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Verfahren : 2010/2039(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A7-0233/2010

Eingereichte Texte :

A7-0233/2010

Aussprachen :

PV 19/10/2010 - 6
CRE 19/10/2010 - 6

Abstimmungen :

PV 20/10/2010 - 6.7
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2010)0375

Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 19. Oktober 2010 - Straßburg Ausgabe im ABl.

6. Entwicklungspolitische Aspekte des Internationalen Tags zur Beseitigung der Armut - Bedeutung des Mindesteinkommens für die Bekämpfung der Armut und die Förderung einer integrativen Gesellschaft in Europa (Aussprache)
Video der Beiträge
Protokoll
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache zum Thema Armut:

- Erklärungen des Rates und der Kommission zum Thema Entwicklungspolitische Aspekte des Internationalen Tags zur Beseitigung der Armut und

- Bericht von Ilda Figueiredo im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Bedeutung des Mindesteinkommens für die Bekämpfung der Armut und die Förderung einer integrativen Gesellschaft in Europa (http://www.europarl.europa.eu/oeil/FindByProcnum.do?lang=en&procnum=INI/2010/2039") (A7-0233/2010).

 
  
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  Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident.(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, verehrte Abgeordnete, da das Jahr 2010 das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ist, ist es uns natürlich bewusst, dass die Herausforderung, die die Armut darstellt, nicht an den Grenzen der Union Halt macht und auch nicht in der Union allein gelöst werden kann.

Die Aneinanderreihung globaler Krisen in der jüngsten Zeit, die alle Länder betroffen hat, wobei die ärmsten Länder am schwersten getroffen wurden, hat gezeigt, wie sehr die Welt miteinander verbunden ist. Darum ist die Förderung der Entwicklung ein integraler Bestandteil der europäischen Antwort auf die heutigen globalen Herausforderungen und die nächsten fünf Jahre werden für die Entwicklungspolitik in Europa und der Welt entscheidend sein.

Das ist in Artikel 208 des Vertrags von Lissabon festgelegt, und im Europäischen Konsens zur Entwicklung erklären wir eindeutig, dass das übergreifende Ziel der Entwicklungszusammenarbeit der EU die Beseitigung von Armut im Rahmen nachhaltiger Entwicklung ist, wozu auch die Verfolgung der Millenniums-Entwicklungsziele gehört.

Die Erreichung aller Millenniums-Entwicklungsziele im Rahmen nachhaltiger Entwicklung fällt jedoch in eine kollektive Zuständigkeit, bei der alle Partner ihre eingegangenen Verpflichtungen einhalten sollten. Die Europäische Union ist der Überzeugung, dass die Entwicklungsländer für ihre eigene Entwicklung ebenfalls verantwortlich sind und diese auch in ihren eigenen Händen liegt und dass es vor allem an ihnen liegt, die Verantwortung für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele zu übernehmen.

Darum ist es wichtig zu betonen, dass globale Strategien zur Erreichung dieser Ziele benötigt werden, wozu eine demokratische Staatsführung, der Schutz der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit, ein Wirtschaftswachstum, das den Armen zugutekommt, die Entwicklung der Privatwirtschaft und des Handels, menschliche und soziale Entwicklung und ökologische Nachhaltigkeit gehören.

Die Europäische Union ermutigt Partnerländer, ihre Anstrengungen, insbesondere im Hinblick auf die Senkung von Armut und Ungleichheit sowie die Einführung von Partnerschaften mit der Zivilgesellschaft, dem privaten Sektor und den lokalen Behörden, schnellstens zu erhöhen. Die Europäische Union wird ihnen bei diesen Anstrengungen verstärkte Unterstützung bieten, um die inländischen Ressourcen für die Entwicklung zu mobilisieren, insbesondere im Rahmen der Verbesserung der Verwaltung öffentlicher Finanzen und der Stärke und Effizienz ihrer Steuer- und Zollsysteme.

Am 22. September dieses Jahres haben die UN-Mitgliedstaaten bei der Annahme des Schlussdokuments des MDG-Gipfels auch ihre Zusage erneuert, zur Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Rahmens aller Menschen zusammenzuarbeiten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um zu gewährleisten, dass die Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 erreicht werden.

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, lassen Sie mich Ihnen zunächst für diese Gelegenheit danken, über die Herausforderung der Armut und die Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union auf globaler Ebene im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen. Im zweiten Teil dieser Erklärung werde ich auch auf den Bericht von Frau Figueiredo eingehen.

Die Armutsbekämpfung ist die dringlichste globale Herausforderung unserer Zeit. Dieser Herausforderung muss man sich nicht nur aus den offensichtlichen Gründen der Solidarität und Pflicht stellen, sondern auch um des weltweiten Wohlstands und der Stabilität willen. Und das liegt im Interesse aller. Im Jahr 2000 haben sich die Staats- und Regierungschefs der Welt bei der UN in New York getroffen und sich auf eine Entwicklungsagenda für die nächsten 15 Jahre, die Millenniums-Entwicklungsziele, geeinigt. Zu den verschiedenen in diesem Rahmen festgelegten Zielen gehörte, dass sich die Welt dazu verpflichtet hat, die extreme Armut um die Hälfte zu senken. Wo stehen wir jetzt, fünf Jahre vor Ablauf der Frist 2015?

Der erzielte Fortschritt ist ermutigend. Zwischen 2000 und 2005 sind insgesamt 120 Millionen Menschen aus der Armut herausgekommen, was einer jährlichen Senkung von 2,4 % entspricht. Für Selbstzufriedenheit ist jedoch keine Zeit. Heute leben immer noch 1,4 Milliarden Menschen in extremer Armut, wobei es zwischen den Regionen, Ländern und Bevölkerungsschichten enorme Unterschiede gibt. Außerdem bedrohen jüngste und aktuelle Krisen – vom sprunghaften Anstieg der Nahrungsmittel- und Treibstoffpreise bis hin zu wirtschaftlicher Instabilität und Klimawandel – sowohl das bisher Erreichte als auch die Zukunftsaussichten.

Vor zwei Wochen hat der MDG-Gipfel das weltweite Ziel der Armutsbekämpfung bestätigt. Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben unter der Führung von Gay Mitchell einen wichtigen Beitrag zu diesem Gipfel geleistet und ich möchte ihnen sehr für ihre Teilnahme und Unterstützung danken. Außerdem möchte ich dem Parlament für seine Unterstützung bei der gesamten Vorbereitung des Verfahrens danken, das mit der Annahme des Cashman-Berichts endet. Die fortwährende Beachtung dieses Plenums in Bezug auf die MDG hat für eine feste und ehrgeizige Haltung der EU in New York gesorgt. Ich denke, dass die Damen und Herren Abgeordneten, die an dem Gipfel teilgenommen haben, durch das Ergebnis beruhigt worden sind. Es gab keine Schuldzuweisungen; stattdessen hat das Treffen dem Erreichen der Ziele neue Kraft, Schwung und Hoffnung verliehen. Dass etwa 110 Staats- und Regierungschefs an dem Gipfel teilgenommen haben, hat gezeigt, dass die MDG immer noch hoch oben auf der politischen Agenda stehen. Die Europäische Union hat beim Erfolg dieser Versammlung eine entscheidende Rolle gespielt, indem sie unter den 27 Mitgliedstaaten eine entschiedene gemeinsame Herangehensweise zu Stande und zum Ausdruck gebracht hat.

Auch die Bekämpfung der Armut steht hoch oben auf der Agenda der Europäischen Union. Sie ist Teil des europäischen Projekts. Sie ist ein zentrales Ziel der Entwicklungspolitik der Europäischen Union, so, wie es im Vertrag von Lissabon festgelegt ist, und sie wird außerdem entschieden von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern unterstützt, was gleichermaßen wichtig ist.

Die Europäische Union hat als der größte Geldgeber der Welt bisher einen großen Beitrag zur Erreichung der MDG geleistet. Um Ihnen nur zwei Beispiele zu geben: Die Europäische Kommission allein hat dazu beigetragen, dass seit 2004 9 Millionen Mädchen und Jungen mehr eine Schule besuchen, und wir haben 31 Millionen Haushalten den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht. Ich glaube, dass man darauf stolz sein kann, aber wir müssen noch mehr tun und wir können mehr tun.

Im Juni haben die führenden Politiker Europas die MDG durch eine Einigung auf einen ehrgeizigen Plan und Aktionsprogramme gestärkt. Der Plan räumt den Zielen Priorität ein, bei denen wir den geringsten Fortschritt erzielt haben, und in den Regionen und Ländern, die am meisten zurückliegen, einschließlich derer, in denen es Konflikte und Unsicherheit gibt. Außerdem bestätigt der Plan unsere Verpflichtung, das Ziel von 0,7 % des BNE bis 2050 trotz der schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Lage zu erreichen. Dazu müssen wir den erzielten Fortschritt jedes Jahr bewerten.

Aus den Millenniums-Entwicklungszielen – vor allem das Ziel in Bezug auf die Armutsbekämpfung – bis 2015 eine Millenniums-Entwicklungswirklichkeit zu machen, wird zudem eine der übergeordneten Prioritäten meiner Tätigkeit sein.

Uns allen ist bewusst, dass Entwicklungshilfe allein nicht ausreichen wird, um die MDG zu erreichen. Um die Ziele zu erreichen, ist es zudem von erheblicher Bedeutung, dass wir bei der Steigerung der Effektivität unserer Hilfe, bei der Förderung eines nachhaltigeren und integrativeren Wachstums und bei der Mobilisierung anderer und zusätzlicher Finanzierungsquellen für die Entwicklung kreativer sind. Gleichermaßen wichtig sind die Qualität und die Wirksamkeit der Hilfen, wozu auch mehr Transparenz und Verantwortlichkeit sowie die Gewährleistung gehören, dass politische Maßnahmen außerhalb der Entwicklungshilfe die MDG mehr unterstützen.

Die Entwicklungshilfe muss als Katalysator und nicht als Heilmittel konzipiert werden. Noch nie ist ein Land allein durch Entwicklungshilfe geändert worden. Nachhaltiger Fortschritt hängt hauptsächlich davon ab, dass ein Land seine Fähigkeit weiterentwickelt, integratives und nachhaltiges Wachstum zu erzeugen. Entwicklung kann nur aus den Entwicklungsländern selbst kommen, nicht von außen, und daher müssen wir unsere Entwicklungsbemühungen auf die Lage innerhalb dieser Länder konzentrieren. Schließlich macht dies den Grundsatz der „Eigenverantwortung“ aus.

Im November werde ich ein Grünbuch herausgeben und öffentliche Anhörungen durchführen, um Ansichten darüber zu sammeln, wie unsere Strategien und Instrumente verbessert werden können, damit bessere Voraussetzungen für nachhaltiges und integratives Wachstum in den Partnerländern geschaffen werden können, wodurch man an die Wurzeln der Armut geht und unserer Entwicklungszusammenarbeit ein starker Mehrwert zukommt. Wie immer bin ich der Überzeugung, dass Ihr Beitrag zu dieser Debatte von entscheidender Bedeutung sein wird.

Ich möchte Frau Figueiredo für ihren Bericht über die Mindesteinkommenssysteme danken. Im Mittelpunkt ihres Berichts steht das Grundrecht der Menschen auf ausreichende Ressourcen für ein würdevolles Leben. Dies ist in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt worden. Das hat im Bereich der aktiven Eingliederung jüngst zu mehreren Initiativen der Kommission geführt, vor allem die Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2008 über die aktive Eingliederung, die vom Parlament und vom Rat unterstützt wurde. Die Empfehlung legt integrierte Strategien zur aktiven Eingliederung auf der Grundlage von drei Säulen dar – als da sind integrative Arbeitsmärkte, der Zugang zu Qualitätsdienstleistungen und angemessene Einkommensunterstützung. Daher begrüßt die Kommission diesen Bericht.

