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Verfahren : 2010/2989(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

O-0200/2010 (B7-0660/2010)

Aussprachen :

PV 15/12/2010 - 13
CRE 15/12/2010 - 13

Abstimmungen :

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 15. Dezember 2010 - Straßburg Ausgabe im ABl.

13. Wirtschaftspolitische Steuerung und Artikel 9 des Vertrags von Lissabon (Aussprache)
Video der Beiträge
Protokoll
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  Die Präsidentin. − Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über

die mündliche Anfrage von Stephen Hughes, Pervenche Berès und Udo Bullmann an den Rat im Namen der S&D-Fraktion: Wirtschaftspolitische Steuerung und Artikel 9 des Vertrags von Lissabon (O-0200/2010 - B7-0660/2010); und

die mündliche Anfrage von Stephen Hughes, Pervenche Berès und Udo Bullmann an die Kommission im Namen der S&D-Fraktion: Wirtschaftspolitische Steuerung und Artikel 9 des Vertrags von Lissabon (O-0201/2010 - B7-0661/2010)

 
  
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  Pervenche Berès, Verfasserin. − (FR) Frau Präsidentin, verehrter amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar! Ihre beiden Institutionen haben im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung sehr harte Arbeit geleistet, und das Europäische Parlament berät heute über die sechs Vorschläge der Europäischen Kommission zur wirtschaftspolitischen Steuerung.

Heute gelten die Regelungen des Vertrags von Lissabon, der in Artikel 9 vorsieht, dass die Union bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen – ich zitiere: „den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung trägt“. Dieser Artikel ist für alle Institutionen der Union und all ihre Politikbereiche verbindlich.

Dennoch haben Sie bis heute noch keine Folgenabschätzung über das „Paket zur wirtschaftspolitischen Steuerung“ durchgeführt, über das ich nachdenken soll. Diese Folgenabschätzungsstudien liegen der Kommission sehr am Herzen, wenn es beispielsweise darum geht, Rechtsvorschriften über Krankheiten durch elektromagnetische Strahlung umzusetzen.

Dies ist zu begrüßen, aber wir würden gerne sehen, dass mit dem gleichen Eifer auch an die wirtschaftspolitische Steuerung herangegangen wird. Und was können wir ansonsten sehen? Wir sehen Kommissar Rehn, wie er uns heute erklärt, es gäbe drei Säulen in seiner Strategie: Wachstum auf der einen Seite, wirtschaftspolitische Steuerung auf der anderen und dann noch die Aufsicht über die Finanzmärkte. Wenn aber die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut, dann sind die Maßnahmen der Europäischen Union nicht kohärent, und das europäische Recht im Sinne des Artikels 9 wird nicht eingehalten.

Daher bitten wir Sie eindringlich, die sozialen Auswirkungen der von Ihnen geplanten Maßnahmen auf Beschäftigung, Finanzierung der Altersrente, sozialen Schutz sowie die Finanzierung der öffentlichen Dienste zu evaluieren.

Welche Auswirkungen wird der Kampf gegen die Armut auf Ihr Ziel für die Strategie Europa 2020 haben, wenn wir heute erfahren müssen, dass nach den für 2008 gültigen Zahlen in der Europäischen Union 116 Mio. Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind?

Die Realität sieht so aus, dass die Kommission anscheinend ein geheimes Mandat verfolgt, nämlich Sie wegen der Bedenken einiger Mitgliedstaaten im Rat zu bitten, den Stabilitäts- und Wachstumspakt verbindlicher zu gestalten und präventive Maßnahmen und korrigierende Sanktionen vorzusehen, während jedoch gleichzeitig die nötigen Investitionsstrategien vernachlässigt werden, die Sie ja selbst mit der Strategie 2020 beschlossen haben.

Was die Schaffung von Arbeitsplätzen betrifft, wissen wir, dass die Lage in Bezug auf Wachstumsperspektiven in den nächsten paar Jahren schwieriger werden wird, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war.

Wir sind nicht dagegen, wieder zu einer Finanzierung durch öffentliche Mittel zurückzukehren, aber wir sind gegen eine Wachstumsstrategie, die keine Finanzierungsmittel hat und auf Sparmaßnahmen aufbaut, die unkalkulierbare soziale Auswirkungen mit potenziellen Ungleichheiten als Folge hat und bei der keine dieser Ungleichheiten der Wohlstandsverteilung berücksichtigt wird.

Dies kann nicht der Geist des Vertrags von Lissabon sein, für den wir so hart gekämpft haben und den Sie, verehrter amtierender Präsident des Rates und Sie, Herr Kommissar, einzuhalten verpflichtet sind.

 
  
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  Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates. (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, verehrte Abgeordnete! Ich freue mich, dass die Öffentlichkeit anwesend ist. Das ist gut so.

Ich möchte dem Parlament natürlich dafür danken, dass es dieses Thema auf die Tagesordnung dieser Sitzungsperiode gesetzt hat. Es erlaubt uns, ein wichtiges Thema anzugehen, an dem der Rat in den vergangenen Monaten viel gearbeitet hat.

