Die Präsidentin. – Das nächste Thema ist die Aussprache über sieben Entschließungsanträge zu Birma – Durchführung der Wahlen und Freilassung der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi(1).
Véronique De Keyser, Verfasserin. – (FR) Frau Präsidentin! Manchmal haben wir sogar in Notlagen gute Nachrichten. So möchte ich alle an die Gefühle erinnern, die uns überkamen, als wir die Freilassung von Aung San Suu Kyi im Fernsehen sahen. Wir haben in der Tat eine besondere Verbindung zu dieser bemerkenswerten Frau, die hier im Jahr 1990 mit einem der ersten Sacharow-Preise ausgezeichnet wurde, und die von 20 oder 21 Jahren ihres Lebens fast 15 Jahre im Gefängnis verbrachte. Sie ist das Symbol von einer politischen Frau, die in einem schwierigen Land wie Birma frei bleiben und immer Widerstand zeigen kann. Es ist absolut außergewöhnlich.
Jedoch darf uns dieses Ereignis erstens nicht vergessen lassen, dass ihre Freiheit zerbrechlich ist. Sie ist davor bereits freigelassen und dann erneut unter Hausarrest gestellt worden. Lassen Sie uns zweitens nicht vergessen, dass die Wahlen, die gerade in Birma stattgefunden haben, wirklich eine Farce, ein Zerrbild der Demokratie gewesen sind. Vor den Wahlen wurden Gesetze zur Unterdrückung der Freiheit der Meinungsäußerung beschlossen. Einige Menschen wie beispielsweise Mönche wurden daran gehindert, ihre Stimme abgeben zu können. Heutzutage gibt es in Birma immer noch 22 000 politische Gefangene, und es bleibt eine der schlimmsten Diktaturen in der Welt.
Daher fordern wir den birmanischen Staat dazu auf, das Versammlungsrecht und die Freiheit der Meinungsäußerung zu achten und politische Gefangene freizulassen. Ferner vertrauen wir auf diese bemerkenswerte Frau, die wir im Europäischen Parlament erwarten, oder die wir für den Fall besuchen werden, dass sie ihren Sacharow-Preis nicht empfangen kann, um einen Geist der Freiheit in diesem zerrütteten Land aufrechtzuerhalten.
Marietje Schaake, Verfasserin. – Frau Präsidentin! Am 13. November, weniger als eine Woche nach den umstrittenen landesweiten Wahlen, wurde der Hausarrest für Aung San Suu Kyi aufgehoben, nachdem sie effektiv 15 der letzten 21 Jahre wegen ihrer pro-demokratischen Überzeugungen in Haft verbrachte.
So wie eine iranische Frau in dem Film The Green Wave, nachdem sie aus dem Evin-Gefängnis in Teheran freigelassen wurde, sagte: „In dem Augenblick, in dem ich nach draußen trat, erkannte ich, dass ich einfach von einem kleinen Gefängnis in ein größeres umgezogen war: Das Gefängnis heißt Iran."
Menschen sollten wegen ihrer Überzeugungen weder in kleinen noch in großen Gefängnissen leben. Die EU wird sich um weitere Freiheiten für alle birmanischen Bürgerinnen und Bürger kümmern und diese fördern, und sie sorgt sich weiterhin um das Wohlergehen und die Sicherheit von Aung San Suu Kyi, da sie von staatlichen Sicherheitsdiensten überwacht wird.
Der begrüßenswerte Schritt ihrer Freilassung muss sich in einer weiteren Ausdehnung von Freiheiten für alle Bürgerinnen und Bürger niederschlagen, die durch die Verfassung von 2008 und die Militärjunta systematisch unterdrückt werden. Regime benutzen Wahlen, wie sie diesen Monat in Birma abgehaltenen wurden, auch wenn sie in einem Klima von Angst und Unterdrückung durchgeführt wurden, häufig um Anspruch auf Legitimität zu erheben und den Eindruck einer bestehenden Demokratie zu vermitteln. Jedoch leitet sich die Legitimität jeder Regierung daraus ab, dass sie für das Wohlergehen ihrer Bürgerinnen und Bürger sorgt, und Demokratie ist immer mehr als „ein Mensch – eine Stimme“. Legitimität erfordert demokratische Institutionen, verantwortungsvolles Handeln, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte.
