Der Präsident. – Der nächste Tagesordnungspunkt ist der Bericht von Thomas Mann im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die demografischen Herausforderungen und die Solidarität zwischen den Generationen (2010/2027(INI)) (A7-0268/2010).
Thomas Mann, Berichterstatter. − Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten hat ein wichtiges Signal in Sachen demografischer Wandel gesetzt. Erstmals wird ein gemeinsames Paket für Jung und Alt geschnürt. Es geht um Generationengerechtigkeit als neuer innovativer Ansatz. Wir denken nicht nebeneinander her, sondern aufeinander zu. Um der Diskussion eine stabile Grundlage zu geben, sollen die Mitgliedstaaten Generationenbilanzen erstellen. Dadurch können Zahlungsströme für die unterschiedlichen Jahrgänge verlässlich abgebildet und prognostiziert werden. Für die Statistischen Ämter wird es ein Leichtes sein zu berechnen, wie hoch die Steueraufkommen, die Sozialversicherungsbeiträge und die Rentenzahlungen sind. Mit dem Generationencheck soll erstmals eine Gesetzesfolgenabschätzung über die gewollten Auswirkungen und die ungewollten Nebenwirkungen bei der Belastung der Generationen eingeführt werden. Sie soll in allen unseren Mitgliedstaaten und auf der EU-Ebene verbindlich werden.
Auch in Sachen Renten setzen wir ein klares Signal an EU-Kommission und Rat. Wir brauchen kein einheitliches europäisches Renteneintrittsalter. Vielmehr sollen die nationalen Altersgrenzen zur Rentenberechtigung berücksichtigt werden. Ältere Arbeitnehmer dürfen nicht gegen ihren Willen gezwungen werden, eine Beschäftigung aufzugeben, etwa aufgrund von willkürlich festgelegten Lebensaltersgrenzen. Auch der EuGH erteilte in seinem Urteil vom Oktober einem Zwangsruhestand ab dem Renteneintrittsalter eine klare Absage. Rentner dürfen sich auf offene Stellen sehr wohl bewerben und nicht aufgrund ihres Alters benachteiligt werden. Für die älteren Mitbürger fordern wir einen Europäischen Pakt 50+. Bis zum Jahr 2020 sollen drei Ziele erreicht werden. Erstens: Die Erwerbstätigenquote von Arbeitnehmern über 50 soll auf mehr als 55 % steigen. Zweitens: Frühverrentung und deren finanzielle Förderung müssen europaweit abgebaut werden. Drittens: In den Mitgliedstaaten sollen Mittel für Menschen über 60 zur Verfügung gestellt werden, damit sie länger auf dem Arbeitsmarkt verbleiben können.
Am anderen Ende der Altersskala stehen die jungen Menschen. Wir plädieren für eine europäische Jugendgarantie. Jedem Jugendlichen sollen nach einer Arbeitslosigkeit von maximal vier Monaten ein Arbeitsplatz, eine Lehrstelle oder andere Ausbildungsmaßnahmen angeboten werden. Hier gilt das Prinzip „Fördern und Fordern“. Förderung aber ist keine Einbahnstraße. Wenn die Jugendlichen keine ausreichenden Qualifikationen mitbringen, sollen sie die Möglichkeit haben, sie zu erwerben, um dann beschäftigungsfähig zu sein. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die EU-Kommission bereits eine Forderung meines Berichts aufgegriffen hat. Vor wenigen Wochen hat sie das Jahr 2012 zum „Europäischen Jahr des aktiven Alterns“ ausgerufen. Das ist das richtige Signal zur richtigen Zeit.
Einziger Wermutstropfen ist die Entscheidung einer Mehrheit im Ausschuss, zusätzliche Antidiskriminierungsvorschriften zu fordern. So sollen für Ältere neue Kriterien festgelegt werden in den Bereichen Abschluss von Versicherungen, Buchung von Urlaubsreisen oder Anmietung von Autos. Das sorgt nur für steigende Bürokratie und hohen finanziellen Aufwand, der dem Grundgedanken nicht gerecht wird, Menschen wirksam vor Ausgrenzung zu schützen. Deshalb hat die EVP-Fraktion einen alternativen Entschließungsantrag eingereicht, der ohne diese Forderung auskommt. Sonst aber sind wir uns im Ausschuss für Beschäftigung einig gewesen. Durch eine Vielzahl von gemeinsamen Anträgen und 22 Kompromisse haben wir breiten Konsens erzielt.
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen – auch aus anderen Fraktionen – für ihre konstruktive Mitarbeit. Wir können und werden Jung und Alt zusammenführen. Ich hoffe, dass wir mit diesem Bericht über die Gerechtigkeit zwischen den Generationen einen wichtigen Schritt gemeinsam getan haben.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident! Ich danke Herrn Mann dafür, dass er uns diese sehr wichtigen Vorschläge vorgestellt hat. Ich denke, der wichtigste Punkt in Bezug auf Ältere ist, dass wir unsere Einstellung zum Ruhestand und auch zu Arbeit ändern müssen. Idealerweise sollte es einen allmählichen Ruhestand und freiwilligen Ruhestand statt eines erzwungenen Ruhestands geben. Vor zwei Wochen ist jemand zu mir gekommen, der sagte, er sei in Rente gegangen. Ich habe gefragt, ob er 65 ist, und er sagte „Nein, wenn ich bis nächstes Jahr warten würde, müsste ich gehen. Jetzt gehe ich zu meinen eigenen Bedingungen.“ Wenn er bis 67 oder 70 hätte bleiben können, hätte er es getan. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Punkt, der berücksichtigt werden sollte.
