Der Präsident. – Ich habe mich sehr gefreut, als ich die Nachricht über das Ende des Hausarrests von Aung San Suu Kyi, der Führerin der Burmesischen Opposition, erhielt. Frau Suu Kyi gehört zu den ersten Preisträgern des Sacharow-Preises, der seit 1988 vom Europäischen Parlament verliehen wird. Es war ihr jedoch nicht möglich, ihn vor 20 Jahren selbst in Empfang zu nehmen. Ich möchte Sie gerne darüber informieren, dass ich Frau Suu Kyi bereits eine Einladung geschickt habe, das Europäische Parlament zu besuchen und bei einer unserer Sitzungen im Plenum zu sprechen.
Der 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, der vor 11 Jahren von der UN eingeführt wurde. Jeden Tag sind auf der ganzen Welt viele Frauen Opfer von Vergewaltigungen, Erniedrigung und häuslicher Gewalt. Besonders grausam ist die Beschneidung junger Frauen, die in vielen Regionen weltweit praktiziert wird. Schätzungsweise 8000 Frauen werden jeden Tag Opfer dieses Brauchs. Um Solidarität mit der Kampagne zur Beendigung dieses barbarischen Rituals zu zeigen, möchte ich Sie alle auffordern, ein Rosenblatt zu tragen, um unseren Widerstand gegen diese Praxis zu symbolisieren. Ich möchte auch betonen, dass das Europäische Parlament seit vielen Jahren immer wieder dazu aufgerufen hat, physische und mentale Gewalt gegen Frauen ausnahmslos zu beenden.
Der Präsident. – Herr Ramón Jáuregui Atondo wird ab dem 16. November 2010 durch Frau María Irigoyen Pérez ersetzt, worüber die verantwortlichen spanischen Behörden mich informiert haben. Ich möchte unser neues Mitglied willkommen heißen und daran erinnern, dass auf der Grundlage von Artikel 3 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments Frau Irigoyen Pérez ihren Sitz im Parlament und seinen Gremien einnehmen und alle dazugehörigen Rechte ausüben kann, bis ihre Unterlagen überprüft sind oder es betreffend Streitfragen ein Urteil gibt, sofern sie zuvor erklärt, dass sie keine Ämter bekleidet, die unvereinbar mit dem Mandat als Mitglied des Europäischen Parlaments sind.
Der Präsident. – Ich möchte Sie darüber informieren, dass Herr Claudiu Ciprian Tănăsescu am 15. November 2010 der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament beigetreten ist.
Ich möchte Sie auch darüber informieren, dass Herr Pino Arlacchi am 18. November 2010 der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament beigetreten ist.
6. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden
Der Präsident. – Hiermit informiere ich Sie darüber, dass der Präsident des Rates am Mittwoch 14 Rechtsakte unterschreiben wird, die gemäß des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nach Artikel 74 der Geschäftsordnung des Parlaments angenommen wurden. Die Titel dieser Rechtsakte werden im Protokoll der Sitzung veröffentlicht. Sie werden Ihnen zur Verfügung gestellt und Sie können sie jederzeit einsehen.
Der Präsident. – Die endgültige Version des Entwurfs der Tagesordnung, die bei der Konferenz der Präsidenten am Donnerstag, den 18. November 2010 gemäß Artikel 137 der Geschäftsordnung erstellt wurde, ist verteilt worden. Zu diesem Entwurf wurden folgende Änderungen beantragt:
Montag:
Die Fraktionen schlagen vor, die Aussprache über den Bericht von Herrn Berlinguer zu Aspekten des internationale Zivil-, Handels-, Familien- und Privatrechts im Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms von der Tagesordnung zu streichen. Daher wird morgen, am Donnerstag, direkt über den Bericht abgestimmt. Der Bericht wird bestehen bleiben. Es wird eine Abstimmung geben, aber keine Aussprache. Ich wiederhole: Alle politischen Fraktionen haben dieser Lösung zugestimmt und diese Lösung wird daher akzeptiert.
(Das Parlament genehmigt den Antrag.)
Dienstag:
Es werden keine Änderungsanträge vorgeschlagen.
Martin Schulz (S&D). - Herr Präsident! Für Dienstag stehen sechs Berichte der Kollegin Matera über die Nutzung des Globalisierungsfonds für die Niederlande auf der Tagesordnung. Ich ergreife deshalb dazu das Wort, weil ich es nicht korrekt finde, wie der Kollege Daul in dieser Frage in der niederländischen Presse attackiert wird. Kollege Daul hat in der Konferenz der Präsidenten die von verschiedenen Fraktionschefs diskutierte Frage aufgeworfen, ob man diese Berichte nicht im Lichte der Haushaltsdebatte absetzen sollte. Ich will dazu zwei Bemerkungen machen.
Erstens sollten wir diese Berichte auf der Tagesordnung lassen. Wir sollten sie auch verabschieden und dieses Geld aus dem Globalisierungsfonds in die Niederlande überweisen.
Zweitens aber: Der Kollege hat das in der Konferenz der Präsidenten in einer Bemerkung vorgeschlagen. Wenn das anschließend aus der Konferenz der Präsidenten in die Öffentlichkeit getragen wird und man nicht einmal die Gelegenheit hat, selbst befragt zu werden und eine eigene Erklärung dazu abzugeben, dann muss man als Fraktionsvorsitzender in dieser Konferenz der Präsidenten sich genau überlegen, was man dann noch sagen kann. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist: Es ist ja nicht das Europäische Parlament, das behauptet, hier würde Geld verschwendet. Es ist ein Teil der niederländischen Regierung – nicht die gesamte –, der ständig behauptet, in Europa werde Geld verschwendet und deshalb sollte Europa weniger Geld bekommen. Die Matera-Berichte zeigen im Gegenteil, dass das Geld aus diesem Haushalt sehr verantwortungsbewusst und – wie ich finde – in den Niederlanden für sehr wichtige Projekte ausgegeben wird. Deshalb: Die Verabschiedung dieser Berichte zeigt, dass die Kritik in den Niederlanden an diesem Haushalt nicht gerechtfertigt ist.
(Beifall)
Der Präsident. – Ich bin über die Angelegenheit informiert und ich weiß, was in der niederländischen Presse stand. Dennoch möchte ich Ihnen versichern, dass die Abstimmung über die Bereitstellung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung für die Niederlande morgen planmäßig durchgeführt wird. Nichts hat sich geändert. Die Abstimmung wird morgen stattfinden.
Mittwoch:
Ich habe eine Anfrage von der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke zur Aussprache über die Situation in der Westsahara erhalten: Die Abstimmung über die Entschließungsanträge zu diesem Thema sollten während dieser Sitzung stattfinden und nicht in der Sitzung im Dezember, wie es gegenwärtig geplant ist.
João Ferreira (GUE/NGL). – (PT) Herr Präsident, die Situation in der Westsahara ist ernst genug für das Parlament, vorerst keine Position zu dieser Angelegenheit zu beziehen. Die Fakten sind nicht zu leugnen und vollkommen klar. Wir haben Bilder von Zerstörung in den Sahrawi-Lagern gesehen, und wir wissen, dass diese Zerstörung Tote und Verletzte zur Folge hatte und viele Menschen werden noch vermisst. Wir wissen, dass ein Mitglied dieses Hauses daran gehindert wurde, die Lager zu besuchen und von den marokkanischen Behörden ausgewiesen wurde, und wir wissen, dass es auch Mitgliedern von nationalen Parlamenten, Journalisten und Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen (NRO) genauso erging. Da wir das wissen, können wir es nicht einfach ignorieren.
Bei dieser Angelegenheit keine Position zu beziehen, wäre jetzt eine unverständliche und nicht hinnehmbare selbstzufriedene Haltung. Es wäre sogar ein Akt der Mittäterschaft und würde nur von der Würde dieser Institution und den Werten, die sie zu verteidigen behauptet, ablenken. Ich möchte daher jeden aufrufen, eine verantwortungsvolle Entscheidung zur Unterstützung der Abstimmung über eine Entschließung zu dieser Angelegenheit während dieser Sitzung zu treffen und für diesen Vorschlag zu stimmen.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – Herr Präsident, ich denke, die Argumente der GUE/NGL-Fraktion sind absolut relevant und zwingend; daher werde ich diese Position unterstützen.
Martin Schulz, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident! Ich bitte den Kollegen Ferreira einen Moment um Aufmerksamkeit. Wir haben in der Konferenz der Präsidenten und bei der Vorbereitung der Konferenz der Präsidenten dieses Thema sehr intensiv diskutiert. Ich will für meine Fraktion sagen: Wir sind sehr besorgt über das, was in der Westsahara vorgeht. Wenn die Bilder zutreffen, die wir da gesehen haben, dann muss das nicht nur eine seriöse Debatte, sondern gegebenenfalls Konsequenzen nach sich ziehen. Das spricht aber dafür, dass man seriös vorgehen muss. Zu diesem seriösen Vorgehen gehört: Wir diskutieren in dieser Woche über die Ereignisse. Jetzt hat sich auf unser Bitten hin der marokkanische Außenminister bereit erklärt, in den Auswärtigen Ausschuss zu kommen. Das muss er nicht. Der marokkanische Außenminister muss nicht in den Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments kommen. Dass er es dennoch tut, sollte meiner Meinung nach von uns genutzt werden, um ihn zunächst mit den Vorwürfen zu konfrontieren und erst danach eine Resolution zu verabschieden. Ich glaube, dass das wesentlich seriöser ist, als jetzt eine Resolution zu verabschieden und ihn danach anzuhören. Lassen Sie uns doch die Resolution im Lichte der Information und der Befragungsmöglichkeiten beschließen, die der Auswärtige Ausschuss gegenüber dem marokkanischen Außenminister hat. Das halte ich persönlich für die seriösere Vorgehensweise. Das war übrigens bis heute Nachmittag Konsens zwischen allen Fraktionen
Der Präsident. – Der Antrag wurde von der Mehrheit unterstützt, sodass die Abstimmung gemäß Herrn Ferreiras Vorschlag diese Woche stattfinden wird.
(Das Parlament genehmigt den Antrag.)
Ich werde Ihnen die Fristen mitteilen. Die Abstimmung findet am Donnerstag statt. Es gibt die folgenden Fristen: Entschließungsanträge müssen bis morgen, den 23. November, um 12.00 Uhr eingereicht werden. Änderungsanträge und gemeinsame Entschließungsanträge müssen bis Mittwoch, den 24. November, um 12.00 Uhr eingereicht werden; Änderungsanträge für gemeinsame Entschließungsanträge bis Mittwoch, den 24. November, um 13.00 Uhr; das heißt eine Stunde später. Ich wiederhole: Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.
Daniel Cohn-Bendit (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, ich würde meine Kollegen gerne etwas fragen.
Es gibt eine Notsituation in Tibet und es bestehen Sorgen bezüglich Chinas Bestrebungen, den Tibetern die chinesische Sprache aufzuzwingen. Ich glaube, dass dies eine Angelegenheit ist, die eine Aussprache im Plenum in Anwesenheit von Baroness Ashton erforderlich macht. Ganz unabhängig von dieser Notsituation ist es wirklich die in Tibet verfolgte Politik, die problematisch ist.
Ein Notfall? Nun gut. Wenn die Mehrheit diese Angelegenheit aus diesem Blickwinkel betrachten möchte, ist das okay. Da die Tagesordnung für Dezember ziemlich klar ist, würde ich gerne eine Aussprache über dieses Problem und die Chinapolitik der Europäischen Union in Anwesenheit von Baroness Ashton durchführen und zu dieser Angelegenheit eine Entschließung annehmen. Ich denke, das wäre intelligenter.
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Cohn-Bendit. Dies kann auch der Konferenz der Präsidenten vorgeschlagen werden. Als Fraktionsvorsitzender können Sie dies jederzeit tun, Herr Cohn-Bendit. Ich danke für Ihren Kommentar.
Donnerstag:
Es werden keine Änderungsanträge vorgeschlagen.
(Der Arbeitsplan wird entsprechend festgelegt.)
13. EZB-Jahresbericht 2009 - Neueste Entwicklungen bei den internationalen Wechselkursen (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
– den Bericht von Herrn Balz im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über den Jahresbericht der EZB für 2009(2010/2078(INI)) (A7-0314/2010), und
– die Erklärung der Kommission zur jüngsten Entwicklung der internationalen Wechselkurse (2010/2914(RSP)).
Burkhard Balz, Berichterstatter. − Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde ja eben schon zu etwas mehr Ruhe aufgerufen, vielleicht kann der eine oder andere Kollege sich auch daran halten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Bericht behandelt heute im Wesentlichen die Leistung der Europäischen Zentralbank 2009, also während einer Zeit, in der die wirtschaftlichen, finanziellen und in zunehmendem Maße auch die politischen Aktionen in weiten Teilen von der Wirtschafts- und Finanzkrise dominiert wurden. Die Krise, die zuerst eine reine Finanzkrise war, weitete sich aus und erfasste in einer zweiten Welle auch die gesamte Realwirtschaft. Die wirtschaftliche Tätigkeit ging weltweit zurück, sinkende Steuereinnahmen und krisenbedingt steigende Sozialausgaben führten zu wachsender Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Zusätzliche Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft trugen auch zur Verschuldung bei. Diese gestiegene Verschuldung brachte Regierungen in der gesamten Europäischen Union dazu, weitreichende Sparpakete zu schließen. Diese Pakete waren meiner Ansicht nach erforderlich und in manchen Fällen sogar überfällig. Sie schränkten jedoch die Handlungsfähigkeit der jeweiligen Regierungen ein.
Trotz der im zweiten Halbjahr 2009 beginnenden Erholung der wirtschaftlichen Tätigkeit drohte die Finanz- und Wirtschaftskrise demnach 2010, sich im Zuge einer dritten Welle zu einer öffentlichen Schuldenkrise auszuweiten. Diese Gefahr ist meiner Ansicht nach noch nicht gebannt. Wir wurden in den letzten Tagen durch den irischen Fall nur allzu deutlich daran erinnert, dass das Problem der Überschuldung der Mitgliedstaaten noch keineswegs geklärt ist, und deshalb stimme ich auch Herrn Van Rompuy zu: Ein Ende des Euro ist indiskutabel. Aber dies ist die aktuelle Lage, und mein Bericht beschäftigt sich nun einmal mit 2009, und hier kann man sagen, dass die EZB auf die Herausforderungen angemessen, ja sogar gut reagiert hat. Ihre Maßnahmen erwiesen sich als umfassend erfolgreich und bewahrten viele Finanzinstitute vor dem Zusammenbruch. Allerdings wurden die Liquiditäten von den Finanzinstituten nicht immer in vollem Umfang an die Realwirtschaft weitergereicht, so dass sich das ganze Erholungspotenzial der Maßnahmen nicht voll entfalten konnte.
Da es sich bei diesen Maßnahmen um außergewöhnliche Schritte handelte, ist nun der sorgfältig geplante und umsichtige Abbau der Maßnahmen essentiell. Die Probleme in Griechenland und anderen Euro-Staaten mögen teilweise hausgemacht sein, doch haben sie auch grundsätzliche Probleme der Wirtschafts- und Währungsunion deutlich gemacht. Diese Grundsätze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wurden verletzt. Wir erleben nun die Folgen, auch aktuell in Irland. Diese Verletzungen müssen nun behoben werden, neue Verstöße müssen verhindert werden. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss gestärkt werden, und die Wirtschafts- und Währungsunion muss besser ausbalanciert werden.
Die fehlende Integration der Wirtschaftspolitiken innerhalb der Währungsunion machte in der Vergangenheit erhebliche wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Ländern des Euro-Raumes möglich und ließ das Euro-Gebiet ohne den im Voraus definierten Mechanismus zum Krisenmanagement zurück. Das Euro-Gebiet wird dieses Ungleichgewicht lösen müssen, um einer neuen Krise vorzubeugen. Zusammen mit einer Überarbeitung des finanzpolitischen Regelungsrahmens kann der strukturelle Reformprozess das Euro-Gebiet jedoch letztlich stärken. Die Frage der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank wird dabei auch in einer neuen ökonomischen Governance ein wesentlicher Aspekt sein, insbesondere in Bezug auf den neu gegründeten Europäischen Rat für systemische Risiken. Deshalb wird das Parlament seine Aufgabe der Prüfung der Leistung der EZB auch in Zukunft sehr ernst nehmen.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Europäische Union und das Euro-Gebiet aus dieser Krise herausfinden und sogar gestärkt hervorgehen können. Wir müssen allerdings in den nächsten Monaten die richtigen Lehren ziehen. Dies ist eine große Herausforderung, doch hat die Europäische Union in ihrer bisherigen Geschichte stets bewiesen, dass sie sich am besten dann weiterentwickelt hat, wenn sie Herausforderungen bewältigen musste. Diese Krise stellt deshalb auch eine Gelegenheit dar, die wir nutzen sollten.
Abschließend möchte ich allen Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen für die äußerst angenehme und konstruktive Zusammenarbeit bei diesem Bericht danken. Ich denke, das ist nicht selbstverständlich, aber es sollte hier hervorgehoben werden.
Jean-Claude Trichet, Präsident der EZB. – (FR) Herr Präsident, Herr Balz, meine Damen und Herren, ich habe die Ehre, ihnen nach Maßgabe des Vertrags den Jahresbericht der Europäischen Zentralbank für 2009 vorzulegen. Da der Zeitplan, insbesondere aufgrund der Europawahl, nicht ganz eingehalten werden konnte, sprach ich im letzten März mit Ihnen über den vorhergehenden Jahresbericht. Daher ist dies das zweite Mal, dass ich in diesem Jahr vor dem Parlament spreche.
Zuerst möchte ich Ihnen sagen, wie erfreut ich über die neuerliche Unterstützung bin, die in dem Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments, der regelmäßige Anhörungen vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung vorsieht, zum Ausdruck kommt. Außerdem beinhaltet der Antrag den allgemeinen Wunsch nach dem Aufbau enger Beziehungen zur Europäischen Zentralbank. Ich begrüße diesen Wunsch insbesondere, da das Europäische Parlament sehr überzeugend seinen Willen und seine Fähigkeit demonstriert hat, das vorrangige europäische Interesse durchzusetzen, insbesondere im Hinblick auf das Finanzaufsichtspaket.
Präsident der Europäischen Zentralbank. − Ich werde Ihnen zunächst einen kurzen Überblick über die geldpolitischen Maßnahmen der EZB während der Finanz- und Wirtschaftskrise geben. Über die Krisenzeit hinaus möchte ich auch auf die EZB während der ersten zwölf Jahre zurückblicken. Schließlich möchte ich auf die dringendsten Herausforderungen eingehen, die uns im Jahre 2011 erwarten.
Präsident der Europäischen Zentralbank. − Herr Präsident, lassen Sie mich zuerst die Maßnahmen erwähnen, die in der Krise durchgeführt wurden.
2009 war für die Währungspolitik der EZB ein Jahr mit großen Herausforderungen. Es begann mit einem schweren weltweiten Konjunkturrückgang infolge des Ausbruchs der Finanzkrise im Herbst 2008. In diesem Umfeld von gedämpftem Inflationsdruck führten wir unsere Politik fort, die Leitzinsen weiter zu senken. In einem Zeitraum von nur sieben Monaten – zwischen Oktober 2008 und Mai 2009 – senkten wir unseren Hauptrefinanzierungssatz um 325 Basispunkte. Damit lag unser Hauptrefinanzierungssatz bei 1 %.
Um sicherzustellen, dass Haushalte und Unternehmen im Eurogebiet von diesen sehr vorteilhaften Finanzierungsbedingungen profitieren können, führten wir diese Politik 2009 fort – und wir weiteten sogar unsere erweiterte Kredithilfe für Banken des Eurogebiets aus. Diese Maßnahmen sind als Reaktion auf die funktionsgestörten Geldmärkte anzusehen, welche die Fähigkeit der Währungspolitik beeinträchtigt hatten, die Preisstabilität alleine durch Anpassung der Zinsen zu beeinflussen. Unter diesen außerordentlichen Maßnahmen – wie wir sie bezeichnen – ist die bekannteste die Bereitstellung von Liquidität über Mengentender mit Vollzuteilung durch unsere Refinanzierungsgeschäfte mit Banken des Euro-Gebiets gegen gute Sicherheiten und zum damaligen Hauptrefinanzierungssatz für mehrere fällige Kredite mit einer Laufzeit, welche die wöchentlichen Geschäfte weit überschritt. 2009 haben wir auch die Laufzeit von unseren längerfristigen Refinanzierungsgeschäften auf ein Jahr ausgedehnt. Dies waren natürlich Entscheidungen von größter Bedeutung.
Wie in Ihrem Entwurf einer Entschließung zum Jahresbericht der EZB zu Recht hervorgehoben, war diese erweiterte Kreditunterstützung erfolgreich bei der Verhinderung einer Depression oder einer viel tieferen Rezession, was hätte eintreten können, wenn weitere monetäre Spannungen beobachtet worden wären. Lassen sie mich betonen, dass alle unsere Maßnahmen im Rahmen unseres Mandats durchgeführt wurden, um mittelfristig für das gesamte Eurogebiet Preisstabilität zu gewährleisten. Dass wir in der Lage waren, gemäß unserem Mandat glaubhaft zu handeln, spiegelt sich in einer günstigen Inflationsprognose und in der Erwartung einer geringen Inflationsrate im Eurogebiet wider.
Nach den Verbesserungen der Bedingungen der Finanzmärkte während des Jahres 2009 gab es erneute Spannungen in einer Reihe von Segmenten des Anleihenmarktes des Eurogebiets. Da ein reibungsloses Funktionieren des Anleihenmarktes entscheidend für die Weitergabe des Leitzinssatzes der EZB ist, entschieden wir, bei den Schuldtitelmärkten des Eurogebiets zu intervenieren, um die Wiederherstellung einer normalen Übertragung der Währungspolitik auf die Wirtschaft zu unterstützen. Daher führten wir unser Programm für den Wertpapiermarkt ein. Um sicherzustellen, dass dieses Programm nicht unseren Standpunkt bei der Währungspolitik beeinflusst, absorbieren wir die injizierte Liquidität erneut.
Lassen Sie mich zusammenfassend betonen, dass alle außerordentlichen Maßnahmen, die wir während der Zeit akuter Spannungen auf den Finanzmärkten ergriffen haben, vorübergehende Maßnahmen sind, deren Ende abzusehen ist und die dementsprechend ausgerichtet sind. Einige der 2009 und Anfang 2010 eingeführten außergewöhnlichen Maßnahmen wurden in Anbetracht der Verbesserungen auf einigen Finanzmärkten und der anhaltenden Erholung der Wirtschaft im Eurogebiet wieder schrittweise aufgehoben.
Lassen Sie mich einige Gedanken zur Erfolgsbilanz des Euro ausführen. Aus meiner Sicht sind drei Elemente entscheidend.
Zunächst hat die EZB das erreicht, was von ihr entsprechend ihres vertragsgemäßen Auftrags erwartet wird: Preisstabilität. Die durchschnittliche Inflation im Eurogebiet lag in den vergangenen fast 12 Jahren bei 1,97 %. Dies entspricht vollkommen unserer Definition von Preisstabilität. Es ist unser Ziel, die jährliche Inflationsrate im Eurogebiet unter 2 % und mittelfristig nahe 2 % zu halten. In diesem Sinne hat das Eurosystem in den vergangenen 12 Jahren als ein Anker für Stabilität und Vertrauen fungiert und dies war auch in der jüngsten Vergangenheit der Fall, trotz eines Umfeldes voller Herausforderungen, welches durch die weltweite Finanzkrise verursacht wurde.
Zweitens – und das lässt uns positiv über die Glaubwürdigkeit der Währungspolitik der EZB denken – sind die Inflationserwartungen, wie ich es gesagt habe, auf einem niedrigen Niveau entsprechend der Preisstabilität geblieben.
Drittens ist dieser Erfolg – da sind wir sicher – mit der vollkommenen Unabhängigkeit der EZB von politischem Einfluss, ihrem vorrangigen Auftrag der Erhaltung der Preisstabilität und ihrer transparenten Kommunikation, insbesondere im Hinblick auf die Definition von Preisstabilität, zu begründen. Die Zwei-Säulen-Strategie der EZB bei der Währungspolitik ermöglicht eine vorwärtsgewandte und mittelfristig orientierte Handlungsweise, die von einem soliden analytischen Rahmen untermauert ist. Dieser Rahmen beinhaltet eine sorgfältige Analyse der Entwicklung von Währungen und Krediten, wobei die währungspolitische Natur der Inflation mittel- und längerfristig berücksichtigt wird.
Wir denken, dass dieser umfassende Ansatz konsistente, auf guten Informationen basierende Entscheidungen ermöglicht, wobei wir mit Bedacht handeln und über kurzfristige Schwankungen hinaus denken sollten.
Was die externe Dimension unserer Währung betrifft, möchte ich nur sagen, dass sich unsere Währung international bewährt hat. 2009 repräsentierte der Euro etwa 30 % des Bestandes an internationalen Schuldverschreibungen und weltweiten Devisenreserven.
Wenn ich über die externe Dimension des Euro rede, möchte ich etwas zum Thema der aktuellen Wechselkurse sagen, wobei ich zu großer Vorsicht aufrufe.
Es gibt zwei Schwerpunkte. Einer ist die Beziehung zwischen den wichtigsten frei handelbaren Währungen der industrialisierten Staaten, wie dem Dollar, dem Euro, dem Yen, dem Pfund Sterling und dem Kanadischen Dollar. Diese Währungen sind seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems Anfang der 1970er-Jahre frei handelbar. Ich möchte die in der internationalen Gemeinschaft weit verbreitete Meinung hervorheben, dass übermäßige und ungeordnete Schwankungen der Wechselkurse negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität haben.
Lassen Sie mich sagen, dass die EZB die jüngsten Erklärungen der US-Behörden, und zwar die Aussagen des amerikanischen Finanzministers und des Vorsitzenden der US-Notenbank, begrüßt, die wiederholten, dass ein gegenüber anderen handelbaren Währungen starker Dollar im Interesse der Vereinigten Staaten ist. Ich bin genau dieser Meinung. Ein starker Dollar unter den wichtigsten Währungen der entwickelten Volkswirtschaften ist im Interesse der Vereinigten Staaten, Europas und der internationalen Gemeinschaft.
Der zweite Punkt betrifft die Währungen der aufstrebenden Marktwirtschaften, welche derzeit Leistungsbilanzüberschüsse und Wechselkurse haben, die nicht ausreichend flexibel sind. Bei diesem Thema ist sich die internationale Gemeinschaft einig – was in der letzten Woche in Korea sowie von der Kommission wiederholt erklärt wurde –, dass die Bildung von marktbestimmten Wechselkurssystemen sowie eine Stärkung der Wechselkursstabilität zur Widerspiegelung zugrunde liegender fundamentaler Wirtschaftsdaten und eine Abkehr von einem Abwertungswettlauf von Währungen im Interesse der betreffenden aufstrebenden Volkswirtschaften und der internationalen Gemeinschaft sind.
Die EZB hat immer gesagt, dass dies keine Zeit für Selbstzufriedenheit ist. Das trifft jetzt mehr zu als je zuvor. Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind vielfältig. Alle zuständigen Behörden sowie der private Sektor müssen ihre volle Verantwortung übernehmen und dies betrifft die Exekutive, Zentralbanken, Regulierungsbehörden, Aufsichtsbehörden, den Privatsektor und die Finanzindustrie. Die gegenwärtige Krise hat in besonderer Weise gezeigt, dass die Umsetzung ambitionierter Reformen im Bereich der Economic Governance sowohl im Interesse der Länder des Eurogebiets als auch im Interesse des gesamten Euroraums liegt.
Die von Präsident Van Rompuy zur Reform der Economic Governance der EU gemachten Vorschläge, die auf der Tagung des Europäischen Rates im Oktober 2010 befürwortet wurden, stellen eine Verbesserung des gegenwärtigen Aufsichtsrahmens auf EU-Ebene dar, und sie erscheinen allgemein angemessen für die EU-Staaten, die nicht an der Währungsunion teilnehmen. Was die besonderen Anforderungen des Eurogebiets betrifft, halten wir sie jedoch nicht für ausreichend, um das bestmögliche Funktionieren der Wirtschaft im einheitlichen Währungsraum zu gewährleisten.
Ich bin überzeugt, dass das Europäische Parlament Europa helfen wird, den notwendigen Quantensprung im Bereich der Economic Governance in die Realität umzusetzen. Mit seiner legislativen Rolle bei der Finanzaufsicht und dem ESRB hat das Parlament seine Zielstrebigkeit bei wichtigen Themen unter Beweis gestellt.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Ihnen dafür zu danken und noch einmal meine Überzeugung aussprechen, dass der Einfluss des Parlaments in der Debatte über Economic Governance entscheidend sein wird.
Eine weitere wichtige Herausforderung betrifft die Regulierung der Finanzmärkte. Wir sollten die Lehren aus der Finanzkrise ziehen und die vorhandene Dynamik für eine Finanzmarktreform nutzen. Wie es aus Ihrem Entschließungsentwurf hervorgeht, ist eine zügige Umsetzung von Basel III von entscheidender Bedeutung. Die Legislativvorschläge der Kommission zu Leerverkäufen und im Freiverkehr gehandelten Derivaten sind ebenfalls unabkömmlich, um das Finanzsystem transparenter und belastbarer zu machen.
Wir haben ein entscheidendes Jahr vor uns. 2011 sollte der überarbeitete Kontrollrahmen angenommen werden, es müssen eingehende Diskussionen über den Krisenmanagement-Rahmen geführt werden und möglicherweise wird auch mit den Vorbereitungen für eine Vertragsänderung begonnen. Wir müssen alle diese Reformen richtig umsetzen, damit wir sicherstellen können, dass Europa als Ganzes und der Euroraum zukünftigen Herausforderungen gestärkt und überzeugender entgegentreten kann.
2011 wird auch das erste Jahr sein, in dem der Europäische Ausschuss für Systemrisiken seine Arbeit aufnimmt. Wie Sie es in Ihrem Entschließungsentwurf fordern, tun wir alles, um diese neue Institution zu unterstützen. Natürlich bleiben gleichzeitig die im Maastricht-Vertrag festgeschriebene vollkommene Unabhängigkeit und das grundlegende Mandat der EZB unverändert, und ich habe diesen Punkt bereits vorher im Parlament hervorgehoben.
Wir werden unsere Aufgabe weiterhin erfüllen. Das ist es, was der Vertrag von uns verlangt. Sie können uns vertrauen, dass wir das tun werden, was unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von uns erwarten.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, lassen Sie mich zuerst dem Berichterstatter, Herrn Burkhard Balz, für seinen soliden und umfassenden Bericht zum Jahresbericht 2009 der EZB danken. Die Kommission begrüßt den Bericht, welcher die entscheidenden Themen angemessen behandelt. Der Bericht erkennt und lobt die geleistete Arbeit der EZB bei der Bewältigung der Krise. Die Kommission teilt diese Meinung. Die EZB hat unter der Führung von Präsident Jean-Claude Trichet gekonnt und mit ruhiger Hand einen Weg durch diese schwierige Situation gefunden.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Jean-Claude Trichet für eine exzellente Zusammenarbeit und besonders für seine entscheidende Rolle in dieser turbulenten Zeit zu danken. Die EZB war durch ihre Überwachungsfunktion und ihre außergewöhnlichen Maßnahmen sehr hilfreich bei der Lösung akuter Probleme und der Krisenbewältigung und hat damit den Grundstein für nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen gelegt.
Ihr Bericht betont zu Recht, dass die Finanzkrise die Notwendigkeit einer verstärkten Aufsicht der Wirtschaft im Eurogebiet aufgezeigt hat. Die Kommission stimmt darin überein und genau deswegen haben wir einige Legislativvorschläge gemacht, um Economic Governance in der EU und speziell im Eurogebiet zu stärken.
Wir haben auch mehrere Vorschläge aus dem Feio-Bericht aufgenommen, um die Economic Governance in der Union zu erweitern und zu stärken. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hat die Vorschläge der Kommission erhalten und versucht zur Zeit, die ambitionierte Frist bis Juni nächsten Jahres einzuhalten, was ich sehr begrüße.
Lassen Sie mich jetzt zum zweiten Teil der Aussprache kommen, welche sich mit der jüngsten Entwicklung der internationalen Wechselkurse beschäftigt. Es ist richtig, dass die Schwankungen an den Wechselkursmärkten in den letzten Wochen zugenommen haben und dass es bei den Werten wichtiger bilateraler Wechselkurse bedeutende Verschiebungen gab.
Der Euro hat aufgrund stärkerer Daten für die Wirtschaft im Eurogebiet und der weiterhin expansiven amerikanischen Währungspolitik seit Juni dieses Jahres gegenüber dem Dollar an Wert gewonnen. In letzter Zeit hat der Euro allerdings gegenüber den meisten Währungen wieder etwas an Wert eingebüßt. Dies ist die Auswirkung von wachsender Sorge um die öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten – vor allem in Irland. Der reale Wert des Euro liegt derzeit infolge einer allgemeinen Wertminderung in diesem Jahr, nach der Überbewertung Ende letzten Jahres, etwa bei seinem langfristigen Durchschnitt. Der Euro hat seit Anfang des Jahres real etwa 7 % seines Werts verloren.
Im Umfeld einer langsamen Erholung in entwickelten Volkswirtschaften und großer Kapitalströme in Schwellenländer haben viele Länder das Ziel, ihre Währung zu schwächen oder wenigstens nicht im Vergleich mit anderen Währungen aufzuwerten. Es ist daher wichtig, dass sich Entscheidungsträger beim G20-Gipfel in Seoul in der letzten Woche ganz klar und eindeutig dafür eingesetzt haben, keinen Abwertungswettbewerb zu beginnen.
Beim G20-Gipfel wurde sich auch darauf verständigt, weiter daran zu arbeiten, wieder ein Gleichgewicht beim weltweiten Wachstum herzustellen. Es wurde eine Einigung zur Erarbeitung von indikativen Leitlinien erzielt. Es ist klar, dass die Flexibilität der Wechselkurse bei der notwendigen erneuten Gleichgewichtung eine Rolle spielen muss, damit Wechselkurse wirtschaftliche Rahmendaten widerspiegeln, wie es von Präsident Trichet betont wurde. Die Kommission wird weiterhin diesen wichtigen Bestandteil der Arbeit der G20 unterstützen. Dies wird auch eines der wichtigsten Themen während Frankreichs G-20-Vorsitz im nächsten Jahr sein.
Am Ende muss ich Sie über eine wichtige Entwicklung informieren, die den Euroraum betrifft. Gestern, als der ECOFIN-Rat die Bitte der irischen Regierung um finanzielle Hilfe von der EU begrüßte, stimmten die Minister mit der Kommission und der EZB überein, dass Hilfe für Irland gewährt wird, um die finanzielle Stabilität in Europa zu sichern. Finanzielle Hilfe der EU kann im Rahmen eines Programms gewährt werden, das rigorose Bedingungen für Maßnahmen beinhaltet, die gegenwärtig von der Kommission und dem IWF in Zusammenarbeit mit der EZB mit den irischen Behörden ausgehandelt werden. Das Programm wird haushaltspolitischen Herausforderungen der irischen Wirtschaft entschieden entgegentreten und das Programm wird auch einen Fonds für zukünftigen Kapitalbedarf des Bankensektors beinhalten. Um die Spannungen im Bankensektor zu reduzieren, müssen umfassende Maßnahmen ergriffen werden, darunter Entschuldung und Umstrukturierung, um dazu beizutragen, dass sichergestellt werden kann, dass das irische Bankensystem seine Rolle innerhalb einer funktionierenden Gesamtwirtschaft angemessen erfüllt.
Die technischen Gespräche über ein EU-IWF-Programm laufen jetzt und die Verhandlungen können Ende November abgeschlossen werden. Ich kann Sie informieren, dass neben der EU und dem IWF das Vereinigte Königreich und Schweden angedeutet haben, dass sie bereit sind, mit bilateralen Darlehen zur Finanzierung beizutragen, was zu begrüßen ist.
Zusammengefasst sind die Entscheidungen von gestern ein entscheidender Schritt bei den gemeinsamen Anstrengungen, die irische Wirtschaft zu stabilisieren und damit die finanzielle Stabilität in Europa sicherzustellen.
Jean-Paul Gauzès, Im Namen der PPE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Trichet, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, natürlich schließe ich mich dem Lob für die Arbeit der EZB an, und ich möchte nicht das wiederholen, was mein Kollege, Herr Balz, gesagt hat, oder was in der Entschließung steht. In der kurzen Zeit, die mir zusteht, möchte ich einfach sagen, dass wir an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger denken müssen.
Warum sage ich das heute auf diese Weise? Weil gestern Abend im französischen Fernsehen auf allen Kanälen ein zukünftiger Präsidentschaftskandidat sich auf spektakuläre Weise selbst darstellte, indem er einen 10-Euro-Schein zerriss, den er kopiert und vergrößert hatte. Mit dem Zerreißen der Banknote wollte er zeigen, dass er dadurch den Grund all unserer Probleme beseitigen kann.
Das ist natürlich nicht wahr. Alles, was wir benötigen, ist die gemeinsame Anstrengung, zu kommunizieren. Die geleistete Arbeit bei der durchgeführten Finanzaufsicht, Organisation und Regulierung, auf die Sie sich bezogen haben, Herr Präsident, ist hervorragend. Sie wissen, dass Sie die Unterstützung des Parlaments haben: Sie sagten das selbst. Wir haben aber eine ernste Aufgabe im Hinblick auf diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger vor uns, welche die übermittelten Botschaften nicht verstehen.
Jeden Tag beinhalten die Titel der Presse makabrere Lösungen und unwahrscheinlichere Situationen, und ich kann Ihnen sagen, dass ich am Freitag, als ich mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt kam, wie wir es in der Politik sagen, 100 bis 150 Menschen traf. Sie alle stellten mir dieselbe Frage: Was wird aus dem Euro? Die Angst, die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger verspüren, existiert, unabhängig von dem, was von der Europäischen Zentralbank geleistet wird.
George Sabin Cutaş, im Namen der S&D-Fraktion. – (RO) Herr Präsident, zuerst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Balz, für seine Zusammenarbeit danken. Ich begrüße auch die Tatsache, dass der Europäischen Zentralbank infolge des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon der Status eines Gemeinschaftsorgans gewährt wurde.
Zweitens möchte ich auch hervorheben, dass es beträchtliche makroökonomische Disparitäten zwischen den Volkswirtschaften im Eurogebiet gibt. Dies steigert die Notwendigkeit nach weiterer Harmonisierung von Wirtschafts- und Währungspolitik. Der Wachstums- und Stabilitätspakt ist kein angemessenes Instrument für die Aufhebung des gegenwärtigen wirtschaftlichen Ungleichgewichts. Ein Ausweg aus dieser festgefahrenen Situation könnte die Ausgabe von Staatsanleihen auf EU-Ebene sein. Dieser Solidaritätsmechanismus würde Mitgliedstaaten in ernsten Notlagen eine stabile Finanzierung ermöglichen, er würde die Haushaltsaufsicht effektiver machen und er würde die Liquidität deutlich verbessern. Die Einheitswährung sollte durch Straffung der Finanzpolitik und gemeinsame langfristige Verbindlichkeiten ergänzt werden.
Das rücksichtslose Verhalten von Akteuren auf den Finanzmärkten hat zum Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise beigetragen. Zusätzlich haben die jüngsten Angriffe von Spekulanten auf gewisse Mitgliedstaaten es diesen schwer gemacht, Geld auf den internationalen Finanzmärkten zu leihen und damit wurde eigentlich die Stabilität des gesamten Eurogebiets beeinträchtigt. Ich denke daher, dass ein dauerhafter Mechanismus zum Schutz des Eurogebiets gegen Angriffe von Spekulanten erforderlich ist. Es ist die Pflicht der Europäischen Kommission, die Aktivitäten der bestehenden Rating-Agenturen zu überwachen und eine Struktur für eine Rating-Agentur auf EU-Ebene zu entwickeln.
Wir müssen auch bedenken, dass die Sparmaßnahmen, die von den nationalen Regierungen angenommen wurden, die Wahrscheinlichkeit einer Erholung der europäischen Wirtschaft deutlich verringern könnten. Daher ist ein Modell für die Economic Governance auf EU-Ebene erforderlich, das sowohl eine Haushaltskonsolidierung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen beinhaltet.
Die Kommission muss auch klare Ziele für die Verringerung der Wettbewerbsunterschiede zwischen den Volkswirtschaften der EU vorschlagen und zu guter Letzt bei den Investitionen in grüne Energie Fortschritte machen.
Sylvie Goulard, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, zuerst möchte ich mich dem Lob für den Berichterstatter anschließen, der – so denke ich – das Thema sehr klar dargestellt hat.
In seinem Bericht betont er die Innovationen, die der Vertrag von Lissabon beinhaltet und ich möchte Ihnen wirklich danken, Herr Trichet, dass Sie heute Abend wieder diejenigen unter uns, die sich offensichtlich nicht der Tatsache bewusst sind, dass der Vertrag von Lissabon eine bedeutende Innovation beinhaltet, daran erinnert haben – darunter sind auch genau diejenigen, die ihn unterschrieben und ratifiziert haben. Wir werden in diesem Plenarsaal die Reform des Stabilitätspaktes öffentlich diskutieren können.
Unter Herrn Rehn hat die Kommission eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, die in die richtige Richtung gehen und ziemlich mutig sind; insbesondere, dass eine Stärkung der Disziplin gefordert wird, indem die makroökonomischen Ungleichgewichte, die Herr Balz in der Tat in seinem Bericht erwähnt hat, berücksichtigt werden. Außerdem redeten Sie, Herr Trichet, mehrere Male von einem „Quantensprung“; mit anderen Worten von einem Schritt vorwärts im Bereich der Governance.
Ich stimme auch vollkommen mit dem überein, was Herr Gauzès sagte: Wenn man mit den Bürgerinnen und Bürgern Kontakt hat, fragt man sich fast, ob die Vorschläge, welche von der Kommission im September eingebracht wurden, überhaupt maßgeblich sind, ob die gegenwärtige Krise nicht berücksichtigt werden sollte, um möglichst große Fortschritte zu ermöglichen. Ich möchte hervorheben, dass diejenigen, die den Euro schufen, niemals dachten, dass wir einfach nur langfristig Wirtschaftspolitik koordinieren können. Das Ziel war die politische Union, die Möglichkeit, überwacht von einem Parlament, Entscheidungen zu treffen.
Was ich persönlich interessant finde, wenn wir mit den Bürgerinnen und Bürgern reden, ist, dass wir im Grunde Autofahrer haben – die Mitgliedstaaten – die gleichzeitig hinter dem Steuer sitzen und als Polizisten am Straßenrand stehen. So funktioniert das gegenwärtige System. Mit anderen Worten, wir sind zugleich der Fahrer, die Person, die Strafen verhängt und die Person, welche die anderen Autos überwachen soll. Ich glaube nicht, dass es ein einziges Land gibt, in dem der Verkehr so funktioniert. Wir würden daher die Kosten der Strafen gerne etwas erhöhen und wir sollten darauf hinarbeiten. Danke, dass Sie uns daran erinnert haben, dass wir das in der Praxis im Hinblick auf die Reform der Finanzaufsicht bereits im gesamteuropäischen Interesse getan haben.
Sven Giegold, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Erstmals vielen Dank auch von unserer Seite an Herrn Balz für die gute Zusammenarbeit. Wir konnten einige Vorschläge einbringen, um den Bericht noch ausgewogener zu machen. Der Zeitraum 2009-2010 war durch außergewöhnliche Maßnahmen der Europäischen Zentralbank gezeichnet, und angesichts dieser außergewöhnlichen wirtschaftlichen Entwicklungen möchte ich Herrn Trichet noch einmal für diese Maßnahmen danken, gerade weil die ja nicht nur auf Beifall innerhalb des eigenen Hauses hat durchsetzen müssen. Man hat in dieser Zeit gesehen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht ausreichend ist. Wir brauchen stattdessen eine effektive Koordination der Wirtschaftspolitik, die nicht nur die öffentliche Verschuldung, sondern auch die private mit in den Blick nimmt und die wirtschaftliche Ungleichgewichte angeht, nicht nur in den Defizitländern, auch in den Überschussländern. Wir brauchen bei den Preisen eine Orientierung, die nicht nur die Verbraucherpreise betrachtet, sondern auch Vermögenspreise und deren spekulative Entwicklung und Blasenentwicklung mit einbezieht.
Vor allem, und darauf dringen wir immer wieder, brauchen wir endlich einen Rahmen für den Steuerwettbewerb in der Europäischen Union. Es ist nicht akzeptabel, dass wir auf der Ausgabenseite massive Sparprogramme haben und sich Länder auf der Einnahmeseite nach wie vor einen grenzenlosen Steuerwettbewerb liefern.
Insbesondere ist es unakzeptabel, und den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, dass wir in einer solchen Situation wie jetzt Irlands Banken retten, aber nicht gleichzeitig dafür sorgen, dass der skandalös niedrige Körperschaftssteuersatz von 12,5 % auf ein europäisches Normalmaß von 25 % korrigiert wird. In diesem Sinne sollten wir hier wirklich klar und deutlich miteinander sprechen.
Ich möchte Herrn Trichet noch bitten, auf zwei Anfragen des Berichts einzugehen: in Ziffer 21 zur Frage der Transparenz und in Ziffer 39 zur Annahme von Sicherheiten. Darauf sind Sie bisher nicht eingegangen. Ich würde mich im Sinne aller Berichterstatter und Schattenberichterstatter freuen, wenn Sie dazu noch etwas Konkretes sagen könnten.
Kay Swinburne, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident, ich möchte Herrn Balz zu seinem Bericht gratulieren. Es ist jedoch für die EZB in einer Zeit, in welcher der Euro jeden Tag eine neue Krise erlebt und es allgemein akzeptiert wird, dass neue Formen der Steuerung und neue Regeln überlebenswichtig sind, schwierig, sich bei äußeren globalen Themen einzubringen.
Genau das könnte aber das Problem sein. Bis jetzt waren die meisten großen Global Player erfolgreich bei der Zusammenarbeit auf der Suche nach Lösungen für die Probleme der weltweiten Finanzkrise. Die Koordinierung im Bereich der Reform der Regelung der Finanzdienstleistungen, insbesondere im Bereich der Derivate, ist beispiellos. Aber wenn es um die Verteidigung von nationalen Währungen geht und nicht um multinationale Banken, besteht die große Gefahr, dass die multilaterale Koordination zusammenbricht.
Wenn die EZB vor allem den Euro schützen möchte, die Fed den Dollar schützen möchte und die Chinesen den Yuan, werden wir alle verlieren.
Seit ihrer Einführung hatte die EZB die schwierige Aufgabe des Ausgleichs unterschiedlicher Methoden der Währungspolitik. Ich hoffe, dass sie ihre Erfahrung in diesem Bereich für eine Zusammenarbeit jenseits der EU auf globaler Ebene nutzen kann, selbst, wenn sie unter starkem internen Druck steht.
VORSITZ: SILVANA KOCH-MEHRIN Vizepräsidentin
Jürgen Klute, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Frau Präsidentin! Zunächst herzlichen Dank an den Kollegen Balz für die Zusammenarbeit. Ich kann das nur unterstreichen, trotz unterschiedlicher Positionen ist es eine gute Zusammenarbeit gewesen.
Viele glaubten – das will ich hier nochmals herausstellen –, die Krise des Euroraums sei vorbei gewesen. Irland zeigt, dass das nicht der Fall gewesen ist. Europa liefert sich nach wie vor freiwillig den Finanzmärkten aus. Die Mitgliedstaaten der EU müssen ihre Staatsschuldtitel weiter auf dem Basar der Finanzmärkte verhökern und sich durch Selbstmordsparen das Vertrauen der Spekulanten erwerben. Am Wochenende mussten wir wieder beobachten, wohin das führt. Dieses Mal waren es nicht die angeblich alle zum Betrug neigenden Griechen, sondern es war der Musterschüler Irland, der in den europäischen Rettungsfonds getrieben wurde, um sein Bankensystem zu retten, das ebenfalls lange Zeit als vorbildhaft galt, als vorbildhaft dereguliert.
Währenddessen schielt die Finanzbranche bereits auf die Kapitulation Portugals, dessen Zinsen immer weiter steigen. Die EZB hat eine Mitverantwortung an diesem Drama. Sie hat es versäumt und versäumt es weiter, durch die Auflage von Eurobonds eine zivilisierte Alternative zum Staatscasino anzubieten. Während die eine Hälfte Europas sich von der Krise erholt, schaut die EZB seelenruhig zu, wie der andere Teil immer weiter in Armut und Unsicherheit fällt. Das Kaputtsparen ganzer Volkswirtschaften mag nach dem Geschmack der europäischen Fonds- und Bankriesen sein, geholfen ist damit weder Irland noch der Währungsunion und der EZB.
Herr Trichet, hören Sie nicht auf Frau Merkels Einfach-Finanz-ABC. Wenn Sie die Wirtschafts- und Währungsunion retten wollen, lassen Sie die europäischen Staatsanleihen nicht in der Luft hängen. Führen Sie Eurobonds ein, bevor das nächste Spekulationsopfer fällt.
(Der Redner ist damit einverstanden, eine Frage nach dem Verfahren der „blauen Karte“ zu beantworten (Artikel 149 Absatz 8 GO).)
Hans-Peter Martin (NI). - Frau Präsidentin! Ich wollte den Kollegen Klute fragen, wie sein Vorschlag zu den europaweit organisierten Staatsanleihen und Eurobonds mit der Haltung des deutschen Bundesverfassungsgerichts in ähnlichen Fragen in Einklang zu bringen ist, und wie er glaubt, dass das wohl enden würde, sollte eine solche entsprechende Maßnahme vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angefochten werden.
Jürgen Klute (GUE/NGL). - Frau Präsidentin! Das ist schwierig einzuschätzen, muss ich gestehen. Ich kann das jetzt aus dem Stegreif nicht sagen. Es steht außer Frage, dass das eine schwierige Situation ist, aber ich denke, dass sich auch die Situation mittlerweile soweit entwickelt hat, dass möglicherweise ein Umdenken einsetzt. Ich kann die Frage aus dem Stegreif leider nicht beantworten.
John Bufton, im Namen der EFD-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich habe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über den Jahresbericht der Europäischen Zentralbank mit großem Interesse gelesen. Der Bericht bestätigt, dass große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten des Euroraums zu den Problemen, die wir gerade erleben, beigetragen haben. Er weist darauf hin, dass „diese Ungleichgewichte eine angemessene Geldpolitik innerhalb der Eurozone vor erhebliche Schwierigkeiten stellen“ und macht noch einmal deutlich, dass „die Finanzkrise in einigen Ländern des Euroraums eine ernsthafte Angelegenheit für den Euroraum insgesamt ist und Funktionsstörungen des Eurogebiets widerspiegelt“.
Ich sehe wenig Sinn in der Forderung nach einer engeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik innerhalb des Eurogebiets. Die reflexartige Reaktion war eine Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung; dabei waren es die Grenzen einer erzwungenen Kommunalität, die bestimmte Mitgliedstaaten in finanzielle Schwierigkeiten brachten, sowie externe Gründe, die wir bislang nicht beeinflussen können. Vielleicht gibt es in diesem System nicht die notwendige wirtschaftliche Flexibilität und Selbstbestimmung, die es den Regierungen ermöglichen, auf spezifische Probleme, wie etwa die Inflationsraten, wirksam zu reagieren.
Der Bericht geht auf diesen Punkt ein und stellt fest, dass die Krise und die anschließenden „Rettungs-“ und Konjunkturprogramme „zu weitreichenden Auteritätsmaßnahmen [...] geführt haben“, welche „die Handlungsfähigkeit der Regierungen ganz erheblich einschränken“.
Ein Argument ist, dass man keine einheitliche Währung haben kann ohne eine weitere Homogenisierung, um Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Wohlstandsniveaus zu beseitigen. Allerdings weiß jeder, der realistisch denkt, dass es dazu nicht kommen wird. Das ist gegen die Natur des Menschen, nach der sich eine Demokratie logischerweise richten sollte, auch wenn das unbequem sein kann.
Ist der Euroraum im Januar bereit für Estland? Ich habe meine Bedenken, wenn gesagt wird, dass „die Übernahme des Euro durch Estland den Status dieser Währung [...] aufzeigt“ und dass „dieser Status weitere Mitgliedstaaten dazu bewegen wird, die Mitgliedschaft im Eurogebiet zu beantragen“.