Adam Bielan, Verfasser. – (PL) Frau Präsidentin! All jene, die sich Illusionen hingaben, dass die sogenannten Wahlen vom 7. November – welche eine Farce waren – Birma der Demokratie näherbrächten, wurden enttäuscht. Es stimmt, dass eine Woche nach den Wahlen die Friedensnobelpreisträgerin, Frau Aung San Suu Kyi, freigelassen wurde. Jedoch deutet nichts darauf hin, dass die anderen über zweitausend politischen Gefangenen in dem Land das gleichermaßen behandelt werden. Vielmehr erhielten wir vor einigen Tagen die Information, dass die über Birma herrschende Militärjunta die Veröffentlichung von weiteren neun Zeitschriften ausgesetzt hat, wodurch die bereits begrenzte Meinungsfreiheit in dem Land weiter eingeschränkt wird.
Aus diesem Grund ist mehr Druck seitens der internationalen Völkergemeinschaft vonnöten. Zuallererst sollte sich die Europäische Union darauf konzentrieren, Druck auf China auszuüben, denn ohne China könnte die herrschende Junta in Birma nicht an ihrer Macht festhalten. Abschließend möchte ich dem Parlamentspräsidenten, Herrn Buzek, dafür danken, dass er Frau Aung San Suu Kyi zur Preisverleihung des Sacharow-Preises kommenden Monat in Straßburg eingeladen hat.
Barbara Lochbihler, Verfasserin. − Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder von Aung San Suu Kyi, der burmesischen Oppositionsführerin, nach der Aufhebung ihres Hausarrests sind uns gut in Erinnerung. Sie zeigen eine Persönlichkeit, die nicht an der jahrelangen Isolation zerbrochen ist und die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich weiterhin für demokratische Veränderungen in ihrem Land einsetzen wird. Und alle Schritte in Richtung Demokratisierung und Verbesserung der äußerst problematischen Menschenrechtssituation sind zu begrüßen.
Doch es wird kein einfacher Weg sein. Die Verfassung, die jetzt nach den unfreien Wahlen gelten wird, stellt den Präsidenten über das Gesetz, und sie garantiert Straflosigkeit für vergangene Menschenrechtsverletzungen. Und dies ist aufs Schärfste von Seiten der EU zu kritisieren, ebenso wie die fortlaufenden schweren Menschenrechtsverletzungen gegenüber den ethnischen Minderheiten, die oft von ihrem Land vertrieben und zur Zwangsarbeit gezwungen und deren Kinder vielfach als Kindersoldaten rekrutiert werden.
Wir müssen auch unsere Anstrengungen intensivieren, um Staaten zu gewinnen, die großen Einfluss auf die Regierung Burmas haben, wie China und Indien. Wir müssen sie dazu bewegen, diesen Einfluss auch im Sinne der Bevölkerung Burmas einzusetzen und zu nutzen. Sie sollten die in der ASEAN-Charta für Menschenrechte von ihnen gemachten Versprechungen auch umsetzen, denn dort sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, dagegen aufzustehen und einzuschreiten, wenn es zu systematischen Menschenrechtsverletzungen kommt.
Rui Tavares, Verfasser. – (PT) Frau Präsidentin! Lassen Sie uns zunächst über die Wahlen sprechen. Wie wir wissen und wie bereits hier im Parlament erwähnt worden ist, haben die Wahlen in einem Klima der Angst und Einschüchterung stattgefunden. Sie waren eine vollkommene Farce und dienten keinem anderen Zweck, als der Militärjunta einen zivilen Anstrich zu verleihen. Viele Menschen wurden von den Wahlen ausgeschlossen. Tausende Birmanen – 1 000 allein laut den Generälen der Militärjunta – sind nach Thailand geflohen, wo bereits 100 000 Birmanen leben, und wo jetzt größere Risiken für bewaffnete Konflikte entlang der birmanischen Grenze bestehen. Während uns die Freilassung von Aung San Suu Kyi jetzt offensichtlich mit Freude und Hoffnung erfüllt und wir, wie bereits erwähnt, diese bemerkenswerte Frau treffen und hier im Parlament empfangen können, erinnert uns dies daran, dass wir unsere Aufmerksamkeit nicht von der wichtigsten Frage für Birma ablenken können, und zwar die Befreiung eines ganzen Volkes und der mehr als 2 000 politischen Gefangenen sowie die Aufhebung eines allgemeinen Klimas von Einschüchterung und Angst.