Zweitens denke ich, dass insbesondere junge Leute benachteiligt werden, und die Jugendlichen in meinem Land, in Irland, sind die am stärksten benachteiligte Gruppe, weil sie jetzt mit den enormen Schulden belastet werden, die aus der Bankenkrise resultieren, und trotz einer guten Ausbildung haben sie nur die Wahl, ihr Glück im Ausland zu suchen, wenn sie arbeiten möchten; es gibt keine Jobs für sie zu Hause.
Wir brauchen Innovationen die Art und Weise betreffend, wie wir junge Menschen beschäftigen. Ich begrüße insbesondere den Vorschlag von Herrn Mann, dass sie, wenn sie mehrere Monate lang arbeitslos sind, wenigstens eine Beschäftigung erhalten sollten. Das sind sehr positive Vorschläge und ich begrüße sie.
Vilija Blinkevičiūtė (S&D). – (LT) Ich möchte dem Berichterstatter wirklich gratulieren, da ich vielen seiner Vorschläge zur Herangehensweise an die demografische Herausforderung und Stärkung der Solidarität zwischen Generationen definitiv zustimme. Was ältere Menschen betrifft, kann ich jedoch der Aufhebung der Bestimmung des Ruhestands vor Erreichen des normalen Rentenalters nicht zustimmen. Sehr oft werden ältere Menschen gezwungen, aufgrund gewisser Umstände und oft nicht aus freiem Willen vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Aufgrund der Folgen der Wirtschaftskrise ist die Möglichkeit, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, oft die einzige Überlebenschance für ältere Menschen, die entlassen wurden. Aufgrund der Tatsache, dass sich nationale Rentensysteme in den Mitgliedstaaten unterscheiden, müssen wir die Praxis in allen Mitgliedstaaten berücksichtigen und nicht dem Beispiel nur eines oder einiger weniger Länder folgen.
Elizabeth Lynne (ALDE). – Herr Präsident, ich möchte Thomas Mann sehr für seine Arbeit und für die gute Zusammenarbeit im Ausschuss danken. Ich freue mich, dass so viele meiner Änderungsanträge im Ausschuss angenommen wurden. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass viele ältere Menschen in vielen Mitgliedstaaten immer noch schlecht behandelt werden, und das gravierendste Beispiel dafür ist natürlich die Misshandlung alter Menschen.
Aber es gibt auch andere Wege, ältere Menschen schlecht zu behandeln, einschließlich Diskriminierung aufgrund des Alters am Arbeitsplatz, und darum freue ich mich, dass wir in diesem Bericht fordern, dass die Beschäftigungsrichtlinie 2000 ordnungsgemäß umgesetzt wird und ältere Menschen auf ihre Rechte aufmerksam gemacht werden.
Ich freue mich auch, dass mein Änderungsantrag, der eine Abschaffung des verpflichtenden Renteneintrittsalters fordert, während natürlich ein auf Ebene der Mitgliedstaaten festgelegtes festes Renteneintrittsalter beibehalten wird, angenommen wurde. Es ist falsch, ältere Menschen zu zwingen, mit der Arbeit aufzuhören, wenn sie weitermachen möchten und dazu in der Lage sind.
Wir müssen auch den Druck auf den Rat aufrechterhalten, die horizontale Richtlinie zum Zugang zu Gütern und Dienstleistungen freizugeben, die unter anderem Altersdiskriminierung umfasst. Es ist an der Zeit, dass ältere Menschen die gleichen Rechte haben wie alle anderen. Darf ich Sie bitten, für den ursprünglichen Bericht und nicht für den Änderungsantrag der EVP zu stimmen.
Peter Jahr (PPE). - Herr Präsident! Meinen Glückwunsch an den Berichterstatter, Herrn Mann, für den hervorragenden Bericht. Ich denke, Generationengerechtigkeit ist ein wichtiges Merkmal einer entwickelten Gesellschaft. Im Wesentlichen bedeutet das ja nichts weiter, als dass keine Generation zulasten einer anderen leben darf und leben sollte. Was im Privatleben und in der Familie logisch und selbstverständlich ist, ist in der Gesellschaft schwieriger darstellbar. Wenn der Staat Kredite aufnimmt, die er nicht zurückzahlen kann, belastet er die nächste Generation. Wer Raubbau an Rohstoffen begeht, schädigt die nächste Generation. Der Spruch: „Wir haben die Erde nur von unseren Enkeln geliehen“, bringt diesen Konflikt vielleicht am besten auf den Punkt. Das heißt für mich: Wir müssen jedes Gesetz, jede Verordnung, jede Richtlinie auch auf ihre Generationengerechtigkeit überprüfen. Der vorliegende Bericht ist für mich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Olga Sehnalová (S&D). – (CS) Die Frage der generationsübergreifenden Solidarität hat viele verschiedene Aspekte, eine Situation, die der Berichterstatter Herr Mann in seinem Dokument sehr gut beschreibt. Einer der wichtigsten Aspekte ist die Frage der Sicherheit im Alter und insbesondere die nachhaltige und stabile Finanzierung des Alters, die langfristig ein angemessenes Rentenniveau sicherstellt. Bei diesem Bericht denke ich daher, dass es Probleme mit Punkt 99 gibt, in dem der Berichterstatter unter anderem behauptet, dass es erforderlich sei, das Umlagesystem durch kapitalgedeckte Systeme zu ersetzen.
Die aktuelle Krise hat auch aufgezeigt, welche Gefahren es in sich birgt, die Solvabilität einiger privater Rentenfonds, die durch sinkende Zinssätze und einen Werteverfall von Kapitalanlagen schwer getroffen wurden, einzuschränken. Beispielsweise haben private Rentenfonds 2008 mehr als 20 % ihres Wertes verloren. Infolge des Rückgangs ihrer Solvabilität waren sie auch gezwungen, ihre Vermögenswerte mit Verlust zu verkaufen. Viele von ihnen befinden sich immer noch am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Kapitalgedeckte Rentenfonds können keine Antwort auf demografische Trends sein. Sie sind hauptsächlich Finanzprodukte mit nicht zu vernachlässigenden Risiken. Ich glaube daher nicht, dass es vernünftig ist, eine solche grundlegende soziale Aufgabe wie die Sicherung der Würde im Alter solchen Risiken auszusetzen.
Miroslav Mikolášik (PPE). – (SK) Demografische Änderungen führen zu einer allmählichen und grundlegenden Änderung der Struktur der Bevölkerung und der Alterspyramide. Die durchschnittliche Geburtenrate in der Europäischen Union beträgt 1,5 Kinder, was eindeutig zu den niedrigsten der Welt gehört. Infolgedessen sind schwerwiegende Probleme in Verbindung mit der demografischen Alterung der europäischen Gesellschaft zu erwarten.
Eine der Ursachen dafür ist meiner Meinung nach, dass gewisse Strukturen sich kaum entwickelt haben, was viele Familien davon abhält, zusätzliche Mitglieder zu akzeptieren. Strategien, die das Ziel haben, Arbeits- und Familienleben besser zu vereinbaren sowie Steuerentlastungen und andere Vorteile zu bieten, sind eine wesentliche Voraussetzung zur Steigerung der Geburtenrate. Andererseits müssen wir rechtliche Maßnahmen verabschieden, um die Integration älterer Menschen ins Arbeitsleben zu verbessern; damit einhergehen muss die aktive Eliminierung unfairer Diskriminierung aufgrund des Alters in der Praxis.
Ich begrüße und unterstütze die so genannte Politik des aktiven Alterns voll und ganz, die das Ziel hat, es Menschen zu ermöglichen, auch in fortgeschrittenem Alter gesund zu bleiben, am sozialen Leben teilzunehmen und die Qualität nicht nur des eigenen Lebens, sondern auch des Lebens der Gesellschaft als Ganzes im Sinne generationsübergreifender Solidarität zu steigern.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Das derzeitige Problem ist, dass junge und alte Menschen Probleme haben, eine Arbeit zu finden. Die Aufgabe, Gerechtigkeit zwischen den Generationen zu erreichen, wird daher eine der größten sozialen Herausforderungen sein, vor der die europäische und nationale Politik in den nächsten Jahren steht. Ich glaube, dass eine Förderung des Konzepts der Flexicurity und das Ziel der Strategie EU 2020, eine Beschäftigungsquote von 75 % zu erzielen, ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist. Meiner Ansicht nach sollten sowohl die Europäische Kommission als auch der Rat einen Zensus der Generationen einführen, um Informationen zur Verfügung zu stellen. Außerdem ist es erforderlich, die Indikatoren für nachhaltige Entwicklung nach Eurostat in absolut jedem Mitgliedstaat zu erhöhen.
Zum Abschluss möchte ich gern Herrn Mann gratulieren, weil er in seinem Bericht erfolgreich mehrere sehr attraktive Lösungen dargelegt hat. Dazu gehören die Initiative „Europäische Jugendgarantie“ und die Initiative „Beschäftigungspakt 50plus“.
Petru Constantin Luhan (PPE). – (RO) In den nächsten Jahren sind abgesehen von den Auswirkungen der Krise zahlreiche andere große Herausforderungen zu bewältigen. Eine der größten davon ist demografischer Wandel und der sich daraus ergebende Bevölkerungsschwund bestimmter Regionen. Mitgliedstaaten werden eine wichtige Rolle zu spielen haben, um Bedingungen zu schaffen, die sicherstellen, dass die Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger auf ein Minimum reduziert werden. Sie werden entsprechend ihren Anforderungen Unterstützung benötigen, insbesondere durch die Nutzung angemessener EU-Finanzierungsinstrumente wie der Strukturfonds.
Um diese Herausforderungen, die vor uns liegen, anzugehen, müssen wir uns meiner Ansicht nach besonders auf junge Menschen konzentrieren, indem wir dafür sorgen, dass sie am Leben der Gesellschaft beteiligt sind. Wir müssen in junge Menschen investieren und ihnen Zugang zu einer angemessenen Ausbildung bieten, gefolgt von der Möglichkeit, einen angemessenen Job zu finden, oder sie ermutigen, eine Karriere als Unternehmer einzuschlagen. Dies wird uns ermöglichen, die soziale Eingliederung junger Menschen sicherzustellen und, wie ich glaube, eine der Hauptursachen für die sinkende Geburtenrate und die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den Generationen zu bekämpfen.
Cecilia Malmström, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, lassen Sie mich zuerst Herrn Mann für seinen sehr guten Bericht danken und ihm dazu gratulieren. Er enthält eine sehr gründliche und umfassende Analyse der Herausforderungen, denen wir uns in dieser demografischen Entwicklung stellen müssen. Die Kommission ist sehr erfreut, dass der Bericht Strategien herausstellt, um Mitgliedstaaten und die Europäische Union in die Lage zu versetzen, sich auf die Alterung der Bevölkerung vorzubereiten und besser mit den Folgen umzugehen.
In Ihrem Bericht schlagen Sie diesbezüglich eine Fülle von praktischen Lösungen vor: das Programm „Senioren in Aktion“, die „Europäische Jugendgarantie“, die Initiative „Beschäftigungspakt 50plus“, die Initiative „Altersmanagement“, die Initiative „Generationen-Tandem“ usw. Er enthält auch eine Reihe interessanter Vorschläge für die Definition und Anwendung des Konzepts der generationsübergreifenden Solidarität, da diese, wie sie ebenfalls gesagt haben, ein Ziel der Europäischen Union nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist.