Ein Festhalten am Euro aus ideologischen Gründen wird dazu führen, dass in Zeiten wirtschaftlicher Schwankungen erneut währungspolitische Probleme auftreten werden. Eine Einheitswährung funktioniert nur in einem eng verbundenen, föderalen Umfeld. Wenn dies das letztendliche Ziel der Kommission ist, hat sie vielleicht das Pferd beim Schwanz aufgezäumt.
Obwohl das Vereinigte Königreich nicht Mitglied des Euroraums ist, so leiden wir doch unter den Auswirkungen der Beiträge zu den Rettungsaktionen und der kompliziert verflochtenen Wirtschaft innerhalb der Union, und es bringt nichts, auf den Moment zu warten, an dem man sagt: „Ich hab es euch doch gesagt.“ Dieser Moment ist schon vorbei.
Hans-Peter Martin (NI). - Frau Präsidentin! Man würde sich wünschen, dass man den vorliegenden Bericht des Kollegen Balz unter einen Vorbehalt stellen könnte, nämlich einen Memoirenvorbehalt. Ich denke, wir werden noch vieles lernen können, wenn Sie, Herr Präsident Trichet, tatsächlich einmal die Kapitel zu den Jahren 2008-2009 aus Ihrer Sicht vorlegen würden. Deswegen ist das, was wir hier machen, so etwas wie eine Nebelfahrt, bei der wir viele Randbedingungen nicht kennen und auch einiges dafür spricht, dass wir sie derzeit nicht kennen. Trotzdem, Sie haben ausgeführt, Herr Trichet, dass die längerfristigen Finanzierungsmaßnahmen erneut verlängert worden sind. Vermutlich gut. Die Geschichte wird zeigen, ob es wirklich gut so war. Man muss nicht immer gleich mit dem Finger auf Alan Greenspan zeigen. Nur eine Sache ist schon bedenklich: Dass die Bürgerinnen und Bürger einfach nicht erfahren, wofür tatsächlich diese Liquiditätshilfen benutzt werden, und auch jetzt das Hineindrängen, wie viele das sehen, der Iren unter diesen Rettungsschirm sehr intransparent erfolgt. Wir wissen, dass 130 Milliarden bereits nach Irland geflossen sind, 35 Milliarden davon an die Tochter einer deutschen Unternehmung, der Hyporealestate. Aber warum gibt es diesen Druck jetzt so sehr, warum sind wir nicht in der Lage, zu sagen, wer die wirklichen Gläubiger bei den irischen Banken sind. Ist es meine Lebensversicherung bei der Allianz? Sind das wirklich die deutschen Banken, wie es immer so massiv heißt? Wenn dem so ist, führen wir im Moment nicht eine falsche Debatte? Da brauchen wir die Ehrlichkeit den Bürgern gegenüber, zu sagen: Das sind diejenigen, die wir gerade heraushauen, und es ist möglicherweise Dein eigenes angelegtes Geld, das Du irrtümlicherweise nach Irland hast fließen lassen, in eine unsolide Bankenwelt. Dazu gehört natürlich auch: Ist denn wirklich jede irische Bank systemrelevant? Warum haben wir hier nicht den Mut, tatsächlich eine Pleite in Kauf zu nehmen? Es kann nicht immer nur die Antwort sein: Leman Brothers. Wir brauchen eine fairere Aufteilung der Risiken, denn die Gewinne davor sind ja sehr privat geflossen.
Ildikó Gáll-Pelcz (PPE). – (HU) Frau Präsidentin, zunächst möchte ich dem Berichterstatter zu seiner hervorragenden Arbeit gratulieren. Das Europäische Parlament ist das Organ, durch das die Europäische Zentralbank gegenüber den europäischen Bürgerinnen und Bürgern in erster Linie rechenschaftspflichtig ist. Daher bin ich sehr erfreut, dass Präsident Trichet an dieser Plenarsitzung teilnimmt und auch dass er regelmäßig mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung über Währungsangelegenheiten diskutiert.
Die Finanzwirtschaft ist von globaler Dimension. Und auch die Krise ist global. Und genau aus diesem Grund müssen die Lösungsansätze für diese Krise ebenfalls global sein. Wir können nicht außer Acht lassen, dass sich die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme der Mitgliedstaaten immer noch auf den Euro in all seinen Bereichen auswirken. Hier stimme ich ebenfalls mit dem Berichterstatter überein. Leider hat die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) nicht alle Grundsätze des Stabilitäts- und Wachstumspakts eingehalten, noch hat sie die Mitgliedstaaten zu deren Einhaltung zur Rechenschaft gezogen. Deshalb erleben wir einen Anstieg der Verschuldung der öffentlichen Haushalte, und deshalb gibt es eine neue Welle der Krise, einer Krise der Staatsverschuldung.
Ich bin zuversichtlich, dass die Probleme bezüglich der Unabhängigkeit der EZB und deren Entscheidungskompetenz auf zufrieden stellende Art und Weise gelöst werden. Dies – zusammen mit dem Reformprogramm zur Schaffung einer erfolgreichen Wirtschaftsunion – wird helfen, die Europäische Union sowie den sich darin befindlichen Euroraum zu stärken. Ich bin sicher, dass wir in der Lage sind, aus der Krise und aus unseren Fehlern zu lernen, und dass die Krise für uns neue Chancen birgt.
Robert Goebbels (S&D). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Euro hat Probleme. Aber welche konvertierbare Währung hat das nicht nach einer Systemkrise, die durch einen wahnwitzigen Finanzsektor ausgelöst wurde?
Die Staatsverschuldung ist ein ernstes Problem. Nichtsdestoweniger ist der Anstieg der Haushaltsdefizite eine Folge der Rettungsmaßnahmen für private Banken aus der öffentlichen Hand. Darüber hinaus musste die Wirtschaft wiederbelebt werden. Die Finanzkrise hat sich rasch auf die Realwirtschaft ausgebreitet: Ein heftiger Abschwung sowie Arbeitslosigkeit waren die Folge.
Anscheinend hat die wahnwitzige Finanzwelt nichts aus der Krise gelernt. Die Überlebenden in der Wall Street und der City spekulieren auf den Devisenmärkten und tätigen Leerverkäufe von Credit Default Swaps (CDS), die sie nicht einmal besitzen. Die Kreditzinsen für Staaten, von denen vermutet wird, dass sie in Zahlungsnot geraten könnten, müssen angehoben werden, indem man ihnen indirekt Sparmaßnahmen verordnet, durch die es für sie noch schwieriger wird, sich zu erholen.
Europäische Solidarität erweist sich als sehr schwierig und tritt spärlich zu Tage. Die Rettung Griechenlands bedeutet in erster Linie die Rettung von französischen und deutschen Banken, die eine große Anzahl offener Forderungen gegenüber Griechenland haben. Die Unterstützung für Irland ist vor allem eine Rettung von britischen und deutschen Banken, die erheblich unter einem Zusammenbruch von irischen Banken leiden würden.
Die Tatsache, dass der Euro weiterhin schwankt, ist kein Zeichen dafür, dass die Einheitswährung schwächelt. Sie spiegelt die Nervosität auf den Märkten wider, besonders angesichts eines drohenden Währungskrieges zwischen Amerika und China.
Seit Anfang des Jahres kauft China keine US-Staatsanleihen mehr, sondern verkauft sie. Die fiskalische Situation in den Vereinigten Staaten ist noch schlimmer als in Europa. Zusätzlich zu den Defiziten der Bundesstaaten gibt es gewaltige private Defizite. 48 der 50 Staaten der Amerikanischen Union haben einen defizitären Haushalt.
Herr Van Rompuy hat gesagt, dass der Euro ums Überleben kämpft. Er hat Unrecht. Der Euro – dieser Anker der Stabilität, von dem Herr Trichet soeben sprach – wird Herrn Van Rompuy überleben, da die Union und die Eurogruppe, auf die sie gestützt ist, den stärksten Wirtschaftsraum der Welt bilden. Trotz realer Probleme, auf die Europa immer wieder nur zögerlich reagiert, muss betont werden, dass die 27 Mitgliedstaaten weltweit die Spitzenpositionen beim Export und Import von Gütern sowie beim Export von Dienstleistungen einnehmen.
Wir haben den solventesten Binnenmarkt der Welt. Außerdem exportieren europäische Unternehmen innerhalb des Binnenmarktes zweimal so viel wie auf den Weltmärkten. Die Union ist der führende Standort für Direktinvestitionen durch Drittländer. Unternehmen in der Union haben die größten Investitionsbestände weltweit.
Die Union, mit ihren 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern – 7 % der Weltbevölkerung –, erwirtschaftet 30 % des globalen Bruttosozialprodukts; die Vereinigten Staaten generieren 25 %, Japan und China jeweils 8 %.
Unsere Europäische Union, die auch 55 % der weltweiten Entwicklungshilfe bereitstellt, könnte größeren Einfluss haben, wenn unsere Staats- und Regierungschefs etwas mehr politischen Mut besäßen, wenn sie Europas Stärke geltend machten.
Abschließend möchte ich sagen, dass dem internationalen Finanzsektor ein strenger und transparenter Regelungsrahmen auferlegt werden muss. Wir müssen gemeinsam an einer Lösung für unsere Probleme arbeiten.
Sophia in 't Veld (ALDE). – Frau Präsidentin, wie Kollege Gauzès bereits betont hat, gibt es einige Menschen, die den Euro hassen; sie sehen ihn als Wurzel allen Übels und sehen freudig einem Zusammenbruch des Euroraums entgegen. Aber diese Menschen haben Unrecht, und sie leben in der Vergangenheit. Die aktuellen Probleme sind keine Folge des Euro; ganz im Gegenteil: Der Euro bewahrt uns vor noch Schlimmerem. Wir brauchen die Gemeinschaftswährung, allerdings brauchen wir auch eine ordentliche Governance des Eurogebiets; eine lockere Zusammenarbeit, die auf Einstimmigkeit basiert, ist nun keine Option mehr.
Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns auf einem Schiff mit einem riesigen Leck; jetzt heißt es: untergehen oder schwimmen. Aber die nationalen Regierungen denken anscheinend immer noch, dass es genügt, Arbeitskreise einzurichten und darüber zu sprechen, sich vielleicht um engere Zusammenarbeit zu bemühen – oder vielleicht dann doch wieder nicht. Die gute Nachricht ist, dass sie im Fall von Irland entschiedener und schneller zu handeln scheinen, da hier ein rasches Handeln notwendig und sehr zu begrüßen ist. Es geht hier nicht nur darum, einzelne Staaten zu retten: Es geht um die Glaubwürdigkeit des Euroraums. Es geht hier darum, dass die Welt uns auf die Probe stellt.
Sind wir bereit und auch in der Lage, zu handeln? Das Vertrauen der Welt in den Euroraum ist entscheidend für die Stabilität unserer Währung; das Geld in unseren Taschen hängt an dem Vertrauen, dass andere in uns haben. Daher fordere ich die nationalen Regierungen auf, nicht länger die Populismus-Karte zu spielen oder gar öffentlich Euronoten zu zerreißen, sondern sich stattdessen für unsere gemeinsame Währung einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen.
Abschließend möchte ich mich noch kurz zu den Sparmaßnahmen äußern. Sie werden heftig kritisiert; manche behaupten sogar, dass sie die Wirtschaft schädigen werden. Natürlich müssen wir mit Bedacht handeln, aber diese Maßnahmen sind nötig, um auf lange Sicht die öffentlichen Finanzen zu sanieren. Sie sind außerdem ein Zeichen der Solidarität zwischen den Staaten des Eurogebiets. Ich denke, wir sollten nicht nur über die Ausgabenseite, sondern auch über die Einnahmenseite sprechen, denn auch da sind Reformen notwendig und längst überfällig – sei es nun auf dem Arbeitsmarkt, beim Rentensystem oder bei der sozialen Sicherung.
Peter van Dalen (ECR). – (NL) Frau Präsidentin! Für die Europäische Zentralbank war 2009 das ereignisreichste Jahr seit der Einführung des Euro. Der Umgang mit der Krise war und ist noch immer mit großen Anstrengungen verbunden. Ich bin der Meinung, dass wir bei der Bewältigung der Krise einen besseren und entschiedeneren Ansatz verfolgen sollten. Die Einrichtung des EU-Rettungsschirms ist keine strukturelle Lösung. Länder wie Griechenland oder Irland haben noch immer massive Schulden, die sie niemals zurückzahlen werden können. Was jedoch wirklich hilft, ist verbindliche und strenge Haushaltsdisziplin verbunden mit automatisch eintretenden Sanktionen. Erfreulicherweise bezieht der Bericht von Herrn Balz zu diesem Thema klar Stellung. Der Rat sollte denselben Ansatz bei der Anpassung des Stabilitäts- und Wachstumspakts verfolgen. Einschnitte sind notwendig, wenn wir die Krise überwinden wollen. Die Mehrheit dieses Hauses sollte diesen Grundsatz auch beim europäischen Haushaltsplan berücksichtigen. Die Zustimmung zu einer Erhöhung des Haushalts um 2,9 % ist bereits ein sehr breiter Kompromiss. Kein Bürger wird verstehen, wenn das Parlament noch mehr will und weitere Kompromisse fordert. Deshalb: Tun Sie es nicht!
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Frau Präsidentin! Wie aus dem von der Presseagentur Reuters veröffentlichten Protokoll der Verhandlungen zwischen den Finanzministern des Euro-Währungsgebiets Anfang September dieses Jahres hervorgeht, sollen Sie, Herr Trichet, gesagt haben, dass Sie der Aufnahme der Slowakei in das Euro-Währungsgebiet niemals zugestimmt hätten, wenn Sie gewusst hätten, dass die Slowakei freiwillige Finanzhilfen für die griechische Regierung nicht unterstützen würde. Durch dieses Projekt sollten große Finanzinstitute bei einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands vor umfangreichen Verlusten bewahrt werden. Und – soweit ich mich erinnere – nannten Sie das explizit einen Ausdruck freiwilliger Solidarität.
Herr Präsident, vielleicht ist Ihnen bei Ihren tagtäglichen Geschäften, bei denen es um Milliarden von Euro geht, entgangen, dass man mit der Summe, die Sie jeden Monat für die Ausübung Ihres Amtes erhalten, den monatlichen Lebensunterhalt von fast 100 Familien in meinem Land decken könnte.
Herr Trichet, wenn Sie wirklich meinen, dass diese Familien, die von 600 oder 700 EUR pro Monat leben, oder Rentner, die von 300 EUR pro Monat leben, ihren täglichen Nahrungsmittelverbrauch senken sollten, nur damit Ihre Kollegen in den Banken und Finanzinstituten weiter Profit machen, hohe Boni auszahlen und in noch mehr Kaviar schwelgen können, dann nennen Sie das bitte nicht Solidarität!
Ich weiß, dass die Situation in Europa sehr komplex ist. Aber Sie haben sicher nicht das Recht, an einem Land wie der Slowakei Kritik zu üben.
Elisa Ferreira (S&D). – (PT) Frau Präsidentin! Das Eingreifen in Irland zeigt letztendlich, dass die EU eine gemeinsame Lösung für europäische Banken – insbesondere große Banken – hätte bieten sollen, eigentlich noch bevor sie sich mit irgendeinem anderen Thema befasst. Wir sprechen heute praktisch offen über das Versagen von Staaten, jedoch haben wir noch immer keinen klaren Lösungsvorschlag für europäische Banken.
Das Eingreifen Griechenland betreffend und die Art, wie es sich entwickelt hat, machen deutlich, dass Europa europäische Lösungen braucht; und die Lösung, die man bislang gefunden hat, basiert in erster Linie auf bilateraler Unterstützung, wobei jeder Staat dem Urteil seiner Partner unterliegt, das auf Kriterien basiert, die weder klar noch stabil sind. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in dieser Situation als eine Art Anker fungiert: Sie hat einige Lücken gefüllt, insbesondere hinsichtlich der Anfälligkeit für Staatsverschuldung. Lassen Sie sich jedoch nicht täuschen: Wir können mittelfristig nicht so weitermachen.
Daher möchte ich dem Präsidenten der EZB drei Fragen stellen. Erstens: Welchen Standpunkt vertritt die EZB hinsichtlich eines stabilen Modells zur Schaffung eines Systems, das auf echter Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Staatsschulden basiert? Das brauchen wir nämlich; und wir müssen hier der Realität ins Auge blicken. Zweitens: Welche Differenzen – falls es überhaupt möglich ist, diese zu benennen – haben die EZB dazu veranlasst, nicht allen Empfehlungen des Berichts der von Herrn Van Rompuy geleiteten Arbeitsgruppe zuzustimmen. Drittens: Glaubt die EZB, dass die EU überleben kann angesichts der größer werdenden Unterschiede beim Wachstum in den Mitgliedstaaten und ohne ein gemeinsames Instrument, das ein gewisses Maß an Konvergenz in diesen Wachstumsstrategien wiederherstellt?
Seán Kelly (PPE). – (GA) Frau Präsidentin! Als irischer Abgeordneter kann ich nicht gerade sagen, dass ich wirklich stolz darauf bin, was derzeit in meinem Land geschieht. Ich bin jedoch überzeugt, dass die meisten unserer Bürgerinnen und Bürger dazu bereit sind, alles zu tun, was notwendig ist, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.
– Und um die Situation in Irland wieder in Ordnung zu bringen, sind zwei Dinge erforderlich. Erstens: Leider mussten wir kurzfristig die EZB und den Internationalen Währungsfonds um Hilfe bitten. Zweitens – was noch wichtiger ist: Das Aufsichtssystem der europäischen Behörden muss effektiv arbeiten, dass es in Zukunft nicht noch einmal zu einem „Schmusekurs“ zwischen zwielichtigen Banken, schwerfälligen Regulierern und schwachen Regierungen kommt. Drittens möchte ich die Menschen bitten, sich nicht so sehr auf Körperschaftsteuern zu versteifen. Denn das ist zunächst eine Frage der Subsidiarität, zweitens haben andere EU-Staaten ähnliche Steuersätze, und drittens würde das die schwierige Situation in Irland im Moment nur noch verschlimmern.
Seán Kelly (PPE). – Und ich weiß, dass das irische Volk voller Eifer diese Aufgabe in Angriff nehmen wird und dass sich die Situation zu gegebener Zeit verbessern wird.
Proinsias De Rossa (S&D). – Frau Präsidentin! Kommissar Rehn und Herr Trichet haben uns heute Abend hier mehr Informationen gegeben als die irische Regierung, die uns monatelang getäuscht und belogen hat. Ihnen war mehr daran gelegen, ihr historisches Erbe zu wahren, als die Zukunft der Lebensgrundlage unserer Bürger und wohl auch Irlands und Europas Währung.
Ich appelliere heute Abend an Kommissar Rehn und Herrn Trichet, sicherzustellen, dass beim zeitlichen Rahmen für die Unterstützung und bei den Zielen in Bezug auf die Defizite und Schulden die sozialen Ziele Europas berücksichtigt werden, und dafür zu sorgen, dass die Fähigkeit Irlands, seine Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen, nicht beeinträchtigt wird.
Können Sie bestätigen, dass Sie sie sich auch wirklich darüber im Klaren sind, dass eine Anhebung der irischen Körperschaftssteuer von 12,5 % weder eine Lösung für die Krise in Irland noch für die aktuelle Krise in Europa ist, sondern dass dies vielmehr dazu führen würde, dass Irlands Wirtschaft und Arbeitsmarkt veröden.
Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Trichet und Herrn Rehn für ihre wirklich hervorragende Arbeit in diesen turbulenten Zeiten danken. Ich habe eine sehr spezifische Frage an Sie beide. In meinem Land, das nicht dem Euroraum angehört, wird derzeit folgendermaßen argumentiert: „Das bestätigt doch genau das, was wir gesagt haben, als wir 2001 gegen den Euro gestimmt haben. Das zeigt, dass wir Recht hatten – der Euro kann nicht funktionieren.“
Natürlich ist dies eine falsche Behauptung. Daher, meine Herren, möchte ich Ihnen beiden eine Frage stellen. Ich bin der Meinung, dass ein zentrales Thema und eine zentrale Aufgabe für Sie darin bestehen, uns zu erklären, warum Europa und das Euro-Währungsgebiet in diese Schieflage geraten sind. Liegt das daran, dass das Eurogebiet und die Gemeinschaftswährung Probleme haben? Oder liegt das daran, dass es in bestimmten Staaten – sprich: in Ländern wie Irland, Portugal, Spanien und Griechenland – eine Reihe von Politikern gibt, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben? Meine Herren, das müssen Sie uns erklären. Andernfalls werde ich nie in der Lage sein, das zu Hause in meinem Land zu erklären.
Joe Higgins (GUE/NGL). – Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Trichet eine Frage stellen. Warum haben Sie als Präsident der Europäischen Zentralbank und die Europäische Kommission vor den Spekulanten und den Rudeln von Haien auf den internationalen Finanzmärkten vollkommen kapituliert? Sie haben es ihnen erlaubt, auf den Märkten Panik wegen der Irland-Krise zu schüren – Panik, die dazu gedacht war, Sie zu einem Eingreifen zu bewegen, um Inhabern von Schuldverschreibungen die Milliarden zu sichern, die sie sich durch faule Kredite erzockt haben. Sie haben Ihnen gedroht, als nächstes Portugal und Spanien zu attackieren; deshalb haben Sie und Kommissar Rehn vor einer ungewählten, gesichtslosen und unverantwortlichen Markt-Diktatur vollkommen kapituliert.
Darf ich Sie fragen, wie Sie das rechtfertigen? Private Spekulanten und Inhaber von Schuldverschreibungen zocken um zweistellige Milliardensummen in privaten Geschäften mit privaten Entwicklern und Privatbankiers in Irland für privaten Profit; und wenn sie sich verzocken, unterstützen Sie die jämmerliche irische Regierung, die Kosten für diese Zockerei auf den Schultern der Arbeitnehmer, Rentner und Armen zu verteilen. Jetzt haben Sie den IWF als Stoßtrupp für den neoliberalen Kapitalismus ausgesandt, um das irische Volk zahlen zu lassen.
Aus moralischer Sicht – und unter jedem anderen Gesichtspunkt – sollten nicht sie es sein, die zahlen müssen; und sie müssen sich gegen diesen verheerenden Angriff auf ihre Dienstleistungen, ihren Lebensstandard und auf die Demokratie wehren.
Gerard Batten (EFD). – Frau Präsidentin! Die Bürgerinnen und Bürger meines Wahlkreises in London können sich eine Summe von geschätzten 288 GBP pro Familie als Beitrag zu den sieben Milliarden zur Rettung von Irland schlicht und ergreifend nicht leisten. Die Iren sind für ihre Misere selbst verantwortlich: Ihre Regierung hat Misswirtschaft betrieben und einen Bauboom ausgelöst, der in keinerlei Beziehung zur Realität stand. Am schlimmsten ist jedoch, dass sie der Europäischen Währungsunion beigetreten sind.
Der erste Schritt zur Lösung ihrer Probleme wäre ein Austritt aus dem Euroraum; doch stattdessen hat Irland entschieden, sich der finanzpolitischen Governance durch die Europäische Union zu unterwerfen. Je länger ein Austritt aus dem Euroraum hinausgeschoben wird, desto schlimmer werden die Folgen des Austritts sein. Dasselbe gilt natürlich auch für Portugal, Italien, Spanien und Griechenland und zweifellos noch andere. Das einzig Vernünftige, was die Labour-Regierung, der wir keine Träne nachweinen, geleistet hat, war, die Briten aus dem Euro herauszuhalten. Und die Regierungskoalition kann etwas Vernünftiges tun, indem sie aufhört, gutes Geld für etwas Schlechtes auszugeben.
Mairead McGuinness (PPE). – Frau Präsidentin! Herr Batten hat Recht. Die irische Regierung hat unser Land auf desaströse Art und Weise heruntergewirtschaftet. Und heute ist ein trauriger Tag für das irische Volk, da man unter diesen besonderen Umständen in diesem Hohen Haus über uns spricht. Aber wir befinden uns in einer Situation, in der wir auf Solidarität angewiesen sind. Vielleicht versteht Herr Batten dieses Wort nicht und auch nicht, dass Irland England genau so braucht, wie England Irland und seine Wirtschaft braucht.
Wir alle sind eng miteinander verknüpft: Das dürfen wir nicht vergessen.
Darf ich noch ein paar Fragen stellen? Denn in diesen emotional aufgeladenen Zeiten brauchen wir einen kühlen Kopf und klare Informationen.
Wie steht es eigentlich um die Banken-Stresstests heute Abend, da die irischen Banken offenbar vollkommen überlastet und „gestresst“ sind?
Zweitens die Frage an die EZB, was denn eigentlich ihr Mandat ist. Ich denke, das wurde in den einführenden Bemerkungen bereits erwähnt, da es Wechselbeziehungen zwischen allen Banken gibt. Jene Banken aus Deutschland, Frankreich und aus anderen Ländern, die in irische Banken investiert haben, müssen sich ansehen, was sie getan haben und warum sie das getan haben.
Schließlich herrscht heute Abend politische Instabilität in Irland. Es ist zwar bedauerlich, aber es ist notwendig, dass wir allgemeine Wahlen ausrufen.
Liisa Jaakonsaari (S&D). – (FI) Frau Präsidentin! Robert Schuman, der Gründer der EU, hat gesagt, dass sich die Europäische Union durch Krisen entwickeln würde; und diese Entwicklung wird nun wohl sehr schnell stattfinden, da wir derzeit eine ganze Menge Krisen haben. Dies stellt eine enorme Herausforderung für das politische System in der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten dar.
Es muss gesagt werden, dass Irlands Probleme teilweise auch darauf zurückzuführen sind, dass das Land eine schwache Regierung hat. Das politische Establishment muss aufpassen, dass das Medikament jetzt nicht schlimmer als die Krankheit ist. So hat hier etwa der Vertreter der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz gesagt, dass die Körperschaftssteuer in Irland auf europäisches Niveau angehoben werden sollte; aber das könnte in Wirklichkeit der Todesstoß für Irland, sein Wachstum und seine Beschäftigung sein. Es geht darum, das Geld zurückzubekommen – in Form von Wachstum und Beschäftigung für Irland – und nicht das Land zu bestrafen. Wir müssen Irland helfen, nicht bestrafen.
Wolf Klinz (ALDE). - Frau Präsidentin! Herr Präsident Trichet! Wir wissen alle, dass die Hauptaufgabe der Europäischen Zentralbank die Sicherung der Geldwertstabilität ist und dass Sie dieses Ziel am besten erreichen können, wenn Sie politisch unabhängig sind. Wir haben Sie darin immer unterstützt. Die Krisen der letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass Sie eine weitere Aufgabe haben, nämlich die Sicherung der Stabilität der Finanzmärkte und des Finanzsystems. Auch diese Aufgabe haben Sie sehr professionell und überzeugend wahrgenommen. Sie haben sie aber nur im engen Schulterschuss mit den jeweiligen Regierungen wahrnehmen können. Das heißt, hier konnten Sie politisch nicht völlig unabhängig agieren, sondern Sie mussten mit den Regierungen zusammenarbeiten.
Mich würde interessieren, wie Sie in Zukunft diese Rolle genau ausgestalten wollen, um auf der einen Seite sicherzustellen, dass Sie unabhängig sind, und auf der anderen Seite sicherzustellen, dass Sie Ihrer Aufgabe auch weiterhin gerecht werden und auch die Regierungen diese Chance nicht nutzen, um Ihre Unabhängigkeit de facto zu unterhöhlen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Frau Präsidentin! Die Ungleichgewichte und Unterschiede zwischen einzelnen Volkswirtschaften im Euroraum verschärfen sich – trotz aller Versprechen und Vorschläge –, und daher stellt sich die Frage: Glauben Sie nicht, dass es an der Zeit ist, diese Politik einmal zu überdenken? Sehen Sie nicht, dass ein Bestehen darauf, dass Länder mit derart schwacher Wirtschaft strikt die irrationalen Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts einhalten müssen, nur zu noch größeren Unterschieden und Ungleichgewichten, zu noch mehr Arbeitslosigkeit und Armut führt?
Denken Sie nicht, dass es an der Zeit ist, sich einmal um die soziale Nachhaltigkeit zu kümmern? Ein Beispiel ist die Situation in Portugal, wo Arbeitnehmer diese Woche einen Generalstreik durchführen wollen aus Protest gegen eine so genannte Sparpolitik, das heißt Kürzungen bei Gehältern und Investitionen, was wiederum eine noch stärkere Rezession hervorrufen wird. Denken Sie nicht, dass es an der Zeit ist, einen politischen Kurswechsel vorzunehmen, der sozialen Nachhaltigkeit höchste Priorität einzuräumen und Mechanismen der Solidarität zu schaffen, insbesondere...-
(Die Präsidentin unterbricht die Rednerin.)
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – (FI) Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete! Zunächst möchte ich Ihnen allen für diese äußerst verantwortungsbewusst geführte Aussprache danken.
Frau Jaakonsaari hat gesagt, dass sich die Europäische Union seit jeher durch eine Reihe von Krisen entwickelt hat. Im Wesentlichen stimmt das, und das ist auch diesmal – kurzfristig – der Fall, wo wir wie die Feuerwehr die Brände löschen müssen, die nun auflodern und die finanzielle Stabilität in Europa gefährden. Derzeit löschen wir hauptsächlich in Irland, um die Stabilität der europäischen Wirtschaft zu retten. Gleichzeitig arbeiten wir an einer längerfristig ausgelegten europäischen Architektur, die die Wirtschaftsunion stärken und die heute bereits stabile Währungsunion durch eine robuste und echte Wirtschaftsunion stützen wird – was, mit anderen Worten, die Umsetzung des ursprünglichen Ziels für die Wirtschafts- und Währungsunion bedeutet.
Beide Aufgaben sind wichtig, und wir können es uns nicht leisten, eine von beiden zu vernachlässigen. Stattdessen müssen wir stets wie die Feuerwehr sein: Wir müssen die Waldbrände löschen und gleichzeitig eine neue europäische Architektur für eine bessere Regulierung der Finanzmärkte und eine bessere Funktionsweise der Wirtschaftsunion schaffen.
Irland ist in Schwierigkeiten. Frau Jaakonsaari weiß sicherlich, dass wir in Finnland ein Sprichwort haben, dass man ungefähr folgendermaßen übersetzen könnte: „Hilf einem Mann, wenn er Schwierigkeiten hat, und nicht, wenn er keine hat.“ Dies gilt selbstverständlich genauso für Frauen. Es ist nun sehr wichtig, dass wir alle einen kühlen Kopf bewahren und versuchen, Irland in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Wir tun das nicht nur für Irland allein, sondern auch für die Stabilität der europäischen Wirtschaft; denn wir dürfen nicht zulassen, dass die ersten, noch frischen Anzeichen des Wiederaufschwungs durch diese Situation bereits im Keim wieder erstickt werden. Es ist wichtig, dass wir der europäischen Wirtschaft ein nachhaltiges Wachstum ermöglichen und uns mehr bemühen, für Beschäftigung zu sorgen. Genau darum geht es: nachhaltiges Wachstum der europäischen Wirtschaft und Beschäftigung.
Mitglied der Kommission. – Ich möchte Ihnen für die substanzielle Aussprache danken. Und in der Tat stimme ich mit Herrn Gauzès überein: Ja, wir müssen besser erklären, warum wir das tun, was wir tun, und wir müssen unseren Bürgerinnen und Bürgern die Sorgen nehmen. Dies sind harte und verwirrende Zeiten. Die Menschen sind anfällig für Nervosität und Fehlinformationen, und deshalb müssen wir alle unseren Teil dazu beitragen, um die aktuellen Herausforderungen richtig zu kommunizieren. Und hier kommt dem Europäischen Parlament, also Ihnen allen, als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, eine entscheidende Rolle zu.
Es geht nicht darum, einen Sündenbock zu finden: Es geht darum, das europäische Einigungswerk, das die europäischen Bürgerinnen und Bürger schon vor viel schlimmeren Folgen bewahrt hat, zu stärken. Und jegliche Pläne zur Dekonstruktion dieses europäischen Projektes sind unverantwortlich. Alle Mitgliedstaaten wären ohne die Europäische Union und deren Schutzschild einer weitaus schlimmeren Situation ausgesetzt gewesen. Der Euro ist und bleibt der Eckpfeiler der Europäischen Union; er ist nicht nur irgendeine technische, geldpolitische Vereinbarung, er ist wirklich das politische Kernprojekt der Europäischen Union. Deshalb ist es wirklich entscheidend, dass wir unser Bestes tun, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um dieses europäische Aufbauwerk zu schützen und zu stärken.
Zum Schluss möchte ich sagen, dass Frau Goulard einen sehr wichtigen Punkt benannt hat, als sie sich auf das ursprüngliche Ziel der Gründer der Wirtschafts- und Währungsunion bezog: nämlich eine wirklich starke politische Dimension zu haben, also eine echte politische Union. Präsident Trichet kann dies wohl eher bezeugen als ich, da er es miterlebt hat, aber ich stimme darin im Wesentlichen überein. Und deshalb wollen wir in unserem Legislativpaket, das Ihnen vorliegt und das dem Rat vorliegt, die starke Währungsunion ausbauen, indem wir letztendlich eine echte und starke Wirtschaftsunion schaffen. Meiner Meinung nach ist es nun wirklich höchste Zeit, das erste „W“ der WWU (Wirtschafts- und Währungsunion) mit Leben zu füllen, und genau darum geht es bei diesem Legislativpaket zur Stärkung der wirtschaftlichen Governance doch letztendlich.
Mitglied der Kommission. – (als Antwort auf die Äußerung mit ausgeschaltetem Mikrofon von Herrn De Rossa.) Frau Präsidentin, wie Sie wissen, bin ich gerne bereit, mich mit den irischen Abgeordneten zu treffen und mit ihnen über Themen zu sprechen, die Irland betreffen, aber – so wichtig und schwierig die derzeitige Situation in Irland auch ist – in dieser Aussprache geht es um die EZB und den Bericht des Parlaments über die EZB.
Es wurden in dieser Diskussion so viele Fragen über Irland gestellt, dass es einfach nicht möglich ist, alle zu beantworten. Wie ich gesagt habe: Ich bin bereit, mich morgen mit den irischen Abgeordneten zu treffen, und ich hoffe, dass ich morgen alle von Ihnen treffen kann, damit wir ausführlicher über dieses Thema diskutieren können.
Jean-Claude Trichet, Präsident der EZB. – (FR) Lassen Sie mich zunächst anbringen, dass die Fragen, die gestellt wurden, von höchster Relevanz sind und in aller Ausführlichkeit sämtliche Themen abdecken, die heute wichtig sind.
Präsident der EZB. Ich werde den Abgeordneten gleichzeitig antworten, da sich einige Ihrer Fragen überschnitten.
Ich möchte zunächst noch einmal betonen: Wir sind für das zweite „W“ der WWU zuständig, die Währungsunion. Wir achten auf das erste, das für die Wirtschaftsunion steht, aber zuständig sind wir für das zweite „W“ und dafür, was uns das europäische Volk und die Parlamente, die für den Maastricht-Vertrag gestimmt haben, aufgetragen haben: nämlich für Preisstabilität zu sorgen. Das ist unser Mandat. Wir sind unabhängig in unserer Aufgabe, für 330 Millionen unserer Mitbürger für Preisstabilität zu sorgen.
Wie ich soeben erklärt habe, haben wir Preisstabilität garantiert, und zwar gemäß unserer Definition, die weiterhin die beste Definition der Welt ist. Und ich möchte anmerken, dass unsere Definition von Preisstabilität offenbar nun auch weltweiter Maßstab ist. Wir sorgen seit den fast 12 Jahren des Bestehens des Euro für Preisstabilität, und wir bleiben nach allen uns vorliegenden Informationen auch über die nächsten zehn Jahre glaubwürdig.
Das wollte ich noch einmal ganz klar betonen, denn – wie Olli Rehn gesagt hat – viele Fragen an mich beziehen sich auf die Wirtschaftsunion, die selbstverständlich ein Teil der WWU ist, für die wir allerdings nicht zuständig sind. Wir haben unsere Vorstellungen, wir haben unsere Empfehlungen und wir haben unsere Diagnosen und Analysen. Und darauf werde ich selbstverständlich zurückkommen.
Mein zweiter wichtiger Punkt: Wir durchleben gerade die schlimmste weltweite Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Und hätten wir – sowohl die Zentralbanken, einschließlich der EZB, als auch die Regierungen – nicht so schnell und mutig reagiert, hätten wir wohl nicht die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, sondern seit dem Ersten Weltkrieg erlebt. Denn dann wäre es zu einer großen Depression gekommen, und diese Tatsache – dass wir die große weltweite Depression verhindert haben – machte umfassende Maßnahmen seitens der Regierungen und Parlamente erforderlich.
Nach unseren Analysen ist die Risikobelastung für den Steuerzahler, die zur Verhinderung einer dramatischen Depression mobilisiert wurde, gemessen am BIP ungefähr gleich hoch auf beiden Seiten des Atlantiks, nämlich ca. 27 % des BIP. Diese Summen wurden selbstverständlich nicht für Ausgaben verwendet, und noch weniger zum Ausgleich von Verlusten, wenn ich das so sagen darf, aber nichtsdestoweniger wurden schon gewaltige Anstrengungen unternommen. Anderenfalls hätten wir eine dramatische Krise erlebt. Natürlich bedeutet dies auch, dass das globale Finanzsystem und die globale Wirtschaft stark geschwächt sind und dass wir auf globaler Ebene Wege finden müssen, um diese Schwäche zu überwinden.
Aber das ist keine europäische Krise. Es sind die Auswirkungen einer weltweiten Krise auf Europa, auf die europäische Governance. Und exakt dieselben Überlegungen über die weitere Vorgehensweise werden auch in den USA und in Japan angestellt, um nur zwei andere große entwickelte Volkswirtschaften zu nennen. Auch sie haben äußerst dringliche Probleme. Und wir dürfen die legitime Diskussion darüber, wie sich große entwickelte Volkswirtschaften besser führen lassen, nicht zu einer Kritik am Euro verkommen lassen, denn dieser hat – wie ich bereits gesagt habe – genau das geleistet, was wir von ihm erwartet haben.
Lassen Sie mich auch noch Folgendes anmerken: Wenn ich mir die Finanz- und Haushaltslage ansehe, die Finanzlage in den großen entwickelten Volkswirtschaften, kann ich sagen, dass Europa als Ganzes und insbesondere die EU in Bezug auf das Haushaltsdefizit – und Herr Goebbels hat es bereits gesagt – besser dastehen als Japan oder die USA. Es beträgt vielleicht rund 6 %, oder sogar ein bisschen weniger, als konsolidierte Haushaltsposition für nächstes Jahr, wohingegen es in den beiden anderen großen entwickelten Volkswirtschaften in einer Größenordnung von 10 % oder noch höher liegt.
Ich sage das auch, damit wir eine Vorstellung der Größenordnungen bekommen. Womit wir es also zu tun haben, ist ein Fehlverhalten einiger Länder, die dadurch Probleme in ihrem eigenen Land sowie finanzielle Instabilität erzeugen. Es geht hier nicht um den Euro; es geht um die finanzielle Instabilität, die hervorgerufen wird durch schlechte Haushaltspolitik, natürlich in Wechselwirkung mit den Märkten, die es immer gibt; wir haben ja schließlich die Marktwirtschaft. Es sei noch einmal grundsätzlich gesagt: Unsere Diagnosen besagen, dass ein Grund für Fehlentwicklungen in Europa eine schlechte Ordnungspolitik war, eine schlechte Governance in der Wirtschaftsunion.
Leider muss ich sagen, dass dies nicht überraschend ist, denn der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde von einigen von Anfang an zu Unrecht kritisiert. Und ich erinnere daran, dass ich selbst im Parlament von den Auseinandersetzungen berichtet habe, denn es gab große Länder, die den Pakt abschaffen oder zumindest aufweichen wollten. Zu meinem Bedauern muss ich sagen, dass es sich dabei um die großen Euro-Länder handelte, wohingegen die kleinen und mittleren nicht derartige Absichten verfolgten. Das war in den Jahren 2004 und 2005. Sie werden sich erinnern, dass dies ein erbitterter Kampf war, der bis zum Gerichtshof ging; und die Kommission – und dafür muss ich die Kommission loben – hatte eine klare Position, anders als der Rat damals, und die Kommission hatte hier unsere volle Unterstützung. Daran möchte ich Sie alle erinnern.
Ich komme nun zu einer Reihe von Fragen, die genau davon handeln, was wir gegenwärtig fordern. Wir haben, als die Kommission ihren Vorschlag vorgelegt hat, bereits gesagt, dass dies unserer Meinung nicht ausreichend sei.
Ausgehend von unserer Einschätzung, von unserer Wahrnehmung, wie Europa als Ganzes – die 27 EU-Mitgliedstaaten und die 16 (bald 17) Euro-Länder – funktioniert, waren wir der Ansicht, dass der erste Vorschlag der Kommission in Bezug auf automatische Sanktionen und die Strenge der Ordnungspolitik sowohl für die Haushaltsüberwachung als auch die Wettbewerbsfähigkeitsindikatoren, um Ungleichgewichte zu ermitteln, zu schwach war.
Und angesichts dessen, dass der Vorschlag des Rates nach aktuellem Stand den Kommissionsvorschlag noch weiter abschwächt, können wir Ihnen, verehrte Abgeordnete, nichts anderes sagen, als dass wir zuversichtlich sind, dass wir den Anforderungen der Situation gerecht werden; und, was die Situation erfordert, ist eine sehr strenge Aufsicht und Ordnungspolitik (Governance).
2005 habe ich im Namen des EZB-Rates erklärt, dass wir mit der damaligen Position des Rates und mit dem, was schließlich verabschiedet wurde, ganz und gar nicht zufrieden waren.
Daher möchte ich nicht weiter darauf eingehen, da wir noch wiederholt Gelegenheit haben werden, mit dem Parlament Rücksprache zu halten. Ich habe natürlich die Äußerung von Frau Goulard zur Kenntnis genommen, als es darum ging, wie intensiv das Parlament zusammen mit dem Rat und der Kommission an dem arbeitet, was dann letztendlich die Position Europas sein wird. Aber noch einmal: Unsere Botschaft ist hier sehr klar.
Ich möchte jetzt noch einige wenige Worte zum Thema Kommunikation sagen. Wir müssen natürlich laufend unsere Kommunikation verbessern. Und daran arbeiten wir auch. Was unsere eigene Kommunikation betrifft, so lassen Sie mich nur sagen, dass wir eine eindeutige Definition der Preisstabilität vorgeben, anhand derer jeder in Echtzeit unsere Arbeit beurteilen kann.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass wir die erste der Hauptzentralbanken waren, die unmittelbar nach den Treffen des EZB-Rates Pressekonferenzen einberief. Wir haben als erste eine einführende Erklärung als unsere Diagnose der Situation abgegeben. Wir versuchen also, was unsere Kommunikation betrifft, so ausführlich wie möglich Rechenschaft abzulegen.
Das Einzige, was wir nicht tun, ist, die einzelnen Positionen der verschiedenen Mitglieder des EZB-Rates bekannt zu geben. In einer Institution, die eine Währung für 16 – zwar in Europa vereinte aber immer noch souveräne – Staaten herausgibt, halten wir es wirklich für wichtig und besser, dass der EZB-Rat geschlossen und einheitlich als zuständiges Entscheidungsgremium auftritt.
Nun gibt es noch eine Reihe anderer sehr wichtiger Fragen. Lassen Sie mich nur noch einmal anmerken, dass wir für das zweite „W“ – also die Währungsunion – zuständig sind und das erste „W“ – die Wirtschaftsunion – in den Händen der Regierungen und der Kommission liegt. Aber natürlich müssen wir auf diesem Gebiet auch die Wirtschaftsentwicklung berücksichtigen; das gilt immer und das muss jede unabhängige Zentralbank. Wenn die Haushaltspolitik vernünftig und verantwortungsbewusst geführt wird, dann wiegt die Last auf der Währungspolitik zur Gewährleistung der Preisstabilität auch nicht zu schwer. Wenn die Haushaltspolitik schlecht geführt wird, dann liegt eine schwere Last auf der Zentralbank und ihren zu treffenden Entscheidungen.
Ich würde sagen, dasselbe gilt für uns auch im Hinblick auf unsere Zusammenarbeit mit den Regierungen. Aber wir pochen auf unsere Unabhängigkeit, und wir mussten – wie ich bereits erklärt habe – eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, die keine Standardmaßnahmen waren, wodurch wir so gut wie möglich versuchten, unsere währungspolitischen Anstöße zu geben, und zwar unter Bedingungen, unter denen die Märkte nicht richtig funktioniert haben. Und daher wurden unsere Entscheidungen in Bezug auf die Zinssätze nicht richtig an die Wirtschaft als Ganzes weitergegeben.
Das ist die Essenz dieser Nicht-Standard-Maßnahmen, dafür zu sorgen, dass die währungspolitischen Übertragungskanäle wieder normal funktionieren. Und wir haben sehr deutlich unterschieden – das habe ich auch vor Kurzem in einem Kolloquium mit Ben Bernanke wiederholt – zwischen den Standardmaßnahmen, die wirklich zählen im Hinblick auf die währungspolitische Ausrichtung, und den Nicht-Standard-Maßnahmen, die dazu dienen, die Weitergabe von währungspolitischen Maßnahmen zu verbessern.
Ich möchte nur noch sagen, dass ich auch die wichtige Frage zur Kenntnis genommen habe...
Präsident der EZB. – (FR) In Bezug auf die Frage von Herrn Gauzès zur Kommunikation, die, wie ich glaube, auch von anderen aufgegriffen wurde: Es gibt eine Tendenz – in manchen Kommunikationskanälen –, Europa immer als eine Art Sündenbock hinzustellen. Wenn etwas schiefläuft, ist das Europas Schuld. Wir wissen, dass das nicht stimmt, und das Europäische Parlament weiß das natürlich noch besser als jeder andere.
Es gibt auch die Tendenz, zu sagen, dass die Kommission oder die Europäische Zentralbank oder – besser noch – der Euro schuld seien, wenn es nicht gut läuft. Dies ist das klassische „Sündenbock-Phänomen“. Der Euro ist diejenige Währung, die ihre interne und externe Stabilität bemerkenswert gut bewahrt hat. Ich habe das noch nicht gesagt, aber dies ist eine bemerkenswertere Leistung als alles, was eine Zentralbank innerhalb der Gründungsstaaten des Euro in den letzten 50 Jahren jemals getan hat; das habe ich mir – wenn ich das so sagen darf – für den Schluss aufgehoben. Ich glaube, wir haben hier eine Währung, die wirklich solide ist – auch historisch gesehen. Wir sollten uns also vor diesem „Sündenbock-Phänomen“ hüten.
Ich glaube, wir müssen im Bereich der Kommunikation alle hart arbeiten, aber ich richte mich mit dieser Botschaft auch an die Europäische Zentralbank und das Eurosystem als Ganzes; mit anderen Worten: Ich richte mich auch an alle nationalen Zentralbanken, die zum Euro-Währungsgebiet gehören. Außerdem möchte ich noch sagen, dass es sich hier ohne Zweifel um ein Problem handelt, dem alle 27 Mitgliedstaaten gegenüberstehen – und damit die Europäische Union als Ganzes.
(Beifall)
Die Präsidentin. − Herr Präsident, herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. Ich glaube, es ist zu diesem Zeitpunkt erforderlich, ausführlicher zu antworten, als dies normalerweise im Haus der Fall ist.
Burkhard Balz, Berichterstatter. − Frau Präsidentin! Ich habe auch Herrn Präsident Trichet, Herrn Kommissar Rehn und vor allen Dingen allen Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich für diese offene und sehr umfangreiche Debatte zu danken. Sie war geprägt von großer Sachlichkeit, auch wenn am Ende die eine oder andere Emotion unserer irischen Kollegen durchschien, was ich aber verstehen kann. Ich will in der gebotenen Kürze drei Punkte ansprechen. Erstens die Unabhängigkeit der EZB: Ich glaube, es war richtig und wichtig, dass die Staats- und Regierungschefs damals auch unter maßgeblicher Führung des Ehrenbürgers von Europa, Bundeskanzler Helmut Kohl, die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank durchgesetzt haben. Die Europäische Zentralbank ist Hüter des Euro. Ich glaube, dass der Euro gerade in den Krisenzeiten in den letzten Monaten so stabil war, weil wir letztendlich eine solche EZB haben. Deswegen bitte ich Sie, Herr Präsident Trichet, in den kommenden Monaten auch weiterhin in höchstem Maße unabhängig zu agieren. Wenn Meinungen an Sie herangetragen werden, hören Sie sie sich an, aber letztendlich gilt: Sie als Präsident und als Direktorium der EZB müssen diese Unabhängigkeit bewahren.
Zweitens müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern der Union mehr erklären. Das ist ein wichtiger Punkt. Vor allen Dingen sollten wir diese Erklärungen nicht immer in unserer zum Teil kritisierten Brüsseler Sprache vortragen, sondern so, dass sie auch wirklich beim Empfänger, bei den Menschen auf unserem Kontinent ankommen. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt letzter Punkt: Herr Trichet hat Basel III angesprochen. Auch das kann ich absolut unterstreichen. Wir wollen Basel III zügig umsetzen. Aber ich möchte Basel III nur dann zügig umsetzen, wenn wir es auf der G20-Ebene alle zusammen umsetzen. Es kann nicht sein, dass hier nur Europa wieder voranschreitet und wir alleine den Vorreiter spielen, aber unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigen. Deswegen würde ich dafür plädieren, dass Europa das in der Tat mit den Partnern weltweit umsetzt oder aber überlegt, welche Alternativen bestehen.
Die Präsidentin. − Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Elena Băsescu (PPE), schriftlich. – (RO) Auch ich möchte Herrn Balz zu all seinen Bemühungen bei der Erstellung dieses Berichts beglückwünschen. Die Sparpakete, die zur Überwindung der Krise vorgeschlagen wurden, sollten nicht zu Maßnahmen führen, die den wirtschaftlichen Wiederaufschwung gefährden könnten. Ich bin der Meinung, dass das richtige Maß gefunden werden muss zwischen dem Prozess der wirtschaftlichen Konsolidierung auf der einen Seite und dem Schutz von Investitionen durch Arbeitsplätze und nachhaltige Entwicklung auf der anderen. Die Erfahrungen, die wir mit Mitgliedstaaten gemacht haben, die unvorbereitet in den Euroraum eingetreten sind, müssen uns ernsthaft zum Nachdenken bringen darüber, dass wir mit der Zeit realistische Fristen setzen müssen. In der gegenwärtigen Lage kann ein Aufschub von ein oder zwei Jahren hingenommen werden. Die Erweiterung muss weitergehen, aber unter der Voraussetzung der Einhaltung der Maastricht-Kriterien. In diesem Sinne bin ich der Meinung, dass die Einführung des Euro nicht als eine währungspolitische Lösung gesehen werden sollte, sondern als ein Teil einer weitreichenden mittelfristigen Strategie.
Edward Scicluna (S&D), schriftlich. – Ich begrüße und unterstütze diesen Bericht. Wir müssen jedoch auch bedenken, dass wir, wenn alle Debatten über Haushaltskonsolidierung, Regulierung und makroökonomische Steuerung vorüber sind, auch untersuchen müssen, welchen Effekt das alles auf die wirtschaftliche Aktivität gehabt hat – darauf läuft jede Diskussion letztendlich hinaus. In Wirklichkeit brauchen wir eine gute und wirksame Regulierung sowie eine bessere wirtschaftspolitische Governance, damit kleine und mittlere Unternehmen – der Motor für das Wirtschaftswachstum – sich entwickeln und wachsen können. Die traurige Wahrheit ist jedoch, dass diese Unternehmen in den letzten zwei Jahren schwer gelitten haben. Infolgedessen haben wir eine hohe und zunehmende Arbeitslosigkeit. Die Politik der EZB, Milliarden von Euro in die Rettung von überschuldeten Banken zu pumpen, war richtig, aber viele Banken verlassen sich mittlerweile zu sehr auf die Liquidität der EZB. Wir stehen also vor einer Situation, in der Banken, die in den Boomjahren nur zu bereitwillig Kredite ausgegeben haben, sich nun weigern, kleinen Unternehmen Kredite zu gewähren. Wenn das so weitergeht, wird das Wachstum ausbleiben, das notwendig ist, um die Haushaltsdefizite und Staatsschulden zu verringern. Die Arbeitslosigkeit wird ansteigen und unsere Wirtschaftsleistung stagnieren. Lassen Sie uns klug handeln, um nicht noch einmal das europäische Volk zu enttäuschen.
14. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem und Dauer der Verpflichtung, einen Mindestnormalsatz einzuhalten (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von David Casa im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Dauer der Verpflichtung, einen Mindestnormalsatz einzuhalten
David Casa, Berichterstatter. – (MT) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich die Aufmerksamkeit dieses Hauses darauf lenken, dass in diesem Moment im Ausschuss für Wirtschaft und Währung eine wichtige Abstimmung stattfindet; deshalb muss ich eine Vielzahl von Abgeordneten entschuldigen, die hier nicht anwesend sein können, da wir in Zeitverzug sind und der Abstimmungsprozess soeben erst begonnen hat.
Wie die Präsidentin richtig festgestellt hat, ist dieser von mir verfasste Bericht von größter Bedeutung, da er das Mehrwertsteuersystem betrifft, welches wir ändern wollen. Wie jeder weiß, dauern die Verhandlungen zur Änderung des endgültigen Mehrwertsteuersystems bereits eine Zeit lang an, dennoch wurde noch kein wesentlicher Fortschritt erzielt. Die Übergangsregelung, die seit 1993 gilt, wird kontinuierlich verlängert; und wir alle wissen, dass diese Situation nicht zukunftsfähig ist und dass wir eine nachhaltigere Lösung finden müssen.
Die aktuelle Übergangsregelung bringt nicht die erwünschten Ergebnisse in Bezug auf den Binnenmarkt. Das System mindert die Effizienz der Unternehmen und beeinträchtigt auch deren Effektivität bei grenzüberschreitenden Geschäften. Besorgnis erregend ist ferner, dass dieses System komplexe Arten des Betrugs ermöglicht, wie etwa den Karussellbetrug, über den wir erst vor kurzer Zeit hier im Parlament diskutiert haben. Diese Betrügereien haben ernsthafte negative Auswirkungen auf die Einnahmen der Mitgliedstaaten. Die Lösung, vor der wir stehen, ist nicht einfach; und die richtige Lösung kann auch nur dann verabschiedet werden, wenn im Vorfeld ausführliche Diskussionen und lange Anhörungsphasen stattgefunden haben.
Wie wir alle wissen, hat die Kommission in Aussicht gestellt, in naher Zukunft ein Grünbuch zu veröffentlichen, um eine Debatte über dieses Thema anzuregen. In meinem Bericht wird die Kommission eindringlich aufgefordert, sicherzustellen, dass dieser Prozess auf effiziente Weise abläuft. Ferner wird erklärt, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um zu gewährleisten, dass das neue System erstens die Effektivität des Binnenmarkts erhöht, zweitens die Belastungen für die Unternehmen verringert und drittens so effektiv wie möglich gegen Betrug vorgeht.
Dieser Bericht, der – wie wir wissen – vom Ausschuss für Wirtschaft und Währung bereits verabschiedet worden ist, fordert die Kommission auch dazu auf, dafür zu sorgen, dass bis 2013 konkrete Vorschläge veröffentlicht werden. Diesen letzten Punkt möchte ich unterstreichen: Mein Vorschlag ist nicht, dass bis 2013 ein System verabschiedet und eingerichtet sein sollte. Ich sage, dass die Vorschläge bis 2013 veröffentlicht werden müssen.
Ich wünsche mir jedoch – und ich glaube, damit vertrete ich auch die Ansicht der Abgeordneten dieses Parlaments –, dass dieses neue System vor Ende dieser Legislaturperiode einsatzbereit ist, damit die aktuelle Übergangsregelung nicht noch einmal verlängert werden muss. Während wir der Verlängerung der neuen Regelung zustimmen, erwarten wir, dass unverzüglich konkrete Schritte unternommen werden, um diese neuen Vorschläge zu erarbeiten.
Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen für diesen Bericht danken, ganz besonders den Schattenberichterstattern. Und ich hoffe, dass die Diskussionen zu diesem Thema noch eifriger geführt werden, um zu einer schnellen Lösung zu gelangen.
VORSITZ: Alejo VIDAL-QUADRAS Der Vizepräsident
Algirdas Šemeta, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte dem Europäischen Parlament und insbesondere David Casa für seinen konstruktiven und schnell erstellten Bericht über den Vorschlag der Kommission danken, die bestehenden Vorschriften in Bezug auf den Mindestnormalsatz der Mehrwertsteuer für weitere 5 Jahre zu verlängern. Dieser Vorschlag ist einfach und nicht kontrovers.
Ein rasches Urteil des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission wird es dem Rat ermöglichen, den Vorschlag vor Ende des Jahres anzunehmen – rechtzeitig, bevor die bestehende Regelung ausläuft. Der Vorschlag wurde auch tatsächlich schon in der Arbeitsgruppe des Rates diskutiert. Einer raschen Annahme stand scheinbar nichts im Wege.
Wie David Casa festgestellt hat, wird der Vorschlag der Kommission Unternehmen die notwendige Rechtssicherheit garantieren und eine weitere Beurteilung des angemessenen Mehrwertsteuer-Normalsatzes auf EU-Ebene erlauben.
Die Kommission wird auch wirklich sehr bald eine umfassende Debatte über die Zukunft der Mehrwertsteuer eröffnen, um die zahlreichen Unzulänglichkeiten im Mehrwertsteuersystem der EU wie etwa seine Komplexität, das Ausmaß des Verwaltungsaufwandes für Unternehmen und Steuerbetrug anzusprechen.
Vor Ende des Jahres werde ich meinen Kolleginnen und Kollegen in der Kommission die Veröffentlichung eines Grünbuches zur Beurteilung des gegenwärtigen Systems und zu wünschenswerten Lösungen für die Zukunft vorschlagen. Ich freue mich auf Äußerungen zu Themen wie die Schaffung eines einfacheren, robusteren und moderneren Mehrwertsteuersystems, die Reduzierung der Kosten für die Erhebung und Einhaltung für Unternehmen, insbesondere für KMU, während Betrug vermindert und die Flexibilität der Mitgliedstaaten sichergestellt wird. Auf der Basis der erzielten Ergebnisse wird die Kommission ihre zukünftige Politik im Bereich der Mehrwertsteuer in einer Mitteilung über den Weg in die Zukunft am Ende des Jahres 2011 festlegen.
Die Änderungsanträge zeigen klar das Interesse des Parlaments daran, an dieser Diskussion über die zukünftige Strategie zur Mehrwertsteuer teilzunehmen. Ich begrüße dieses Zeichen des Interesses und hoffe, mit Ihnen eine ergebnisreiche Aussprache über dieses wichtige Thema zu einer späteren Zeit zu führen. Allerdings bin ich mir bewusst, dass diese Änderungsanträge außerhalb des Rahmens des heute erörterten Vorschlags liegen, der sich auf die Verlängerung des Zeitraums, in dem der Normalsatz gilt, beschränkt. Darüber hinaus greifen einige Änderungsanträge einer Aussprache vor, die wir auf der Grundlage des Grünbuchs führen sollten. Das trifft insbesondere auf den Änderungsantrag zu, der die Kommission auffordert, bis 2013 einen Vorschlag zur endgültigen Regelung der Mehrwertsteuersätze zu erarbeiten.
Zu diesem Zeitpunkt kann sich die Kommission noch nicht auf ein Datum festlegen, wann sie einen Vorschlag zu den Mehrwertsteuersätzen vorlegen wird. Ich kann den Ausgang der Konsultation, deren Umfang über die Mehrwertsteuersätze hinausgehen wird, nicht hervorsagen. Ich hoffe, dass diese Konsultation eine klare Vorstellung von den Prioritäten für die Zukunft der Mehrwertsteuer geben wird. Die Pläne der Kommission für zukünftige Gesetzgebungsvorschläge werden daher in größerem Maße vom Ergebnis dieser Konsultation abhängen.
Sari Essayah, im Namen der PPE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, der Vorschlag der Kommission richtet sich darauf, das gegenwärtige System bis 2015 beizubehalten und auf die Bestrebung, Steuerbandbreiten auf 10 % zu begrenzen. Das ist sehr wichtig, weil sich andernfalls der Wettbewerb zwischen Mitgliedstaaten in bestimmten Sektoren verzerren könnte.
Im Zentrum dieses Parlamentsberichts steht der Gedanke, dass die Kommission in Kürze ein breites Konsultationsprogramm initiieren wird, um ein neues System für die Mehrwertsteuer einzurichten. Meines Erachtens sind im Gegensatz zur Meinung des Kommissars die von den Mitgliedern vorgelegten Änderungsanträge außerordentlich wichtig, da wir bereits zu diesem Zeitpunkt die von uns gewünschte Richtung für dieses neue Mehrwertsteuersystem festlegen wollen. In Zukunft müssen wir in der Lage sein, den mit der Mehrwertsteuer verbundenen Verwaltungsaufwand zu verringern und es kleinen und mittleren Unternehmen so einfach wie möglich machen, insbesondere Berichte zu erstellen, aber zur gleichen Zeit den Mehrwertsteuerbetrug wirksam zu bekämpfen.
Die öffentliche Wirtschaft in vielen europäischen Ländern ist zurzeit in einem äußerst schlechten Zustand und ein Lösungsvorschlag besteht darin, mit der Erhöhung der Mehrwertsteuersätze zu beginnen. Allerdings wird das in Ländern, in denen es üblich ist, die Zahlung der Mehrwertsteuer zu vermeiden, nicht von Nutzen sein. Hier möchte ich auf den Bericht von Herrn Casa verweisen, der vor Kurzem hier angenommen wurde. Er legt den Schwerpunkt insbesondere auf Methoden, wie man Mehrwertsteuerbetrug im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen, die für einen derartigen Missbrauch anfällig sind, bekämpfen kann Ich hoffe, dass die Kommission in Zukunft tatsächlich beginnen wird, diesbezüglich etwas zu unternehmen.
George Sabin Cutaş, im Namen der S&D-Fraktion. – (RO) Herr Präsident, wie im Richtlinienvorschlag des Rates festgestellt wurde, hat der Mindestsatz der Mehrwertsteuer geholfen, ein kontinuierliches, akzeptables Funktionieren des Systems zu gewährleisten.
Ich denke, wir sollten ein gemeinsames Regelwerk in Betracht ziehen, das die Schlussfolgerungen berücksichtigen sollte, die wir aus der Erfahrung der Haushaltsungleichgewichte gezogen haben, die durch die Finanzkrise besonders hervorgehoben wurden. Wir benötigen eine neue europäische Strategie für die Mehrwertsteuer, die auf die Reduzierung von Bürokratie und steuerlichen Hindernissen ausgerichtet ist, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen behindern. Wir müssen außerdem daran denken, dass Betrug verhindert und bekämpft werden muss. Aber bis diese Strategie fertiggestellt ist, glaube ich, dass die Entscheidung, die vorübergehende Regelung für die Mindestsatz der Mehrwertsteuer bis 31. Dezember 2015 zu verlängern, den Zweck hat, der Geschäftswelt Sicherheit zu geben, strukturelle Ungleichgewichte in der Europäischen Union zu vermeiden und die Harmonisierung der Steuervorschriften zu fördern.
Solange das Grünbuch der Kommission zur Prüfung des Mehrwertsteuersystems nicht vorliegt, möchte ich die Tendenz einiger Regierungen hervorheben, die mit einer Rezession konfrontiert sind, den Mehrwertsteuersatz auf 24-25 % zu erhöhen, wie das in Rumänien und Ungarn geschehen ist. Der relativ verbindlichen Verpflichtung, den maximalen Mehrwertsteuersatz innerhalb von 10 % über der 15 %-Grenze zu halten, ist bis jetzt entsprochen worden. Ich denke jedoch, dass wir in dieser Hinsicht ein vollständiges Verbot brauchen, um eine Verletzung der Toleranzgrenze von 25 % zu verhindern. Vergessen wir nicht, dass wir es neben diesen Statistiken mit den Bürgerinnen und Bürgern zu tun haben, deren Lebensstandard in zunehmenden Maße durch Sparpolitik und überhöhte Besteuerung beeinflusst wird.
Abschließend möchte ich sagen, dass zu hohe Besteuerung kein Heilmittel für eine kränkelnde Wirtschaft ist. Das führt nur zu einer Verlängerung der Agonie.
Olle Schmidt, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident, Herr Kommissar, ich möchte mich beim Berichterstatter sehr herzlich bedanken. Grundsätzlich denke ich, dass wir verhindern sollten, den Konsum durch Mehrwertsteuersätze zu kontrollieren. Solange aber Ausnahmeklauseln und reduzierte Mehrwertsteuersätze den freien Markt offensichtlich nicht behindern, haben wir bisher immer dazu tendiert, die Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu akzeptieren. Wie Sie jedoch wissen, stellt Professor Monti in seinem Bericht über den Binnenmarkt fest, dass gegenwärtige Unterschiede sich auch negativ auf den Binnenmarkt auswirken können. Es ist aus diesem Grund wichtig für uns, ein endgültiges System für Mehrwertsteuersätze zu fordern und ganz klar festzustellen, dass für eine Prüfung der Mehrwertsteuerrichtlinie die Binnenmarktstrategie und nicht die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Staaten als Richtschnur dienen soll.
Es ist ebenfalls wichtig, wie das der Herr Kommissar gesagt hat, dass wir uns auf die Reduzierung der administrativen Belastung, die Abschaffung von Steuerhindernissen und die Verbesserung des Unternehmensumfelds konzentrieren sollen, insbesondere im Hinblick auf kleine und mittlere Unternehmen, und gleichzeitig gewährleisten, dass wir ein System schaffen, das Betrug klar entgegentritt.
Steuern sind natürlich eine ganz eigenstaatliche Angelegenheit, bei der außerdem die Selbstbestimmung der Nationen wichtig ist. Zugleich müssen wir uns bewusst sein, dass ein gut funktionierender Binnenmarkt wahrscheinlich eine intensivere und engere Zusammenarbeit als jetzt erfordert, auch im Hinblick auf Angelegenheiten des Steuerwesens. Ich hoffe daher, dass die Kommission – und der Herr Kommissar – den Mut haben werden, diese Themen in ihren bevorstehenden Vorschlägen anzugehen und dass der Ausgangspunkt für diese Vorschläge ein gut funktionierender Binnenmarkt sein wird, und das trotz nationaler Opposition. Schwierige Fragen in schwierigen Zeiten erfordern eine detaillierte Analyse.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Herr Präsident, in dem vorgelegten Vorschlag plant die Kommission, einen Mindestnormalsatz der Mehrwertsteuer von 15 % für weitere 5 Jahre bis 2015 anzuwenden. Obwohl ich das Argument der Kommission verstehe, mithilfe dieser Richtlinie Unternehmen Rechtssicherheit zu verschaffen, denke ich, dass die Mehrwertsteueranalyse ganz intensiver Arbeit bedarf. Der Grund dafür ist meines Erachtens, dass viele Unternehmen und viele Fälle von Steuerverlusten beim grenzüberschreitenden Handel aufzeigen, dass das Mehrwertsteuersystem in Europa sehr schlecht organisiert ist.
Das ist nicht nur ein Problem des tatsächlichen Steuersatzes. Das Problem sind die Regeln, die auf dem nationalen Markt und im internationalen Handel angewandt werden, die es erlauben, dass diese Betrügereien in vielen Fällen ganz legitim durchgeführt werden. Daher möchte ich meine Rede dazu nutzen, eine Prüfung des gesamten Mehrwertsteuersystems zu fordern, was meines Erachtens im Interesse sowohl unserer Wirtschaften als auch unserer Unternehmen liegt. Ich finde die Frist bis 2013 ganz realistisch, und wir sollten dieses Problem nicht angehen, indem wir die Steuersätze regeln, sondern indem wir die Regelungen auf den Prüfstand stellen.
Andrew Henry William Brons (NI). – Herr Präsident, Steuern sind im besten Fall ein notwendiges Übel und sollten immer den erforderlichen Staatsausgaben entsprechen. Ein Steuersatz, der vor der Festlegung von Ausgaben festgesetzt wird, ist ein Rezept dafür, das Geld der Menschen zu nehmen und dann zu entscheiden, wofür man es ausgibt. Es ist ein Rezept für Verschwendung.
Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze auf einen gemeinsamen Standard und einen gemeinsamen reduzierten Steuersatz, wie das 1993 von der Kommission vorgeschlagen wurde, würde den Mitgliedstaaten noch mehr Macht entziehen. Die Steuererhebung ist eines der prägenden Merkmale eines souveränen Staates. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung des souveränen Staates der Europäischen Union, und Mitgliedstaaten sind einfach machtlose Anhängsel. Die Bekämpfung von Betrug und die Verringerung der finanziellen Lasten der KMU sind Ablenkungsmanöver. Bei der Harmonisierung der Mehrwertsteuer geht es um die Zentralisierung und Konsolidierung der Macht der EU.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Herr Präsident, Ziel der neuen Mehrwertsteuerstrategie muss es sein, den Verwaltungsaufwand zu verringern, Steuerhindernisse zu beseitigen und das Unternehmensklima, insbesondere für KMU, zu verbessern. Es gibt ein deutliches Ungleichgewicht im Verhältnis zur Entwicklung des Binnenmarkts. Dies führte für europäische Unternehmen zu einem Wettbewerbsnachteil. Zusätzlich weist das Mehrwertsteuersystem. wie es zurzeit gestaltet und von den Mitgliedstaaten eingesetzt wird, Schwächen auf, die Betrüger zu ihrem Vorteil nutzen.
Ich möchte die Kommission auffordern, die Ergebnisse ihrer Analyse zu präsentieren. Sie wird auch für Konsultationen über die neue Mehrwertsteuerstrategie mit allen Interessenvertretern sorgen müssen. In dieser Hinsicht muss man sich mit gemeinsamen Aspekten auseinandersetzen, wie etwa dem reduzierten Mehrwertsteuersatz, der Steuerbefreiung, der Option, einen maximalen Steuersatz festzusetzen und nicht zuletzt mit dem Ort der Besteuerung für Intra-EU-Güter.
Algirdas Šemeta, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte Ihnen für Ihre Bemerkungen und die von Ihnen in dieser Aussprache geäußerten Standpunkte danken. Ich freue mich zu sehen, dass das Europäische Parlament und die Kommission die Ansicht teilen, dass man das gegenwärtige Mehrwertsteuersystem überdenken muss.
Wie ich in meinen einleitenden Worten festgestellt habe, begrüße ich den Geist der Änderungsanträge, die sich auf die Zukunft der Mehrwertsteuer richten. Trotzdem nimmt die Kommission an, dass sich dieser technische Vorschlag nur auf die Verlängerung des Zeitraumes des Mindestnormalsatzes der Mehrwertsteuer bezieht.
Das Ergebnis der Konsultationen über eine neue Mehrwertsteuerstrategie wird nur erwähnt, um den Grund dafür zu rechtfertigen, warum es verfrüht ist, einen dauerhaften Normalsatz festzulegen. Es ist daher nicht erforderlich, die Ziele und den Rechtsrahmen der neuen Mehrwertsteuerstrategie in diesem Zusammenhang zu diesem Zeitpunkt zu erörtern
Ich wiederhole ebenfalls, dass die Kommission sich heute nicht zu einem Datum für einen zukünftigen Gesetzgebungsvorschlag zu Steuersätzen verpflichten kann. Wir werden zuerst die Aussprache über die Zukunft des Mehrwertsteuersystems führen müssen, was eine klare Vorstellung über die Prioritäten für die Kommission vermitteln wird. Die Ergebnisse dieser Konsultation werden der Kommission zur Planung der zukünftigen Gesetzesvorlage dienen.
Wir sind dabei, unsere Arbeit am Grünbuch fertigzustellen und in den kommenden Wochen werden wir die zentralen Fragen für die Aussprache für alle Beteiligten formulieren: die breite Öffentlichkeit, die Mitglieder des Europäischen Parlaments, Interessenvertreter und die Mitgliedstaaten. Die Fragen, die gestellt werden, richten sich klar auf die Punkte, die während der heutigen Aussprache aufgeworfen wurden.
Ich freue mich auf eine fruchtbare Aussprache in den kommenden Monaten, um es der Kommission zu ermöglichen, in Zukunft eine bessere Strategie für die Mehrwertsteuer zu entwickeln.
David Casa, Berichterstatter. – (MT) Ja, Herr Präsident, ich bin wirklich erfreut, dass der Herr Kommissar verstanden hat, dass wir die unverzügliche Erarbeitung eines Grünbuches fordern, um eine intensivere Aussprache über die Vorschläge der Kommission führen zu können. Wie meine Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause festgestellt haben, müssen wir die Möglichkeit des Betrugs aus dem System entfernen und den Unternehmenssektor so gut wie möglich dabei unterstützen, die vom gegenwärtigen System geschaffenen Hindernisse zu beseitigen. Wir wollen außerdem einen besser funktionierenden Binnenmarkt sehen.
Heute haben wir nicht über die Lösungen gesprochen, die erforderlich sind. Wir fordern die Kommission auf, Vorschläge zu liefern, und zwar ohne Verzögerung, damit sinnvolle Diskussionen über das neue System begonnen werden können, damit wir das gegenwärtige System so rasch wie möglich verbessern können. Ich verstehe, dass das Ziel dieses Berichts tatsächlich darin besteht, den Zeitraum zu verlängern. Allerdings möchte ich die Aufmerksamkeit der Kommission darauf lenken, dass wir gespannt auf eine rasche Vorlage ihrer Vorschläge warten, was uns ermöglicht, unsere eigenen Konzepte darzulegen, und was letztendlich ein gerechteres System für alle gewährleisten wird.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Abstimmung wird morgen um 11.30 Uhr stattfinden.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Franz Obermayr (NI), schriftlich. – Für die meisten EU-Mitgliedsländer, bzw. Drittstaaten mit international verflochtenen Märkten, ist die MwSt (oder USt) eine der staatlichen Hauptfinanzierungsquellen. Die USt ist damit mindestens gleichrangig mit den direkt erhobenen Steuern. Die Beibehaltung des mindestens 15 % Normalsteuersatzes für die nächsten 5 Jahre dient dem Wettbewerb im Binnenmarkt und der Rechtssicherheit für Unternehmer. Zu den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen in der EU: Auch bei reduzierten Mehrwertsteuersätzen für bestimmte Dienstleistungen, wie Reparaturen, Friseur- oder Kosmetikgeschäfte, muss die Kommission darauf achten, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Solche Steuernachlässe beeinträchtigen z.B. österreichische Kleinunternehmen, die etwa dem Wettbewerb gegenüber slowakischen oder ungarischen Dienstleistern nicht standhalten können. Fazit: JA zur gezielten Förderung von KMU, auch im Wege der USt, ABER bei gleichzeitiger Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten!
Der Präsident. – Der nächste Punkt ist die Erklärung der Kommission zur dringenden Hilfe für Haiti.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, die Kommission ist sehr über die Verschlimmerung der Cholera-Situation in Haiti besorgt.
Die Zahl der Toten unter den in Krankenhäusern befindlichen Patienten nimmt Tag für Tag drastisch zu. Die Zahl der Menschen, die in Krankenhäuser eingewiesen wurden, beläuft sich auf mehr als 20 000. Ende letzter Woche gab es bereits mehr als 1 100 Tote. Aber es wird befürchtet, dass diese Zahlen viel zu niedrig angesetzt sind. Die Fatalitätsrate ist sehr hoch und zeigt, dass Menschen die Gesundheitseinrichtungen zu spät erreichen.
Die Behandlung der Cholera ist einfach, aber frühzeitiger Zugang zur Behandlung ist der Schlüssel zur Verringerung der Todesfälle. Die Behandlung der Cholera-Patienten erfordert außerdem eine große Menge Personal. Das öffentliche Gesundheitswesen von Haiti ist jetzt trotz substanzieller Hilfe von der Völkergemeinschaft in kritischem Maße überbelastet.
Ärzte ohne Grenzen, einer der medizinischen Akteure an der vordersten Front, fordert alle in Haiti vertretenen Gruppen und Behörden auf, den Umfang ihrer Anstrengungen zu erweitern und rascher zu handeln.
Das ganze Land ist jetzt davon betroffen. Diese Epidemie breitet sich mit alarmierender Geschwindigkeit in der Hauptstadt, Port-au-Prince, aus. Armutsviertel wie Cité Soleil sind wegen der schlechten hygienischen Situation und unzureichendem Zugang zu sauberem Wasser besonders anfällig für die Verbreitung der Krankheit.
Wir konzentrieren uns darauf, durch rasche Behandlung der erkrankten Menschen Leben zu retten, den Zugang zu sauberem Wasser zu verbessern, besseres hygienisches Verhalten zu fördern und die epidemiologische Überwachung zu unterstützen, um herauszufinden, wo und wie sich die Epidemie entwickelt.
Die Kommission hat ihre humanitäre Präsenz mit relevanter medizinischer Sachkenntnis und bereitgestellten Geldmitteln – 12 Mio. EUR – verstärkt, um Partner in Haiti zu unterstützen.
Auch wurde der europäische Zivilschutz-Mechanismus durch das Beobachtungs- und Informationszentrum der Europäischen Kommission aktiviert und hat bereits den Transport von französischen Sachgütern mitfinanziert.
Ein weiteres Angebot liegt jetzt von Österreich vor. Ein aus Experten von Mitgliedstaaten zusammengesetztes EU-Team für Katastrophenschutz und technische Unterstützung wird zu Beginn dieser Woche eingesetzt werden. Experten vom Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wurden von GD SANCO eingesetzt, um festzustellen, wie die epidemiologische Überwachung in Haiti am besten verstärkt werden kann. Eine weitere Zusammenarbeit wird derzeit überprüft.
Nach den jüngsten Ereignissen im Zusammenhang mit den Bürgerunruhen in Cap Haitien und Port-au-Prince verfolgen wir die Sicherheitslage mit unseren Partnern und den zuständigen UN-Behörden sehr genau, insbesondere wegen der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am 28. November.
Die Kommission war in Kontakt mit der Untergeneralsekretärin für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordination der Vereinten Nationen, Baroness Amos. Wir unterstützen sie voll und ganz dabei, hervorzuheben, wie wichtig es ist, es nationalen und internationalen Hilfskräften auch weiterhin zu gestatten, ungehindert lebensrettende Aktionen durchzuführen.
In Anbetracht der ernsten und sich sehr rasch verschlechternden Cholera-Situation sind zusätzliche Hilfsmittel dringend erforderlich, um die Lücken im Gesundheitswesen, bei der Wasserversorgung, den sanitären Anlagen, der Hygiene und Logistik zu schließen. Prioritäten sind unter anderem medizinisches und zusätzliches Personal, das auf die Bereiche Wasserversorgung, sanitäre Anlagen und Hygiene sowie medizinische Versorgung, Betten, Wasserreinigungsanlagen und -tabletten spezialisiert ist. Daher ist die Kommission mit dem belgischen Ratsvorsitz und den Mitgliedstaaten in Kontakt, um in dieser kritischen und schwierigen Zeit weitere EU-Hilfe für Haiti zu fördern. Die Unterstützung durch die EU kann durch den Zivilschutz-Mechanismus der EU gelenkt werden.
Die unermüdlichen Anstrengungen der haitianischen und internationalen humanitären Helfer, die gegenwärtigen Herausforderungen vor Ort zu meistern, ist lobenswert, aber es ist klar, dass der enorme Umfang dieser Krise mehr Mittel und Ressourcen erfordert. Daher arbeiten wir derzeit hart daran, unsere Katastropheneinsätze mit unseren Partnern zu intensivieren, aber wegen der rasch voranschreitenden Entwicklung der Lage gehen wir schwierigen Zeiten entgegen.
Die Solidarität der Völkergemeinschaft mit den Menschen In Haiti ist auch weiterhin unbedingt erforderlich. Darum fordern wir Sie alle auf, Ihr Bestes zu tun, um die Unterstützung durch die Mitgliedstaaten zu verstärken, um eine menschliche Katastrophe ungeheuren Ausmaßes zu verhindern.
Michèle Striffler, im Namen der PPE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau Damanaki, meine Damen und Herren, der Choleraepidemie sind bereits mehr als 1 200 Menschen zum Opfer gefallen und mehr als 52 000 haben sich infiziert. Daher verschlechtert sich die Situation trotz der starken Präsenz der internationalen Organisationen in Haiti täglich und die Epidemie könnte in den nächsten Monaten rund 400 000 Menschen erfassen.
Ich freue mich natürlich sehr über die 12 Mio. EUR, die von der Europäischen Kommission freigestellt wurden, und ich unterstütze Frau Georgievas Aufruf an die Mitgliedstaaten, Hilfsgüter zur Verfügung zu stellen, damit das Wasser gereinigt werden kann, und Ausrüstung zu liefern. Die Zahl der infizierten Menschen kann ausschließlich durch die Bereitstellung von Trinkwasser und Toilettenanlagen verringert werden.
Eine Priorität muss auch darin bestehen, die durch diese in diesem Land unbekannte Krankheit in Angst versetzte Bevölkerung zu beruhigen. Mit der Bevölkerung zu kommunizieren ist unerlässlich, um über die Krankheit zu informieren und sie abzuwehren, aber auch die Verbreitung der inneren Gewalt zu verhindern, insbesondere da das Land sich mitten in einer Wahl befindet.
Diese neue Krise hat erneut die Unfähigkeit der haitianischen Behörden und des haitianischen Gesundheitswesens aufgezeigt, diese Krise zu bewältigen. Seit Jahren leidet dieses Land unter zahlreichen Katastrophen. Das Erdbeben in Haiti hat die fast völlige Inkompetenz der Kommunalbehörden verdeutlicht. Nach dem Erdbeben war ein ernsthafter politischer Wille vorhanden, Haiti wiederaufzubauen und es gab viele Versprechungen für Spenden. Fast ein Jahr später hat der Wiederaufbau kaum begonnen und die an der Entwicklung Beteiligten sind pessimistisch. Die Europäische Kommission muss während des Wiederaufbaus als Triebkraft dienen, damit Haiti endlich aus dieser chaotischen Situation herauskommt.
Corina Creţu, im Namen der S&D-Fraktion. – (RO) Herr Präsident, ich begrüße erneut die rasche Intervention der Europäischen Union. Zugleich denke ich allerdings, dass sich unsere Anstrengungen in diesem Land auf die Sicherung eines Mindestmaßes an funktionierender Staatsstruktur richten sollen, in einer Zeit, in welcher der Staat Haiti eine Farce ist. Er scheitert daran, seinen grundlegenden Pflichten nachzukommen, wie etwa die Organisation eines Flüchtlingslagers durchzuführen, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten und hygienische Bedingungen und Trinkwasser bereitzustellen. Diese Verwundbarkeit hat die rasante Verbreitung der Krankheit und den Tod von mehr als 1 200 Menschen ermöglicht.
Haiti braucht einen Staat, der seinen armen Menschen helfen kann. Drei von vier Menschen in Haiti müssen mit weniger als 2 USD pro Tag überleben. Mehr als 1,5 Millionen Menschen leben in Flüchtlingslagern und stellen ein ernstes Risiko für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit dar.
Ich glaube, dass die Schwäche des Staates Haiti jetzt der zentrale Risikofaktor ist. Seine fehlende Autorität bedeutet, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung sich auf UN-Kräfte richtet. In der Tat besteht für NRO das Risiko, ihren Auftrag nicht mehr länger erfüllen zu können. Darum sind die Wahlen am 28. November von entscheidender Bedeutung und dürfen trotz Forderungen aus einigen Kreisen nicht verschoben werden.
Charles Goerens, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, es gibt natürlich mitentscheidende Faktoren, die zweifellos die Verbreitung der Cholera in Haiti gefördert haben. Das ist sicher keine Antwort, aber eine Erklärung. Die Antwort auf diese Geißel muss in zweifacher Hinsicht ausfallen.
Im Moment haben uns die Entwicklungshelfer vor Ort bestätigt, dass Seife, Substanzen, die das Wasser trinkbar machen und eine Schulung in angemessener Hygiene erforderlich sind. In der gegenwärtigen Lage werden auch langfristige Vorbereitungen getroffen. In einem Land, in dem noch immer alles zu tun oder wieder zu tun ist, ist der Wiederaufbau nach dem Erdbeben eine Notwendigkeit und die Errichtung der Infrastruktur, die sowohl individuelle als auch kollektive Hygiene verbessern soll, muss Priorität haben.
Ich hoffe, dass es acht Monate nach der New Yorker Konferenz über den Wiederaufbau Haitis nicht mehr möglich sein wird, einen Mangel an Geldmitteln als Ausrede für den minimalen Fortschritt anzuführen, der bis heute feststellbar ist, wenn man bedenkt, dass sich alle Redner dafür ausgesprochen haben, die humanitäre Phase für viele weitere Monate fortzusetzen. Es wird außerdem notwendig sein, die Namen der für den langsamen Fortschritt Verantwortlichen zu nennen, ohne lange um den heißen Brei herumzureden.
Franziska Keller, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, wir sehen in Haiti eine der umfangreichsten humanitären Hilfsaktionen, die es je gegeben hat. Wir müssen sicherstellen, dass wir den Kampf gegen diese Katastrophe nicht verlieren und dass wir Ergebnisse erzielen und den Haitianern beim Aufbau ihrer Zukunft helfen können.
Neben der Tatsache, dass es sich um ein Desaster für Millionen von Menschen handelt, würde ein Scheitern auch einen Rückschlag für die Anstrengungen und die Fähigkeiten der Völkergemeinschaft bedeuten, gemeinsame Anstrengungen zur humanitären Hilfe zu unternehmen. Ich glaube, dass wir unsere ganze Erfahrung, alle von uns in Haiti und anderswo gelernten Lektionen und außerdem ausreichende Geldmittel einfließen lassen müssen. Daher begrüße ich ganz besonders die Erklärung der Kommission, dass sie zusätzlich 12 Mio. EUR im Kampf gegen die Cholera einsetzen wird.
Wir müssen sicherstellen, dass diese Hilfe Haiti sofort erreicht, dass sie vollständig dort ankommt und nicht in Teilen, und dass wir die richtigen Initiativen unterstützen, um Ihre Wirksamkeit zu garantieren. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass wir die Anstrengungen für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben nicht vernachlässigen, denn ohne sie wird es unmöglich sein, Krankheiten zu bekämpfen.
Ich habe zwei Fragen an die Kommission. Erstens möchte ich wissen, ob das zugesagte Geld angekommen ist – das versprochene Geld – und ob es verteilt und ausgeschöpft wurde. Zweitens möchte ich wissen, was Sie von der Verschiebung der Wahlen halten, weil diese wieder auf der Tagesordnung ist.
Die haitianische Revolution hat es nie geschafft, in die Geschichtsbücher zu kommen. Hoffen wir, dass die gegenwärtige schwierige Zeit in Haiti in die Geschichtsbücher gelangen wird, und zwar als Ausgangspunkt für die Vorbereitung einer besseren Zukunft für alle Haitianer. Hoffentlich kann auch erwähnt werden, dass die EU eine sehr positive Rolle dabei gespielt hat.
James Nicholson, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident, vor zwei Monaten war ich stellvertretender Vorsitzender der gemäß dem AKP-Protokoll nach Haiti entsandten Delegation und das war wahrscheinlich eines der größten und bewegendsten Erlebnisse meines Lebens. Erstens sind dort außerordentlich engagierte Menschen am Werk, um den Haitianern zu helfen, und zweitens sind die Haitianer ein sehr stolzes Volk und wir sollten das zu Beginn dieser Aussprache anerkennen.
Aber es wurde uns vom Präsidenten und Ministerpräsidenten mitgeteilt, wie sehr die Haitianer vom Glück begünstigt waren, dass sie gute Sanitäranlagen und keine Krankheiten hatten – und daher ist es jetzt äußerst bedauerlich, dass sie von einer Krankheit heimgesucht wurden. Diese Krankheit ist relativ leicht zu behandeln. Aber Sie müssen vor Ort sein, um die Bedingungen zu sehen, unter denen die humanitären Helfer arbeiten und wenn sie über Gesundheitswesen sprechen, dann, entschuldigen Sie, Herr Präsident, hat Haiti kein Gesundheitswesen, wie es den Übrigen von uns und Ihnen bekannt ist: sie sind auf die Ärzte ohne Grenzen, das britische Rote Kreuz und viele andere Organisationen aus aller Welt angewiesen.
Was die Wahl anbetrifft, ist es wahr, dass Haiti zu diesem Zeitpunkt keine Wahl braucht. Aber bis sie einen Präsidenten und einen Ministerpräsidenten bekommen, der ihnen als Führungskraft vorangehen kann, werden sie keine Chance haben, Fortschritte zu erzielen. Ich möchte ein Lob aussprechen – denn ich sah es selbst, als ich dort war – und zwar den hervorragenden Männern und Frauen des Büros der Europäischen Kommission, die unter schrecklichen Bedingungen versuchten, eine europäische Präsenz in Port-au-Prince aufrecht zu erhalten und eine fantastische Arbeit geleistet haben.
Marie-Christine Vergiat, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, ich möchte zunächst allen meinen Kolleginnen und Kollegen danken und insbesondere der Konferenz der Präsidenten, diese Aussprache über Haiti abzuhalten, die von meiner Fraktion vorgeschlagen wurde. Es war ein Notfall.
Letzten Januar hat sich die Völkergemeinschaft nach dem Erdbeben mit großem Engagement zur Unterstützung von Haiti zusammengeschlossen. Allerdings scheint es eine Diskrepanz, um nicht zu sagen eine Kluft zu geben zwischen den gemachten Versprechungen und der Hilfe, die tatsächlich vor Ort eingetroffen ist. Letzten März ging Baroness Ashton die Verpflichtung ein, im Namen der Europäischen Union Mittel in Höhe von 1,235 Mrd. EUR bereitzustellen, um den Menschen von Haiti beim Aufbau einer besseren Zukunft zu helfen.
Seit letztem Juli schlagen die NRO und insbesondere Ärzte ohne Grenzen und der Kommissar Alarm und berichten über die krankheitserregenden Lebensbedingungen, die von hunderttausenden von Menschen erduldet werden. Die Lage hat sich seit damals kaum verändert, und doch sind die Menschen überrascht, dass die Choleraepidemie sich sehr rasch verbreitet, und die Völkergemeinschaft beginnt wieder, Mitleid zu haben. Es hat bereits mehr als eintausend Todesfälle gegeben und die Zahl der erkrankten Menschen steigt ständig an, obwohl Experten sagen, dass die Maßnahmen, diese Krankheit nicht zu einer tödlichen Krankheit werden zu lassen, relativ einfach durchzuführen sind. Aber die medizinischen Helfer sind in dieser Krankheit nicht ausreichend geschult, und es gibt Probleme dabei, Produkte der medizinischen Grundversorgung dorthin zu bekommen, wo sie gebraucht werden.
Wie kann man unter solchen Bedingungen nicht verstehen, warum Unruhen stattfinden? Die haitianische Bevölkerung fühlt sich ziemlich hilflos. Sie findet es schwierig, der Völkergemeinschaft zu vertrauen. Meine Frage ist daher sehr einfach, Herr Kommissar:
Wo genau ist die viele Hilfe, welche die Europäische Union Haiti versprochen hat, und zwar nicht nur die humanitäre Hilfe?
Wäre sie früher angekommen, denken Sie nicht, dass man diese Tragödie hätte verhindern können?
Wie kommt es, dass internationale Konferenzen nur zur Nichteinhaltung von Versprechen geführt haben?
Warum werden die Bemühungen von Präsident Préval, MINUSTAH zur Unterstützung des Wiederaufbaus einzusetzen, keiner Antwort gewürdigt?
Und schließlich stimmt es, dass die haitianische Bevölkerung Wahlen haben will, aber unter welchen Bedingungen werden sie stattfinden und welche Art Unterstützung wird die Europäische Union leisten?
VORSITZ: Stavros LAMBRINIDIS Vizepräsident
Licia Ronzulli (PPE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Trotz all unserer Warnungen, Haitis Zukunft nach dem Erdbeben im vergangenen Januar nicht zu vernachlässigen, sieht es gemäß den Nachrichten der letzten Tage danach aus, dass die Insel in einem kritischen Moment, nämlich dem des Wiederaufbaus, von der internationalen Gemeinschaft fallen gelassen wurde.
Cholera, eine Krankheit, über die nur wenige Menschen in Haiti Bescheid wissen und der eine mystische, religiöse Bedeutung anhaftet, ist im Begriff, sich auszubreiten. Die Friedenstruppen der Vereinten Nationen werden bezichtigt, die Bevölkerung anzustecken. Ein einziger angesteckter nepalesischer Soldat auf der Insel genügte, damit hunderte Menschen, darunter Frauen und Kinder, das Hauptquartier der Friedenstruppe belagerten. Auch die humanitären Helfer fühlen sich bedroht und viele von ihnen verlassen das Land.
Es bestehen große Spannungen, und ein großer Teil der Trümmer, die durch das starke Erdbeben am 12. Januar verursacht wurden, liegt immer noch auf den Straßen und öffentlichen Plätzen. Wir haben vernommen, dass es nicht genügend Wasser gibt und dass sich die Menschen daher nicht waschen und vor Ansteckung schützen können.
Der Erreger breitet sich rasant aus, und die Zahl der Toten steigt exponentiell. Die Zahlen wurden bereits genannt, doch ich will sie wiederholen: bis heute gibt es 1 130 Opfer, und die Zahl der Krankenhauseinweisungen ist innerhalb eines Monats auf über 18 000 angestiegen. Täglich werden zudem Symptome bei tausenden neu Infizierten gemeldet.
Die internationale Gemeinschaft darf nicht länger warten. Es muss umgehend eine Lösung gefunden werden, sonst haben wir alle zukünftigen Ansteckungsfälle auf dem Gewissen.
Michael Cashman (S&D). – Herr Präsident! Als Erstes möchte ich Kommissionsmitglied Georgieva zu ihrer effizienten Koordinierungsarbeit und den Gesprächen, die sie mit Baronin Amos bei der UNO führt, beglückwünschen.
Das Einfachste und Billigste für dieses Parlament ist es nun, zu kritisieren. Ich möchte, dass wir positiv sind und Druck ausüben, wo dies nötig ist. Ich wende mich an alle Parlamentsmitglieder. Wir müssen unsere eigenen Mitgliedstaaten drängen, mehr Hilfe zu leisten, und zwar konkrete Hilfe. Betrachtet man die Liste der Länder, so haben Länder wie Spanien, Irland, Italien, Frankreich, Österreich, Ungarn, die selbst in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, tief in die Tasche gegriffen. Ich fordere daher jeden von uns auf, zu seiner Regierung Kontakt aufzunehmen und eine Zusage von ihr zu verlangen. Sollte es fraglich sein, ob die Hilfe ans Ziel gelangt, müssen wir Kapazitäten aufbauen, um sie ans Ziel zu bringen.
Zum Schluss möchte ich der Kommissarin danken und sie zur Mobilisierung der zusätzlichen 12 Mio. EUR beglückwünschen. Das Erdbeben ist eine große Tragödie. Eine noch größere ist die gegenwärtige Choleraepidemie.
Niccolò Rinaldi (ALDE). – (IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst liegt das Epizentrum eines schlimmen Erdbebens ausgerechnet in der ärmsten und am schlechtesten regierten Region der amerikanischen Hemisphäre, und nun sucht Cholera dieses Land heim, dessen Pro-Kopf-Beiträge an internationaler Hilfe zu den größten überhaupt gehören. Welche Ironie! Es ist nicht nur die ungeheure Serie von Unglücksfällen: Haitis Straßen sind voll von Kindern und Zelten, eingeklemmt zwischen Schutt und Müll, und niemand weiß, wo beginnen.
Viele der lokalen Politiker sind habgierig und interessieren sich mehr für die Machtspiele als für die Bewältigung des Wiederaufbaus, und die durch das Erbeben dezimierte bürokratische Maschinerie besitzt eine geringe administrative Kultur und behindert in bestimmten Fällen sogar die Verteilung der Hilfsgüter. Es befinden sich zahlreiche, oft schlecht geführte internationale Organisationen vor Ort, denen es nicht gelingt, die Bevölkerung zu schützen.
Bei meinem Besuch in Haiti mit der Delegation des Europäischen Parlaments im Juni vermittelten die vielen verlassenen Felder sowie die nicht entsorgten Trümmer- und Abfallmengen bereits ein klares Bild davon, wie schlimm die Lage werden konnte. Nun ist noch Cholera hinzugekommen.
Die Kommission und die Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) haben bisher alles Erforderliche getan, doch sie müssen ihre Anstrengungen nun verdoppeln. Meines Erachtens braucht Haiti neben einem starken Aktionsplan für die Wiederherstellung auch mehr Rückhalt auf der internationalen politischen Ebene.
Nirj Deva (ECR). – Herr Präsident! Dies ist eine Tragödie, die kaum in Worte zu fassen ist. Als sich das Unglück im Januar des vergangenen Jahres ereignete, ging die internationale Gemeinschaft mit Fanfaren auf Haiti zu. Militärhelikopter kamen, um heruntergefallene schwere Mauerwerkteile aufzuheben. Sie sind nicht mehr da, sie sind plötzlich abgeflogen. Die Mauerwerkteile blockieren die Straßen, die unpassierbar sind, und das Straßenverkehrsnetz funktioniert nicht mehr. Kommissionsmitglied Georgieva hat große Anstrengungen unternommen, die Aktivitäten zu koordinieren.
Wie ist es soweit gekommen? Weshalb sind all diese Leute – einschließlich Außenministerin Clinton, die im Januar vor Ort erschien – plötzlich wieder verschwunden? Weshalb soll die UNO nun verschwinden? Wann wird man von der EU verlangen, dass auch sie verschwindet? Es ist absurd. Die internationale Gemeinschaft muss zurückkehren und ihre Arbeit auf der gleichen Ebene wieder aufnehmen. Und sie sollte es den Bewohnern Haitis ermöglichen, sich von diesem politisierenden Unsinn, der sich in der Hauptstadt abspielt, frei zu machen.
Anna Záborská (PPE). – (SK) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich danke Ihnen für den Bericht, den Sie uns zur aktuellen Lage in Haiti vorgelegt haben. Der Ausbruch einer weiteren Epidemie in Haiti war zu erwarten. Seit Beginn des Jahres und seit dem Erdbeben haben wir viele Anstrengungen unternommen, doch die Arbeit ist nicht so schnell vorangekommen, wie wir es gehofft hatten. Wir haben oft von der Situation gesprochen, die in Haiti vor dem Erdbeben herrschte.
Es wäre zweifellos eine Hilfe für uns gewesen, wenn Haiti ein funktionierender Staat gewesen wäre, doch das ist er nicht und wird es noch lange nicht sein. Da gibt es noch sehr viel zu tun. Jetzt sind dringende Maßnahmen nötig, da das Risiko neuer Epidemien und weiterer Gewalt besteht.
Frau Kommissarin! Es besteht die Notwendigkeit, die besten Gesundheitsexperten in Brüssel zu versammeln und einen strategischen Hilfeplan für Haiti aufzustellen. Für die Situation in den Bereichen Sicherheit, Finanzen und insbesondere Gesundheit müssen Lösungen gefunden werden.
Kriton Arsenis (S&D). – (EL) Frau Kommissarin! Auch ich möchte Sie zu Ihrer hervorragenden Arbeit im Fall von Haiti und zu allem, was Sie für Pakistan getan haben, beglückwünschen. Wir wissen, dass Sie in jeder Notfallsituation da sein werden.
Dies ist ein wahrlich monumentales Unglück. Es gibt mehr als 1 000 Tote und 15 000 Kranke und die Zahlen steigen weiter. Die Bedürfnisse sind enorm, und wie wir sehen, genügen die Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nicht. Es wird immer klarer, dass wir neue Finanzinstrumente brauchen; möglicherweise – und natürlich in erster Linie – eine Transaktionssteuer. Wir brauchen weitere Finanzierungsmechanismen, die unsere Anstrengungen zur Bewältigung der wachsenden humanitären Bedürfnisse stützen.
Wir sollten uns auch überlegen, was wir tun können, um die Übertragung von Krankheiten durch Mitarbeiter der UNO in Zukunft zu verhindern.
Bastiaan Belder (EFD). – (NL) Herr Präsident! Heute Nachmittag erhielt ich von einer holländischen Hilfsorganisation, die seit vielen Jahren in Haiti präsent ist, die neuesten Nachrichten, und sie bestätigen das dunkle und realistische Bild, das die Kommission beschreibt. Die holländische Organisation hat mir aber auch mitgeteilt, dass man insbesondere auf Europa als wichtige Spenderin vertraut. Worauf vertraut man aber, was erwartet man von uns? Obschon auf der internationalen Geberkonferenz eine riesige Summe zugesagt wurde, ist nur ein Bruchteil davon ausgehändigt worden. Nun hat die UNO zusätzliche Finanzierungsmittel angefordert, doch ein großer Teil des zugesagten Geldes wurde bisher nicht zugestellt. Ich hoffe daher, dass die Europäische Union die Initiative ergreift und sicherstellt, dass dieses Geld auch wirklich ausbezahlt wird, denn die Lage in Haiti ist Besorgnis erregend. Prävention und sauberes Trinkwasser haben natürlich Priorität. Ich hoffe, dass die Europäische Union eine gute Wasserversorgung für Haiti sicherstellen wird. Experten, das Ausheben von Wasserbrunnen, sauberes Trinkwasser sowie medizinische Versorgung sind besonders wichtig. All dies ist in ungenügendem Maß vorhanden. Ich fordere die Niederlande, aber auch die europäischen Institutionen, auf, Haiti in dieser akuten Notsituation unverzüglich und effizient Hilfe zu leisten.
Ricardo Cortés Lastra (S&D). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin Damanaki! Als Erstes gratuliere ich der Kommissarin zu ihrer Arbeit in Haiti.
Doch die Situation erfordert eine sofortige und viel stärkere Reaktion. Wir brauchen mehr Ressourcen und ein größeres internationales Engagement, trotz des aktuellen wirtschaftlichen Kontexts, der eine Mobilisierung von finanziellen Mitteln erschwert. Es darf nicht sein, dass für gewisse Probleme Mittel vorhanden sind, nicht jedoch für diese humanitäre Situation.
Wir haben verschiedene gesundheitsbezogene und humanitäre Prioritäten: Die Bevölkerung muss über eine bestimmte Krankheit informiert, Zelte müssen beschafft, die sanitären Anlagen in allen Regionen verbessert und der Zugang zu sauberem Wasser gewährleistet werden. All diese Aufgaben sind dringend, sie erfordern große Anstrengungen seitens der Kommission und aller Mitgliedstaaten.
Hannu Takkula (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Ich möchte Kommissionsmitglied Georgieva für all die Arbeit danken, die von der Kommission geleistet wurde. Es ist sehr wichtig, dass die Europäische Union in Haiti eine starke und sichtbare Rolle inne hat. Doch es geht um unsere Mitmenschen, unsere Mitgeschöpfe. Wir sind für sie verantwortlich, denn sie sind die Opfer einer beispiellosen Katastrophe: zuerst das Erdbeben und nun eine Choleraepidemie.
Es ist wichtig, dass das Geld und die Hilfsmittel, die wir hinschicken, rasch an ihr Ziel gelangen. Viele christliche Hilfsorganisationen vor Ort arbeiten gut und es scheint, dass sie auch über effiziente Zustellungskanäle verfügen, über welche die Hilfsmittel schnell zu jenen Menschen gelangen, die sie brauchen. In diesem Sinn hoffe ich, dass die Kommission auch die anerkannten humanitären und christlichen Organisationen nutzen wird, die dort derart gute Arbeit leisten. So wird es möglich sein, die Hilfe ans Ziel zu bringen und die bestmöglichen Ergebnisse zu erreichen.
Kristalina Georgieva, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Danke für Ihren ganzen Einsatz und die Diskussion über ein Thema, das uns leider noch lange beschäftigen wird. Diese Krise wird nicht leicht zu bewältigen sein.
Wir haben Schätzungen erhalten – unter anderem von unseren eigenen Experten – über das Ausmaß des Problems in den kommenden Monaten, und ich stimme sehr mit allen überein, die erklärt haben, dass wir die fachliche Unterstützung des Europäischen Notfallabwehrzentrums in Haiti einsetzen müssen. Die Schätzungen gehen dahin, dass zwischen einer halben Million und 720 000 Menschen angesteckt sein werden, bevor diese Epidemiewelle vorüber ist.