Die Europäische Union sollte daher nicht weniger wachsam werden. Wir müssen fokussiert, konzentriert und hartnäckig handeln: Wir dürfen keinesfalls zulassen, dass wir selbstgefällig werden. An dieser Stelle sollte meiner Ansicht nach gesagt werden, dass bestimmte Mitgliedstaaten entschlossener und vor allem beständiger für Menschenrechte eintreten müssen. Die Geschäfte, die viele Mitgliedstaaten in Birma weiterhin unterhalten, müssen in Einklang mit den Verpflichtungen der EU im Bereich der Menschenrechte gebracht werden. Ich erinnere zum Beispiel daran, dass die Ölgesellschaft TOTAL über Beteiligungen in Birma verfügt, die 7 % des Haushalts der birmanischen Junta ausmachen. Das Parlament wird weiterhin fokussiert und vereint in dieser Frage sein, und ich hoffe, dass auch die Kommission und die Mitgliedstaaten bei diesem Ansatz bleiben werden.
Bernd Posselt, Verfasser. − Frau Präsidentin! Auch im Namen der Kollegin Andrikienė freue ich mich über die Freilassung unserer Sacharow-Preisträgerin. Aber es sind noch mindestens 2 200 weitere politische Gefangene in fürchterlichen Gefängnissen der birmesischen Militärdiktatur. Das Land insgesamt – wir vorhin gesagt wurde – sitzt in einem großen Gefängnis. Deshalb müssen wir jetzt sehr kritisch und sehr wachsam sein. War das Ganze nur eine kosmetische Operation oder haben die brutal manipulierten Wahlen das wahre Gesicht des Regimes gezeigt? Wir müssen jetzt alle Instrumente einsetzen, um auf einen Wandel zu drängen. Dieser Wandel kann als Nagelprobe verstanden werden, indem wir darauf drängen, dass unsere Sacharow-Preisträgerin tatsächlich im Dezember hier ist, dass sie nach 20 Jahren ihren Preis entgegennehmen kann und dass sie auch wieder unbehelligt in ihre Heimat zurückkehrt. Erst dann können wir ein wenig die Hoffnung haben, dass sie tatsächlich etwas ändert für ein Volk, das seit Jahrzehnten unter einer korrupten sozialistischen Militärdiktatur leidet.
Cristian Dan Preda, im Namen der PPE-Fraktion. – (RO) Frau Präsidentin! Zuallererst möchte auch ich die Aufhebung des Hausarrests für Aung San Suu Kyi, die Oppositionsführerin in Birma, nach so vielen Jahren begrüßen. Ich möchte auch die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass auf diese Freilassung auch die Freilassung der mehr als 2 000 politischen Gefangenen folgt, andererseits kann man die Freilassung von Aung San Suu Kyi, wie Herr Posselt erwähnte, nur als eine symbolische Geste betrachten.
Ich muss Ihnen auch sagen, dass ich Aung San Suu Kyi beim Wiederaufbau ihrer Partei helfen möchte, der Nationalen Liga für Demokratie, welche im Mai widerrechtlich aufgelöst wurde. Sie hat sicherlich viel Arbeit vor sich. In Anbetracht dessen, dass die im November abgehaltenen Wahlen weder frei noch gerecht waren, denke ich daher, dass der internationale Druck fortgesetzt werden muss. Denn die Militärjunta hat sich keinem Demokratisierungsprozess verpflichtet, sondern geht genau in die entgegengesetzte Richtung. Aus diesem Grund glaube ich, dass wir uns weiterhin auf dieses Gebiet konzentrieren müssen.
David Martin, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich bin erfreut über die große Einheit der Europäischen Union, die in der Frage von Birma gezeigt wurde. Ich habe die Erklärung des Rates, die Erklärung von Baroness Ashton und natürlich die Erklärung unseres Präsidenten gelesen. Niemand hat sich von diesen mit groben Mängeln behafteten Wahlen in Birma täuschen lassen; jeder hat die Aufhebung des Hausarrests für Aung San Suu Kyi begrüßt; aber jeder hat auch den immer noch bestehenden Mangel an weiteren Freiheiten verurteilt.
Wenn wir, Frau Präsidentin, unsere Karten jedoch richtig ausspielen, könnten diese Wahlen – und ich betone „könnten" – ein Neuanfang in Birma sein. Wenn wir, wie andere Kolleginnen und Kollegen gesagt haben, die Junta jetzt überzeugen können, alle politischen Gefangenen freizulassen, wenn wir die Junta überzeugen können, Aung San Suu Kyi völlige Freiheit zu gewähren – sowohl im Hinblick auf freie Bewegung als auch im Hinblick auf politische öffentliche Erklärungen – und wenn schließlich das neue birmanische Parlament und die Regierung mit der Verbesserung von Menschen- und Grundrechten in dem Land und der Verbesserung von sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Bevölkerung von Birma beginnen, dann gibt es in ein paar Jahren vielleicht eine Basis für unsere Institutionen, Verhandlungen aufzunehmen, in den Dialog mit dem birmanischen Regime zu treten und einer besseren Zukunft für dieses Land entgegenzusehen.