Ich weiß natürlich, welche Bedeutung das Parlament der wirtschaftspolitischen Steuerung und seiner Verknüpfung mit sozialen Fragen im weiteren Sinne, so wie es Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festlegt, beimisst. Die sich aus Artikel 9 ergebende Verpflichtung muss bei der Festlegung und Durchführung sämtlicher Strategien und Maßnahmen der Union eingehalten werden, und dazu gehört daher auch sämtliche Arbeit zur zukünftigen wirtschaftspolitischen Steuerung.

Ich möchte zunächst anmerken, dass während des belgischen Ratsvorsitzes so oft erwähnt wurde, wie wichtig die Umsetzung von Artikel 9 und damit auch die Umsetzung der Querschnittsklausel sei. Daher möchte ich an die vom Rat am 6. Dezember angenommenen Schlussfolgerungen über die soziale Dimension in Verbindung mit der integrierten Strategie Europa 2020 erinnern. Diese Schlussfolgerungen fordern die Europäische Kommission auf, die Nutzung des bestehenden Systems für die Evaluierung der sozialen Auswirkungen zu verstärken und zu unterstützen. Sie fordern den Rat auf, einen Bericht darüber zu verfassen, wie Artikel 9 in der Arbeit und durch europäische Strategien mithilfe der offenen Koordinierungsmethode umgesetzt wird. Sie fordern die Kommission ebenfalls auf, nach Mitteln zur Umsetzung des „Social Mainstreaming“ zu suchen und somit auch zur Umsetzung des Artikels 9 in Zusammenhang mit der Leitinitiative der europäischen Plattform gegen Armut, die in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll.

Konkret in Bezug auf die neuen makroökonomischen Überwachungs- und Koordinierungsmechanismen betrachtet der Rat Beschäftigung und sozialen Schutz nicht nur einfach als Ergebnisse, die durch den neuen Rahmen der makroökonomischen Aufsicht, dessen Auswirkungen untersucht werden müssten, beeinflusst werden, sondern auch als Faktoren zur kurz- und mittelfristigen Ankurbelung des makroökonomischen und fiskalischen Wachstums. Dies ist wichtig, wenn wir einen unausgeglichenen makroökonomischen Rahmen vermeiden und das von den Verträgen vorgesehene institutionelle Gleichgewicht erhalten wollen.

Die Bereitschaft des Rates, Artikel 9 in der Praxis zu fördern, ist auch am Europäischen Semester erkennbar, das mit einem integrierten Ansatz eine ausgeglichene Position zwischen der Strategie Europa 2020 und dem Wachstums- und Stabilitätspakt zum Ausdruck bringen muss. Die in Artikel 9 enthaltenen Grundsätze müssen daher in all diesen Dokumenten und Rechtsetzungsmaßnahmen angewendet werden, sodass sie zu einem integrierten Ganzen werden.

Vor diesem Hintergrund führte der Rat seine Arbeit in zwei Phasen durch. In der ersten Phase bestand die Arbeit des Rates darin, eine europäische Beschäftigungsstrategie gemäß der Vorgabe des Vertrags zu entwickeln sowie einen Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung. In den am 21. Oktober angenommenen Schlussfolgerungen legte der Rat die Stellung der europäischen Beschäftigungsstrategie innerhalb der wirtschaftspolitischen Steuerung fest.

In der zweiten Phase, beim Treffen des Europäischen Rats am 6. Dezember, nahm der Rat ein neues Instrument für die multilaterale Überwachung der Beschäftigungs- und Sozialpolitiken an, den Rahmen für die gemeinsame Auswertung, der eine verbesserte Überwachung der von den Mitgliedstaaten betriebenen Politik der Beschäftigung und sozialen Integration gewährleisten wird und daher sicherstellt, dass diese Dimensionen auf europäischer Ebene besser berücksichtigt werden.

Diese neuen Instrumente werden in der präventiven Phase der makroökonomischen Überwachung mobilisiert werden müssen, sodass der Arbeitsmarkt ausreichend überwacht und den sozialen Problemen, die die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) gefährden könnten, ausreichend Beachtung geschenkt wird. Natürlich werden sie auch für die thematische Überwachung der Strategie Europa 2020 von zentraler Bedeutung sein.

Der Rat hat zudem in Erinnerung gerufen, dass er beabsichtigt, zur auf den fünf Hauptzielen der Strategie Europa 2020 basierenden thematischen sowie zur makroökonomischen Überwachung beizutragen, da diese beiden Rahmenwerke eng miteinander verknüpft sind. Und auf Ersuchen des belgischen Ratsvorsitzes hat der Ausschuss für Sozialschutz eine Stellungnahme zur sozialen Dimension der Strategie Europa 2020 vorgelegt, in dem er das Erfordernis einer Synergie zwischen den Prioritäten der Strategie Europa 2020 und dem unteilbaren Gesamtziel, das sich aus den einzelnen vom Europäischen Rat festgelegten Zielen ergibt, betont.

Ich möchte außerdem anmerken, dass sich der Rat bei anderen Schlussfolgerungen auf Artikel 9 berufen hat: bei den Schlussfolgerungen über Altersrenten und den Schlussfolgerungen des Rates über Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse.

Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, unsere Diskussion am heutigen Nachmittag erlaubt uns, Themen in Bezug auf die wirtschaftspolitische Steuerung und insbesondere ihre sozialen Aspekte anzusprechen. Als amtierender Präsident des Rates werde ich Ihren Reden natürlich genau zuhören und freue mich auf einen konstruktiven Meinungsaustausch, der uns bei allen folgenden Verhandlungen helfen wird.