Die Schätzung der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation liegt zwar etwas niedriger, bei 400 000, die Größenordnung ist jedoch dieselbe. Wir müssen also mobil machen. Ich bin mit jedem Einzelnen von Ihnen einverstanden, der von sofortiger Mobilisierung und unverzüglicher Hilfeleistung spricht.
Vier Punkte sind klarzustellen. Zuerst geht es darum, wie wir am besten helfen können. Dies ist der Zeitpunkt, um unsere Partnerorganisationen aufzubieten und ihnen sogleich die Ressourcen zum Handeln zu geben. Wir müssen zudem konkrete Hilfe von den Mitgliedstaaten anfordern. Seit Donnerstag, als ich mich an die Mitgliedstaaten wandte, ist Hilfe eingetroffen, doch es werden mehr medizinisches Personal, Wasserreinigungstabletten und Unterstützung für eine Aufklärungskampagne benötigt, denn – wie hier mehrmals erwähnt wurde – besteht ein weit verbreitetes Missverständnis darüber, was diese Krankheit eigentlich ist und wie man sie am besten behandelt. Als Folge davon sterben Menschen ganz unnötig, weil sie sich davor scheuen, ein Behandlungszentrum aufzusuchen: Sie haben Angst, dass sie sich eher dort anstecken als dass sie behandelt werden.
Zweitens sprachen mehrere Redner von den zugesagten Geldsummen sowie vom Wiederaufbau in Haiti. Die Zusage der Kommission wurde erfüllt. Die Kommission versprach 460 Mio. EUR und händigt sie gemäß dem angekündigten Zeitplan aus, und die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin Cathy Ashton sowie Kommissar Piebalgs machen zurzeit eine Bestandsaufnahme bei den Mitgliedstaaten und klären ab, wie es um das Geld, das wir versprochen haben, steht. Ich kann Ihnen versichern, dass dies sehr ernst genommen wird, denn der Ruf der internationalen Gemeinschaft steht auf dem Spiel, und dies in einer sehr schwierigen Zeit.
Allerdings – und dies ist mein dritter Punkt, der sehr wichtig ist – hat Haitis Aufnahmevermögen seine Grenzen, und ich glaube, dass ich das mit einigen von Ihnen besprochen habe. Als ich damals Haiti besuchte, war meine Überlegung, dass dieses Unglück, so schrecklich es auch war, nicht Haitis größtes Problem darstellte. Das größte Problem sind die vielen Jahrzehnte mangelnder Entwicklung und das Fehlen eines funktionierenden Staates, was unter anderem auch das Fehlen eines funktionierenden Gesundheitsdienstes bedeutet.
Ich sah Menschen, die beim Arzt Schlange standen, nicht etwa weil sie krank waren, sondern weil sie im Leben noch nie einen Arzt besucht hatten und nun den in den Camps angebotenen Gesundheitsdienst nutzten.
Das völlige Fehlen der Kompetenzen und Fähigkeiten eines funktionierenden Staates schafft Probleme, die diese Epidemie noch verschlimmern. Wir kämpfen immer noch darum, dass die Regierung einen Ort für die Beseitigung von Leichen ausweist – denn sonst verbreitet sich die Epidemie natürlich weiter – und dass sie Latrinen verlegt, damit die sanitäre Situation verbessert wird. Ich kann also nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist zu verstehen, dass Haitis Probleme nicht leicht zu lösen sind, denn der Kern des Problems liegt in all den Jahrzehnten der Unterentwicklung und des Fehlens eines funktionierenden Staates.
Es wurde die Frage gestellt, ob die Wahlen trotz allem durchgeführt werden sollten. Die haitianischen Behörden ziehen es vor, sich an den Zeitplan zu halten. Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten. Ich habe Haiti noch nicht besucht, doch ich meine, dass eine Annullierung oder Verschiebung der Wahlen die bereits sehr schwierige Situation destabilisieren könnte. Die Durchführung der Wahlen dürfte gewisse Vorteile haben, doch wie gesagt, das schließe ich aus dem, was ich gehört und nicht, was ich gesehen habe.
Mein vierter Punkt betrifft das Engagement. Sie haben die Kommission aufgefordert, sich ganz direkt zu engagieren; das tun wir und werden es auch weiterhin tun. Baronin Ashton wird sehr wahrscheinlich morgen in Haiti sein, und ich habe vor, selbst hinzureisen, denn zu diesem Zeitpunkt sind Mobilisierung und gute Koordinierung wichtig, aber es ist auch wichtig, dass wir den Menschen und unseren eigenen Mitarbeitern vor Ort Hoffnung bringen. Unsere Leute müssen sich in einer sehr schwierigen Situation durchsetzen: Sie befinden sich an Orten, wo die haitianischen Gesundheitsverantwortlichen Angst vor der Epidemie bekommen und einfach weglaufen, und sie müssen eine massive Zunahme von Krankheitsfällen bewältigen.
Wir müssen nun präsent bleiben und die Ruhe bewahren und versuchen, den Kurs zu steuern, der den Menschen am meisten Hoffnung gibt. Ein Abgeordneter erwähnte, dass die Menschen in Haiti sehr robust sind. Das sind sie und sie verdienen all unsere Hilfe in dieser äußerst schwierigen Zeit.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
16. Langfristiger Plan für den Sardellenbestand im Golf von Biskaya und die Fischereien, die diesen Bestand befischen - Mehrjahresplan für den westlichen Stöckerbestand und für die Fischereien, die diesen Bestand befischen - Verbot der Fangaufwertung und der Beschränkungen des Flunder- und Steinbuttfangs in der Ostsee, den Belten und dem Öresund - Verwendung nicht heimischer und gebietsfremder Arten in der Aquakultur (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über folgende Berichte:
– der Bericht von Izaskun Bilbao Barandica im Namen des Fischereiausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines langfristigen Plans für den Sardellenbestand im Golf von Biskaya und die Fischereien, die diesen Bestand befischen [KOM(2009)0399 – C7-0157/2009 – 2009/0112(COD)] (A7-0299/2010),
– der Bericht von Pat the Cope Gallagher im Namen des Fischereiausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Mehrjahresplans für den westlichen Stöckerbestand und für die Fischereien, die diesen Bestand befischen [KOM(2009)0189 – C7-0010/2009 – 2009/0057(COD)] (A7-0296/2010),
– der Bericht von Marek Józef Gróbarczyk im Namen des Fischereiausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 des Rates hinsichtlich des Verbots der Fangaufwertung und der Beschränkungen des Flunder- und Steinbuttfangs in der Ostsee, den Belten und dem Öresund [KOM(2010)0325 – C7-0156/2010 – 2010/0175(COD)] (A7-0295/2010) und
– der Bericht von João Ferreira im Namen des Fischereiausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 708/2007 Beschluss der Kommission vom 31. Oktober 2007 zur Änderung der Liste der zu Mitgliedern der Wissenschaftlichen Ausschüsse in den Bereichen Verbrauchersicherheit, öffentliche Gesundheit und Umwelt ernannten Sachverständigen und der Verlängerung ihrer Amtszeit [KOM(2009)0541 – C7-272/2009 – 2009/0153(COD)] (A7-0184/2010).
Izaskun Bilbao Barandica , Berichterstatterin. – (ES) – (ES) Herr Präsident! Ich möchte zunächst einige Worte der Anerkennung, des Dankes und meine Glückwünsche gegenüber dem Küstenfischereisektor im Golf von Biskaya für sein verantwortungsvolles Handeln zum Ausdruck bringen.
Frau Kommissarin! Der Sektor benötigt dringend diesen Plan, um sein Ziel zu erreichen, nämlich eine einträgliche Tätigkeit zu entwickeln, ohne die Zukunft der Fischerei zu gefährden. Dafür muss der Sardellenbestand im Golf von Biskaya auf einem Niveau gehalten werden, das in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hinsicht eine nachhaltige Bewirtschaftung gestattet. Das lässt sich wesentlich besser erreichen, indem die Erträge auf der Grundlage wissenschaftlicher Berichte berechnet werden, anstatt die Berechnungen der zulässigen Gesamtfangmenge (TAC) schleierhaften politischen Verhandlungen anzuvertrauen.
Die Befischungsregeln müssen deshalb in dem Plan festgelegt sein, und das bedeutet, dass die Fangquoten auf der Grundlage von Schätzungen des Fischbestands aus wissenschaftlichen Gutachten festgesetzt werden.
Frau Kommissarin! Diese Initiative wurde im Juli 2009 von der Kommission vorgelegt. Im September haben wir die Arbeit aufgenommen. Über die Berufsvereinigungen der Fischer, die Wissenschaftsinstitute und den Regionalbeirat Südwestliche Gewässer haben wir mit dem ganzen spanischen und französischen Sektor ein Arbeitsverfahren festgelegt. Diesem Verfahren sind wir gefolgt und haben einen gemeinsamen Vorschlag ausgearbeitet, der im Parlament breite Unterstützung fand.
Mit großem Einvernehmen und unter Berücksichtigung des bevorstehenden Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon und der Unsicherheit über seine Anwendung auf anhängige Rechtssachen haben wir am 30. November im Fischereiausschuss eine Probeabstimmung durchgeführt. Dieser offene und integrative Ansatz ist auf eine vollkommen andere Haltung auf Seiten des Rates und der Kommission gestoßen.
Zunächst einmal erfuhren wir im Laufe unserer Arbeit, dass gerade eine Kontrollverordnung ausgearbeitet wurde, von der dieser Bericht berührt würde, doch standen uns nur geringfügige Informationen zur Verfügung, weshalb wir in Unsicherheit gerieten, die ohne weiteres hätte vermieden werden können. Nach der Abstimmung im Fischereiausschuss und während des spanischen Ratsvorsitzes habe ich mit dem Rat über diese Initiative verhandelt. Wir beschlossen, einen Trilog einzuberufen, doch zu unserer Überraschung teilte der spanische Ratsvorsitz am Tag der Sitzung unerwartet mit, dass die spanische Regierung auf Ersuchen der französischen Regierung beschlossen hatte, den Punkt zurückzustellen, da über die Rechtsgrundlage Unklarheit bestand. Nach monatelanger Arbeit waren wir blockiert. Der spanische Ratsvorsitz hatte weder eine Einigung noch eine Möglichkeit des Trilogs vorzuweisen.
Ich fragte den neuen Ratsvorsitz, ob er bereit wäre, die Verhandlungen fortzusetzen, und mir wurde gesagt, ich solle Geduld haben und der Angelegenheit etwas Zeit lassen. Angesichts der völlig fehlenden Bereitschaft des Rates, voranzukommen, führten wir auf Empfehlung des Juristischen Dienstes eine neue Abstimmung durch.
Bei dieser zweiten Abstimmung wurden drei Änderungsanträge abgelehnt, die bei der Probeabstimmung unterstützt worden waren und die für den Sektor von entscheidender Bedeutung sind.
Der erste Änderungsantrag betrifft den Grad der Befischung; in diesem Änderungsantrag wird 0,4 als angemessenerer Grad vorgeschlagen.
Der zweite Änderungsantrag betrifft die Aufnahme von lebenden Ködern in die TAC. Es wäre falsch, sie als Teil der Fangquote zu rechnen.
Der dritte Änderungsantrag schließlich betrifft die Überprüfung der Fänge.
Wenn der Wissenschaftliche Ausschuss nicht in der Lage ist, eine Schätzung der aktuellen Biomasse zu erheben, weil er nicht über ausreichende Informationen verfügt, dann muss nicht der Sektor mit einer Verringerung der TAC um 25 % gegenüber dem Vorjahr doppelt benachteiligt werden. Die Kommission hatte bereits die Auffassung vertreten, dass es angemessener wäre, die TAC in diesem Fall um 10 % zu verringern, keinesfalls jedoch unter einen Wert von 7 000 Tonnen. Was die Befugnisse dieses Organs anbelangt, so wurden diese vom Rat und von der Kommission stets missachtet. Die Tatsache, dass uns, während wir über diese Initiative diskutieren, die inoffizielle Nachricht erreichte, dass der Rat die Rücknahme der Initiative beantragt hat, ist ein klarer Hinweis auf seine Haltung.
Ist das wahr? Ich frage Sie jetzt Frau Kommissarin: Wieso? Was beabsichtigen Sie zu unternehmen? Ich hätte heute gern eine Antwort. Ich möchte auch vom belgischen Ratsvorsitz hören, warum er die Rücknahme der Initiative beantragt hat. Ich hätte gern klare Antworten auf diese Fragen. Wir haben 14 Monate lang gearbeitet und jetzt haben wir nur noch ein Durcheinander.
Das Handeln von Rat und Kommission beschädigt die Glaubwürdigkeit der europäischen Organe in den Augen eines Sektors, der von dieser Vorgehensweise genug hat und der Lösungen braucht.
Stärken Sie Ihre Glaubwürdigkeit in diesem Sektor! Oder gewinnen Sie wenigstens die Glaubwürdigkeit wieder zurück, die Sie seit September 2009 verloren haben!
Das Parlament ist entschlossen, die Mitentscheidungsbefugnisse wahrzunehmen, über die es aufgrund des Vertrags von Lissabon verfügt. Sie müssen diese respektieren. Ihr Handeln entspricht nicht dem einer Führungsrolle im 21. Jahrhundert. Transparenz und Beteiligung sind unsere Leitprinzipien. Halten Sie sich bitte an diese Prinzipien. So muss das europäische Aufbauwerk voranschreiten.
Pat the Cope Gallagher, Berichterstatter. – (GA) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich allen, die mir bei der Vorbereitung dieses wichtigen Berichts über den westlichen Stöckerbestand geholfen haben, herzlich danken: den Schattenberichterstattern, dem Sekretariat des Fischereiausschusses, dem Regionalbeirat für pelagische Arten (Pelagic RAC), dem politischen Berater der Fraktion und dem Berater meines eigenen Büros. Ich möchte mich auch bei der Kommission und dem Rat für ihre Hilfe und Unterstützung bedanken. Die Zusammenarbeit und die Diskussionen sowie die Anregungen und Vorschläge all dieser Personen haben ermöglicht, dass ich Ihnen diesen Bericht – der, wie ich hoffe, allgemein angenommen wird – heute vorlegen konnte.
Berichterstatter. – Der westliche Stöckerbestand ist einer der wichtigsten Bestände für die Fischereien in Europa. Der Vorschlag wurde auf der Grundlage des Aktionsplans der Europäischen Kommission und des UN-Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung 2002 erstellt.
Auf diesem Gipfeltreffen erklärte sich die Kommission einverstanden, die Fischbestände auf einem Stand zu erhalten oder wieder auf diesen zu bringen, der den höchstmöglichen Dauerertrag sichert. Der hieraus entstandene Vorschlag der Europäischen Kommission wurde in enger Zusammenarbeit mit der pelagischen „Resource Assessment Group“ (RAG) entwickelt, die diesen Vorschlag ursprünglich unterbreitet hatte. Stöckereier-Surveys werden seit 1997 alle drei Jahre durchgeführt. Leider waren die erhobenen Daten ungenügend und die Wissenschaftler konnten keine vollständige Bewertung der Gesundheit des Bestands vornehmen.
Im vorgeschlagenen Bewirtschaftungsplan werden diese Schwierigkeiten berücksichtigt, indem für in der Stöckerfischerei tätige Fahrzeuge eine Formel festgelegt wird, nämlich die Befischungsregelung. Diese Regelung stellt einen Mechanismus zur Berechnung des Jahreshöchstwerts für die zulässige Anlandung von Stöcker aus bestimmten Gewässern dar. Der Plan sollte gegen Ende 2009 umgesetzt werden, doch es entstand eine Verzögerung aufgrund der Annahme des Vertrags von Lissabon.
Ich respektiere natürlich die Rechte des Rates, Fangmöglichkeiten festzulegen und zuzuteilen. Ich traf mich vor der Annahme meines Berichts im Fischereiausschuss mit Vertretern der belgischen Präsidentschaft. Sie regten einen Vorschlag an, der dem Rat bei der Entscheidung über die zulässige Gesamtfangmenge eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Gesamtentnahme bot. Meines Erachtens schützt dieser Vorschlag der belgischen Präsidentschaft, der in der Folge vom Fischereiausschuss angenommen wurde, das vertraglich festgelegte Exklusivrecht des Rates auf Festlegung und Zuteilung von Fangmöglichkeiten.
Ich möchte über die Änderungsanträge sprechen, die von den Fraktionen EVP, S&D und GUE/NGL in Bezug auf Gebiet VIII C, den Golf von Biskaya, gestellt wurden. Ich möchte das Parlament davon in Kenntnis setzen, dass ich als Berichterstatter den Änderungsantrag der Sozialisten unterstütze, die Vorschläge der PPE und der GUE/NGL hingegen nicht akzeptieren kann. Ich werde meine Gründe darlegen.
Das wissenschaftliche Gutachten ist klar. Dies ist ein Bestand, der sich über das gesamte geografische Gebiet ausdehnt. Sollte das Parlament die Vorschläge der PPE und GUE/NGL annehmen, würde der Bewirtschaftungsplan dadurch unsinnig werden, da zwei separate markierte Gebiete für einen einzigen Bestand eingeführt würden. Wenn wir das tun, dann schaffen wir einen sehr gefährlichen und sehr ernsten Präzedenzfall für künftige Stöckerbewirtschaftungspläne. Wir sind uns über die Aufteilung eines einzelnen Fischereibestands nicht einig geworden.
Diejenigen, die dies unterstützen wollen, haben ihre eigenen, persönlichen Gründe sowie die Gründe ihrer Mitgliedstaaten, doch diese ist eine gemeinsame Fischereipolitik und daran müssen wir uns halten. Ich verstehe, dass unsere spanischen und portugiesischen Kollegen ihre Anliegen haben, und ich habe diese Anliegen in Änderungsantrag 7 in den Vertragsentwurf aufgenommen. Er besagt, dass dieser Plan unter Berücksichtigung der handwerklich betriebenen Fischerei und der historischen Rechte umgesetzt wird.
Abschließend ist zu sagen, dass dieser Änderungsantrag für den Rat und den pelagischen RAG annehmbar ist und den Standpunkten der spanischen und portugiesischen Kollegen Rechnung trägt. Doch behalten wir die bisherige Politik bei.
Marek Józef Gróbarczyk, Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte meinen Redebeitrag beginnen, indem ich allen, die an der Ausarbeitung dieses Berichts beteiligt waren, meinen aufrichtigen Dank ausspreche: der Europäischen Kommission, allen Schattenberichterstattern und den Mitgliedern des Fischereiausschusses für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Berichts. Wir haben absolute Einigkeit erzielt, denn der Bericht wurde vom Fischereiausschuss des Europäischen Parlaments einstimmig angenommen. Ihnen allen nochmals meinen aufrichtigen Dank.
Der Bericht, dessen Zweck es ist, den Fang von Schollen in der Ostsee zu regulieren und Rückwürfe zu unterbinden sowie gleichzeitig das als zulässige Gesamtfangmenge (TAC) bekannte Modell der Fischereibewirtschaftung beizubehalten, zeigt, dass dieses System gut funktioniert und für bestimmte Fischarten eine praktische Anwendung findet. Aus diesem Grund sollte die Wichtigkeit der Aufnahme von Artikel 15a in die Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 hervorgehoben werden. Die gefangene Fischart kann einen niedrigen Marktwert haben oder nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sein. Es ist auch hervorzuheben, dass diese Vorschrift das Zurückwerfen noch lebender Flundern zulässt, die während des Zeitraums, in dem Schutzbeschränkungen gelten, keinerlei Marktwert besitzen. Deshalb ermöglicht dieser Artikel die nachhaltige Nutzung lebender Gewässerressourcen.
Der Aktionsplan, der aufgrund meines Berichts angenommen wird, muss das Zurückwerfen von Fischen in der Ostsee verhindern, zum Beispiel – wo dies angebracht ist – durch die Einführung eines absoluten Verbots von Rückwürfen für die Fischerei in der Ostsee. Dies muss eine nachhaltige und effizientere Verwaltung der Meeresressourcen zur Folge haben. Die Einführung eines absoluten Verbots des Rückwurfs ist im Fall von Flundern oder anderen Schollen nicht gerechtfertigt, da dies negative Folgen für ihren Bestand hätte. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Fischerei stabil und planbar zu halten und sicherzustellen, dass die Nutzung der Fischbestände innerhalb des vorgegebenen Rahmens erfolgt, sollte die Befürchtung erwähnt werden, dass die Einführung eines Rückwurfverbots genutzt werden könnte, um den massenhaften Fang von untermaßigen Dorschen im Rahmen der Industriefischerei in der Ostsee zu legalisieren. Aufgrund des Fehlens zuverlässiger wissenschaftlicher Daten, die eine Einschätzung der Beifänge von Dorsch in der Industriefischerei ermöglichen würden, ist die unverzügliche Einführung vollständig dokumentierter Fänge und einer vollständigen Überwachung auf den Schiffen, die diese Art von Fischfang durchführen, unbedingt notwendig. Die Einführung einer hundertprozentigen Kontrolle der Industriefänge beim Löschen der Ladung ist erforderlich. Anders ist ein wirksamer Schutz der Fischbestände in der Ostsee nicht realistisch und ein langfristiger Plan zur Verwaltung der Dorschbestände sinnlos.
Die Union muss sofort Maßnahmen ergreifen, um das Problem der Industriefischerei in der Ostsee im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik zu lösen, da diese Art der Fischerei im Sinn des Umweltschutzes schädlich für das Ökosystem der Ostsee ist, insbesondere da die Ostsee vom Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt (MEPC) der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation als „besonders empfindliches Meeresgebiet“ (PSSA) eingestuft wurde. Es handelt sich also um eines der wertvollsten und empfindlichsten marinen Ökosysteme der Welt. In Anbetracht der klimatischen Veränderungen in der Ostsee, die zu Anpassungsveränderungen verschiedener Fischarten und daher zu Migration und zu Veränderungen ihres Laichverhaltens führen, sollte eine Überprüfung der Schutzgebiete in der Ostsee durchgeführt und ein Langzeitplan für die Bestandsbewirtschaftung der Schollenarten in diesem Gebiet entworfen werden. Da keine zuverlässige, aktuelle Datengrundlage für Entscheidungen über die Aufrechterhaltung oder Auflösung von Schutzgebieten in der Ostsee vorliegt, sollten die gegenwärtig stattfindenden Veränderungen berücksichtigt und die Schutzgebiete überprüft werden.
João Ferreira, Berichterstatter. – (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung nicht heimischer Arten trägt wesentlich zur Störung der Ökosysteme bei und gehört zu den Hauptursachen für den Rückgang der Artenvielfalt weltweit.
Auch von der Kommission selbst wird anerkannt, dass ein wesentlicher Teil der Einführung nicht heimischer Arten in Küsten- und Binnengewässer Europas auf Aquakultur- und Aufstockungspraktiken zurückzuführen ist. Der Vorschlag der Kommission zur Änderung der Verordnung über die Verwendung nicht heimischer und gebietsfremder Arten in der Aquakultur beruht auf den Ergebnissen eines Forschungsprojekts, des IMPASSE-Projekts, einer von verschiedenen europäischen Organen abgestimmten Maßnahme zu den Umweltfolgen nicht heimischer Arten für die Aquakultur.
Mit diesem Projekt wird eine Arbeitsdefinition des Begriffs geschlossene Aquakulturanlage vorgeschlagen, die detaillierter und umfassender ist als die derzeitige. Nach dieser Definition und gemäß den Ergebnissen des Projekts ließe sich das mit nicht heimischen und gebietsfremden Arten verbundene Risiko auf ein tragbares Maß verringern, wenn die Gefahr eines Entweichens von Zuchtorganismen und Nichtzielorganismen während des Transports minimiert wird und in der aufnehmenden Anlage präzise vorgeschriebene Protokolle eingehalten werden.
Angesichts der genannten Ergebnisse schlägt die Kommission vor, die Beteiligten von verwaltungstechnischen Formalitäten zu befreien, indem die Einführung und Umsiedlung für die Verwendung in geschlossenen Aquakulturanlagen von der Genehmigungspflicht ausgenommen werden. Es ist hierbei darauf hinzuweisen, dass, während die Risikobewertung auf wissenschaftlichen und technischen Analysen gründet, das Urteil über die Vertretbarkeit der Risiken Gegenstand politischer Entscheidungen ist. Wir sind daher der Ansicht, dass Hand in Hand mit der Vereinfachung des Prozesses zur Einführung nicht heimischer Arten in die Aquakultur eine strengst mögliche Definition der Voraussetzungen gehen muss, die bei geschlossenen Aquakulturanlagen im Einklang mit den Ergebnissen des IMPASSE-Projekts einzuhalten sind.
Auch muss die Notwendigkeit einer Überprüfung der Anlagen festgelegt werden, damit alle von den Spezialisten vorgeschlagenen technischen Erfordernisse tatsächlich berücksichtigt und eingehalten werden. Dasselbe gilt für die Vorkehrungen, die bei der Verbringung von Zuchtarten und Nichtzielarten in die und aus den Anlagen zu beachten sind. Diese waren die wichtigsten Anliegen bei der Erstellung des Berichts und der vorgeschlagenen Änderungsanträge zum ursprünglichen Vorschlag der Kommission.-
Gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung: Die nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur erfordert eine starke Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung und der technischen Entwicklung im Bereich der Zucht einheimischer Arten, durch die sich die Erzeugung und das Nahrungsmittelangebot diversifizieren lassen und eine qualitativ gute Aufzucht sichergestellt werden kann, wobei sich gleichzeitig mehr Umweltsicherheit erreichen lässt.
Daher müsste diese Gesetzgebungsinitiative von starken Anreizen in diesem Bereich flankiert werden. Es ist notwendig, das Potenzial der Aquakultur zu nutzen, doch müssen auch seine Beschränkungen auf umweltverträgliche Weise überwunden werden. Unter anderem ist es unverzichtbar, die Prioritäten des Forschungsrahmenprogramms wieder neu auszurichten, um diesen bedeutenden Forschungsbereich angemessen abdecken zu können.
Mir bleibt nun nur noch, allen Schattenberichterstattern, mit deren Hilfe es möglich war, diese fruchtbare Arbeit zu leisten, sowie den Dienststellen der Kommission und dem Rat, einschließlich des spanischen Ratsvorsitzes und jetzt auch des belgischen Ratsvorsitzes, für die Arbeit, die wir in diesen Monaten durchgeführt haben, meinen Dank auszusprechen.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich möchte ein paar Worte zu dem langfristigen Plan für den Sardellenbestand sagen. Doch zuerst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Bilbao, und allen Mitgliedern des Fischereiausschusses für ihre Arbeit an diesem Vorschlag danken. Ich möchte Frau Bilbao sagen, dass es bei der Annahme des Vorschlags in der Tat Verzögerungen gab, doch ich möchte feststellen, dass hinreichend klar ist, dass die Kommission wirklich alles getan hat, um die festgefahrene Situation zu lösen.
Der Sardellenbestand im Golf von Biskaya drohte zusammenzubrechen und die Fischerei wurde 2005 eingestellt. Im Januar 2010, genau fünf Jahre später, wurde sie wieder freigegeben. Im Juli bestätigten Wissenschaftler, dass der Bestand sicher über den Vorsorgegrenzwerten lag. Dies erlaubte mir, eine TAC von über 15 000 Tonnen vorzuschlagen, die jetzt in Kraft ist. Die TAC entspricht den Befischungsregeln des Plans und ich freue mich zu sehen, dass dieser Vorschlag uns jetzt bereits hilft, den Bestand angemessen zu bewirtschaften.
Die Einstellung der Fischerei hat für die von ihr abhängigen Gruppen große finanzielle Nachteile mit sich gebracht. Wir müssen in jedem Fall verhindern, dass sich dies wiederholt. Dies lässt sich nur gewährleisten, indem der Bestand in Übereinstimmung mit dem höchstmöglichen Dauerertrag befischt wird und das Risiko einer Einstellung der Fischerei gering gehalten wird. Unser Vorschlag zeigt, dass dies erfolgen kann, während gleichzeitig für Nachhaltigkeit im Sektor gesorgt wird. Wenn wir die Einstellung der Fischerei verhindern wollen, dann müssen wir den Grad der Befischung bei 30 % halten.
Ich möchte dem Fischereiausschuss für seine Unterstützung danken, sowohl was die Inhalte betrifft, als auch in Bezug auf Übertragung der Befugnisse an die Kommission. Ich kann diesen Änderungen zustimmen. Ich kann ebenfalls den Änderungsanträgen zur Änderung des Vorschlags mit der neuen Kontrollverordnung zustimmen, die seit Januar 2010 in Kraft ist.
Es gibt nur eine Ausnahme. Sie bezieht sich auf die Fristverkürzung für die Mitteilung des Anlaufens eines Hafens von vier Stunden auf eine Stunde. Diese Änderung verändert die Vierstundenregel, die in der neuen Kontrollverordnung enthalten ist. Sie wissen, dass diese neue Kontrollverordnung seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist. Ich bin nicht dafür, sie so bald zu ändern, zumal die Kontrollverordnung den Küstenmitgliedstaaten erlaubt, bestimmte Ausnahmen anzuwenden, sofern diese gerechtfertigt sind. Dies ist also unsere Marge. Wir brauchen diese Kontrollverordnung wirklich nicht so bald zu ändern, doch das haben Sie natürlich zu entscheiden.
Ich komme jetzt zum zweiten Bericht, dem Mehrjahresplan für den Stöckerbestand. Gestatten Sie mir zu sagen, dass Herr Gallagher, als Berichterstatter, und alle Mitglieder des Fischereiausschusses ausgezeichnete Arbeit bei diesem Vorschlag geleistet haben, und ich möchte Ihnen für all Ihre harte Arbeit und Ihre konstruktive Haltung herzlich danken.
Der westliche Stöckerbestand ist bei weitem der wichtigste der drei Stöckerbestände in EU-Gewässern. Der Bestand ist derzeit auf gutem Niveau stabil, d. h. die TAC für 2011 ist nahezu unverändert. Der Beschluss über die jährliche TAC für diesen Bestand, der auf wissenschaftlichen Gutachten beruht, entspricht nicht unserem Ziel einer verbindlichen, vorhersagbaren langfristigen Bewirtschaftung. Deshalb ist mir dieser Plan, wie andere langfristige Pläne, sehr wichtig, denn ich möchte, dass wir von diesem alljährlichen Feilschen im Rat um die Fangmengen wegkommen. Wir sind es dem Sektor schuldig, durch die Vereinbarung von langfristigen Plänen mehr Planung und Stabilität zu ermöglichen.
Ihre generelle Unterstützung, sowohl in Bezug auf die Inhalte, als auch auf die Übertragung der Befugnisse, zeigt, dass wir dasselbe Ziel haben. Ich kann Ihre Änderungen unterstützen, auch jene zur Änderung des Vorschlags mit der neuen Kontrollverordnung, die seit Januar 2010 in Kraft ist. Abgesehen davon sollten in dem Plan keine TAC-Gebiete festgelegt werden und damit die Möglichkeit gegeben sein, diese Gebiete an die Beschlüsse über die jährlichen TAC gemäß den relevanten wissenschaftlichen Gutachten anzupassen.
Ein Änderungsantrag geht allerdings nicht in die richtige Richtung, und zwar Ihre Annahme des Kompromisses des Ratsvorsitzes über 5 000 Tonnen. Dieser Wert von 5 000 Tonnen ist schlicht nicht wissenschaftlich begründet. Wie wurde er beschlossen? Weshalb nicht 6 000 oder 7 000? Es scheint mir kein solider Ansatz zu sein, bei einer langfristigen Strategie einen Spielraum zu haben, wobei die TAC nach oben und unten verschoben werden kann.
Ich komme jetzt zum dritten Bericht über technische Maßnahmen in der Ostsee. Ich möchte bei dieser Gelegenheit dem Berichterstatter, Herrn Gróbarczyk, für seine sehr gute Arbeit an dem Bericht danken, der einstimmig angenommen wurde. Dem Fischereiausschuss möchte ich nochmals für seine uneingeschränkte Unterstützung danken. Mit diesem Vorschlag gewährleisten wir im Hinblick auf unsere Politik der Fangaufwertung, die letztes Jahr in der Ostsee eingeführt wurde, sowie auf Fangbeschränkungen für bestimmte Arten rechtliche Kontinuität.
Ich werde jetzt auf den letzten Bericht eingehen: die Verwendung von nicht heimischen und gebietsfremden Arten in der Aquakultur. Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Ferreira, für seine Arbeit danken, sowie dem gesamten Fischereiausschuss.
Wie Sie wissen, hat sich die Kommission zur Aufgabe gemacht, die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU durch die neue Strategie für die Aquakultur zu fördern. Dies setzt ein hohes Maß an Umweltschutz voraus, aber auch die Festlegung von Bedingungen zur Vereinfachung der Prozesse in der Aquakultur. Das müssen wir tun. Eine Änderung der Verordnung über die Einführung nicht heimischer Arten in geschlossene Aquakulturanlagen wird sicherlich die Tätigkeiten in der Aquakultur erleichtern, indem unnötiger Verwaltungsaufwand abgebaut und gleichzeitig angemessener Schutz für aquatische Lebensräume gewährleistet wird. Das ist natürlich nicht alles, was wir dafür tun können, daher begrüße ich ausdrücklich den Vorschlag von Herrn Ferreira, die Forschungsanstrengungen in der Aquakultur zu verstärken. Wir werden über unsere Haushaltsmittel und die Reform der GFP unser Bestes tun.
Ich bin sehr erfreut, dass die Diskussionen im Fischereiausschuss zu einer besseren Definition von „geschlossene Aquakulturanlage“ geführt haben.
Ich möchte betonen, dass der ursprüngliche Vorschlag einen Monat vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon von der Kommission angenommen wurde, und wir daher das gleiche Problem hatten. Der Fischereiausschuss reichte Änderungsanträge ein, die darauf abzielen, die Grundverordnung mit den neuen Komitologie-Bestimmungen des Vertrags von Lissabon in Einklang zu bringen. Wir hielten es für angebracht, diese Anpassung entsprechend dem Vorschlag des Parlaments vorzunehmen. Andererseits war es notwendig, unseren Vorschlag formal zu ändern, um diese wesentlichen Änderungen vorzunehmen, und daraus erklärt sich der angesprochene Zeitverzug.
Abschließend möchte ich mich noch einmal bei allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern des Fischereiausschusses für ihre Berichte und ihre Arbeit zu diesen wichtigen Themen bedanken.
Carmen Fraga Estévez, im Namen der PPE-Fraktion. – (ES) – (ES) Herr Präsident! Den Verfassern der Berichte herzlichen Dank für ihre ausgezeichnete Arbeit. Ich möchte mich auf die Bewirtschaftungspläne konzentrieren, auch wenn ich nicht auf weitere Einzelheiten eingehen werde, denn diese wurden ja von den Berichterstattern bereits hervorgehoben, sondern ich werde mich auf die wesentlichen Herausforderungen beziehen, die diese auf instutioneller Ebene mit sich bringen und für die Lösungen gefunden werden müssen.
Nach über einjährigen Verhandlungen mit dem Rat hat das Parlament in aller Verantwortung beschlossen, die Berichte in die erste Lesung zu bringen, mit dem Ziel, Druck auszuüben und so die derzeitige Blockierung zu überwinden, von der nicht nur diese beiden Vorschläge betroffen sind, sondern auch alle anderen, die uns in nächster Zeit vorgelegt werden.
Das Parlament ist bereit, mit dem Rat und der Kommission eine Kompromisslösung zu finden, doch dafür ist es notwendig, dass insbesondere der Rat anerkennt und akzeptiert, dass die Kernelemente der langfristigen Bewirtschaftsungspläne unter das ordentliche Gesetzgebungsverfahren fallen, das heißt, der Rechtsgrundlage von Artikel 43 Absatz 2 des Vertrages unterliegen.
Es ist unverständlich, dass vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, als der Bereich der TAC und der Quoten ebenfalls in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Rates fiel, das Parlament um seine beratende Stellungnahme ersucht wurde, während der Rat jetzt für dieselben Angelegenheiten Ausschließlichkeit beansprucht, wo doch nach einhelliger Rechtsauffassung Artikel 43 Absatz 3 restriktiv auszulegen ist.
Ich fordere das Kommissionsmitglied deshalb dazu auf, die Stellungnahme des Parlaments zu berücksichtigen, selbst wenn manche Vorschläge – und ich glaube, sie hat die Frage von Frau Bilbao nicht beantwortet – zurückgezogen oder durch neue Texte ersetzt werden sollten. Sollte dies nicht der Fall sein, werden wir uns gezwungen sehen, die Angelegenheit vor den Gerichtshof zu bringen und künftige langfristige Pläne zu blockieren; dies sollte auf jeden Fall vermieden werden, insofern als es sich dabei um ein grundlegendes Instrument der Fischereibewirtschaftung handelt.
Kriton Arsenis, im Namen der S&D-Fraktion. – (EL) – (EL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! In den Texten, die wir heute erörtern, gibt es sehr viele technische Einzelheiten. Dahinter steht allerdings eine klare Weisung: Das Europäische Parlament fordert die anderen Organe, die Kommission und den Rat auf, bei Beschlussfassungen in Bezug auf Fischereiangelegenheiten und Fangmethoden die wissenschaftlichen Ergebnisse zu berücksichtigen.
Wir können nicht aufgrund politischer Standpunkte verhandeln, wenn wir über Fangmethoden für jede Fischart entscheiden. Wir können bei Entscheidungen über Fangmethoden für einzelne Fischarten nicht anhand politischer Überlegungen verhandeln. Rat und Parlament können Angelegenheiten, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten beurteilt werden müssen, nicht anhand politischer Überlegungen verhandeln. Nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten ist es möglich, die Überschüsse in unseren Meeren und das, was wir ohne irreversible Auswirkungen auf das Meeresleben und den Fischereisektor fangen können, festzustellen.
Uns liegt die überarbeitete Gemeinsame Fischereipolitik vor. In diesen Berichten fordern wir, dass Sie bei der Revision der Gemeinsamen Fischereipolitik mutig handeln, und dafür sorgen, dass Beschlüsse, die zum Erhalt einer tragfähigen Zukunft für unsere Meere und Fischereisektoren gefasst werden, auf wissenschaftlichen Daten beruhen.
Carl Haglund, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich auf den Bericht über die Sardellenfischerei im Golf von Biskaya und den Standpunkt unserer Fraktion in dieser Frage konzentrieren. Dies ist ein äußerst wichtiges Thema und ein Beispiel dafür, wie wir an sensible Themen im Bereich Fischerei herangehen sollten. Es sei daran erinnert, dass der Fischereisektor, von dem wir sprechen, 2005 infolge von Überfischung zusammengebrochen ist.
Befischung ist heute wieder erlaubt und erfolgt auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips, und so sollte es auch gehandhabt werden. Es ist der einzige langfristige und nachhaltige Weg, den auch unserer Fraktion unterstützt. Zwar hofft die Fischereiindustrie vielleicht zu Beginn auf größere Mengen Fisch, aber auf lange Sicht ist es besser, das zu tun, wofür wir uns jetzt voraussichtlich entscheiden. Auf diese Weise sollten nach Auffassung unserer Fraktion derartige Fragen heute und in Zukunft auch behandelt werden.
Isabella Lövin, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Vertrag von Lissabon haben sich die Befugnisse des Parlaments im Hinblick auf die Fischereipolitik geändert. Die Bewirtschaftungspläne, über die wir morgen abstimmen werden, sind eine erste Probe, inwieweit das Parlament dieser Verantwortung gerecht wird. Ich denke, dass wir im Großen und Ganzen gut mit der Herausforderung fertig werden, doch gibt es auch Fehlanzeigen. Die Entscheidungsträger sind immer versucht, im Hinblick auf wissenschaftliche Gutachten aufgrund verfehlter Berücksichtigung der Fischereibelange Kompromisse einzugehen. Außerdem haben die Leute ein kurzes Gedächtnis. Obwohl die Sardellenfischerei im Golf von Biskaya erst im Jahr 2005 zusammengebrochen ist und die Fischereiindustrie den Fischfang vollständig einstellen musste, gibt es nach wie vor kurzsichtige finanzielle Anreize, durch die die nachhaltige Entwicklung der Bestände gefährdet ist. Allerdings hat sich im Ausschuss die Vorsicht gegenüber den Glücksspielen durchgesetzt.
Fische zählen ist nicht schwierig; das ist wie Bäume zählen. Es ist nur, dass Fische sich bewegen und nicht sichtbar sind. So witzelte der weltweit führende Meeresbiologe, Willy Kristensen, in dem Film „The End of the Line“ über die Dezimierung der Fischbestände in den Weltmeeren. Er versuchte damit zum Ausdruck zu bringen, dass große Unsicherheit über die Schätzungen der Bestände besteht. Es ist wichtig, jetzt daran zu erinnern, da die EU und die Welt beschlossen haben, die höchstmögliche Dauerfangmenge (HDF) für alle kommerziellen Fischarten in ungefähr fünf Jahren zu erzielen.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es eine vollkommen unmögliche Aufgabe ist, für alle Fischarten überall zur gleichen Zeit die HDF zu erzielen. Wir brauchen daher Sicherheitsmargen. Die Ökosysteme müssen in ihrer Gesamtheit begriffen werden und die HDF muss als eine Obergrenze betrachtet werden, nicht als Ziel. Ich hoffe, dies wird sowohl im Parlament als auch im Rat im Rahmen der künftigen Fischereipolitik und der Bewirtschaftsungspläne Berücksichtigung finden. Wir müssen zügig für alle Meeresökosysteme Europas langfristige Bewirtschaftsungspläne schaffen. Abschließend möchte ich bemerken, dass ich mit dem Berichterstatter, Herrn Gallagher, völlig darin übereinstimme, dass eine Aufteilung einer Quote für einen einzelnen Stöckerbestand den wissenschaftlichen Gutachten völlig widerspricht.
Andrew Henry William Brons (NI). – Herr Präsident! Die in dieser Aussprache aufgeworfenen Fragen gelten nicht nur für dieses bestimmte Gebiet. Es gibt Fragen, die auch die Schiffe in der Nordsee betreffen.
Am Freitag hatte ich eine Begegnung mit Fischern aus Whitby in Yorkshire. Sie sind genauso von diesen Fragen betroffen, die möglicherweise dazu führen, dass die verbleibenden Schiffe der britischen Flotte vom Markt verdrängt werden. Die unmittelbare Gefahr besteht in der vorgeschlagenen Verringerung der Anzahl von Tagen, an denen die Fangtätigkeit erlaubt ist, von 135 Tagen auf möglicherweise 90 Tage. Ich fragte die Schleppnetzfischer, wie weit die Verringerung gehen könnte, bis sie sich nicht mehr halten können, und die Antwort war, dass jegliche Verringerung sich so auswirken würde.
Die Politik, Schleppnetzfischer dazu zu zwingen, tote und sterbende Fische zurückzuwerfen, um die Anlandung von untermaßigen Fischen bzw. von über die Fangquoten für einzelne Arten hinausgehenden Mengen zu vermeiden, ist völlig ungeheuerlich. Sämtliche Fische, die gefangen werden und nicht überleben, müssen angelandet werden. Rückwürfe stellen keinen Schutz der Fische dar, sondern sind Abfall. Die Fangaufwertung ist eine Antwort auf das ungerechte Quotensystem. Mit einer Reform des Systems wird sie verschwinden. Quoten werden am freien Markt gekauft und verkauft, und die Reichen und Mächtigen spekulieren damit. Dadurch wird der Preis der Quoten, die den Fischern zu Wuchersummen verpachtet werden, in die Höhe getrieben. Die Spekulationen müssen vollständig beendet werden.
Paulo Rangel (PPE). – (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was den Gallagher-Bericht und insbesondere den Mehrjahresplan für den Stöckerbestand betrifft, ist es entscheidend, den von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP-Fraktion) eingebrachten Änderungsantrag zu unterstützen, der von Frau Patrão Neves vorgelegt wurde und auf drei Ziele des Grünbuches und der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik abzielt: das Umweltziel, das in diesem Bericht sehr wohl berücksichtigt ist, und die wirtschaftlichen und sozialen Ziele, seien sie auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit oder auf einen angemessenen Lebensunterhalt der in der Fischerei Beschäftigten ausgerichtet.
Hier ist sehr wichtig, dass wir eine Unterscheidung machen: Wenn wir vom westlichen Stöckerbestand sprechen, ist es wichtig zu unterscheiden zwischen Zone VIII C, dem Gebiet um den Golf von Biskaya, das im Wesentlichen auf die handwerklich betriebene Fischerei ausgerichtet ist und insbesondere für einen bedeutenden Teil der portugiesischen, spanischen und französischen Bevölkerung die Lebensgrundlage bildet, und dem nördlicher gelegenen Gebiet, das auf industrielle Fischerei konzentriert ist und daher im Wesentlichen auf wirtschaftliche Rentabilität abzielt. Aus diesem Grund ist ein Änderungsantrag zu diesem Bericht erforderlich, damit dieser nicht nur mit den grundlegenden Zielen des Grünbuchs über die GFP oder zur Reform der GFP in Einklang steht, sondern auch mit den Empfehlungen des Rates zu der Verordnung zur Festlegung der zulässigen Gesamtfangmengen (TAC) für 2011, in denen der Stöcker gemäß dem Internationalen Rat für Meeresforschung im Gebiet VIII C im Wesentlichen als auf handwerkliche Fischerei ausgerichtet gilt, während der Norden innerhalb dieses westlichen Teils sich hauptsächlich auf industrielle Fischerei konzentriert. Nur mit diesem Ansatz, bei dem die spezifische Art und Zweck jedes Gebietes, in dem der westliche Stöcker vorkommt, berücksichtigt werden, können alle Ziele der GFP wirklich gewahrt werden.
Josefa Andrés Barea (S&D). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Meine Glückwünsche an die Berichterstatter. Auch ich werde etwas zur Frage der Bewirtschaftungspläne für den Sardellenbestand und den Stöckerbestand sagen.
Der Vorschlag über die Bewirtschaftung des Sardellenbestands, der ursprünglich ein Vorschlag für die nachhaltige Sardellenbewirtschaftung sein sollte, hat sich als komplizierter Vorschlag erwiesen, der derzeit im Rat eingefroren ist. Es ist der Sektor, der am meisten benachteiligt ist. Die Angelegenheit ist zum Erliegen gekommen, da die Situation aufgrund ausbleibender Entscheidungen im Rat und auch in der Kommission blockiert ist.
Dabei möchte ich die Position der sozialistischen Delegation Spaniens hervorheben, die, gestützt durch wissenschaftliche Berichte und den regionalen Beirat – und ich betone gestützt –, die einhelligen Forderungen des Sektors während des gesamten Prozesses unterstützt hat, und diesen Standpunkt behält sie auch in Bezug auf neue Fragen, die im Rahmen der anstehenden Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik aufgeworfen werden, bei.
Angesichts dieser Blockade, fordern wir, dass die Kommission den Vorschlag gegebenenfalls zurückzieht, den Standpunkt des Parlaments berücksichtigt und einen neuen Vorschlag vorlegt.
Was den Stöcker betrifft, hat Herr Gallagher verschiedene Punkte umrissen, in denen wir ebenfalls übereinstimmen, wie die Einführung von Mehrjahresplänen, zulässige Gesamtfangmengen und wissenschaftliche Empfehlungen. Des Weiteren hat er eine Änderung vorgeschlagen, die die sozialistische Fraktion und auch die sozialistischen Abgeordneten Spaniens als wesentlich erachtet, da Spanien über einen Fischereisektor verfügt, der auf den Fang von Stöcker, welcher am Fangtag frisch verzehrt wird, ausgerichtet ist. Die Nichtanerkennung dieses Sektors wird nachteilige sozioökonomische Folgen haben und sicherlich die Chancen für eine bessere Bewirtschaftung verringern.
Deshalb sind wir der Überzeugung, dass Herr Gallagher unseren Vorschlag hätte berücksichtigen sollen, wonach der Bereich Küstenfischerei getrennt behandelt wird.
Britta Reimers (ALDE). - Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen, Frau Kommissarin! Ich danke den Berichterstattern. Angesichts der hohen Importe von Fischen und Fischprodukten in der EU ist es absolut nötig, sowohl unsere heimischen Fischer als auch die hiesige Aquakulturwirtschaft zu fordern und zu fördern. Wir brauchen dringend verbesserte Fangmethoden, um den Meeren und den Fischern eine langfristig sichere Existenz zu ermöglichen.
Ebenso ist es unumgänglich, den Ausbau der Aquakultur verstärkt zu ermöglichen. Wir brauchen dringend effektivere Datenerhebungen und intensivere Forschung. Denn nur wenn wir wissen, was tatsächlich passiert, können wir die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen.
Überbordende Bürokratie und mangelndes Wissen sind häufig die Ursache dafür, warum es uns nicht gelingt, Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen, obwohl sich beides an und für sich nicht unterscheidet.
VORSITZ: Libor ROUČEK Vizepräsident
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident, in Bezug auf die Aussprach über den Sardellenbestand möchte ich unterstreichen, wie wichtig diese ist, und die Tatsache hervorheben, dass es sich um einen Wendepunkt handelt, nicht nur für den Sektor und für die Angelegenheit des Sardellenbestands im Besonderen, sondern auch für die Beziehungen zwischen der Kommission, dem Parlament und dem Rat.
In dieser Hinsicht möchte ich ebenfalls deutlich sagen, dass die Fraktion der Grünen/Freie Europäischen Allianz die Vorschläge, die von der Kommission aus einer vorsichtigeren Perspektive vorgebracht wurden, unterstützt.
Im Wesentlichen unterstützen wir die Vorschläge in Bezug auf drei Punkte:
der erste betrifft die Befischungsregelung, die unserer Meinung nach – entsprechend der Ansicht der Kommission – nicht über 0,3 liegen sollte; der zweite betrifft die zulässige Gesamtfangmenge (TAC), von der wir meinen, dass sie auch die lebenden Köder berücksichtigen sollte; der letzte Punkt betrifft die Reduzierung der zulässigen Gesamtfangmenge, die mindestens 25 % betragen muss, falls dies für erforderlich gehalten wird.
Wir haben die Kommission bei diesen drei Themen unterstützt und wir halten es für sinnvoll, eben weil wir ausnahmsweise wie Ärzte handeln möchten, die ganzheitliche Medizin betreiben und heilen und nicht wie Gerichtsmediziner, die einfach nur einen Totenschein ausstellen. Ich halte es für wichtig, dass wir diese Botschaft deutlich machen und ich glaube, dass dies eine gute Gelegenheit ist, die Dinge richtig zu tun.
Werner Kuhn (PPE). - Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mein Beitrag bezieht sich auf die Verordnung des Rates und des Europäischen Parlaments bezüglich des Verbots der Fangaufwertung und der Beschränkung des Flunder- und des Steinbuttfangs in der Ostsee, in den Belten und im Öresund. Und da geht es nicht nur um die Änderung einer Verordnung, sondern um zwei ganz wichtige und exzellente Speisefischarten, die wir in Europa für unseren Binnenmarkt dringend benötigen. Und es zeigt sich wieder einmal, dass es notwendig ist, dass Wissenschaft und auch Berufsstand zusammenarbeiten müssen, damit die Erfahrungen – gerade im Bereich der Rückwürfe oder der Bewirtschaftung unserer Bestände, aber auch das, was mit Beifängen passiert – vernünftig evaluiert und ausgewertet wird. Wir haben alle Möglichkeiten – der Kollege Gróbarczyk hat das exzellent herausgearbeitet – um hier Beschränkungen vorzusehen. Der Artikel 15a muss unbedingt in die Verordnung aufgenommen werden. Sie haben gehört, der Berichterstatter hat das noch einmal klar dargestellt. Das ist unser gemeinsames Ziel, und das haben wir auch im Ausschuss erreicht, dass wir die Beifänge und die Rückwürfe minimieren.
Es gibt aber Fischarten, und dazu gehören die Flunder und der Steinbutt, bei denen man untermaßige Fische und auch Jungfische, wenn sie im Prinzip im Fang mit an Bord genommen werden, wieder zurückgeworfen werden können. Es ist notwendig, dass man hier natürlich auch mit exzellentem Fanggerät arbeitet, selektiv gefischt wird, dass Obacht gegeben wird auf die Fangzeiten. Diese beiden Fischarten haben ihre Laichgründe laufend verändert, so dass dort natürlich auch die Fanggebiete klar eingegrenzt werden, die Laichzeiten und Laichgründe hier exakt beschrieben werden.
