerfallen, sein Wissen über kohlenstoffarme Wirtschaft, Elektroautos, Nanotechnologie und IKT in Normen zu fassen. Die Fähigkeit, die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung in den Prozess der Normenschaffung einzubringen, wird schließlich darüber entscheiden, ob das europäische Normungssystem in der globalisierten Welt weiterhin eine Schlüsselrolle spielen wird.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei all meinen Kollegen im Ausschuss bedanken, aber auch bei meinen Kollegen im Partnerausschuss ITRE, die aktiv zu diesem Bericht beigetragen haben. Ich möchte besonders hervorheben, dass wir uns über alle politischen Parteien hinweg auf die Endversion dieses Berichts einigen konnten.
Lara Comi (PPE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als erstes möchte ich meiner Zufriedenheit mit der Arbeit des Berichterstatters und der Schattenberichterstatter Ausdruck geben, mit denen wir ein gutes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen politischen Positionen gefunden haben. Dieser Bericht trägt eine klare politische Botschaft an die Europäische Kommission heran und enthält wichtige Leitlinien hinsichtlich seiner bevorstehenden Revision.
Wir haben festgestellt, dass das aktuelle System gut funktioniert und keine radikalen Änderungen erfordert. Die Verbesserungen, die wir vorgeschlagen haben, beeinträchtigen die aktuellen Grundsätze, auf denen das System basiert, nicht; der Grundsatz der nationalen Delegation sowie ihr privater und freiwilliger Charakter bleiben erhalten. Nichtsdestoweniger ist es wichtig, dass das öffentliche Interesse aktiver zum Zug kommt und zur Schaffung neuer Normen beiträgt. Ich halte die Funktion der kleinen und mittleren Unternehmen für wichtig und relevant für den Normungsprozess.
Dieser Bericht ist erst der Anfang: Wir werden unsere Arbeit in den kommenden Monaten fortsetzen, um zu gewährleisten, dass die europäische Normung den wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen Europas entspricht.
Zigmantas Balčytis (S&D). – (LT) Ich möchte meinen Kollegen zu der Erstellung dieses wichtigen Berichts beglückwünschen. Normung ist für den Aufbau eines Binnenmarkts besonders wichtig, denn sie gewährleistet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowohl der Europäischen Union als auch der einzelnen Mitgliedstaaten und beseitigt Hindernisse für den Handel. Ich unterstütze die Initiative der Kommission, ein Normungspaket zu erstellen, das hoffentlich genügend umfassend sein wird und helfen wird, die bestehenden Mängel zu beheben, die uns gegenwärtig davon abhalten, Produktsicherheit zu gewährleisten, und die die Ursache für unterschiedliche Grade des Verbraucherschutzes in den verschiedenen Mitgliedstaaten bilden. Das Festlegen einheitlicher Normen auf europäischer Ebene ist im Bereich der sich rapide entwickelnden Technologien und Innovationen besonders wichtig. Um nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu gewährleisten, sondern auch die Gesundheit der Menschen zu schützen und für sichere Produkte auf dem Markt zu sorgen, müssen in allen Mitgliedstaaten einheitliche Normen gelten und anwendbar sein.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Das europäische Normungssystem ist Teil eines internationalen Systems, das einheitliche, allgemein geltende Vorschriften und Normen aufstellt, die vom Produktionssektor weltweit angewendet werden.
Der gesellschaftliche Fortschritt steigert das Wissen, verändert die Technologie, die Organisation und den Lebensstil, und die Normung als spezifischer Bereich zur Festlegung allgemein angewandter Vorschriften muss ebenfalls ein aktives, dem Fortschritt gegenüber offenes Unterfangen sein. Wenn die Europäische Union eine wahrhaftig hoch stehende, innovative Wirtschaft will, wird sie um eine bedeutend stärkere Aktivität im Bereich der Entwicklung neuer Normen, die der Einführung neuer wissenschaftlicher und technologischer Errungenschaften auf dem Markt zuträglich sind, nicht herumkommen. Von diesem Standpunkt aus gesehen ist es an der Zeit, die Mechanismen der europäischen Standardisierung und Normung, die heute mehrheitlich auf nationalen Traditionen und nationalen Arbeitsplätzen basieren, auf den neuesten Stand zu bringen. Heute müssen diese Mechanismen jedoch einfacher und wirksamer sein.