 
  
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  Janusz Lewandowski, Mitglied der Kommission. Frau Präsidentin! Artikel 9 des Vertrags von Lissabon, auf den Sie sich beziehen, legt die Züge eines europäischen Modells der sozialen Marktwirtschaft tatsächlich ganz spezifisch fest. Liest man unsere Strategie Europa 2020, so kann man sehen, dass sie ganz genau dieses Modell von Europa unterstützt, indem sie die Bemühungen zu besseren Ergebnissen in Bereichen wie Erwerbsbeteiligung, lebenslanges Lernen, Anpassung an den Arbeitsmarkt, Mobilität und soziale Eingliederung bündelt.

Bei diesen großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist dies jedoch keine ausreichende Antwort, da das Klima der Krise in Europa negative oder gar dramatisch negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft, die öffentlichen Finanzen, den Arbeitsmarkt und die Lebensqualität in Europa hat. Um die von der Krise verursachten Herausforderungen zu meistern, hat die Kommission eine Reihe politischer Initiativen auf den Weg gebracht. Zur Stärkung der Stabilität unseres Finanzsystems hat die EU eine neue Architektur der Finanzregulierung vereinbart. Dies wurde im Parlament debattiert. Zweitens hat die Europäische Kommission in dem von Ihnen in Ihrer Frage erwähnten Legislativpaket eine umfassende Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Europäischen Union vorgeschlagen, um die Herausforderungen für die öffentlichen Finanzen und die makroökonomischen Ungleichgewichte zu meistern.

Das Paket enthält, wie Sie wissen, Vorschläge, wie die übermäßige Staatsverschuldung wirkungsvoller als in der Vergangenheit eingedämmt werden kann, indem ein zufriedenstellender Zeitrahmen für den Schuldenabbau festgelegt wird. Es schlägt außerdem Mindestanforderungen für die nationalen Finanzrahmen vor, um sicherzustellen, dass sie die Verpflichtungen des Vertrags einhalten, sowie ein Überwachungssystem für makroökonomische Ungleichgewichte wie beispielsweise übermäßige Leistungsbilanzdefizite und die Blasen am Immobilienmarkt. Es unterstreicht das Prinzip der Vorbeugung und Besonnenheit, um in Zeiten eines Konjunkturabschwungs besser vorbereitet zu sein. Um die Glaubwürdigkeit des neuen Rahmenwerks zu gewährleisten, schlägt die Kommission eine breite Palette an Sanktionen vor, die in einem frühen Stadium greifen sollen.

Die Philosophie, die hinter den vorgeschlagenen Rechtsvorschriften steht, ist, den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, eine disziplinierte Politik zu verfolgen und den Grundstein für eine langfristige Wachstumsleistung zu legen, die für das Wohlergehen der europäischen Bürgerinnen und Bürger von entscheidender Bedeutung ist, während gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung zukünftiger Krisen geleistet wird.

Angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage ist es sehr wichtig, diesen Rahmen für eine wirtschaftspolitische Steuerung so schnell wie möglich zu schaffen. Was die Folgenabschätzung betrifft, die Regierungsreformen wurden auf der Grundlage einer weitreichenden Analyse der EMU@10-Studie aus dem Jahr 2008 erstellt. Außerdem hat die Kommission bei der Vor- und Nachbereitung ihrer Mitteilungen zur neuen Steuerungsstruktur des sogenannten EU-Semesters, die im Mai und Juni 2010 angenommen wurden, ihren Vorschlag mit vielen Interessenvertretern und dem Europäischen Parlament sowie dem Rat diskutiert und eine breite und lebhafte Debatte über die Themen gefördert. Und natürlich haben wir die Vorschläge vor dem Hintergrund vergangener Ergebnisse und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen entwickelt.

Und was waren die wesentlichen Schlussfolgerungen? Der wichtigste Schluss ist, dass vorbeugende Maßnahmen viel wirkungsvoller sind als korrigierende Maßnahmen, die einem Staat auferlegt werden, der sich bereits in Schwierigkeiten befindet. Daher liegt unser Schwerpunkt darauf, den entsprechenden nationalen Politik-Mix für die Abstimmung zwischen wirtschaftlicher Belebung und Wachstum auf der einen Seite und Sparpolitik und Konsolidierung der öffentlichen Finanzen auf der anderen Seite positiv zu beeinflussen, denn hier liegen die entscheidenden Verantwortlichkeiten.

Europa braucht beides.

 
  
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  Elisabeth Morin-Chartier, im Namen der PPE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin, verehrter amtierender Präsident des Rates, Herr Kommissar! Lassen Sie mich nach der Frage von Frau Berès auf das Modell der wirtschaftspolitischen Steuerung eingehen, das wir als Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) vertreten: die Soziale Marktwirtschaft. Das heißt, dass wir in der Tat all unsere Bemühungen darauf verwenden müssen, nicht nur die Krise zu beenden und Armut zu bekämpfen, sondern – was viel wichtiger ist – unsere Mitbürgerinnen und Bürger sozial einzugliedern, von denen einige bereits im sozialen Abseits stehen.