Die Vermarkungsparameter dürfen nicht nach unten verändert werden, damit nicht noch mehr Möglichkeiten bestehen, aus exzellenten Beständen nur Fischmehl herzustellen. Das ist nicht unser Ziel. Wir wollen dem Markt dienen, und deshalb haben wir diese Verordnung so verändert.
Ulrike Rodust (S&D). - Herr Präsident, liebe Frau Damanaki! Ich freue mich sehr, dass wir diese Woche gleich vier wichtige Verordnungen zur Fischereipolitik annehmen können, und dass wir uns bei den Berichten zur Aquakultur und zu technischen Maßnahmen in der Ostsee untereinander und mit Rat und Kommission einig werden konnten. Bei den beiden Verordnungen zu Langzeitmanagement-Plänen legen Sie das leider ganz anders aus. Wir haben im Ausschuss immer intensiv über die richtige Formel zur Bewirtschaftung des Sardellenbestandes gestritten. Ich denke, die Vorlage für das Plenum sieht sehr gut aus, und ich freue mich, dass das scheinbar inzwischen auch die EVP eingesehen hat, die nun gar keine Änderungsanträge mehr gestellt hat. Ich gehe davon aus, dass Sie morgen mit Ja abstimmen werden.
Ein viel gravierenderes Problem haben wir aber mit dem Rat. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten weigert sich, entgegen dem Rat ihrer eigenen Juristen, die Mitentscheidungskompetenz des Europäischen Parlaments zu akzeptieren. Und das ein Jahr nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon! Ich finde das ungeheuerlich. Ich habe deshalb der Vorsitzenden unseres Ausschusses vorgeschlagen, einen gemeinsamen Brief an die europäischen Fischereiminister zu schreiben.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns hier in den nächsten Tagen einigen könnten, damit wir gemeinsam die Entschlossenheit des Parlaments demonstrieren können. Wir lassen uns nicht einfach so vom Rat abspeisen.
Ian Hudghton (Verts/ALE). – Herr Präsident, ich unterstütze die Linie, die Herr Gallagher in seinem Bericht eingeschlagen hat und werde morgen, wenn es hierum geht, entsprechend abstimmen.
Der Grundsatz der Mehrjahresplanung ist sinnvoll, wenn dadurch eine vernünftige Zukunftsplanung seitens der Fischer und auch des Verarbeitungssektors möglich ist. Aber im Allgemeinen verbleiben einige sehr negative Aspekte der EU-Fischereiverwaltung, wie Sie wissen. Ich glaube fest daran, dass es die Fischereinationen selbst sind – diejenigen, die Ansprüche in bestimmten Meeresgebieten haben –, die die Entscheidungen über den Erhalt und die Bewirtschaftung des Fischbestands treffen sollten.
Einige Redner haben wiederholt auf den Skandal der Rückwürfe verwiesen. In Schottland wird man sich zunehmend bewusst, dass die Rückwürfe unmittelbar durch die EU-Verordnung bedingt sind und insbesondere durch den Bestandserholungsplan für den Kabeljau. Ich hoffe, dass der Kommissar dies zur Kenntnis nimmt und Maßnahmen ergreift, um gegen diesen Teil des Skandals um die Rückwürfe vorzugehen, der vermieden werden könnte, indem einige der unausführbaren Verordnungen, die zurzeit in Kraft sind, geändert würden.
Gabriel Mato Adrover (PPE). – (ES) Herr Präsident, in meiner Rede werde ich mich auf zwei Berichte konzentrieren, deren Verfahren und Endergebnisse ein Beispiel dafür sind, was zu tun ist und was nicht. Ich beziehe mich auf den Plan für die Sardellenbestände und die Nutzung exotischer Arten in der Aquakultur.
Der Sardellenbestand – ein Beispiel dafür, wie man Dinge nicht tun sollte – ist ein Thema, das länger als ein Jahr diskutiert wurde und leider zu einer Debatte über die Befugnisse geworden ist, die der Vertrag von Lissabon dem Parlament einräumt, und über die Rechtsgrundlage des Kommissionsvorschlags statt zu einer Debatte darüber, was für die Fischer, die Industrien und die Fischereien von Nutzen ist. Es war eine lange und unnütze Debatte, deren Opfer der Fischereisektor ist, der verwundert zugeschaut hat, wie wir uns in Diskussionen verloren haben, während der lang erwartete Bewirtschaftungsplan immer noch keine Fortschritte gemacht hat und Gefahr läuft, niemals umgesetzt zu werden.
Die Menschen, die im Sardellensektor arbeiten, beschweren sich zu Recht über die Verwaltungshürden, die dieser Plan überwinden muss, wobei er so wichtig ist, um weitere Unterbrechungen in den Aktivitäten dieser Fischerei zu vermeiden.
Ich glaube ernsthaft, dass die Kommission angesichts dieses Hintergrunds an Ungewissheit versuchen sollte, heute im Parlament ein positives Signal an diesen Sektor auszusenden.
Andererseits ist im Hinblick auf die Nutzung exotischer Arten die Übereinkunft, die vom Parlament bei der ersten Lesung erzielt wurde, ein guter Kompromiss. Der Kommission, dem Rat und dem Parlament ist es gelungen, rasch und ohne größere Unstimmigkeiten über Recht und Fakten eine Übereinkunft zu erzielen.
Die Übereinkunft legt nicht nur eine genaue Definition für geschlossene Aquakulturanlagen fest, sondern erwirkt eine größere rechtliche Klarheit für die Unternehmen in dem Sektor und, was von größerer Bedeutung ist, beseitigt einen Teil der Bürokratie, von der die Europäer genug haben.
Ich bin überzeugt, dass die Verwaltungsverfahren auf ein notwendigen Mindestmaß reduziert werden müssen. Die Europäer müssen sich mit überzogener Bürokratie auseinandersetzen, wodurch sich die Aufnahme oder Durchführung von Geschäftsaktivitäten äußerst schwierig gestaltet. Daher sind Berichte wie der von heute, die Verwaltungsverfahren abschaffen, nicht nur gute Neuigkeiten für den Aquakultursektor, sondern sollten auch ein konstantes Merkmal unserer Arbeitsweise sein.
Antolín Sánchez Presedo (S&D). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin Damanaki, ich werde mich auf die Berichte der Herren Gróbarczyk und Ferreira konzentrieren. Ich möchte die Berichterstatter dazu beglückwünschen, dass sie in erster Lesung mit dem Rat übereingekommen sind, zwei Verordnungen zu überarbeiten, die die Fischereipolitik an den Vertrag von Lissabon anpassen und das Engagement der Europäischen Union für eine nachhaltige Bestandsbewirtschaftung und den Erhalt der Artenvielfalt unterstreichen.
Das Verbot der Fangaufwertung und Beschränkungen bei der Flunder- und Steinbuttfischerei in der Ostsee sind wesentliche Maßnahmen für eine effektive und angemessene Ressourcenverwaltung. Es macht Sinn, sie dauerhaft in die für diese Gewässer geltende Verordnung über technische Maßnahmen aufzunehmen. Dieser Schwerpunkt könnte auf die übrigen EU-Gewässer ausgedehnt werden und Teil der Strategie der bevorstehenden Reform der gemeinsamen Fischereipolitik werden, die keine Rückwürfe vorsieht.
Es ist ebenfalls wichtig, dass die Europäische Union die Definition und operativen Bedingungen für geschlossene Aquakulturanlagen aktualisiert, erwägt, wie die Liste zu veröffentlichen ist und entsprechend dem Vertrag von Lissabon die Verfahren für die EU zur Entwicklung oder Durchführung der Bestimmungen festlegt, um eine Umweltbelastung durch Aktivitäten, die unsere Ökosysteme gefährden oder beeinträchtigen könnten, zu verhindern.
Alain Cadec (PPE) . – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst möchte ich unsere Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, Frau Bilbao und die Herren Gallagher, Gróbarczyk und Ferreira zu ihren Berichten beglückwünschen.
Ich möchte sagen, wie froh ich bin, dass das Parlament seine erste Lesung über die zwei langfristigen Pläne für den Sardellen- und den Stöckerbestand abgeschlossen hat. Durch die Verabschiedung des Vertrags von Lissabon ist das Parlament in der Tat ein gemeinsamer Entscheidungsträger bei diesen Angelegenheiten geworden.
Im Hinblick auf den Sardellenbestand bin ich erfreut über den Text, der im Fischereiausschuss verabschiedet wurde, der eine langfristige Bewirtschaftung einer stark befischten Art zum Ziel hat. Dieser Plan wird gemeinsame Bewirtschaftungsmaßnahmen zwischen den großen Fischereiländern ermöglichen.
Bei den Quoten werden lebende Köder mit berücksichtigt, die eine gerechte Überprüfung der Fischmengen ermöglichen. Außerdem begrüße ich die Maßnahmen zur Überwachung der Kontrolle dieser Fischerei. Das System zur Kontrolle der Schiffe muss unbedingt in den verschiedenen Mitgliedstaaten, die diesen Bestand befischen, gleich sein.
Ich möchte Herrn Gallagher zu seinem Bericht beglückwünschen. Ich weiß, dass wir ihn morgen verabschieden sollen: Er ermöglicht eine sozioökonomisch und ökologisch nachhaltige Nutzung des Stöckerbestands. Dieser Plan bringt eine neue Methode der Entscheidungsfindung vor, die die zulässige Gesamtfangmenge betrifft, wodurch die Nachhaltigkeit des Bestands langfristig gesichert werden kann. Ich möchte Sie auch an die Bedeutung des Grundsatzes der relativen Stabilität erinnern, der mir besonders am Herzen liegt.
Die Berichterstatter unterstreichen die Notwendigkeit, sich mit den Rückwürfen zu befassen, und dies kann man nur begrüßen. Wie meine Kollegen Abgeordneten finde ich es jedoch bedauerlich, dass der Rat die neue Befugnis des Parlaments zur gemeinsamen Entscheidungsfindung in Bezug auf langfristige Bewirtschaftungspläne infrage stellt. Ich bin der Ansicht, dass diese Frage der Rechtsgrundlage gelöst werden muss, da sie die Umsetzung der Pläne verzögert, was wesentlich für den Erhalt der Ressourcen und die Regulierung der Fischerei ist.
Wir müssen auch ein für alle Mal die Begriffe der nichtindustriellen und der industriellen Fischerei definieren. Dies gewährleistet, dass die Reform der gemeinsamen Fischereipolitik auf einer vernünftigen und soliden Basis durchgeführt wird. Dies wird auch im Bericht von Herrn Gróbarczyk vorgeschlagen, dem ich für die Qualität seiner Arbeit danke. Wie wir wissen, ist außerdem ein Verbot der Rückwürfe nicht realistisch. Ich hoffe, dass die Europäische Kommission den Sektor unterstützen wird, der selektives Gerät einführt und wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Fischerei gewährleistet.
Guido Milana (S&D). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, eine Minute reicht nicht aus, um sich mit vier Berichten zu befassen. Daher beglückwünsche ich die anderen drei Berichterstatter, aber ich werde nur Anmerkungen zum Bericht von Herrn Ferreira machen.
Bei den Maßnahmen, die die Europäische Union in Bezug auf die Fischerei und die Aquakultur durchführt, muss die Einhaltung der Grundsätze der Artenvielfalt im Mittelpunkt stehen. Der Kompromissänderungsantrag ist das Ergebnis der guten Arbeit von Herrn Ferreira, der diese Anliegen klar formuliert hat.
Wir dürfen keine vorgefassten Meinungen haben, wenn wir nach Möglichkeiten suchen, um die Maßstäbe für die Fischzucht zu verbessern, aber wir müssen rigoros bei der Kontrolle und der Anwendung der Verordnungen sein, die so präzise wie möglich sein müssen, um die Gefahr der Beeinträchtigung des ökologischen Gleichgewichts zu vermeiden.
In dieser Hinsicht ist die größte Unterstützung für die organische Produktion eine Entscheidung, die im allgemeinen Interesse getroffen wird und die den Schutz der Artenvielfalt umfasst. Dies ist in der Tat der beste Weg zur Optimierung der Produktion von einheimischen Arten.
Frau Kommissarin, ich hoffe, dass diese weitere Maßnahme in Bezug auf die Aquakultur als Teil der Gemeinsamen Fischereipolitik in eine vereinfachte Verordnung übernommen werden kann. Dies wird die Angelegenheit stark vereinfachen und ich hoffe, dass eine einzige Verordnung zur Aquakultur die Verfahren im Ganzen noch einfacher gestalten wird.
Jarosław Leszek Wałęsa (PPE). – (PL) Herr Präsident, ich möchte damit beginnen, Herrn Gróbarczyk für seine Hilfe zu danken. Ich freue mich sehr, dass es möglich war, einen sehr wichtigen Punkt in den Bericht aufzunehmen, wodurch die Kommission aufgefordert wird, einen umfassenden Bewirtschaftungsplan für Flundern in den Gewässern der Ostsee vorzubereiten.
Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, die Kommissarin darauf aufmerksam zu machen, dass die polnischen Behörden seit vielen Jahren die Verabschiedung eines umfassenden Bewirtschaftsungssystems für Plattfischbestände in der Ostsee vorschlagen und noch keine konkreten Ergebnisse von der Europäischen Kommission erhalten haben.
Es muss ein einheitliches System für die Bewirtschaftung von Plattfischen eingerichtet werden, unabhängig davon, wo diese lokalisiert sind. Sie sind von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Fischer in der Ostsee und auch aus Polen; deshalb verdienen sie mehr Aufmerksamkeit von den europäischen Institutionen, als sie bisher bekommen haben.
Brian Crowley (ALDE). – Herr Präsident, ich möchte den Berichterstattern für ihre Berichte danken, und insbesondere Herrn Gallagher. Zwei Sachen fallen mir bei dieser bisher stattgefundenen Diskussion auf. Erstens, das gesamte Konzept zur Schaffung einer Möglichkeit für eine Aufteilung innerhalb der zulässigen Gesamtfangmenge ist extrem unverantwortlich. Wir sollten uns dem heftig widersetzen.
Zweitens, in Bezug auf das Thema der Rückwürfe ist vielleicht jetzt die Zeit, um die Schaffung eines grauen Markts für diese Rückwürfe in Betracht zu ziehen. Dies sind Beifänge der normalen Fischerei, und warum sollte man nicht zulassen, dass diese an Land gebracht werden, statt sie zurück ins Wasser zu werfen, und die Fangkosten bezahlt werden – keinen Marktpreis, sondern die Fangkosten. Dies kann als Ersatz für die tausenden von Tonnen an importiertem Fisch dienen, der aus Fernost und aus anderen Regionen kommt, um andere Märkte innerhalb der Europäischen Union zu bedienen.-
Dies kann eine Win-win-Situation sein. Dadurch lässt sich die Menge der Rückwürfe verringern und ebenfalls sicherstellen, dass die Fischer keine wertvollen Produkte zurückwerfen.-
Nick Griffin (NI). – Herr Präsident, es ist gut, dass die EU versucht, gefährdete Fischbestände zu erhalten, aber bevor zu viel Eigenlob zu diesen Vorschlägen geäußert wird, müssen wir daran denken, dass viele ehemalige EU-Fischereiregelungen fürchterliche Misserfolge waren. Die heimischen Gewässer Großbritanniens wurden im Rahmen der europäischen Fischereistrategien beinahe bis zur Ausrottung befischt. Die Wahrheit ist, dass der Schutz von Fischbeständen am besten den Fischern vor Ort und Meereswissenschaftlern der einzelstaatlichen Regierungen überlassen wird und nicht den EU-Bürokraten.
Der Rat der Männer, die in den zerstörten Relikten der britischen Fangflotten arbeiten, ist einfach: Quotensysteme, die zu Rückwürfen und Fangaufwertung führen, verwerfen und sie durch Fangbeschränkungen in Bezug auf das Gewicht ersetzen, sodass der gesamte gefangene Fisch für den menschlichen Verzehr oder für die Verarbeitung von Tier- und Fischfutter an Land gebracht wird. Wir müssen das System der handelbaren Quoten ersetzen und so die Finanziers, Supermärkte und die Superreichen davon abhalten, mit dem Lebensunterhalt der Fischer zu spekulieren. Sämtliche Quoten – unabhängig von den Gewässern – sollten Fischer aus Häfen erhalten, die traditionelle Zugänge zu diesen Gewässern haben, und nur unter Fischern handelbar sein, die in gleichem Maße über persönliche, familiäre und gemeinschaftliche Verbindungen einen Anspruch darauf haben.
Seán Kelly (PPE). – (GA) Herr Präsident, ich bin kein Experte in dieser Angelegenheit, aber da ich von einer Inselnation stamme, weiß ich, dass das Fischen für Küstengemeinschaften in ganz Irland sehr wichtig ist.
– Mein geschätzter irischer Kollege, Herr Gallagher, der ein Experte auf diesem Gebiet ist, und zwar nicht nur in Irland, sondern darüber hinaus, hat einige zutreffende Punkte angesprochen, als er über den Unsinn der gemeinsamen Quoten für zwei getrennte Gebiete für den einen Bestand sprach. Meine Fraktion, die PPE-Fraktion, hat eine andere Meinung. Gleichzeitig scheint das, was Herr Gallagher sagt, logisch zu sein, da Stöcker eine kurzlebige Art sind. Daher hätte ich gerne die Antwort der Kommissarin insbesondere hierzu: keine persönliche Einschätzung, sondern eine, die auf wissenschaftlichen Nachweisen beruht. Ich stimme auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf die Rückwürfe überein, und ich bin auch dafür, dass wir die Aquakultur viel stärker entwickeln...
– (GA) weil die Nachfrage nach Fisch zukünftig stark zunehmen wird, und ich hoffe, dass jede Fischart allen zur Verfügung stehen wird.
Gerard Batten (EFD). – Herr Präsident, ich habe kürzlich versucht, die Kosten der Gemeinsamen Fischereipolitik für die britische Wirtschaft zu bemessen. Die beste Schätzung allein für entgangene Fänge ergibt mindestens 3,6 Mrd. GBP pro Jahr; die Kosten für höhere Lebensmittelrechnungen liegen bei etwa 4,7 Mrd. GBP pro Jahr; die Kosten für Subventionen, Arbeitslosigkeit, vergeudete Ressourcen, Papierkrieg usw. belaufen sich auf etwa 2,8 Mrd. GBP pro Jahr. Dadurch ergibt sich eine jährliche Zunahme von 11,1 Mrd. GBP.
Das Fischereiwesen liegt am Boden, mehr als 97.000 Arbeitsplätze wurden seit 1973 im Fischereiwesen und in abhängigen Industrien vernichtet. Die Folgekosten für Wirtschaft und Mensch sind unbezifferbar; die ökologische Auswirkung der Gemeinsamen Fischereipolitik ist ein Desaster. Mehr als 880.000 tote Fische werden jedes Jahr in die Nordsee geworfen. Für Großbritannien ist die Lösung natürlich, aus der Europäischen Union auszutreten, die Kontrolle unserer territorialen Gewässer wiederzuerlangen und ein neu belebtes nationales Fischereiwesen wieder in vernünftige Bahnen zu lenken.
Ricardo Cortés Lastra (S&D). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin, im Jahr 2005 wurde das Sardellenfischen im Golf von Biskaya wegen des geringen Bestands eingestellt. Das Ziel des vorgeschlagenen Plans ist es, eine nachhaltige Fischerei durch die Einführung von Quoten auf der Grundlage von wissenschaftlichen Kriterien zu gewährleisten. Dieser Plan wird durch den Sektor gestützt, der Stabilität erfordert. Ich fordere die Kommission auf, diesen Vorschlag zurückzuziehen und die Initiative des Parlaments zu berücksichtigen.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte gerne allen Abgeordneten des Parlaments für ihre Beiträge danken. Die Diskussion war in der Tat sehr interessant.
Zunächst möchte ich im Namen der EVP-Fraktion und anderen Abgeordneten auf die Bemerkungen von Frau Fraga zu den derzeitigen institutionellen Problemen reagieren, mit Bezug auf das neue institutionelle Umfeld, das wir im Rahmen des Vertrags von Lissabon haben. Ich muss zugeben, dass die Durchsetzung des Vertrags von Lissabon eine neue Ära geschaffen hat, und wir möchten uns dieser neuen Ära anpassen. Ich möchte ganz deutlich sagen, dass die Kommission den Gedanken versteht und unterstützt, dass das Parlament ein Mitspracherecht in Bezug auf den Ertrag haben muss: die Funktion des langfristigen Bewirtschaftungsplans.
Wir sind der Auffassung, dass die Verträge sehr deutlich sind, wenn sie auf dieses Thema verweisen. Dies ist unsere Haltung, aber, wie Sie wissen, gibt es eine Reaktion im Rat. Einige Mitgliedstaaten haben sehr heftig reagiert, aber es gibt auch eine allgemeine Reaktion auf diesen Ansatz. Wir müssen hier eine Lösung finden, weil wir ansonsten nicht weiter langfristige Bewirtschaftungspläne durchsetzen können, und wie Sie verstehen werden, ist dies unsere Zukunft. Wir können nicht eine neue Politik fortführen, die durch Kurzfristigkeit und all diese politischen Geschäfte diktiert wird, an die wir gewöhnt sind.
Also müssen wir eine Lösung finden, um diese Situation zu entblocken. Mir schwebt vor, zu versuchen, einen Ausweg durch ein trilaterales Treffen zu finden. Ich werde dem Parlament und dem Rat vorschlagen, dass wir uns alle zusammensetzen, um zumindest eine Kompromisslösung zu finden, die wir so schnell wie möglich brauchen, weil wir in dieser Weise nicht weitermachen können.
All die langfristigen Bewirtschaftungspläne sind jetzt auf Eis gelegt, und ich habe einige neue Vorschläge über einige neue Bewirtschaftungspläne, die zum Beispiel für den Lachs und die pelagischen Bestände sehr wichtig sind. Dies sind sehr wichtige langfristige Bewirtschaftungspläne. Sie sind fertig und wir warten darauf, eine institutionelle Lösung auf diese sehr heiklen Probleme zu finden.
In Bezug auf die Beiträge der anderen Fraktionen begrüße ich die Beiträge von Herrn Arsenis, Herrn Haglund und Frau Lövin im Namen ihrer Fraktionen und stimme mit ihnen überein, dass wir langfristige Bewirtschaftungspläne und wissenschaftliche Beratung benötigen.
Ich verstehe die Forderungen unserer Fischereien und die Probleme unseres Fischereisektors, und ich möchte mich sehr klar dazu äußern. Aber ich möchte Ihnen sagen, dass wir jetzt ein eindeutiges Beispiel der Situation erörtern. Der Sardellenplan und die Tatsache, dass wir Fischereien in diesem Bereich einige Jahre lang schließen mussten, ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass wir nicht weitermachen können und dabei wissenschaftliche Beratung unbeachtet lassen.
Ich verstehe die Probleme, und wir müssen eine Synthese und eine Lösung finden. Meine Idee ist es – und dies wird eines der Hauptthemen der Reform unserer Fischereipolitik sein –, weiterhin wissenschaftlichen Rat zu beherzigen und auch zu versuchen, eine Lösung zu finden, falls dieser Rat nicht klar genug ist und wir nicht genügend Daten haben, um uns eine eindeutige Meinung zu bilden.
Ich möchte auch anmerken, dass der Bericht von Herrn Gróbarczyk sehr wichtig ist, und dass technische Maßnahmen zur Verhinderung einer Aufwertung maßgeblich für unsere Politik sind. Ich möchte auch unterstreichen, dass wir eine Politik über Flundern und Plattfische benötigen, wie wir bereits gesagt haben. Wir beabsichtigen, eine solche Politik zu erarbeiten.
Wir brauchen eine sehr mutige Politik Rückwürfe betreffend, worauf viele von Ihnen hingewiesen haben. Ich glaube nicht, dass wir es uns leisten können, Fisch zurück ins Meer zu werfen, wenn er so wertvoll ist. Wir können uns dies nicht mehr leisten. Vielleicht war es eine Lösung, als wir viel Fisch in unseren Gewässern hatten, aber jetzt haben wir echte Probleme. Wir können keinen Fisch zurück ins Meer werfen.
Also müssen wir hier eine Lösung finden, und ich begrüße Vorschläge sehr, wie die Entschädigung von Fischern für die Fangkosten im Falle von Beifängen. Wir können Lösungen finden, aber wir müssen uns durch unsere Politikreform weiter auf unser Ziel, Rückwürfe zu umgehen, hinzubewegen. Natürlich müssen wir alle technischen Maßnahmen vor Augen haben, die dafür erforderlich sind, aber wir müssen uns in diese Richtung bewegen.
Eine letzte Bemerkung zu den Problemen der Aquakultur. Wir müssen die Belastungen abmildern, die Hindernisse für die Aquakultur schaffen. Ich bin damit einverstanden. Ich stimme mit dem Berichterstatter und Herrn Milana und anderen Rednern, die darüber gesprochen haben, darin überein.
Was ich sagen kann, ist, dass wir versuchen, dies als Teil unserer Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik zu erreichen. Ich möchte auch wiederholen, dass wir die wissenschaftliche Forschung in Bezug auf Aquakulturarten verstärken werden, weil wir wirklich Fortschritte hin zu einer Massenproduktion dieser Aquakulturprodukte erzielen müssen, falls wir wirklich wollen, dass die Aquakultur eine Alternative für unseren Fischereisektor darstellt.
Izaskun Bilbao Barandica, Berichterstatter. – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin, zunächst hätte ich mich über eine klare Antwort von Ihnen gefreut, ob es Ihre Absicht ist, den Wünschen des Rates nachzugeben und – dafür bin ich dankbar – die Probleme hinsichtlich der Akzeptanz der Befugnisse, die der Vertrag von Lissabon dem Parlament überträgt, zu würdigen.
Der Fischereiausschuss hat ein zweites Mal abgestimmt und die Kommissarin nicht gebeten, den Vorschlag zurückzuziehen. Wozu wir die Kommissarin auffordern, ist, uns heute eine klare Antwort darauf zu geben, ob sie den Wünschen des Rates nachgeben wird oder nicht.
Der Sektor braucht einen Plan. Der Sektor hat Verantwortung übernommen und arbeitet seit mehr als zwei Jahren mit wissenschaftlichen Instituten und der Kommission zusammen, um die Nutzungsbestimmung festzulegen und in den Vorschlag aufzunehmen. Es ist ein verantwortungsbewusster Sektor, der fünf Jahre lang brach lag, und um es nicht zu vergessen, es war der Sektor selbst, der um seine Einstellung gebeten hat. Im Jahr vor der Einstellung verzeichnete der Sektor einen Fischfang von 7.000 Tonnen und jeden Tag legte er die Quote fest, die gefischt werden konnte, und fixierte sie, um diese niedrige Quote rentabler zu machen. Dann wurde einseitig beschlossen, die Kommission davon in Kenntnis zu setzen, dass das Fischen eingestellt würde, weil die festgelegte Obergrenze erreicht worden sei.
Das ist der Sektor, den wir haben. Es ist ein Sektor, der uns mehr als ein Mal gebeten hat, eine Entscheidung zu treffen und transparent zu sein, und einer, von dem ich persönlich sagen kann, dass er verantwortungsvoll und hart gearbeitet hat, um diesen so benötigten Plan auf den Weg zu bringen.
Diesen Plan zu verabschieden, bedeutet, sich von obskuren politischen Entscheidungen über Quoten und zulässige Gesamtfangmengen, deren Grundlage manchmal nicht bekannt ist, zu distanzieren. Wir leben seit vielen Jahren mit dieser fehlenden Transparenz. Das 21. Jahrhundert darf kein Jahrhundert mangelnder Transparenz sein; das ist weder das, was die Menschen in Europa verdienen, noch ist es das, was ein Sektor verdient, der bewiesen hat, dass er verantwortungsbewusst agiert.
Glücklicherweise haben der neueste Bericht von AZTI (Baskisches Wissenschaftliches Institut) und die Juvena-Studie uns gezeigt, dass es nächstes Jahr größere Sardellenbestände geben wird. Frau Kommissarin, ich hätte dennoch gerne eine eindeutigere Antwort.
Pat the Cope Gallagher, Berichterstatter. – Herr Präsident, ich möchte der Kommissarin und den Kolleginnen und Kollegen für ihre Beiträge danken sowie den Schattenberichterstattern, dem Generalsekretariat des Fischereiausschusses, dem Rat, der Kommission, dem politischen Berater meiner Fraktion und auch meinem eigenen Berater.
Ich verstehe, dass der Rat auf fachlicher Ebene geteilter Meinung darüber ist, ob nun Fangvorschriften ausschließlich vom Rat festgelegt werden sollen. Ich verstehe ebenfalls, dass die 27 Minister die Akte noch vollständig erörtern müssen und insbesondere diesen Punkt. Ich hoffe, dass der gesunde Menschenverstand siegen wird.
Zu dem Problem der Kommissarin mit den +/-5.000 Tonnen würde ich Ihnen, Frau Kommissarin, sagen, dass dies eine pragmatische Lösung war. Wir haben uns jetzt länger als ein Jahr mit diesem Vorgang befasst und es sind Fortschritte zu verzeichnen. Ich glaube, dass wir manchmal pragmatisch sein müssen, um die Schwierigkeiten zu überwinden.
Ich möchte der S&D-Fraktion sagen, dass es überhaupt keinen Zweifel an meinem Standpunkt in Bezug auf Ihren Änderungsantrag gibt. Ich werde natürlich empfehlen, dass wir diesen Änderungsantrag unterstützen. In Bezug auf den Vorschlag der PPE-Fraktion würde ich sagen, dass die PPE-Fraktion darüber nachdenken sollte. Ich habe mich bemüht, ihre Bedenken in Änderungsantrag Nr. 7, der die Thematik des Golf von Biskaya behandelt, aufzunehmen. Es geht um handwerklich betriebene Fischerei und historische Rechte.
Jeder, der dies unterstützt, muss bedenken, dass wir noch viele weitere Berichte im Parlament haben werden. Wenn man jetzt etwas Falsches unterstützt, kann es gut sein, dass man, wenn man konsequent ist, in Zukunft etwas unterstützen muss, das falsch ist. Wissenschaftlich gesehen ist es völlig falsch, eine zulässige Gesamtfangmenge aufzuteilen, und das ist nicht nur meine persönliche Meinung. Wenn wir das jetzt tun, kann es sein, dass wir das in Zukunft bei der Befischung eines Bestands tun müssen. Mehrjahrespläne sind äußerst wichtig, um dem Sektor zu ermöglichen, für die Zukunft zu planen. Hoffentlich wird morgen der gesunde Menschenverstand siegen und wir werden einen Bericht fertigstellen, für den wir einstehen können.
Marek Józef Gróbarczyk, Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident, ich möchte mich noch einmal herzlich bei allen Schattenberichterstattern, vor allem bei denjenigen, die anwesend sind – Frau Ulrike Rodust, Herrn Kuhn und Herrn Ferreira und auch bei Herrn Kuhn und Herrn Alain Cadec – für ihre freundlichen Worte zu meinen Bericht bedanken. Vielen Dank.
Ich hoffe ebenfalls, dass der Bericht als Fortführung von akzeptierten Lösungen fungieren wird und vor allem als Beginn der Arbeit an der Regionalisierung. Die Regionalisierung ist unser Ziel und das, was wir in der Gemeinsamen Fischereipolitik erreichen wollen. Dies ist es, was den Erfolg der zukünftigen Gemeinsamen Fischereipolitik in der Praxis ausmachen wird.
João Ferreira, Berichtertstatter. – (PT) Herr Präsident, ich möchte mich für die Anmerkungen bedanken, die zu meinem Bericht abgegeben wurden, und meine Redezeit dafür nutzen, einige Bemerkungen zu dem Mehrjahresplan für den westlichen Stöckerbestand und dem Änderungsvorschlag in Bezug auf Herrn Gallaghers Bericht, den ich im Namen der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke vorgebracht habe, zu machen.
Das Ziel dieses Änderungsantrags, das der Änderungsantrag Nr. 7 des Berichterstatters nicht umfassend gewährleistet, ist die spezifische Art der verschiedenen Fangflotten zu erläutern und deutlich zu machen, dass diese speziellen Punkte und der Verbringungsort des Fisches in Betracht gezogen werden sollten, wenn die zulässigen Gesamtfangmengen (TAC) festgelegt werden. Die kleine Küstenfischerei und die handwerklich betriebene Fischerei haben wirtschaftliche und soziale Merkmale, die neben anderen Aspekten nicht für die industrielle Fischerei gelten. Wenn dieser Fischerei, die die breite Öffentlichkeit mit frischem Fisch zum Verzehr beliefern soll, Beschränkungen auferlegt werden, dann sollte diese nicht in derselben Weise behandelt werden wie die industrielle Fischerei, der es um die Verarbeitung von Fisch geht. -
Im Hinblick auf die verschiedenen Fangflotten und die technische Frage, die aufgeworfen wurde, stimme ich immer noch nicht mit dem Standpunkt des Berichterstatters überein. Wir sprechen im Grunde über denselben Bestand, aus derselben Quelle, aber dies ist eine Quelle, wie bereits gesagt wurde, die sich über verschiedene Fischgebiete erstreckt. Die Küstenfischerei und die handwerklich betriebene Fischerei operieren in speziellen Fanggebieten, die industrielle Fischerei in anderen. Wir sprechen daher über Gebiete, die eindeutig festgelegte Grenzen haben, und wir glauben, dass dies miteinander kompatibel ist. Wir glauben außerdem, dass die zulässigen Gesamtfangmengen an jedes dieser verschiedenen Fanggebiete angepasst werden müssen, sodass sichergestellt ist, dass der Bestand umsichtig bewirtschaftet wird. Dies ist deshalb notwendig, weil eine umsichtige Bewirtschaftung des Bestands, wie hier bereits angemerkt wurde, nicht nur ökologische und biologische Aspekte, sondern auch wirtschaftliche und soziale Faktoren berücksichtigen sollte. Dinge, die grundsätzlich verschieden sind, sollten nicht genau gleich behandelt werden.
Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet morgen, Dienstag, den 23. November 2010 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Robert Dušek (S&D), schriftlich. – (CS) Der Bericht über das Verbot der Fangaufwertung und die Beschränkungen des Flunder- und Steinbuttfangs in der Ostsee, den Belten und dem Öresund erfordert neue Bestimmungen in den Verordnungen über die Fischerei in den betreffenden Gebieten. Die Ostsee hat den Status eines „besonders empfindlichen Seegebiets‟ und ist eines der wertvollsten, aber auch eines der empfindlichsten Meeresökosysteme der Welt. Aus diesem Grund stimme ich mit dem Berichterstatter überein, dass es von entscheidender Bedeutung ist – und nicht nur in diesem Bereich –, die industrielle Fischerei aufzugeben. Nur durch eine wirtschaftlich und ökologisch ausgewogene Fischerei unter Anwendung der richtigen Fischfangmethoden können wir dazu beitragen, die Fischerei zu erhalten und die derzeitige Vielfalt von Fischarten auf einem nachhaltigen Niveau für zukünftige Generationen zu erhalten. In Zusammenhang mit dem Klimawandel hat es in der Ostsee massive Fischbewegungen gegeben, und es ist daher notwendig, das geschützte Seegebiet regelmäßig zu überprüfen. Ich möchte daher die Kommission aufrufen, dies regelmäßig zu tun. Es ist ebenfalls wichtig für die Fischereibetriebe, dass sie durch Rechtsvorschriften ermutigt werden, die derzeit beste Ausrüstung in Bezug auf Selektivität zu nutzen und dadurch zu verhindern, große Mengen an Kleinfischen sowie andere Fische als die Zielart oder Beifänge zu fangen. Das Europäische Parlament sollte Wert darauf legen, dies in die vorgeschlagene Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik 2011 aufzunehmen, was ich nachdrücklich unterstütze.
17. Information über Arzneimittel (Gemeinschaftskodex für Arzneimittel) - Information über Arzneimittel (Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln) (Aussprache)
Der Präsident. – Der nächste Tagesordnungspunkt ist die gemeinsame Aussprache über
– den Bericht von Christofer Fjellner, im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel (KOM(2008)0663 – C60516/2008 – 2008/0256(COD)) (A7-0290/2010) und-
– den Bericht von Christofer Fjellner, im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel (KOM(2008)0662 – C6-0517/2008 – 2008/0255(COD)) (A7-0289/2010).
Christofer Fjellner, Berichterstatter. – (SV) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, nun sind wir bei der Plenardebatte über die neue Rechtsvorschrift zu Informationen über Arzneimittel angelangt. Worüber wir debattieren werden, ist der letzte Teil dessen, was einige Leute als den strittigsten Punkt des Arzneimittelpakets bezeichnen, nämlich Informationen über Arzneimittel. Ich gebe zu, dass ich noch vor einem Jahr niemals geglaubt hätte, dass wir im Plenum zu einer solchen Einigung, wie wir sie hier im Parlament erreicht haben, kommen würden. Dass dies so ist, liegt vor allem an meinen Schattenberichterstattern. Ihre konstruktiven Vorschläge und ihre Kompromissbereitschaft waren es, die uns geholfen haben, zu einer Übereinkunft zu gelangen und hoffentlich diesen Bericht mit wesentlicher Unterstützung im Plenum zu verabschieden.
Es ist nicht nur eine Frage der Kompromissbereitschaft. Ich glaube, dass es vielleicht noch wichtiger ist, dass wir uns bewusst sind, dass wir hier im Parlament dasselbe wollen und uns für dieselben Dinge einsetzen. Der erste Punkt ist, dass wir vor allen Dingen wollen, dass den Patienten in Europa bessere Informationen über Arzneimittel, die einfacher zugänglich sind, bereitgestellt werden. Der zweite ist, dass niemand von uns möchte, dass Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gemacht wird, und der dritte Punkt ist, dass die Informationen, die die Patienten erreichen und von den Unternehmen verbreitet werden, von den zuständigen Behörden überprüft und genehmigt werden müssen. Dies sind Grundsätze, die alle teilen und die es uns erleichtert haben, eine Übereinkunft zu erzielen. Das ist jedoch auch der Grund, warum wir uns irgendwie gezwungen sahen, den Vorschlag der Kommission neu abzufassen.
Ich möchte fünf Dinge hervorheben, auf die wir uns konzentriert haben, als wir den ursprünglichen Gesetzgebungsvorschlag der Kommission neu abgefasst haben. Erstens: Wir haben versucht, die Perspektive der Rechtsvorschrift zu ändern – von dem Schwerpunkt auf das Recht der Pharmaunternehmen, Informationen zu verbreiten, hin zum Schwerpunkt auf das Recht der Patienten, Zugang zu Informationen zu haben und dadurch die Verpflichtung der Unternehmen festzuschreiben, diese Informationen zu veröffentlichen und zugänglich zu machen. Zweitens: Wir haben versucht, alle bestehenden Ausnahmen zu verschärfen, um mögliche Gesetzeslücken für Werbung zu vermeiden – etwas, was niemand von uns möchte. Drittens: Wir haben sichergestellt, dass die Informationen über Arzneimittel, die von den Unternehmen kommen, kontrolliert werden und zuverlässig sind, da sie von Pharmabehörden geprüft werden. Viertens: Wir haben gesagt, dass die Informationen von Pharmaunternehmen nicht unaufgefordert den Patienten oder der breiten Öffentlichkeit bereitgestellt werden sollen. Niemand sollte jemals unaufgefordert Informationen über Arzneimittel erhalten. Wir haben daher alle so genannten „Push-Kanäle‟ abgelehnt, wie Werbung im Radio, im Fernsehen oder in Zeitungen. Der letzte Punkt, den ich unterstreichen möchte, ist, dass die Unternehmen nur ein Glied in der Informationskette sind. In vielen Ländern in ganz Europa müssen das Gesundheitswesen und die Gesellschaft einen viel größeren Anteil der Verantwortung übernehmen, als sie es jetzt tun.
Es gibt Punkte, in denen wir nicht übereinstimmen. Diesbezüglich möchte ich einfach eine Frage stellen und meine Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten bitten, die Ausnahme in Bezug auf Informationen zu akzeptieren, die Ärzte ihren Patienten, die sie behandeln, übermitteln; mit anderen Worten, dass solche Informationen nicht denselben Kontrollprozess durchlaufen müssen wie andere Informationen. Ich habe ein konkretes Beispiel, das ein Problem darstellen könnte, falls eine solche Ausnahme nicht akzeptiert wird, nämlich dass ein Arzt in Schweden zum Beispiel einem Patienten, der kein Schwedisch versteht, keine englische Packungsbeilage geben dürfte, weil diese nie in Schweden genehmigt würde, da Englisch dort keine Amtssprache ist.
Ich möchte mich zum Abschluss an den Rat wenden, der leider nicht hier ist – das ist in dieser Angelegenheit sehr aufschlussreich. Ich bedauere die Abwesenheit des Rates am heutigen Tag. Ich wollte die Stellungnahmen und Argumente des Rates wirklich berücksichtigen, um die Aussprache einfacher zu gestalten, aber bisher bin ich beinahe nur auf schroffe Ablehnung gestoßen. Es ist schwierig, jemandem zuzuhören, der keinerlei Informationen liefert.
Es ist uns gelungen, eine Einigung in dieser Angelegenheit zu erzielen. Ich bin sicher, dass der Rat ebenfalls, wenn er beginnt, dieses Thema im Detail zu diskutieren, mehr oder weniger auf dieselben Bedingungen für eine Einigung treffen wird, wie wir sie hier geschaffen haben. Der Rat darf jedoch nicht versuchen, Informationen zu rationieren, um Geld zu sparen. Das sind Probleme, auf die wir nicht stoßen möchten. Wir glauben nicht, dass schlechter informierte Patienten einfacher zu handhaben sind oder dass es billiger ist, Informationen zurückzuhalten. Ich fordere den Rat auf, die Verantwortung zu übernehmen, damit wir gemeinsam sicherstellen können, dass im Interesse der Patienten Europa bessere Informationen über Arzneimittel bereitgestellt wird.
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, während meiner Anhörung als designiertes Kommissionsmitglied habe ich deutlich gemacht, dass Informationen für Patienten ein sehr wichtiges Thema für mich ist. Patienten sind an ihrer eigenen Gesundheit und an ihrem Wohlergehen sehr interessiert. Aber zurzeit ist die Verfügbarkeit von Informationen in Europa sehr unterschiedlich: Man könnte sogar sagen, sehr ungerecht.
Ob Patienten die entsprechenden Informationen erhalten, ist abhängig von Sprachen, IT-Fertigkeiten und oft auch von der sozialen Schicht und Netzwerken. Für ein Europa, das danach strebt, das Gesundheitswesen zu stützen und Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, ist dies nicht vertretbar. Daher bleibt das wichtigste Ziel des ursprünglichen Vorschlags der Kommission gerechtfertigt, und ich begrüße die Vorgehensweise des Parlaments und insbesondere Ihres Berichterstatters, Herrn Fjellner, der diesen wichtigen Vorschlag weitergeführt hat.
Ich glaube jedoch fest daran – wie ich auch in meiner Anhörung betont habe –, dass wir dieses Dossier aus dem Blickwinkel des Patienten betrachten müssen. Wir müssen uns fragen, welche Informationen die Patienten benötigen und nicht, welche Informationen die Industrie bereitstellen möchte. Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht zu einer auf den Verbraucher gerichteten Werbung abdriften, die die Patienten eindeutig nicht wollen.
Ich zolle dem Parlament noch einmal Respekt, weil es genau diesen Standpunkt vertritt. Dies wird es der Kommission ermöglichen, viele Ihrer wesentlichen Änderungsanträge anzunehmen, wenn wir unsere geänderten Vorschläge vorbringen. Dies betrifft insbesondere die Verpflichtung, Informationen zu veröffentlichen, die Frage nach der Auswahl der Informationen, die Verbreitungskanäle der Informationen sowie die Kontrollmechanismen.
Zunächst unterstütze ich den Änderungsantrag, der besagt, dass die Industrie die Pflicht und nicht nur das Recht haben muss, bestimme Informationen über Arzneimittel zur Verfügung zu stellen. Dies ist eine sehr wichtige Änderung.
Zweitens, in Bezug darauf, welche Informationen veröffentlicht werden, stimme ich grundsätzlich darin überein, dass Informationen keine Vergleiche zwischen Arzneimitteln enthalten sollten, da dies als Werbung eingestuft werden könnte. Natürlich sind diese Informationen für Patienten und Angehörige von Gesundheitsberufen von großer Bedeutung, aber wegen des möglichen Missbrauchs für Werbezwecke bedürfen sie eines strengen Rahmens. Wir arbeiten mit Mitgliedstaaten an einem solchen Rahmen auf dem Gebiet von Bewertungen über Gesundheitstechnologie zusammen.
Ich teile ebenfalls die Ansicht, dass die Vorschläge die Informationen betreffen sollten, die von der Industrie bereitgestellt werden und nicht von Dritten wie Journalisten und Wissenschaftlern. Wir wissen jedoch, dass es eine Grauzone gibt, die Raum für Missbrauch lässt. Ich glaube daher, dass solche Parteien verpflichtet sein müssten, zu erklären, ob sie finanzielle oder andere Vorteile von der Industrie gewährt bekommen.
Drittens, in Bezug auf die Informationskanäle stimme ich zum Teil mit Ihren Änderungsanträgen überein. Aber nicht jeder nutzt das Internet; wir müssen verhindern, Ungerechtigkeiten zu fördern, indem wir diejenigen vom Zugang zu medizinischen Informationen ausschließen, die keine digitalen Kommunikationsmittel nutzen. Ich denke daher, dass es der Industrie möglich sein sollte, aus eigener Initiative Druckmaterial zu verfassen und nicht nur auf Anfrage. Diese verfassten Informationen könnten auf Anfrage von der Öffentlichkeit oder Angehörigen von Gesundheitsberufen genutzt werden.
Viertens, zur Kontrolle der Informationen stimme ich darin überein, dass Informationen, die nicht im Zuge des Verfahrens der Genehmigung für das Inverkehrbringen anerkannt werden, grundsätzlich vorab von zuständigen Behörden genehmigt werden müssen. Ich glaube jedoch, dass Europa die verfassungsmäßigen Bedenken, die einige Mitgliedstaaten in Bezug auf die Vereinbarkeit einer Vorabkontrolle mit der Freiheit der Meinungsäußerung vorbringen, berücksichtigen sollte. Es sollte diesen Mitgliedstaaten möglich sein, eine offene Kontrolle vorzusehen, unabhängig davon, ob sie bereits eine solche Kontrolle eingerichtet haben.
Mehrere der Änderungsanträge des Parlaments betreffen Informationen aus Quellen, die nicht aus der Industrie stammen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang betonen, dass ich voll und ganz mit dem politischen Streben übereinstimme, die Vorschläge zu industrieseitigen Informationen über Arzneimittel, über die wir heute diskutieren, auf eine breitere und umfassendere Agenda zur Patienteninformation zu setzen. Ja, es gibt andere sehr wichtige Quellen, die so umfassend wie möglich ausgeschöpft werden müssen, aber die Vorschläge sind nicht geeignet, um diese anzusprechen.
Die Kommission ist bereits verpflichtet, einen Bericht über die Lesbarkeit der Packungsbeilage zu verfassen. Daher wäre jede Änderung zu diesem Thema verfrüht. Es ist auch nicht machbar, für jede klinische Studie, die in der Zusammenfassung des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts enthalten ist, einen Link zur Eurydice-Datenbank über klinische Versuche einzuführen. Ein allgemeiner Link zwischen Datenbanken wäre ausreichend.
Die öffentliche Zusammenfassung des Beurteilungsberichts sollte nicht als Anhang der europäischen Genehmigung für das Inverkehrbringen beigefügt werden, da diese bereits öffentlich über die EMA-Website verfügbar ist. Ich erkenne, dass es zusätzlich zu den von der Industrie bereitgestellten Informationen bereits eine Reihe von europäischen und nationalen Datenbanken und Portalen gibt, die Informationen über Arzneimittel bereitstellen. Was uns fehlt, ist deren Verbindung untereinander. Ich schlage vor, dass das zukünftige europäische medizinische Web-Portal, das kürzlich durch die Pharmakovigilanz-Richtlinie geschaffen wurde, als zentrale Stelle für den Zugang zu Informationen genutzt wird.
In diesem Zusammenhang erkenne ich voll und ganz die Notwendigkeit umfassenderer Informationen über Krankheiten und deren Prävention an. Patienten sind auch an den Behandlungsmöglichkeiten interessiert, nicht nur daran, etwas über Arzneimittel zu erfahren. Dies kann jedoch nicht über die vorliegenden Vorschläge in Angriff genommen werden, die sich auf Medikamente konzentrieren. Die Kommission ist dennoch gut gerüstet, um als europäische Informationsvermittlung zu dienen. Ich sehe unsere Funktion darin, dass wir sonstige zuverlässige Informationsanbieter wie die Mitgliedstaaten oder Patientenorganisationen miteinander verknüpfen. Europäische Maßnahmen können einen Mehrwert generieren, und viele Informationsinstrumente, wie das EU-Gesundheitsportal, wurden bereits eingerichtet.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, Sie werden nicht überrascht sein, dass es einige Änderungsanträge gibt, die die Kommission nach sorgfältiger Überlegung nicht unterstützen kann. Das Recht der Bürgerinnen und Bürger, Beschwerde einzulegen, ist ein grundlegendes Prinzip der EU. Es ist weder angemessen noch notwendig, dies noch einmal zu sagen. Das Strafmaß sollte auf nationaler Ebene und nicht auf europäischer Gesetzgebungsebene festgelegt werden. Eine Liste der Standpunkte der Kommission zu allen Änderungsvorschlägen wurde dem Parlament zugänglich gemacht.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal dem Parlament und Herrn Fjellner und den Schattenberichterstattern für Ihren wichtigen Beitrag danken. Ich hoffe, dass die Abstimmung dieser Woche dazu beitragen wird, den Zugang der Patienten zu Informationen zu verbessern und den Rat zu überzeugen, dass es notwendig ist, tiefgreifende Diskussionen über die Vorschläge zu beginnen.
António Fernando Correia De Campos, Berichterstatter für die Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – (PT) Herr Präsident, meinen Damen und Herren, Herr Kommissar Dalli, Patienten sollten das Recht haben, so viel wie möglich über ihre Krankheit und die zur Behandlung verfügbaren Medikamente zu wissen. Aber wie können wir Information von Werbung unterscheiden? Wo und wie ist es möglich, objektive und wertfreie Informationen zu erhalten? Es gibt verschiedene Interpretationen der zurzeit gültigen Texte, mit dem Ergebnis, dass sie harmonisiert werden müssen und dadurch die Souveränität des Einzelnen gestärkt wird. Informationen müssen zuverlässig, von den Behörden validiert, unabhängig, zugänglich und zielgerichtet auf ein durchschnittliches, nicht fachkundiges Publikum sein. Ziel ist es, dass die Endverbraucher besser informierte und verantwortungsbewusstere Bürgerinnen und Bürger sind. Die Frist für die stillschweigende Zustimmung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) sollte von 60 auf 120 Tage verlängert werden. Die Forderung, Gründe für eine Ablehnung anzugeben, verleiht solchen Rückweisungen Gewicht und dem Endergebnis eine gewisse Ausgewogenheit. Die EMA hat eine sehr wichtige Funktion als bevorzugte Quelle an objektiven Informationen. Ich möchte abschließend den Berichterstatter, Herrn Fjellner, zu seiner Arbeit beglückwünschen und sagen, dass ich erfreut bin, dass er beinahe alle Vorschläge, die ich als Berichterstatter für die Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vorgebracht habe, angenommen hat.
Cristian Silviu Buşoi, Berichterstatter für die Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. – Herr Präsident, ich möchte den Berichterstatter und die anderen Abgeordneten, die zu diesem Vorgang ihren Beitrag geleistet haben, beglückwünschen. Ich möchte auch Kommissar Dalli beglückwünschen. Ich glaube, wir haben ein gutes Ergebnis erzielt, und jetzt ist der Bericht stärker am Patienten orientiert als im ursprünglichen Vorschlag.
Heutzutage neigen die Patienten zunehmend dazu, Informationen zum Thema Gesundheit zu suchen, um sich aktiv an Entscheidungen über ihre Gesundheit zu beteiligen. Patienten neigen auch dazu, online nach Informationen zu suchen. Diese Informationen sind im Internet nicht einfach zu kontrollieren, aber früher oder später müssen wir uns mit diesem Problem befassen, das nicht verschwinden wird, wenn wir einfach gar nichts unternehmen, weil es zu kompliziert ist.