Csanád Szegedi (NI). – (HU) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Jobbik-Vertreter werden oft als EU-Skeptiker bezeichnet und wir sind damit einverstanden. Wir sind EU-Skeptiker, doch das bedeutet nicht, dass wir die Zusammenarbeit unter den EU-Mitgliedstaaten nicht unterstützen. Es ist klar, dass wir gegen das Konzept der Vereinigten Staaten von Europa sind, und wir unterstützen das Europa der Nationen, doch die Normung ist ein typisches Thema, bei dem wir uns einig sind und das wir unterstützen können. Es wird immer wieder behauptet, dass wir ständig protestieren und zu allem nein, nein und nochmals nein sagen. Die Normung ist nun ein Thema, das auch wir voranbringen und unterstützen möchten. Ich möchte zudem alle Mitgliedstaaten auffordern, die Normung zu unterstützen, und ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen, diesen Bericht von Edvard Kožušník zu unterstützen. Hierin sind wir uns zurzeit einig.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Die Verabschiedung europäischer Normen kann den Zugang der KMU zum Binnenmarkt weitgehend erleichtern und ihre Position in ihm festigen helfen. In diesem Sinn brauchen KMU einfache, standardisierte Kreditprodukte, die rasch bezogen werden können, und zwar aufgrund eines Minimums an Unterlagen und einer vereinfachten Finanzanalyse. Das europäische Normungssystem muss Innovationen fördern und unterstützen und eine allgemein gültige Basis für einen umfassenderen Ansatz der Normung legen. Ich halte es zudem für sinnvoll, den Grundsatz der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit auf europäischer Ebene regelmäßig anzuwenden. Dies würde dazu beitragen, den Grundsatz „Zuerst in kleinen Dimensionen denken“ als Teil der öffentlichen Politiken für KMU zu festigen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch erwähnen, dass in Rumänien kürzlich eine Verordnung erlassen wurde, welche die Maßnahmen zur einheitlichen Durchsetzung jener EU-Rechtsvorschriften stützt, die die Bedingungen der Vermarktung von Produkten harmonisieren.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Dieser Bericht wird die Kommission in ihren Bemühungen, die Harmonisierung der Normen im Binnenmarkt sorgsam voranzubringen, weiter bestärken. In der progressiven Liberalisierung des globalen Handels zeigt er einen Weg auf, wie wir die europäischen Bürger vor qualitativ minderwertigen und gefährlichen Produkten, insbesondere solchen aus asiatischen Ländern, schützen können. Ich danke meinen Kollegen der Kommission für ihre Unterstützung für meinen Entwurf, der der Schaffung von Normen für sichere Kinderschuhe grünes Licht gibt. Es ist höchste Zeit zu handeln, denn die heutige Kindergeneration hat orthopädische Defekte aufgrund billiger, aber für den Körper schädlicher Schuhe aus China.
Es ist befremdend, dass wir europäische Gesetze für die Qualität sicherer Spielzeuge haben, wo doch ein Kind mit einem Spielzeug nur kurz in Berührung kommt, und dass es keine adäquaten Normen für Schuhwaren gibt, welche Kinder den ganzen Tag an den Füßen tragen. Ich hoffe, dass die Kommission auf diesen Aufruf, der nicht der erste ist, reagiert und die nötigen Schritte unternimmt. Es ist meines Erachtens eine Schande, dass die Industrielobby Deutschlands und Frankreichs gewonnen hat und dass in den internationalen Normungsausschüssen die Europäische Union nicht mit einer Stimme, sondern in 27 Sprachen spricht.
Mitro Repo (S&D). – (FI) Herr Präsident! Herzlichen Glückwunsch zu einem ausgezeichneten Bericht. Er bildet eine gute Grundlage für die weitere Arbeit. Transparenz und Demokratie sind äußerst wichtig für den Prozess der Normenschaffung, wie es auch eine größere Beteiligung der schwächeren gesellschaftlichen Interessengruppen, der Konsumenten und Umweltorganisationen ist. Die Normung darf nicht einfach zu einem Schlachtfeld für Großunternehmen werden.