Diese soziale Eingliederung müssen wir heute fördern, um einerseits sicherzustellen, dass diese Mitbürgerinnen und Mitbürger zurück in ein Beschäftigungsverhältnis kehren können, das heißt, wir müssen Arbeitsplätze zur Bekämpfung der Krise schaffen, und andererseits – und dies ist extrem wichtig – um sicherzustellen, dass in den kommenden Jahren in jedem Mitgliedstaat Ausbildungsprogramme zur Verfügung stehen, und zwar Initiativen zur Erstausbildung sowie Initiativen zum lebenslangen Lernen, damit unsere europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gerüstet sind, sich an den Arbeitsmarkt der Zukunft, die neuen Qualifikationen, die wir brauchen, und an die von der Strategie Europa 2020 erwartete Verbesserung der Qualifikationen anzupassen.

Artikel 9 zeigt uns daher eindeutig, dass es neben allem, was auf der Ebene der Finanzsysteme getan wird, noch einen wichtigen Bereich gibt, der weiterentwickelt werden muss, um zu gewährleisten, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgebildet und in der Lage sind, an der Gesellschaft voll teilzuhaben, weil sie in dieser Gesellschaft aktiv sind, und aktiv wiederum bedeutet, dass sie ausgebildet und für zukünftige Arbeitsplätze gerüstet sind.

Daher fordere ich, dass die Strategien der Kommission in Einklang mit diesem Ziel stehen, denn ansonsten werden wir das Ziel eines Europas mit einem starken sozialen Zusammenhalt aus den Augen verlieren.

 
  
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  Antolín Sánchez Presedo, im Namen der S&D-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin, verehrte Vertreter des Rates und der Kommission, meine Damen und Herren! Während der vergangenen 50 Jahre hat sich die Interdependenz unserer Wirtschaft verstärkt, wie auch die Interdependenz unserer Wirtschaftspolitiken.

Die Augen der Bürgerinnen und Bürger sind auf die Europäische Union gerichtet. Sie wissen, dass durch den Prozess der europäischen Integration viele Aspekte ihres Lebens von den EU-Institutionen gesteuert werden. Viele Entscheidungen werden gemeinsam getroffen.

Viele der traditionellen Instrumente der Mitgliedstaaten wurden auf die europäische Ebene verlagert, und jedermann erkennt, dass die Wirtschaftspolitik ein Thema ist, das von gemeinsamem Interesse auf europäischer Ebene ist. Daher steht die Europäische Union im Mittelpunkt dieser Krise. Alle Augen sind auf die EU gerichtet.

Im Gegensatz zu dem, was einige behaupten, haben wir die Krise noch nicht hinter uns gelassen. Wir haben allenfalls die Rezession hinter uns gelassen. Das prognostizierte Wachstum für dieses Jahr fällt gering und unregelmäßig aus, und das Problem ist, dass die Prognosen für nächstes Jahr immer noch davon ausgehen, dass das Wachstum leicht zurückgeht. Derzeit sind 23 Mio. Menschen in der Europäischen Union arbeitslos. Diese Krise hat einen tiefen sozialen Graben gerissen und darüber hinaus die öffentlichen Finanzen unter Druck gesetzt und sogar die Zukunft des Euro gefährdet.

Es ist erforderlich, dass wir die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union verbessern, um eine Antwort auf die Krise zu finden und die Zukunft des EU-Projekts zu sichern. Um diese gemeinsame Herausforderung zu meistern, müssen wir Wachstum und Beschäftigung wiederherstellen, das Wirtschaftsmodell ändern und ein globales nachhaltiges Wachstum fördern, und wir müssen dabei gleichzeitig die Zukunft des europäischen Sozialmodells sichern.

Aus der ersten Wirtschaftskrise im Jahr 1929 haben wir gelernt, dass die staatlichen Stellen die Pflicht haben, Wachstum und Beschäftigung wiederherzustellen. Aus der zweiten Wirtschaftskrise, dem Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, haben wir gelernt, dass das neue Europa auf sozialer Gerechtigkeit aufbauen sollte. Diese beiden Erfahrungen dürfen wir nicht vergessen, und beide müssen eine wesentliche Rolle bei der Zukunft eines nachhaltigen Europas spielen.

Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU besagt: „Bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen trägt die Union den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung.“

Es geht daher nicht nur um die Frage der Sparmaßnahmen. Sparmaßnahmen können dazu führen, dass das Wirtschaftswachstum zurückgeht. Wir brauchen politische Strategien, die außerdem das Wachstum fördern, mit anderen Worten, eine verantwortliche Politik. Auch ist es nicht eine Frage von „Wachstum jetzt und Wohlstand verteilen später“. Wir haben gelernt, dass die Verteilung zum Wachstum beiträgt. Es geht also nicht darum, erst Fortschritte zu machen, um dann später erst den Grundbedarf der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Wir haben gelernt, dass Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit und öffentliche Dienste notwendig sind, damit Gesellschaften sich weiterentwickeln können. Sind diese Strukturen nicht vorhanden, dann werden sie als Kosten die Zukunft unserer Gesellschaft belasten, und es ist nicht möglich, eine gesunde Wirtschaft in einer kranken Gesellschaft zu haben.

Daher stellen wir die folgenden Fragen: Muss der zukünftige gesetzliche Rahmen zur wirtschaftspolitischen Steuerung in Einklang mit dem Modell eines sozialen Europas und Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU stehen? Gibt es eine wirkliche Folgenabschätzung? Zum Schluss möchte ich noch fragen: Wollen wir wirklich, dass Präsident Barroso seine Verpflichtung im Hinblick auf soziale Auswirkungen erfüllt und deutlich sagt, dass Europa einen neuen Sozialpakt mit Blick auf haushaltspolitische und arbeitsrechtliche Maßstäbe braucht, ein Modell, das Beschäftigung, Gerechtigkeit, den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und globale Entwicklung sicherstellt? Eine Reform, die all dies nicht beinhaltet, wäre nicht ausreichend.

 
  
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  Marian Harkin, im Namen der ALDE-Fraktion. Frau Präsidentin! Als ich um Ja-Stimmen für den Vertrag von Lissabon geworben habe, präsentierte ich den irischen Bürgerinnen und Bürgern 10 gute Gründe, um für Lissabon zu stimmen. Einer davon war die Sozialklausel, Artikel 9.

Ich habe bei mehreren Gelegenheiten in diesem Plenarsaal und auch anderswo die Kommission und den Rat aufgefordert, Artikel 9 in ihren Vorschlägen über die wirtschaftspolitische Steuerung anzuwenden und natürlich auch bei ihrer Antwort auf die derzeitige Wirtschaftskrise, die eine echte Bewährungsprobe in Bezug auf ihre Verpflichtung zur Sozialklausel darstellt. In Irland, wo letzte Woche der Mindestlohn um einen Euro gekürzt wurde und Invaliditätsrenten und Renten für Blinde ebenfalls gekürzt wurden, sehen wir, wie diese Antwort aussieht. Welche Bedeutung haben die in Artikel 9 enthaltenen Begriffe „Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung“ oder „Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes“ denn noch für diese Bürgerinnen und Bürger?

Sie können natürlich sagen, dies sei lediglich eine interne Angelegenheit Irlands. Das ist es aber nicht. Die Parameter für Sparmaßnahmen in Irland wurden von der EU gesetzt, und unsere Regierungen wird Ihnen monatliche Berichte schicken. Werden Sie sie an Artikel 9 erinnern, wenn der Bericht über die Kürzung des Mindestlohns eintrifft? Wie konnte dies geschehen? Dies konnte geschehen, weil irische und europäische Banken unverantwortliche Praktiken bei der Kreditvergabe direkt vor den Augen der EZB betrieben haben.

Die Zinssätze, die Sie Irland nun für Kredite berechnen, betragen laut den heutigen Tageszeitungen 3 % mehr als die Zinssätze, die Lettland, Rumänien und Ungarn berechnet wurden. Vertreter des Rechnungshofs sagen, es gäbe keinen Fall in der Vergangenheit, bei dem die EU so hohe Gebühren für Kredite berechnet habe. Darf ich Sie bitten, dies zu bestätigen oder zu verneinen? Falls dies wahr ist, erklären Sie mir bitte, inwiefern die Sozialklausel für die irischen Bürgerinnen und Bürgern gilt, damit ich es ihnen erklären kann. Diese Situation spielt sich ganz spezifisch in Irland ab, aber falls dies eine Vorlage für andere Mitgliedstaaten in Not sein soll, dann ist Artikel 9 hinfällig.

 
  
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  Philippe Lamberts, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin! Ich werde mich kurzfassen. Wenn wir uns die Politik anschauen, die bis heute umgesetzt wurde, dann ergibt sich allgemein, dass es 80 % Kürzungen bei den Ausgaben gibt und eine 20%ige Erhöhung bei neuen Einnahmen, und das ist wohl schon großzügig bemessen.

Jeder weiß ganz genau, dass bei Kürzungen der öffentlichen Ausgaben um 80 % zu allererst die hilfsbedürftigsten Menschen unserer Gesellschaft den Preis dafür zahlen werden. Daher möchte ich Ihnen gegenüber meine Empörung ausdrücken, indem ich hier zwei Kontraste hervorhebe: Der erste Kontrast, den ich sehe, besteht zwischen der wirtschaftspolitischen Steuerung einerseits und der Strategie EU 2020 andererseits.

Wirtschaftspolitische Steuerung erfordert scharfe, unverzügliche Maßnahmen und strenge, verbindliche Regeln. Die Strategie EU 2020 hat zwar gute Absichten, insbesondere die Reduzierung der Armut, aber sie ist eine weiche, freiwillige Option, und die Regierungen werden ihr nur folgen, wenn sie das wirklich wollen und auch die Zeit dazu haben. All dies ist nicht verbindlich. Ich meine, dass dieser Widerspruch nicht haltbar ist und daher gegen den Geist von Artikel 9 verstößt.

Der zweite Kontrast besteht zwischen den Bereichen wirtschaftspolitische Steuerung auf der einen Seite und öffentliche Ausgaben auf der anderen. Öffentliche Ausgaben müssen schnell gedrosselt werden, ansonsten sind wir auf dem Weg in die Katastrophe. Die Schulden müssen innerhalb von höchstens 20 Jahren reduziert werden – wenn möglich, sogar früher –, aber ohne eine Folgenabschätzung verlieren wir da kaum einen Gedanken drüber.

Bei der Schaffung neuer Einnahmen – der Haushaltsplan besteht schließlich aus Einnahmen und Ausgaben – durch Steuern für Finanztransaktionen, Energiesteuern und einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage sagen wir: „Moment mal, es muss eine Folgenabschätzung durchgeführt werden, wir müssen die Folgen berücksichtigen, wir dürfen nicht zu viel tun. Lasst uns darüber nachdenken, wir müssen uns Zeit nehmen, lasst uns abschätzen ...“ Ich verstehe wirklich nicht, wie wir einerseits mit Vollgas voranpreschen müssen, ohne uns über die Folgen Gedanken zu machen, und wir es andererseits langsam angehen und uns Zeit nehmen, alles zu überdenken, während die Bürgerinnen und Bürger in der Zwischenzeit den Preis dafür bezahlen.

Ich denke, dass diese Kontraste jedem deutlich machen, dass Artikel 9 nicht so viel Gewicht hat wie die in den Verträgen der Europäischen Union enthaltenen Artikel zur wirtschaftspolitischen Konvergenz, und dies ist nach meiner Auffassung ein Kontrast, den wir auflösen sollten, wenn wir das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen wollen.

 
  
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  Proinsias De Rossa (S&D). - Frau Präsidentin! Ich möchte die Kommission fragen, ob sie dem Parlament eine spezifische Erklärung geben kann, wie sie denn beabsichtigt, Artikel 9 umzusetzen. Wir hören ständig etwas über makroökonomische Überwachung. Wir hören niemals etwas über die makro-soziale Überwachung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten bei der Verfolgung der europäischen Sozialpolitik und ihrer Ziele.

Ich möchte, dass sie uns mitteilt, ob sie vorhat, dies einfach als Folgenabschätzung zu verwenden, d. h. dass sie hofft, ihre Maßnahmen werden keine sozialen Folgen haben. Das reicht aber nicht, denn Artikel 9 soll die in Artikel 3 des Vertrags festgelegten Ziele der Europäischen Union fördern. Es reicht nicht aus, dass es schlicht keine Auswirkungen gibt, sondern es muss positive Auswirkungen geben. Dies ist die Pflicht der Kommission, und sie muss die Verträge umsetzen.

Ich wollte außerdem noch das Thema „soziale Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ ansprechen, zu dem ich der Berichterstatter bin. Es gibt keinerlei Zweifel darüber, dass die von der Kommission verfolgte derzeitige Strategie zur Überwindung der Krise die sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den Mitgliedstaaten zerstören wird. Dazu brauchen Sie sich nur die Gemeinsame Absichtserklärung anzuschauen, die die Kommission mit der irischen Regierung abgeschlossen hat. Auf Seite 2 steht geschrieben, dass eine Kürzung der laufenden Ausgaben 2011 von knapp über 2 Mrd. EUR durchgeführt wird, darunter Kürzungen von Ausgaben im Bereich des sozialen Schutzes, eine Verringerung der Zahl von Angestellten im öffentlichen Dienst, progressive Kürzungen der bestehenden Pensionen im öffentlichen Dienst, weitere Einsparungen bei Ausgaben von über 1 Mrd. EUR und Kürzungen von fast 2 Mrd. EUR bei öffentlichen Investitionen gegenüber den bestehenden Plänen für 2011.

Was sonst könnte denn die Folge hiervon sein, wenn nicht der Abbau von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und ganz besonders der sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse? Wo bleibt denn nun Artikel 9? Wo war Artikel 9, als die Kommission diesen Handel mit einer konservativen irischen Regierung, die kurz vor dem Kollaps stand, ausmachte?

Ich möchte die Kommission fragen, wann sie beabsichtigt, diese Gemeinsame Absichtserklärung, die sie mit der irischen Regierung unterzeichnet hat, dem Parlament zu präsentieren? Sie ist dazu gemäß dem Vertrag von Lissabon verpflichtet. Wann werden wir sie zu sehen bekommen? Wann werden wir Gelegenheit bekommen, hier darüber zu diskutieren?

Ein weiterer Punkt dieser Vereinbarung, den ich heute Morgen erwähnte, ist die Tatsache, dass die Kommission darauf besteht, dass der Mindestlohn in Irland um jährlich 2000 EUR reduziert wird. Ich wiederhole: der Mindestlohn. Der Vertrag von Lissabon besagt, dass wir angemessenen sozialen Schutz brauchen, dass wir Menschen ermutigen müssen, weiterhin zu arbeiten, dass wir die Armutsfalle beseitigen müssen, usw., usw., usw., und dennoch reduzieren wir den Mindestlohn um 2000 EUR pro Jahr. Wozu sollte dies denn sonst führen, als dass noch mehr Menschen dazu veranlasst werden, ihre Arbeit aufzugeben, um sich in die vergleichsweise sichere Abhängigkeit der Sozialhilfe zu begeben?

Dies sind Fragen, auf die die Kommission eine Antwort geben muss. Wir wollen kein Geschwafel mehr. Kein weiteres plámás. Kein Eurospeak mehr. Wir wollen klare Antworten dazu, wie die Kommission Artikel 9 des Vertrags in Bezug auf die wirtschaftspolitische Steuerung anwenden wird, und insbesondere, welche Vorkehrungen sie mit den Mitgliedstaaten bezüglich der Strategie zur Bewältigung der Krise treffen wird.