Daher befürworte ich die Auflage von strengen Regeln für die Registrierung und die Überwachung von Websites sowie die Veröffentlichung einer Liste von registrierten Websites, sodass die Patienten sich der Zuverlässigkeit ihrer Quelle sicher sein können. Es sind auch Schutzmaßnahmen erforderlich, und der Bericht sieht sie vor, indem er die Informationen, die zur Verfügung gestellt werden können, auf die Informationen beschränkt, die von den zuständigen Behörden genehmigt werden.
Zu diesem Zweck haben wir im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz eine Reihe von Änderungsanträgen verabschiedet, die die Werbung umfassen und die Änderung des Wortlauts von „verbreiten‟ auf „zugänglich machen‟ beinhalten im Rahmen der Informationen, die keinen Werbezwecken im Sinne des „Pull-Prinzips‟ dienen, wobei Patienten Zugang zu Informationen haben, wenn sie diese benötigen.
Horst Schnellhardt, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kommissar! Wenn man bedenkt, wie wir in der letzten Legislaturperiode über diesen Vorschlag der Kommission diskutiert haben, von der totalen Ablehnung bis hin zum Jubel, was da alles Schönes über uns kam, dann muss ich sagen, bin ich begeistert, was jetzt hier vorliegt. Und da gilt dem Berichterstatter und seinen Ko-Berichterstattern ein großer Dank, dass sie aus diesem breiten Spektrum von Meinungen eine ordentliche Meinung gemacht haben. Ich glaube, das Zauberwort heißt: Orientierung auf den Patienten. Man hat also nicht die vielen Nebenerscheinungen genommen und gesagt: Was braucht der Patient? Ich glaube, es ist richtig, dass wir uns festgelegt haben, dass der Patient sich auf verschiedenen Wegen informieren kann und nicht nur einem. Aber ich möchte betonen: Der Arzt wird weiterhin die Vertrauensperson für den Patienten sein müssen und auch sicher in den entscheidenden Fragen Einfluss nehmen. Das garantieren wir, weil wir nämlich die Werbung dafür verboten haben und die Informationen, die der Patient bekommt, geprüft und von einer Behörde genehmigt wurden. Damit ist die Information zuerst einmal wissenschaftlich untermauert, und damit kann der Patient sicher auch umgehen.
Natürlich ist es richtig, dass nicht jeder dieses über das Internet ermitteln kann. Aber dafür haben wir verschiedene Wege, und ich glaube, das ist so stark verbreitet, da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Ich hoffe nur, dass der Rat jetzt endlich den Mut hat, dieses Thema aufzugreifen. Es ist sehr wichtig, es muss schnell gehandelt werden. Die Patienten erwarten das. Dann haben wir ein gutes Werk vollbracht.
Gilles Pargneaux, im Namen der S&D-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, zu Beginn des 21. Jahrhunderts benötigen die Patienten insbesondere adäquate und sachdienliche Informationen, um in die Behandlungsabläufe eingebunden zu werden, zu wissen, wo sie nach geeigneten Behandlungsmöglichkeiten suchen müssen, um über die für sie bestmögliche Behandlung mit Angehörigen der Gesundheitsberufe entscheiden und der geplanten Behandlung genau folgen zu können.
Heutzutage fordern die Patienten unabhängige, vergleichende Informationen, die auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Leider stimmen die Vorschläge zur Überarbeitung der Richtlinie, die von der Europäischen Kommission vorgelegt wurde, nicht genau mit den Bedürfnissen überein, die von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern geäußert wurden. Diese Vorschläge öffnen die Tür für die direkte Werbung durch Pharmaunternehmen, was unserer Ansicht nach Unsinn ist, wenn es um die Reaktion auf die echten Bedürfnisse der Patienten geht.
Weder die Öffentlichkeit noch die Mitgliedstaaten gewinnen etwas bei dieser Aktion. Im Gegenteil, es bedeutet mehr Papierkrieg, steigende Kosten und Risiken für die Patienten.
Aus diesem Grund haben wir anfänglich einen Vorschlag unterbreitet, um diesen Wortlaut abzulehnen und dadurch die Kommission aufzufordern, ihre Vorschläge zu überprüfen. Dieser Ansatz, der auch von meinem Kollegen Abgeordneten Herrn Schlyter von der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz verabschiedet wurde, ermöglichte es unserem Berichterstatter, Herrn Fjellner – dem ich Anerkennung zolle – die Vorschläge der Kommission einer umfassenderen Überprüfung zu unterziehen.
Gleichzeitig haben wir etwa 60 Änderungsanträge vorgelegt, mit dem Ziel, die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen und den Zugang der Patienten zu unabhängigen, vergleichenden Informationen, die auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten sind, zu erleichtern. Die Verabschiedung dieser Änderungsanträge durch den Ausschuss für Umwelt bedeutet, dass wir uns stärker auf das Recht der Patienten auf Informationen konzentrieren können, anstatt es der Pharmaindustrie zu überlassen, diese Informationen zur Verfügung zu stellen.
Angesichts der erzielten Kompromissänderungsanträge und der positiven Änderungen, die in den letzten Monaten am Wortlaut vorgenommen wurden, haben wir beschlossen, unseren Vorschlag zur Ablehnung der Texte zurückzuziehen. Der Berichtsentwurf in seiner abgeänderten Fassung stellt ein Gegengewicht zu den ursprünglichen Vorschlägen der Europäischen Kommission dar.
Dennoch sollten wir uns weiterhin dagegen aussprechen, dass Angehörige der Gesundheitsberufe dazu benutzt werden, ihren Patienten Broschüren und Informationen auszuhändigen, die von Pharmaunternehmen geliefert wurden, ohne dass sie von Gesundheitsbehörden geprüft wurden. In ähnlicher Weise werden wir uns gegen die Genehmigung industrieller Kampagnen, insbesondere Informationskampagnen, in Bezug auf Impfungen wehren.
Informationen dürfen von Pharmaunternehmen nicht einfach wahllos verbreitet werden. Die Erfahrung zeigt, dass wir sehr aufmerksam sein – und was mit dem Medikament Mediator geschehen ist, zeigt, wie aufmerksam wir sein müssen – und sicherstellen müssen, dass wir ein Gleichgewicht finden, was wir versucht haben, mit diesem Berichtsentwurf zu erreichen.
Antonyia Parvanova, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, im Namen des Schattenberichterstatters meiner Fraktion möchte ich Herrn Fjellner zu seiner großartigen Arbeit beglückwünschen.
Die ALDE-Fraktion begrüßt diesen Bericht, der endlich einen eindeutigen Rahmen für die Bereitstellung von Informationen über Arzneimittel für Patienten festlegt. Patienten müssen objektiv informiert werden und es muss eine klare Grenze zwischen Information und Werbung gezogen werden. Daher sollten Informationen über verschreibungspflichtige Medikamente streng geregelt sein.
Besondere Aufmerksamkeit wurde den neuen Medien gewidmet – vor allem Internet-Websites –, wobei eindeutige Schutzmaßnahmen festgelegt, Mechanismen zur Überwachung der Inhalte entwickelt und spezielle Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Umsetzung sichergestellt wurden.
Ich möchte auch eine persönliche Anmerkung in Bezug auf das Material machen, das Angehörigen von Gesundheitsberufen zur Verteilung an ihre Patienten zur Verfügung gestellt wird. Es gibt keinen objektiven Grund, dieses Material von der Regelung anderer Inhalte auszunehmen, insbesondere, wenn wir wissen, dass die Ärzte die Informationsquellen sind, denen Patienten am meisten Vertrauen schenken.
Ich werde daher persönlich gegen Änderungsantrag Nr. 88 stimmen, und ich hoffe, dass Geschlossenheit unsere Einstellung bei der Abstimmung leiten wird, um die wesentliche Verbesserung beizubehalten, die dieser Bericht dem Vorschlag der Kommission bringt.
Miroslav Ouzký, im Namen der ECR-Fraktion. – (CS) Herr Präsident, ich möchte damit beginnen hervorzuheben, dass dies einer der Berichte ist, die ich voll und ganz unterstütze. Ich habe mich während meiner ganzen Laufbahn dafür eingesetzt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger für die eigene Gesundheit verantwortlich ist, aber dies kann nur erfolgen, wenn die Menschen richtig informiert sind.
Wie Horst Schnellhardt hier bereits erwähnt hat, haben wir seit der letzten gesetzgebenden Sitzung für Fortschritt gekämpft, der über diesem Standard liegen soll. Diese ewigen Debatten über die Tatsache, dass wir nicht in der Lage sind, zwischen Werbung und Information zu unterscheiden, scheinen mir jetzt lächerlich, wenn Sie den Ausdruck bitte entschuldigen mögen. Wir können alle zwischen erforderlicher Information und aufgezwungener Information unterscheiden. Wir sollten die Tür für alle Informationen öffnen, die erforderlich sind. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass wir in einer globalisierten Welt leben und lassen Sie uns nicht die europäischen Bürgerinnen und Bürger zwingen, Informationen auf US-Websites zu suchen.
VORSITZ: ROBERTA ANGELILLI Vizepräsidentin
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Frau Präsidentin, wie auch Herr Ouzký habe auch ich meine berufliche Laufbahn als Arzt der Frage gewidmet, wie ich meine Patienten besser informieren kann. Es ist jedoch üblich, damit zu beginnen, die gute Arbeit des Berichterstatters zu loben, und das möchte ich gerne tun, wenngleich mit leiser Kritik, auf die ich später eingehen werde.
Als wir begonnen haben, über diesen Vorschlag zu verhandeln, waren wir nach der Wahl der neuen Kommission mit zwei Problemen konfrontiert. Erstens war das Thema einem neuen Kommissar übergeben worden, und zweitens standen wir der schwierigen Frage gegenüber, ob wir die begonnene Arbeit fortführen oder das bestehende Dokument beiseite legen und neu anfangen sollten.
Wie die meisten unter Ihnen und wie auch Herrn Kommissar Dalli stimmte ich der Aussage zu, dass der ursprüngliche Kommissionsvorschlag nicht gut war, da er den Bedürfnissen der Patienten und der Verbraucher nicht gerecht wurde. Wir wollten daher keine Zeit dadurch verlieren, gemeinsam weiter an dem alten Dokument zu arbeiten. Wir stimmten darin überein, die Werbekampagne zurückzuweisen, welche von den pharmazeutischen Unternehmen gestartet wurde. Wir schlossen Printmedien als Kommunikationsweg aus und waren uns darin einig, dass Patienten ein Recht darauf hätten, zu wissen, wer Informationen bereitstellt, und dass Unternehmen für all die Informationen, die sie verbreiten, verantwortlich seien.
Ich bin ziemlich überrascht, dass Herr Fjellner dem Plenum wieder einen Änderungsantrag vorlegt, den wir im Ausschuss abgelehnt haben und welcher einen Schritt zurück bedeuten würde, im Gegensatz zum geänderten Wortlaut des Vorschlages. Sollte ein solcher Vorschlag angenommen werden, fände ich es schwierig, für ein generell angemessenes Dokument zu stimmen.
Anna Rosbach, im Namen der EFD-Fraktion. – (DA) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich stimme dem Berichterstatter zu, dass der Schwerpunkt auf der Patientensicherheit und der Bereitstellung von Informationen für Patienten liegen sollte. Patienten, Krankenschwestern und Ärzte sollten allesamt Zugang zu bestmöglichen Informationen zu einem bestimmten Arzneimittel haben. Ärzte, mit denen ich spreche, wollen eine bessere Zugänglichkeit zu unparteiischen Informationen über Arzneimittel, sowohl für sich selbst als auch für Patienten und andere Angehörige der Gesundheitsberufe. Sie wollen auch, dass die Beschreibungen der Präparate standardisiert werden, da sie überwiegend das Internet benutzen, um Informationen zu den Wirkungen von Arzneimitteln zu finden. Hier vergleichen sie die Wirkstoffe derselben Medizin verschiedener Unternehmen im In- und Ausland. Für pharmazeutische Unternehmen ist es daher äußerst wichtig, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind, wie auch der Bedeutung des Erfordernisses, dass ihre Informationen sachlich richtig und fachlich korrekt sind und nicht als Werbung ausgelegt werden. Pharmazeutische Unternehmen müssen ihre Produkte verkaufen, das wissen wir, aber tatsächlich steigert Verantwortlichkeit das Vertrauen der Verbraucher in ein Präparat.
Franz Obermayr (NI). - Frau Präsidentin! Im Zentrum steht das Wohl des Patienten. Um sich richtig abzusichern, nehmen Pharmakonzerne oft jede geringe Nebenwirkung in Packungsbeilagen auf, was natürlich die Sache sehr kompliziert. Komplizierte Patienten neigen dazu, die Dosis eigenmächtig zu ändern und auch die Medikamente abzusetzen.
Auch die Flut von mehr oder weniger seriösen Informationen über das Internet trägt maßgeblich zur Verwirrung und Verunsicherung bei. Zertifizierte Websites sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht ausreichend. Vorrangig ist zudem die Verständlichkeit der Information, auch ohne Medizin- und Pharmastudium. Die Beilage muss erkennbar und lesbar sein. Vor allem für ältere Menschen sollte die Schriftgröße erhöht werden.
Leider muss man sagen, dass das hohe Schutzniveau des europäischen Arzneimittelsektors in Drittländern ausgehebelt wird. So findet man Originale aber auch Fälschungen in türkischen Bazars in Mengen, und sie sind frei erhältlich. Das ist natürlich auch eine Forderung, dass man diese Drittländer in die Pflicht nimmt, um diesen Schwarzhandel gänzlich zu unterbinden.
Salvatore Tatarella (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Richtlinie, über die wir diskutieren, sieht vor, den Inhalt und die Qualität pharmazeutischer Informationen, welche allen Bürgerinnen und Bürgern der Union zugänglich ist, zu harmonisieren. Während die Richtlinie das Recht betont, zu werben, macht sie letztendlich das Recht des Patienten auf Informationen geltend. Wir müssen allen europäischen Bürgerinnen und Bürgern dieselbe Möglichkeit geben, auf Informationen zu Arzneimitteln zuzugreifen.
Das Hauptziel dieser Richtlinie besteht darin, europäische Patienten umfassender zu informieren, sodass sie eine sachkundigere Herangehensweise an den Tag legen können. Jeder von uns, und insbesondere die pharmazeutische Industrie, muss dasselbe Ziel verfolgen, welches darin besteht, präzise und nützliche Informationen bereitzustellen, die gleichzeitig allen Bürgerinnen und Bürgern ohne Unterscheidung zur Verfügung stehen.
Ich denke, dass in der Richtlinie zwei besonders wichtige Punkte enthalten sind. Erstens muss den Bürgerinnen und Bürgern mittels genauer Informationen die Möglichkeit gegeben werden, Medikamente korrekt anzuwenden, sodass diese eine positivere Auswirkung auf ihre Gesundheit haben, während die Risiken, die mit ihrem Missbrauch verbunden sind, minimiert werden. Zweitens können genaue und wirksame Informationen das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Belastung der öffentlichen Hand durch pharmazeutische Kosten erhöhen.
In jedem Falle müssen wir in einigen Punkten sehr aufmerksam und sehr genau sein. Ich beziehe mich vor allem auf die Gefahr, die darin besteht, dass medizinische Informationen zum Zwecke verdeckter Werbung missbräuchlich verwendet werden. Wir müssen das Risiko vermeiden, dass Informationen, die vermeintlich wissenschaftlicher Natur sind, die viel weniger noble Absicht verschleiern, Patienten zu beeinflussen und sie dazu zu bringen, ein bestimmtes Medikament zu kaufen. Es ist daher entscheidend, über wirksame Instrumente zu verfügen, um die Informationen zu kontrollieren – insbesondere die Informationen, die Patienten über das Internet bereitgestellt werden.
Daher hoffe ich, so mein Fazit, dass der Ausschuss Möglichkeiten schaffen wird, die Informationen so zu kontrollieren, dass deren Genauigkeit gewährleistet wird. Mit diesen Kontrollen sollten engagierte unabhängige Organisationen betraut werden, um eine größere Objektivität zu gewährleisten.
Karin Kadenbach (S&D). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kommissar Dalli hat in seinem Hearing selbst gesagt, wir müssen uns am Patienten orientieren. Auch wenn der ursprüngliche Kommissionsvorschlag noch eher den Markt im Mittelpunkt hatte, ist es nun doch gelungen, mit einer ganzen Reihe von Änderungsanträgen, die mit großer Mehrheit angenommen wurden, den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken und so dem Einsatz von Kommissar Dalli Rechnung zu tragen. Das Recht der Patienten auf hochwertige und nichtwerbende Informationen über den Nutzen und die Risiken verschreibungspflichtiger Medikamente war dringend notwendig. Wir brauchen diese Regelung. Ich komme selbst aus der Werbung – ich bin Werbefachfrau und Öffentlichkeitsarbeiterin und ich weiß, dass Werbung ein Ziel hat: nämlich zu verkaufen. Wir aber haben die Aufgabe, zu informieren. Ich glaube, dass mit dem vorliegenden Bericht und mit den entsprechenden Änderungsanträgen
unserer Verantwortung, zu informieren, Rechnung getragen werden kann.
Herr Kommissar, ich ersuche Sie, nachdem die Medikamentenkosten einen Großteil der Krankenkosten ausmachen, dahingehend zu wirken, dass die Patienten gut aufgeklärt sind, und Ihr Vorhaben, Prävention und Gesundheitsförderung, weiter in den Mittelpunkt zu stellen und weiterzuverfolgen. Gemeinsam werden wir auch da erfolgreich sein.
Marina Yannakoudakis (ECR). – Frau Präsidentin, wie oft haben wir einen Informationsbedarf die Nebenwirkungen von Medikamenten betreffend, die wir einnehmen? Wie oft wünschen wir uns mehr Informationen zu Arzneimitteln und Krankheiten? Dieser Bericht setzt sich mit diesen Fragen und dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit auseinander.
Entscheidend ist die Verlagerung des Schwerpunkts der ursprünglichen Vorschläge des Rates sowie auch die Hervorhebung des Rechts der Patienten, auf Informationen zuzugreifen, gegenüber der Möglichkeit der Bereitstellung von Informationen durch pharmazeutische Unternehmen. Dies wird durch ein Verbot der Verbraucherdirektwerbung für verschreibungspflichtige Medikamente erreicht.
Zusätzlich ist die Anerkennung der zuständigen nationalen Behörde sowie der Angehörigen von Gesundheitsberufen als primäre Informationsquellen ein wichtiges Thema. Auch dies wurde festgelegt.
Die Richtlinie zur Patienteninformation sendet eine klare Botschaft zu Patientenrechten aus.
Ich beglückwünsche den Berichterstatter dazu, dass er sich mit einem schwierigen Dossier befasst hat und eine umfassende Richtlinie erarbeitet hat, die wir, wie ich hoffe, alle geschlossen unterstützen.
Radvilė Morkūnaitė-Mikulėnienė (PPE). – (LT) Frau Präsidentin, wir treten in der Europäischen Union für den Grundsatz der Sensibilisierung der Verbraucher ein, in diesem Falle der Sensibilisierung der Patienten, und wir streben an, dass Bürgerinnen und Bürger eine Mitverantwortung für ihre eigene Gesundheit übernehmen. Unsere Pflicht als Politiker ist es jedoch, Patienten vor unkorrekten und irreführenden Informationen zu schützen. Das tun wir heute.
Was den öffentlichen Zugang zu Informationen über Arzneimittel betrifft, ist die Situation innerhalb der Europäischen Union anscheinend unterschiedlich. Der Unterschied zwischen Information und Werbung wird immer weniger offensichtlich. Ich unterstütze daher die Position des Parlaments, welche auf eine klarere Definition von Information und Werbung abzielt. In Anbetracht der besonderen Bedürfnisse der Verbraucher ist es wichtig, dass Patienten verlässliche und objektive Informationen in ihrer Muttersprache erhalten, dass diese an die fachfremde Öffentlichkeit gerichtet, leicht verständlich und leicht zugänglich sind. Genauso wie Patienten müssen wir auch Ärzte vor verdeckter Werbung schützen, da die Beziehung zwischen beiden Seiten im Behandlungsverlauf besonders wichtig ist.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem Grenzen wegfallen und Informationen frei zirkulieren, so wie auch wir uns frei bewegen können. Daher müssen wir gewisse Vorsichtsmaßnahmen walten lassen, um das Wohlergehen europäischer Patienten sicherzustellen. Ich gratuliere daher dem Berichterstatter zu seiner ausgezeichneten Arbeit und hoffe, dass wir alle gesünder sein und einen leichteren Zugang zu Informationen haben werden.
Milan Cabrnoch (ECR). – (CS) Frau Präsidentin, die Arzneimittelrichtlinie ist seit fast 10 Jahren nicht geändert worden, und eine Revision dieser Richtlinie ist daher seit langem überfällig. Ich unterstütze voll und ganz die Tatsache, dass Patienten vollständig informiert und mit Ärzten zu gleichberechtigten Partnern werden, und dass Patienten mitentscheiden und auch einen Teil der Verantwortung für solche Entscheidungen übernehmen.
Die Zugänglichkeit zu Informationen wird zweifelsohne eine grundlegende Rolle in diesem Wandel spielen. Solche Informationen umfassen eindeutig Informationen zu Arzneimitteln, die verschreibungspflichtigen Arzneimittel mit eingeschlossen. Patienten sollten direkten Zugang zu Informationen über ein medizinisches Produkt haben, und nicht nur in gedruckter, sondern auch in elektronischer Form. Sie sollten Zugang zu Informationen haben, die unabhängig, objektiv, umfassend, zutreffend und in verständlicher Form und verständlicher Sprache verfügbar sind. Ich möchte gerne dem Berichterstatter für seine gute Arbeit danken. Ich unterstütze seinen Vorschlag.
Anja Weisgerber (PPE). - Frau Präsidentin! Vielen Dank an den Berichterstatter, Christofer Fjellner, und seine Schatten-Berichterstatter. Unter schwierigen Bedingungen und trotz extrem viel Gegenwind wurde wirklich ein sehr gutes Ergebnis mit diesem Bericht erzielt. Der Kommissionsvorschlag wurde erheblich verbessert. Es bleibt beim strengen Werbeverbot, es gibt keine Information im Radio, Fernsehen und in Zeitschriften, sondern die Informationen müssen die Patienten aktiv anfragen. Mein Leitbild ist der mündige Patient. Patienten wollen informiert werden, und ich möchte ihnen sehr gerne dabei helfen. Deswegen möchte ich auch, dass der Patient im Mittelpunkt der Informationen steht. Ich möchte mich auf zwei Kernpunkte konzentrieren. Ich selbst habe mich sehr stark auch im Binnenmarkt und im Gesundheitsausschuss für Gesundheitsportale im Internet und für ähnliche Informationen in Druckerzeugnissen ausgesprochen. Die Bürgerinnen und Bürger schauen oft ins Internet und finden dort oft schlechte und ungeprüfte Informationen. Darum müssen wir eine Alternative entgegensetzen: kontrollierte Informationen. Ein erster Erfolg war die Pharmakovigilanz. Wir haben dort Arzneimittelsicherheitsportale verabschiedet, wo die Beipackzettel und Informationen zu den Medikamenten enthalten sind. Ich möchte aber, Herr Kommissar, darüber gern hinausgehen und hätte gern umfassende Internetportale, die eben auch über Krankheiten, über Prävention informieren. Wenn ich den Herrn Kommissar richtig verstanden habe, unterstützt er das im Prinzip, sagt es aber vielleicht nicht in diesem Dossier. Ich würde hier gern eine klare Aussage des Kommissars hören, ob er dies mit unterstützen kann. Es wäre mir wirklich ein sehr, sehr wichtiges Anliegen.
Françoise Grossetête (PPE) . – (FR) Frau Präsidentin, ich möchte gerne unserem Berichterstatter Herrn Fjellner zu der hervorragenden Arbeit gratulieren, die er mehrere Monate lang zu diesen zwei Berichten geleistet hat. Ich sage dies insbesondere deshalb, weil wir Jahre auf diesen Text gewartet haben. Die ältesten Abgeordneten unter uns werden sich erinnern, dass wir damals, als die pharmazeutischen Rechtsvorschriften gerade revidiert wurden, über die Unterrichtung von Patienten im Hinblick auf Arzneimittel und Behandlungen sprechen wollten, aber dass es leider einige Unstimmigkeiten zu den Begrifflichkeiten Information und Werbung gab.
Heutzutage darf Information nicht als verdeckte Werbung gestattet werden, und tatsächlich liegt das Augenmerk in diesen Berichten nicht mehr auf dem Recht der Unternehmen, Informationen zu übermitteln, sondern auf dem Recht der Patienten, auf diese zuzugreifen. Die Grundlage ist daher eine völlig andere und deswegen stellen Patienten die Priorität dar. Außerdem sagen wir „nein“ zu nicht angeforderter Information, dies ist ein Schritt, der die Vertriebswege und somit die Risiken der Werbung reduziert.
Patienten werden selbst nach den von ihnen benötigten Informationen, die ihnen nicht über das Radio oder Fernsehen, Zeitungen oder Magazine aufzuzwingen sind, suchen. Dies macht den Unterschied der Information zur Werbung aus. Einige Informationen werden deswegen vorab geprüft werden müssen. Eine solche Vorabprüfung muss von nationalen Behörden durchgeführt werden, und sie muss die Erstellung von fachlichen und objektiven Webseiten sowie auch die Benutzung von spezifischen gedruckten Materialien, wie Kommissar Dalli erklärt hat, ermöglichen.
All die Bedingungen sind geschaffen worden, um hochwertige und objektive Informationen sicherzustellen, Informationen, auf welche die Patienten lange gewartet haben. Daher muss der Rat seiner Verantwortung voll und ganz gerecht werden und dem zustimmen, weil wir nicht erlauben können, dass einfach irgendwelche Informationen auf Webseiten zu finden sind. Wir haben 10 Jahre lang gewartet: 10 Jahre, bis der Rat seine Entscheidung getroffen hat.
Alajos Mészáros (PPE). – (HU)Frau Präsidentin, Herr Fjellner verdient auch ein Dankeschön für den Bericht, denn wir benötigen seit langem einen Vorschlag, um Patienten umfassendere und bessere Informationen über die ihnen verordneten und von ihnen angewandten verschreibungspflichtigen Arzneimittel bereitzustellen. Hochwertige Informationen sind von großer Bedeutung und tragen zu besseren Bedingungen in der medizinischen Versorgung bei. Wenn Patienten angemessen informiert werden, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie die erforderliche Behandlung annehmen und die im Rahmen ihrer Behandlung getroffenen Maßnahmen besser verstehen.
Was wir brauchen, ist nicht nur eine Harmonisierung der europäischen Regelungen. Wir müssen auch eine Verbesserung der Volksgesundheit durch die Bereitstellung korrekter Informationen sicherstellen. Pharmazeutische Unternehmen spielen diesbezüglich auch eine wichtige Rolle. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass aus der Werbung kein übermäßiger Verbrauch von Medikamenten resultiert.
In den Mitgliedsstaaten der EU bestehen heutzutage zahlreiche Probleme hinsichtlich der Bereitstellung von Informationen zu Arzneimitteln. In einigen Mitgliedstaaten haben Patienten Schwierigkeiten, selbst auf die grundlegendsten Informationen zu verschriebenen Medikamenten zuzugreifen. Dies schafft in der medizinischen Versorgung in der EU gravierende Ungleichgewichte. Zusätzlich zu Informationen, die im Internet verfügbar sind, müssen wir auch über traditionelle Kommunikationswege für Beratung sorgen. Unser Ziel ist jedoch nicht, sicherzustellen, dass pharmazeutische Unternehmen über das Recht verfügen, Informationen bereitzustellen, sondern Patienten die Möglichkeit zu geben, Informationen zu erhalten. Information und Werbung müssen wir voneinander trennen. Meiner Meinung nach ist die Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten auch wichtig, da die primäre Informationsquelle für den Patienten der Arzt sein muss, der die Medikamente verordnet. Andere Informationswege sollten nur dazu dienen, diese Informationen zu ergänzen.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Frau Präsidentin, ich beglückwünsche sehr den Berichterstatter zu seiner Arbeit zu Regelungen zur Verbesserung der Zugänglichkeit und der Wertigkeit von Informationen über Medikamente für europäische Patienten. Als Ärztin kann ich sagen, dass die Informationen auf Beipackzetteln zuverlässig und für Ärzte verständlich sind. Nun müssen die Informationen so verfasst werden, dass auch Laien sie verstehen. Aber wir streben auch an, irreführender Werbung im Internet ein Ende zu setzen, welche die Menschen dazu ermutigt, Produkte zu kaufen, die nicht nur die Patienten nicht heilen, sondern Ihnen sogar Schaden zufügen. E ist jedoch nicht einfach, Webinhalte in einem globalisierten digitalen Umfeld zu regulieren. Ich möchte gerne nochmals betonen, dass die Lösung darin besteht, schnellstmöglich den Vorschlag umzusetzen, Zuverlässigkeitsnoten für sichere Webseiten einzuführen. Erst dann wird es möglich sein, im Internet zuverlässige Inhalte zu Arzneimitteln sicherzustellen, unabhängig davon, wo auf der Welt der Betreiber der Webseite ansässig ist. So ein Vorhaben beinhaltet auch mein Bericht über das Vertrauen der Verbraucher in das digitale Umfeld.
Mario Pirillo (S&D). – (IT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, der heute zur Debatte stehende Bericht ist überaus wichtig, da er die Harmonisierung der europäischen Rechtsvorschriften zum Zugang zu Arzneimitteln ermöglicht, und vor allem, weil er sicherstellt, dass Patienten mehr Informationen über verschreibungspflichtige Medikamente erhalten.
Die Bekanntgabe dieser Informationen auf Webseiten muss transparent und unabhängig sein. Um das sicherzustellen, müssen Informationen durch die zuständigen nationalen oder europäischen Behörden geprüft werden, sodass verhindert wird, dass Informationen missbräuchlich als verdeckte Werbung von Arzneimitteln genutzt werden, etwa durch die Maßnahmen produzierender Unternehmen.
Abschließend fordere ich, dass auch den Informationen, die in Broschüren verschreibungspflichtiger Medikamente enthalten ist, dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet wird. In dieser Hinsicht würde ich befürworten, dass Ärzte oder Pharmazeuten diejenigen sind, die die Patienten mit detaillierten Informationen versorgen, um das erforderliche grundlegende Verständnis für die Verabreichung von Arzneimitteln sicherzustellen.
Oreste Rossi (EFD). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir glauben, dass die Verordnung positiv ist, da sie darauf abzielt, einen einheitlichen rechtlichen Rahmen hinsichtlich der Informationen zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu schaffen. Es handelt sich dabei um Informationen, die nicht Werbezwecken dienen und welche pharmazeutische Unternehmen der Öffentlichkeit mitteilen dürfen, wobei das Werbeverbot unverändert bleibt.
Der Antrag macht den Unterschied zwischen Werbung und Information deutlich. Der Bereitstellung von Informationen liegen die Grundsätze der aktiven Forschung zugrunde. Ärzte müssen auch weiterhin die Hauptinformationsquelle im Hinblick auf Arzneimittel sein. Andere Quellen, die als Ergänzung zu sehen sind und Zeitschriften und Zeitungen umfassen, sollten beibehalten werden.
Das Hauptaugenmerk gilt dem Recht des Patienten auf Informationen, mit aktiver Teilnahme von Organisationen, die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere Patienten, vertreten. Wir haben dafür gestimmt.
Mairead McGuinness (PPE). – Frau Präsidentin, wir hätten alle gerne, dass die Patienten die bestehenden Informationen nutzen, welche ihnen zugänglich sind. Wir müssen bei den Bürgerinnen und Bürgern ein Bewusstsein für die Nutzung der derzeit verfügbaren Informationen schaffen.
Ich unterstütze die Kolleginnen und Kollegen hier, die sagen, dass wir Arzneimittel nicht bewerben sollten, und würde den betroffenen Unternehmen sagen, dass die Bereitstellung hochwertiger Informationen für Verbraucher die beste Form der Werbung darstellt, denn wenn ein Arzneimittel bei den Bürgern anschlägt, dann ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass es dort angewandt wird, wo es notwendig ist. Selbstverständlich benötigen wir Allgemeinärzte, die medizinische und wissenschaftliche Informationen an ihre Patienten weitergeben. Dies geschieht oftmals nicht auf die bestmögliche Art und Weise.
Schließlich müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, wie Arzneimittel den Bürgerinnen und Bürgern verschiedener Altersgruppen bereitgestellt werden. Heutzutage werden sie verschrieben, und der Krankheitsfall wird ein Jahr lang nicht erneut geprüft. Das ist sehr gefährlich, und wir brauchen regelmäßig eine viel präzisere Beurteilung der Frage, wie Patienten versorgt werden. Anderenfalls werden wir medizinische Probleme haben.
John Dalli, Mitglied der Kommission. – Es ist in der Tat erfreulich, ein so positives Engagement bei einem so wichtigen Dossier zu sehen, wie auch die allgemeine Übereinstimmung, die hinsichtlich des Vertrauens besteht, welches in die Grundsätze und -konzepte als Grundlage dieses Vorschlags gesetzt wird.
Wie ich vorher bereits gesagt habe, war es sehr wichtig, dass wir den Schwerpunkt des ursprünglichen Vorschlages auf einen patientenorientierten Vorschlag verlagern, der auf der Perspektive des Patienten beruht.
Ich habe die Debatte im Parlament sehr gewissenhaft verfolgt. Ich habe mit vielen unter Ihnen gesprochen, um zu erfahren, worüber gesprochen wird, und ich glaube, dass das, was wir haben, ein – wie ich in meinen ursprünglichen Anmerkungen sagte – sehr positives Dokument ist, auf das wir nun setzen sollten, um zu einer endgültigen Einigung zu kommen.
Ich möchte gerne zwei kurze Anmerkungen zu Ihren Stellungnahmen machen. Hinsichtlich der Vorabkontrollen durch die Europäische Arzneimittelagentur, welche Herr Correia erwähnte, denke ich, dass 120 Tage etwas übertrieben sind und dass sich unser Vorschlag in der Größenordnung von 60 Tagen bewegen wird.
Das Internet ist eine gewaltige Aufgabe, und Webseiten zu kontrollieren, die Informationen für Patienten enthalten, ist von entscheidender Bedeutung – aber wir alle verstehen, dass das auch schwierig ist. Die Punkte, die Herr Buşoi und Frau Grossetête zu strikten Regelungen das Internet betreffend vorgebracht haben, sind sehr wichtig, und genau dies sollten wir in Zukunft entwickeln und umsetzen.
Die Anlaufstelle, welche der Arzt in seiner Beziehung mit dem Patienten weiterhin einnehmen muss, ist auch sehr wichtig, wie das Herr Schnellhardt und auch Herr Pargneaux und Frau Parvanova auf ihre Weise dargelegt haben.
Ich stimme der Aussage zu, dass Ärzte nicht durch die pharmazeutische Industrie instrumentalisiert werden sollten, aber andererseits sollte ein Arzt ein guter Mittler sein, durch den Informationen weitergegeben werden. Hier müssen wir sicherstellen, dass Informationen der Ärzte auch objektiv sein sollten, wie Frau Rosbach erklärt hat.
Mein letzter Punkt betrifft das umfassende Portal zu Krankheiten, welches von Frau Weisgerber erwähnt wurde. Ich muss sagen, dass dies bei den Medikamenten bereits durch die Rechtsvorschriften zur Pharmakoviliganz, welche wir vorschlagen, abgedeckt ist. Ein wenig schwieriger ist es im Falle der Krankheiten. Wir verfügen bereits über ein Portal zu seltenen Krankheiten, aber im Hinblick auf das gesamte Spektrum an Krankheiten haben wir inzwischen begonnen, uns mit dieser Thematik zu beschäftigen. Jedoch erweist es sich als eine sehr komplexe und, wie Sie sicherlich verstehen, sehr umfangreiche Aufgabe.
Ich möchte Ihnen also für die Arbeit danken, die zu diesem Dossier geleistet wurde. Ich möchte dem Berichterstatter und den Mitberichterstattern nochmals für ihre erbrachte Arbeit danken, und ich hoffe, wie ich bereits sagte, dass wir letztendlich ein Dokument haben werden, an dem wir weiter arbeiten können.
Stellungnahme der Kommission zu den Änderungsanträgen des Parlaments:
Christofer Fjellner, Berichterstatter. – (SV) Frau Präsidentin, ich freue mich, dass die Kommission ihre Stellungnahme damit begonnen hat, genau die Tatsache zu unterstreichen, dass der Zugang zu Informationen über Arzneimittel in Europa derzeit sehr stark variiert, da wir uns sehr bemüht haben, sicherzustellen, dass jeder einen guten Zugang hat und dass dieser Zugang harmonisiert wird. Gleichzeitig habe ich einen persönlichen Anspruch, der darin besteht, dass die Informationen in den einzelnen Ländern nicht schlechter oder dürftiger sein dürfen. Ich weiß, dass das etwas ist, worüber viele Menschen in einigen Ländern besorgt waren, dazu gehört Schweden, wo wir seit langem ein System namens Fass haben. Ich möchte jetzt diese Menschen direkt ansprechen und sagen, dass die Art und Weise, auf welche das Parlament hier abgestimmt hat, nicht nur bedeutet, dass es möglich ist, Fass beizubehalten, sondern dass es für andere Länder auch möglich ist, ähnliche Systeme einzuführen.
Im Übrigen sind die Regelungen in Europa heutzutage eher merkwürdig, insofern, als über verschreibungspflichtige Arzneimittel jede beliebige Information verbreitet werden kann, außer von denen, die diese Arzneimittel herstellen; mit anderen Worten, die Akteure, die am meisten über sie Bescheid wissen sollten. Ich freue mich daher, dass wir veranlasst haben, dass sie nicht nur das Recht, sondern tatsächlich die Pflicht haben, gewisse grundlegende Informationen zu verbreiten. Sie müssen auch ihren Beitrag leisten, denn letzten Endes sind sie diejenigen, die über einen Großteil der Informationen verfügen.
Dem Kommissar möchte ich einfach gerne sagen, dass ich mich sehr freue, dass Sie und ich anscheinend in allen Punkten, die für mich bei dieser Arbeit elementar sind, einer Meinung sind. Ich glaube, dass die Kommission und das Parlament nun hiermit eine Einigung erzielt haben. Dies setzt nun den Rat erheblich unter Druck, sich mit dieser Angelegenheit konstruktiv zu befassen und weiter an ihr zu arbeiten. Um ehrlich zu sein, selbst im Hinblick auf die im Vorschlag enthaltenen Punkte, zu welchen die Kommission erklärte, dass sie Einwände habe, würde ich behaupten, dass der Kern dessen, was wir erreichen wollen, sehr ähnlich ist, z.B. bezüglich des gedruckten Materials und der Möglichkeit, denjenigen Staaten zu helfen, die verfassungsrechtliche Probleme haben – darunter auch Schweden –, diese in den Vorschlag aufzunehmen.
Abschließend möchte ich einfach diejenigen Abgeordneten hier ansprechen, die nicht der Meinung sind, dass wir eine Ausnahme für Ärzte und die Informationen, welche die Ärzte bereitstellen sollen, machen sollten. Ich persönlich denke, dass ein Arzt, der einen von einem Unternehmen veröffentlichten klinischen Test einsieht, das Recht haben sollte, den Test an die Patienten weiterzuleiten, wenn der Arzt die Informationen als relevant erachtet, oder dass ein Arzt berechtigt sein sollte, einen Beipackzettel, der in einer Sprache abgefasst ist, die nicht zu den Amtssprachen der Mitgliedstaaten zählt, auszudrucken und an die Patienten weiterzugeben. In diesem Fall müssen wir jedoch dafür stimmen, dass der Arzt dies selbst entscheiden kann, und nicht dafür, dass diese Richtlinie regelt, was Ärzte den Patienten übermitteln oder an sie weiterleiten müssen. Die Verantwortung haben immer die Ärzte und wir sollten hier nicht regulierend eingreifen.
Die Präsidentin. – Die gemeinsame Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet am Mittwoch, den 24. November 2010 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
John Attard-Montalto (S&D), schriftlich. – Informationen über Verbrauchsgüter sind mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil. Informationen über Arzneimittel sind ein besonders heikles Thema. Es muss notwendigerweise zwischen Information und Werbung unterschieden werden, das ist sehr wichtig. Mit der Aussprache über diesen Bericht trifft das Europäische Parlament Sicherheitsvorkehrungen für Arzneimittel. Beispielsweise müssen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) Drucksachen 90 Tage im Voraus zur Begutachtung vorgelegt werden, bevor die Weiterleitung an den Verbraucher erfolgt. Ein hier nicht angesprochener wichtiger Punkt sind die Preisinformationen. Ich habe in dieser Legislaturperiode wiederholt auf die im Vergleich mit denselben Produkten anderenorts in der Europäischen Union hohen Preise für Arzneimittel auf Malta hingewiesen. Der Preisunterschied ist nicht etwa geringfügig, sondern unglaublich hoch. Manche Arzneimittel kosten auf Malta das Doppelte des europaweiten Preises und sogar noch mehr. Auf meine diesbezüglichen Anfragen an die Kommission erhielt ich stets die Antwort, diese Frage falle in die Zuständigkeit der nationalen Regierung. Ich vertrete nachdrücklich den Standpunkt, dass die EMA nicht nur, wenn es um Informationen über Arzneimittel geht, ein Schutzschild für die Verbraucher sein, sondern auch die Möglichkeit haben sollte, dann tätig zu werden, wenn Verbraucher offensichtlich zu hohe Preise für Arzneimittel zahlen müssen und ihre nationalen Regierungen nicht in der Lage sind, eine Lösung des Problems herbeizuführen.
Slavi Binev (NI), schriftlich. – Ich begrüße die Bestimmungen in dem Bericht zu Informationen über Arzneimittel, welche das Recht der Verbraucher auf Information hervorheben. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die von der EG im Rahmen der anstehenden Änderungen der Richtlinie über Tabakerzeugnisse auf den Weg gebrachte öffentliche Internet-Konsultation lenken. Diese Maßnahme ist zweifelsohne lobenswert und wird von mir unterstützt.
Mich würde jedoch der Standpunkt des Parlaments und des Rates interessieren, denn nachdem ich mich mit den Vorschlägen befasst habe, halte ich manche für extrem bzw. unvernünftig und bin in gewissem Maße sogar überrascht, dass sie als Diskussionsgrundlage aufgenommen wurden. Ich beziehe mich hier auf einige der vorgeschlagenen Optionen, wie etwas die Einführung einer vereinfachten, einheitlichen Verpackung ohne Insignien, ein Verbot der Auslage der Erzeugnisse für den Verkauf und das Verbot der Verwendung von Zusatzstoffen bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen.
Meiner Ansicht nach dürfen bei der Aufstellung neuer Verordnungen die wirklichen Gegebenheiten nicht außer Acht gelassen werden. Radikale Verbote und strenge Vorschriften für Tabak sind mit Vorsicht zu genießen. Dies ist ein wachsendes Problem und eine Diskussion über diesen Sachverhalt läge mir wirklich am Herzen. Die Kommission erarbeitet Vorschläge, aber ihre Vorlagen gereichen nicht immer zum Vorteil aller Mitgliedstaaten. Wir brauchen auf jeden Fall eine Aussprache zu diesem Thema!
Siiri Oviir (ALDE), schriftlich. – (ET) Ich heiße es gut, dass sich das Hauptaugenmerk der Richtlinie und der Verordnung infolge dieses Vorschlags von den Arzneimittelherstellern weg zu den Patienten hin verlagert hat. Es ist außerordentlich wichtig, das Bewusstsein der Patienten für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu schärfen, um eine übermäßige Einnahme von Arzneimitteln aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen zu verhindern. Leider ist für Arzneimittelhersteller intensive Lobbyarbeit einhergehend mit etlichen Vergünstigungen in vielen Mitgliedstaaten zur Regel geworden, wobei sich Letztere zweifelsohne auf die Entscheidungen von Ärzten auswirken. Es versteht sich von selbst, dass geschäftliche Interessen nicht immer zum Wohle des Patienten gereichen und daher sind die Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 notwendig, um einen eindeutigen Rahmen für die Aushändigung von Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel zu schaffen. Ein eindeutiger Rahmen würde einer vernünftigen Anwendung von Arzneimitteln dienlich sein und im Interesse der Patienten liegen. Sicherlich bedarf es einer schärferen Abgrenzung von Werbung und Information, auch wenn die unmittelbare Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimitteln gemäß den einschlägigen Vorschlägen untersagt bleiben wird.
Daciana Octavia Sârbu (S&D), schriftlich. – Der Umweltausschuss hat wichtige Verbesserungen zu dem Kommissionsvorschlag eingebracht, der in seiner ursprünglichen Fassung nicht alle Formen unmittelbarer Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel verhindert hätte. Verschreibungspflichtige Medikamente sind nicht mit gewöhnlichen Verbrauchsgütern vergleichbar. Sie sollten von klinischen Fachleuten bereitgestellt und nicht wie Autos oder Kosmetika vermarktet werden. Daher begrüße ich das fortgesetzte Verbot der Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Fernsehen, Radio und in den Printmedien. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe gelten weiterhin als die zuverlässigste Informationsquelle für Arzneimittel. Daher kann ich den von der Berichterstatterin vorgebrachten Änderungsantrag, den Angehörigen der Gesundheitsberufe die Möglichkeit zu geben, von den pharmazeutischen Unternehmen stammendes zusätzliches nicht genehmigtes Material direkt an die Patienten zu verteilen, nicht unterstützen. Dies würde eine eindeutige Werbemöglichkeit darstellen, was wir verhindern möchten und was mit unserer Haltung gegen eine sich unmittelbar an den Patienten richtende Werbung nicht vereinbar wäre. Eine solche Vorgehensweise ist besonders aus dem Grund unangemessen, da aus Sicht des Patienten das direkt von dem pharmazeutischen Unternehmen stammende Informationsmaterial durch den austeilenden Arzt legitimiert werden würde. Insgesamt bringt der Bericht im Vergleich zu dem Kommissionsvorschlag Verbesserungen für den Patienten mit sich, und wir sollten diese Verbesserungen nicht unterminieren, indem wird den Pharmaunternehmen die Möglichkeit geben, im Sprechzimmer der Ärzte unmittelbar Werbung an die Patienten zu richten.
18. Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt auf der Tagesordnung folgt der Bericht von Jill Evans im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Neufassung) (KOM(2008)0809 - C6-0471/2008– 2008/0240(COD)) (A7-0196/2010).
Jill Evans, Berichterstatterin. – Frau Präsidentin, zunächst möchte ich all meinen Kolleginnen und Kollegen danken, die diese Einigung in erster Lesung möglich gemacht haben – insbesondere natürlich allen Schattenberichterstattern, der Kommission und dem spanischen bzw. dem belgischen Ratsvorsitz, sowie dem Umweltausschuss und den Fraktionsmitarbeitern und Assistenten. Wir haben es geschafft, nach reichlich harter und doch konstruktiver Arbeit eine Einigung zu erzielen, was auch einige sehr schwierige Kompromisse mit sich gebracht hat.
Um diese Aussprache in den richtigen Zusammenhang zu bringen, schicke ich voraus, dass in der Europäischen Union jedes Jahr über 9 Millionen Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte verkauft werden. Hierbei handelt es sich mehrheitlich um große Haushaltsgeräte sowie IT- und Telekommunikationsgeräte. Angesichts der Tatsache, dass dieser Markt immer weiter wächst, haben wir es hier auch mit dem am schnellsten ansteigenden Abfallstrom in der EU zu tun, der bis 2020 schätzungsweise auf die überwältigende Zahl von 12,3 Mio. t ansteigen wird. Es geht um einen sehr komplexen Abfallstrom, der verschiedene gefährliche Stoffe beinhaltet.-
In der Hierarchie der Abfallbehandlung wird der Abfallvermeidung oberste Priorität eingeräumt, und dies bedeutet die Substitution gefährlicher Stoffe in Produkten, die ein Recycling verhindern oder bei der Abfallbehandlung eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellen. Laut Schätzung der Kommission hat die aktuelle RoHS-Richtlinie zu einer Verringerung der in den Abfallstrom eingehenden und möglicherweise in die Umwelt gelangenden Schwermetalle um 100 000 Tonnen und den Wegfall von zwei Gruppen bromierter Flammschutzmittel geführt. Mit der RoHS-Richtlinie wurde ein weltweiter Standard geschaffen, aber es bedurfte einer besseren Übersichtlichkeit, sodass uns mit dieser Neufassung die große Verantwortung oblag, die Annahme eines eindeutigeren und ehrgeizigeren Gesetzes sicherzustellen.
Meiner Ansicht nach haben wir die aktuelle Richtlinie in vielerlei Hinsicht verbessert. Ihr liegt nunmehr eine klare Methodik zugrunde, zusammen mit Kriterien für die Beschließung weiterer Beschränkungen in Ergänzung zu und unabhängig von der REACH-Verordnung. Abgesehen von den ausdrücklichen Ausnahmen wurde der Geltungsbereich auf alle Elektro- und Elektronikgeräte in einem Zeitrahmen von acht Jahren erweitert. Innerhalb von drei Jahren wird eine Revision hinsichtlich weiterer Ausnahmen stattfinden, einschließlich der Prüfung von drei vorrangig zu behandelnden Phthalaten und einem bromierten Flammschutzmittel. Zeitlich begrenzte Sonderregelungen können auf Grundlage eindeutiger Kriterien und Anwendungsfristen erteilt werden. Bei den zukünftigen Revisionen der Beschränkungen wird sich das Augenmerk insbesondere auf Nanomaterialien richten.
Angesichts meiner ehrgeizigen Bestrebungen in Bezug auf diesen Bericht wird es die Abgeordneten nicht wundern, dass mich das Endergebnis nicht vollständig zufrieden stellt. Ziel der RoHS-Richtlinie war es, gegen die besonderen Probleme eines bestimmten Abfallstroms vorzugehen und meiner Ansicht nach haben wir hier eine Gelegenheit verpasst, sie durch zusätzliche Beschränkungen maßgeblich weiter voranzubringen. Wir haben jedoch ihre Identität gewahrt und den Kommissionsvorschlag in vielerlei Hinsicht gestärkt.
Was die Entsprechungstabellen angeht, so unterstützt meine Fraktion deren zwingende Anwendung in den Mitgliedstaaten, aber hierbei handelt es sich um eine bereichsübergreifende Problematik, die alle europäischen Rechtsvorschriften betrifft und nicht allein in diesem einen Dossier behandelt werden kann. Um hier zu einer Lösungsfindung beizutragen, habe ich in Änderung 105 die Annahme einer Erklärung vorgeschlagen, in der die Kommission aufgefordert wird, über die gegenwärtige Praxis der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Entsprechungstabellen und die entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeit der Kommission zu berichten, statt auf vorgeschriebenen Entsprechungstabellen zu bestehen. So erhalten wir viel anschaulichere Informationen für die zukünftige Aussprache.
Alles in allem haben wir es geschafft, einen eher ungenauen und laschen Vorschlag zu einer neuen RoHS-Richtlinie auszubauen, die jetzt und in der nahen Zukunft einen höheren Schutz für die Gesundheit der Menschen und die Umwelt bieten wird.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, Herr Potočnik, der für dieses Dossier verantwortliche Kommissar ist mit mir zusammen hier anwesend, kann jedoch aufgrund von Halsbeschwerden leider nicht sprechen. Mir ist bekannt, dass er viel Zeit für die Arbeit an diesem Dossier aufgewendet hat, daher werde ich mein Bestes geben, um ihm eine Stimme zu verleihen.
Wir stehen kurz vor einer Einigung in erster Lesung über die Neufassung der Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten – die RoHS-Vereinbarung. Ohne die von dem Europäischen Parlament geleistete harte Arbeit an diesem wichtigen Dossier wären wir noch nicht so weit. Ich möchte der Berichterstatterin, Frau Jillian Evans, sowie dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit für die ausgezeichnete Arbeit an diesem Vorschlag danken und gratulieren.