Wie Sie wissen, hat die Kommission bereits zwei größere Initiativen in diesem Bereich angenommen: unser Grünbuch zu Renten, dem nächstes Jahr ein Weißbuch mit einer Skizze zukünftiger Aktivitäten folgen wird, und unser Vorschlag – der auf Ihrem Vorschlag basiert, Herr Mann – 2012 zum Europäischen Jahr für aktives Altern zu erklären.
Die Kommission wird in Kürze ihren dritten europäischen Demografiebericht vorstellen, der die neuesten Entwicklungen in der Bevölkerung skizzieren wird. Er wird auch zeigen, wie sich die Wirtschaftskrise auf die Fähigkeit der Mitgliedstaaten ausgewirkt hat, sich auf die Alterung der Bevölkerung vorzubereiten.
Das nächste Jahrzehnt wird ein Jahrzehnt tiefgreifenden demografischen Wandels für die Europäische Union sein. Die während des Baby-Booms geborenen Jahrgänge nähern sich dem Ruhestand, während die neu auf den Arbeitsmarkt gelangenden Jahrgänge deutlich kleiner sind. Die jüngeren Generationen der Europäer haben auch mit größerer Wahrscheinlichkeit einen anderen Migrationshintergrund, und dieser Wandel bringt Herausforderungen für Politiker in den Mitgliedstaaten mit sich.
Er wird sich als große Hürde für die Realisierung der Ziele von Europa 2020 erweisen, wenn es uns nicht gelingt, unser nicht ausreichend genutztes demografisches Potenzial zu mobilisieren. Dies erfordert Bemühungen, aktives Altern zu fördern, die Arbeitsmarktsituation junger Menschen zu verbessern, Migranten und ihre Nachkommen besser zu integrieren und auch Arbeitsmigration und die Vereinbarkeit von Arbeit und Pflegeverantwortung zu erleichtern. Bei all dieser gigantischen Arbeit freuen wir uns vonseiten der Kommission darauf, aktiv mit dem Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet morgen, Donnerstag, den 11. November 2010, um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Giovanni Collino (PPE), schriftlich – (IT) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Geschichte der Menschheit waren stets zwei Faktoren ausschlaggebend für bedeutende gesellschaftliche Veränderungen: der demografische und der religiöse Faktor. Heute befinden wir uns in einer Situation, in der sich diese Faktoren auf gefährliche Weise miteinander verbinden. Seit langem schon reden wir vom „Kampf der Kulturen“ und von Europas Beispielfunktion in Bezug auf das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft. Gleichzeitig müssen wir angesichts der zunehmenden Alterung der europäischen Bevölkerung und der sinkenden Geburtenrate einen weiteren Aspekt berücksichtigen, nämlich den der Produktivität. Solange die alten Menschen eine nachwachsende Generation, die keine Arbeit findet und zahlenmäßig immer kleiner wird, finanzieren müssen, haben wir nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir erlauben die Zuwanderung aus dem außereuropäischen Raum und sorgen so für Wachstum, oder wir hoffen darauf, dass wir auf den internationalen Finanzmärkten unser Kapital für uns arbeiten lassen können. Erst wenn die Generationen gegenseitig voneinander profitieren und gemeinsam Konzepte für die Zukunft entwerfen, können wir mit Recht von einem europäischen Wachstumsprozess sprechen. Ich fordere den Berichterstatter, Sie, Herr Präsident, und Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, auf, über eine Anhörung zu einer neuen europäischen Politik zur wirtschaftlichen Entwicklung auf der Grundlage der Generationengerechtigkeit nachzudenken. Eine solche Politik muss das Ziel verfolgen, dass die junge und die ältere Generation gleichermaßen zu Wachstum und Wohlstand innerhalb der Europäischen Union beitragen.
Corina Creţu (S&D), schriftlich – (RO) Ich möchte meine Unterstützung für das Konzept eines 50plus-Beschäftigungspakts zum Ausdruck bringen, der die Strategie Europa 2020 ergänzen würde und einen Beitrag zur stärkeren Integration älterer Menschen in den Arbeitsmarkt leisten kann. Schätzungen zufolge wird die Zahl der Arbeitnehmer im EU-Raum im kommenden Jahrzehnt um 3 Mio. sinken, gleichzeitig wird die EU eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit aufweisen. Der Anteil der Arbeitnehmer im Alter über 55 Jahren liegt unterhalb des in der Strategie von Lissabon festgelegten Zielwerts von 50 %. Meiner Ansicht nach sind angesichts einer Alterspyramide, die sich immer mehr in Richtung der älteren Generation verschiebt, konkrete Maßnahmen erforderlich, um die Balance zwischen dem Bedürfnis nach sozialer Sicherheit und der wachsenden Ineffizienz der Sozialsysteme zu finden. Um deren Fortbestand zu sichern, brauchen wir Antworten auf die neuen wirtschaftlichen und demografischen Herausforderungen. Ich glaube, dass wir die Erfahrung älterer Arbeitnehmer brauchen, sie aber derzeit aufgrund einiger ebenso hartnäckiger wie diskriminierender Vorurteile nicht genügend nutzen. Gegen diese Vorurteile gilt es entschiedener und effektiver anzugehen.
Herausheben möchte ich auch, dass besonders ältere Frauen nach wie vor vielen Formen von Diskriminierung ausgesetzt sind, sowohl wegen ihres Geschlechts als auch wegen ihres Alters. Wir müssen der Situation älterer, allein stehender Frauen mehr Beachtung schenken, da der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung unter anderem aufgrund einer vergleichsweise hohen Lebenserwartung zukünftig weiter wachsen wird.
Vasilica Viorica Dăncilă (S&D), schriftlich – (RO) Europa steht angesichts des demografischen Wandels vor der schwierigen Herausforderung, die Balance zwischen der Wahrung sozialer Rechte sowie angemessenen Sozialleistungen für Bedürftige und dem Prinzip einer „Gesellschaft für alle“ wahren zu müssen. Ich glaube, dass es jeder Gesellschaft insgesamt nützt, wenn sie auf die Fähigkeiten und die Erfahrung älterer Arbeitnehmer zurückgreift. Also müssen wir öffentliche Stellen, Unternehmen und NGO unterstützen, die innovative Programme zur Einbindung älterer Menschen in verschiedene Maßnahmen entwickeln. Die wichtigsten Instrumente zur Herstellung von Solidarität zwischen den Generationen bleiben der soziale Dialog und das Gespräch mit und zwischen den betroffenen Gruppen. Hierfür können spezielle Programme entwickelt werden, die beispielsweise innerhalb unserer Bildungssysteme unter jungen Menschen ein Bewusstsein für dieses Problem schaffen und so den Dialog mit der älteren Generation erleichtern. Darüber hinaus sollten Unternehmen gefördert werden, die gezielt Mitarbeiter-Teams mit gemischter Altersstruktur zusammenstellen, denn dies erhöht die Wettbewerbsfähigkeit und ermöglicht eine insgesamt ausgewogenere Unternehmensentwicklung. Der sozialwirtschaftliche Sektor sowie der Europäische Sozialfonds können Mittel zur Entwicklung von Programmen für aktives Altern und Generationensolidarität bereitstellen.
Robert Dušek (S&D), schriftlich – (CS) Der Bericht über die demografischen Herausforderungen thematisiert sozioökonomische Probleme, deren Ursache in der Alterung der Bevölkerung und der damit verbundenen finanziellen Belastung für zukünftige Generationen liegt. Die Sicherstellung von Generationengerechtigkeit zählt zu den zentralen Zielen europäischer Sozialpolitik. Die europäische Bevölkerung altert. Die Geburtenrate in den EU-Staaten ist konstant niedrig. Hierbei hat Einwanderung zwar in vielen Ländern einen gewissen Ausgleich geschaffen, sie kann aber dennoch nicht als Erfolg bezeichnet werden. Viele Kinder aus Einwandererfamilien erreichen nur niedrige Bildungsabschlüsse und haben folglich häufig mit dem Problem der Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Der Großteil der Immigranten bildet eigene soziale Netzwerke, ohne sich in die Gesellschaft des Einwanderungslands zu integrieren. Ich stimme mit dem Berichterstatter darin überein, dass der Integrationswille der Einwanderer einerseits und ihre Akzeptanz seitens des Gastlands andererseits unabdingbare Voraussetzungen für erfolgreiche Migration sind. Ein weiteres verstecktes Problem besteht in der Verteilung der gesamten Geburtenzahl auf die verschiedenen sozialen Schichten. Prozentual betrachtet entfällt der Großteil der Geburten auf Einwanderer sowie auf Angehörige sozial schwacher Schichten. Unglücklicherweise ist es mittlerweile zum Regelfall geworden, dass gut qualifizierte und in die Gesellschaft integrierte Personen nur ein Kind haben, während sozial schwache Familien im Durchschnitt vier Kinder bekommen. Diese höhere Kinderzahl dient häufig der Lösung finanzieller Probleme. Aus diesen Gründen unterstütze ich die vom Berichterstatter geforderte Vorgehensweise und spreche mich dafür aus, nicht länger hohe Geburtenraten bei sozial schwachen Familien zu fördern, sondern stattdessen ein Programm zur Erhöhung der Kinderzahl in gut qualifizierten und integrierten Bevölkerungsgruppen ins Leben zu rufen.
Edite Estrela (S&D). – (PT) Der demografische Wandel zählt zu den größten Herausforderungen, denen Europa gegenübersteht. Vor hundert Jahren machte die europäische Bevölkerung 15 % der Weltbevölkerung aus. 2050 wird dieser Anteil voraussichtlich nur noch 5 % betragen. Dies stellt ein ernstes Problem dar und hat bereits heute negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Sozialsysteme und die Gesellschaft insgesamt. Deshalb benötigen wir dringend Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate. Derzeit verfügbare Studien zeigen eine bemerkenswerte Diskrepanz: Familien wünschen sich durchschnittlich 2,3 Kinder, die tatsächliche Kinderzahl liegt aber im Mittel nur bei 1,5. Um der Herausforderung einer alternden Gesellschaft zu begegnen, muss Europa mit einer gezielten Politik die Beschäftigung von Frauen aller Altersgruppen fördern und das Produktivitätspotenzial von Frauen und Einwanderern voll nutzen. Speziell Portugal kann uns in diesem Bereich als Vorbild dienen. Hier finden wir eine gute Versorgung mit Kinderkrippen und Kindertagesstätten, umfassenden Mutterschutz, zahlreiche Optionen für Elternzeiten und eine effektive Politik zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
José Manuel Fernandes (PPE), schriftlich – (PT) Bei der Fortsetzung des derzeitigen demografischen Trends werden sich die Bevölkerungsstruktur und die Alterspyramide innerhalb weniger Jahre tiefgreifend verändern. Schätzungen zufolge wird die Anzahl der EU-Bürger im Alter bis 14 Jahre von 100 Mio. im Jahr 1975 auf 66 Mio. im Jahr 2050 zurückgehen. Die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird von derzeit 331 Mio. auf 268 Mio. im Jahr 2050 sinken. Darüber hinaus wird der Anteil der über 80-Jährigen von 4,1 % (2005) auf 11,4 % (2050) ansteigen. Die Alterung der Bevölkerung zählt zu den größten Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht. Die EU und die Mitgliedstaaten müssen rasch und in enger gegenseitiger Abstimmung handeln, nicht zuletzt deshalb, weil wir bereits heute mit einer steigenden Arbeitslosenquote bei jungen Arbeitnehmern und Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Rentensysteme zu kämpfen haben. Der grundlegende Wert der Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Generationen kann nur dann verwirklicht werden, wenn wir die wichtigen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Finanzierung der Renten, den Staatshaushalten, der Staatsverschuldung, dem Gesundheitswesen, der Erhöhung der Geburtenrate, dem Schutz der Familie und der Bekämpfung von Diskriminierung miteinander verknüpfen. Hierzu benötigen wir durchdachtes, nachhaltiges und ganzheitliches Wachstum in Übereinstimmung mit der Europa-2020-Strategie.
Tunne Kelam (PPE), schriftlich – Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Generationen sind unabdingbare Voraussetzungen für das Funktionieren einer Gesellschaft. Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Solidarität. Europa hat mit zwei Problemen zu kämpfen – der hohen Jugendarbeitslosigkeit und der unsicheren Finanzierung der Rentensysteme. Der Anteil der über 60-jährigen EU-Bürger wird ab 2015 pro Jahr um 2 Mio. Menschen ansteigen. Gleichzeitig besteht dringender Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der sinkenden Geburtenrate – hierbei handelt es sich um eine Entwicklung, die bereits seit mehreren Jahrzehnten andauert. Sie verursacht hohe finanzielle Belastungen für eine zahlenmäßig immer kleiner werdende junge Generation. Innergesellschaftliche Konflikte über die Verteilung der Lasten können die Folge sein. Wir sollten ältere Menschen als Gewinn für die Gesellschaft sehen. Ihre Erfahrung und Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung bei der Gestaltung der Gesellschaft sollten auf allen Ebenen genutzt werden. Der enorme Beitrag zur Stärkung der Generationensolidarität, den Millionen ältere Menschen tagtäglich in ihrem persönlichen Umfeld leisten, etwa indem sie Kinder oder Senioren betreuen, sollte in allen Mitgliedstaaten die gebührende Anerkennung finden. Ein wichtiger Aspekt ist die verstärkte Einbindung ehrenamtlicher Strukturen, die auf eine lange Tradition bei der Schaffung sozialer Netze zurückblicken. Ich unterstütze darüber hinaus die Initiative der AGE-Plattform, 2012 zum Europäischen Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen zu erklären.
Elisabeth Köstinger (PPE), schriftlich. – Der Bericht von Herrn Kollegen Mann zeigt klar Probleme auf, deren wir uns bewusster werden sollten. Momentan zeichnen sich tiefgreifende Veränderungen in der europäischen Bevölkerungsstruktur ab. So liegt die Geburtenrate EU-weit derzeit bei 1,5 Kindern pro Frau. Diesem Umstand müssen wir in unserer Politik gebührend Beachtung zollen. Einerseits gilt es die Wichtigkeit von Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Jugendliche zu thematisieren. Die Forderung nach einer europäischen Jugendgarantie, bei der Jugendliche, ab einer Arbeitslosigkeitsdauer von max. 4 Monaten einen Arbeitsplatz, eine Lehrstelle oder eine andere Ausbildungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird, ist ein interessanter Vorschlag, den es zu vertiefen gilt. Andererseits muss auf die Bedeutung von "Aktivem Altern" sowie auf die Generationsgerechtigkeit hingewiesen werden. Hier gilt es auch in Zukunft anzusetzen. Ich spreche mich für den Bericht von Herrn Kollegen Mann aus.
Elżbieta Katarzyna Łukacijewska (PPE), schriftlich – (PL) Meine sehr geehrten Damen und Herren, der demografische Wandel, die abnehmende Zahl der Erwerbstätigen und die sinkende Geburtenrate machen den Faktor Alter zu einer neuen Ursache sozialer Ausgrenzung. Daher wäre eine intergenerationelle Initiative von größter Wichtigkeit, die die Situation unserer älteren Mitbürger sowie ihr Verhältnis zur übrigen Gesellschaft verbessern hilft. Besonderes Augenmerk sollte der Wohnsituation und Gesundheitsversorgung älterer Menschen gelten, speziell in bestimmten Regionen, in denen die Bevölkerung um 20 bis 30 % sinkt. In Bulgarien etwa beträgt die monatliche Durchschnittsrente etwa 100 EUR. Es muss also etwas getan werden, um die Situation der dortigen Rentner zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Ich möchte auf die Notwendigkeit hinweisen, einen Katalog der dringendsten Probleme zu erstellen, der als Grundlage zur Erarbeitung spezifischer Lösungen dienen kann. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir von denjenigen Regionen und Mitgliedstaaten lernen, die gute Konzepte zum Umgang mit den Auswirkungen einer alternden Gesellschaft entwickelt haben. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit dem Europäischen Jahr des aktiven Alterns. Vielen Dank.
Iosif Matula (PPE), schriftlich – (RO) Die meisten Mitgliedstaaten der EU verzeichnen eine Abnahme und Alterung ihrer Bevölkerung. Dieser demografische Wandel stellt eine der größten Herausforderungen für die Staatengemeinschaft dar. Die mit dieser Entwicklung verbundenen Risiken müssen zu einem Schwerpunktthema der Sozialpolitik auf EU-Ebene werden. Angesichts einer kontinuierlichen Alterung der Bevölkerung, sinkender Geburtenraten und demografischer Ungleichgewichte muss diese Politik konkrete Maßnahmen zur Lösung der damit verbundenen Probleme benennen. In den vergangenen 20 Jahren gab es in den Konvergenzregionen einen erheblichen Rückgang der Landbevölkerung. Insbesondere junge Menschen wanderten in die Städte ab. Gerade diese Gruppe spielt eine bedeutende Rolle für zentrale Ziele der Kohäsionspolitik, nämlich die Verringerung des sozialen Gefälles zwischen Stadt und Land sowie die Korrektur demografischer Diskrepanzen. Wir müssen den ländlichen Raum wieder attraktiver machen, indem wir etwa Investitionen fördern oder für den Ausbau von Breitband-Internetverbindungen sorgen. Eurostat zufolge wird sich die durchschnittliche Lebensarbeitszeit bis 2060 um 7 % verlängern. Folglich müssen die Mitgliedstaaten eine klare und kohärente Politik auf den Weg bringen, die Generationensolidarität fördert und in weit stärkerem Maße als heute die Beteiligung älterer Menschen am Arbeitsmarkt ermöglicht.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE), schriftlich – (RO) Ich stimme den Aussagen im Bericht des Kollegen Thomas Mann ausdrücklich zu. Die demografischen Probleme innerhalb der Europäischen Union werden immer deutlicher, insbesondere im ländlichen Raum. Statistiken zeigen, dass lediglich 7 % der europäischen Landwirte jünger sind als 35 Jahre, während in den kommenden 10 Jahren 4,5 Mio. Landwirte in den Ruhestand gehen werden. Wir stehen vor einem Rückgang der Erwerbstätigenzahl im ländlichen Raum, der sich in Zukunft negativ auf die Produktivität in der Landwirtschaft auswirken wird.
Wir brauchen neue Instrumente zur Lösung der demografischen Probleme im ländlichen Raum. Eine unserer wichtigsten Aufgaben in diesem Zusammenhang besteht darin, in ländlichen Gebieten Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen zu schaffen, um sie in der Region zu halten und Tätigkeiten im landwirtschaftlichen Bereich attraktiver zu machen. Ein weiterer entscheidender Aspekt: Alle Mitgliedstaaten müssen Vorruhestandsregelungen im Agrarbereich umsetzen und gleichzeitig Nachwuchs-Landwirte bei der Betriebsgründung unterstützen. Die Kombination beider Maßnahmen würde die Ansiedlung junger Landwirte gezielt fördern und darüber hinaus zu einer Modernisierung zahlreicher Betriebe führen. Schließlich sollten Fördermittel für landwirtschaftliche Projekte bereitgestellt werden, damit insbesondere junge Unternehmer einen Anreiz erhalten, im Agrarsektor tätig zu werden.
Kristiina Ojuland (ALDE), schriftlich – Herr Präsident, ich begrüße die Aussagen, die der Kollege Thomas Mann in seinem Bericht macht. Er spricht verschiedene zentrale Probleme an, denen die Europäische Union schon heute gegenübersteht oder mit denen sie in naher Zukunft konfrontiert sein wird. Die Proteste in Frankreich gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters zeigen eine deutliche Diskrepanz zwischen den Erwartungen der europäischen Bürger und den Fakten der allgemeinen demografischen Entwicklung. Die Lebenserwartung in Europa steigt kontinuierlich, während die Bevölkerungszahl schrumpft. Die Kombination dieser beiden Entwicklungen wird unweigerlich zu erhöhten Steuerbelastungen zukünftiger Generationen führen, wenn wir die Rentensysteme nicht umfassend reformieren. Die starke Ablehnung gegenüber der Rentenreform ist auf emotionaler Ebene gut verständlich. Berücksichtigt man aber die demografische Situation in Europa, so wird deutlich, dass der Vorschlag der französischen Regierung und seine Annahme durch das Parlament die einzige Möglichkeit sind, zukünftigen Schaden von Frankreichs Erwerbstätigen und Rentnern abzuwenden. Die Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern intensivieren, um ein Bewusstsein für den demografischen Wandel und seine Auswirkungen zu schaffen. Konsens ist eine unverzichtbare Grundlage zur Umsetzung notwendiger, wenn auch unpopulärer Reformen.
Siiri Oviir (ALDE), schriftlich – (ET) Die europäische Bevölkerung altert trotz Einwanderung und einer leicht erhöhten Geburtenrate nach wie vor jedes Jahr. Daraus erwachsen neue Probleme und Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Wenn wir uns die europäische Alterspyramide ansehen, wird deutlich, dass wir in Zukunft dem Arbeitsmarkt für ältere Menschen mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Im Übrigen bin ich wie der Berichterstatter der Ansicht, dass die Alterung der Bevölkerung auch Chancen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie Potenzial für Innovationen birgt. Dies wiederum trägt zu wirtschaftlicher Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Natürlich ist es wichtig, verstärkt ältere Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir müssen uns aber auch die Frage stellen, ob wir uns nicht, anstatt mit den Folgen, eher mit der Ursache des Problems befassen und einer Erhöhung der Geburtenrate oberste Priorität einräumen sollten. Die europäische Erfahrung mit der Integration von Einwanderern hat gezeigt, dass eine Verstärkung der Immigration der falsche Weg ist. Eine große Einwanderungswelle hat bei den Europäern die Angst geschürt, zu einer Minderheit im eigenen Land zu werden. Darüber hinaus gelten die Einwanderer vielen als nicht ausreichend integrationswillig. Beunruhigenderweise reagieren nicht wenige Europäer auf dieses Problem mit der Unterstützung rechtextremer politischer Gruppierungen, deren Ideologie in keiner Weise mit europäischen Werten vereinbar ist. Angesichts der demografischen Situation in Europa ist es bedauerlich, ja beinahe absurd, dass wir insbesondere in Osteuropa mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen haben und es nicht schaffen, junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ihr großes Potenzial adäquat zu nutzen und ihnen damit auch die gebührende Wertschätzung zukommen zu lassen. Wenn wir Konflikte im Zusammenhang mit der Verteilung gesellschaftlicher Lasten vermeiden wollen, muss es uns gelingen, Generationengerechtigkeit herzustellen.
Rovana Plumb (S&D), schriftlich – (RO) Europa altert schneller als andere Kontinente. Eine beunruhigende Tatsache besteht darin, dass der Altersquotient in der EU27, d.h. die Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und darüber geteilt durch die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre), sich vermutlich von 25,4 % im Jahr 2008 auf 53,5 % im Jahr 2060 verdoppeln wird. In Rumänien wird eine absolut alarmierende Steigerung dieses Altersquotienten von 21,3 % (2008) auf 65,3 % (2060) erwartet.
Angesichts des Ausmaßes und der Geschwindigkeit des Alterungsprozesses müssen die Mitgliedstaaten Aspekte wie Gleichstellung der Geschlechter, neue Formen der Arbeitsorganisation in Unternehmen, flexible Altersteilzeit-Modelle für den schrittweisen Übergang in den Ruhestand, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie die Umsetzung von Antidiskriminierungsrichtlinien bei der Bewerberauswahl und Berufsausbildung in ihre Arbeitsmarktpolitik integrieren.
Darüber hinaus richte ich an die Mitgliedstaaten folgende Forderungen:
– Sie sollen darauf hinwirken, dass Unternehmen Strukturen schaffen, die den Bedürfnissen älterer Mitarbeiter entsprechen. Dies bezieht sich insbesondere auf das Angebot von Altersteilzeitmodellen. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, welchen spezifischen Belastungen Arbeitnehmer in verschiedenen Berufsfeldern ausgesetzt sind und unter welchen Arbeits-, Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen sie ihre Tätigkeit ausüben.
– Für bestimmte Berufsgruppen mit gesundheitlich belastenden Arbeitsbedingungen sowie bei Vorliegen besonderer Umstände wie Umstrukturierungen oder betriebsbedingte Entlassungen muss weiterhin die Möglichkeit des Vorruhestands gegeben sein.
Joanna Senyszyn (S&D), schriftlich – (PL) Dieser Bericht ist sehr wichtig und muss von der Europäischen Kommission bei der Festlegung der Prioritäten und Planungen für 2012 berücksichtigt werden, dem Europäischen Jahr des aktiven Alterns und der generationenübergreifenden Solidarität. Ich habe das Thema des aktiven Alterns bereits mehrmals im Parlament zur Sprache gebracht und bin der Ansicht, dass sich die Europäische Union und alle Mitgliedstaaten in den kommenden Jahren schwerpunktmäßig damit befassen sollten.
Wir können die demografische Entwicklung nicht ändern. Angesichts der Alterung der europäischen Gesellschaft müssen wir Menschen im Rentenalter die Möglichkeit geben, am Arbeitsmarkt teilzuhaben. Wir sollten die wertvolle Erfahrung dieser Menschen nutzen und sie nicht zur altersbedingten Aufgabe ihrer Berufstätigkeit zwingen, wenn sie eigentlich weiterarbeiten möchten. Daher unterstütze ich die vom Berichterstatter vorgestellten Initiativen, insbesondere den Pakt 50plus und die Initiative für aktives Altern. Ebenfalls von herausragender Bedeutung ist die Initiative zur Gewährleistung einer angemessenen Rentenhöhe. In Übereinstimmung mit dem Bericht rufe ich den Rat und die Mitgliedstaaten auf, zügig die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass allen Rentnern innerhalb der Europäischen Union ein angemessenes, deutlich oberhalb der Armutsgrenze liegendes Rentenniveau garantiert wird. Wir müssen entschlossen gegen alle Formen der Diskriminierung gegenüber älteren Menschen vorgehen. Häufig wird fälschlicherweise davon ausgegangen, dass materielle Bedürfnisse mit zunehmendem Alter sinken. Senioren haben oft Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen. Altersbedingte Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt sind an der Tagesordnung. Dies führt nicht selten zu absurden Phänomenen: So finden etwa 40-jährige Frauen aus Altersgründen keine Arbeitsstelle mehr, während man andererseits von Hochschulabsolventen mehrere Jahre Berufserfahrung erwartet.
Anna Záborská (PPE), schriftlich – (SK) Der Weg aus der demografischen Krise führt über die Familie, denn die Schwächung der Rolle der traditionellen Familie ist die eigentliche Ursache des Problems, vor dem wir heute stehen. Mehr ältere Menschen und Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, kann nur als provisorische Lösung angesehen werden. Wir gewinnen dadurch Zeit, die wir dazu nutzen müssen, Anreize für junge Menschen zur Gründung einer Familie zu schaffen. Diese kurzfristige Strategie darf jedoch unseren langfristigen Zielen nicht entgegenstehen. Wir konzentrieren uns auf die Schaffung von Betreuungseinrichtungen, damit Mütter von Kindern im Vorschulalter ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen können. Dabei vergessen wir allzu leicht, dass sich die Grundzüge des Sozialverhaltens von Kindern in den ersten drei Lebensjahren entwickeln, dass sie in vielen Kinderkrippen eher rabiate Durchsetzungsfähigkeit als Respekt gegenüber anderen lernen und dass die in dieser Phase entwickelten Verhaltensmuster prägend für das gesamte spätere Leben sind. Betreuung durch die Eltern darf nicht zum Luxus werden, sondern muss der Normalfall sein. Kinderkrippen und Tagesstätten sind und bleiben ein mehr oder weniger problematischer Kompromiss. Werden hier die Grenzen des Vertretbaren überschritten, kann dies negative Konsequenzen haben, die wir heute noch gar nicht überblicken. Können wir zum Beispiel sicher sein, dass Menschen, die in ihrer Kindheit mehr Zeit mit Fremden verbracht haben als mit den eigenen Eltern, später im selben Maß wie die heutige Generation dazu bereit sind, Verantwortung für Alte, Bedürftige oder Behinderte zu übernehmen?