Ryszard Czarnecki, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Was ist geschehen? Die Behörden haben nur eine sehr bekannte Person freigelassen. Als ob sie der Welt zeigen wollten, dass das Land demokratisch und im Hinblick auf die Menschenrechte bekehrt ist, während sich hinter der Fassade nichts verbirgt: keine wirklichen, konkreten Veränderungen. Wir haben es mit Theater zu tun – und Gott sei Dank erlangte diese edle Frau ihre Freiheit zurück. Jedoch ist dieses Theater – wie gesagt – eine Tragödie: Einige Tausend Menschen sind immer noch im Gefängnis. Das Schlagwort „Lasst die politischen Gefangenen frei!“ hat in Birma daher immer noch seine Gültigkeit.
Ich denke, dass die Botschaft der bekanntesten, soeben freigelassenen politischen Gefangenen in der Region so wichtig ist, dass sie über ganz Asien ausstrahlt. Es ist ihr zu verdanken, dass chinesische Dissidenten bereits in Berufung gehen. Ich denke, dies sollte hervorgehoben werden. Aus diesem Grund muss das Parlament für Menschenrechte und die Freiheit politischer Flüchtlinge in der Region kämpfen.
George Sabin Cutaş (S&D). – (RO) Frau Präsidentin! Das Europäische Parlament forderte bereits im Februar 2010 die Freilassung von Aung San Suu Kyi, die seit 1990 unter Hausarrest gelebt hat. Die Entscheidung des birmanischen Staats, sie wenige Monate nach dieser entscheidenden Aufforderung durch die Damen und Herren Abgeordneten zu entlassen, markiert einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Jedoch können wir diese besondere Situation nicht als Meilenstein bei der Wiederherstellung von Menschenrechten in Birma betrachten, da immer noch zahlreiche pro-demokratische Aktivisten inhaftiert sind.
Der Vertrag von Lissabon besagt, dass sich die Europäische Union um die Förderung von Frieden, ihrer Werte und des Wohlergehens ihrer Bürgerinnen und Bürger bemüht. Unsere gemeinsamen Werte sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Es ist die Pflicht der Europäischen Union, sich nicht darauf zu beschränken, diese Werte nur innerhalb ihres eigenen Hoheitsgebiets zu fördern. Deshalb dränge ich darauf, eine Botschaft der Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern Birmas zu übermitteln, die unter der Unterdrückung durch die Behörden leiden und einen täglichen Kampf für die Achtung ihrer Grundrechte führen.
Marc Tarabella (S&D). – (FR) Frau Präsidentin! Am 7. November fanden in Birma die ersten Wahlen seit 20 Jahren statt. Zu einem Zeitpunkt, an dem wir uns freuen könnten, einen derartige Prozess endlich zu erleben, sind wir heute erneut zur Verurteilung dieses Landes gezwungen, in dem es unter anderem Menschenrechte und die Freiheit der Meinungsäußerung geben sollte. Wahlen müssen gleichbedeutend mit der Entscheidung sein, die durch eine Stimmabgabe ausgedrückt wird.
Wie können wir von einer Wahl sprechen, wenn sich die Oppositionsparteien nicht zu Wort melden, sich nicht frei äußern oder ganze Bevölkerungsteile nicht ordnungsgemäß repräsentieren dürfen?
Wir sprechen hier erneut über Birma, ein Land, das nicht frei ist, sondern das seit vielen, vielen Jahren in den Händen der Militärjunta ist. Wie die ganze Welt weiß, geht es um eine überholte Macht, die so lange bestehen bleiben wird, wie keine wirklich freien und gerechten Wahlen abgehalten werden.
Die Freilassung von Aung San Suu Kyi ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen es anerkennen und loben. Lassen Sie uns hoffen, dass darauf, wie hier bereits zuvor gesagt wurde, weitere Aktionen folgen können, insbesondere im Hinblick auf die vielen anderen politischen Gefangenen.
Sergio Paolo Francesco Silvestris (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir feiern immer noch die Freilassung von Aung San Suu Kyi und wir haben alle die Bilder von der Menschenmenge in unserem Gedächtnis, die sie bei ihrer Rückkehr nach Hause enthusiastisch begrüßte und wo sie Kindern begegnete, die sie klein zurückließ und die jetzt lange schon erwachsen sind.
Es ist eine Zeit großer Begeisterung, ein Fest für das Volk und die Opposition in Birma, aber ein Umstand wird sicherlich daraus hervorgehen. Unser Gesprächspartner ist heute zweifellos die Militärjunta, die endlich erklären muss, ob die Freilassung von Aung San Suu Kyi ein Akt der Propaganda oder ein Vorwand war. Oder ob es tatsächlich der erste Schritt auf dem Weg zur Anerkennung ihres Rechts und demnach des Rechts aller birmanischen politischen Gefangenen auf freie Meinungsäußerung und ein Schritt hin zu freien und demokratischen Wahlen war.
Das ist es, was Europa fordern muss. Unserer Freude anlässlich der Freilassung von Aung San Suu Kyi müssen wir zwangsläufig eine dementsprechend nachdrückliche Aufforderung hinzufügen.
Bogusław Sonik (PPE). – (PL) Frau Präsidentin! Wir alle erinnern uns an die Jahre, als Lech Wałęsa aus dem Gefängnis entlassen und Nelson Mandela nach so vielen Jahren freigelassen wurde. Es gab Hoffnung; Hoffnung auf eine freie Welt, dass all der Druck auf jene Regierungen Wirkung zeigen würde. Die Freilassung der birmanischen Oppositionsführerin Frau San Suu Kyi ist auch für uns eine große Herausforderung. Ohne die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, ohne Druck auf die herrschende Junta in Birma, wird dort keine Demokratie herrschen. Ich erinnere mich an die Zeiten, in der die führenden Politiker der freien Welt während der kommunistischen Diktatur nach Polen kamen, und sie alle neben den offiziellen Besuchen auch den Anführer der Untergrundbewegung Lech Wałęsa trafen. Diese Politik sollte jetzt auch betrieben werden. Ich freue mich, dass Frau Ashton bald nach Birma reisen und Frau San Kuu Kyi treffen wird. Auch hoffe ich, dass eine Delegation des Europäischen Parlaments in Kürze mit ihr in Birma und Straßburg sprechen kann.
Janusz Lewandowski, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Ich möchte – wie alle hier – Aung San Suu Kyi würdigen, vor Kurzem wieder in die Freiheit entlassen wurde. Ausgezeichnet mit dem Nobelpreis und dem Sacharow-Preis des Parlaments, bleibt sie ein Symbol von Stärke und Hoffnung auf eine bessere Zukunft, welche die Menschen ihres Landes verdienen.
Es ist entscheidend, dass Aung San Suu Kyi sich uneingeschränkt bewegen und sprechen kann. Gleichermaßen entscheidend ist, dass alle übrigen politischen Gefangenen – laut Herrn Posselt und Herrn Preda mehr als 2 000 – freigelassen werden. Dies würde einen glaubwürdigen Übergang zu einem integrativeren Regierungssystem gestatten.
Birma/Myanmar hat Wahlen erlebt, welche nicht den internationalen Standards entsprachen, insbesondere was die Bedingungen für konkurrierende Oppositionsparteien betraf. Jedoch ist zu begrüßen, dass sich die Zivilgesellschaft ungeachtet der Schwierigkeiten politisch zum Teil selbst organisieren konnte. Wir erkennen die Entscheidung bestimmter Oppositionsparteien an, nicht teilzunehmen. Aber wir erkennen auch an, dass andere Parteien, einschließlich Parteien ethnischer Gruppen, teilnahmen. Ihr Wille, das anzupacken, was sie als eine Gelegenheit betrachteten, war anerkennenswert.
Wahlen allein machen kein Land demokratisch. Dennoch können sie die Möglichkeit für einen Neubeginn bieten, und sie führen zumindest ein größeres Maß an Pluralismus in das System ein. Wenn die Wahlen den Beginn eines positiven Prozesses kennzeichnen, wird dies, trotz der offensichtlichen Mängel, eine willkommene Entwicklung sein.
Wir haben wiederholt gesagt, dass die EU bereit ist, in einen Dialog mit der Regierung zu treten, um die Wahlen als Gelegenheit zu nutzen, einen neuen und positiven Abschnitt in der Geschichte des Landes einzuleiten. Von jetzt an müssen wir genau beobachten, wie verantwortlich das neue Parlament und die neue Regierung gegenüber der Gesellschaft sein werden; ob die neuen Institutionen die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleisten werden; und ob sie wirksamere Strategien für die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bürgerinnen und Bürger durchführen werden.
Für die Verbesserung der Menschenrechtssituation in dem Land muss ein konstruktiver Dialog mit allen Beteiligten geschaffen werden. Ein solcher Dialog sollte – neben dem längst überfälligen Übergang zu einem zivilen, legitimen und verantwortlichen staatlichen System – ein Regierungssystem einleiten, das auf der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten beruht. Die EU hat wiederholt erklärt, dass sie bereitsteht, um einen solchen Prozess zu unterstützen.
Wir werden weiterhin alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen – Dialog und Engagement, Kanäle der Vereinten Nationen und restriktive Maßnahmen, aber auch Unterstützungsmaßnahmen – um die neue Regierung zu einer besseren Regierungsführung zu bewegen. Menschenrechtsaspekte sind in unsere Unterstützungsprogramme integriert. Darüber hinaus suchen wir Verbindungen zur Zivilgesellschaft und Teilen der Verwaltung, und wir werden versuchen, mit der Regierung bezüglich ihrer Verantwortlichkeit für die Verwirklichung der Milleniumsentwicklungsziele in den Dialog zu treten. Die Förderung unserer Werte – Menschenrechte, Entwicklung und Dialog – ist und bleibt ein zentrales Element unserer Politik.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Kristiina Ojuland (ALDE), schriftlich. – Ich begrüße die Aufhebung des Hausarrests für Aung San Suu Kyi durch die Regierung Birmas. Wir sollten in unserer Haltung gegenüber der Militärjunta jedoch nicht nachgeben. Stattdessen sollten wir die Verletzungen der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten weiter so energisch wie immer ansprechen. Die Tatsache, dass es dort 2 200 politische Gefangene gibt, die dort unter schrecklichen Bedingungen in Haftanstalten festgehalten werden, und dass das birmanische Militär für die Fortsetzung außergerichtlicher Hinrichtungen, von Zwangsarbeit, sexueller Gewalt und weiteren Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, kann durch die Freilassung einer politischen Aktivistin, egal wie berühmt sie ist, nicht rückgängig gemacht werden. Aung San Suu Kyi, Empfängerin des Sacharow-Preises im Jahr 1990, hat uns bekanntlich darum gebeten, unsere Freiheit zu nutzen, um ihre Freiheit zu fördern. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, die EU und ihre Mitgliedstaaten zum Einsatz ihres gesamten wirtschaftlichen und politischen Einflusses aufzufordern, um den Machtwechsel in Birma zu beschleunigen.
Jarosław Leszek Wałęsa (PPE), schriftlich. – Die Lage in Birma hat einen kritischen Punkt erreicht. Es ist wichtig, dass das Europäische Parlament den Kurs in seinen Beziehungen zu Birma beibehält. Wir müssen uns auf die Behandlung der Bürgerinnen und Bürger durch die Regierung konzentrieren, wenn 40 % der Bevölkerung einer ethnischen Minderheit angehören, die nach den jüngsten Wahlen zur Flucht nach Thailand gezwungen war. Die Freilassung von Aung Suu Kyi ist positiv einzuschätzen. Jedoch hat uns die Geschichte gezeigt, dass die birmanische Regierung die Angewohnheit hat, zu ihren alten Verhaltensmustern zurückzukehren, wozu die Inhaftierung einzelner Vertreter oder der gesamten Opposition gehört. Momentan werden immer noch mehr als 1 000 „politische Gefangene“ festgehalten. Der flagrante Verstoß gegen freie Wahlen ist ein klarer Hinweis darauf, dass die neue Regierung wenig oder kein Interesse an der Gewährleistung einer echten Demokratie für das Volk von Birma hat. Der UNO-Vorschlag für den weiteren Dialog mit Birma sollte durch dieses Parlament unterstützt werden, und wir sollten unsere Bemühungen fortsetzen, alle Bürgerinnen und Bürger Birmas vor künftigen Ungerechtigkeiten zu schützen. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere ständige Wachsamkeit und unser offener Dialog entscheidend für das Volk von Birma sind. Ferner muss ein klares Signal der in diesem Parlament und in anderen internationalen Organisationen herrschenden Geschlossenheit ausgesandt werden.