Gleichzeitig respektieren wir die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gestaltung und die Arbeitsweise der Sozialschutzsysteme im Allgemeinen und die Mindesteinkommensregelungen im Besonderen. Angemessene Einkommen sind ein grundlegender Bestandteil der Armutsbekämpfungen für Menschen, die nicht arbeiten können. Sie stellen eine notwendige Ergänzung zum integrativen Arbeitsmarkt und zur Bekämpfung von Armut für Menschen dar, die arbeiten können.

Der Bericht bestätigt ganz zu Recht das Grundprinzip der Einkommensunterstützung, die sowohl angemessen sein als auch Anreize bieten muss. Die Mitgliedstaaten konsolidieren derzeit ihre Haushalte, um die langfristige Nachhaltigkeit ihrer öffentlichen Finanzen zu gewährleisten. Die Kommission teilt die Ansicht, dass diese Maßnahmen den Schutz der gefährdetsten Mitglieder der Gesellschaft berücksichtigen müssen.

Ende dieses Jahres wird die Europäische Kommission eine Europäische Plattform gegen Armut vorstellen und konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei dem Ziel, bis 2020 mindestens 20 Millionen europäische Bürgerinnen und Bürger aus der Armut herauszuholen, festlegen.

 
  
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  Ilda Figueiredo, Berichterstatterin.(PT) Frau Präsidentin, Armut und soziale Ausgrenzung stellen Verstöße gegen die Würde des Menschen und grundlegende Menschenrechte dar. Mitten im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung laufen wir jedoch Gefahr, bei den Menschen, die in Armut leben, eine Rekordzahl zu erreichen.

Für das reiche Europa, in dem die Gewinne des Finanzsektors und der Wirtschaftskonzerne weiter wachsen und in Steueroasen verschoben werden, stellt dies einen schockierenden Rückschritt dar. Infolgedessen kommt es zu wachsendem Ärger unter den Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Frauen, jungen Menschen, Opfern von Gehaltskürzungen und prekärer, schlecht bezahlter Arbeit, Arbeitslosen sowie den Rentnerinnen und Rentnern mit erbärmlichen Renten.

Ende 2008 verkündete Eurostat, dass trotz des Bezugs von Sozialleistungen etwa 85 Millionen Menschen von Armut bedroht sind; und die Lage wird sich durch die neoliberale Politik der EU und die sogenannten Sparmaßnahmen, die mehrere Mitgliedstaaten eingeführt haben, noch weiter verschlimmern. Zu diesen Maßnahmen gehören Gehaltskürzungen und Einschnitte im öffentlichen Gesundheitswesen, in der Bildung und in anderen Bereichen, die Senkung der Sozialhilfe und Erhöhung der Steuern auf essentielle Güter, unter anderem Nahrungsmittel, wie es derzeit auch in Portugal geschieht, gefolgt von Griechenland, Irland und anderen Ländern.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kommission und der Rat mit den irrationalen Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes weiterhin Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben. Sie achten nur auf finanzielle, nicht auf soziale Fragen und haben alle staatlichen Gelder den Banken und dem Finanzsystem zukommen lassen, unter völliger Missachtung der Öffentlichkeit. Das Schlimmste ist, dass sie nun die Arbeiter und die Armen mit der Unterstützung der EU-Chefs und unter dem Beifall der Finanzkonzerne dazu zwingen, für die dringenden staatlichen Subventionen, die die Regierungen den Banken gegeben haben, zu zahlen.

Darum ist es notwendig, die Politik zu ändern, um Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, wie es Millionen von Demonstranten in ganz Europa fordern, unter anderem hier in Straßburg.

Die Ziele und Leitprinzipien des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung dürfen nicht nur in den Wind gesprochen sein. Die Verpflichtung, die die EU zur Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele der UN eingegangen ist, darf nicht in Vergessenheit geraten.

Die Strategien sollten die Rechte und die Aufteilung der Verantwortlichkeiten beinhalten, die Kohäsion und die Teilnahme der Menschen, die von Armut bedroht sind, fördern, konkrete Maßnahmen ergreifen und sie umsetzen, damit die Armut wirksam verhindert und bekämpft werden kann, und die Obdachlosen und Immigranten mit einbeziehen, nicht zu vergessen die Menschen mit Behinderung, und sie sollten nicht die Zukunft der jungen Menschen und Kinder gefährden.

Leider ist die Strategie Europa 2020 auf das Ziel beschränkt, 20 Millionen Menschen aus der Armut bis 2020 herauszuholen, was einen Rückschritt im Vergleich zu den ursprünglichen Zielen der sogenannten Strategie von Lissabon darstellt.

Das vielfältige Wesen der Armut und der sozialen Ausgrenzung fordert eine soziale Dimension der makroökonomischen Politiken als integraler Bestandteil bei der Überwindung der Krise. Dies bedeutet eine Änderung der Prioritäten und Strategien, vor allem der Geldpolitik, wie dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Haushalts- und Finanzpolitik, und der Wettbewerbs- und Binnenmarktpolitik. Dem wirtschaftlichen und dem sozialen Zusammenhalt und der Verteidigung der Menschenrechte müssen Priorität eingeräumt werden. Das heißt, dass es zumindest ein Gleichgewicht zwischen der Wirtschaftspolitik, der Beschäftigungs-, der Sozial- und der Umweltpolitik geben muss sowie eine gerechte Verteilung von Wohlstand und Einkommen.

In diesem Zusammenhang ist das Mindesteinkommenssystem ein wirksames Instrument zur Gewährleistung der Sicherheit der Menschen und zur Verminderung der Auswirkungen von Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit. Dies unterstützt den Zugang zu anständiger Arbeit, die Bekämpfung von Unsicherheit und Billiglöhnen, die zu einer steigenden Zahl der von Armut betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen. Diese Mindesteinkommenssysteme spielen bei der Neuverteilung der Einkommen eine wichtige Rolle und sie gewährleisten Solidarität und soziale Gerechtigkeit, vor allem in einer Krisenzeit, da sie antizyklisch als soziale Stabilisatoren funktionieren, zusätzliche Ressourcen zur Stärkung von Nachfrage und Konsum auf dem Binnenmarkt bieten und somit die Rezession bekämpfen.

Demzufolge sollten Mindesteinkommenssysteme, die auf mindestens 60 % des Durchschnittseinkommens in jedem Land beruhen, ein integraler Bestandteil einer Strategie mit dem Ziel der sozialen Integration sein, wozu sowohl allgemeine Strategien als auch spezifische Maßnahmen für die gefährdetsten Gruppen im Hinblick auf Unterkunft, Gesundheitsfürsorge, Bildung und Weiterbildung sowie Sozialdienste gehören. Dies würde den Menschen helfen, aus der Armut herauszukommen, und als Mittel zur sozialen Eingliederung und zum Zugang zu Beschäftigung für diejenigen dienen, die dazu in der Lage sind, mit anständigen Arbeitsbedingungen, nicht moderner Sklaverei, wie es bei der unsicheren und schlecht bezahlten Arbeit der Fall ist, von der Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sind, vor allem Frauen und junge Menschen.

Die Kommission steht vor der Herausforderung, eine Initiative und einen Aktionsplan zum Mindesteinkommenssystem im Hinblick darauf vorzulegen, wie man Kinder, junge Menschen, Erwachsene und ältere Menschen aus der Armut herausholen kann und sie auf den Weg zum sozialen Fortschritt bekommt.

 
  
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  Licia Ronzulli, im Namen der PPE-Fraktion.(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Daten über die Armut auf der Welt sind alarmierend, beunruhigend und unverzeihlich. Die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, steigt ständig, genau wie die Schere zwischen denen, die im Elend leben, und denen, die einen hohen Lebensstandard genießen, ständig weiter auseinander geht.

Dem jüngsten Bericht der Vereinten Nationen über den Zustand der Städte der Welt zufolge leben heute 827 Millionen Menschen in Barackensiedlungen und diese Zahl wird durchschnittlich um 6 Millionen pro Jahr wachsen. Wie bereits betont worden ist, gibt es dies auch in Europa: Heute leben fast 80 Millionen unserer Bürgerinnen und Bürger in Armut – 16 % der Bevölkerung der Union – und gut 19 Millionen davon sind Kinder.

Dieses Jahr, 2010, ist zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ernannt worden: Das ist der Hintergrund des Berichts, den wir heute erörtern. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass die endgültige Fassung gewisse Aspekte analysieren sollte, die ich für äußerst wichtig erachte, und dafür bin ich Frau Figueiredo dankbar. Die jüngste Wirtschaftskrise hat zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Leider sind es wieder einmal die Frauen, die am stärksten betroffen sind. Die Bekämpfung der Armut bedingt zuallererst Strategien, die die Beschäftigung fördern, insbesondere die von Frauen und jungen Menschen.

Jeder sollte in der Lage sein, genug Geld zur Verfügung zu haben, um einen anständigen Lebensstandard zu gewährleisten. Tatsache ist: Der Mindestlohn kann beim Kampf gegen die Armut eine wichtige Rolle spielen, indem er jedem die Chance bietet, aktiv am sozialen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen. Dennoch muss jeder Mitgliedstaat frei darüber entscheiden, ob er einen Mindestlohn einführt; das darf keine Entscheidung auf Ebene der Union sein.

Zur Erreichung einer wirklichen sozialen Integration und zur Bekämpfung von Entwürdigung und Armut dürfen wir uns nicht nur auf soziale Sicherungsmaßnahmen verlassen: Wir müssen ein höheres Ziel vor Augen haben. Lassen Sie uns darum für bessere Strukturreformen kämpfen und auf eine prägnantere Beschäftigungspolitik hinarbeiten, um die schwächeren Gruppen der Gesellschaft dazu zu ermuntern, am Arbeitsmarkt teilzunehmen.

 
  
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  Thijs Berman, im Namen der S&D-Fraktion.(NL) Frau Präsidentin, Frau Figueiredo hat es wunderbar dargestellt und ich möchte nur eine Sache hinzufügen. Die EU basiert auf dem Gedanken, dass Wohlstand für so viele Menschen wie möglich die Gewährleistung für wirtschaftliche Entwicklung für alle Europäerinnen und Europäer ist. Dank des offenen Marktes und dank der Strukturfonds – für die Neuverteilung des Wohlstands – steigt der Lebensstandard in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten, wovon die älteren Mitgliedstaaten wiederum profitieren. Alle Europäerinnen und Europäer haben ein Anrecht auf ein anständiges Leben genau wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger auf der Welt.

Deshalb ist die Verringerung der Armut Teil des Vertrags von Lissabon. Die Millenniums-Entwicklungsziele müssen erreicht werden, wobei wir auf internationaler Ebene genauso verfahren können, wie wir es mit den neuen Mitgliedstaaten tun. Wenn arme Länder die Rechtsstaatlichkeit anerkennen, hat dies eine Steigerung ihres Wohlstands zur Folge, da Unternehmen zu Investitionen in diesen Ländern ermutigt werden, wenn sie wissen, dass ihre Verträge sicher sind. Die weltweite Umverteilung des Wohlstands mindert soziale Spannungen sowie die Wahrscheinlichkeit von Gewalt und Flüchtlingsströmen, und eröffnet uns neue Märkte.

Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass einige Regierungen von Mitgliedstaaten, wie meine Heimat Niederlande, an ihrem Entwicklungsetat herumdoktern und auch versuchen, diese Ziele zu verfälschen. Dies tun sie aus falschem, kurzsichtigem Selbstinteresse. Die Verringerung der Armut muss eine Priorität der EU bleiben.

 
  
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  Elizabeth Lynne, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich glaube, dass der Bericht über das Mindesteinkommen, für den wir im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten gestimmt haben, die beste Möglichkeit für einen Fortschritt ist und breite Zustimmung erreichen wird. Darum bitte ich Sie eindringlich, die Änderungsanträge 1 und 2 abzulehnen.

Ich bin stets eine leidenschaftliche Verfechterin des Mindesteinkommens in allen Mitgliedstaaten gewesen und das habe ich in allen Berichten vermerkt, an denen ich jemals zum Thema soziale Eingliederung gearbeitet habe, aber ich bin der Überzeugung, dass man dies am besten mittels eines Austauschs empfehlenswerter Verfahren erreichen kann. Wenn wir versuchen, den legislativen Ansatz zu wählen, wird es uns meiner Meinung nach nicht gelingen, alle mitzunehmen und das zu erreichen, was wir wollen – einen anständigen Lebensstandard für alle, die Menschen aus der Armut herauszuholen und Obdachlosigkeit zu vermeiden.

In dem Bericht des Ausschusses für Beschäftigung erklären wir auch, dass es der wirksamste Weg zur Bekämpfung der Armut ist, allen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist, zu gewährleisten, dass die Richtlinie zur Beschäftigung effektiv in allen Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Bei der Entwicklung einer Politik in Bezug auf Armut und soziale Eingliederung müssen wir den Betroffenen zuhören – mit anderen Worten denjenigen, die Armut und Obdachlosigkeit selbst erleben. Wir müssen gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten ihre in der Strategie Europa 2020 festgelegten Ziele zur Verringerung der Armut erreichen.

Außerdem möchte ich in dieser Debatte auch darauf hinweisen, dass wir über ein Mindesteinkommen sprechen – mit anderen Worten Zuschüsse für Arbeitslose und keine Gehälter.

 
  
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  Karima Delli, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in Europa leben 80 Millionen Menschen in Armut, über 5 Millionen sind obdachlos, Millionen wohnen unter schlechten Bedingungen, ein Fünftel der Kinder ist von Armut betroffen und was haben wir am anderen Ende der Skala? Die Zahl der Milliardäre steigt.

Vor kurzem, am 17. Oktober, fand der Internationale Tag zur Bekämpfung der Armut statt und bald wird das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung enden, aber was werden wir dann vorzuzeigen haben? Welche konkreten Lösungen wird Europa denjenigen präsentiert haben, die die Hauptopfer einer Krise sind, für die sie nicht verantwortlich sind? Welche Hoffnung können wir meiner Generation geben, der Generation, die die Hauptlast von Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und Ausgrenzung trägt, diesen jungen Menschen, die Europa misstrauen, die sehr viel von Europa und damit von Ihnen erwarten?

Wir sind verpflichtet, auf ihre täglichen Sorgen und ihre Zukunftsängste zu reagieren. Die Strategie von Lissabon ist bei ihrem Ziel der Bekämpfung der Armut gescheitert. Wir können nicht länger untätig danebenstehen und die Dinge geschehen lassen. Jetzt ist nicht mehr die Zeit für bedeutungslose Rhetorik. Die Zeit ist reif, unerschrocken zu sein und politischen Mut zu beweisen. Alle Organisationen, die mit den Opfern von Armut arbeiten, ATD Vierte Welt, das Europäische Netz zur Bekämpfung von Armut (EAPN), der Europäische Verband der nationalen Vereinigungen im Bereich der Obdachlosenhilfe (FENTSA), Emmaus Europa, sie alle fordern dies seit 20 Jahren!

Darum fordern wir von der Europäischen Kommission eine Rahmenrichtlinie, die das Ziel verfolgt, ein angemessenes Mindesteinkommen festzulegen. Diese Rahmenrichtlinie wird die Bewilligung von und den Zugang zu einem angemessenen Mindesteinkommen gewährleisten, damit jedes Kind, jeder Erwachsene oder jeder ältere Mensch, die in Armut leben, aus ihr herauskommen können, und ihnen somit das unabdingbare Recht auf ein Leben in Würde garantiert wird.

Die Zeit läuft uns davon, meine Damen und Herren, noch nie war der Handlungsbedarf dringender. Gemeinsam können wir diesem ungeheuerlichen Skandal der Langzeitarbeitslosigkeit ein Ende bereiten. Armut, das Ende der Armut, sollte nicht bloß eine politische Parole sein. Es ist eine Wirklichkeit und ich hoffe, dass wir den Kampf gemeinsam aufnehmen werden.

 
  
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  Nirj Deva, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich finde diese Aussprache eher amüsant, fast schon lächerlich. Ich habe mir jetzt mehrere Reden angehört und wir haben über die Bekämpfung der Armut gesprochen, ohne ein einziges Mal zu erwähnen, wie wir mehr Wohlstand erzeugen können. Man kann die Armut nicht bekämpfen, ohne Wohlstand zu erzeugen, ansonsten verschiebt man den Wohlstand nur vom Einen zum Anderen und schafft keinen neuen.

Auf internationaler Ebene kommen 880 Mrd. EUR durch alle Arten von Korruption und anderen Tätigkeiten aus den Entwicklungsländern, die weder irgendwo verzeichnet noch besteuerbar sind oder auf ordentlichen Banken angelegt werden. In der internationalen Entwicklung ist dies ein Skandal für die Finanzwelt. Diese 880 Mrd. EUR sollten Wohlstand in den Entwicklungsländern erzeugen.

In Europa steigt die Armut, da es zu viel Regulierung gibt, was die Schaffung von Wohlstand behindert, während die Herausforderungen nun aus Indien und China kommen. Dies müssen wir überdenken.

 
  
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  Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Frau Präsidentin! Mit der heutigen Sitzung zum Thema Armut stellen wir bewusst den Zusammenhang zwischen globaler Armut und Armut in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Mittelpunkt. Das haben vor uns aber auch schon Hunderttausende von Menschen getan, die das in den letzten Wochen und Monaten zunehmend auf den Straßen in Europa gefordert haben und den Global Action Day bewusst in die Nähe der UN-Konferenz zu den Millenniums-Entwicklungszielen gestellt haben.

Im Unterschied zu ihnen bleiben wir als europäische Institutionen aber vage, bleiben wir widersprüchlich in unseren gesamten Strategien und schaffen wir Rahmenbedingungen, die den Kampf gegen Armut wiederum erschweren. Der Lissabonner Vertrag und auch die Europa-2020-Strategie haben die Armutsziele de facto eliminiert. Mit der Forderung nach Nachhaltigkeit öffentlicher Finanzen begründen zahlreiche Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Abbau von Sozialleistungen und Umschichtungen durch Kürzungen im Gesundheitswesen, Kürzungen im Bereich der Rentensysteme, Abbau arbeitsmarktpolitischer Instrumente, Abbau von Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Abbau von Leistungen für Kinder und Familien. Das machen wir selbst in unseren EU-Mitgliedstaaten und tun in dieser Veranstaltung so, als müssten wir lediglich dafür werben, dass Menschen in Armut nicht länger ausgegrenzt werden. Wir selber tun es durch unsere Art und Weise der Politik.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Europa-2020-Strategie und die Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union im Widerspruch zueinander stehen und dass es so nicht möglich ist, global Armut zu bekämpfen.

 
  
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  Derek Roland Clark, im Namen der EFD-Fraktion. – Frau Präsidentin, die Armut, vor allem die Zahl der Menschen, die von Armut bedroht sind, ist mit der EU gleichermaßen gewachsen und jeder neue Mitgliedstaat trägt zu dem Problem bei, es ist also ziemlich offensichtlich, wie man eine zukünftige Verschlimmerung verhindern kann.

Eine Ihrer Antworten lautet, ein Mindesteinkommen einzuführen. Ich bin für einen Mindestlohn, aber nur, wenn er von jedem Land selbst festgelegt wird. Ein europaweiter Mindestlohn würde diese Angelegenheit verzerren. In Skandinavien beispielsweise sind die Heizkosten für alle Einkommensgruppen wohl höher als in Südeuropa.

Ich bin gegen ein Mindesteinkommen, da es bedeutet, dass geringe Löhne und Gehälter mit öffentlichen Mitteln aufgestockt werden: Der Steuerzahler muss in einer Wirtschaftskrise also noch mehr zahlen. Wie wollen Sie verhindern, dass einige Arbeitgeber weniger zahlen als sie könnten, da sie wissen, dass dies durch das Sozialleistungssystem ausgeglichen wird? Antwort: mehr Regulierung und Bürokratie für die Unternehmen, wovon am meisten die KMU betroffen sein werden, welche die Hälfte der Arbeitskräfte beschäftigen.

Und natürlich wird auf ein europaweit harmonisiertes Mindesteinkommen ein harmonisiertes Steuersystem folgen, und alles wird auf eine graue formlose Masse reduziert, frei von Europas großartigster Eigenschaft: der Vielfalt.

 
  
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  Franz Obermayr (NI). - Frau Präsidentin! Es ist beunruhigend, dass in der EU Tausende Menschen trotz eines fixen Arbeitsplatzes an der Armutsgrenze leben. Angesichts dessen sind Vorstöße zur Festlegung eines angemessenen Mindestlohns durchaus zu begrüßen. Allerdings macht ein Mindestlohn nur in Kombination mit weiteren Maßnahmen Sinn. Eine isolierte Diskussion könnte zu einer Schwächung des Wirtschafsstandorts und einer Erhöhung der Arbeitslosenzahlen führen. Schließlich können sich Klein- und Mittelbetriebe bei gleichbleibender Steuerlast einen gesetzlich verankerten Mindestlohn nicht leisten, und höhere Löhne bergen natürlich auch die Gefahr einer Verteuerung von Waren und Dienstleistungen. Das würde wiederum die Inflationsspirale in Gang setzen.

Im Vordergrund muss daher die Entlastung des Faktors Arbeit stehen. Arbeit muss sich für die EU-Bürger wieder auszahlen. Mindestlohn ja, aber in einem sinnvollen Gesamtpaket mit steuerlichen Entlastungen für Arbeitnehmer, aber auch für die Klein- und Mittelbetriebe Europas.

 
  
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  Elisabeth Morin-Chartier (PPE).(FR) Frau Präsidentin, die Bekämpfung der Armut ist eigentlich ein Millenniums-Entwicklungsziel, aber sie ist auch ein europäisches Ziel in Europa.

Tatsächlich verfügen wir in Europa über den höchsten durchschnittlichen Lebensstandard der Welt, aber nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viel Spaltung wie in unserer europäischen Gesellschaft sowie zwischen Europa und Afrika. Hier gibt es zwischen den Lebensstandards den größten Unterschied in der Welt. Unsere Aufgabe ist es also, diese Unterschiede zu verringern.

Zu viele Europäerinnen und Europäer in Europa haben jeden zweiten Tag keinen Zugang zu einer vollwertigen Mahlzeit. Zu viele Kinder sind arm und von Gesundheits- und Bildungsproblemen betroffen, deren Ursache in der fortwährenden Armut liegt. Zu viele Frauen müssen mit Lohnunterschieden zurechtkommen, werden an den Rand gedrängt, wenn es um Beschäftigung geht, haben keine Arbeitsplatzsicherheit, weswegen eine Weiterbildung die einzige Möglichkeit darstellt, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren und sie aus der Armut herauszuholen. Zu vielen älteren Menschen, in der Regel Frauen, ist es in ihrem Arbeitsleben nicht gelungen, eine anständige Beschäftigung und anständige Gehälter zu finden.

Zu viele Menschen in ländlichen Gegenden leben unterhalb der Armutsgrenze. Häufig besteht unsere Entwicklungshilfepolitik zur Bekämpfung der Armut aus Städtepolitik. Wir müssen auch der ländlichen Bevölkerung bei der Bekämpfung von Armut helfen.

Darum fordere ich Sie auf, die Bekämpfung von Armut ...

(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin)

 
  
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  Frédéric Daerden (S&D).(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, heute ist die Bekämpfung der weltweiten Armut das beherrschende Thema im Europäischen Parlament. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Thema, aber, wie Frau Figueiredo dargelegt hat, ist die Armut auch in Europa viel zu sehr verbreitet. Die Bekämpfung dieses Phänomens ist eine der in der Strategie 2020 festgelegten Prioritäten. Und obwohl es eine gute Sache ist, Ziele festzulegen, die nebenbei gesagt viel ehrgeiziger hätten sein sollen, ist es noch besser, wenn die erforderlichen Mittel verfügbar sind. Und ein angemessenes Mindesteinkommen für alle in Europa gehört ganz eindeutig zu diesen Mitteln.

Der hervorragende Bericht unserer Kollegin stellt den Zweck dieses Mittels bei diesem Kampf dar und bringt die Dinge wirklich voran. Ohne Gesetzesinitiative seitens der Kommission, die die Rolle, die das Mindesteinkommen spielt, anerkennt, befürchten wir jedoch, dass die Mitgliedstaaten unser Versprechen zur Armutsbekämpfung nicht einlösen können. Aus diesem Grund muss auf diesen Bericht eine Rahmenrichtlinie folgen, die die einzelstaatlichen Praktiken berücksichtigt.

 
  
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  Charles Goerens (ALDE).(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, meiner Meinung nach muss man in dieser Aussprache drei wichtige Feststellungen treffen.

Zunächst hat die Globalisierung die Ungleichheiten innerhalb der Länder erhöht, aber die Ungleichheiten zwischen den Staaten gemindert, was man an dem Erfolg der Schwellenländer erkennen kann. Dies hat ein Experte des Internationalen Währungsfonds auf der Konferenz in Oslo festgestellt, auf der der IWF mit der Internationalen Arbeitsorganisation zusammengearbeitet hat.

Es stimmt, es gibt immer noch große Unterschiede zwischen den Staaten, aber es wäre falsch, die fortwährende Armut auf die Globalisierung allein zu schieben, wenn es um die Ungleichheit innerhalb unserer Länder geht.

Meine zweite Feststellung lautet, dass die Lage in Europa sehr besonders ist. Europa ist der einzige Wirtschaftsraum, der sich in den vergangenen drei Jahrzehnten an Massenarbeitslosigkeit gewöhnt hat, wie Professor Fitoussi dargelegt hat.

Die Strategie 2020 eröffnet tatsächlich einige interessante Perspektiven zur Bekämpfung struktureller Arbeitslosigkeit, aber die Europäische Union muss im Kontext der Überwindung der aktuellen Krise Möglichkeiten finden, um das Beschäftigungsniveau zu verbessern.

Viele von uns sind der Meinung, dass das Ziel der Verringerung der Armut ein Wunschtraum wird, wenn man sich zu sehr auf die Straffung der öffentlichen Finanzen konzentriert.

Drittens, unsere Herangehensweise in Bezug auf die Bekämpfung der Armut muss sowohl international als auch nach außen hin gerichtet sein. Unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung können wir es uns nicht länger leisten, das Eine dem Anderen vorzuziehen. Ein malthusianischer Ansatz, der darin besteht, zu bestätigen, was im Namen der Solidarität ausgegeben wird, ist ganz einfach ...

(Die Präsidentin unterbricht den Redner)

 
  
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  Jean Lambert (Verts/ALE). – Frau Präsidentin, ich denke, uns allen ist die Bedeutung des Mindesteinkommenssystems in der Europäischen Union bewusst, obwohl es noch nicht von allen Mitgliedstaaten eingeführt worden ist. Außerdem wissen wir, dass die Wirksamkeit sehr stark schwankt, dass es häufig keine eindeutige Grundlage für die ausgezahlten Beträge gibt und dass die ausgezahlten Beträge nicht unbedingt mit der Kostensteigerung mithalten. In einigen Mitgliedstaaten gibt es eine sehr schlechte Abwicklung, so dass die Menschen nicht das bekommen, worauf sie einen Anspruch haben, und in einigen sind diese Einkommenssysteme zeitlich begrenzt, was sehr seltsam erscheint, da es doch ein Sicherheitsnetz sein soll.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir einen gemeinsamen Rahmen in der ganzen Europäischen Union benötigen, der uns klare Grundsätze für die Entwicklung dieser Systeme und eine klare Methodik für ihre Handhabung zur Verfügung stellt. Wir reden nicht über ein gleiches Auszahlungsniveau in allen Mitgliedstaaten und wenn man dies ständig behauptet, ist das wirklich nicht wahr. Wir müssen diese Systeme entwickeln, damit alle in der EU in Würde leben können.

 
  
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  Tadeusz Cymański (ECR).(PL) Diese Aussprache über Armut findet im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung statt. Es ist wichtig, dass sowohl unsere Anstrengungen als auch die der Regierungen und der Nichtregierungsorganisationen aufrechterhalten werden und nicht nur Kampagnen und Propaganda sind. Von allen Maßnahmen, die in dem zur Debatte stehenden Bericht vorgeschlagen werden, ist insbesondere der Vorschlag zum Verhältnis zwischen dem Mindesteinkommen und dem Durchschnittseinkommen bedeutsam. Die Ursachen für Armut sind vielfältig und sie hängen oft mit sozialen Missständen und sozialer Ausgrenzung zusammen. Besonders bemerkenswert und sehr beschämend ist das Auftreten von Armut bei der arbeitenden Bevölkerung und sogar bei denen, die keine oder wenige Kinder haben. Eine derartige Situation ist nicht hinnehmbar und daher müssen die Maßnahmen, die die Europäische Kommission und das Parlament in dieser Hinsicht ergreifen, besonders effektiv, konsistent und entschlossen sein. Während wir Menschen auf verschiedenen Erdteilen helfen und nach Naturkatastrophen humanitäre Hilfe leisten, sollten wir zuerst ein Zeichen setzen und uns mit den in der Europäischen Union von Armut betroffenen Bürgerinnen und Bürger solidarisch zeigen.

 
  
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  Niki Tzavela (EFD).(EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich möchte einen Sektor hervorheben, in dem wir eine präventive Politik einführen müssen, wenn wir die Entstehung einer neuen Generation von nouveaux pauvres in Europa verhindern wollen. Neueste Studien haben gezeigt, dass es eine sehr große Differenz zwischen dem Verdienst eines Arbeitnehmers und der Rente gibt, die er beziehen wird, dabei handelt es sich um eine „Rentenlücke“, durch die sie automatisch unter die nouveaux pauvres fallen werden. Auf gesamteuropäischer Ebene müssen die Arbeitnehmer 2 Mrd. EUR pro Jahr sparen, um diese Lücke in ihrem Versicherungsschutz zu schließen und zu gewährleisten, dass sie einen anständigen Lebensstandard haben, wenn sie in den Ruhestand treten.

Ich spreche dieses Thema an, um Ihre Aufmerksamkeit auf dieses schwerwiegende Problem zu lenken, vor dem Millionen europäischer Rentnerinnen und Rentner – Europas nouveaux pauvres – bereits stehen.

 
  
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  Sari Essayah (PPE).(FI) Frau Präsidentin, der Bericht über das Mindesteinkommen spiegelt die breitangelegte Debatte, die wir im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zum Thema der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung geführt haben, gut wider. Dies mag das Europäische Jahr zur Bekämpfung der Armut sein, aber dank der Wirtschaftskrise nehmen die Arbeitslosigkeit und die sozialen Härtefälle in vielen Mitgliedstaaten immer weiter zu.

Die herausragenden Kennzeichen der europäischen Armut sind die Kinderarmut, die wachsende Jugendarbeitslosigkeit, die schlechte Stellung der Frau auf dem Arbeitsmarkt, die Ausgrenzung von Immigranten, der Status der ethnischen Minderheiten wie den Roma und die Notlage der Arbeitslosen im Vorruhestandsalter. Die Verringerung der Armut ist eines der Hauptziele der Strategie Europa 2020 und es besteht der Wunsch, diese durch quantitative Ziele, die für die Mitgliedstaaten bindend sind, in die Realität umzusetzen. Dafür gibt es auch gute Gründe, da die Bemühungen zur Verringerung der Armut im vergangenen Jahrzehnt so gut wie keine Ergebnisse hervorgebracht haben.

Die Mehrheit des Ausschusses hat endlich beschlossen, vorzuschlagen, dass die Mitgliedstaaten ein Mindesteinkommen von 60 % des jeweiligen Durchschnittseinkommens einführen sollten, und einige Abgeordnete haben sogar ein Rahmengesetz für ein Mindesteinkommen gefordert. Ich unterstütze die Änderungen an den Rechtsvorschriften nicht, da die Einführung eines Mindesteinkommens die unterschiedlichen Strukturen der sozialen Sicherungssysteme in den Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt. In einigen Mitgliedstaaten sind auch unterschiedlich gestaffelte und einkommensbezogene Sozialdienste sowie Universaldienste, die durch Steuermittel finanziert werden, Teil des sozialen Sicherungssystems. Daher sollte die Frage des Mindesteinkommens unter dem Aspekt des Subsidiaritätsprinzips in den Mitgliedstaaten betrachtet werden und nach Lösungen sollte mittels eines Austauschs empfehlenswerter Verfahren gesucht werden.

 
  
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  Pervenche Berès (S&D).(FR) Frau Präsidentin, Herr Chastel, meine Damen und Herren Kommissare, seit dem 17. Oktober, dem Tag für die Bekämpfung der Armut, in diesem Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, wissen wir, dass im Jahr 2007, vor der Krise, 17 % der Bevölkerung der Europäischen Union unterhalb der Armutsgrenze lebten. Die aktuelle Zahl kennen wir nicht, aber wir alle wissen, dass sie hoch ist, und dass eine derartige Situation nicht hinnehmbar ist.

Ja, wir sind bei unseren Verpflichtungen beständig, ja, wir glauben an das, was wir als Grundrecht in Artikel 1 der Charta, in dem es heißt, dass jeder das Recht auf Würde hat, im Vertrag von Lissabon, der den Kampf gegen die soziale Ausgrenzung als Ziel der Europäischen Union festlegt, und in der Strategie 2020, die die Bekämpfung von Armut als eines ihrer wichtigsten Ziele benennt, angenommen haben. Wir haben jedoch zu keinem Zeitpunkt die Mittel zur Umsetzung einer derartigen Strategie festgelegt, was bedeutet, dass wir scheitern werden, und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger enttäuscht sein werden.

Wir brauchen eine Gesetzesinitiative für das Mindesteinkommen und eine Organisierung der Finanzierung ...