Ich bin erfreut, dass der Bericht den Grundsatz der angemessenen Vertretung berücksichtigt, demgemäß der Standpunkt aller Interessengruppen in angemessener Weise mit einbezogen werden muss. Es ist auch wichtig, dass gesellschaftliche Interessengruppen stärker vertreten sind. Meines Erachtens könnte dies erreicht werden, indem man ihnen ein Stimmrecht in technischen Ausschüssen gibt. Es ist auch wichtig, eine zweite Produktionslinie aufzubauen. Ich hoffe, dass die Kommission ernsthaft ihre Aufmerksamkeit darauf richten wird.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter zu seinem umfassenden Bericht gratulieren, der allgemeine Zustimmung findet. Ich möchte auch den Abgeordneten danken, die so lange hier geblieben sind, um den Präsidenten in seinen Aufgaben zu unterstützen, und die einige sehr konstruktive Beiträge und Ideen in die Debatte eingebracht haben.
Dieser Bericht ist ein wertvoller Beitrag zu der Debatte, die vor einiger Zeit von der Europäischen Kommission angeregt wurde. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Zukunft des Normungssystems in Europa: Dieses ist zentral für die Umsetzung des Binnenmarkts und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und ein wichtiges Instrument zur Innovationspflege.
Die europäische Normung wird sich im Verlauf des nächsten Jahrzehnts den Herausforderungen der neuen Energien, der Umwelt und der Gesellschaft anpassen müssen, wie Sie bereits erwähnten. Hierzu gehören das Aufkommen neuer wirtschaftlicher Kräfte, die Entwicklung von Technologien, Klimawandel, CO2-Management und erneuerbare Energien. Dies sind einige der neuen Faktoren, mit denen wir es zu tun haben.
Wir teilen die Ansicht des Berichterstatters, dass auf dem bestehenden System aufgebaut werden kann. Es bildet eine solide Grundlage für die weitere Entwicklung. Es besteht dennoch Raum für Verbesserungen. Der Bericht enthält mehrere Vorschläge zur Verbesserung des Systems innerhalb seiner aktuellen Grenzen. Die Kommission begrüßt die Betonung der Wichtigkeit des nationalen Delegationsprinzips. Gleichzeitig lenkt der Bericht die Aufmerksamkeit auf eine negative Folge dieses Grundsatzes: die mangelnde Beteiligung gesellschaftlicher Interessengruppen aus dem Bereich Gesundheit und Sicherheit sowie Konsumenten und Umwelt am Normungsprozess. Die Teilnahme gesellschaftlicher Interessengruppen ist extrem wichtig, denn sie versieht das System mit einem wichtigen Element der Legitimität und Verantwortlichkeit und verbessert die Qualität des Konsenses. Die Kommission wird praktische Wege erkunden, um europäischen Normungsorganisationen, die gesellschaftliche Interessengruppen vertreten, eine wirksame Beteiligung zu sichern, und um eine ausgeglichenere Teilnahme der Interessengruppen am Normungsprozess zu erreichen.
Die Kommission teilt die Ansicht, dass, in Bezug auf die zentrale Rolle des nationalen Delegationsprinzips bei CENELEC, die nationalen Normungsgremien Schlüsselfiguren im europäischen Normungsmodell sind. Alle nationalen Normungsgremien müssen daher eine robuste Plattform für die Konsensfindung bereitstellen können. Der Bericht zeigt hierin bedeutende Unterschiede in Bezug auf Ressourcen, das technische Fachwissen und die Beteiligung der Interessengruppen am Normungsprozess auf. Hier kann in den Mitgliedstaaten einiges verbessert werden.
Obschon das Thema des Zugangs zu den Normen nicht auf die Frage des Preises für Normen reduziert werden sollte, begrüßt die Kommission die Aufforderung an die nationalen Normungsgremien, ihre Kosten durch Spezialtarife zu senken, indem sie Normenpakete zu reduzierten Preisen anbieten und nach weiteren Möglichkeiten für einen besseren Zugang suchen, insbesondere für KMU.
Die europäische Normung hat ein enormes Potenzial zur Unterstützung der Rechtsvorschriften der staatlichen Politiken. Wir sind erfreut, dass dieses Potenzial in dem Bericht anerkannt und die Notwendigkeit betont wird, neue Bereiche der Normung, wie etwa die Dienstleistungen, zu erschließen. Wie im Bericht hervorgehoben wird, muss das neue europäische Modell zur europäischen Innovation und der nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Zum Schluss möchte ich allen danken, die an diesem äußerst nützlichen und inspirierenden Bericht mitgearbeitet haben.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 21. Oktober 2010, um 12.00 Uhr statt.
19. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll