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Verfahren : 2010/2932(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0549/2010

Aussprachen :

PV 21/10/2010 - 11.3
CRE 21/10/2010 - 11.3

Abstimmungen :

PV 21/10/2010 - 12.3
CRE 21/10/2010 - 12.3

Angenommene Texte :

P7_TA(2010)0390

Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 21. Oktober 2010 - Straßburg Ausgabe im ABl.

11.3. Nordkaukasus, insbesondere der Fall von Oleg Orlov
Video der Beiträge
Protokoll
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sechs Entschließungsanträge zum Nordkaukasus, insbesondere den Fall von Oleg Orlov(1).

 
  
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  Heidi Hautala, Verfasserin. Herr Präsident! Ich möchte sagen, dass diese Entschließung zur Lage im Nordkaukasus und insbesondere zum Fall von Oleg Orlov zu den verdienstvollsten Entschließungen gehört, die dieses Parlament seit langem angenommen hat.

Die Tragödie, die den Nordkaukasus beherrscht, hat in den vergangenen Jahren mit weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen, die das tägliche Leben der Gemeinden in Tschetschenien, Ossetien, Dagestan, Nord-Ossetien und der Kabardino-Balkarischen Republikbeherrschen, nur zugenommen.

Die Gewalt ist bei weitem nicht vorüber. Erst am vergangenen Dienstag wurden mindestens sechs Menschen bei einem Anschlag auf das tschetschenische Parlamentsgebäude in Grosny getötet. Mindestens 17 Menschen wurden verletzt, die meisten davon sind Zivilisten. Am 9. September wurden 17 Menschen bei einem Bombenanschlag in Wladikawkas, der Hauptstadt von Nord-Ossetien, getötet und viele weitere verletzt.

Die vergangenen Tragödien wurden auch nicht aufgeklärt. Die Familien der Opfer in Beslan wissen noch immer nicht, was genau ihren Kindern und Lieben geschehen ist, wie sie gestorben sind oder wo sich ihre Leichname befinden.

Der Teufelskreis der Gewalt und Straflosigkeit hat diese Gemeinden nicht nur bestürzt und gelähmt, das Versagen bei der Bewältigung dieser Situation hat auch dazu geführt, dass sich die Gewalt über die Grenzen der Republiken des Nordkaukasus hinaus verbreitet.

Während Moskowiter das Trauma des Terror erlebt haben, fürchten tschetschenische Flüchtlinge in Europa Verfolgung und sogar Ermordung. Menschen verschwinden sogar in der Hauptstadt Moskau oder in Sankt Petersburg, so auch im vergangenen Jahr.

Es kommt also der Punkt, an dem dies enden muss. Gegen den Gewinner des Sacharow-Preises 2009, Herrn Orlov, wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Dies könnte der Punkt sein, an dem Europa schließlich sagt: „Es reicht!"

Die EU sollte nun danach streben mit dem Europarat an dem hervorragenden, von Dick Marty angefertigten Bericht über Rechtsbehelfen im Falle von Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus zusammenzuarbeiten.

 
  
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  Marietje Schaake, Verfasserin. Herr Präsident! Heute hat Präsident Buzek den Gewinner des diesjährigen Sacharow-Preises bekannt gegeben. Dieser Preis verkörpert Gedankenfreiheit, eine wesentliche europäische Freiheit und ein Recht, für das wir im Namen unserer Bürgerinnen und Bürger in der ganzen Welt stehen.

In Reaktion auf die Verleihung des Friedensnobelpreises hat Präsident Buzek China unmissverständlich aufgefordert, Liu Xiao Bo freizulassen und gesagt: „Freiheit ist keine Bedrohung, aber es kann viele Bedrohungen für die Freiheit geben". Dies gilt auch für Menschen, die Menschenrechte im Nordkaukasus verteidigen.

Im vergangenen Jahr konnten die Gewinner des Sacharow-Preises Oleg Orlov, Sergei Kovalev und Lyudmila Alexeyeva von Memorial ihren Preis nicht persönlich in Empfang nehmen, da ihre Freiheit bedroht ist. Die EU investiert enorm in die Beziehungen zwischen der EU und Russland, und der Europarat sowie die OSZE haben sich uns angeschlossen.

Russland hat sich so dem Schutz und der Förderung von Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, aber wir sind noch weit von dieser Situation entfernt. Die Einschüchterung von Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft herrscht vor, Menschenrechtsaktivisten verschwinden systematisch, und es gibt keine freie Meinungsäußerung, auch nicht im Internet. Der Mangel an Rechtsstaatlichkeit hat zu 20 000 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Fällen aus der russischen Föderation geführt.

Russland hat das Recht, Terrorismus im Nordkaukasus zu bekämpfen, wenn die Rechtsstaatlichkeit jedoch nicht hochgehalten wird, hat dies kontraproduktive Folgen für die Stabilität. Es gibt für Russland wirklich keine Entschuldigung, seine eigene Verpflichtung für Menschenrechte nicht zu erfüllen.

Wir freuen uns darauf und wir werden uns darum kümmern, dass die Vertreter von Memorial die Freiheit haben, in dieses Parlament zu kommen und so die Freiheiten und Rechte zu symbolisieren, die alle Bürgerinnen und Bürger im Nordkaukasus genießen.

 
  
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  Mitro Repo, Verfasser. (FI) Herr Präsident! Ich mache mir große Sorgen über das zunehmende Klima der Angst, das Menschenrechtsaktivisten in Russland umgibt. Wir schulden Oleg Orlov, an den wir im vergangenen Jahr den Sacharow-Preis verliehen haben, Unterstützung. Sein einziges Verbrechen besteht darin, über Menschenrechte in Russland gesprochen zu haben.

Grundrechte werden auch in der EU verletzt, aber was in Russland geschehen ist, ist etwas ganz anderes. Wir müssen gegen jede Art des Terrorismus und des radikalen Extremismus kämpfen, indem wir alle legalen, uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, uns aber auch auf die von der Zivilgesellschaft angebotenen Mittel berufen. Unterdrückung ist im Nordkaukasus nicht mehr nötig: Stattdessen muss es Dialog geben. Es darf kein Verbrechen mehr geben, sondern mehr Respekt für das Gesetz und die Menschenrechte.

Gerechtigkeit wird stets objektiv und subjektiv vorgenommen. Im Nordkaukasus bedeutet dies, dass Kriminelle verurteilt und die Bedürfnisse der Opfer von Verbrechen berücksichtigt werden sollten. Die Annahme dieser Erklärung zeigt klar und konsequent die Unterstützung für Orlov sowie für all die anderen, die im Namen der Menschenrechte kämpfen. Wir müssen diesen Fall im Kopf behalten, wenn wir neue Beziehungen zwischen der EU und Russland diskutieren. Russland muss die Menschenrechte achten, um eine wirkliche Rolle in Europa spielen zu können, und die europäische Gesinnung akzeptieren: Europa steht auf der Seite der Menschen und ist nicht gegen sie.

 
  
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  Ryszard Czarnecki, Verfasser. – (PL) Zu kommunistischen Zeiten, als die Solidarnosc-Bewegung in Polen für Menschenrechte und Demokratie kämpfte, wurde ein weit verbreiteter Slogan verwendet, der besagte: „Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität!“ Heute kann im Zusammenhang mit den Geschehnissen im Nordkaukasus - obwohl nicht nur dort, sondern auch in vielen anderen Teilen Russlands - gesagt werden, dass es ohne Rechtsstaatlichkeit keine Stabilisierung gibt.

Es ist sehr wichtig, über diese beiden Phänomene gemeinsam zu sprechen. Wir können nicht über wirtschaftliche und politische Beziehungen mit Russland sprechen und gleichzeitig die Menschenrechte dort ignorieren. Tatsächlich ist es ein System miteinander verbundener Gefäße, es sind nicht zwei getrennte Dinge. Elementare Ehrlichkeit verlangt, dass wir nicht nur von der Verbesserung der Beziehungen mit Russland - diesem großartigen Land - sprechen, sondern dass wir auch von Moskau verlangen, dass es Menschenrechte achtet, einschließlich in dem Fall von jemandem, der mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet wurde. Dies ist ein einzigartiger Schlag ins Gesicht des Europäischen Parlaments und der Europäischen Union.

 
  
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  Marie-Christine Vergiat, Verfasserin.(FR) Herr Präsident! Ich möchte diese Rede nutzen, um darum zu bitten, dass wir gemeinsam über den Zweck des Sacharow-Preises nachdenken.

Zu Anfang möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen und insbesondere Frau Hautala dafür danken, dass sie auf meine Bitte hinsichtlich der Lage von Herrn Orlov reagiert haben. In der Tat gehört Herr Orlov zu den drei Personen, die Memorial, den Verband, dem im vergangenen Jahr der Sacharow-Preis verliehen wurde, leiten.

Mit der Übergabe dieses Preises haben wir das Engagement jener honoriert, die es noch immer wagen, die Lage in Tschetschenien zu verurteilen. Sie war symbolisch, weil sie wenige Monate nach dem Mord an Nalia Estemirova stattfand, einem Mord, den Herr Orlov entschieden verurteilt. Wir wussten, dass der tschetschenische Präsident Herrn Orlov aus Hass verklagte, dass er gegen ihn Strafantrag gestellt hatte. Im Januar 2010 wurden Herr Orlov und Memorial für schuldig befunden und wir haben nichts gesagt. Am 6. Juli wurde Herr Orlov erneut angeklagt, und ihm droht nun eine dreijährige Haftstrafe.

Wenn wir den Sacharow-Preis vergeben, wollen wir den Bekanntheitsgrad der Arbeit von Frauen und Männern anheben, die für Demokratie und Menschenrechte kämpfen, und indem wir sie mit dem Preis auszeichnen, stellen wir sie unter unseren Schutz.

Was haben wir jedoch für Herrn Orlov und all jene, die Menschenrechte in Russland und Tschetschenien verteidigen, getan? Wie haben wir den Dialog der EU weiterentwickelt, um dafür zu sorgen, dass Menschenrechte im Nordkaukasus endlich geachtet werden? Können wir ohne ein Wort die Tatsache tolerieren, dass über ein Jahr nach Frau Estemirovas Mord keine gerichtlichen Schritte eingeleitet wurden? Können wir tolerieren, dass Menschenrechtsaktivisten entführt und misshandelt werden und dass sie ohne eine Reaktion seitens der Gerichtshöfe verschwinden?

Ich möchte fast sagen, welchem Zweck dienen wir, wenn wir Sitzungsperiode für Sitzungsperiode eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen anprangern, ohne dass dies die Kommission davon abhält, ihre angeblich konstruktiven Dialoge fortzusetzen und uns zu sagen, dass Fortschritte erzielt wurden, nur nicht im Bereich der Menschenrechte und der Gerechtigkeit? Wann werden wir aufhören, auf diese angeblich fundamentalen Werte zugunsten der wirtschaftlichen und politischen Interessen bestimmter Mitgliedstaaten zu verzichten? Wir wären vielleicht glaubwürdiger, meine Damen und Herren, wenn unsere Sitzungen nicht ganz auf das Ende des Donnerstag Nachmittags verschoben würden und ein paar mehr von uns hier dieser Aussprache folgen würden.

 
  
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  Bernd Posselt, Verfasser. − Herr Präsident! Der Nordkaukasus war ein Opfer zaristischer Kolonialpolitik, er war ein Opfer des Versuchs eines Völkermordes durch das stalinistische Regime, aber leider gab es auch dort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zwei brutale Kriege, bis hin zum Genozid an kleinen Völkern wie den Tschetschenen. Auch heute kann man sagen, ist es eine Region, wo kleine, üble Satellitenregime wie das von Herrn Kadyrov brutale Menschenrechtsverletzungen begehen. Wir verurteilen jede Form des Terrorismus von allen Seiten, aber dieses Regime hat nichts mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu tun.

Deshalb brauchen wir, um diese Situation zu überwinden, ein Dreigestirn, nämlich eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Europarat und seinem Menschenrechtsgerichtshof, uns als Motor der Europäischen Union und den Menschenrechtsorganisationen in dieser Gegend, die die russische Macht schärfstens abzuschirmen versucht. Hier ist Memorial zentral. Deshalb fordern wir für Herrn Oleg Orlov nicht nur, dass er unverzüglich in Ruhe gelassen wird, sondern wir fordern Unterstützung und geben Unterstützung für sein verdienstvolles Wirken für die Menschenrechte. Das sind wir ihm und seinen Mitstreitern, den Völkern des Nordkaukasus, aber auch unserer ermordeten Freundin und Mitstreiterin Estemirowa schuldig, die viele von uns persönlich kannten, deren Ermordung endlich aufgeklärt werden muss und der wir verpflichtet sind, um im Nordkaukasus dafür zu sorgen, dass dort endlich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit herrschen.

 
  
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  Jarosław Leszek Wałęsa, im Namen der PPE-Fraktion.(PL) Vor einiger Zeit sagte Oleg Orlov, dass das größte Problem für den Nordkaukasus in der Ablehnung der Machthaber gegenüber der wichtigsten Frage besteht, der Frage der Menschrechte. Die Menschenrechtsverletzungen destabilisieren die Lage im Nordkaukasus, verlängern den Konflikt, reduzieren die Chancen auf seine Lösung und schaffen Unterstützung für illegale terroristische Aktivitäten.

Menschenrechtsorganisationen wie Memorial sollten unterstützt werden, weil sie für die Schaffung einer stabilen und freien Gesellschaft wesentlich und auch für die Etablierung einer wahren und dauerhaften Stabilität notwendig sind. Diese Organisationen sollten daher unterstützt werden, und es ist auch nötig, die verwerflichen Taten zu verurteilen, die im Nordkaukasus stattfinden, die Stimme für die wachsende Anzahl von Menschen zu erheben, die verschwunden sind, und sich an das Leid der Vertriebenen zu erinnern.

 
  
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  Alexander Mirsky im Namen der S&D-Fraktion. – (LV) Vielen Dank, Herr Präsident. Ich unterstütze den Teil der Entschließung gänzlich, der die Notwendigkeit der Beachtung von Menschenrechten im Nordkaukasus anspricht. Ich bin gut mit der Lage im Kaukasus vertraut, da ich mehr als einmal dort war. Gleichzeitig möchte ich bemerken, dass der Titel „Menschenrechtsaktivist" Herrn Orlov nicht das Recht gibt, den Präsidenten der Republik Tschetschenien des Mordes zu bezichtigen. Wenn Herr Orlov meint, dass der Sacharow-Preis ein Mandat für unüberlegte Behauptungen sei, irrt er sich. Das Europäische Parlament muss nicht als Orlovs Anwalt handeln. Lassen Sie Orlov seinen Fall vor Gericht beweisen. Wenn nicht in einem russischen Gerichtshof, dann in einem europäischen Gerichtshof. Wir haben nicht das Recht, in diesem Streit Partei zu ergreifen. Wir müssen den Gerichten die Gelegenheit geben, ihre Arbeit zu tun. Ich möchte Orlov jedoch einen Rat geben - denken Sie nach, bevor Sie sprechen. Verleumdung ist eine strafbare Handlung. Vielen Dank.

 
  
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  Adam Bielan, im Namen der ECR-Fraktion.(PL) Es ist paradox, dass wir am Tag der Bekanntgabe unserer Entscheidung über den Sacharow-Preis von 2010 von der Verfolgung der Gewinner des Preises aus dem vergangenen Jahr sprechen. Wie Sie wissen, wurde Oleg Orlov zusammen mit anderen Mitgliedern der Organisation Memorial im vergangenen Jahr der Preis für seinen kompromisslosen und mutigen Kampf für die Wahrheit über russische Verbrechen verliehen, die in der tschetschenischen Republik begangen wurden.

Wir sprechen heute von der andauernden Verfolgung, die Oleg Orlov ertragen muss, weil er mutig Erklärungen für die Todesumstände von Natalia Estemirova fordert, die Leiterin von Memorial in Tschetschenien war. Man sollte bedenken, dass die von „Präsident" Ramzan Kadyrov gegen Herrn Orlov unternommenen Schritte ohne die Unterstützung des Kreml nicht möglich gewesen wären. Deswegen fordere ich alle Organe der Europäischen Union, einschließlich der Kommission und des Rates auf, Druck auf Präsident Medwedew auszuüben, um diese Art der Verfolgung in Tschetschenien zu bremsen.

 
  
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  Elena Băsescu (PPE).(RO) Gewalt- oder Terrorakte sind in den Republiken des Nordkaukasus fast eine Alltäglichkeit. Der vergangene Woche auf das tschetschenische Parlament unternommene Anschlag betont, dass der islamistische Aufstand die Stabilität der gesamten Region gefährdet. Fünfzehn Jahre nach dem Ausbruch der Kriege in Tschetschenien gibt es in der Region noch immer 80 000 Vertriebene. Die Lage von Menschenrechtsaktivisten ist mit zahlreichen Berichten von willkürlichen Entführungen und Verurteilungen ebenfalls alarmierend. Der Fall von Oleg Orlov gehört zu einer Reihe von Prozessen, die ohne jegliche vernünftige Rechtsgrundlage eingeleitet wurden. Nachdem er den Präsidenten von Tschetschenien der Beteiligung an der Ermordung von Natalia Estemirova 2009 beschuldigt hat, könnten ihm drei Jahre Haft drohen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass Untersuchungen, die nach dem Tod dieser Frau begonnen wurden, bisher keinen Fortschritt gemacht haben. Aus diesen Gründen bin ich davon überzeugt, dass die Bundesbehörden weitere Maßnahmen ergreifen müssen, um dafür zu sorgen, dass Untersuchungen ordentlich durchgeführt werden, auch für den Fall, dass Mitglieder der Organisation Memorial beteiligt sind.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE). - (FI) Herr Präsident! Der bekannteste und heftigste Konflikt in der Region des nördlichen Kaukasus war jener, der mit dem ersten Tschetschenienkrieg begann. Er dauert noch immer an, obwohl er sich insbesondere auf Dagestan und Inguschetien ausgebreitet hat. Ohne darüber Stellung zu beziehen, inwiefern es sich um einen Befreiungskrieg, einen Krieg gegen den Terrorismus oder etwas anderes handelt, können wir die Tatsache nicht leugnen, dass es in der Region fast 100 000 Binnenflüchtlinge und hinsichtlich der Menschenrechte eine sehr bescheidene Lage gibt.

Die Menschenrechtsaktivisten, denen wir im vergangenen Jahr den Sacharow-Preis verliehen haben, stellen mit Memorial, das eine bedeutende Rolle im Nordkaukasus spielt, ein ernst zu nehmende Größe. Als er den Preis im vergangenen Dezember entgegennahm, antwortete Oleg Orlov auf eine Frage über die Gefahren seiner Arbeit, dass das größte Problem in der Bedrohung besteht, die von Vertretern des Staats ausgeht. Wenige würden an seinen Worten zweifeln.

Anna Politkovskaya war insbesondere als jemand bekannt, der sich für die Menschenrechte der Tschetschenen aussprach. Der russische Agent Alexander Litvinenko, der in London vergiftet wurde, hatte russische Aktionen in Tschetschenien kritisiert. Natalya Estemirova, die im vergangenen Jahr ermordet wurde, deckte die Tatsache auf, dass Sicherheitsdienste in Gewalttaten und Hinrichtungen auch in Tschetschenien verwickelt gewesen sind. Die Liste ähnlicher ungelöster Morde könnte weitergehen. Deswegen ist es entscheidend, dass die Europäische Union diese Fragen weiterhin aufwerfen sollte.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE).(PL) Ich möchte damit beginnen, die Aussage eines Kollegen zu korrigieren. Uns wurde gesagt, dass Vertreter von Memorial nicht zum Parlament kommen konnten, um den Sacharow-Preis im vergangenen Jahr zu erhalten. Tatsächlich waren sie hier. Die „Damen in Weiß" können den Preis nicht abholen, weil ihnen nicht erlaubt wird, Havanna zu verlassen.

Der im Juni 2010 von der parlamentarische Versammlung des Europarats vorbereitete Bericht veröffentlicht Informationen über weitere Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus. Die russischen Behörden behaupten, dass sie sich um Stabilisierung bemühen, aber die Straflosigkeit zusammen mit Menschenrechtsverletzungen und mangelnder Rechtsstaatlichkeit sind weiterhin Hindernisse für eine wirkliche und dauerhafte Stabilität in der Region. Zivilisten leben noch immer mit drohender Gewalt. Folter und Misshandlungen sind alltäglich, ebenso wie gewaltsame Vertreibung, willkürliche Morde und unbegründete Verhaftungen. Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen sind wirkungslos und mangelhaft. Ihr einziges Ergebnis besteht oft im Versäumnis, die Täter zu strafen, was Misstrauen gegenüber Regierungseinrichtungen und dem gesamten Justizsystem steigert.

Es ist unsere Pflicht, alle möglichen Schritte zu unternehmen, um nicht nur die permanente Kontrolle der Lage im Nordkaukasus zu ermöglichen, sondern auch, um tätig zu werden und Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten und zivile sowie demokratische Initiativen zu unterstützen und die Gesetzlosigkeit in der Region zu beenden.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE). - (SK) Ich bin davon überzeugt, dass das Hauptproblem im Nordkaukasus in der Missachtung der wichtigsten Sache von allen, nämlich dem Respekt für die Menschenrechte des Individuums besteht. Solche Menschenrechtsverletzungen destabilisieren die Lage in der Region, verlängern und vertiefen den Konflikt, verringern die Chancen auf seine Lösung und tragen zur Schaffung einer Grundlage für reaktionäre Terrorgruppen bei.

Ramzan Kadyrov, der die Macht in Tschetschenien ergriffen hat, trägt nicht zur Stabilität bei. Er ist der absolute Herrscher dieser Republik geworden und bietet dem Gesetz die Stirn oder legt es falsch aus, sodass er in Widerspruch mit grundlegenden Menschenrechten handeln kann. Außerdem darf gegen bestimmte Individuen gerichteter Missbrauch weder veröffentlicht noch diskutiert werden. Oleg Orlov, ein Mitglied der Memorial-Gruppe, ist ein trauriges Beispiel für die Verfolgung jener, die Menschenrechte verteidigen. Die Lage erscheint tragisch und ohne Lösung, und deswegen ist es die moralische Pflicht des Europäischen Parlaments, die Ereignisse in der Region sorgfältig zu überwachen und regelmäßig auf der Achtung von Rechten zu bestehen, welche die Bürgerinnen und Bürger sowie Menschenrechtsorganisationen in der russischen Föderation trotz offizieller Rhetorik noch immer nicht tagtäglich genießen können.

 
  
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  Corina Creţu (S&D).(RO) Ich fühle mich verpflichtet, mich mit Oleg Orlov und dem Menschenrechtszentrum Memorial, das er leitet, solidarisch zu erklären. Sie wurden durch das Europäische Parlament im vergangenen Jahr mit dem Sacharow-Preis für Geistige Freiheit ausgezeichnet.

Die Verurteilung wegen der Verleumdung des tschetschenischen Präsidenten und der gegen Oleg Orlov eingeleitete Prozess, dem nun drei Jahre Haftstrafe drohen, kennzeichnen den schrecklichen Gipfel einer deprimierenden Reihe von Akten der Verfolgung gegen Menschenrechtsaktivisten, zu denen auch die schreckliche Tat gehört, die mit der Entführung und Ermordung von Natalia Estemirova, der Koordinatorin von Memorial in Tschetschenien, verbunden ist. Ich fühle mich verpflichtet, gegen diese brutalen und wiederholten Menschenrechtsverletzungen, die mit der Notwendigkeit, den Terrorismus zu bekämpfen, gerechtfertigt werden, gegen die Straflosigkeit der Schuldigen von Kapitalverbrechen und Missbrauch, sowie gegen die russischen Behörden zu protestieren, die diese Situation tolerieren, welche die Glaubwürdigkeit ihres Engagements für Demokratie beeinträchtigt.

 
  
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  Jaromír Kohlíček (GUE/NGL). - (CS) Ich möchte hier darüber nachdenken, wie es möglich ist, dass wir noch immer nur die Menschenrechte einer relativ kleinen Gruppe von Menschen diskutieren und das Hauptthema völlig außer Acht lassen. Das Fazit im Nordkaukasus besteht in der starken externen Einmischung von ausgebildeten und bewaffneten Wahabiten, die mit klaren Zielen anrücken.

Wenn Sie nicht wissen, wo die Wahabiten herkommen und wer sie finanziert - nun, es ist dieselbe Quelle, von der hinsichtlich anderer terroristischer Organisationen gesprochen wird. Leider fehlt in dieser Entschließung das Hauptthema völlig, nämlich, warum es eklatante Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Teilen des Nordkaukasus gibt. Natürlich müssen Menschenrechte geachtet werden, es ist aber nötig, die Bedingungen zu schaffen, um sie zu einhalten zu können. Wenn Terrororganisationen aus dem Ausland finanziert werden - und dass ist sicherlich der Fall - dann ist es für uns schwierig, diese Bedingungen zu schaffen. Leider berücksichtigt die Entschließung dies nicht.

 
  
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  Ana Gomes (S&D). - Herr Präsident! Ich unterstütze diese Entschließung uneingeschränkt. Sie wird von meiner Fraktion unterstützt und fordert Aktionen zur Unterstützung des Sacharow-Preisträgers Oleg Orlov und dessen, wofür er steht - nämlich des Widerstands gegen Menschenrechtsverletzungen, die im Nordkaukasus andauern.

Lassen Sie mich in dieser Hinsicht sagen, dass ich mich und meine Fraktion nicht in den Worten von Herrn Mirsky wiedererkenne, der vorhin sprach und Oleg Orlov kritisierte, indem er sagte, dass er seinen Status als Menschenrechtsaktivist nicht nutzen solle, um sich gegen Herrn Kadyrov auszusprechen. Jeder anständige Demokrat weiß, dass man keinen Titel braucht, nicht Menschenrechtsaktivist sein und nicht Mitglied von Memorial oder ein Sacharow-Preisträger sein muss, um das demokratische Recht zu besitzen, jeden Staats- oder Regierungschef zu kritisieren.

Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, um die Aussagen unseres Kollegen Raül Romeva i Rueda von vorhin zu bestätigen. Er bat um die Aufmerksamkeit dieses Parlaments - und auch der Kommission und des Rates und insbesondere von Frau Ashton - für die gefährliche Situation, die sich nun in der Westsahara entwickelt. Ich möchte sie bitten, einzugreifen, damit die marokkanischen Behörden die Menschen der Westsahara, die illegale Besetzung bekämpfen, nicht verhaften.

(Der Präsident unterbricht die Rednerin.)

 
  
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  Máire Geoghegan-Quinn, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie die Menschenrechtslage im Nordkaukasus angesprochen haben.

Während die Antiterroroperation in Tschetschenien im vergangenen Jahr für beendet erklärt wurde, setzen sich Gewalt und das Klima der Straflosigkeit dort fort, noch mehr jedoch im benachbarten Dagestan und auch in Inguschetien.

Der bewaffnete Anschlag, der am Dienstag dieser Woche auf das Parlament in Grosny verübt wurde, war die neueste Erinnerung daran, dass die Lage explosiv und gefährlich bleibt.

Die Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin Ashton hat diesen Anschlag bedauert und gesagt, dass keine Umstände diesen Einsatz terroristischer Gewalt und von Selbstmordanschlägen rechtfertigen können.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den Familien der Opfer mein tiefes Mitgefühl auszudrücken. In diesem Fall waren die Opfer Zivilisten und zwei Polizisten, die ihre Pflicht taten. Während Terroranschläge im Nordkaukasus andauern, gehen regelmäßige Angriffe auf Menschenrechtsaktivisten und Journalisten ebenfalls weiter, und diejenigen, die solche Angriffe verüben, werden selten zur Rechenschaft gezogen.

Viele Aktivisten, Anwälte und unabhängige Journalisten in der gesamten russischen Föderation sind Gewalt, Schikanen und Einschüchterung ausgesetzt.

Die Verleumdungsfälle gegen Oleg Orlov, den Leiter des Menschenrechtszentrums Memorial, und gegen die Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Lyudmilla Alekseeva, sollten vor diesem Hintergrund der Einschüchterung betrachtet werden. Herrn Orlovs Erklärungen, die von Präsident Kadyrov bestritten wurden, betrafen die Tatsache, dass die Mörder der Memorial-Aktivistin Natalya Estimirova trotz ihrer Identifizierung nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.

Die Europäische Kommission verfolgt den andauernden zweiten Prozess von Herrn Orlov sehr aufmerksam. Die EU ruft Russland auf, die Verpflichtungen zu erfüllen, die es als Mitglied der Vereinten Nationen, der OSZE und des Europarates eingegangen ist. Präsident Medwedew hat sich gegen das ausgesprochen, was er als den in Russland vorherrschenden „legalen Nihilismus" bezeichnet hat. Die EU steht bereit, um Russland bei seiner weiteren Reform des Justizsystems zu unterstützen.

In enger Zusammenarbeit mit der Verwaltung des Präsidenten und dem Europarat sind konkrete Aktionen vorbereitet worden.

Die EU schätzt die Möglichkeit sehr, die ihr zur Diskussion ihrer Bedenken bezüglich der Menschenrechte mit den russischen Behörden zur Verfügung steht. Wir begrüßen die offenere Einstellung, die Präsident Medwedew gegenüber Diskussionen mit der EU zu diesen Themen gezeigt hat. Die regelmäßigen Menschenrechtskonsultationen auf Expertenebene zwischen der EU und Russland stellen eine Möglichkeit dar, den Umfang dieser Diskussionen zu erweitern.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache wird geschlossen.

Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.

(Für die Ergebnisse und andere Einzelheiten zur Abstimmung: siehe Protokoll)

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Monica Luisa Macovei (PPE), schriftlich. Ich möchte mein tiefstes Mitgefühl und meine Betroffenheit gegenüber der zunehmenden Anzahl ermordeter oder verschwundener Bürgerinnen und Bürger in der Kaukasus-Region, insbesondere Natalia Estemirowa, ausdrücken. Die Zunahme von Gewalt und des Verschwindens von Menschenrechtsaktivisten und politischen Gegnern in der Nordkaukasus-Region seit 2009 ist beunruhigend. Diese Konflikte und Menschenrechtsverletzungen destabilisieren die Region und verhindern Frieden und Wohlstand. Ich dränge die russischen Behörden, den Schutz von Menschenrechtsaktivisten, einschließlich jener, die für Memorial arbeiten, zu verstärken. Die Regierung sollte sich bemühen, diejenigen, die Entführungen und Morde begehen, zu verurteilen, anstatt jene zum Schweigen zu bringen, die wie Oleg Orlov diese Themen zu Tage bringen. Ich verurteile die Aktionen der Behörden bei der Untersuchung von Menschenrechtsorganisationen sowie die derzeit gegen Oleg Orlov dafür eingereichten Strafanzeigen, dass er sprach. Ich rufe die Kommission auf, diese Themen bei ihrem Dialog mit Russland zu betonen.

 
  
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  Zbigniew Ziobro (ECR), schriftlich.(PL) Es wurde in den Medien kürzlich viel von einem Neuanfang der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der russischen Föderation gesprochen. Die Früchte dieser Arbeit sind das gemeinsame deutsch-russische Projekt der Erdgaspipeline Nord Stream sowie das von Nicolas Sarkozy gemachte Angebot, Russland in das europäische Sicherheitssystem aufzunehmen.

Es scheint, dass EU-Entscheidungsträger die Fälle von Anna Politkovskaya und Natalia Estemirova in der Euphorie neuer Wirtschaftsabkommen schnell vergessen haben. Seit Jahren haben wir der Union die Überzeugung zugrunde gelegt, dass, wenn Menschen als gleich gelten sollen, sich diese Gleichheit auf alle Menschen in jeder Hinsicht erstreckt. Deswegen muss es für uns Vorrang haben, unablässig um die Achtung der Grundsätze von Recht und Ordnung, der bürgerlichen Freiheiten und der Menschenwürde zu kämpfen. Es ist wesentlich, dass es eine entschiedene Reaktion seitens der Europäischen Union auf die wiederholten Menschenrechtsverletzungen in Russland und die Tragödie der demokratischen Opposition gibt.

Die Medien berichten, dass in russischen Städten an jedem 31. eines Monats Demonstrationen von der Bewegung „Strategie 31" abgehalten werden. Ihre Mitglieder protestieren zur Verteidigung der in Artikel 31 der Verfassung der russischen Föderation gewährten Freiheit, sich zu versammeln und Märsche sowie Mahnwachen zu veranstalten. Seit Beginn ihrer Arbeit traf die Bewegung auf den Widerstand der Behörden. Jedes Mal, wenn Demonstrationen durch die Sondereinheit OMON der Miliz aufgelöst wurden, waren die Teilnehmer Belästigungen und Schlägen ausgesetzt, wurden auf das Land transportiert und tief in Wäldern zurückgelassen oder verhaftet und sogar ohne Angabe eines formellen Grundes gefangen gehalten. Es ist die Pflicht der Union, diese Aktivitäten detailliert zu untersuchen und ihrem Einspruch starken Ausdruck zu verleihen. Dies wird von uns nicht nur von den Bürgerinnen und Bürgern von Russland, sondern von der gesamten europäischen Gesellschaft erwartet.

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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