 
  
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  Salvatore Iacolino (PPE).(IT) Frau Präsidentin, verehrter amtierender Präsident des Rates, Herr Kommissar! Es besteht kein Zweifel, dass es das richtige und erklärte Ziel des Europäischen Parlaments ist, das Thema der wirtschaftspolitischen Steuerung weiterhin aufmerksam zu verfolgen.

Artikel 9, der in dieser Frage erwähnt wird, steht mit dem Erfordernis in Einklang, alles, was die einzelnen Bürgerinnen und Bürger betrifft, sorgfältig abzuwägen.

Heute wurde vor nur wenigen Stunden ein wichtiges Gesetz verabschiedet, das das Recht der Bürgerinnen und Bürger, ein Gesetz zu initiieren, um ihrem Unionsbürgerrecht Ausdruck zu verleihen, anerkennt.

Mehr Stabilität bedeutet mehr Kontrollen, es bedeutet, rechtzeitig und effektiv einzugreifen, und es bedeutet, das Beste aus dem Wettbewerb herauszuholen. Härte muss mit Effizienz und Substanz kombiniert werden. Sozialer Schutz ist eng mit dem wirklichen Willen verknüpft, in besonders schwierigen Situationen – wie die, in der wir uns derzeit befinden – Arbeitsplätze zu schaffen.

Aus diesem Grund müssen wir über dieses Thema mit sämtlichen Akteuren sprechen, und zwar auf sinnvolle Weise.

 
  
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  Kyriakos Mavronikolas (S&D).(EL) Frau Präsidentin! Die Frage der wirtschaftspolitischen Steuerung und die von ihr gesetzten Ziele, ganz besonders die im Vertrag von Lissabon aufgeführten, werfen spezifische Fragen auf, nämlich ob die angewandte Politik aus sozialer Sicht richtig ist, ob das angewandte Wirtschaftsmodell umweltfreundliches Wachstum fördert und ob es Arbeitslosigkeit verhindert, ganz besonders bei jungen Menschen.

Hierbei möchte ich auf die Republik Zypern verweisen, die nun unter Beobachtung steht. Die Maßnahmen tun alles andere, als einen Weg zu einer echten Sozialpolitik und sozialer Anerkennung zu ebnen, ganz besonders die Maßnahmen, die den Interessen der jungen auf der Insel aufwachsenden Generation entgegenstehen.

 
  
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  Nikolaos Salavrakos (EFD).(EL) Frau Präsidentin! Der neue Bericht zur Beschäftigung in Europa 2010 bestätigt, dass es die jungen Menschen sind, die die Last der Krise tragen, und dass junge Menschen immer mehr Problemen ausgesetzt sind, wobei Arbeitslosigkeit hauptsächlich die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen betrifft. Es reicht nicht aus, das Problem nur zu erkennen. Wir müssen es lösen. Wir haben 3 Mio. arbeitslose Menschen in der Europäischen Union. Herr Kommissar, sagen Sie mir bitte, was können wir dagegen tun? Ich bin der Auffassung, dass Ihre Bemühungen, das Problem zu dokumentieren, positiv sind, aber das Problem muss auch gelöst werden, und Sie haben dabei eine historische Rolle. Es ist besorgniserregend, dass in Griechenland, dem Land, aus dem ich komme, die Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen im Alter bis 24 Jahre 27,5 % erreicht hat – eine erstaunliche und sehr gefährliche Zahl. Was außerdem höchste Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass die Zahl der Arbeitslosen nicht fällt, obwohl die Zahl der formellen Qualifikationen zunimmt. Wie Sie wissen, bedeutet Beschäftigung nicht einfach nur, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie ist die Grundlage der menschlichen Würde. Wir müssen unseren jungen Menschen Würde geben.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Frau Präsidentin! Gerade erst berichten die Medien davon, dass die Vorstände der bundesdeutschen Pleitebank HRE für knapp zwei Jahre Arbeit Ansprüche auf Luxuspensionen erworben haben, aus Verträgen, die abgeschlossen wurden, als diese Bank bereits massive Staatshilfe bekam. Dies bestätigt den Bürger der Union in der Meinung, dass den Banken Geld nachgeschmissen wird, während bei den einfachen Bürgern massiv gespart wird.

Artikel 9 des Lissabonner Vertrags redet von einem „hohen Beschäftigungsniveau unter Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes“. Das klingt für jene Menschen in Europa, die von der Finanz- und Wirtschaftskrise besonders hart getroffen sind und bei denen nun gespart wird, wie blanker Hohn. Wenn etwa in Ungarn die Pensionsreform zurückgenommen wird und die Bürger in das staatliche Pensionssystem zurückwechseln müssen oder 70 % ihrer Pensionsansprüche verlieren, dann zeigt das, welch eisiger Wind in der EU weht. In der Plenardebatte zur Zukunft der Eurozone erklärte der EU-Ratspräsident, die Vorkommnisse in Dublin hätten die Bedeutung einer wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU unterstrichen. Das Gegenteil ist meines Erachtens der Fall. Zu viel Zentralismus und zu viel Gleichmacherei.

 
  
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  Janusz Lewandowski, Mitglied der Kommission. Frau Präsidentin! Damit wir das sogenannte europäische Wirtschafts- und Sozialmodell verteidigen können, müssen wir das europäische Modell der Realität anpassen, namentlich den globalen Herausforderungen und der Krise in Europa. Wenn wir das Modell verteidigen wollen, kann es nicht so bestehen bleiben.

Eine wesentliche Annahme, die bereits vorgebracht wurde, ist die folgende – und dies ist eine Grundphilosophie: Konsolidierung und neues Vertrauen in die Märkte sind die Grundlage für stabiles, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. Dies ist für das Wohlergehen der europäischen Bürgerinnen und Bürger sehr wichtig.

Um auf die Fragen von Frau Harkin und Herrn De Rossa zu kommen – wobei sich Herr De Rossa auf Irland bezieht –: Wir legen diesbezüglich den gleichen Zinssatz fest wie der IWF. Wir sind nicht verpflichtet, die Gemeinsame Absichtserklärung mit der irischen Regierung öffentlich zu machen. Ich muss sagen, dass es nichts Unsozialeres gibt, als Defizite und Schulden anzuhäufen, für die dann die zukünftigen Generationen europäischer Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen. Es gibt nichts Verantwortungsloseres als Bankpraktiken, die das Problem der Banken zu einem Problem der Staatsverschuldung machen. Dies ist unsoziales, unverantwortliches Handeln, und dafür können wir nicht der Kommission die Schuld in die Schuhe schieben.

Wir haben erkannt, dass es eine klare Spannung zwischen den in so vielen Ländern durchgeführten Sparmaßnahmen und ihren Auswirkungen auf die soziale Eingliederung und das Armutsniveau gibt. Das haben wir erkannt, und daher brauchen wir Folgenabschätzungen und Diskussionen. Eine solche Diskussion wurde hier im Parlament geführt.

Noch einmal: Unsere Grundphilosophie basiert darauf, dass der wichtigste Punkt die Vorbeugung ist. Vorbeugung heißt, dass wir den Politik-Mix auf nationaler Ebene beeinflussen sollten. Der Politik-Mix auf nationaler Ebene ist hauptsächlich für den Ausgleich zwischen Sparpolitik und Wachstum verantwortlich. Dies ist der Hauptverantwortungsbereich, jedoch sollten wir diesen Politik-Mix auf nationaler Ebene dahingehend beeinflussen, dass die Zukunft Europas nicht auf Schulden und Defiziten aufgebaut wird, weil dies in die Sackgasse führt.

 
  
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  Olivier Chastel, amtierender Präsident des Rates.(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, verehrte Damen und Herren! Wie Sie alle von meiner ersten Rede wissen, ist sich der Rat der Verpflichtungen voll bewusst, die sich aus Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes ergeben. Diese Verpflichtungen werden jetzt und in der Zukunft angemessen bei sämtlicher Arbeit des Rates berücksichtigt.

Angesichts der universellen Gültigkeit dieser Verpflichtung ist dies auch im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung erforderlich. Dies gilt auch für die Ergebnisse des Berichts der Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Präsidenten Van Rompuy, der im Oktober vom Europäischen Rat voll unterstützt wurde. Dies gilt ebenfalls für die von der Kommission am 29. September vorgelegten sechs Legislativvorschläge, die das Ergebnis der Arbeit der Arbeitsgruppe waren.

Dennoch ist es für die Einhaltung der sich aus Artikel 9 ergebenden Verpflichtung nicht erforderlich, eine formelle Prüfung zur Sozialverträglichkeit durchzuführen. Unsere Verpflichtung, die sich sowohl auf den Rat als auch das Parlament bezieht, ist es, diese Erfordernisse zu berücksichtigen, ganz besonders weil es die Aufgabe unserer Institutionen ist, die Politik und die Arbeit der Union durch die Beschließung entsprechender Rechtsvorschriften zu gestalten. Genau das wird der Rat tun.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Nikolaos Chountis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Das von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmenpaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung sieht eine strengere Disziplin im Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie der Haushaltsüberwachung vor, indem es Sanktionen für „undisziplinierte“ Mitgliedstaaten vorschlägt. Mit anderen Worten, es ist eine schlechtere Version des Rezeptes, das die EU in die Krise und die Rezession geführt hat und damit ihre sozialen Probleme drastisch verschlimmert hat. Der von der Kommission vorgezeichnete Weg mit der Forderung nach institutionellen Änderungen verschärft die sozialen und regionalen Ungleichheiten. Schließlich sind die sehr bedauerlichen sozialen Auswirkungen, die von meinen Kolleginnen und Kollegen in ihren Fragen angesprochen werden, eine bekannte Tatsache. Darüber hinaus sehen wir diese Auswirkungen bereits in der Praxis, und die Arbeitnehmer zahlen die Rechnung, nicht nur in bestimmten Ländern des Südens, sondern in der gesamten EU. Das Europäische Parlament muss dieser Politik entgegentreten, die neben strengen Sparmaßnahmen und dem Abbau der Arbeitnehmerrechte seine eigene Rolle und die Rolle der nationalen Parlamente untergräbt. Mit anderen Worten: Sie unterminiert die Rolle der gewählten Vertreter der EU-Institutionen, die jedoch ein größeres Bewusstsein für die Forderungen und Proteste der Bürger an den Tag legen sollten.

 
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