Seit ihrer Verabschiedung 2003 hat sich die RoHS-Richtlinie als eine erfolgreiche Rechtsvorschrift erwiesen. Sie hat die Entsorgung und mögliche Freisetzung tausender Tonnen verbotener Stoffe in die Umwelt verhindert. Sie hat zu wichtigen Designänderungen bei Elektronikprodukten in der Europäischen Union und weltweit geführt. Andere Länder, darunter auch die Haupthandelspartner der EU, sind dem Beispiel der EU gefolgt und haben vergleichbare Rechtsvorschriften eingebracht.
Wir verbrauchen ungeheure und stetig ansteigende Mengen an Elektronikgeräten, die viele Metallrohstoffe enthalten. In einem Computer finden sich beispielsweise über 60 Rohstoffarten. Jeder EU-Bürger produziert durchschnittlich 25 kg Elektronikabfall pro Jahr. Mithilfe dieses Gesetzes wird das Verschwinden vieler gefährlicher Stoffe aus den Elektronikerzeugnissen sichergestellt und dafür gesorgt werden, dass dieser große Abfallstrom problemloser recycelt werden kann. Somit trägt dieses Gesetz auch zu mehr Rohstoffeffizienz in der EU gemäß unserer Strategie Europa 2020 bei.
Sowohl die Industrie als auch die Mitgliedstaaten haben jedoch über die Gefahr einer unzulänglichen bzw. unwirksamen Umsetzung und Durchsetzung der Richtlinie berichtet. Der Status Quo weist Mängel auf, nicht nur was den Umweltschutz angeht, sondern auch im Hinblick auf die Schaffung gleicher Bedingungen in der EU. Daher ist eine Verdeutlichung und Vereinfachung dieses Gesetzes wichtig. Das Hauptanliegen der Kommission besteht darin, eine Angleichung an die REACH-Verordnung sicherzustellen, ein wirklicher umwelttechnischer Nutzen ergibt sich jedoch nur dann, wenn ein Gesetz auf nationaler Ebene ordnungsgemäß umgesetzt und durchgesetzt wird. Ich hoffe, dass die Einführung der gemeinsamen Definitionen und Bewertungsinstrumente im Zusammenhang mit dem neuen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten in dem Gesetz diesen Punkt deutlich verbessern werden.
Zudem werden die umwelttechnischen Ziele der Richtlinie durch die Erweiterung der erfassten Produkte verbessert, zunächst durch die beiden neuen Kategorien – Medizinprodukte und Kontroll- und Überwachungsinstrumente – und in acht Jahren dann durch die Anwendung auf alle elektronischen Erzeugnisse. Hinzukommende Erweiterungen des Geltungsbereichs dieses Gesetzes werden den umwelttechnischen Nutzen weiter erhöhen, aber die Wirtschaftsbeteiligten sollten selbstverständlich ausreichend Zeit für eine Anpassung haben und sämtliche Änderungen des Geltungsbereichs sollten auf fundierten Informationen beruhen. Die Kommission wird daher die Änderungen des Geltungsbereichs, die noch keiner Folgenabschätzung unterzogen worden sind, im Hinblick auf das aktuelle Gesetz prüfen. Vor diesem Hintergrund möchte die Kommission diesen Punkt durch Abgabe zweier Erklärungen verdeutlichen.
Zunächst folgt die Kommission in Bezug auf den Geltungsbereich der Auslegung, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz1 Buchstabe a in einer Übergangszeit von acht Jahren dazu verpflichtet sind, die Bereitstellung nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2002/95/EG aufgenommener, aber unter die neue Richtlinie fallender Elektro- und Elektronikgeräte auf dem Markt zuzulassen.
Zweitens beabsichtigt die Kommission hinsichtlich der Revision laut Artikel 19, spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie eine sich auf die Änderungen des Geltungsbereichs konzentrierende Folgenabschätzung durchzuführen. Diese Revision kann dann zu einem Rechtsakt seitens der Kommission im Rahmen ihres durch die Verträge verliehenen Initiativrechts führen.
Zu den Nanomaterialien möchten wir ferner folgende Erklärungen abgeben. Wir halten fest, dass derzeit innerhalb der Kommission noch an einer gemeinsamen Definition in Bezug auf Nanomaterialien gearbeitet wird. Es ist unsere Absicht, bald eine Empfehlung für eine derartige gemeinsame, alle Legislativbereiche abdeckende Definition zu verabschieden. Die Kommission berücksichtigt, dass verschiedene Zustände derzeit verbotener Stoffe, darunter auch Nano- und die in Zukunft gemäß RoHS vorrangig einer Prüfung zu unterziehenen Formen unter die RoHS-Richtlinie fallen.
Schließlich bedauert die Kommission auch die fehlende Unterstützung für die in dem Kommissionsvorschlag enthaltene Bestimmung, die Erstellung von Entsprechungstabellen verpflichtend zu machen. Die Kommission hat akzeptiert, diese verpflichtende Bestimmung durch ein die Mitgliedstaaten zur Einhaltung der genannten Praxis aufforderndes Rubrum zu ersetzen, um eine Einigung in erster Lesung zu ermöglichen, aber sie hält fest, dass dies nicht als Präzedenzfall anzusehen ist. Wir werden hier weiterhin in dem Bestreben, eine horizontale Lösung für diese bereichsübergreifende institutionelle Frage zu finden, mit den Mitgesetzgebern zusammenarbeiten.
Die Kommission kann dem Kompromisspaket zustimmen, um eine Einigung über diese Richtlinie in erster Lesung zu erreichen. Ich möchte das Parlament auffordern, sich dieser Haltung anzuschließen.
Bogusław Sonik , im Namen der PPE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin, zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Evans, aufrichtig für Ihre ausgezeichnete Arbeit bei der Ausarbeitung des Berichts danken. Ohne ihr Engagement und ihre Entschlossenheit wäre die Erreichung eines Kompromisses zwischen den politischen Fraktionen und den Organen in erster Lesung unmöglich gewesen. Die RoHS-Richtlinie gehört zu denjenigen Rechtsakten, welche die Umwelt und nachhaltige Entwicklung auf eine Stufe mit dem durchgehenden Warenverkehr stellen. Die hier vorgenommenen Anstrengungen im Bereich Umweltschutz haben bisher zu einer spektakulären Festlegung von Grenzen für Schwermetalle in dem Abfallstrom der Elektro- und Elektronikgeräte und zu der Entstehung technologischer Neuerungen geführt.
Unser vornehmliches Ziel bei der Überarbeitung der RoHS-Richtlinie war die Erhöhung der Sicherheitsstandards für die in der Europäischen Union vertriebenen Elektrogeräte und elektronische Gadgets. Nach den neuen Regelungen müssen alle Elektro- und Elektronikgerätehersteller geprüfte und als unbedenklich für die Gesundheit des Menschen und die Umwelt eingestufte Stoffe verwenden. Der „offene“ Geltungsbereich der Richtlinie wird sich positiv auf die Harmonisierung des gemeinsamen Binnenmarktes und den Warenverkehr auswirken und europäischen Unternehmern Rechtssicherheit bieten.
Meiner Ansicht nach ist der ausgehandelte Kompromiss zu begrüßen, und er wird sich in umweltschutztechnischer Hinsicht und die Beseitigung giftiger Stoffe aus Geräten und Abfallprodukten betreffend positiv auswirken. Andererseits bietet die RoHS-Richtlinie in der geänderten Fassung der Industrie und den Unternehmern den notwendigen zeitlichen Rahmen für die Einführung von Änderungen und die Durchführung der erforderlichen Anpassungen. Der vorgeschlagenen Methodik zur Festlegung der in erster Linie für eine Revision vorgesehenen Stoffe liegt die REACH-Verordnung zugrunde, und sie trägt ebenfalls zu rechtlicher Kohärenz der Rechtsvorschriften der Europäischen Union bei.
Jo Leinen, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich hoffe, dass unser Kommissar seine Stimme wiederfindet, denn bei der Klimakonferenz in Cancún brauchen wir seine Stimme. Ich war schon überrascht, dass Frau Damanaki nach der Revision der Fischerei auch bei der Revision der Giftstoff-Richtlinie hier spricht. Danke, dass Sie einspringen.
Das Parlament hat nicht alles bekommen, was es wollte. Der Anhang 3 ist weggefallen, das tut uns weh. Aber wir behalten diese Stoffe im Blick, und bei der Revision in drei Jahren müssen Sie mit Ihren Folgenabschätzungen noch einmal vor dieses Haus treten und Stoff für Stoff nachweisen, welche Probleme dort bestehen. Wir haben auch eine ganze Menge Ausnahmen, fast wie ein Schweizer Käse. Hier muss man auch überprüfen, welche Lücken und Defizite es für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gibt. Ich sage nur einmal, die Solarpanele waren ja hoch umkämpft. Wir wollen Kadmium aus der Umwelt raushalten, aber mit diesen Panelen kommen 100 000 Tonnen Kadmium in die Umwelt. Man muss das genau beobachten.
Ich freue mich, dass uns die Kommission mit den vier Erklärungen entgegenkommt, und wir nehmen jetzt, was der Fortschritt 2010 möglich gemacht hat, und sehen uns bei der Revision in drei Jahren wieder. Danke natürlich an die Berichterstatter und Schattenberichterstatter.
Holger Krahmer, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Wir stehen heute bei dieser Richtlinie vor einer überraschend schnell zu Ende gekommenen Gesetzgebung. Ich bin sehr überrascht darüber, dass wir bereits einen Kompromiss gefunden haben, den ich und auch meine Fraktion – und das unterstreiche ich ausdrücklich – für tragbar halten. Letztendlich hat dieses Gesetzgebungswerk einen recht schwierigen Weg durch das Parlament hinter sich. Wir haben den Anwendungsbereich ausgeweitet, um ihn dann gleich wieder einzuschränken. Wir haben ganz nebenbei versucht, Substanzen als hochgefährlich zu erklären, bei denen man sich fragen muss, ob sie wirklich in einer solchen Gesetzgebung diskutiert werden sollten. PVC und Nanomaterialien unter einer Richtlinie namens „hazardous substances“ zu subsummieren, war glaube ich, keine so gute Idee. Ich halte es deshalb für sinnvoll, dass das in dem Kompromiss so nicht mehr steht.
Mein Vorredner hat es gerade schon gesagt: Es ist schon eigenartig, dass wir uns sonst hier über jedes Gramm Gift sehr intensiv Gedanken machen und teilweise sehr irrational diskutieren. Aber offensichtlich gibt es Branchen in Europa, um die wir einen politischen Naturschutzzaun ziehen. Das scheint bei der im Bereich erneuerbare Energie tätigen Wirtschaft der Fall zu sein. Es ist kaum nachvollziehbar, dass wir sie einfach mit einem Fingerschnipp komplett aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes herausnehmen, frei nach dem Motto: Für den Klimaschutz und die Ziele im Bereich erneuerbare Energie müssen wir Gift in unserer Umwelt in Kauf nehmen. Das passt nicht zusammen.
Ich hoffe nur, dass wir das beim Elektronikschrott – auch die Entscheidung steht hier an – in dieser Form nicht wiederholen, denn dort wäre es noch eklatanter.
Julie Girling, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, ich möchte mich den Danksagungen an die Berichterstatterin und ihre Mitarbeiter anschließen. Wir haben nach langwierigen Verhandlungen einen Kompromiss gefunden, dem meine Fraktion beipflichten kann.
Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, bestimmte Themenbereiche anzusprechen. Ziel der Neufassung war eine Verbesserung der Sachlage. Meiner Meinung nach ist dies per definitionem auch der Zweck einer Neufassung. Beabsichtigt war eine Vereinfachung der Voraussetzungen und Forderungen an die Hersteller. Wenn ich mir jetzt das Ergebnis ansehe, scheint es mir, als hätten wir in vielerlei Hinsicht ein Schritt vorwärts und zwei wieder zurück gemacht. Ich begrüße die Streichung von Anhang III, der gewissermaßen für viele Stoffe eine „schwarze Liste“ schuf, bedauere jedoch die gescheiterte Einigung betreffend die Verfügbarkeit als Kriterium. Dies bedarf umfangreicher Diskussionen.
Das zweite Ziel war die Schaffung von Rechtssicherheit. An dieser Stelle muss ich die Öffnung des Anwendungsbereichs erwähnen. Ich habe von Anfang an erklärt, dass hier Unsicherheit und Raum für neue Sonderregelungs- und Ausnahmeanträge geschaffen werden würde. Meiner Ansicht nach wäre vor unserer Zustimmung zumindest eine umfassende Folgenabschätzung seitens der Kommission erforderlich gewesen. Ich vertrete diese Meinung auch weiterhin, erkenne jedoch an, dass ich in dieser Auseinandersetzung nicht punkten konnte. Die jetzt in die Verordnungen eingebrachten Kontrollen und Gegenkontrollen werden meiner Ansicht eine Reihe von Herausforderungen für uns bereithalten, und ich begrüße die Verpflichtungserklärung der Kommission, sich nach deren Aufnahme damit zu befassen. Allerdings finde ich, dass hier ein Handeln im Vorfeld besser gewesen wäre. Ich frage mich, inwieweit die Öffnung des Anwendungsbereichs tatsächlich der Rechtssicherheit und Klarheit zuträglich ist.
Abschließend möchte ich auch auf die ganz reelle Gefahr einer Überregulierung eingehen. Mit unserer Zustimmung zu der Neufassung der RoHS-Richtlinie verfolgen wir de facto einen Doppelkurs der Verordnungen und EU-Zulassungen für chemische – gefährliche – Stoffe. Die REACH-Verordnungen sind etabliert und ihre Umsetzung entwickelt sich laut den kürzlich im Ausschuss getroffenen Aussagen zufrieden stellend. Wir werden in nicht allzu ferner Zukunft in den sauren Apfel beißen und dem REACH-Regelwerk wie geplant die vorrangige Stellung einräumen müssen. Ich begrüße die künftige Berücksichtigung dieses Punkts vonseiten der Kommission.
Sabine Wils, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Frau Präsidentin! Zuerst möchte ich der Berichterstatterin danken. Sie hat sehr gute Arbeit geleistet und das herausgeholt, was gegen den großen Widerstand des Rates und gegen die Mehrheit hier im Parlament möglich war. Ein wichtiger Erfolg der Neufassung ist der offene Geltungsbereich. Diese Herangehensweise ist vorbildlich, und ich bin froh, dass wir uns darauf einigen konnten. Negativ ist, dass die Liste der bisher verbotenen sechs Stoffe zum Beispiel nicht um chlorierte und bromierte Flammschutzmittel, Phtalate und PVC erweitert wurde. Obwohl die Gesundheitsgefährdung, die von diesen Stoffen ausgeht, hinreichend belegt ist, werden diese 2011 nicht verboten, wenn die Neufassung in Kraft ist.
Einige führende Elektronikhersteller bringen schon seit mehreren Jahren beispielsweise Handys, Fernseher und Laptops freiwillig ohne diese eben genannten Gifte auf den Markt, und das ohne große Kostensteigerung. Meine Damen und Herren, wir haben hier eine große Chance ausgelassen, die wachsende Elektro- und Elektronikindustrie ein bisschen umweltfreundlicher zu machen.
Führende Hersteller machen vor, wie es geht. Doch statt diese Hersteller mit guten Vorgaben zu unterstützen, läuft die EU der Entwicklung hinterher. Darunter leiden werden die Armen dieser Welt. Bei denen laden wir schließlich jedes Jahr viele Millionen Tonnen giftigen Elektroschrott ab. Die Armen können sich keine Lobbyisten in der Union leisten.
Oreste Rossi, im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben den Richtlinienvorschlag im Ausschuss abgelehnt, da die Berichterstatterin den Vorschlag der Kommission durch die Ausweitung des Geltungsbereichs radikal und in restriktiver Weise abgeändert hatte: mit dem Vorschlag eines stufenweise Ausschlusses weiterer 33 Stoffe in Anhang III, darunter bromierte und chlorierte Flammschutzmittel sowie PVC und dessen Zusatzstoffe; mit der Einschränkung der Möglichkeit, Sonderregelungen zu erwirken, und der Begrenzung der erforderlichen Anpassungszeit; und mit der Einführung restriktiver Regeln für Nanomaterialien.
Hätte das Parlament für diese nicht durch hinlängliche wissenschaftliche Beweise gestützte Entscheidung gestimmt, wäre der Wirtschaft ein sehr ernst zu nehmender Schaden mit weitreichenden Auswirkungen auf die Beschäftigungslage entstanden.
Glücklicherweise wurde mithilfe einer Reihe von Trilogen, an denen ich als Schattenberichterstatter teilgenommen habe, ein mehr als zufrieden stellender Kompromiss erreicht, einhergehend mit der Verpflichtung, innerhalb von drei Jahren ein Audit und eine mögliche Revision durchzuführen.
Die genaue Definition von Nanomaterialien stellt ein weiteres, komplexes Thema dar, dass fürs Erste ausgesetzt worden ist, bis die Kommission einen diesbezüglichen Vorschlag unterbreitet. Der aus den Trilogen heraus entstandene Text kann befürwortet und angenommen werden.
Anja Weisgerber (PPE). - Frau Präsidentin! Einen herzlichen Dank an die Berichterstatterin. Es handelt sich bei der Elektro-Richtlinie um ein doch sehr kontroverses Thema. Die Meinungen zu verschiedenen Aspekten gingen sehr weit auseinander. Deswegen freue ich mich über die Einigung und über das aus meiner Sicht gute Ergebnis der Trilogverhandlungen.
Auf zwei Punkte möchte ich noch einmal spezifisch eingehen. Das eine ist das Thema des Anwendungsbereichs. Für welche Geräte soll die Richtlinie eigentlich gelten? Man darf eines nicht vergessen: Ursprünglich war der Anwendungsbereich ausgelegt auf Haushaltsgeräte, auf die weißen Geräte. Der offene Anwendungsbereich nimmt jetzt viele Produktgruppen neu auf, darunter wären z.B. auch Technologien für erneuerbare Energien gewesen. Man muss sagen, dass die Zielrichtung der Richtlinie eigentlich eine andere war. Bei Haushaltsgeräten muss ich natürlich viel strengere und höhere Schutzstandards ansetzen als z.B. bei Technologien, die durch Fachpersonal wieder deinstalliert oder recycelt werden usw.
Deswegen habe ich mich wiederum für die Ausnahme der erneuerbaren Energien ausgesprochen. Ich war nicht für die Ausweitung des Anwendungsbereichs, habe aber dann gesehen, dass die Mehrheit in diese Richtung geht. Ich hätte es für kontraproduktiv gehalten, erneuerbare Energien hier in diese Richtlinie mit aufzunehmen. Das hätte zu einem Wettbewerbsnachteil geführt und deswegen halte ich das für die richtige Entscheidung. Noch ein Satz zum Anhang III: Ich hätte es für bedenklich gefunden, 37 weitere Stoffe als prioritäre Stoffe aufzunehmen, bei denen es aus gesundheitlichen Gründen nicht einmal wirklich gerechtfertigt ist, dass es am Ende zu einem Verbot kommen muss. Ich halte das für Panikmache, deswegen finde ich es richtig, dass man sich so entschieden hat, und ich freue mich auch an dieser Stelle über das Ergebnis.
Kathleen Van Brempt (S&D). – (NL) Frau Präsidentin, ich möchte zuerst der Berichterstatterin meinen Glückwunsch aussprechen. Frau Evans verfügt über eine bemerkenswerte Entschlossenheit, dank derer heute die Schließung eines Kompromisses möglich ist, den die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament (die S&D-Fraktion) befürworten kann. Ich sage „befürworten kann", denn es sind eine Reihe wichtiger Nachbesserungen an diesen sehr wichtigen Rechtsvorschriften vorgenommen worden. Diese Nachbesserungen beziehen sich auf die Ausweitung der offenen Geltungsbereiche, obwohl uns deren schnellere Einführung lieber gewesen wäre. Als sonstiges Ergebnis der Nachbesserungen ist die Richtlinie auch weiterhin eigenständig und unabhängig geblieben – unabhängig von der REACH-Verordnung –, wobei es selbstverständlich die erforderlichen Abstimmung zwischen den beiden Rechtsakten gibt. Drittens, und dies ist meiner Meinung nach außerordentlich wichtig, haben wir dank der Nachbesserungen eine gute Methodik festgelegt, über die das Parlament zähe Verhandlungen geführt hat und die sicherstellen dürfte, dass die Stoffe nochmals einer Revision unterzogen werden, damit wir Kenntnisse über ihre möglichen Auswirkungen erlangen. Darüber hinaus sind eine Reihe von Stoffen (HBCDD) aufgeführt – die ich hier auf meinem Blatt nachschauen muss –, eines der am gebräuchlichsten und hochgradig kontroversen bromierten Flammschutzmittel und drei nennenswerte Phthalate –, mit denen man sich vorrangig befassen sollte. Selbstverständlich werden auch Maßnahmen bezüglich der Nanomaterialien eingeleitet. Wir wären gerne noch viel weiter gegangen, aber wir freuen uns, dass die Kommission trotzdem eine Erklärung abgeben wird. Dies ist sehr wichtig. Wären wir gerne noch weiter gegangen? Ja, natürlich sind wir mit einigen Punkten unzufrieden. Natürlich hätte sich unsere Fraktion über das Verbot einiger zusätzlicher Stoffe, die Durchführung der Revision zu einem früheren Zeitpunkt und weniger Sonderregelungen gefreut. Was Letzteres angeht, muss ich jetzt wirklich noch mal kurz auf die Solarkollektoren eingehen. Die S&D-Fraktion war die einzige Fraktion, die sich bis zum Schluss der gänzlich falschen Vorstellung, Solarkollektoren sollten nicht in den Geltungsbereich fallen, widersetzt hat. Um dieses Thema herum hat sich eine besondere Lobby gebildet, und zwar völlig zu Unrecht meiner Ansicht nach, denn somit darf Kadmium, ein seit 2003 verbotener Stoff, für mindestens weitere zehn Jahre im Umlauf bleiben. Ich bedauere dies außerordentlich, zumal es hier um einen Sektor geht, der bei diesem Thema eine Führungsrolle übernehmen sollte. Trotz allem wird die S&D-Fraktion den Kompromiss gerne unterstützen. Ich hoffe nur, dass die Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie nicht das falsche Dossier vorliegen hat, denn ich habe keine nennenswerten Beiträge von ihr in den Trilogen registriert.
Horst Schnellhardt (PPE). - Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der Neufassung der Richtlinie sollte ein Beitrag dazu geleistet werden, den Schutz von Verbrauchern und Umwelt zu verbessern. Ich glaube, das haben wir erreicht, weil wir einen realistischen Rahmen gesetzt haben, einen Rahmen, der auf den tatsächlichen Risiken für Verbraucher und Umwelt beruht und den Unternehmen Rechtssicherheit für Investitionen und Innovationen gibt. Das ist sehr wichtig für kleine und mittlere Unternehmen, die ja auf bestimmten Ebenen forschen. Es ist auch beruhigend, dass wir uns bei diesem wichtigen Thema auf risikogerechte Vorgaben einigen konnten, und ich möchte mich auch in dieser Beziehung bei der Berichterstatterin und den Schattenberichterstattern bedanken.
Es wurde heute schon mehrmals angesprochen, dass man es bedauert, dass die Panele herausgenommen wurden. Meine Damen und Herren, es geht nicht um Cadmium, es geht hier um Cadmiumtellurid und es geht um Innovationen und Investitionen. Und das muss man eigentlich ein bisschen auseinanderhalten. Und hier geht es nicht um Elektrogeräte, sondern es geht um Geräte, die Strom erzeugen. Und das ist ein riesengroßer Unterschied. Da kann man nicht alles zusammenschmeißen und sagen: So, nun ist alles giftig, in meinem Baustein, in meinem Körper ist so viel Schwefel. Schwefel würde ich so eigentlich nicht aufnehmen wollen. Aber in einer chemischen Bindung sieht es nämlich ganz anders aus. Und deswegen bin ich auch froh, dass wir die Frage des PVC nun endlich der Vergangenheit angedeihen lassen. Die Unternehmen, die PVC herstellen, haben in den letzten Jahren viel geforscht. Man muss sich auch einmal mit den neuesten Entwicklungen vertraut machen, dann kann man auch erkennen, was geschehen ist auf der Welt, und muss nicht zehn Jahre alte Diskussionen wieder auflegen.
Ich bin zufrieden mit dem, was jetzt vorliegt. Wir können damit sicher sehr viel tun für Umwelt, Verbraucher und Innovationen.
Salvatore Tatarella (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in den letzen Jahren sind wir Zeuge beträchtlicher Anstrengungen seitens der Gemeinschaftsorgane in Bezug auf eine Gewährleistung, dass die Herstellung, der Gebrauch und die Entsorgung von Elektronikgütern mit einem besseren Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Menschen einhergehen, geworden.
Die RoHS-Richtlinie ist ein Kernelement dieser Politik. Die Einhaltung der Richtlinie stellt sicherlich eine Herausforderung und eine Last für Unternehmen, aber gleichzeitig auch eine Chance dar. Tatsächlich ist die Fähigkeit, weniger umweltbelastende Güter zu liefern, ein sehr wichtiges Alleinstellungsmerkmal für unsere Unternehmen, das als ein echter Wettbewerbsvorteil angesehen werden kann. Die Unternehmen dürfen die Verordnungen und Bestimmungen in der Richtlinie nicht bloß als Verpflichtungen ansehen, die zu ihrer Bestrafung ausgearbeitet wurden, sondern als eine Gelegenheit, die Geschäftsprozesse und Produktqualität zu verbessern.
Nichtsdestotrotz sind einige Sonderregelungen als notwendig erachtet worden – manche aufgrund der aktuellen schweren Wirtschaftskrise, andere, weil sie unter eine spätere und spezielle Richtlinie fallen. Dies trifft zu auf Nanomaterialien, die Raumfahrt- und Sicherheitsbranche, ortsfeste Anlagen, Transportmittel und selbstfahrende Maschinen, auf im menschlichen Körper implantierbare Medizinprodukte, Photovoltaikanlagen und für Forschungs- und Entwicklungsanwendungen vorgesehene Geräte.
Abschließend möchte ich die Gelegenheit ergreifen, meinem Wunsch nach mehr Übereinstimmung zwischen der RoHS-Richtlinie und der REACH-Verordnung bei gleichzeitiger Vermeidung von Unklarheiten oder Überlappungen Ausdruck zu verleihen, denn die Unternehmen und Beteiligten benötigen klare und eindeutige Regelungen.
Peter Jahr (PPE). - Frau Präsidentin! Ich denke, das Grundanliegen der Richtlinie ist zu unterstützen. Der Ausschuss ist am Ende seiner Verantwortung gerecht geworden und hat den Vorschlag der Kommission entscheidend verbessert. Trotzdem bleiben noch ein paar Dinge, die weiterhin diskutiert werden müssen.
Erstens, bei allem was wir tun, müssen wir auch die internationale Dimension beachten. Denn was nützt es, wenn die Europäische Union sauber bleibt, aber weiterhin Importe von Schadstoffen zugelassen werden.
Zweitens, auch der sogenannte Mittelstand, die kleinen und mittleren Unternehmen, müssen unsere Vorschriften und vor allem den damit verbundenen bürokratischen Aufwand verkraften.
Drittens, ich gehe fest davon aus, dass der eingeleitete Prozess ein dynamischer und kein statischer sein wird, und deshalb brauchen wir hier in dieser Problematik regelmäßig eine Wiedervorlage im Europäischen Parlament.
Karin Kadenbach (S&D). - Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, Herr Kommissar! Ich glaube, es ist zwar nur ein kleiner Schritt, aber es ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Die vorliegende Abänderung bringt es zumindest mit sich, dass alle – mit all den Ausnahmen – erfasst sind. Ich glaube, das ist auch als Orientierung für die Wirtschaft ganz wesentlich. Was mir aber bei der vorliegenden Richtlinie noch ganz besonders wichtig ist, ist die Information der Konsumentin und des Konsumenten. Ich glaube, es wird auch in Zukunft sehr wichtig sein, dass Konsumenten wissen, welche potentiellen Umweltgifte sie beim Kauf eines Elektronik- oder Elektroartikels mittransportieren. Denn nur dann wird gewährleistet sein, dass bei unserer nächsten Richtlinie, nämlich wenn es um die Entsorgung dieser Geräte geht, auch richtig gehandelt wird.
Es ist Aufgabe der Kommission und der Mitgliedstaaten, diese Information jetzt schon mitzuliefern, denn eine Übergangsfrist von acht Jahren ist doch ein sehr, sehr langer Zeitraum.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Frau Präsidentin, der Lebenszyklus von Elektro- und Elektronikgeräten verringert sich in den hoch entwickelten Industrieländern kontinuierlich. Daraus ergibt sich eine zunehmende Austauschrate für diese Geräte, was dazu führt, dass der Elektro- und Elektronikgeräteabfall zu einer immer größeren Belastung für die Umwelt wird.
Dabei handelt es sich um eine komplexe und sehr häufig gefährliche Stoffe enthaltende Form von Abfall, die derzeit noch nicht in zufrieden stellender Weise entsorgt werden kann. Daher ist es durchaus angebracht, über einen möglichen Austausch dieser Stoffe auf der Fertigungsstufe der Elektro- und Elektronikgeräte nachzudenken.
Nach Maßgabe der vorliegenden Informationen sollte unser Etappenziel insbesondere darin bestehen, unbedenkliche Ersatzstoffe für Halogen-Flammschutzmittel oder billiges und weit verbreitetes PVC zu finden. Insbesondere beim Thema PVC halte ich eine sehr sensible Herangehensweise für notwendig, um einen geeigneten Kompromiss zwischen den objektiven Anforderungen des Umweltschutzes und den Anliegen des verarbeitenden Sektors zu finden.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, ehrenwerte Parlamentarier, ich möchte der Berichterstatterin nochmals für ihre harte Arbeit danken, dank derer sich ein vom Parlament getragener Kompromiss abzeichnet. Dies ist sehr wichtig. Jetzt verfügen wir also über ein vom Parlament geschnürtes Regelpaket, durch welches die Mitgliedstaaten gewährleisten können, dass die auf die europäischen Märkte gebrachten Elektronikwaren frei von bestimmten gefährlichen Substanzen sind. Es hat sich bei dem Vorschlag um einen Kompromiss gehandelt und wir alle wissen, dass ein Kompromiss zu weiteren führt. Dies steht außer Frage und somit steht auch außer Frage, dass das Parlament, die Kommission und alle Betroffenen ein hohes Maß an Entgegenkommen unter Beweis gestellt haben. Als Ergebnis ist etwas herausgekommen, was für die Mehrheit von uns tragbar ist.
Die Kommission hat noch manches zu diesem Thema vorzubringen. In Bezug auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und Wirtschaftsbeteiligten innerhalb der achtjährigen Übergangszeit hätten wir den Kompromisstext und Geltungsbereich gerne klarer formuliert gesehen. Die von der Kommission zu dem Geltungsbereich abgegebenen Erklärungen skizzieren die Art und Weise, in der der Kompromisstext unserer Meinung nach hinsichtlich des Geltungsbereichs interpretiert werden sollte. Daher möchte ich sicherstellen, dass diese Erklärungen in den Parlamentsbericht aufgenommen werden. Dennoch nehmen wir unsere Verpflichtungen hinsichtlich der Durchführung einer Folgenabschätzung aller Änderungen des Geltungsbereichs im Vergleich mit der aktuellen Richtlinie sehr ernst und wir werden unsere Arbeit daran aufnehmen, sobald die Neufassung der Richtlinie in Kraft tritt.
Was die Durchsetzung angeht, werden die Bestimmungen zur Konformitätsbewertung und Kennzeichnung unserer Ansicht nach etwas bewirken, da sie klare Verpflichtungen in Bezug auf die Art und Weise festlegen, in der die Wirtschaftsbeteiligten die Richtlinienkonformität ihrer Produkte aufzeigen und die Mitgliedstaaten diese Konformität überprüfen sollen.
Unsere Arbeit ist also noch nicht getan. Ich möchte Ihnen allen für Ihre Beiträge und Vorschläge danken. Die Kommission wird ihnen Rechnung tragen.
Jill Evans, Berichterstatterin. – Frau Präsidentin, zunächst möchte ich all meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre Stellungnahmen danken. Jedem, der diese Aussprache verfolgt hat, wird klar sein, wie tief die Gräben zwischen den Fraktionen und wie schwierig der Prozess zuweilen gewesen ist. Wir genießen jedoch die Unterstützung aller Fraktionen und ich hoffe sehr bzw. vertraue darauf, dass sich dies in der Abstimmung am Mittwoch widerspiegeln wird.
Ich freue mich auch sehr über die Aussage, dass sich die Kommission dieser Richtlinie verpflichtet fühlt, denn die Zukunft der Richtlinie selbst wird im Falle einer Annahme des Textes am Mittwoch fast vollständig in den Händen der Kommission liegen. Wir werden keine weiteren Mitentscheidungsbefugnisse haben und die Prüfung des Geltungsbereichs bzw. der zukünftigen Beschränkungen würde dann fortan der Kommission obliegen. Daher möchte ich die Kommission dazu aufrufen, dieser Betrachtung der zukünftigen Beschränkungen Priorität einzuräumen, damit wir den sehr großen, der Gesundheit des Menschen und der Umwelt nach wie vor so viele Probleme bereitenden Abfallstrom noch weiter säubern können.
Laut den Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen heute Abend ist Vorbeugen besser als Heilen, und es gibt weitaus mehr problematische Stoffe als die gemäß der aktuellen RoHS-Richtlinie einer Beschränkung unterliegenden Schwermetalle und bromierten Flammschutzmittel. Vieles deutet bereits darauf hin, dass zukünftige Beschränkungen erforderlich sein werden.
Diese Aussprache ist selbstverständlich von vielen Personen, u.a. der Industrie und Nichtregierungsorganisationen, mit Interesse verfolgt worden. Meiner Ansicht nach sind wir den ursprünglichen Zielen der RoHS-Richtlinie mit diesem endgültigen Kompromiss treu geblieben und werden im Fall der Annahme durch das Parlament am Mittwoch über eine wirksamere Rechtsvorschrift verfügen.
Die Präsidentin. –Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet Mittwoch, den 24. November 2010 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Sergio Berlato (PPE), schriftlich. – (IT) Aktuellen Zahlen zufolge werden in der Europäischen Union jedes Jahr 9,3 Mio. Tonnen an Elektro- und Elektronikgeräten, worunter hauptsächlich Haushaltsgroßgeräte sowie IT- und Telekommunikationsgeräte fallen, verkauft. Durch das Marktwachstum und die Verkürzung der Innovationszyklen werden die Geräte schneller ersetzt, wodurch die Zahl der Elektro- und Elektronikaltgeräte steigt. Schätzungen zufolge wird die Menge dieser Altgeräte bis 2020 auf 12,3 Mio. Tonnen steigen.
Die im Jahr 2003 angenommene RoHS-Richtlinie verfolgte das Ziel, eine erste Reihe von gefährlichen Stoffen schrittweise zu beseitigen, und sie ermöglicht eine Verringerung der Menge der Stoffe, die beseitigt und potenziell in die Umwelt freigesetzt werden. Die Überprüfung dieser Richtlinie verfolgt das Ziel, strengere Vorschriften in Bezug auf die Beschränkungen für gefährliche Stoffe einzuführen. Ich bin der Überzeugung, dass das Kompromisspaket, das bei den langen Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Parlament erzielt worden ist, einen wichtigen Schritt hin zu einer größeren Klarheit und Vereinfachung dieser Richtlinie darstellt. Ein besonders wichtiger Aspekt der Verordnung ist, dass die Stoffe, die ohne wissenschaftlichen Nachweis verboten worden wären und dadurch zahlreiche auf diesem Markt tätige Unternehmen geschädigt worden wären, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind.
Elisabetta Gardini (PPE), schriftlich. – (IT) Angesichts der Bedeutung der Überprüfung dieser Richtlinie müssen wir bedenken, dass es ihr wichtigstes Ziel ist, strengere Bestimmungen für die Beschränkung des Einsatzes von gefährlichen Stoffen vorzusehen. Ich bin der Überzeugung, dass dieses Kompromisspaket einen bedeutenden Schritt hin zu einer größeren Klarheit und Vereinfachung der RoHS-Richtlinie darstellt. Von den vielen Aspekten, die zum Zweck der Regulierung berücksichtigt werden müssen, möchte ich insbesondere darauf verweisen, dass die Stoffe – wie PVC oder Nanomaterialien – deren Herstellung verboten worden wäre, von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen worden sind. Das Verbot wäre nicht bloß ohne einen objektiven wissenschaftlichen Nachweis erfolgt; es würde auch den technologischen Fortschritt in Verbindung mit der Herstellung dieser Materialien beeinträchtigen. Aus diesem Grund können wir insgesamt mit der ausgehandelten Vereinbarung zufrieden sein. Einerseits stärkt diese Vereinbarung den Umweltschutz, indem Stoffe, die auf der Grundlage verlässlicher wissenschaftlicher Untersuchungen als gefährlich erachtet werden, verboten werden; andererseits verhindert sie jedoch, dass andere Materialien, deren Risiken wissenschaftlich nicht nachgewiesen worden sind, zum Nachteil der Hersteller und der Forscher und vor allem zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher auf die schwarze Liste gesetzt werden.
Pavel Poc (S&D), schriftlich. – (CS) Der Einsatz von erneuerbaren Energien zielt darauf ab, etwas zum Umweltschutz beizutragen. Die Schaffung neuer Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit des Menschen steht in vollkommenem Widerspruch zu diesem Ziel. Die RoHS-Richtlinie und die Entschließung des Rates vom 28. Januar 1988 über ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch Cadmium richten sich hauptsächlich gegen den Einsatz von Cadmium, da Europa eine Region ist, die besonders durch dieses kumulativ Krebs erregende Gift gefährdet ist. Ich spreche mich vehement gegen Änderungsantrag Nr. 12 aus. Dieser Vorschlag nimmt photovoltaische Solarzellen von dem Anwendungsbereich der RoHS-Richtlinie aus. Diese Ausnahme hat jedoch leider nicht den Effekt, die Solartechnologie zu fördern. Tatsächlich legalisiert sie die Herstellung von Zellen auf der Grundlage von Cadmiumtellurid. CdTe-Zellen ermöglichen es den Herstellern, höhere Gewinne zu erzielen als bei Silikonzellen. Die Zustimmung zu diesem Vorschlag stellt somit eine Förderung der Herstellung von CdTe-Zellen auf Kosten der Silikonzellen dar, deren Rohstoffe unbegrenzt vorhanden sind und die keine giftigen Materialien enthalten. Die Situation ist sogar noch schwerwiegender. Denn wenn es für photovoltaische Zellen eine Ausnahme von der RoHS-Richtlinie gibt, wird es nicht möglich sein, die Entscheidung in ein paar Jahren zu prüfen und neu zu bewerten. Die Forschung in Bezug auf nicht giftige photovoltaische Technologien wird nur dann beschleunigt, wenn sich die Hersteller von Solarzellen jetzt, genau wie jeder andere, an die Anforderungen der RoHS-Richtlinie halten müssen.
Richard Seeber (PPE), schriftlich. – Die Überarbeitung der Richtlinie für die Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten stellt eine besondere Herausforderung dar. Allerdings ist eine Neufassung dringend erforderlich, um die Unsicherheiten im Geltungsbereich, die mangelnde Klarheit der rechtlichen Bestimmungen und Definitionen sowie die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und potenzielle Verfahrensüberschneidungen mit anderen EU-Rechtsakten wie z.B. REACH zu beseitigen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission war zu sehr auf Großunternehmen zugeschnitten. Die wirtschaftliche Kapazität der KMU wird in der jetzigen Fassung stärker berücksichtigt, sind die KMU doch schließlich das Rückgrat der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Außerdem wurden das Verfahren der Ausnahmeregelungen sowie die jeweiligen Fristen für eine Entscheidung der Kommission klar festgelegt. Hervorzuheben ist auch die festgelegte Überprüfung der Richtlinie binnen 10 Jahren, um eine Anpassung an technologische Fortschritte zu gewährleisten. Dabei müssen insbesondere Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Substitutionsprodukten sowie sozioökonomische Auswirkungen berücksichtigt werden.
19. Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll
Die Präsidentin. – Der nächste Punkt sind die einminütigen Ausführungen zu politisch wichtigen Fragen.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE). – (RO) Frau Präsidentin, ich möchte meine Sorge über die übertriebene Politisierung des rumänischen Beitritts zum Schengen-Raum zum Ausdruck bringen, die ich kürzlich festgestellt habe.
Ich empfinde es als ungerecht, dass Kriterien in Bezug auf die Reform des Justizsystems mit den Kriterien für den Beitritt zum Schengen-Raum verbunden werden. Rumänien ist bereit und erfüllt die fachlichen Voraussetzungen, die eigentlich die einzigen Kriterien darstellen sollten, die für die Bewertung zugrunde gelegt werden.
Rumänien ist und wird auch kein Exporteur von Kriminalität sein. Es kann nicht hinnehmen, dass einige Punkte, die insbesondere Immigrantengemeinschaften rumänischen Ursprungs betreffen, auf alle Rumänen angewendet werden sollten. Wir sind uns darüber bewusst, dass die Abstimmung im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im kommenden Frühjahr eine politische Abstimmung sein wird. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass diese Abstimmung auf der Grundlage einer objektiven und gerechten Bewertung und keinesfalls unter Berücksichtigung wahltaktischer Erwägungen durchgeführt werden muss.
Maria Eleni Koppa (S&D). – (EL) Frau Präsidentin, die neue strategische Doktrin der NATO, die auf dem Gipfel von Lissabon angenommen wurde, kündigt eine neue Ära bei den Anstrengungen der NATO an, sich neuen Herausforderungen zu stellen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die einzigartige Partnerschaft zwischen der NATO und der Europäischen Union sowie der Notwendigkeit einer geschlosseneren Herangehensweise in Bezug auf alle Aspekte der europäischen Sicherheit anzuerkennen. Jedenfalls muss die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen auf der Grundlage von Transparenz, Komplementarität und der Achtung der jeweiligen Unabhängigkeit erfolgen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir synergetisch agieren und Überschneidungen insbesondere im Hinblick auf politische Missionen vermeiden, da dadurch sowohl bei der EU als auch bei den Mitgliedstaaten der NATO Personal- und Energieressourcen verschwendet werden. Wenn wir effizient sein und Einsparungen vornehmen wollen, ist dies entscheidend.
Bei der Art der Organisation der institutionellen Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen und der Schaffung eines verlässlichen Konsultationsmechanismus, der die Mittel und Wege eines gemeinsamen Vorgehens umgehend definiert, handelt es sich um äußerst wichtige Fragen. Ich fordere eine tiefgehende Debatte zu diesem Thema.
Cristian Silviu Buşoi (ALDE) . – (RO) Frau Präsidentin, am 28. November werden in der Republik Moldau vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden.
Die Allianz für Europäische Integration ist seit gut einem Jahr an der Macht und bei der Reform der Gesellschaft und Wirtschaft der Republik Moldau sind beträchtliche Fortschritte erzielt worden.
Die Allianz für Europäische Integration hat zudem ihren aufrichtigen Wunsch erkennen lassen, einen Weg hin zu Europa einzuschlagen, von dem es kein Zurück gibt.
Angesichts dieser Anstrengungen und dieses Fortschritts hat die Europäische Union die Republik Moldau sowohl politisch als auch finanziell unterstützt und tut dies weiterhin.
Ich hoffe voll und ganz, dass die Wahlen am Sonntag ein für alle Mal den Weg der Republik Moldau hin zu vollkommener Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, einer effizienten Marktwirtschaft und schließlich hin zur europäischen Familie bestätigen werden, der die Republik Moldau, so hoffe ich, in naher Zukunft als eigenständiges Mitglied beitreten wird.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, ich möchte mich über das klägliche Verhalten seitens des Generalsekretariats des Ausschusses der Regionen in Bezug auf eine Fotografieausstellung beschweren, die von der Exil-Kommunalverwaltung von Girne, das derzeit von türkischen Truppen auf Zypern besetzt ist, organisiert wurde.
Die ausgestellten Fotografien zeigen die Zerstörung kirchlicher und weiterer Monumente, die Zeichen von Girnes dreitausendjähriger Geschichte sind. Diese Zerstörungen verfolgten einen offensichtlichen Zweck: die Beseitigung aller Beweise, dass diese Stadt von Menschen, die der griechischen Kultur und dem christlichen Glauben angehören, bewohnt wurde. Menschen, die gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben wurden, haben es geschafft, obwohl sie als Flüchtlinge entwurzelt sind, sich in Girne 36 Jahre später anzusiedeln.
Diese Ausstellung sollte von dem Generalsekretariat des Ausschusses der Regionen eröffnet werden, der schließlich unter dem Druck der türkischen Besatzungsmacht dort nicht erschienen ist, da sich die Ausstellung mit der türkischen Invasion Zyperns 1974 und der Zerstörung seines kulturellen Erbes durch die Invasionstruppen beschäftigt. Tatsächlich forderte das Generalsekretariat des Ausschusses der Regionen die Absage der Ausstellung. Ich verurteile dieses inakzeptable Verhalten.
John Bufton (EFD). – Frau Präsidentin, die Bürgschaft für Irland wird wahrscheinlich trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht die letzte im Euroraum sein. Obwohl die EWU von der Schuldenkrise geplagt wird, sind die Behörden eifrig dabei zu betonen, dass sich die Probleme Irlands von denen unterscheiden, die Griechenland vor sieben Monaten hatte.
Während es in Athen finanzpolitische Unverantwortlichkeit und Korruption im öffentlichen Sektor waren, wurden Dublins Schulden durch leichtsinnige Bankgeschäfte verursacht. Portugal scheint mit keinem dieser Dinge Schwierigkeiten zu haben, und es fällt ihm trotzdem schwer, den Kopf über Wasser zu halten, genau wie Spanien.
Was haben diese Länder gemeinsam? Die untaugliche Einheitswährung, die aufgrund idealistischer Ideologie und nicht aufgrund wirtschaftlicher Vernunft eingeführt wurde. Das alte Sprichwort, dass man nicht alles auf eine Karte setzen soll, bewahrheitet sich.
Welche europäischen Länder sind die wohlhabendsten? Das sind Norwegen und die Schweiz. Sie kontrollieren ihre eigenen Ressourcen und Volkswirtschaften und betreiben dennoch mit ihren EU-Nachbarn Handel, da sie wissen, dass sie ihre Netze auch andernorts auswerfen können, wenn das ganze Projekt durch die EU in Vergessenheit gerät.
Eine Rettung Portugals würde die gemeinsame Rechnung über die 300 Mrd. EUR-Marke bringen und damit das gesamte Kapital des Euro-Währungsgebiets erschöpfen. Die einzige verbliebene Möglichkeit ist wohl die „EU-thanasie“.
Martin Ehrenhauser (NI). - Frau Präsidentin! Auch ich möchte einige Worte zum Thema Irland sagen. Spiegel Online schreibt „Der keltische Tiger ist nun zum Pflegefall geworden“. Doch warum ist er zum Pflegefall geworden? Die Wurzeln der Finanzkrise liegen sicher im Geldsystem, also in der Art und Weise, wie Geld geschöpft wird. Hier werden von privaten Geschäftsbanken Unmengen an Geld in das System gepumpt. Das fördert Spekulationen, das fördert Inflation und schlussendlich führt es dazu, dass die Beteiligten massiv verschuldet werden. Wir haben also eine systemische Krise, und die werden wir nicht lösen, indem wir Milliarden in ein marodes Bankensystem investieren, auch nicht, wenn es über den Umweg der irischen Haushalte geht. Was wir brauchen, ist eine reelle Form des Geldschöpfungssystems. Wir müssen das Geldschöpfen wieder selbst in öffentliche Hand bringen. So könnten wir mehrstellige Milliardenbeträge wieder in europäische Haushalte fließen lassen, und auch eine öffentliche Geldschöpfung wäre kompatibel mit einer freien Marktwirtschaft. Doch für so massive Entscheidungen braucht es Mut in der Politik, braucht es Kraft in der Politik. Und es geht sicherlich nicht, dass man sich von den Banken an der Leine durch das Parlament zerren lässt.
László Tőkés (PPE). – (HU) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, meiner Meinung nach darf das Europäische Parlament den 95. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern in der Türkei nicht unerwähnt lassen. Entsprechend seiner Entscheidung vom 18. Juni 1987 muss das Europäische Parlament des Massakers an 1,5 bis 2,75 Mio. unschuldigen Zivilisten gedenken und ohne Vorbehalt die Massenverbrechen gegen die Menschlichkeit, die vom Osmanischen Reich 1915 gegen die armenische Minderheit und die christliche Gemeinde begangen worden sind, verurteilen und dabei dieselben Kriterien, die für den Holocaust und die kommunistischen Völkermorde gelten, zugrunde legen.
Bis heute haben insgesamt 22 Staaten die historische Tatsache des anti-armenischen Holocausts anerkannt. Es ist bedauerlich, dass der schriftliche Bericht von Morten Messerschmidt aus diesem Jahr zu diesem Thema schließlich nicht die notwendige Unterstützung erhalten hat. Ich schlage hiermit vor, dass Präsident Jerzy Buzek die Initiative ergreift, damit der armenische Völkermord von allen Mitgliedstaaten der EU einhellig anerkannt wird und dass die Leugnung dieser Tatsache eine strafbare Handlung darstellt und dass dieses Thema außerdem ein verbindlicher Punkt auf der Tagesordnung bei den Beitrittsgesprächen mit der Türkei wird.
Rovana Plumb (S&D). – (RO) Frau Präsidentin, einundneunzig Prozent der jungen Leute zwischen 18 und 27 Jahren glauben, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verschlechtert hat. Lediglich 33 % der jungen Leute wollen Rumänien nicht verlassen. Mit ihrer Politik der Kürzungen ermutigt die aktuelle Regierung in Bukarest die Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte ins Ausland.
Jeden Monat sehen wir, dass junge Leute, die von der rumänischen Regierung im Rahmen des von den Sozialdemokraten im Jahr 2004 eingeführten Programms eine Weiterbildung erhalten, von der Regierung entlassen werden oder keine Stelle für sie gefunden werden kann, obwohl sie über die erforderliche Erfahrung und den Wunsch verfügen, einen effektiven Beitrag zum System zu leisten.
Ich befürworte Arbeitsmarktmobilität, aber die Regierung in Bukarest muss neue Stellen schaffen, die auch von dem Fachwissen dieser jungen Leute profitieren werden.
Ich möchte den rumänischen Studentinnen und Studenten und den studentischen Vereinigungen wie der Liga der Rumänischen Studenten im Ausland unsere Unterstützung übermitteln.
Izaskun Bilbao Barandica (ALDE). – (ES) Frau Präsidentin, die Fangschiffe, die im Indischen Ozean fischen, leiden unter einer Welle von Piratenangriffen. In den vergangenen zwei Wochen fanden zehn Angriffe auf die Intertuna III, die Demiku, die Elai Alai, die Playa de Anzoras, die Albacan, die Erroxape, die Campolibre Alai und die Playa de Aritzatxu statt.
Die Angriffe geschehen immer weiter von der Küste entfernt, da die Piraten Schiffe einsetzen, die sie als Versorgungsboote gekapert haben, um ihre Logistik zu verbessern. Sogar mit privaten Sicherheitsdiensten sind diese Schiffe gefährdet. Sie teilen ihre Position mit und niemand fängt sie ab.
Da die EUNAVFOR bei keinem dieser Angriffe eingegriffen hat, muss die Koordinierung verbessert werden. Wir wissen nicht, wie sie auf diese Alarmrufe reagieren.
Die Entschließung, die wir im November vergangenen Jahres im Parlament angenommen haben, muss eingehalten werden und wir brauchen eine weitergehende Beteiligung der Vereinten Nationen. An der Operation Atalanta müssen mehr Länder beteiligt werden und es müssen ihr mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, und zudem muss es eine effektive Blockade der somalischen Küste und weitere Abkommen mit den Küstenstaaten über die Strafverfolgung der Piraten geben.
Die Piraterie hat Auswirkungen auf unsere Fischfang- und Handelsflotte sowie auf die Länder, mit denen wir Abkommen schließen, deren Entwicklung oder Ruin ebenfalls von der Sicherheit der Fischerei in diesem Gebiet abhängt.
Oreste Rossi (EFD). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte dem Parlament berichten, was im Hinblick auf die Ausstellung „Die Förderung der kulturellen Werte durch den Schutz des kulturellen Erbes des besetzten Zyperns“ geschehen ist, die der Ausschuss der Regionen vom 17. bis 26. November veranstaltet hat.