(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin)

 
  
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  David Casa (PPE).(MT) Wie bereits erklärt wurde, steht das Thema Armut ganz oben auf unserer Tagesordnung. Wir alle kennen die Statistiken, die Prozentsätze und die Rhetorik bei diesem Thema; die Tatsache, dass eine derart große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern unterhalb der Armutsgrenze lebt, ist eine ernsthafte Angelegenheit, mit der man sich unverzüglich beschäftigen muss. Es ist eine wundervolle Sache, die Armut bekämpfen zu können, indem man mehr Arbeitsplätze schafft und die Errichtung von Strukturen fördert, die uns bei der Erreichung unseres Zieles helfen können. Dazu gehört ein Plan, um den europäischen Bürgerinnen und Bürgern dabei zu helfen, die notwendige Weiterbildung zu erhalten, welche dann zu einer aussichtsreichen Stelle führt. Außerdem benötigen wir die notwendigen Finanzmittel, um die Länder zu unterstützen, die in dieser Hinsicht immer noch hinterherhinken, damit auch sie diese Ziele erreichen können. Deshalb müssen wir eindeutig so viele Menschen wie möglich dazu ermutigen, in den Arbeitsmarkt einzutreten, vor allem Frauen. Die Situation wird in dem Bericht gründlich bewertet und an dieser Stelle möchte ich der Berichterstatterin für ihre hilfreiche Arbeit danken und ihr dazu gratulieren. Wir müssen jedoch sicherstellen, dass wir nicht blindlings vorpreschen, da die Bestimmungen im Vertrag über das Subsidiaritätsprinzip weiterhin respektiert werden müssen. Die Anwendung eines pauschalen Konzepts für ganz Europa ist keine praktische Lösung. Außerdem verfügen wir noch nicht über die notwendige Rechtsgrundlage, die unser Vertrag dafür vorsieht. Demgemäß sollte den Mitgliedstaaten die Freiheit eingeräumt werden, diese Anforderungen gemäß ihrer eigenen Bedürfnisse und ohne Einmischung zu regulieren.

 
  
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  Regina Bastos (PPE).(PT) Frau Präsidentin, infolge der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialkrise durchläuft Europa derzeit eine Transformationsphase. Die bestehenden Krisen in bestimmten Mitgliedstaaten haben sich verschlimmert und die sozialen Ungleichheiten haben sich vergrößert, was dazu geführt hat, dass die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, gestiegen ist.

Heute gibt es mehr arme Menschen in der Europäischen Union. Es gibt mehr Männer und Frauen mit einem Einkommen, das bei weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens des Landes liegt, in dem sie leben. Wir haben damit ein schwerwiegendes Problem, das konkreter und effektiver Maßnahmen bedarf. 80 Millionen Europäerinnen und Europäer leben unterhalb der Armutsgrenze. Und obwohl sich die Armutsgrenze zwischen den Ländern in der EU unterscheidet, ist es eindeutig, dass es sich dabei um ein wachsendes Phänomen in unserer Union handelt, deren Leitbild für die Entwicklung das fortschrittlichste Sozialmodell der Welt ist.

In Portugal leben etwa 20 % der Menschen in Armut oder sind von ihr bedroht und haben weniger als 360 EUR pro Monat zur Verfügung. Die Daten zur Kinderarmut in meinem Land sind verheerend. Portugal gehört zu den acht Ländern mit dem höchsten Maß an Kinderarmut.

Wir begrüßen das Ziel, 20 Millionen Menschen bis 2020 aus der Armut herauszuholen, genauso wie wir die Bemühungen zur Förderung der Beschäftigung und sozialen Eingliederung begrüßen. Ich möchte der Berichterstatterin zu ihrem Beitrag gratulieren und betonen, dass ein Mindesteinkommen wünschenswert ist; die Festlegung der Höhe sollte dabei in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen.

 
  
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  Csaba Sógor (PPE).(HU) 1992 erklärte die UN den 17. Oktober zum Internationalen Tag der Armut. Im Jahr 2000 verpflichtete sich diese internationale Organisation zur Halbierung der Zahl der Menschen, die in großer Armut leben, innerhalb von 15 Jahren. Zwei Drittel dieses Zeitraums sind bereits verstrichen. Die Zahlen sind alarmierend und wir liegen zu einer Zeit, in der die Anforderungen und die Erwartungen sehr hoch sind, hinter den Indikatoren zurück. 73 % der Bevölkerung der EU sehen das Hauptproblem in der sich immer weiter verbreitenden Armut in ihrem jeweiligen Land. 89 % der Bürgerinnen und Bürger fordern schnelle Maßnahmen zur Lösung des Problems, und 74 % erwarten, dass die EU eine wichtige Rolle bei der Beseitigung von Armut spielt. Andererseits haben 6 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU in den vergangenen zwei Jahren ihre Arbeit verloren und die Kinderarmut steigt.

Obwohl wir wissen, dass Beschäftigung das wirksamste Mittel zur Bekämpfung der Armut ist, und uns oft darauf beziehen, wird das Modell eines sozialen Europas, das von Jean Monnet beschrieben wurde, von Wirtschaftsinteressen überschattet. Das Ziel einer wirtschaftlichen Entwicklung lautet, das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, was jedoch ohne soziale Maßnahmen und eine drastische Verringerung des derzeitigen Maßes an Armut wertlos ist. Es ist offensichtlich, dass die Sozialpolitik hauptsächlich die Aufgabe und Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ist. Ich bin dennoch der Überzeugung, dass wir gemeinsam durch den verstärkten Einsatz der offenen Koordinierungsmethode und durch die Förderung des Austausches empfehlenswerter Verfahren Antworten auf die dringendsten Probleme finden müssen.

 
  
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  Ivo Belet (PPE).(NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ein Sechstel der Bevölkerung der Europäischen Union ist von Armut bedroht: insbesondere junge Menschen im Alter bis 17 Jahre, aber auch viele ältere Menschen sind gefährdet. Die Armut nimmt zu, auch bei Europäerinnen und Europäern, die Arbeit haben. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass wir auch auf europäischer Ebene tätig werden müssen, meine Damen und Herren.

Wirtschaftswachstum, bessere Bildung, Weiterbildung, mehr Arbeitsplätze: Wir sind natürlich vollkommen dafür, aber es ist klar, dass das nicht reicht, und dass wir eine konkrete Politik zur Bekämpfung der Armut benötigen. Wie hier bereits erklärt worden ist, handelt es sich dabei tatsächlich um eines der Flaggschiffe, eine der Prioritäten unserer neuen Strategie EU 2020. Worum geht es dabei genau? Es geht um ein Leben in Würde – das Recht auf ein Leben in Würde – und um Nahrung, Unterkunft und Kleidung: Grundlegendes, das offensichtlich in unserer wohlhabenden Europäischen Union im Jahr 2010 nicht gewährleistet ist.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, darum bin ich der Überzeugung, dass es auch auf europäischer Ebene Handlungsbedarf gibt, um dieses Mindesteinkommen zu gewährleisten. Wie Frau Bastos bereits erklärt hat, handelt es sich dabei nicht um ein Instrument, das in der ganzen Europäischen Union auf gleiche Weise entwickelt werden muss. Die Mitgliedstaaten müssen genügend Spielraum haben, um sich für ihre eigene Lösung zu entscheiden. Dennoch müssen wir den Druck erhöhen, um zu verhindern, dass die gefährdeten Menschen außen vor bleiben.

Darum fordern wir ausdrücklich die Einführung eines garantierten Mindesteinkommenssystems in allen Ländern der Europäischen Union. Dies wäre ein wichtiges Signal der Hoffnung an die gefährdetsten Menschen in Europa, an diejenigen, die derzeit von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind.

 
  
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  Milan Zver (PPE).(SL) Es freut mich, dass wir das Thema der Armut und der sozialen Ausgrenzung auch auf Ebene der europäischen Institutionen zur Sprache bringen. Dies ist sehr wichtig.

Die zur Annahme stehende Entschließung geht genau in diese Richtung. Sie beschreibt die Situation sehr gut, aber es gelingt ihr nicht so gut, eine Lösung zu finden.

Das Mindesteinkommen kann ein Teil dieser Lösung sein und ist in der einen oder anderen Form bereits Bestandteil der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten. In diesem Bereich ist mir jedoch auch der Vorschlag für ein universelles Grundeinkommen oder ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle begegnet.

So etwas wäre jedoch auch aus Sicht der Sozialansprüche fragwürdig. Es ist keine gute Idee, dass jeder ein Grundeinkommen für ein normales Leben erhält, da wir dann weniger Geld für diejenigen hätten, die wirklich Sozialhilfeleistungen benötigen.

Ich hoffe, dass in dieser Plenarsitzung …

(Die Präsidentin unterbricht den Redner)

 
  
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  Vasilica Viorica Dăncilă (S&D).(RO) Die in der Strategie von Lissabon festgelegten Ziele – die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Beseitigung der Armut bis 2010 – sind nicht erreicht worden. Darum muss Europa seine Bemühungen zu ihrer Erreichung fortsetzen.

Ich bin der Überzeugung, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf Programme für lebenslanges Lernen richten müssen. Sie bieten die Mittel zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung und helfen dabei, die Beschäftigungs- und Integrationsfähigkeit in den Arbeitsmarkt zu festigen.

Andererseits denke ich, dass die europäische Exekutive die Bereiche analysieren sollte, in denen es einen wachsenden Mangel an qualifizierten Mitarbeitern geht, um in Zukunft Maßnahmen fördern zu können, um dieses Defizit auszugleichen.

Eine denkbare Möglichkeit wäre es auch, das Erasmus-Programm, das derzeit für Studenten gedacht ist, auch auf weitere sozioprofessionelle Gruppen wie junge Menschen ohne Hochschulqualifikation oder Arbeitslose in Umschulungsprogrammen, auszudehnen.

 
  
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  Antonyia Parvanova (ALDE).(BG) Angesichts des Grundsatzes der Solidarität der Europäischen Union und vor dem Hintergrund des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung fordere ich die Einführung eines garantierten angemessenen Mindesteinkommens in allen Mitgliedstaaten der EU zur Unterstützung von Menschen mit unzureichendem Einkommen, um deren wirtschaftliche und soziale Integration zu festigen und ihnen ein anständiges Leben zu bieten.

Ein bedeutender, effektiver Fortschritt bei der Bekämpfung der Armut wird uns nur gelingen, wenn wir konkrete Maßnahmen ergreifen, die das Ziel der Einführung von Mindesteinkommenssystemen verfolgen. Dies wird uns die Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger ermöglichen, und dazu gehört auch die soziale Sicherheit und gleichberechtigter Zugang zu staatlichen Sozialdienstleistungen wie Sozialhilfe, Gesundheitsfürsorge und Bildung.

Schließlich möchte ich betonen, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger, insbesondere Frauen und Risikogruppen sowie ethnische Minderheiten, nur durch ein umfassendes Sortiment von konkreten politischen Lösungen vor sozialer Ausgrenzung schützen können, das die Bereitstellung von Ressourcen für soziale Intervention und Sozialschutz gewährleistet.

 
  
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  Elisabeth Schroedter (Verts/ALE). - Frau Präsidentin! Ich möchte noch einmal an die Kommission appellieren, dass sie, wenn sie eine Armutsplattform gründet, es nicht nur bei leeren Worten belässt, sondern die Initiativen des Parlaments aufgreift. Zum einen gibt es eine Initiative, die vorsieht, dass geprüft wird, ob es eine Rahmenrichtlinie für ein Mindesteinkommen geben soll, damit jeder in dieser Europäischen Union würdig leben kann. Und zum Zweiten gibt es eine Initiative, um in Vorbereitung der Strukturfonds weiterzugehen als das BIP und den Gini-Koeffizienten als Maß für unterschiedliches Einkommen bei der Prüfung – bei Benachteiligung – hinzuzufügen. Das sind Sachen, die Sie jetzt entscheiden müssen, damit wir überhaupt eine Chance haben, das einzuführen, und deshalb bitte ich den Herrn Kommissar, dass er diese beiden Punkte aus dem Plenum heraus auf die Tagesordnung der Kommission setzt und dafür sorgt, dass die Kommission dazu eine Antwort für das Europäische Parlament hat.

 
  
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  Elie Hoarau (GUE/NGL).(FR) Frau Präsidentin, seit zu vielen Jahren begehen wir nun schon den Internationalen Tag für die Bekämpfung der Armut ohne allzu viele konkrete Ergebnisse und wir laufen Gefahr, dass wir ihn auch noch jahrzehntelang begehen werden, wenn weiterhin die gleichen Strategien angewendet werden. Unter diesem Gesichtspunkt können Europa und die westliche Welt im Allgemeinen nicht einfach wegschauen.

Die Bekämpfung der Armut beinhaltet den Kampf für eine gerechte Verteilung des Wohlstands sowohl in den Mitgliedstaaten als auch auf internationaler Ebene. Es geht auch um den Umweltschutz und die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichheit aller Menschen. Wenn auf unsere heutige Aussprache keine konkreten Maßnahmen auf der Grundlage dessen, was wir hier heute gehört haben, folgen, befürchte ich, dass unsere Erklärungen auf taube Ohren stoßen werden und lediglich gute Absichten ohne wirkliche Auswirkung auf das Elend und die Armut in der Welt und Europa sind.

 
  
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  Angelika Werthmann (NI). - Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Armut und soziale Ausgrenzung verletzen die Menschenwürde, also auch grundlegende Menschenrechte. Am stärksten gefährdet sind Alleinerziehende, Kinder und ältere Menschen. Frauen bilden dabei einen erheblichen Teil der von Armut bedrohten Bevölkerung, einerseits aufgrund der nach wie vor allseits durchaus üblichen Diskriminierung bei Löhnen und Pensionen, andererseits wegen der sehr gängigen prekären Arbeitsverhältnisse.

Es gilt, Maßnahmen zu setzen, die Investitionen in den Arbeitsmarkt fördern, z. B. Arbeitsplätze zu schaffen, um gemeinschaftliche Programme wie lebenslanges Lernen zu fördern. Mindestsicherung ja, aber mit massiven Kontrollen und Auflagen, um jeglichen möglichen Missbrauch schon im Ansatz zu verhindern. Mindesteinkommen ja, aber mit der Maßgabe, dass dies keinesfalls zu einer neuen indirekten oder umgekehrten Diskriminierung führt.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE). (SK) Fast 85 Millionen Menschen in der Europäischen Union sind von Armut bedroht und 17 % der 500 Millionen Einwohner der EU lebten 2008 unterhalb der Armutsgrenze.

Da Armut und soziale Ausgrenzung Probleme mit vielen Facetten sind, müssen wir ihre Bekämpfung systematisch auch in andere Strategien einbinden, damit alle europäischen Bürgerinnen und Bürger ein anständiges Leben führen können. Die Bekämpfung der Armut bedarf nicht nur einer aktiven Unterstützung der Tarifsysteme und des sozialen Schutzes, sondern auch der Schaffung anständiger und fester Arbeitsplätze für benachteiligte Beschäftigungsgruppen. Ich möchte betonen, dass Beschäftigung generell als die wirksamste Form des Schutzes vor Armut angesehen werden sollte, und daher sollte die Schaffung von Arbeitsplätzen für die EU und die Mitgliedstaaten klar im Vordergrund stehen. Der Integration von jungen und auch älteren Menschen in das Arbeitsleben muss besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden.

 
  
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  Proinsias De Rossa (S&D). – Frau Präsidentin, am vergangenen Sonntag habe ich mich in Irland mit einer Gruppe junger Menschen getroffen, die von Armut betroffen sind und um ihr Überleben kämpfen müssen. Sie fragten mich, auf wessen Seite ich als Abgeordneter dieses Parlaments stehe. Auf ihrer Seite oder auf Seite der Banker? Diese unverblümte Frage haben sie mir gestellt. Sie gaben mir eine Reihe von Aussagen mit auf den Weg und baten mich, diese dem Parlament zu übermitteln. Sie wiesen darauf hin, dass sie nicht länger wählen gehen würden, da sie keine Aussicht auf Änderung sähen, wenn sie weiterhin wählen gingen. Sie erklärten, dass sie genug davon hätten, wie Luft behandelt zu werden, und dass sie das Gefühl hätten, für die Gesellschaft nicht von Wert zu sein.

Ich glaube, dass wir das, was diese jungen Menschen denken, berücksichtigen müssen. Sie sind unsere Zukunft. Ich sehe keinen Beweis dafür, dass die Kommission tatsächlich gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten, die dazu angehalten werden, die Haushalte zu konsolidieren, die Tatsache berücksichtigen, dass wir diese Menschen – die schon sehr viel leiden – nicht noch in tieferes Leid stürzen dürfen und die Menschen, die jetzt von Armut bedroht sind, ganz in die Armut treiben. Es ist äußerst wichtig, dass wir …

(Die Präsidentin unterbricht den Redner)

 
  
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  Ilda Figueiredo, Berichterstatterin.(PT) Frau Präsidentin, ich möchte allen meinen Kolleginnen und Kollegen und auch der Kommission, dem Rat und dem belgischen Ratsvorsitz für das, was sie hier geäußert haben, danken, aber ich möchte auch auf drei Punkte eingehen, die mehrere Abgeordnete ebenfalls angesprochen haben.

Zunächst einmal sind gute Worte und gute Absichten nicht genug. Dieses Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung braucht eine praktische Dimension. Die Politik muss geändert werden. Die Menschen müssen an erster Stelle stehen. Es muss das Bewusstsein geben, dass es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, die den Wohlstand erzeugen, dass sie anständige Gehälter benötigen, und dass wir mehr Arbeitsplätze benötigen, um mehr Wohlstand zu schaffen. Mehr Arbeitsplätze, und zwar mit Rechten und gerechter Bezahlung. Wir brauchen jedoch auch eine andere Art der Verteilung des Wohlstands und der Einkommen, und in diesem Zusammenhang ist das Mindesteinkommen ein wichtiges Instrument in diesem Kampf, die Beibehaltung von Mindesteinkommen, die in jedem Land anders aussehen können, die jedoch ein gemeinsames Ziel teilen ...

(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin)

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, die Armut ist sowohl für den Einzelnen als auch für die ganze Gesellschaft eine Tragödie. Armut führt zu Gewalt, Kriminalität und Konflikten. Ich möchte dem Europäischen Parlament dafür danken, dass es die Bekämpfung der Armut so hoch oben auf seine Agenda gesetzt hat, und die heutige Aussprache beweist die europäische Entschlossenheit, dieses Problem anzugehen. Die Strategie Europa 2020, der Bericht von Frau Figueiredo, die Aktivitäten in den Mitgliedstaaten – all diese Schritte gehen in die richtige Richtung.

Ich möchte betonen, dass wir, solange es Armut auf der Welt gibt – 1,4 Milliarden Menschen leben von weniger als einem Dollar pro Tag – nicht erwarten können, dieses Problem in der Europäischen Union zu lösen. Das bedeutet, dass die Politik der Millenniums-Entwicklungsziele eine Politik ist, die auch uns betrifft.

Ich bin der Überzeugung, dass wir versuchen, die richtige Lösung zu finden, nämlich das integrative Wirtschaftswachstum – in unseren Partnerländern und auch in der Europäischen Union. Ich weiß, dass integratives Wirtschaftswachstum ziemlich simpel klingt, aber genau das ist es, was wir mit der Änderung unserer Entwicklungspolitik erreichen wollen. Die Strategie EU 2020 geht auch in diese Richtung.

 
  
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  Olivier Chastel, amtierender Ratspräsident.(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in meiner ersten Rede habe ich mich absichtlich auf den Aspekt der Entwicklung bei der Bekämpfung der Armut konzentriert. Ich möchte natürlich ein paar Worte im Hinblick auf die Europäische Union sagen. Der belgische Ratsvorsitz hat sich verpflichtet, Instrumente zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu entwickeln, vor allem durch Flaggschiffinitiativen im Rahmen der Strategie Europa 2020. Eines der Ziele der Strategie, die durch den Rat am 7. Juni 2010 angenommen wurde, ist die Förderung der sozialen Eingliederung, vor allem durch die Verringerung von Armut.

Dieses Ziel sieht vor, dass mindestens 20 Millionen Menschen bis 2020 nicht mehr mit dem Risiko von Armut und Ausgrenzung leben sollen, und zwar auf der Grundlage von drei Indikatoren, die der Ausschuss für sozialen Schutz festgelegt hat, diese lauten Gefährdung durch Armut, materielle Entbehrungen und das Leben in einem von Arbeitslosigkeit betroffenen Haushalt.

Zudem dient das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung dazu, die Öffentlichkeit auf dieses Problem aufmerksam zu machen und die Botschaft zu vermitteln, dass Armut und Ausgrenzung die soziale und wirtschaftliche Entwicklung unterwandern. Außerdem stellt es die Ansicht in Frage, dass die Bekämpfung der Armut für die Gesellschaft Kosten verursacht und bestätigt noch einmal, wie wichtig kollektive Verantwortung ist, nicht nur für die politischen Entscheidungsträger, sondern auch für die Verantwortlichen im öffentlichen und privaten Sektor.

Dem belgischen Ratsvorsitz war es ein großes Anliegen, sich an diesem Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut zu beteiligen. Ich möchte auf einige Vorhaben und Veranstaltungen eingehen, die organisiert worden sind. Im September wurde eine Konferenz zum Thema Kinderarmut organisiert. Der Zweck dieser Konferenz war es, der europäischen Debatte über die Annahme einer Empfehlung zum Thema Kinderarmut einen Rahmen zu geben, um den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen, der sich von Generation zu Generation wiederholt.

Um insbesondere auf das einzugehen, was Herr Daerden gesagt hat, ist heute ein Runder Tisch in Brüssel organisiert worden. Er wird sich mit der Umsetzung der Empfehlung in Bezug auf eine aktive Integration mit ihren drei Säulen befassen: das Mindesteinkommen, der integrative Arbeitsmarkt und der Zugang zu Qualitätsdienstleistungen.

Eine weitere Konferenz zum Thema Sozialwirtschaft soll am 27. und 28. Oktober stattfinden und eine zur Obdachlosigkeit wird am 9. und 10. Dezember organisiert. Schließlich wird am 17. Dezember am Rande des Europäischen Rates die offizielle Abschlusstagung des Jahres zur Bekämpfung der Armut stattfinden, auf der empfehlenswerte Verfahren und die Flaggschiffveranstaltungen des Jahres vorgestellt werden.

Auf diese Weise, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wird die Absicht des belgischen Ratsvorsitzes, soziale Fragen ganz oben auf die europäische Agenda zu setzen, in die Tat umgesetzt.

 
  
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  Anna Záborská (PPE).(FR) Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, auf der Besuchertribüne eine Delegation junger Menschen von der Internationalen Bewegung ATD Vierte Welt zu begrüßen. Ich gratuliere ihnen zu allem, was sie im Kampf gegen extreme Armut leisten, und ich danke ihnen dafür, dass sie heute zu dieser Plenartagung gekommen sind.

 
  
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  Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch, 20. Oktober, um 12.30 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Luís Paulo Alves (S&D), schriftlich.(PT) Armut ist ein sehr ernstes Problem, das 85 Millionen unserer europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürger betrifft, also sollte ihr niemand gleichgültig gegenüberstehen. Sie muss eine unserer ersten Prioritäten sein und sie verdient eine gemeinsame Reaktion, die sicherstellt, dass unsere europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich in einer kritischen sozialen Lage befinden, ein Mindestmaß an Würde aufrechterhalten können.

Dieses um sich greifende Problem betrifft unsere jungen Menschen, unsere älteren Menschen und auch immer mehr unsere Arbeitnehmer, von denen allein in den letzten beiden Jahren 6 Millionen ihre Arbeitsplätze verloren haben, oder deren Löhne, falls sie ihren Arbeitsplatz behalten konnten, niedrig und instabil sind.

Wir brauchen zweifellos einen systemischen Ansatz, der auf die Ursachen der Probleme abzielt und sie behebt und somit beginnende Probleme im Keim erstickt. Gleichzeitig können wir im Moment jedoch keine sofortigen und dringenden Lösungen für die Auswirkungen dieser Probleme anbieten. Angesichts dessen ist die Gewährleistung eines Mindesteinkommens für die Schwachen in unserer Gesellschaft sowie einer Notlösung für sie, die sie in die Lage versetzt, aus dieser Situation herauszukommen, nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Bedingung, die wir umsetzen müssen, und die dieser Bericht auch befürwortet.

 
  
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  Elena Oana Antonescu (PPE), schriftlich.(RO) 2009 hat Europa die volle Wucht der globalen Wirtschaftskrise zu spüren bekommen. Tatsächlich hätten die Auswirkungen dieser Phase nicht schlimmer für die Armut in der EU sein können, insbesondere für die 17 % der Europäer, die 2008 unter der Armutsgrenze lebten. Leider wird dieser Anteil wahrscheinlich noch zunehmen.

Erst jetzt, im Jahr 2010, sehen wir einen Hoffnungsschimmer, dass sich die allgemeine Wirtschaftslage verbessern könnte. Unsere stärksten Bemühungen müssen auf die Europäerinnen und Europäer abzielen, die von der Krise am stärksten betroffen sind, insbesondere da 2010 das Europäische Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ist.

Im Gedanken an das Ziel, die absolute Armut und die Kinderarmut bis 2015 abzuschaffen, sowie das Ziel, die relative Armut beträchtlich zu verringern, möchte auch ich die Notwendigkeit hervorheben, dass dringend auf Ebene der Europäische Union nationale Mindesteinkommensgrenzen eingeführt werden. Diese bieten einen Schutz gegen das Armutsrisiko und sorgen für eine soziale Eingliederung aller europäischen Bürgerinnen und Bürger.

 
  
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  Vilija Blinkevičiūtė (S&D), schriftlich.(LT) Leider gibt es bereits jetzt, wo wir den Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut und das Europäische Jahr der Bekämpfung von Armut begehen, mehr als 85 Millionen Menschen in der Europäischen Union, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Obwohl Arbeitslosigkeit der Hauptgrund für Armut ist, kämpfen viele Europäer, selbst jene, die Arbeit haben, täglich mit der Armut und haben keine Möglichkeit, ihr Leben zu genießen. Es ist absurd, dass das Einkommen, das arbeitende Menschen erhalten, nicht ausreicht, um ihren Familien ein würdiges Leben zu ermöglichen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Wirtschaftswachstum die Armut und soziale Ausgrenzung nicht verringert hat, und dass harte Zeiten die Armut noch verstärken, aber Mindesteinkommenssysteme ermöglichen es uns, die am stärksten gefährdeten Menschen zu verteidigen. Ein garantiertes Mindesteinkommen ist ein wichtiges und effektives Mittel zu Bekämpfung von Armut, das die soziale Eingliederung und den Zugang zum Arbeitsmarkt unterstützt und den Menschen die Möglichkeit gibt, in anständigen Verhältnissen zu leben. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass Mindesteinkommen selbst während der Krise nicht als ein kostensteigernder Faktor angesehen werden sollten, sondern als grundlegendes Hilfsmittel zur Bekämpfung der Krise, denn frühe Investitionen in die Bekämpfung der Armut bringen den größten Nutzen, da sie langfristig die Sozialausgaben verringern. Daher muss die Europäische Kommission, wenn sie die Verpflichtung der Strategie Europa 2020, die Bedrohung durch Armut und Ausschluss für mindestens 20 Millionen Menschen in der Europäischen Union zu beseitigen, erfüllen will, konkrete Maßnahmen ergreifen und eine europäische Gesetzgebung vorschlagen, die in ganz Europa Mindesteinkommen einführt, um die Armut zu bekämpfen.

 
  
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  Kinga Gál (PPE), schriftlich.(HU) In Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise, im „Europäischen Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ und drei Tage nach dem Welternährungstag ist es besonders wichtig, dass auch der Kinderarmut auf europäischer Ebene angemessene Aufmerksamkeit zuteilwird. Alle sechs Sekunden verhungert ein Kind auf der Welt. Es gibt mehrere Millionen unterernährte Kinder in Europa. Der Anteil der Kinder in der EU, die in Armut leben und häufig in mehrfacher Hinsicht benachteiligt sind, beträgt 19 %, das sind 3 % mehr als der Anteil bei der Gesamtbevölkerung. Die Notwendigkeit einer besonderen Aufmerksamkeit wird durch diese Zahlen bekräftigt, und auch die Strategien für Kinderrechte auf EU-Ebene müssen verstärkt auf dieses Thema eingehen. Die weltweite Wirtschaftskrise, die wir heute erleben, ist nicht nur eine Last für uns, sondern auch eine Chance. Eine Chance zum kreativen Denken, für einen neuen Ansatz im Geschäftsleben und eine Chance für einen Paradigmenwechsel in unserem Denken in Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, Bereiche, für die unsere Gesellschaften immer empfänglicher werden.

Soziale Solidarität und lokale Initiativen können zur Eindämmung der Kinderarmut und Mangelernährung beitragen. Im Zuge der Initiative „Genug Essen für alle Kinder!“, die vor Kurzem in Ungarn gestartet wurde, können täglich mehrere Tausend Kinder eine warme Mahlzeit erhalten. Gleichzeitig werden durch die Initiative des Franziskanermönchs Csaba Böjte in Transsylvanien fast 2000 Kinder in 18 Kinderheimen und 40 Tagesstätten ernährt und beaufsichtigt. Ich möchte mich der Meinung der internationalen Organisation Eurochild anschließen und auch hervorheben, dass die Bekämpfung der Kinderarmut nicht nur als wirtschaftliche Herausforderung, sondern auch als Thema der Kinderrechte behandelt werden sollte.

 
  
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  Pascale Gruny (PPE), schriftlich.(FR) Zuerst möchte ich sagen, dass die Aufnahme der Bekämpfung der Armut in die 2020-Strategie für mich einen beträchtlichen Fortschritt darstellt. Die Wirtschaftskrise hat das Problem der Armut in den letzten Jahren verstärkt. Die Europäische Union muss in der Lage sein, die Mitgliedstaaten dazu zu bringen, sich diesem Problem zu stellen.

Zweitens ist der Europäische Sozialfonds (ESF) ein entscheidendes europäisches Hilfsmittel zur Bekämpfung von Armut. Ich bin die Berichterstatterin für den Europäischen Sozialfonds und ich unterstütze seine Anwendung, um die Menschen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind, wieder in Arbeit zu bringen. Das ist die Aufgabe des ESF seit seiner Einrichtung mit dem Vertrag von Rom und er muss die Beschäftigung weiterhin als sein oberstes Ziel behalten.

Drittens bin ich gegen ein Mindesteinkommen ohne eine Gegenleistung, außer für Menschen, die nicht in der Lage sind, zu arbeiten. Die Beschäftigung ist ein Prüfstein für die Verringerung der Armut. Sie ist die einzige Möglichkeit, jedem seine Würde zurückzugeben.

Viertens haben die Regierungen der Mitgliedstaaten eine Verantwortung, die Armut aktiv zu bekämpfen. Europas Aufgabe ist es, ihnen dabei zu helfen und sie zu unterstützen, aber nicht, ihre Position einzunehmen. Europa kann nicht alle Leiden heilen. Vor allem müssen die Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden.

 
  
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  Zita Gurmai (S&D), schriftlich. – Wenn wir über Armut sprechen, vergessen wir oft diejenigen, die in ihren Beschäftigungsverhältnissen stark unterbezahlt sind. In dieser Hinsicht hat die Armut in Europa noch immer ein weibliches Gesicht. Die nachteilige Lage von Frauen ist strukturell bedingt. Sie arbeiten weniger, da Hausarbeit nicht als ordentliche Arbeit anerkannt wird. Wenn sie auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt sind, verdienen sie aufgrund von Diskriminierung und Geschlechtertrennung weniger. Ich möchte daran erinnern: Insgesamt beträgt der Geschlechterunterschied immer noch über 17 % in Europa (was bedeutet, dass Frauen für dasselbe Geld 17 % mehr arbeiten als Männer). Und am Ende erhalten Frauen aufgrund der beschriebenen Umstände natürlich auch eine niedrigere Rente. Ist das nicht zutiefst unfair?

Wir können diesen Teufelskreis durchbrechen, indem wir anerkennen, dass auch unbezahlte Arbeit Arbeit ist, indem wir Frauen dazu ermutigen, zu arbeiten und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, indem wir die strukturellen Ursachen der Geschlechtertrennung auf dem Arbeitsmarkt angreifen und indem wir den Problemen der Frauen bei der Reform unserer Rentensysteme Aufmerksamkeit schenken. Das ist heute vielleicht teurer, aber langfristig tragen weniger Ungleichheit und weniger Armut auch zur Sanierung unserer Haushalte bei. Der Kampf gegen die Armut der Frauen ist nützlich für uns alle – nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.

 
  
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  Jaromír Kohlíček (GUE/NGL), schriftlich. (CS) Ich begrüße die Eröffnung einer Diskussion über die Rolle eines Mindesteinkommens als Instrument im Kampf gegen die Armut. Es ist zweifellos so, dass diese Maßnahme im Europäischen Jahr zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung völlig angemessen ist. Die erste Frage, die ich stellen möchte, betrifft die Aussagekraft der offiziellen Daten zu Arbeitslosigkeit, dem Durchschnittseinkommen, dem Anteil der Menschen, die in Armut leben, und der Festlegung der Armutsgrenze. Das Durchschnittseinkommen ist eine Kennziffer, die auf unwahrscheinlichen, wenn nicht gar völlig falschen Zahlen beruht. Wenn man die Millionen, die verschiedenen Führungskräften ausgezahlt werden, und die Gehälter der Arbeitnehmer, die ein Mindesteinkommen bekommen, addiert, kann man die Zahl als sehr unzuverlässig ansehen. Bei dem Vergleich von Gehältern sollten Führungskräfte und leitende Angestellte extra betrachtet werden. Außerdem hat die Beziehung zwischen den Einkommen der Bürgerinnen und Bürger – das zum Beispiel durch das BIP pro Kopf gemessen wird – eine sehr schwache Beziehung zu dem Mindesteinkommen. In Portugal und der Tschechischen Republik ist das Einkommen der Bürgerinnen und Bürger, gemessen durch das BIP, ungefähr dasselbe. Das Mindesteinkommen unterscheidet sich jedoch um fast 50 %. Die „Armutsgrenze“ und die „Armutsrisikoquote“ sind meinem schwachen Verständnis nach einfach unbegreiflich. Wenn ich lese, dass in Schweden die Armutsrisikoquote der Bevölkerung 12 % beträgt, in der Tschechischen Republik 9 %, aber in Luxemburg 13 %, dann kann ich mich nur wundern. Trotz dieser Mängel ist der Bericht sicherlich informativ.

 
  
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  Ádám Kósa (PPE), schriftlich.(HU) Hinsichtlich der strittigen Fragen, die wir bezüglich des Mindesteinkommens gehört haben, finde ich es wichtig zu betonen, dass wir nicht nur über das Heute und das Morgen entscheiden müssen, sondern auch über das Übermorgen. Untätigkeit ist viel schädlicher als viele von uns denken oder wissen. Das ist es jedoch, was viele Menschen, die mit Behinderungen leben, Tag für Tag erleben. Sie brauchen keine Erhöhungen des Einkommensniveaus im einstelligen Prozentbereich, wenn sie arbeitslos sind. Es ist die Beschäftigung, die um jeden Preis verstärkt und gefördert werden muss. Außerdem sollte die Gerontologie- und Lebensstilforschung unterstützt werden. Moderne, innovative Investitionen, die das tägliche Leben verbessern und eine Anpassung und Zugang fördern, müssen vereinfacht werden. Wir sollten nicht die Abhängigkeit legalisieren und stärken und dadurch die Massen der Abhängigen und bedürftigen Bürgerinnen und Bürger vergrößern. Auch das ist ein sich selbst erhaltendes Stigma, das unhaltbar ist.

Die Ressourcen, die für die soziale Versorgung erforderlich sind, sind aus den schwindenden öffentlichen Quellen (Steuern) immer schwieriger zu erhalten. Die Menschen, deren Lage sich immer weiter verschlechtert, sind die wirklich Bedürftigen, diejenigen, die arbeitsunfähig sind und mit schweren Behinderungen leben: Wir finden immer mehr Beispiele für einen weit verbreiteten Missbrauch zum Beispiel im Bereich der Behindertenrenten, was den Standard der Versorgung senkt. Zurück zum Thema Altern: Die Abhängigkeitsrate nimmt ständig zu und das bedeutet, dass der Wert der bestehenden sozialen Vorsorge auch abnehmen wird, da nicht genügend Bürgerinnen und Bürger arbeiten, um ein angemessenes Niveau der Sozialleistungen und ein Mindesteinkommen zu gewährleisten. Die Anzahl der arbeitenden europäischen Bürgerinnen und Bürger wird schon im nächsten Jahrzehnt um mehrere Millionen sinken. Damit lässt sich eine Verschlechterung des Lebens der wirklich Bedürftigen vorhersehen, was nicht toleriert werden kann.

 
  
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  Elżbieta Katarzyna Łukacijewska (PPE), schriftlich.(PL) Meine Damen und Herren, laut den Statistiken betrifft das Problem der Armut 16 % der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union. Zu den Hauptursachen für den Anstieg der Zahl der armen Menschen in den Mitgliedstaaten der EU gehören eine mangelhafte Ausbildung und die mangelnde Anpassung von Fähigkeiten an die Anforderungen des Arbeitsmarktes. Armut ist auch mit einer gewaltigen psychischen Last, mit Angst, Stress und der Unfähigkeit verbunden, angemessene Entscheidungen zu treffen. Diese Faktoren bedeuten, dass Menschen, die von Armut betroffen sind, sehr oft noch mit einem anderen Problem kämpfen müssen – sozialer Ausgrenzung.

Kinder aus armen Familien haben nicht die Möglichkeiten, die Kinder aus besser gestellten Familien haben. Junge Menschen, die in einem solchen Umfeld aufwachsen, haben weder die Möglichkeiten noch die richtigen Vorbilder, durch die es ihnen ermöglicht werden könnte, in der Zukunft aus diesem geschlossenen Kreis der Armut zu entkommen. Das Jahr 2010 wurde zum Europäischen Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung erklärt. Daher haben wir eine einmalige Gelegenheit, die gesamte internationale Gemeinschaft auf die Probleme der Armen und sozial Ausgegrenzten aufmerksam zu machen und konkrete Lösungen vorzuschlagen.

 
  
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  Katarína Neveďalová (S&D), schriftlich. (SK) In der Europäischen Union wurde dieses Jahr der Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung gewidmet. Wir wollen jedoch fragen, was die EU tatsächlich tut, um die Armut zu bekämpfen. Gegenwärtig leben in der EU 80 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze, das sind 17 % der EU-Bevölkerung. Die am stärksten Gefährdeten in dieser Gruppe sind seit Langem nicht nur ältere Bürgerinnen und Bürger, sondern vor allem auch junge Menschen. Die allgemeine Arbeitslosigkeit beträgt in der EU durchschnittlich 10 %, aber bei jungen Menschen ist diese Zahl doppelt so hoch, nämlich 21 %, und in einigen Ländern wie zum Beispiel Spanien beträgt sie 40 %. Die Armut bedroht also vor allem junge Menschen. Für die zukünftige Entwicklung der EU ist es daher wichtig, dass nicht nur ein Mindesteinkommen sichergestellt wird, sondern auch Arbeitsmöglichkeiten insbesondere für junge Menschen. Es ist sehr schwierig für Menschen, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben, eine Stelle zu finden. Wir reden über lebenslanges Lernen, aber auch das hat ein direktes Ziel: jemanden für einen Beruf auszubilden. Daher wende ich mich an die Vertreter der EU. Ergreifen Sie Maßnahmen, um die Bedingungen für junge Menschen zu verbessern, und lassen Sie uns auf diese Weise eine gesunde Gesellschaft in der Zukunft schaffen. Junge Menschen sind die Zukunft der Europäischen Union und der ganzen Welt.

 
  
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  Wojciech Michał Olejniczak (S&D), schriftlich. (PL) Armut und soziale Ausgrenzung verstoßen gegen die Menschenwürde und grundlegende Menschenrechte. Das wichtigste Ziel von Programmen zur Einkommensstützung sollte darin bestehen, Menschen aus der Armut zu befreien und es ihnen zu ermöglichen, ein Leben in Würde zu führen. Die jüngsten Statistiken sind beängstigend. Es gibt 1,4 Milliarden Menschen auf der Welt und ungefähr 85 Millionen in der Europäischen Union, die gegenwärtig in Armut leben. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten sollten weitere Maßnahmen ergreifen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und die Qualität der Arbeitsplätze und die Gehaltsniveaus zu verbessern und gleichzeitig faire Renten, Unterstützungsleistungen und Familienbeihilfen zu garantieren. Es ist entscheidend, dass ein allgemeiner Zugang zu hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen gewährleistet wird. Einer der Vorschläge des Europäischen Parlaments betrifft die Schaffung eines Mindesteinkommensniveaus von mindestens 60 % des Medianeinkommens des jeweiligen Mitgliedstaats In Polen beträgt das Mindesteinkommensniveau gegenwärtig ungefähr 42 % des Durchschnittseinkommens. Eine Erhöhung des Mindestgehalts würde dazu beitragen, Erwachsene und ältere Menschen aus der Armut zu befreien und ihnen das Recht auf ein würdevolles Leben zu geben und gleichzeitig allen Kindern die Möglichkeit zu geben, sich weiterzuentwickeln und eine Ausbildung zu erhalten. In Bezug auf die Frage der Ausbildung ist es besonders wichtig, dass effektive Maßnahmen ergriffen werden, zuallererst um die Faktoren, die dazu beitragen, dass Kinder vorzeitig die Ausbildung abbrechen, zu bekämpfen und auch um das Niveau der beruflichen Bildung zu verbessern. Ich denke, dass wir eine Grundlage für die Umsetzung konkreter Maßnahmen und politischer Strategien zur Förderung des Zugangs junger Menschen zu Bildung schaffen müssen, zum Beispiel durch Stipendien, Studentendarlehen und Zuschüsse.

 
  
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  Rovana Plumb (S&D), schriftlich.(RO) Das Ziel der Strategie Europa 2020, die Anzahl der Europäer, die unterhalb der Armutsgrenze leben, um 25 % zu verringern, was mehr als 20 Millionen Menschen sind, muss zur Entwicklung von nationalen Strategien beitragen, die die Bürgerinnen und Bürger vor dem Risiko von Armut schützen.

Frauen stellen einen großen Teil der von Armut gefährdeten Bevölkerung dar, aufgrund von Arbeitslosigkeit (die Arbeitslosenquote ist von 7,4 % im Jahr 2008 auf 9 % in 2009 gestiegen), allein zu bewältigenden Fürsorgepflichten, prekären, gering bezahlten Stellen, Gehaltsdiskriminierung und geringeren Renten. In Rumänien leben 25 % der Frauen in Armut (verglichen mit dem europäischen Durchschnitt von 17 %), ebenso wie 33 % der Kinder. Rumänien hat mit 23 % der Bevölkerung in der Europäischen Union den zweithöchsten Anteil an Menschen, die in Armut leben. Das Mindestgehalt beträgt knapp 140 EUR und das Durchschnittsgehalt ist nicht höher als 460 EUR.

Ich rufe die Mitgliedstaaten auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, anständige, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und ein angemessenes Einkommen und Systeme für sozialen Schutz zur Vermeidung und Verringerung von Armut, insbesondere größter Armut, zu unterstützen und außerdem mittel- und langfristige Strategien auszuarbeiten, die den Geschlechteraspekt berücksichtigen und in allen relevanten Politikbereichen integriert werden.

 
  
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  Joanna Senyszyn (S&D), schriftlich.(PL) In der Europäischen Union ist das Jahr 2010 das Europäische Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Jeder sechste Europäer oder 17 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. In Polen sind das ungefähr 6,5 Millionen Menschen. Armut kann jeden treffen. Es reicht schon, den Arbeitsplatz zu verlieren oder schwer krank zu werden. Zu den Armen gehören auch immer mehr Menschen, die eigentlich eine Arbeit haben. Armut betrifft am häufigsten Kinder und ältere Menschen, junge Büroangestellte, Absolventen, Familien mit vielen Kindern und Menschen, die Kredite zurückzahlen.

Es ist die Aufgabe des Parlaments, den Ursachen der Armut entgegenzutreten und sie wirksam zu bekämpfen. Unser Ziel ist es, die Anzahl der Armen bis 2020 um 20 Millionen zu verringern. Höchste Priorität in den nationalen Strategien zur Bekämpfung der Armut sollte die Gewährleistung einer ausreichenden materiellen Unterstützung für die Armen haben, womit ein leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt geboten wird sowie Bildungsmöglichkeiten geschaffen und auch hochwertige öffentliche Dienstleistungen für alle gewährleistet werden.

Ebenso wichtig sind soziale und ethische Fragen. Armut ist auch eine Geistesverfassung, die mit einem Verlust der Würde und Erniedrigung verbunden ist. Tatsächlich ist die Änderung dieser Ansicht einer der schwierigsten Aspekte bei der Bekämpfung der Armut. Wir brauchen hier wirksame psychologische Betreuung und schnell gewährte Hilfe. Die nationalen Strategien sollten mit den vom Europäischen Sozialfonds unterstützten Initiativen und Projekten des PROGRESS-Programms der EU übereinstimmen. Möge das Jahr 2010 eine Gelegenheit für einen sozialen Dialog sein, um die Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta durch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu erreichen.

 
  
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  Kathleen Van Brempt (S&D), schriftlich.(NL) Wenige Tage nach dem Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut und gute zwei Monate vor dem Ende des Europäischen Jahrs der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung hat das Europäische Parlament die Gelegenheit, seine Stimme laut und deutlich zu erheben. Es gibt eine Entscheidung, die wir hier treffen müssen: Soll 2010 das Jahr der schönen Worte und leeren Versprechungen zur Verringerung der Armut sein oder ergreifen wir konkrete Maßnahmen, die Millionen Europäern helfen? Das Parlament kann sich für letzteres entscheiden, indem es von der Kommission verlangt, einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie zu erstellen, in dem das Prinzip eines angemessenen Mindesteinkommens in Europa niedergeschrieben ist. Schließlich gibt es derzeit erhebliche Unterschiede innerhalb der EU, wobei es in einigen Ländern überhaupt kein Mindesteinkommen gibt. Selbst in den Ländern, in denen es besser läuft, wie Belgien, liegen die Eingliederungseinkommen jedoch oft immer noch unterhalb der Armutsgrenze. Ich glaube, dass jeder gleiche Chancen verdient. Immer wenn Menschen unter die Armutsgrenze gedrückt werden, werden sie dieser Chancen beraubt, und dies zeigt sich auf verschiedenen Ebenen (wie der Gesundheit, den Wohnverhältnissen und den Arbeitschancen). Außerdem können wir es uns einfach nicht leisten, Menschen zurückzulassen, wenn wir wirklich die Ziele von EU 2020 erreichen wollen.

 
  
  

VORSITZ: Jerzy BUZEK
Präsident

 
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