Am 17. November wies der Leiter der Abteilung Kommunikation, Wolfgang Petzold, die Aussteller an, die Ausstellung unverzüglich zu unterbrechen mit der Begründung, dass die Tafeln Bildunterschriften zeigten, die nicht denen entsprachen, auf die man sich geeinigt hatte.
Ich habe mir den Schriftverkehr einschließlich des Genehmigungsantrags zusenden lassen und ich habe belegen können, dass es keinen Unterschied zwischen dem gab, was die Behörde selbst genehmigt hatte, und dem, was ausgestellt wurde. Zudem hat sich herausgestellt, dass dem Kurator der Ausstellung von demselben Abteilungsleiter gesagt wurde, die Begriffe „Besatzung“ und „türkische Invasion“ zu entfernen. Ich habe den Abteilungsleiter mehrfach angerufen, um zu klären, was passiert ist, aber weder der besagte Leiter noch seine Mitarbeiter stimmten einem Gespräch mit mir zu. Ein paar Stunden, nachdem ich über diese Einzelheiten berichtet hatte, wurde die Ausstellung wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, meiner Ansicht nach ist das, was im Ausschuss der Regionen vorgefallen ist, ein ernsthafter Verstoß gegen die Rechte eines Mitgliedstaats der EU.
Corneliu Vadim Tudor (NI). – (RO) Frau Präsidentin, leider ist Rumänien zu Europas wildem Grenzland geworden. Schon unter der kommunistischen Diktatur waren die Dinge schlecht, aber unter der Mafia-Diktatur ist die Lage noch unendlich schlechter.
Die Haupttentakel des Mafia-„Oktopus“ sind das Justizsystem und die Polizei, die von der krebsgeschwürartigen Korruption befallen sind.
Die Täter, die in Rumänien seit Januar 1990 mehr als 5 000 Straftaten begangen haben, sind weiterhin unbekannt. Für die lokalen Unterweltbanden, die vom Justizsystem und der Polizei geschützt werden, ist Rumänien ein Paradies. Es ist jedoch auch eine Anlaufstelle für Pädophile, Hochstapler und die primitivsten ausländischen Agenten.
Es ist gut, dass die Berliner Mauer gefallen ist, aber es ist schlecht, dass sie uns, den Menschen in Osteuropa, auf den Kopf gefallen ist.
Im Dezember 1989 haben ein paar Abenteuerlustige Drakula aus seinem Schlaf erweckt. Und jetzt wissen wir nicht, wie wir ihn loswerden sollen.
Georgios Koumoutsakos (PPE). – (EL) Frau Präsidentin, seit kurzem breitet sich über Europa eine immer dichter werdende schwarze Wolke aus. Die Wahlerfolge der rechtsextremen fanatischen, ausländerfeindlichen und häufig rassistischen Fraktionen und Parteien markieren politische Veränderungen in zahlreichen Mitgliedstaaten, sogar Schweden. Über dieses Zeichen dürfen wir nicht hinwegsehen.
Die noch nie gesehene Wirtschaftskrise und das wachsende Immigrationsproblem vermischen sich und bilden einen Giftcocktail, der Extreme und Exzesse nährt. Dabei handelt es sich fraglos um ein äußerst komplexes Problem, das nur schwer zu lösen sein wird.
Somit haben die europäischen Mitte-Rechts- und sozialdemokratischen Parteien im Europäischen Parlament, die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und die Sozialisten eine ernsthafte Verantwortung und Aufgabe: die Wolke aufzulösen, bevor sie einen Sturm auslöst. Sie müssen das Potenzial für eine Einigung und Koordinierung ausschöpfen, damit wir wirksamer handeln können, um die spezifischen Probleme, wie die Immigration, anzugehen, für die es einer gemeinsamen Anstrengung bedarf. Hier im Europäischen Parlament müssen wir eine starke neue gemeinsame Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus im krisengebeutelten Europa ergreifen.
Alan Kelly (S&D). – Frau Präsidentin, als irischer Abgeordneter bin ich mir sehr darüber bewusst, dass die Augen Europas auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten meines Landes gerichtet sind. Die Krise in meinem Land wurde durch Gier – reine Gier – unter den Eliten aus Politik und Großkapital ausgelöst. Diese Menschen haben den von einer energetischen und innovativen Bevölkerung geschaffenen Wohlstand verschleudert und dafür müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Krise wurde jedoch auch durch eine lasche Regulierung des Bankensektors verursacht. Dieses Versagen reicht auch bis nach Europa. Es sei an die Stresstests für Banken im vergangenen Juli erinnert, als die Kommission die Zukunft genau der Banken in Irland effektiv abgesegnet hatte, die im Mittelpunkt der Krise stehen. Wie konnte dies geschehen? Ich bin sehr verärgert darüber, dass mein Land diesen Punkt erreicht hat – wirklich sehr wütend.
Ich begrüße die Solidarität, die unsere Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa insbesondere dadurch gezeigt haben, dass Finanzmittel zur Stabilisierung unserer Wirtschaft bereitgestellt wurden. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass wir an einem Scheideweg für die Zukunft der EU stehen. Irland ist eine sehr souveräne Nation und jegliche Diktate aus Europa über die irische Steuergesetzgebung würde, wie ich glaube, eine gefährliche Grenze überschreiten, wenn es um den Umgang mit kleineren Staaten in der Union geht.
Marian Harkin (ALDE). – Frau Präsidentin, auch ich möchte über die derzeitige Wirtschaftskrise sprechen, wenn auch aus einer anderen Perspektive. Heute haben wir gehört, wie Jean-Claude Trichet und Olli Rehn über die Notwendigkeit haushaltspolitischer Zurückhaltung sprechen und die Irland, Portugal und andere Länder dazu auffordern, sich an den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu halten.
Im Rahmen einer Eurobarometer-Umfrage, deren Ergebnisse heute veröffentlicht wurden, wurden über 27 000 Bürgerinnen und Bürger in der ganzen EU und 1 000 Bürgerinnen und Bürger in Irland über ihre Ansichten befragt, wie wir aus der Krise herauskommen können.
Ich konzentriere mich nur auf zwei Punkte: in einer Frage wurden die Bürgerinnen und Bürger gebeten, eine Rangfolge für die Möglichkeiten zu erstellen, wie wir schnell aus der Krise herauskommen können. Während 29 % der Bürgerinnen und Bürger der EU und ein Drittel der irischen Bürgerinnen und Bürger eine Senkung der öffentlichen Ausgaben befürworteten, sprachen sich zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger der EU und 57 % der irischen Bürgerinnen und Bürger als Erstes für eine Ankurbelung der Wirtschaft aus bzw. eine Kombination aus beidem.
Eine Frage in Bezug auf die politischen Prioritäten zeigte, dass über 50 % der Bürgerinnen und Bürger sowohl der EU als auch Irlands glauben, dass wir zunächst Armut und soziale Ausgrenzung bekämpfen sollten. Zwischen diesen beiden Ansichten gibt es also eine echte Divergenz. Wir gehen auf die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger nicht in angemessener Weise ein und ich denke, dass wir unsere Prioritäten überdenken sollten.
Gerard Batten (EFD). – Frau Präsidentin, morgen, am 23. November, ist der vierte Todestag von Alexander Litwinenko aus meinem Wahlkreis in London. Herr Litwinenko wurde von Elementen des russischen Staates im Rahmen von Staatsterrorismus ermordet. Die drei von der Stadtpolizei gesuchten Hauptverdächtigen – Andrei Lugowoi, Dimitri Kowtun und Wjatscheslaw Sokolenko – sind in Russland immer noch auf freiem Fuß. Währenddessen wird Herrn Litwinenkos ehrwürdiger Witwe, Marina, Gerechtigkeit verwehrt. Bisher ist kein Untersuchungsgericht einberufen worden, um den Tod zu untersuchen, so wie es die übliche Vorgehensweise bei einem solch grausamen Tod wäre.
Ich nutze daher diese Gelegenheit, um die britischen Behörden dazu aufzurufen, so bald wie möglich ein Untersuchungsgericht einzuberufen und öffentlich die Todesumstände und -ursachen bekannt zu geben und die in Verbindung mit den polizeilichen Untersuchungen wegen Mordes Gesuchten zu identifizieren.
Herr Litwinenko war ein britischer Bürger und wurde auf britischem Boden ermordet. Das ist das Mindeste, was er und seine Familie erwarten können und worauf sie ein Anrecht haben.
Anna Záborská (PPE). – (SK) Frau Präsidentin, vor einer Woche wurden die Berichte über das Beitrittsverfahren in den Balkanstaaten veröffentlicht. Es ist ungerecht, Bedingungen für den Start von Verhandlungen mit den Kandidatenländern für die EU-Mitgliedschaft festzulegen und dann nach deren Erfüllung keine Verhandlungen zu eröffnen. Warum behandeln wir Mazedonien nicht gerecht?
In Mazedonien haben die Reformen zu guten Ergebnissen geführt. Mehr als 80 % der Absolventen einer weiterführenden Schule in diesem Land gehen zur Universität. Sie lernen ab sechs Jahren Englisch.
Der Bericht der Kommission spricht von Fortschritten bei der Bekämpfung von Korruption, bei einer stabilen Regierung und bei einem politischen Dialog. Mazedonien erfüllt alle Kopenhagener Kriterien. Es verdient die Chance, Verhandlungen über eine Mitgliedschaft in der EU einzuleiten. Im Laufe des Verhandlungsverfahrens können wir auf die ungelösten Fragen eingehen. Ein Scheitern würde das Vertrauen in Europa untergraben.
Estelle Grelier (S&D) . – (FR) Frau Präsidentin, infolge der Sparpolitik der Regierung Cameron hat das Vereinigte Königreich gerade beschlossen, Finanzmittel für große Schleppschiffe zu streichen, die dazu dienen, Schiffen im Ärmelkanal zu helfen und sie zu retten. Die Entscheidung wurde einstimmig gefällt und wurde von Hafen-, Seefahrts-, Handels- und politischen Organisationen in diesem Bereich scharf kritisiert.
Der angekündigte Ausstieg des Vereinigten Königreichs könnte tragische Auswirkungen auf die Sicherheit des Seeverkehrs in diesem Sektor haben, der mit mehr als 250 000 Schiffen pro Jahr die geschäftigste Handelsroute der Welt ist. In den vergangenen 10 Jahren wurden dort fast 300 Zwischenfälle verzeichnet und Fachleute gehen davon aus, dass der Einsatz von leistungsstarken Bergungsschiffen verhindert hat, dass eine Reihe von diesen Zwischenfällen zu schweren Unfällen geworden sind.
Da die Sicherheit des Seeverkehrs die Sicherheit des Territoriums der EU und den Umweltschutz betrifft, liegt die Verantwortung für Abschleppung bei den Behörden, die dabei finanziell durch die Reeder unterstützt werden, und darf nicht zugunsten von privaten Abschleppunternehmen privatisiert werden.
Daher hat die Europäische Kommission die Pflicht, sich dieser Sache anzunehmen. Tatsächlich muss sich Europa die Mittel leisten, um die große integrierte Meerespolitik umzusetzen, die sie offiziell fordert.
Giommaria Uggias (ALDE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte Sie, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Verbände darauf hinweisen, dass wir die schriftliche Erklärung Nr. 0086/2010 eingereicht haben, in der der Schutz des Wassers als öffentliches Gut gefordert wird.
Wasser ist nicht nur ein Gemeingut, sondern ein universelles Menschenrecht, und die Verwaltung der Wasserversorgung als lokale öffentliche Dienstleistung ist die Grundlage guten staatlichen Handelns. Dies sind die Leitgrundsätze und dabei handelt es sich um die gleichen Grundsätze, die dazu geführt haben, dass tausende italienische Bürgerinnen und Bürger alle Forderungen nach einem Referendum unterstützt haben, um zu verhindern, dass der Öffentlichkeit ein primäres Gut entzogen wird.
Wir sind tatsächlich der Überzeugung, dass dieses Vorhaben nicht nur Sache derjenigen ist, die es vorgeschlagen haben, sondern dass dieser Kampf von allen ausgetragen werden muss. Um dies zu bekräftigen, sollte gesagt werden, dass diese Erklärung zusammen mit Abgeordneten aus der Fraktion der Grünen, der Allianz der Sozialisten und Demokraten und der Europäischen Linken eingebracht wurde und dass sie im ganzen Parlament große Unterstützung erfährt.
Das Ziel lautet, Unterschriften von wenigstens der Hälfte der Abgeordneten zu sammeln, damit die Erklärung die offizielle Haltung des Europäischen Parlaments wird und Wasser als Recht und nicht als Profitquelle geschützt wird.
Monica Luisa Macovei (PPE). – (RO) Frau Präsidentin, am Sonntag finden in der Republik Moldau vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die Wahlen finden zwischen demokratischen und kommunistischen Kräften statt.
Ein Sieg der demokratischen Kräfte, die derzeit in der Allianz für Europäische Integration zusammengefasst sind, gewährleistet die Fortsetzung der im letzten Jahr erreichten Fortschritte – Fortschritte in Richtung einer demokratischen Regierung, von Rechten und dem Wohl der Menschen. Die demokratischen Kräfte müssen sowohl vor als auch nach den Wahlen zusammenhalten.
Diese Wahlen am Sonntag müssen frei und gerecht sein und die Menschen müssen Zugang zu Informationen haben. Die gewalttätigen Ereignisse vom April 2009 dürfen sich nicht wiederholen. Demokratische Regierungen werden nicht durch Betrug, Gewalt oder Furcht gebildet.
Natürlich sind es die Bürgerinnen und Bürger der Republik Moldau, die am Sonntag wählen, und nicht wir. Wir in diesem Parlament unterstützen jedoch diejenigen, die einen demokratischen Umbruch bewirken. Ihnen gehört unsere Solidarität und Ermutigung.
Luis de Grandes Pascual (PPE). – (ES) Frau Präsidentin, vor kurzem wurde die Sayidat-al-Nejat-Kathedrale in Bagdad angegriffen, wobei 58 Menschen getötet wurden, hauptsächlich Frauen und Kinder, nur weil sie Christen waren. Al-Qaida hat voller Stolz die Verantwortung für diese Tat übernommen. Es handelt sich dabei nicht um einen Einzelfall, sondern um den Höhepunkt von Verfolgungen von und Angriffen auf Christen in Ländern mit einer muslimischen Mehrheit. In Marokko ist es zu Vertreibungen, in der Türkei zu Drohungen und in Indien und Nigeria zu Angriffen gekommen. Im Januar sind sechs Christen an der Pforte einer Kirche in Kairo massakriert worden. Wie lange werden sich die westlichen Demokratien noch mitschuldig machen, indem sie weiter schweigen?
Zum Glück hat Präsident Buzek eine Erklärung im Namen des Parlaments herausgegeben. Die Erklärung der Hohen Vertreterin, Baroness Ashton, in der der Angriff verurteilt wird, beschränkt sich darauf, einen terroristischen Akt zu verurteilen. Warum bleibt das Motiv unerwähnt, mit anderen Worten, die Tatsache, dass es sich um Christen handelte, was der eindeutige Grund für den Angriff war?
Ich habe dazu weder etwas von Herrn Zapatero noch von Ministerpräsident Erdogan gehört. Was ist der Sinn der Allianz der Zivilisationen? Ich schäme mich für unsere Einfältigkeit und Feigheit. Ich muss an die verstorbene, missverstandene Oriana Fallaci denken, die die Ankunft von Eurabien angekündigt hat und die für den Mut, das zu verurteilen, was in diesem neurotischen Europa vor sich geht, geradezu gesteinigt wurde.
Iliana Malinova Iotova (S&D). – (BG) Frau Präsidentin, Bildung und Wissenschaft sind die wichtigsten Ziele der wirtschaftlichen Strategie 2020. Ob dieses Programm nur auf dem Papier bestehen bleibt oder vor Ort in die Tat umgesetzt wird, hängt von uns ab. Um dies zu schaffen, müssen sowohl die europäischen Institutionen als auch die Mitgliedstaaten die Verantwortung dafür übernehmen. Stattdessen verfolgt die bulgarische Regierung eine Politik, die nicht nur der nationalen, sondern auch der europäischen Politik in Bezug auf wissenschaftliche Forschung und Bildung zuwiderläuft. Während Europa für Forschung und Entwicklung bis 2020 drei Prozent bereitstellt, kommt Bulgarien nur auf bescheidene 0,6 Prozent.
Nach einer Reihe fehlgeschlagener Lösungen soll die bulgarische Akademie der Wissenschaften, eine Einrichtung mit einer mehr als 140-jährigen Geschichte, die unter den rauen Bedingungen der osmanischen Herrschaft gegründet wurde und die für 55 Prozent der wissenschaftlichen Forschung in Bulgarien verantwortlich ist sowie auf der ganzen Welt anerkannt ist, aufgelöst werden. Sie hat über 30 Mio. EUR für über 400 erfolgreiche europäische Projekte erhalten.
Trotz ihrer Beteiligung an europäischen Institutionen auf politischer und Expertenebene begreift die bulgarische Regierung eindeutig nicht die Verbindung zwischen der Wissenschaft und der Überwindung der Krise. Dieses Thema muss im Rat und in der Kommission auf die Tagesordnung gesetzt werden. Es handelt sich dabei nicht nur um eine bulgarische Angelegenheit, da die Durchführung strategischer Programme und Umsetzung europäischer Prioritäten gefährdet wird.
Róża Gräfin von Thun und Hohenstein (PPE). – (PL) Frau Präsidentin, ich möchte Sie auf die unzureichenden öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission in Bezug auf die Richtlinie über verwaiste Werke aufmerksam machen. Bei verwaisten Werken handelt es sich um Werke, deren Rechteinhaber nicht ausfindig gemacht werden können.
In der vergangenen Woche habe ich eine Aussprache im Parlament zu diesem Thema organisiert. Sie hat gezeigt, wie viel Interesse es an diesem Bereich gibt und wie viele Fragen in Bezug auf die Richtlinie gestellt werden, an der die Kommission derzeit arbeitet. Dieses Verfahren ist jedoch immer noch undurchsichtig. Natürlich sollten die Fachleute und Vereinigungen, die direkt betroffen sind, wenigstens die Richtung kennen, in die die Arbeit geht. Etwa 40 % unserer künstlerischen Leistungen in Europa sind verwaist. Das Veröffentlichungsdatum der Richtlinie ist auf das erste Quartal des kommenden Jahres geändert worden, es gibt also noch genug Zeit für Konsultationen, wobei wir mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um unsere Bürgerinnen und Bürger, einschließlich der Fachleute, in das Gesetzgebungsverfahren miteinzubinden, damit es wirklich so gut wie möglich wird.
Matthias Groote (S&D). - Frau Präsidentin! Mitbestimmung und demokratische Teilhabe in Betrieben sind einige der Eckpfeiler für sozialen Frieden in der Europäischen Union. Seit genau einem Monat streiken Beschäftigte der Atlas-Werke in Ganderkesee, Delmenhorst und Vechta Tag und Nacht genau für diese Rechte. Die Beschäftigten streiken für die Sicherstellung eines Tarifvertrags, der den Erhalt von guten und sicheren Arbeitsplätzen ermöglicht. Leider gibt es von Seiten der Geschäftsleitung eine Totalverweigerung, mit der Industriegewerkschaft Metall und dem Betriebsrat hierüber zu verhandeln. Während des Arbeitskampfes wurden die Beschäftigten durch die Geschäftsleitung massiv eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. Ich appelliere an die Geschäftsleitung und namentlich an den Unternehmer, Herrn Filipov: Nehmen Sie die Verhandlungen auf, kehren Sie an den Verhandlungstisch zurück! Mitbestimmung und demokratische Teilhabe darf nicht am Werkstor enden. Ein Hire-and-Fire-System schafft Angst und bringt sozialen Unfrieden. Ein solches System darf es in Europa nicht geben. Es schadet unserer Demokratie!
Cristian Dan Preda (PPE) . – (FR) Frau Präsidentin, ich möchte als Leiter der Wahlbeobachtungskommission der Europäischen Union in Côte d’Ivoire ein paar Worte zu den Präsidentschaftswahlen in diesem Land sagen. Seit Anfang Oktober haben wir etwa 100 Beobachter aus 26 Ländern in ganz Côte d’Ivoire im Einsatz.
Die erste Runde verlief am 31. Oktober recht gut. Es kam weder zu Betrug noch Gewalt. Die Bekanntgabe der Ergebnisse fand leicht verzögert statt, aber insgesamt gab es keine großen Zwischenfälle.
Die zweite Runde ist für den nächsten Sonntag angesetzt. Sie verspricht, angespannter zu sein, da es bereits zu Zusammenstößen auf der Straße gekommen ist und der Ton des Wahlkampfs, auch gegenüber unseren Beobachtern, aggressiver geworden ist. Außerdem werden die Beobachter hin und wieder daran gehindert, ihre Arbeit in Bezug auf die Beobachtung der Vorbereitungen des Wahlkampfs zu tun. Die Gemüter müssen sich also wieder beruhigen, damit die Wahl normal stattfinden kann. Es ist äußerst wichtig, unsere Beobachter bis Sonntag und auch noch danach zu schützen.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
22. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im digitalen Zeitalter: Zukunft des dualen Systems (kurze Darstellung)
Die Präsidentin. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Ivo Belet im Namen des Ausschusses für Kultur und Bildung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter: die Zukunft des dualen Systems (2010/2028(INI)) (A7-0286/2010).
Ivo Belet, Berichterstatter. – (NL) Frau Präsidentin, guten Abend Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, die Entschließung, die hoffentlich hier am Donnerstag angenommen wird, sendet meiner Ansicht nach ein sehr wichtiges Signal, das zeigt, dass es in diesem Plenum sehr viel Unterstützung für unser typisches europäisches Medienmodell gibt, das sowohl kommerziellen Sendern auf der einen Seite als auch öffentlich-rechtlichen Sendern, das heißt öffentlich-rechtliche Medienunternehmen, auf der anderen Seite Freiraum lässt. Dieses Modell, Frau Präsidentin, ist typisch europäisch, da man es nicht, oder nur sehr selten, in den Vereinigten Staaten oder Japan, geschweige denn China, findet. In den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat sich erwiesen, dass das duale Medienmodell die besten Garantien für Medienpluralismus, die Unabhängigkeit von Leitartikeln und die Pressefreiheit insgesamt bietet. Dieses Modell steht in der Europäischen Union jedoch leider unter sehr großem Druck. Dieser Druck kommt aus verschiedenen Bereichen. Er entsteht durch die schwerwiegenden Einschneidungen, vor denen die zuständigen Behörden, sei es auf nationaler oder regionaler Ebene, stehen, aber es wird auch sehr viel Druck seitens der privaten Medienunternehmen auf die öffentlich-rechtlichen Sender ausgeübt. Sie sind der Ansicht, dass die öffentlich-rechtlichen Sender für unfairen Wettbewerb stehen, insbesondere im Internet. Infolge dieser Gesamtsituation haben die öffentlich-rechtlichen Sender in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union tatsächlich Schwierigkeiten, sich über Wasser zu halten. Dadurch wird das empfindliche Gleichgewicht des dualen Systems infrage gestellt, das somit gefährdet ist. Wir müssen alles Mögliche tun, um zu gewährleisten, dass unser europäisches Medienmodell in diesen turbulenten Zeiten intakt bleibt und dass wir es auch auf eine solide Grundlage für die Zukunft stellen. Zu diesem Zweck müssen eine Reihe von Eingriffen vorgenommen werden, welche bereits in der Entschließung formuliert worden sind. Der erste Punkt, auf den ich eingehen will, wobei ich mir nicht sicher bin, ob sich das Forum darüber bewusst ist, lautet, dass sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union einmal förmlich dazu verpflichtet haben, die Pressefreiheit im Rahmen des Europarates zu gewährleisten. Dazu gehört ein eindeutig festgelegter Aufgabenbereich für die öffentlich-rechtlichen Sender. Eine langfristige Finanzierung ist wichtig. Es ist an der Zeit, dass wir, als das Europäische Parlament, alle 27 Mitgliedstaaten daran erinnern, dass sie diese Verpflichtung damals eingegangen sind und dass sie sich auch daran halten müssen. Mein zweiter Punkt lautet, dass der Pluralismus in den Medien und die Pressefreiheit im Allgemeinen wesentliche Bestandteile unserer Demokratie sind. Darum wollen wir eine Beobachtungsstelle für Medienpluralismus einrichten. Dieses Instrument, Frau Kommissarin, wird auf Initiative der Kommission entwickelt. Es handelt sich dabei um ein sehr nützliches Instrument, das in einigen Mitgliedstaaten, in einigen Regionen, in denen die Medienvielfalt und der Medienpluralismus davon bedroht sind, unter Druck zu geraten, als Signal dienen kann. Zu guter Letzt denke ich, dass es die größte Herausforderung für alle Medien sein wird, sich selbst eine Online-Präsenz, einen digitalen Auftritt im Internet, zu sichern. Die wachsende Nervosität – oder man könnte sagen, die wachsende Feindseligkeit – hinsichtlich der Vorhaben der öffentlich-rechtlichen Sender in Bezug auf das Internet ist beunruhigend. Einige Menschen in der Politik, insbesondere in der nationalen Politik und auch in den Medien, scheinen zu vergessen, dass im vergangenen Jahr eindeutige Vereinbarungen über die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sendern getroffen worden sind, wobei es von entscheidender Bedeutung ist, dass diese eingehalten werden. Wenn wir dieser Argumentation folgen, Frau Präsidentin, denke ich, dass wir Modelle entwickeln müssen, die es Suchmaschinen und Internet-Dienstanbietern ermöglichen, ihren Teil beizutragen. Schließlich denke ich, dass wir es uns nicht leisten können, länger abseits zu stehen. Ansonsten werden wir irgendwann aufwachen und erleben, dass Google und YouTube sowie auch Apple unsere Medienlandschaft übernommen haben. Das wäre natürlich keinesfalls wünschenswert.
Miroslav Mikolášik (PPE). – (SK)Frau Präsidentin, in der Europäischen Union müssen Schritte ergriffen werden, um ein Gleichgewicht und eine Meinungspluralität zu gewährleisten, wozu eine Ausgewogenheit zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Medien auf dem Markt einen Beitrag leistet. Im Hinblick auf die Beibehaltung der kulturellen Vielfalt, der Freiheit der Meinungsäußerung und eines gesunden Wettbewerbs dürfen wir natürlich keine Einheitslösung wählen, weswegen wir die Anstrengungen der einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf das Thema des wachsenden Anteils der öffentlich-rechtlichen Medien auf nationaler Ebene respektieren müssen.
Meiner Meinung nach sollte auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Medien im Internet sowohl für nationale Strategien als auch für die europäische Medienpolitik in der nahen Zukunft eine Priorität sein. Es ist außerdem notwendig, interessierte Parteien zu einer kreativen Zusammenarbeit zu ermutigen, um die Qualität der auf dem Medienmarkt zur Verfügung gestellten Informationen zu verbessern und Innovationen auf diesem Sektor zu schaffen. Zum Schluss möchte ich sagen, dass die Medienpluralität und -freiheit ein Grundpfeiler der Demokratie sind.
Martin Ehrenhauser (NI). - Frau Präsidentin! Ich denke auch, dass das duale Mediensystem hier in Europa sicherlich ein Erfolgssystem sein kann und dass es wichtig ist, dass wir auf der einen Seite die öffentlich-rechtlichen und auf der anderen Seite die privaten Sender in einer freien Marktwirtschaft, in einem freien Wettbewerb haben. Doch die Realität ist leider etwas anders. Wir sehen vor allem im privaten Sektor, dass es hier eine massive Monopolisierungstendenz gibt. Hier müssen wir gegensteuern. Diese Tendenz ist vor allem auch deshalb so gefährlich, weil sie in wirtschaftlich stark angeschlagenen Zeiten passiert.
Auf der anderen Seite haben wir öffentlich-rechtliche Sender, die ihren öffentlichen Auftrag eigentlich nicht wahrnehmen, bei denen Parteiapparate und Parteisekretariate das Thema und den Inhalt der redaktionellen Beiträge bestimmen. Das kann natürlich so nicht funktionieren. Zum Beispiel ORF in Österreich kann ich nur sagen: Dieser agiert wie ein Beamtenapparat, aber sicherlich nicht im Sinne der Wirtschaftlichkeit. Medienfreiheit, Medienpluralismus oder Redaktionsfreiheit sind derzeit sicherlich nicht gegeben, zumindest nicht in einem solchen Ausmaß, wie sie gegeben sein sollte. Was kann die Europäische Union dagegen tun? Ich denke, das Frühwarnsystem zur Monopolisierungserkennung, das auch hier im Europäischen Parlament schon einmal vorgestellt wurde, ist sicherlich ein guter Ansatz dafür.
Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Frau Präsidentin, ich möchte noch zwei weitere Bemerkungen zu dieser Debatte machen. Die vor kurzem angenommene Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste verbessert die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden und bietet ein hohes Maß an Schutz für Kinder gegen ungeeignete Sendungen und ungeeignete Werbung. Die Mitgliedstaaten sind bei der Umsetzung jedoch nicht sehr diszipliniert. In meinem eigenen Land ist sie beispielsweise erst seit Juni in Kraft. Zudem ist die Harmonisierung der Urheberrechtsgesetzgebung noch unvollständig. Wir müssen es einerseits erleichtern, grenzüberschreitende Lizenzen für audiovisuelle Werke kollektiver Autorenschaft zu erhalten und andererseits die Archive audiovisueller Werke mit ungeklärtem Urheberrecht im Fall der so genannten verwaisten Werke zu öffnen. Ich habe erfahren, dass die Kommission im nächsten Jahr neue Rechtsvorschriften vorlegen wird, dabei jedoch beabsichtigt, die Rechtsvorschriften lediglich auf Musikwerke zu beschränken und audiovisuelle Werke nicht mit einzubeziehen. Daher fordere ich die Kommission auf zu erklären, ob sie diesen grundlegenden Fehler korrigieren wird oder ob wir ihn als Ausschussmitglieder korrigieren müssen. Artikel 33 des Berichts beschäftigt sich mit diesem Problem.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Frau Präsidentin, zunächst möchte ich die Anstrengungen des Berichterstatters in Bezug auf den Beginn einer Debatte im Europäischen Parlament über das Medienumfeld unterstützen. Ich halte dies für ein sehr sinnvolles Thema, insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung, einer Zeit, in der in diesem Umfeld revolutionäre Änderungen stattfinden.
Das Medienumfeld unterscheidet sich ganz klar zwischen den einzelnen Ländern. Es gibt Länder, in denen das Medienumfeld von den kommerziellen Medien dominiert wird und die öffentlich-rechtlichen Medien im Grunde eher im Hintergrund sind. Mancherorts sind die kommerziellen Medien schwächer oder aufgeteilt und zerstreut, damit sie keinen konzentrierten Druck oder ein konzentriertes Medienumfeld erzeugen, wobei die öffentlich-rechtlichen Medien dann eher in der Lage sind, mehr Informationen zu bieten und die öffentliche Meinung in größerem Ausmaß zu beeinflussen.
Wir sehen jedoch auf jeden Fall, dass die politischen Institutionen häufig insbesondere in die Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Medien eingreifen, so wie die Eigentümer in die Tätigkeiten der kommerziellen Medien eingreifen, wobei unsere Informationen und das öffentliche Bewusstsein dann erheblich beeinflusst werden.
Um Medienfreiheit, echte Freiheit, zu erreichen, die von Geld, sei es privates oder staatliches Geld, unabhängig ist, ist es notwendig, sich darum zu bemühen, dass die Journalisten frei sind und keiner Form von Kontrolle oder Selbstkontrolle unterworfen sind, die sie tatsächlich dazu zwingen würde, ihren Arbeitgebern gegenüber loyal zu sein. Meiner Meinung nach handelt es sich dabei um das größte Problem in den heutigen Medien und hierbei müssen wir in Zukunft Änderungen bewirken.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, die Kommission begrüßt den Bericht des Europäischen Parlaments mit dem Titel: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im digitalen Zeitalter: die Zukunft des dualen Systems“. Bei dem Bericht handelt es sich um einen sehr ausgewogenen Text, da er das bestehende duale System unterstützt, welches auf einem Nebeneinander des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des kommerziellen Rundfunks in Europa fußt. Wie die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste in einem Erwägungsgrund besagt, handelt es sich bei diesem Nebeneinander um eine Eigenschaft, die den audiovisuellen Medienmarkt von anderen unterscheidet, was der Bericht völlig anerkennt.
Das Protokoll über das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Mitgliedstaaten, das sich im Anhang der EU-Verträge befindet, erkennt die Freiheit der Mitgliedstaaten an, den Aufgabenbereich der öffentlichen Dienste zu definieren, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Finanzierung zu organisieren, insoweit diese Finanzierung keine Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen und den Wettbewerb in der Gemeinschaft hat. Somit bestimmen die Mitgliedstaaten die Form und die Bedingungen der Finanzierung ihrer öffentlich-rechtlichen Medien, insoweit die EU-Vorschriften in Bezug auf staatliche Beihilfen eingehalten werden.
Wir stimmen mit dem Haupttenor des Berichts überein, das heißt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Lage sein sollte, die Möglichkeiten zu nutzen, die die Digitalisierung und Diversifizierung der Vertriebsplattformen gemäß dem Grundsatz der technologischen Neutralität bieten. Dies wurde in der revidierten Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2009 zur Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestätigt. Insbesondere zu zwei Punkten des Berichts haben wir einige Anmerkungen vorgenommen.
Als Erstes gibt es im Hinblick auf die Überwachung der Standards des Europarates keine Verantwortung der EU für die politische Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien. Zudem können die Mitgliedstaaten der EU der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle ohne Zustimmung der Nicht-EU-Staaten kein Mandat erteilen. Das könnte auch die Kommission nicht.
Zweitens geht der Bericht davon aus, dass bestimmte Mitgliedstaaten keine Maßnahmen zur Förderung der europäischen Arbeit im Bereich des Rundfunks ergriffen haben. Das wird nicht durch die Zahlen aus dem jüngsten Bericht der Kommission über die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie gestützt. Dem Bericht zufolge leisten die Rundfunkanstalten hinsichtlich der Förderung der europäischen Programme sehr viel.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten in Bezug auf Innovation an vorderster Front stehen, die Entwicklung von neuen Formaten und die Qualität vorantreiben, sowohl im Hinblick auf das Programm selbst als auch die Technik betreffend, wenn sie mit den ausländischen Trends und Herausforderungen mithalten wollen. Es scheint, dass wir uns in diesen Punkten vollkommen einig sind, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Parlament hinsichtlich dieser Themen innerhalb des in den Verträgen festgeschriebenen Rechtsrahmens.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet am Donnerstag, den 25. November 2010 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Iosif Matula (PPE), schriftlich. – (RO) Während des stattfindenden Übergangs von analogem zu digitalem Fernsehen in Verbindung mit der steigenden Bedeutung der neuen Medien, einschließlich des 3D-Formats, müssen wir bei den Strategien, die wir entwickeln, eine Reihe von Faktoren berücksichtigen. Als Erstes glaube ich, dass es sinnvoll ist, dass wir Maßnahmen zur Vereinfachung des Übergangs zum digitalen System ergreifen und gleichzeitig die Möglichkeit in Betracht ziehen, Gutscheine oder andere Kompensationsmaßnahmen für die Öffentlichkeit anzubieten. Eine weitere wichtige Maßnahme wäre es, angesichts der Summen, die kontinuierlich für diesen Bereich von den privaten Medien bereitgestellt werden, Ausbildungsmaßnahmen für Journalisten und Manager des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu organisieren. Zudem denke ich, dass es lohnenswert ist, in Zukunft die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, einen europäischen öffentlich-rechtlichen Radiodienst einzurichten. Gleichzeitig denke ich, dass es sinnvoll wäre, wenn die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in den Mitgliedstaaten durch Programme von europäischem Interesse ihren Beitrag zu den Euronews-Kanälen leisten. Nicht nur in Anbetracht dessen, wie weit verbreitet die 3D-Produktionen sind, sondern auch angesichts der Warnungen von Ärzten in Bezug auf die Gesundheit der Zuschauer, fordere ich die Europäische Kommission auf, schnellstens eine Studie in Auftrag zu geben, die die möglichen Risiken in Betracht zieht, die das 3D-Fernsehen unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten für die Gesundheit der Europäer darstellen kann.
Emil Stoyanov (PPE), schriftlich. – (BG) Zunächst möchte ich Ivo Belet zu seinem hervorragenden Bericht zu diesem höchst wichtigem Thema gratulieren. Außerdem möchte ich ihm dafür danken, dass er meine Gedanken und Vorschläge dazu akzeptiert hat. Ich bin der Überzeugung, dass wir einen sehr ausgewogenen Bericht verfasst haben, mit dem ein fairer Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien gewährleistet wird.
Aufgrund einer langen Tradition unterstützen nationale Haushalte, d. h. der Steuerzahler, die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender anhand der Annahme, dass öffentlich-rechtliche Fernsehsender nur dazu da sind, die öffentlichen Interessen zu wahren, während private Sender dazu da sind, private, kommerzielle Interessen zu wahren. Die Praxis in Bulgarien und in ganz Europa zeigt schon seit langem, dass das in Bezug auf die öffentlich-rechtlichen oder die privaten Medien nicht zutrifft.
Aufgrund jahrelanger Erfahrung im Medienbereich habe ich einige Änderungen an diesem Bericht vorgeschlagen, mit denen die öffentlich-rechtlichen und die privaten Medien gleichgestellt werden, um es ihnen zu ermöglichen, der Öffentlichkeit besser hochwertige Informationen von Relevanz zu bieten. Die europäischen Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, sowohl zu europäischen als auch nationalen Themen die besten Informationen zu erhalten. Dazu bedarf es Anstrengungen sowohl der öffentlich-rechtlichen als auch der privaten Medien, während die Regulierungsbehörden Chancengleichheit gewährleisten müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
23. Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren und Entwicklung zivil-militärischer Fähigkeiten (kurze Darstellung)
Die Präsidentin. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Christian Ehler im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über die Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren und die Entwicklung zivil-militärischer Fähigkeiten (2010/2071(INI)) (A7-0308/2010).
Christian Ehler, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich auf internationaler Ebene verpflichtet, einen signifikanten Beitrag für die zivilen und militärischen Krisenmanagementfähigkeiten in der Welt zu leisten. Diese Zusage – unter anderem auch im Rahmen der Helsinki-Headlines mehrmals formuliert – existieren jedoch in vielen Fällen nur auf dem Papier. Ganz konkret: Bei den jetzt im Einsatz befindlichen zivilen Missionen der Europäischen Union – beispielsweise EULEX oder EUPOL – sind bereits 25 % der von den Mitgliedstaaten zugesagten Stellen nicht besetzt. Die von den Mitgliedstaaten wiederholt formulierten Ziele und Strukturen für die zivil-militärischen Einsatzfähigkeiten der Union sind weit von der Realität entfernt. Deshalb hat sich das Europäische Parlament zu einem eigenen Initiativbericht über die Entwicklung der zivilmilitärischen Strukturen und Koordination der Europäischen Union entschlossen. Ganz konkret: Das Parlament formuliert in diesem Bericht noch einmal, dass die besonderen zivil-militärischen Fähigkeiten der EU eines der wichtigsten außenpolitischen Instrumente der Union und der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind. Um der neuen Verantwortung des Parlaments im Rahmen des Lissabon-Prozesses gerecht zu werden, haben wir einen ungewöhnlichen Weg beschritten. Wir haben nicht mit einem Bericht begonnen, sondern zunächst einmal die empirische Grundlage für diesen Bericht geschaffen. Auf diesen Zahlen – und deshalb mit einer breiten Mehrheit im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten – haben wir ganz konkrete Vorschläge formuliert: auf der strategischen Ebene konkrete Aussagen zum Aufbau einer gleichberechtigten Struktur zwischen militärischen und zivilen Bereichen in dem neuen Europäischen Auswärtigen Dienst; auf der operativen Ebene zur Einrichtung eines ständigen europäischen Hauptquartiers, zur Ausgestaltung mit Personal durch die Mitgliedstaaten, zu der Frage, ein attraktives Anreizsystem für nationale Experten zu schaffen, an solchen Operationen teilzunehmen, zur Frage des Aufbaus personeller Reserven für die Zukunft.
Es gibt konkrete Vorschläge für die Ausbildung von zivilem und militärischem Personal. Es gibt Vorschläge zur Finanzierung von anlaufenden Missionen, ganz konkret z. B. zur Bildung eines Anschubfonds nach Artikel 41 der Verträge. Es gibt Vorschläge zu den Instrumenten des Krisenmanagements, vor allen Dingen zu der Frage einer zukünftig stärkeren Zusammenarbeit von polizeilichen und militärischen Kräften. Ein Beispiel dafür ist die europäische Gendarmerietruppe, aber auch überhaupt die Frage, wie diese beiden Instrumente in ganz konkreten operationellen Fällen verknüpft werden können und wie die Trennung von rein militärischen und zivilen Operationen überwunden werden kann.
Wir haben Aussagen getroffen zur Zukunft der Battlegroups. Wir fordern hier eine Neuausrichtung. Wir fordern hier eine Finanzierung gemäß dem Athener-Mechanismus. Wir fordern einen Ausbau der Einsatzfähigkeiten der Battlegroups im Rahmen der Oslo-Richtlinien und eine stärkere Möglichkeit und auch Fähigkeit der Battlegroups, zivile Missionen abzusichern und die Definition der Missionen der Battlegroups auszuweiten. Wir beschäftigen uns mit der Frage Forschung und Technik, der Frage dual use, der Aufnahme zivil-militärischer Missionen in den Aufgabenkatalog des Sicherheitsforschungsprogramms im Rahmen des Forschungsprogramms der Europäischen Union. Wir beschäftigen uns mit konkreten Fragen von Ausrüstung, Lagerhaltung, aber auch mit internationalen Kooperationen mit den Vereinten Nationen und der NATO. Hier geht es vor allen Dingen um die Vermeidung von Doppelstrukturen, die bessere Nutzung vorhandener Strukturen, die Frage des Aufbaus von gemeinsamen Lufttransportkapazitäten, die Frage der Umsetzung der Berlin-Plus-Vereinbarungen für eine bessere Zusammenarbeit der beiden Organisationen in Krisenfällen.
Das Parlament ist damit seinen neugewonnenen Aufgaben und Verpflichtungen gerecht geworden. Der Bericht hat im AFET eine breite Mehrheit über alle Fraktionen bekommen, und wir sehen ihn als wichtigen Beitrag für den zukünftigen Aufbau der zivil-militärischen Strukturen der Europäischen Union
Csanád Szegedi (NI). – (HU) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der erste und wichtigste Punkt, den wir klären müssen, ist, ob wir es als wichtig erachten, dass zivile und militärische Akteure in angemessener Weise zusammenarbeiten. Für mich persönlich und für meine Partei, Jobbik – Die Bewegung für ein besseres Ungarn – lautet die Antwort ganz klar ja: Wir halten die Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Behörden für wichtig. Ein sehr gutes Beispiel dafür in Ungarn war die Magyar Gárda (Ungarische Garde), die 2007 gegründet wurde und mit den militärischen Behörden sehr gut zusammengearbeitet hat – wenn man so will – sei es beim Flutschutz, bei der Unterstützung der Opfer des roten Schlamms, beim Blutspenden oder bei der Verteilung von Brot, mit anderen Worten, bei sozialen Angelegenheiten. Sie fragen sich vielleicht, welche Belohnung sie erhalten haben – staatliche Ehren oder Anerkennung vielleicht? Sie haben nichts erhalten und anstatt diesen Menschen für ihre Aufopferung zu danken, fällt die ungarische Regierung die rätselhafte Entscheidung, die Ungarische Garde aufzulösen. Aus diesem Grund müssen wir, damit wir eine Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren beginnen können, Einzelpersonen ehren, die sich in Organisationen wie der Ungarischen Garde engagieren. Menschen, die sich in solchen Organisationen aus Liebe zu ihrem Land und der Nation engagieren und ihre Umwelt schützen möchten, muss es gestattet werden, tätig zu sein und sie müssen geschätzte Mitglieder der Gesellschaft sein.
Martin Ehrenhauser (NI). - Frau Präsidentin! Die Vermengung von zivilen und militärischen Instrumenten gibt es ja bereits. Wenn man sich zum Beispiel das Lagezentrum anschaut, das lange Zeit im Rat situiert war. Hier gab es ja schon eine Informationszusammenfuhr von militärischen und zivilen Informationen. Das Lagezentrum geht jetzt an den externen Actionservice. Ich denke, man sollte vor allem betonen, dass sich die Europäische Union im Ausland einen Namen gemacht hat durch ihre zivilen Instrumente, und dafür hat die Europäische Union Anerkennung bekommen. Ich denke, wir sollten die militärischen und die zivilen Instrumente klar trennen. Aber wieso ich jetzt eigentlich noch etwas sagen wollte, ist vor allem, weil der Herr Kollege es noch angesprochen hat. Und da möchte ich schon noch einmal betonen, was mich sehr, sehr bedenklich stimmt, ist, dass zum Beispiel die ungarische Jobbik-Partei im Burgenland bei uns in Österreich einen Aufmarsch gemacht hat, und zwar mit Karabinergewehren und aufgesetzten Bajonetten. Ich denke nicht, dass das irgendwie in einer Form akzeptabel ist. Und ich möchte mich ganz klar dagegen aussprechen, dass es hier zu solchen Aktionen kommt. Das spricht sicherlich nicht für den europäischen Gedanken.
(Der Redner ist damit einverstanden, eine Frage nach dem Verfahren der „blauen Karte“ zu beantworten (Artikel 149 Absatz 8 GO)).
Csanád Szegedi (NI). – (HU) Frau Präsidentin, ich möchte eine ganz kurze Antwort geben. Was mein Kollege geäußert hat, ist einfach eine Lüge. Weder Jobbik – Die Bewegung für ein Besseres Ungarn – noch die Ungarische Garde haben jemals ein Verbrechen begangen – das kann jeder leicht nachprüfen – und niemals gegen ein Gesetz verstoßen, weswegen es sich dabei ganz einfach um neoliberale politische Propaganda handelt, mit der sie in ein schlechtes Licht gestellt werden sollen, denn weder die Ungarische Garde noch die Mitglieder von Jobbik sind jemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten und wir haben auch weiterhin vor, uns gesetzestreu zu verhalten.
Martin Ehrenhauser (NI). - Frau Präsidentin! Ich habe nie behauptet, dass die Jobbik-Partei gegen strafrechtlich relevante Inhalte verstoßen hat. Sehr wohl habe ich aber behauptet, dass mit Karabinern und aufgesetzten Bajonetten im Burgenland gezielt ein Aufmarsch gemacht wurde. Diesem Sachverhalt haben Sie nicht widersprochen.
Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, ich werde mich auf den Bericht konzentrieren, da es sich dabei um einen sehr wertvollen und wichtigen Bericht handelt. Ich möchte Herrn Ehrenhauser für seinen Beitrag danken.
Der Bericht ist wertvoll, da er sich berechtigterweise auf das wichtigste Element der zivil-militärischen Zusammenarbeit konzentriert, was genau der Priorität der Kommission entspricht. Er befasst sich mit den Hauptpunkten in Bezug auf den umfassenden Ansatz beim Krisenmanagement. Mit der Einführung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes wird dieser Priorität Ausdruck verliehen. Das eigentliche Konzept des Dienstes, den die Hohe Vertreterin nun einrichtet, geht in die gleiche Richtung, wie es im Bericht vorgeschlagen wird, insbesondere durch die Einbeziehung von Strukturen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Auswärtigen Dienst.
Wir unterstützen die Entwicklung der zivilen Fähigkeiten vollkommen, damit es ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Ressourcen gibt. Die entsprechenden Modalitäten für die Rekrutierung sind nun vereinbart worden und somit kann die entsprechende Expertise in den Auswärtigen Dienst eingebracht werden. Wie alle wissen, war dies vorher nicht möglich.
Eine Reihe von Punkten in dem Bericht sind berücksichtigt worden und es sind spezifische Maßnahmen ergriffen worden. Das bezieht sich insbesondere auf die Förderung von zivil-militärischen Synergien, die bessere Verwendung von Gefechtsverbänden der EU, die Ausbildung, die Finanzierung und die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Partnern, wozu insbesondere die NATO und die Vereinten Nationen gehören. Zudem unterstützen wir die Stärkung der Beziehungen zwischen der EU und den Vereinten Nationen.-
Gemeinsam haben wir bereits viel erreicht. Am vergangenen Samstag fand wieder ein Treffen zwischen der Hohen Vertreterin und dem UN-Generalsekretär in Lissabon statt. Die Beziehung zwischen der EU und der NATO ist ein wichtiges Thema, wie erst gestern der NATO-Gipfel in Lissabon gezeigt hat. Zudem befürworten wir die Umsetzung aller praktischen Maßnahmen, mit denen die konkrete Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO gestärkt und insbesondere eine Zusammenarbeit gewährleistet werden kann, wenn beide auf demselben Schauplatz im Einsatz sind.
Die Kommission und die Hohe Vertreterin selbst freuen sich darauf, mit dem Europäischen Parlament bei diesem wichtigen Thema der Kooperation zwischen zivilen und militärischen Akteuren zusammenzuarbeiten.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet am Dienstag, den 23. November 2010 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Krzysztof Lisek (PPE), schriftlich. – (PL) Die zivil-militärische Zusammenarbeit und die Entwicklung zivil-militärischen Potenzials ist eine der wichtigsten Komponenten der Gemeinsamen Sicherheit- und Verteidigungspolitik. Leider sind viele Aspekte in Bezug darauf nicht über die Planungsphase hinausgekommen. Im Rahmen von Erörterungen dieses Themas haben die Mitgliedstaaten zugestimmt, dass dafür erhebliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollten. Tatsächlich sind die Pläne nicht in die Tat umgesetzt worden und wir verfügen immer noch über keine vollkommen geformten Strukturen. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch Naturkatastrophen, terroristische Angriffe und Konflikte an den Grenzen der EU hoffe ich, dass dieser Bericht etwas zur Nutzung des zivil-militärischen Potenzials und der zivil-militärischen Zusammenarbeit beitragen wird. Der Bericht beinhaltet praktische Empfehlungen in diesem Bereich, u. a. bezogen auf die Schaffung zivil-militärischer Strukturen innerhalb des Europäischen Auswärtigen Dienstes, den Einsatz von Gefechtsverbänden und der Europäischen Gendarmerietruppe, die Optimierung des Krisenmanagements und den Einsatz von Finanzmitteln aus dem nächsten Rahmenprogramm. Ziel all dessen ist es, die Finanzmittel besser einzusetzen, damit die zivil-militärische Zusammenarbeit voll ausgeschöpft wird. Ein weiteres bedeutendes Ziel ist die Vermeidung einer Überschneidung der Anstrengungen bei den Missionen, an denen die NATO gemeinsam mit europäischen Streitkräften teilnimmt. Ich hoffe, dass dieser Bericht, einen entscheidenden Impuls für die Bildung wirksamer zivil-militärischer Strukturen geben wird. Baroness Ashton sollte gewährleisten, dass die in dem Bericht enthaltenen Vorschläge so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Petru Constantin Luhan (PPE), schriftlich. – (RO) Die Europäische Union muss schnellstens auf Krisensituationen reagieren, wozu eine effizientere Koordinierung ihrer zivilen und militärischen Strukturen notwendig ist. Die Einrichtung eines ständigen operationellen EU-Hauptquartiers neben dem Stab für die Planung und Durchführung ziviler Operationen würde die Vorteile der zivil-militärischen Koordinierung maximieren. Im Hinblick auf die Forderung in dem Bericht, dass die Mitgliedstaaten zivile Kapazitäten zur Verfügung stellen, um so schnell wie möglich echte Fortschritte zu erzielen, möchte ich betonen, dass sich Rumänien hinsichtlich der zivilen Akteure aktiv an dem Zivilen Planziel 2010 beteiligt. Infolge seiner beträchtlichen Beteiligung an den zivilen Missionen der EU ist Rumänien in den europäischen Rankings in Bezug auf die Teilnahme an solchen Missionen und dem Beitrag soliden und vielseitigen Fachwissens durch seine Polizisten, Militärpolizisten, Soldaten, Diplomaten, Richter und Menschenrechtsexperten auf dem dritten Platz. Rumänien befindet sich also in dem Prozess zur Umsetzung der nationalen Strategie ziviler Fähigkeiten auf einer fortgeschrittenen Stufe.
24. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll