Die Präsidentin. (FR) – Nach der Tagesordnung folgt der Bericht von Herrn Arlacchi im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über eine neue Strategie für Afghanistan (2009/2217(INI)) (A7-0333/2010).
Pino Arlacchi, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, der Bericht, über den wir heute beraten haben, wurde praktisch einstimmig im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten dieses Parlaments angenommen. Er ist das Ergebnis der Arbeit eines Jahres, die von einem von mir geführten Team geleistet wurde und auf ausgiebigen Konsultationen in Kabul und Brüssel basiert.
Dieser Bericht stellt einen Versuch dar, ein Paradoxon zu erklären: Wieso wurde so wenig in Afghanistan erreicht, auch nach neun Jahren des internationalen Einsatzes? Seit 2001 belaufen sich die Kosten der Militäreinsätze innerhalb des Landes auf mehr als 300 Mrd. EUR, und viele Tausend Menschen verloren ihr Leben; außerdem wurden mindestens weitere 40 Mrd. EUR auf ziviler Seite ausgegeben: Insgesamt belaufen sich die Kosten auf das Dreißigfache des afghanischen BIP.
Trotz dieser immensen Anstrengungen ist Afghanistan nach wie vor der größte Rauschgift-Produzent. Es ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt, in dem das Leben – für den Großteil Teil der afghanischen Bevölkerung – kurz, brutal und schlimm ist, wie es auf unserem Kontinent vor fünf Jahrhunderten war. Allein die Müttersterblichkeit fordert in Afghanistan mehr Menschenleben als der Krieg: mehr als 20 000 Fälle jährlich im Vergleich zu 2300. Die Lösung dieses Paradoxons ist nicht einfach. Die Opium-Problematik und die Stärke der Aufständischen müssen berücksichtigt werden, genauso wie der Glaube an die Illusion des schnellen militärischen Sieges, der in den ersten Jahren des internationalen Einsatzes noch vorherrschte. Darüber hinaus wurde die Legitimität der Zentralregierung überschätzt, wie auch die Effektivität der internationalen Hilfeleistungen beim Wiederaufbau des Landes.
Dieser Bericht versucht nicht, all diese Angelegenheiten zu vereinfachen. Er akzeptiert die Herausforderung in ihrem gesamten Ausmaß, und dieses Dokument stellt einen Versuch dar, neue Richtungen für unsere Strategien vorzuschlagen. Der Bericht nähert sich dem Thema von einem europäischen Standpunkt aus. Das bedeutet, dass die Afghanistankrise von einem Blickwinkel aus betrachtet wird, der nicht einfach die amerikanische Perspektive widerspiegelt. Die europäischen Werte und Grundsätze sind von Bedeutung. Sie beeinflussen die Art und Weise, wie das Afghanistanproblem von den Bürgerinnen und Bürgern Europas betrachtet wird, und diese glauben grundsätzlich nicht an eine militärische Lösung, da wir vor mehr als 65 Jahren die Idee aufgegeben haben, dass Krieg und die Besatzung fremder Länder eine gute Lösung darstellen.
Die Europäische Union wurde auf Grundlage einer Abneigung dem Krieg gegenüber errichtet, und dieser Bericht bringt diese Einstellung zum Ausdruck. Speziell beim Thema Afghanistan unterstützen die Bürgerinnen und Bürger der EU nachdrücklich eine zivile Herangehensweise als Alternative zur Gewaltanwendung. Unsere Herangehensweise ist nicht naiv; sie ist nicht vergleichbar mit der Sanftmut der Venus gegen die Stärke des Mars, wie hier angemerkt wurde. Es geht vielmehr um die Macht der Vernunft und der menschlichen Solidarität, angewendet in einer Krise wie in der Krise Afghanistans, die nicht mit einer grob vereinfachten Lösung und Mentalität bewältigt werden kann.
Dieser Bericht schlägt eine Strategie vor, die die eingeschränkte Verwendung von Zwangsmitteln nicht ausschließt. Der Schutz des afghanischen Volkes vor Terroristen und kriminellen Angriffen ist eine Voraussetzung für die Entwicklung, und dieses Parlament ist der Meinung, dass die Kombination aus friedenserhaltenden Interventionen, multilateraler Diplomatie, Friedensverhandlungen im Inland, wirksamen Mitteln der Verringerung der Armut, der Schaffung demokratischer Institutionen und dem Schutz der Frauenrechte die Grundlage einer neuen, Erfolg versprechenden Strategie für Afghanistan und andere Länder darstellt.
Ich hoffe, dass die hier dargestellte Strategie vom neuen System sorgfältig umgesetzt wird, und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Baroness Ashton dazu einzuladen, diese Bestrebungen gemeinsam mit dem Parlament zu unterstützen.
Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik. − Frau Präsidentin, zunächst möchte Herrn Richard Holbrooke gedenken, einem engagierten Diplomaten, einem Verteidiger des Friedens und einem Mann, den ich mit Stolz als meinen Freund bezeichnen konnte. Ich möchte dem ehrenwerten Abgeordneten Herrn Arlacchi für diesen umfassenden Bericht meinen Tribut zollen und für die Arbeit, die er, wie ich weiß, geleistet hat, die in den letzten Monaten zu einer gehaltvollen Debatte in diesem Parlament geführt hat. Ich selbst freue mich sehr darauf, in den kommenden Monaten mit ihm und den anderen Kolleginnen und Kollegen im Parlament zusammenzuarbeiten, da für uns nun eine Phase beginnt, die ich als entscheidend für unseren Einsatz in Afghanistan bezeichnen würde.
Wie Herr Arlacchi sagte, betreffen die Probleme Afghanistans gewissermaßen uns alle. Gewalttätiger Extremismus reicht über die Grenzen der Region hinaus. Die in Afghanistan angebauten und hergestellten Drogen gelangen auf die Straßen Europas. Die Motivation für unseren Einsatz besteht darin, dass wir unbedingt verhindern müssen, dass Afghanistan zum sicheren Rückzugsgebiet für Terrorismus und kriminelle Aktivitäten wird. Aber ebenso wichtig ist es, dass wir eine bessere, sicherere und blühendere Zukunft für das afghanische Volk unterstützen. Ohne diese wird es zu keiner Lösung kommen.
Als Reaktion auf diese Herausforderungen möchte ich zunächst sagen, dass die Europäische Union langfristig in Afghanistan engagiert ist, wie ich es schon oft an anderer Stelle gesagt habe. Wir verfügen über ein Hilfsprogramm bis 2013 – und ich bin mir sicher, auch darüber hinaus –, und wir haben nun die Unterstützung auf mindestens 200 Mio. EUR jährlich erhöht, wohingegen wir zuvor 150 Mio. EUR im Jahr bereitgestellt hatten.
Mit dieser Art von Finanzierung können wir weiterhin das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die Staatsführung und die Rechtsstaatlichkeit unterstützen, und trotz der Tatsache, dass die Sicherheitsbedenken für uns alle an erster Stelle stehen, denke ich, dass wir in Schlüsselbereichen des sozialen Bereichs einige bemerkenswerte Erfolge erreichen konnten.
Ich habe in diesem Haus bereits das Gesundheitswesen erwähnt, in dem nun beispielsweise 80 % des Landes Zugang zu einer gewissen primären Gesundheitsversorgung besitzt, im Vergleich zu weniger als 10 % im Jahr 2001. Es ist aber auch der Fall, dass die Gesundheitsindikatoren in Afghanistan nach wie vor zu den schlechtesten der Welt gehören, also liegt noch viel Arbeit vor uns. Abgesehen davon zeigen uns die Statistiken der Vereinten Nationen, dass im Vergleich zum Jahr 2001 die Anzahl der verstorbenen Neugeborenen um 40 000 Fälle pro Jahr gesunken ist, was an der deutlich verbesserten pränatalen Versorgung liegt.
Wir arbeiten auch weiterhin daran, dass so viel Unterstützung wie möglich über die afghanischen Regierungsstrukturen abgewickelt wird, damit sichergestellt ist, dass der Reformprozess unter afghanischer Führung umgesetzt wird. Rund 50 % unserer Unterstützung wird entweder durch nationale Programme oder durch Treuhandfonds zur Verfügung gestellt, die direkt der afghanischen Regierung zugutekommen. Dies wirkt sich positiv auf die Koordinierung der Geber, auf den Aufbau lokaler Kapazitäten und auf die Förderung der Eigenverantwortung der Afghanen aus. Auf diese Weise wird auch anderen Gebern ein gutes Beispiel gegeben.
Aber bei der internationalen Koordination existiert immer Raum für Verbesserungen. Wir müssen mehr tun, und wir müssen es besser machen. Wenn wir aber betrachten, was die Europäische Union leistet, denke ich, dass wir echte Fortschritte gemacht haben, die durch die Ankunft unseres neuen EU-Sonderbeauftragten, dem Leiter der Delegation, Vygaudas Ušackas, der im April nach Afghanistan kam, noch deutlich ausgebaut wurden.
Unsere politische Botschaft ist schlüssiger, und wir verbessern die Koordinierung unserer Entwicklungsanstrengungen innerhalb der Europäischen Union durch den Aktionsplan für Afghanistan und Pakistan, der im Oktober vergangenen Jahres durch den Ministerrat angenommen wurde.
Dieser Aktionsplan richtet die gemeinsamen und die von den einzelnen Mitgliedstaaten eingesetzten Instrumente auf unsere strategischen Prioritäten aus – vor allem auf jene, die bei der Kabul-Konferenz entwickelt wurden, an der ich im Juli teilnahm.
Die Anpassung unserer Anstrengungen und unserer Herangehensweise ist ein Schlüsselaspekt des Plans. Er identifiziert Bereiche, in denen unsere Aktionen als Europäische Union unserer Meinung nach am wirkungsvollsten sein werden. In der Tat diskutierten die Entwicklungsminister der Europäischen Union unter meinem Vorsitz letzte Woche in Brüssel genau diese Themen.
Dies bringt mich gewissermaßen zu meiner heutigen Kernbotschaft, die wäre, dass die Umsetzung unserer bestehenden Strategien die Priorität darstellen muss. Der strategische Rahmen für den militärischen und den zivilen Bereich ist bereits eingerichtet.
Ich habe letzten Monat gemeinsam mit beiden Präsidenten am ISAF-Treffen in Lissabon teilgenommen, bei dem die Übertragung der Sicherheitsverantwortung gemäß dem NATO-Übergangsplan beschlossen wurde. Ich habe mich in den letzten Monaten drei Mal mit General David Petraeus getroffen, und auch wenn es noch viel zu tun gibt, bin ich davon überzeugt, dass die bestehende Strategie nun tatsächlich Wirkung zeigt.
Auf der zivilen Seite gab es die erfolgreiche Kabul-Konferenz. Die afghanische Regierung muss für die Organisation und den Schwerpunkt dieser Veranstaltung im Juli gelobt werden. Es handelte sich dabei nicht um die gewöhnliche Abfolge von Bitten und Spendenzusagen. Die Tagesordnung befasste sich vielmehr damit, wie unsere bestehenden Ressourcen und Verpflichtungen am besten mit Prioritäten versehen werden können, um unsere Anstrengungen in vereinbarten nationalen Programmen zu bündeln, die von den Afghanen selbst entwickelt wurden.
Diese nationalen Prioritätsprogramme ebneten den Weg für einen Übergang in einer Reihe von verschiedenen Bereichen, und wir müssen sie nun unterstützen, und genau das machen wir mithilfe des Aktionsplans. Wir alle wissen, dass es keinen nachhaltigen militärischen Rückzug aus Afghanistan geben kann, solange kein ziviler Rahmen für Stabilität existiert, der das Land zusammenhält. Effektivere staatliche Einrichtungen, bessere Staatsführung, Zugang zur Grundversorgung, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit sind ebenso wichtig wie harte Sicherheit.
Daher werden wir unsere Anstrengungen verstärken, die afghanischen Kapazitäten auszubauen, und wir werden mit der afghanischen Regierung zusammenarbeiten, um effektive und rechenschaftspflichtige staatliche Einrichtungen zu schaffen, vor allem auf subnationaler Ebene. Tatsächlich werden wir in allen Bereichen, in denen wir uns engagieren – die Entwicklung des ländlichen Raums, die Gesetzesvollstreckung, die Grenzverwaltung oder die Bewältigung des Rauschgifthandels – daran arbeiten, afghanische Institutionen aufzubauen, wobei das Augenmerk auf der Förderung der Rechtsstaatlichkeit und der Staatsführung sowie auf dem Kampf gegen die Korruption liegt.
Zur Frage der afghanischen Institutionen möchte ich abschließend ein Wort über afghanische Projekte sagen. Unsere Entwicklungsbestrebungen werden erst dann nachhaltig sein, wenn die afghanische Regierung rechenschaftspflichtiger und allumfassender wird. Wir müssen sie dazu ermutigen, eine entsprechend langfristige Sichtweise anzunehmen. Momentan wird die Hälfte der menschlichen Kapazitäten in diesem Land an den Rand der Gesellschaft gedrängt, und trotzdem haben uns Bespiele aus anderen Teilen der Welt gezeigt, dass die Einbeziehung der Frauen in der Staatsführung und bei Entwicklungsprozessen von fundamentaler Bedeutung ist. Ich war von diesem ungenutzten Potenzial zutiefst beeindruckt, als ich mich letzten Juli in Kabul mit einigen Frauenvereinigungen traf. Dies wird auch weiterhin einer der entscheidenden Aspekte unseres Einsatzes in Afghanistan bleiben, sei es durch die politische Unterstützung für weibliche Abgeordnete im neuen afghanischen Parlament oder durch unsere Unterstützung der Teilnahme von Frauen an lokalen Entwicklungsprojekten wie dem weitgehend anerkannten Nationalen Solidaritätsprogramm, das seit 2002 durch die Weltbank von uns finanziert wird.-
Abschließend möchte ich dem Abgeordneten Herrn Arlacchi meinen Dank dafür aussprechen, dass er so viele wichtige Themen in diesem Bericht hervorgehoben hat. Ich glaube, dass er zu einem wirklich passenden Zeitpunkt vorgebracht wurde, da gerade jetzt so viel für unser militärisches und ziviles Engagement auf dem Spiel steht.
Charles Goerens, Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für regionale Entwicklung. – (FR) Frau Präsidentin, Afghanistan hat nicht mehr wirklich die Wahl.
Erstens stellt der Status quo keine realistische Option mehr dar, da die NATO-Kräfte nach und nach ihren Abzug aus Afghanistan ankündigen, wobei wir noch nicht wissen, ob das Land in der Lage sein wird, für seine eigene Sicherheit Sorge zu tragen.
Wäre zweitens eine Rückkehr zur Situation vor dem Jahr 2000 eine Option? Wir würden das Land somit erneut einem Kräftemessen mit ausländischen Militärkräften aussetzen, indem wir Rückzugsgebiete für Terrornetzwerke schaffen.
Sollte drittens den gemäßigten Taliban die Einflussnahme ermöglicht werden? Ich kann nicht sagen, was ich von dieser Option halte, da uns niemand genau sagen kann, was ein gemäßigter Taliban-Anhänger ist. Fragen wir doch die afghanischen Frauen, die der Hölle entkommen sind und gerade erst ein bisschen Freiheit wiederentdeckt haben.
Was viertens verbleibt, ist eine Weiterführung der Anstrengungen, um das Erreichte zu festigen, und die Fortsetzung des Kampfes für mehr Demokratie und stärkere Entwicklung. Karzai, der die Verkörperung dieser Option darstellen möchte, muss noch ein deutliches Hindernis überwinden, nämlich seine Person. Bis es eine glaubwürdige Alternative gibt, ist dies die einzige uns offenstehende Option.
Ioannis Kasoulides, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, der Schlüsselfaktor in diesem Bericht ist die Strategie zur Bekämpfung von Aufständischen im EU-Aktionsplan, und ich danke Herrn Arlacchi dafür, dass er dies verstanden hat.
Dieser Strategie muss Zeit gewährt werden, damit sie entsprechend den von Präsident Obama festgelegten Zeitplänen funktionieren kann, wobei das Jahr 2014 als endgültiger Termin für die vollständige Übergabe der Verantwortung für Militär und Sicherheitskräfte an die Afghanen gilt. Die letzte Phase wird sicherlich politischer Natur sein und aus einem Abkommen bestehen, das auf Verhandlungen mit allen Beteiligten des Afghanistan-Konflikts beruht.
Ein Kontakt mit den Taliban liegt in den Händen der Afghanen, aber damit sollte begonnen werden, sobald sich die Aufständischen selbst nicht mehr in einer Machtposition sehen. Die Verteilung von Hilfsgütern und der Einsatz privater Unternehmen sollten überdacht werden, damit die einheimische Bevölkerung davon profitieren kann – natürlich ohne dabei Schutzgeld an die örtlichen Aufständischen für die Nutzung der Versorgungswege zu zahlen.
Neben der Sicherheit sollten wir dem Thema Rauschgift ebenso viel Bedeutung beimessen, um das Leben der jungen Menschen Europas zu schützen. Wir sprechen uns nachdrücklich gegen Absatz 71 aus, der den Einsatz von Drohnen verurteilt – sie sind ein integraler Bestandteil unserer Strategie zur Bekämpfung des Aufstands. Was werden die europäischen Soldaten im Einsatzgebiet darüber denken, dass das Europäische Parlament den Einsatz einer derartig effektiven Waffe in ihrem Kampf gegen die Aufständischen verurteilt? Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen inständig, gegen den dritten Abschnitt von Absatz 71 zu stimmen.
Norbert Neuser, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin, Lady Ashton! Die Europäische Union ist im Rahmen vieler Missionen auf der Grundlage der Beschlüsse der Vereinten Nationen in Afghanistan engagiert. Zu viele Soldaten aus Europa haben in Afghanistan ihr junges Leben verloren. Viele wurden schwer verletzt oder leiden unter den Belastungen, die mit dem Einsatz verbunden sind. Tausende zivile Helfer aus Europa riskieren jeden Tag ihr Leben, um Afghanistan zu einer besseren Zukunft zu verhelfen. Sie alle, wir alle haben einen Anspruch zu erfahren, wie das große Engagement Europas in Afghanistan zu einem nachhaltigen Erfolg geführt werden kann und wie lange der militärische Einsatz in Afghanistan noch dauern wird.
Was muss anders, besser werden und welche Ziele hat die neue EU-Afghanistan-Strategie? Wir brauchen verbesserte Anstrengungen für einen zivilen Wiederaufbau. Wir müssen die Neuausbildung der afghanischen Polizei und die Neuausbildung der Justiz endlich voranbringen. Wir wissen, es wird keine militärische Lösung geben, und deshalb müssen wir die Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts intensivieren, gerade durch die EU und eine gemeinsame Außenpolitik.
Der innerafghanische Aussöhnungsprozess unter Einbeziehung moderater Taliban muss mit starkem Willen vorangetrieben werden. Konkrete Initiativen, insbesondere auf regionaler Ebene, müssen auf die Stabilisierung der Lage zielen. Dazu gehört auch und insbesondere die entschiedene Bekämpfung des Drogenanbaus und des Drogenhandels. Unsere Strategie macht gute Vorschläge. Wir verlangen von der afghanischen Regierung den erkennbaren Willen zu einer besseren, das heißt korruptionsfreien, Regierungsführung.
Die neue EU-Strategie kann aber nur erfolgreich sein, wenn sie sich nicht länger passiv darstellt, sondern sich aktiv unter Einbeziehung der Nachbarstaaten präsentiert. Lady Ashton, wir hoffen auf Sie, wir setzen auf Sie, Sie haben unsere volle Unterstützung.
Ivo Vajgl, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SL) Frau Präsidentin, ich danke Ihnen dafür, dass Sie Richard Holbrooke gedacht haben. Es ist angemessen, dass wir seiner heute, da wir über Afghanistan sprechen, in Dankbarkeit für seinen Einsatz für den Frieden gedenken.
Afghanistan stellt ein Problem für die Welt, die Europäische Union und uns alle dar, das wir relativ schnell und effizient hätten lösen können, wenn wir in anderen Zeiten mit anderen Methoden leben würden. Heutzutage, da wir andere Auswegmöglichkeiten ausloten, ist es offensichtlich, dass dieses Problem nicht durch militärische Mittel gelöst werden kann. Dieser Bericht, der von Herrn Professor Pino Arlacchi verfasst wurde, einem Experten für Afghanistan mit einem feinen Gespür für dieses Land und einem Kenner der dunklen Seite der Weltpolitik, leistet einen Beitrag dazu, diese alternativen Auswegmöglichkeiten Realität werden zu lassen. Trotzdem verzeichnen wir jeden Tag neue Todesopfer, sowohl auf der Seite der Zivilisten als auch bei den uniformierten Kräften.
Der Bericht bietet Einsicht in Informationen über verpasste Möglichkeiten für Investitionen, über Unregelmäßigkeiten und Missbrauchsfälle bei der humanitären Hilfe, über die Gewinne der internationalen Rauschgiftnetzwerke und über die Illusionen, denen die militärischen Führungskräfte erlagen. Heute ist es offensichtlich, dass die Präsenz von Al-Qaida in Afghanistan nicht mehr das Kernproblem darstellt. Es ist allerdings ein Problem, durch das der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in die Nachbarstaaten und -regionen getragen wird, solange die Kampfhandlungen in Afghanistan andauern.
Der Bericht ermahnt uns, dass eine wirkliche Langzeitlösung in Afghanistan, durch die die Menschenrechtsstandards, die Stellung der Frauen und die Zukunftschancen der Kinder derartig verbessert werden, dass sie dem uns bekannten Niveau eher entsprechen, nur dann möglich sein wird, wenn die afghanischen Behörden, die Religionsführer und die Zivilgesellschaft aktiv und intensiv daran teilhaben. Wir müssen mehr Zuversicht als zuvor an den Tag legen, dass sie in der Lage sind, eine Gesellschaft und einen Staat auf einer Grundlage zu errichten, die annähernd auf ihrer Definition von Freiheit und ihren Traditionen und Werten basiert.
Dieser Bericht ist ein gültiger Versuch, die Kernprobleme und möglichen Lösungen für Afghanistan zu definieren. Der Bericht stellt einen Ansporn für die Europäische Union dar, eine verantwortungsvolle und kreative Afghanistanpolitik zu verfolgen.
Nicole Kiil-Nielsen, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Frau Ashton, darf ich diese Gelegenheit nutzen, Herrn Arlacchi für die konstruktive Atmosphäre zu danken, in der wir gearbeitet haben.
Dieser Bericht bietet eine sehr ehrliche, sehr ausgewogene Analyse der Defizite bei der internationalen Intervention in Afghanistan seit 2001. Wir stimmen der Kernbotschaft zu: Es wird keine militärische Lösung geben. Der Krieg bringt immense Kosten mit sich. Der Krieg kostet Menschenleben sowohl auf der Seite der Soldaten als auch in der Bevölkerung, und er dient nur der Stärkung der Taliban.
Die einzige Lösung ist politischer Natur. Was die Afghanen erwarten, ist eine wirkliche Investition in die Entwicklung ihres Landes für die Förderung einer verantwortungsvollen Staatsführung und für die Errichtung eines Rechtssystems. Das Problem der Grundrechte, vor allem das der Frauenrechte, besteht weiterhin.
Der jüngste Bericht über die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan belegt die Unfähigkeit der afghanischen Regierung, die Rechte von Frauen und Mädchen umfassend zu schützen. Ich zitiere: „Solange Frauen und Mädchen einer verletzenden Behandlung ausgesetzt sind, degradiert und ihrer Rechte beraubt werden, kann der Fortschritt in Afghanistan kaum bedeutend und nachhaltig sein.“
Um die Rechte der afghanischen Frauen zu schützen, brauchen wir nicht nur die schriftlichen Gewährleistungen durch Rechtstexte und Verfassung, sondern vielmehr deren schnelle und angemessene Umsetzung.
Die Nationalversammlung besitzt in diesem Land wenig Einfluss, während der Großteil der Macht in den Händen von Präsident Karzai liegt. Falls es noch nicht zu spät ist, muss die Europäische Union den verschiedenen Institutionen und vor allem dem gerade erst gewählten Parlament seine unablässige Unterstützung zukommen lassen, um Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu stärken.
Struan Stevenson, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin, letztes Jahr war ich als persönlicher Vertreter des amtierenden OSZE-Präsidenten Kasachstan tätig und habe in dieser Funktion einen detaillierten Bericht über die Zentralasien betreffenden Umweltprobleme verfasst. Ich habe Ihnen, Baroness Ashton, eine Kopie geschickt.
Eines der Kernthemen, die ganz Zentralasien betreffen, ist natürlich die Frage nach der grenzübergreifenden Wasserverwendung. Wie Sie wissen, besteht eine deutliche und anhaltende Spannung in Bezug auf die Wasserverwendung zwischen den flussaufwärts und den flussabwärts gelegenen Ländern Zentralasiens.
Ein Aspekt dieser Problematik trat im Zuge meiner Untersuchungen auf, und dieser wurde, glaube ich, von den meisten Entscheidungsträgern im Westen nicht beachtet. Der Hauptwirtschaftsfaktor Afghanistans ist die Landwirtschaft, und jeder Ansatz eines Wiederaufbaus in Afghanistan nach Beendigung des Konflikts muss auf massiven Investitionen in die Landwirtschaft beruhen, um Landwirte beispielsweise dazu zu bringen, Granatäpfel statt Schlafmohn anzubauen. Dies wird wiederum dazu führen, dass zusätzlich riesige Mengen des ohnehin knappen Wassers benötigt werden. In anderen Worten könnten wir, indem wir den Konflikt in Afghanistan lösen, ungewollt eine Serie von Mini-Afghanistan-Situationen flussabwärts auslösen, indem die akute Wasserknappheit noch verschärft wird.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass alle neuen Bewässerungsstrategien fachgerecht geplant werden und Betonkanäle und Wasserspeicher beinhalten und dass Systeme mit Tröpfchenbewässerung verwendet werden, wie sie auch die Landwirte in Spanien verwenden. Außerdem müssen alle größeren Energieprojekte auf Grundlage von Wasserkraftwerken sorgfältig geplant und konstruiert werden, damit sichergestellt wird, dass dadurch den Wasserverbrauchern in den flussabwärts gelegenen Nachbarländern kein Nachteil entsteht.
Joe Higgins, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Frau Präsidentin, der von den Vereinigten Staaten und der NATO geführte Krieg in Afghanistan ist eine absolute Katastrophe für das afghanische Volk, durch die allein im letzten Jahr schätzungsweise 30 000 Menschen ums Leben kamen. Er ist auf für die jungen Männer und Frauen eine Katastrophe, die gezwungen wurden, mit den Streitkräften der NATO und der Vereinigten Staaten dort zu kämpfen; rund 500 von ihnen wurden allein dieses Jahr getötet.
Wie der Bericht Arlacchi sehr deutlich zeigt, ist die wirtschaftliche und soziale Situation in Afghanistan nach neun Jahren extrem schlimm. Die Anzahl der in Armut lebenden Menschen hat sich dramatisch erhöht. Wenn wir dabei betrachten, dass in dieser Zeit 300 Mrd. USD auf obszöne Weise für Massenvernichtungs- und Kriegswaffen verschwendet wurden und durch Korruption verloren gingen, ist dies ein Skandal. Die Invasion der Vereinigten Staaten in Afghanistan geschah nicht zum Wohle der afghanischen Bevölkerung, sondern aus geostrategischen Interessen heraus, die die Vereinigten Staaten in Zentralasien hegen, das selbstverständlich reich an Energie, Öl und Gas ist.
Die ausländischen Armeen müssen abgezogen werden, und ein derartiger Reichtum, wie er in Afghanistan vorherrscht, darf nicht länger in den Händen der Karzai-Regierung, der korrupten Stammesfürsten und der Warlords verweilen, sondern er muss in die Hände der Landwirtschaftsverbände, der Arbeiter und der Armen übergeben werden, die diese Ressourcen wirklich verwenden können und sie zum Wohle des Volkes für die Entwicklung nutzen können.
Bastiaan Belder, im Namen der EFD-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin, als zuständiger Berichterstatter für den Standpunkt der Europäischen Union zum Thema Iran habe ich mich bei der Entschließung über Afghanistan auf die Rolle der islamischen Republik im afghanischen Kriegsdrama konzentriert.
Jedoch befasst sich die Entschließung nur flüchtig mit dem interessanten durch den Iran ausgeübten Einfluss, und darüber hinaus geschieht dies meiner Meinung nach mit wenig Bezug zur Realität. In der Zwischenzeit bleibt die entscheidende Frage offen: Wie schätzt die Europäische Union den wirklichen Einfluss des Iran in Afghanistan ein, und welche politischen Folgen erwartet sie dadurch? Aus diesem Grund möchte ich der Hohen Vertreterin drei Fragen stellen, und ich würde erwarten, Frau Ashton, dass Sie diese schriftlich beantworten. Ich würde es ebenfalls begrüßen, wenn Sie mir eindeutige Antworten geben könnten.
1. Inwiefern wirkt sich die Massenausweisung afghanischer Flüchtlinge durch den Iran in destabilisierender Weise auf den westlichen Teil Afghanistans aus? Ich denke dabei an Nimruz und Herat.
2. Teilen Sie den offiziellen afghanischen Standpunkt, dass der Iran unter dem Deckmantel dieser Ausweisungen versucht, das Land mit ausländischen Terroristen zu infiltrieren?
3. Welche Art Unterstützung lässt die Europäische Union den afghanischen Behörden im Hinblick auf die Aufnahme einer großen Anzahl von Flüchtlingen aus dem Iran zukommen, damit Teheran nicht in die Lage versetzt wird, dieses brisante humanitäre Thema politisch auszunutzen und es zu instrumentalisieren, um Kabul unabhängig zu machen und es politisch unter Druck zu setzen?
Nick Griffin (NI). - Frau Präsidentin, dieser Bericht reißt das Lügengebilde der politischen Klasse Großbritanniens über den Krieg in Afghanistan nieder. Ich kenne die Namen der unschuldigen afghanischen Opfer dieses furchtbaren Krieges nicht, aber ich weiß, dass er nichts mit den Interessen Großbritannien zu tun hat. Aber ich kenne die Namen der 18 tapferen jungen Männer aus meinem Wahlkreis, die allein im letzten Jahr mit ihrem Leben für diesen Wahnsinn bezahlt haben.
Corporal Simon Hornby, Liverpool; Warrant Officer David Markland, Lancashire; Kingsman Sean Dawson, Stalybridge; Corporal Harvey Holmes, Hyde; Corporal Terry Webster, Chester; Lance Corporal Andrew Breeze, Manchester; Marine Steven Birdsall, Warrington; Marine Paul Warren, Preston; Sergeant Steven Darbyshire, Wigan; Private Alex Isaac, Wirral; Private Douglas Halliday, Wallasey; Colour Sergeant Martyn Horton, Runcorn; Private Thomas Sephton, Warrington; Sergeant David Monkhouse, Cumbria; Sapper Darren Foster, Carlisle; Lance Corporal Jordan Bancroft, Burnley; Kingsman Darren Deady, Bolton; Guardsman Christopher Davies, St Helens.
Was für eine sträfliche Verschwendung dieser tapferen jungen Leben!
Natürlich hat die Europäische Union keinen Einfluss darauf, in welchen Kriege Großbritannien kämpfen sollte und in welchen nicht. Darüber sollen das britische Volk und unsere gewählten Vertreter in unserem Parlament in Westminster entscheiden, genauso wie wir uns eines schönen Tages entscheiden werden, die Herren Blair, Brown und Cameron als Kriegsverbrecher anzuklagen, da Afghanistan, genau wie der Krieg im Irak, ein verbrecherischer Krieg ist.
Mario Mauro (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich teile die Meinung des Berichterstatters, dass die auch heute noch bestehenden immensen Probleme in Afghanistan in einer neuen Art und Weise angegangen werden sollten, in anderen Worten, mit einer anderen Definition der Prioritäten im Vergleich zu dem, was bisher gemacht wurde.
Ich teile seine Genugtuung über die Tatsache, dass der afghanische Präsident Herr Karzai das Jahr 2014 als Beginn für den Zeitraum gesetzt hat, in dem nur noch die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte Militäraktionen in den verschiedenen Provinzen des Landes durchführen werden, und die afghanische Regierung ist entschlossen, phasenweise dazu überzugehen, die volle Verantwortung für ihre eigene Sicherheit auszuüben.
All dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass die internationale Gemeinschaft ihre Sorge um Afghanistan aufgibt. Die Partnerschaft mit Afghanistan sollte stattdessen in jeder Hinsicht gestärkt werden. Zuerst müssen wir Investitionen in die Wirtschaft fördern, weil dies eine wirkliche Investition in die Stabilität des Landes darstellen würde. Dies muss auf die richtige Weise unternommen werden, in anderen Worten durch die Errichtung eines Modells der Zusammenarbeit, das auf einem gemeinsam geführten Dialog zwischen den sozialen Organisationen und den lokalen Behörden basiert.
Jedoch bleibt das Kernthema, wie es der Bericht richtig darstellt, die Tatsache, dass es keine Stabilität und keinen Frieden in Afghanistan geben kann, wenn der Staat nicht zuerst in eigener Verantwortung die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger gewährleisten kann.
Zu diesem Thema möchte ich den Berichterstatter, Herrn Arlacchi, darum bitten, wenn möglich, vielleicht durch einen mündlichen Änderungsantrag, den Abschnitt über den Einsatz von Drohnen vor Ort zu überarbeiten, um die Umsetzbarkeit zu erhöhen. In anderen Worten ausgedrückt, ist es das Eine, wenn man sagt „es ist verboten, Drohnen zu verwenden“ und etwas Anderes, zu sagen, dass wir „den Einsatz dieser technologischen Mittel so weit wie möglich einschränken“ möchten und möglicherweise dazu erwähnen: „um die Zivilbevölkerung nicht in Mitleidenschaft zu ziehen“. Ich bin sicher, dass wir uns auf einen Kompromiss einigen können, da ich glaube, dass Herr Arlacchi über die Einsicht und die Mittel verfügt, dies zu tun. Wir werden ihm bereitwillig bei seiner Arbeit zur Seite stehen.
Kristian Vigenin (S&D). - (BG) Frau Präsidentin, was wir hier heute besprechen, ist möglicherweise einer der wichtigsten Berichte zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik des Jahres 2010. Ich möchte Herrn Arlacchi für seine Anstrengungen und für die von ihm erreichten Ergebnisse gratulieren. Wir können die Ergebnisse unserer bestehenden Afghanistan-Politik an schockierenden Zahlen, wie der steigenden Kindersterblichkeit, der kürzer werdenden Lebenserwartung, des steigenden Analphabetentums und der wachsenden Armut, ablesen. Im Vergleich betrachtet, kosten fünf Tage Krieg so viel, wie die Überwindung der Armut kosten würde, und eine Woche Krieg kostet so viel wie 6000 Schulen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass derartige Vergleiche nicht direkt gezogen werden können, aber sie verschaffen uns eine Vorstellung darüber, in was für einem Dilemma wir uns aktuell befinden. Gleichzeitig belegten die zahlreichen Berichte Unzulänglichkeiten, Veruntreuungen und Korruption bei der Verteilung der internationalen Hilfe. Seit 2002 sind allein vonseiten der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten über 8 Mrd. EUR geflossen, ohne spürbare Ergebnisse zu erzielen.
Kaum weniger Grund zur Sorge bereitet die Tatsache, dass die Auswahl und Ausbildung der Rekruten für die afghanischen Polizeikräfte nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllen: 90 % der Polizei besteht aus Bürgerinnen und Bürgern, die nicht lesen und schreiben können; und ein Fünftel nimmt Drogen. Ich erwähne dies, weil wir nicht von einer neuen Strategie für Afghanistan sprechen können, wenn wir unsere Augen vor den tatsächlichen Fakten verschließen. Es gibt keine einfachen Lösungen oder Rezepte, sondern wir möchten alle darauf aufmerksam machen, dass die einzige Lösung politischer Natur ist, eine Lösung, die die afghanischen Institutionen und die Bürgerinnen und Bürgern eng in die Entwicklung ihres Landes einbezieht, was durch die Schaffung stabiler Voraussetzungen, den Opiumanbau zu stoppen und die Armut zu überwinden, eine langfristige Wirkung zeigen wird.
Carl Haglund (ALDE). – (SV) Frau Präsidentin, ich möchte zunächst Herrn Arlacchi danken, der bei der Ausarbeitung dieser Strategie hervorragende Arbeit geleistet hat. Ich finde, es ist eine herausragende Darstellung der uns bevorstehenden Herausforderungen, aber auch der Fehler, die wir bislang gemacht haben. Ich hoffe, dass wir von diesem Dokument lernen können, um unser Engagement in Afghanistan zu verbessern.
Es gibt einige Aspekte, die genauer betrachtet werden sollten. Erstens wäre da die eher radikale, aber wichtige Überlegung, tatsächlich ernsthafte Gespräche mit den sogenannten „gemäßigten Taliban“ zu führen. Dies ist mit Sicherheit die einzige Lösung. Gleichzeitig denke ich, dass viele von uns es für schwierig halten, genau zu definieren was und wer eigentlich ein Anhänger der gemäßigten Taliban ist. Ich glaube daher, dass ein Anlass besteht, eine Aussprache zu diesem Thema abzuhalten, und ich denke, dass die aktuellen Ereignisse gezeigt haben, dass keiner von uns wirklich eine genaue Vorstellung davon besitzt.
Ein weiteres Thema, das ich gerne ansprechen möchte, ist die Frage nach den Hilfsgeldern und wie sich diese Mittel entwickelt. Ich empfinde es als positive Entwicklung, dass wir den Mut aufbringen werden, es in Zukunft durch den Haushalt der afghanischen Regierung zur Verfügung zu stellen. Schließlich ist dies wahrscheinlich die einzig vernünftige Vorgehensweise, auch wenn ich denke, dass die Umsetzung sorgfältiger Überlegungen bedarf. Wir sollten außerdem der Wählerschaft in unseren eigenen Mitgliedstaaten zeigen, dass wir dies überwachen und dass die Zweckentfremdung dieser Gelder sehr gering sein wird.
Zu guter Letzt empfinde ich es als positiv, dass die Rolle Pakistans Erwähnung findet, weil diese ebenfalls von großer Bedeutung ist. Ich denke, darüber sind wir uns alle einig, und der internationalen Gemeinschaft wird eine wichtige Aufgabe zuteil, indem sie Druck auf Pakistan ausübt, damit dieses Land das macht, was es machen sollte.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich aus einem Land komme, in dem sich die Debatte über Afghanistan, so wie sie im Moment geführt wird, darauf beschränkt, ob die finnischen Truppen im Land bleiben sollten oder nicht, und das halte ich für nicht besonders konstruktiv. Es gibt keine Diskussion über die Substanz der Angelegenheit, nur darüber, ob die Truppen dort bleiben sollten oder nicht. Dasselbe gilt beispielsweise auch für unseren Nachbarn Schweden, und daher stellen Initiativen wie diese ernsthafte Strategie einen soliden Beitrag zu kommenden Debatten dar.
Ryszard Czarnecki (ECR). – (PL) Frau Präsidentin, vor vier Jahren war ich Beobachter bei den Wahlen für die Palästinensische Behörde, und ich meine damit die Palästinensische Autonomiebehörde. Ich erinnere mich an die illusorische Meinung eines der wichtigeren Mitglieder des Europäischen Parlaments. Diese Person sagte zu mir: „Nun ja, die Mitglieder der Hamas sind eigentlich nette, kultivierte und freundliche Menschen. Vielleicht sollten wir mit ihnen verhandeln.“ Heute höre ich dasselbe. Ich höre heute, dass wir vielleicht mit den gemäßigten Taliban verhandeln sollten. Eine Frage stellt sich allerdings – wer sind die gemäßigten Taliban, und ist dieser Begriff nicht zu dehnbar? Ich würde bei einer derartigen Linie Vorsicht walten lassen.
Es ist offensichtlich, dass viele Soldaten in Afghanistan ihr Leben verlieren – auch Soldaten aus meinem Heimatland Polen –, es sterben viel zu viele dieser Soldaten, unsere Strategie kostet zu viel, und auch die Strategie der NATO ist fragwürdig. Jedoch würde ich nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, und ich warne vor dem Dialog mit Menschen, die in Wirklichkeit ganz andere Ziele verfolgen als die unseren.
Philippe Juvin (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, ich bin mir darüber im Klaren, dass Herr Arlacchi Afghanistan gut kennt. Unter den Mitgliedern dieser Versammlung ist er wohl derjenige, der sich mit diesem Land und dieser komplexen Region am besten auskennt.
Lassen Sie uns jedoch klarstellen, dass dieser Text in seiner aktuellen Fassung ein ernstes Problem darstellt. Ich stimme all den begeisterten Mitgliedern nicht zu, die sich für diesen Text selbst auf die Schulter klopfen. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum.
Ich finde, dass dieser Text zunächst die große Unzulänglichkeit aufweist, dass er uns, den Westen, um jeden Preis für alle Schwierigkeiten verantwortlich machen möchte, in denen sich Afghanistan befindet. Ich möchte Ihnen hierfür drei Beispiele nennen: Erstens schreibt Herr Arlacchi, dass sich, beinahe zufällig, die gesundheitlichen Bedingungen verschlechtert haben, seit wir dort sind. Dies ist erstaunlich. Frau Ashton erklärte so ziemlich das Gegenteil. Das ist niemandem aufgefallen.
Mein zweites Argument ist, dass in Erwägung B – lesen Sie es selbst meine Damen und Herren – die westlichen Streitkräfte als Besatzungsmacht bezeichnet werden. Die Mitgliedstaaten in dieser Versammlung, die Besatzungen durchlebt haben, wissen, was ein derartiges Wort bedeutet.
Mein drittes Argument zu Absatz 71 betrifft die Frage der Drohnen: Meine Damen und Herren, ich war vor zwei Jahren als Offizier in Afghanistan, genauer gesagt als Militärarzt. Ich behandelte deutsche, britische, polnische, italienische, französische und alliierte afghanische Soldaten. Ich habe sogar Taliban behandelt. Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie unseren Soldaten morgen sagen würden: „Ihr könnt keine Drohnen verwenden“, wäre es für sie gleichbedeutend mit den Worten: „Nähert euch dem Feind, geht Risiken ein.“ Ich weiß nicht, ob es in unserer Verantwortung als Politiker liegt, so etwas zu unseren Männern zu sagen.
Ich unterschätze die Komplexität dieser Situation nicht. Ich weiß, dass Krieg grausam ist, aber wir müssen, denke ich, diesem Antimilitarismus, diesem stark vereinfachten Antiamerikanismus und dieser Selbstgeißelung der westlichen Streitkräfte ein Ende bereiten, da diese uns zum Ursprung allen Übels in Afghanistan machen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, dass alles viel einfacher ist. Die Taliban sind der Feind, nicht die Amerikaner und nicht die westlichen Streitkräfte. Dies ist alles sehr komplex, aber wir müssen darauf achten, wie wir den Sachverhalt darstellen.
Thijs Berman (S&D). - Frau Präsidentin, ich möchte ebenso wie Lady Ashton Richard Holbrooke meinen Tribut zollen. Ich bewunderte ihn für seine Arbeit in Dayton, und ich habe ihn einmal anlässlich eines faszinierenden Abendessens in Brüssel kennengelernt und war sehr von ihm beeindruckt.
(NL) Frau Präsidentin, keine Strategie, die vornehmlich militärischer Natur ist, kann in Afghanistan auch nur annähernd erfolgreich sein. Die Anzahl unserer Truppen hat sich von 20 000 im Jahr 2001 auf inzwischen 150 000 erhöht, und die Sicherheitslage hat sich nur verschlechtert.
Wir erleben mehr zivile Opfer, mehr tote Soldaten und Koalitionsstreitkräfte, die – ich hoffe der geschätzte Kollege Herr Juvin wird mir diesen Ausdruck verzeihen – von immer mehr Afghanen inzwischen tatsächlich als Besatzungsmacht angesehen werden.
Die Strategie sollte sich auf den Wiederaufbau des Landes, der Gerichtsbarkeit, der Bildung, der Gesundheit, auch für Frauen, und des ländlichen Raums konzentrieren, aber ohne Opium. Die Koalition muss ihre eigenen Grundsätze ernst nehmen. Wir hörten einige schöne Worte über den Kampf gegen die Korruption, aber es wurde nichts unternommen, um etwas gegen die Korruption im Präsidentenpalast und in seinem Umfeld zu unternehmen. Dies desillusioniert die Afghanen, und es muss sich etwas ändern.
Die Anti-Korruptionsanstrengungen der afghanischen Polizei sollten durch die Europäische Union gefördert werden, die daran arbeiten muss, indem Staatsanwälte eingesetzt werden. Afghanistan kann ohne eine zuverlässige Verwaltung nicht bestehen.
Zbigniew Ziobro (ECR). – (PL) Frau Präsidentin, es wird nicht möglich sein, ein wirksames Unterstützungsprogramm für Afghanistan zu entwickeln, solange sich die Situation im Inneren nicht stabilisiert. Der Grundpfeiler dieser Maßnahmen muss die Gewährleistung der Sicherheit und der Sieg über die aufständischen Kräfte sein. Zu diesem Zweck ist es nötig, das Engagement der europäischen Staaten als Teil der NATO-Mission zu erhöhen sowie die Europol-Kräfte zu stärken, die, wie wir wissen, noch nicht die angekündigte zahlenmäßige Stärke erreicht haben. Außerdem müssen unbedingt die Streitkräfte der Taliban von ihren Stützpunkten in Pakistan und Peschawar abgeschnitten werden.
Das Außenministerium der Vereinigten Staaten zeigte in seinen Berichten, dass ein beachtlicher Anteil der Operationen der Aufständischen durch den Rauschgifthandel finanziert wird. Dies ist ein weiterer Handlungsbereich der Europäischen Union, die die zur Verfügung stehenden Mittel erhöhen sollte, um Landwirte dazu zu animieren, keinen Mohn mehr anzubauen. Ich glaube nicht, dass die im Bericht enthaltene Idee bezüglich der Unterstützung für das Programm von General Petraeus eine Garantie darstellt. Die finanziellen Mittel sollten regional eingefordert werden, aber die Autorität muss zentral bleiben. Eine weitere Aufspaltung Afghanistans könnte zur „Somalisation“ des Landes führen und zu einer Spaltung zwischen den verfeindeten Stämmen.
Marietta Giannakou (PPE). – (EL) Frau Präsidentin, der Staat Afghanistan stellt für die internationale Gemeinschaft ein äußerst Interessantes Thema dar, nicht nur, weil dort Streitkräfte anwesend sind, sondern auch, weil dort Kräfte eingesetzt wurden und auch zukünftig eingesetzt werden, die terroristische Angriffe ausführen und der internationalen Gemeinschaft Probleme bereiten. Tatsache ist, und das sollten wir akzeptieren, dass es in Afghanistan schon seit dem 14. Jahrhundert derartige Kräfte gibt, also Fundamentalisten und Terroristen.
Vor 24 Jahren, Baroness Ashton, stimmte dieses Parlament positiv über einen Bericht des Untersuchungsausschusses „Drogenhandel“ ab, der einen speziellen Abschnitt über Afghanistan und Vorhersagen über die aktuelle Situation enthielt, die sich leider als wahrheitsgemäß erwiesen haben. Das Rauschgiftproblem kann nicht durch Getreide verdrängt werden. Das Getreide-Programm der Vereinten Nationen ist in der Praxis gescheitert. Das Opium aus Afghanistan, das (nach Meinung der Experten) als das beste Opium gilt, finanziert alle Tätigkeiten in Afghanistan, Pakistan und anderenorts.
Daher muss dieses Problem aus der Welt geschafft werden, aber noch wichtiger ist, wie sie sagten, dass wir uns um die Entwicklung bemühen, um die Gesundheit und um die Verringerung der Säuglingssterblichkeit. In anderen Worten müssen wir diesen Menschen ein Modell bieten, das ihnen gefällt, das ihnen wirklich gut gefällt und das sie für ihre zukünftige Lebensqualität haben wollen; ein Modell, das sie in ihre Auffassung des Lebens integrieren können. Natürlich wird ein derartiges Modell den Frauen helfen, denn ein ganz entscheidendes Thema ist die Situation der Frauen, die ihnen durch die Taliban auferlegt wurde. In islamischen Ländern befinden sich Frauen ohnehin in einer schlimmen Lage und unter immensem Druck. Hier ist der Fall sogar noch schlimmer. Die Europäische Union muss bleiben, Baroness Ashton, und Ihre Interventionen müssen weitergeführt werden und ihr europäisches Gesicht wahren, genauso wie Sie es selbst gesagt haben.
Ana Gomes (S&D). – (PT) Frau Präsidentin, Richard Holbrooke, dem ich ebenfalls meine tiefste Anerkennung zollen möchte, sagte vor seinem Tod: „Wir müssen den Krieg in Afghanistan beenden.“ Tatsächlich ist dieses Land für die europäische und die weltweite Sicherheit von entscheidender Bedeutung, und aus diesem Grund müssen wir, wie Herr Pino Arlacchis Bericht es sehr genau darstellt, die riesigen Fehler korrigieren, die bei der Umstellung zur Investition in die „Afghanisierung“ gemacht wurden, und wir müssen die Sicherheit für Leib und Leben der afghanischen Bevölkerung an die erste Stelle stellen, was eine Verantwortung für den Schutz durch die anwesenden ausländischen Sicherheitskräfte beinhaltet.
Wir sollten uns nicht selbst etwas vormachen: Rechtsstaatlichkeit und demokratische Institutionen können nicht durch korrupte Warlords geschaffen werden, die aus Sicht des Volkes in Verruf geraten sind. Das Ende des Krieges in Afghanistan hängt ebenfalls davon ab, inwiefern die demokratisch gewählte Regierung die militärische Macht seines Nachbarlandes Pakistans kontrollieren kann, das eine Atommacht außerhalb des Atomwaffensperrvertrags ist. Vorausgesetzt, die Europäer innerhalb der Europäischen Union und der NATO hören auf, im Hinblick auf diese grundsätzlichen politischen Fragen ihren Kopf in den Sand zu stecken, könnten sie vielleicht dabei behilflich sein, den Krieg in Afghanistan zu beenden und ebenfalls die sich entwickelnde Hölle in Pakistan.
Carlo Fidanza (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch ich möchte mit Ihnen Richard Holbrooke gedenken.
Wenn meine Fraktion für die Ausarbeitung dieses Berichts verantwortlich gewesen wäre, hätten wir zweifellos eine ganz andere Herangehensweise als Herr Arlacchi gewählt, aber dennoch danke ich ihm für die Hingabe, mit der er sich schon so lange mit dem Fall Afghanistan beschäftigt.
Zum Teil durch die zahlreichen und entscheidenden Änderungsanträge, die von meiner Fraktion vorgelegt wurden, ist dieser Bericht nun weniger ideologisch und in jedem Fall dazu im Stande, die entscheidenden Punkte dieses Neun-Jahres-Zeitraums sowie die positiven Aspekte und die zu verfolgenden effektivsten Vorgehensweisen für die Entwicklung herauszustellen, damit die vollständige Souveränität der afghanischen Behörden wiederhergestellt werden kann.
Auch wenn es der Wahrheit entspricht, dass militärische Reaktionen allein nicht ausreichen, müssen wir noch einmal nachdrücklich erwähnen, dass es einerseits in den vergangenen drei Monaten deutliche militärische Erfolge zu verzeichnen gab – denken wir nur an die Einsätze in den Gebieten Almondo und Kandahar – und dass andererseits ein entschiedeneres Vorgehen gegen die Aufständischen eine essenzielle Grundvoraussetzung dafür darstellt, dass die Kräfte der Taliban beruhigt werden, die wir gerne an den Verhandlungstisch bringen möchten.
Wir können auf diesen militärischen Einsatz nur stolz sein, in dem Tausende junger Soldaten der Einheiten der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ihr Leben lassen mussten, darunter auch viele Europäer und viele junge Menschen aus meinem Heimatland, denn es handelt sich nicht um einen rein militärischen Einsatz, sondern um einen Einsatz für den Wiederaufbau. Wir bringen Schulen, Brücken und zivile Einrichtungen in dieses bedauernswerte Land, was zur Entwicklung der verwüsteten Gebiete beitragen wird.
Trotz des erreichten Kompromisses glaube ich, dass es immer noch einige kritische Themen in diesem Bericht gibt, vor allem das bereits erwähnte Thema über den Einsatz von Drohnen. Ich glaube, es ist ein schwerwiegender Fehler, wenn wir vorbehaltlos die Möglichkeit des Einsatzes eines Instrumentes ausschließen, das sich in einigen Gebieten im Nordosten des Landes als sehr nützlich erweist, in denen es schwieriger ist, die Streitkräfte der Taliban auszuheben und zu besiegen.
Ich hoffe, der Berichterstatter hält es für sinnvoll, diesen Punkt noch einmal zu überdenken, denn anderenfalls werde ich mich meiner Fraktion anschließen, indem ich gegen den Bericht stimme.
Zoran Thaler (S&D). – (SL) Frau Präsidentin, ich möchte Herrn Arlacchi zu seinem mutigen Bericht beglückwünschen.
Heute, da wir zu Recht des Diplomaten Herrn Holbrooke gedenken und dessen, was er für den Frieden, vor allem auf dem Balkan, geleistet hat, möchte ich seine Aussage in Bezug auf das im Kampf gegen den Rauschgifthandel in Afghanistan eingesetzte Geld zitieren (1,61 Mrd. USD). Zitat:
„Unter allen staatlichen und nichtstaatlichen Programmen das verschwenderischste und ineffektivste, das ich je gesehen habe.“
(SL) Zitat Ende.
Ähnliches gilt für alles, was in diesen verhängnisvollen zehn Jahren in Afghanistan passiert ist. Ich habe nicht die Zeit, um darauf einzugehen, warum wir in die Falle der Bush-Regierung getappt sind, aber es ist eine Tatsache, dass unsere Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, dass wir diesem Wahnsinn endlich ein Ende setzen, der uns bereits mehr als 300 Mrd. EUR und zahllose Menschenleben gekostet hat. Während im Jahr 2001 einige nur allzu eifrig in den Krieg ziehen wollten, ist es jetzt an der Zeit, das schwierige Risiko des Friedens einzugehen. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten dies von uns. Sie erwarten ebenfalls eine politische Lösung, und sie fordern von uns, dass wir weniger auf eine militärische Lösung zählen.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Frau Präsidentin, ich freue mich sehr darüber, dass die politischen Fraktionen im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten bei diesem Bericht eine Einigung erzielt haben. Der daraus resultierende Text ist weitaus überzeugender als der ursprüngliche Vorschlag.
Die Situation in Afghanistan bedarf nach neun Jahren der internationalen Intervention weiterhin deutlicher Verbesserung. Die sozioökonomischen Indikatoren und die der Sicherheit haben sich kaum spürbar verbessert, und oftmals wurden Entscheidungen ohne eine wirkliche Einbeziehung der Afghanen getroffen. Deswegen denke ich, dass es weder am Rahmen noch an den Instrumenten fehlt. Tatsächlich brauchen wir einen strategischen Plan, der den Zusagen entspricht, die Afghanistan gegeben wurden. Die Europäische Union muss an der Seite der NATO ihre führende Rolle in einem internationalen Unterfangen einnehmen, das das Ziel verfolgt, Afghanistan als souveränen Staat zu behandeln. Ich muss betonen, dass die einzige politische und diplomatische Lösung darin besteht, die Einbeziehung der afghanischen Regierung zu stärken. In dieser Hinsicht denke ich, dass eines der Schlüsselelemente dieses Berichts die zum Ausdruck gebrachte Unterstützung für die neue Strategie zur Bekämpfung des Aufstands ist.
Der Lissabon-Gipfel skizzierte den Wandel hin zur Übergangsphase, die die schrittweise Übertragung der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte bis 2014 beinhaltet. Wir halten uns an die Zusage, die mein Land direkt zu Beginn der Mission gegeben hat, indem wir unsere Truppen nicht aus dem afghanischen Gebiet abziehen, bis dieses Gebiet vollkommen sicher ist. Ich muss ebenfalls den wichtigen Beitrag Russlands erwähnen, das zugestimmt hat, dass unsere Truppen und Ausrüstung russisches Gebiet passieren dürfen.
Ich möchte abschließend die Notwendigkeit betonen, dass, sobald die Übergangsphase begonnen hat, die ISAF-Truppen, die den Einsatz abschließen, an andere Orte versetzt werden, an denen die Sicherheitslage weiterhin unsicher sein wird. Diese Maßnahme ist für die rumänischen Truppen, die im Süden Afghanistans stationiert sind, von entscheidender Bedeutung. Die Region wird instabil bleiben, trotz des durch die ISAF-Truppen erreichten Erfolgs.
Cristian Dan Preda (PPE). – (RO) Frau Präsidentin, ich möchte zunächst einmal sagen, dass ich die vorhin von meinem Kollegen, Herrn Juvin, vorgetragene Ansicht unterstütze, und ich möchte zu Beginn meiner Rede zum Ausdruck bringen, dass ich es bedauere, dass der Titel des Berichts nicht „Europäische Union“ enthält. Ich glaube nicht, dass wir im Namen der Weltgemeinschaft sprechen müssen, sondern nur im Namen der Europäischen Union. Ich habe mich daher bemüht, dies auch in den von mir eingereichten Änderungsanträgen hervorzuheben. Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir die Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten, vor allem – wie mein Kollege, Herr Juvin, erwähnte – mit den Vereinigten Staaten, vernachlässigen sollten.
Meiner Meinung nach besteht momentan keine große Notwendigkeit dafür, dass wir uns auf eine vollkommen neue Strategie konzentrieren. Ich glaube, dass es besser ist, die vor zwei Jahren beim NATO-Gipfeltreffen in Bukarest dargelegte strategische Vision umzusetzen. In diesem Zusammenhang denke ich nicht, dass es um die Ausarbeitung einer neuen Strategie geht, sondern darum, in Bezug auf diese strategische Vision konsequent zu sein.
Wir müssen hingegen sicherlich einräumen, dass die militärische Koalition in Afghanistan Fehler begangenen hat, und wir müssen aus diesen lernen. Wir müssen es jedoch vermeiden, in die Falle zu tappen, die Lage vor dem Eingreifen durch eine rosarote Brille zu sehen. Wie bereits betont wurde, müssen wir unbedingt hervorheben, dass eines der Hauptziele unserer Strategie in Afghanistan darin besteht, dieses Land von den Talibangruppen zu befreien.
Wir müssen aber auch die positiven Aspekte des Eingreifens hervorheben, vor allem des Petraeus-Plans. Afghanistan ist heute ein Land, in dem Frauen mehr Rechte genießen, mehr Kinder zur Schule gehen, mehr Fabriken in Betrieb sind und mehr Straßen gebaut werden. Dies ist auch der Art und Weise zu verdanken, wie wir uns in diesem Land verhalten haben. Die Einbeziehung ziviler Maßnahmen, wie Bildungsprogramme und Programme zur Beseitigung der Armut, für Wiederaufbau sowie für Entwicklung, ist ein entscheidender Schritt bei der Sicherung des Friedens in Afghanistan.
Zum Schluss möchte ich die Notwendigkeit einer pragmatischen Vision betonen, wie von meiner Fraktion vorgeschlagen. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass für den Bericht Arlacchi mehr als 400 Änderungsanträge eingereicht wurden.
Marielle De Sarnez (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin, ich möchte kurz drei Dinge sagen.
Zunächst einmal glaube ich, entgegen dem, was gesagt wurde, dass die Europäische Union ihre eigene Strategie haben sollte. In Afghanistan haben wir Männer, Soldaten, Truppen eingesetzt, wir haben Ressourcen – beträchtliche Ressourcen – zur Verfügung gestellt, und wir müssen unsere eigene Sicht der Dinge haben.
Zweitens bin ich der Meinung, dass das Geld der internationalen Gemeinschaft unbedingt den Afghanen zugutekommen muss. Dies ist leider seit 10 Jahren nicht der Fall und ist vor Ort tagtäglich zu beobachten. Ich denke, dass wahrscheinlich zum Teil die NRO und humanitären Organisationen hierfür verantwortlich sind. Dennoch – und der Bericht legt dies möglicherweise nicht hinreichend dar – ist dies größtenteils auch – fürchte ich – auf Regierungskorruption und eine Regierung zurückzuführen, die – das muss gesagt werden – weder besonders gerecht noch besonders effektiv ist.
Drittens gibt es die Frage des politischen Dialogs. In der Tat gibt es seit mehreren Jahren Versuche, mit den Taliban daran zu arbeiten. Das ist nicht neu. Ich persönlich bin der Meinung, dass ein Dialog notwendig ist. Ich glaube allerdings, dass dies sehr schwierig sein wird, weil ein Dialog zu einer Zeit, in der wir uns vor Ort in einer schwachen Position befinden und der Rückzug von Truppen fortgeschritten ist, natürlich äußerst kompliziert sein wird.
Giovanni Collino (PPE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, jetzt, da mehrere Änderungsanträge angenommen worden sind, stimmen wir dem Bericht von Herrn Arlacchi und den im Bericht hervorgehobenen Prioritäten für die zukünftige Entwicklung Afghanistans zu. Im Besonderen sind ein transparentes System finanzieller Hilfe, die Ausbildung einheimischer Polizeikräfte, die Bekämpfung des Drogenhandels und die Koordinierung der internationalen Hilfe die Hauptpunkte der politischen und militärischen Strategie, die weiter gestärkt worden sind.
Es ist wichtig, nochmals die Notwendigkeit zu betonen, die Kontrolle und Stabilisierung des Gebiets sicherzustellen, um die Taliban in ihrem Handeln zu schwächen und Friedensprozesse wiederzubeleben. Ich möchte abschließend den Beitrag der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) zum Erreichen eines gemeinsamen Texts hervorheben und außerdem die Anstrengungen und das Opfer der Soldaten der Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe würdigen, und zwar für ihre Präsenz vor Ort zur Verteidigung des Friedens und der lokalen Bevölkerung.
Katarína Neveďalová (S&D). – (SK) Frau Präsidentin, meiner Meinung nach können Armeen keinen Frieden und Wohlstand bringen, und dies gilt auch für Afghanistan.
Wir sollten ein wenig über die Tatsache nachdenken, dass einige unserer Kolleginnen und Kollegen, hauptsächlich von der EVP, sich darüber Sorgen machen, ob wir einen bestimmten Luftfahrzeugtyp – ich bin kein Militärexperte und habe keine Vorstellung davon, worum es in dieser Aussprache geht – unterstützen werden; dann sollten wir aber meiner Meinung nach dem, worüber Herr Arlacchi in seinem Bericht spricht, weit mehr Aufmerksamkeit schenken, da es sehr wichtig ist. Er spricht über die Lage von Frauen und Kindern in diesem Land. Wir sollten uns eindeutig mehr darauf konzentrieren, die Nichtdiskriminierung von Frauen und die Bekämpfung von Diskriminierung zu unterstützen. Wir sollten uns auch auf die Tatsache konzentrieren, dass beispielsweise viele Kinder in Afghanistan nicht die Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen, und viele unterhalb der Armutsgrenze leben.
Wenn wir es versäumen, Bildungs- und Gesundheitsprojekte zu unterstützen, und wenn wir weiterhin in militärische Lösungen für diesen Konflikt investieren, werden wir meiner Ansicht nach nicht vorankommen.
Andrew Henry William Brons (NI). - Frau Präsidentin, der Bericht von Herrn Arlacchi ist gut recherchiert und informativ. Meine leichte Kritik ist, dass er die Tatsache zu beklagen scheint, dass Afghanistan keine liberale Demokratie ist, die von einer Koalition aus Grünen und Liberaldemokraten in Brighton regiert wird.
Die Horrorgeschichte Afghanistans hat den Tod von 346 britischen Soldaten, vielen weiteren verbündeten Soldaten und Tausenden von unschuldigen Afghanen mit sich gebracht. In dieser Zeit ist auch die Säuglings- und Müttersterblichkeitsrate rapide gestiegen und die Lebenswartung gesunken. Er sagt uns, dass 2001 in Afghanistan kein Mohn angebaut wurde, wohingegen jetzt, nach neun Jahren des Konflikts und des Einflusses der Verbündeten, Afghanistan über 90 % des Heroins in Europa liefere.
Darauf hinzuweisen, dass es eine gewisse Diskriminierung von Frauen gibt, heißt, die Dinge nicht ganz in der richtigen Relation zu sehen. Die Antwort ist, unsere Truppen zu unterstützen, indem der Krieg beendet wird und sie nach Hause gebracht werden, um unsere eigene Bevölkerung vor „selbstgezogenen“, aber importierten Terroristen zu schützen.
Norica Nicolai (ALDE). – (RO) Frau Präsidentin, während sowohl Frauen als auch Kinder zweifellos ein wichtiges Thema darstellen, ist das, was am Bericht von Herrn Arlacchi wichtig ist, seine Klarheit. Ich meine damit, dass er uns die Legitimität des internationalen Eingreifens in Afghanistan aufzeigt und diese nicht infrage stellt. Es ist jedoch ein natürlicher und politisch verantwortlicher Schritt, die Effektivität dieses Eingreifens zu diskutieren. Der Grund ist, dass – Sentimentalität beiseite – ein 10 Jahre langes Eingreifen die Effektivität der bezüglich dieses Themas getroffenen politischen Entscheidung völlig überschatten kann. Ich glaube, dass jeder Einzelne von uns es seinen Wählern schuldig ist, eine Antwort auf diese Frage zu finden.
Ich begrüße die Klarheit dieses Berichts auch deshalb, weil Themen erwähnt werden, die wir in der Regel aus vielerlei Gründen zu diskutieren vermeiden. Ich glaube, dass dies ein Bericht ist, der lediglich einen Ausgangspunkt bietet. Wir müssen den Mut haben, unsere Handlungen regelmäßig zu analysieren und zu bewerten sowie zuzugeben, wo wir Fehler gemacht haben, und wenn wir sie gemacht haben, müssen wir andere Lösungen finden. Genau das ist verantwortliches und demokratisches Handeln.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Frau Präsidentin, wir wissen aus Erfahrung, dass Hilfe durch externes Eingreifen funktioniert, wenn die Mehrheit der Bevölkerung eine solche externe Hilfe unterstützt. Nach Jahren des Eingreifens in Afghanistan sehen wir, dass die Afghanen uns nicht verstehen, unsere Hilfe nicht wollen und unsere Zivilisation bzw. unsere kulturellen Werte nicht verstehen.
In der Slowakei haben wir das Sprichwort, dass dem, der keinen Rat annimmt, nicht geholfen werden kann. Ich möchte nicht sagen, dass den Afghanen nicht geholfen werden kann; aber ich kann nicht für Methoden stimmen, die ausdrücklich gewaltsam und brachial sind. Wir sollten uns vor allen Dingen darauf konzentrieren, wie wir unsere Hilfe ändern und strukturieren, damit sie den Bedürfnissen des afghanischen Volks entspricht.
Meiner Meinung nach ist es wirklich notwendig, dass wir unsere Streitkräfte allmählich zurückziehen, die Macht an die lokale Verwaltung und an lokale Politiker übergeben und dann den Menschen in Afghanistan durch die lokalen Politiker in einer Weise helfen, dass sie sich mit den Werten unserer Zivilisation identifizieren und uns verstehen können, und dann werden sie vielleicht bereit und in der Lage sein, unsere Hilfe anzunehmen.
Ioan Mircea Paşcu (S&D). - Frau Präsidentin, unser Engagement für ein stabiles, selbstverwaltetes Afghanistan, das verhindern kann, erneut zum Zufluchtsort für Terroristen zu werden, ist stark und langfristig, weil es sowohl von der EU als auch von der NATO bekräftigt worden ist. Aber gerade weil unser Engagement langfristig ist, wird es meiner Ansicht nach mindestens drei große Herausforderungen geben.
Die erste ist, dass das von uns für Afghanistan vorgesehene Staatsmodell nicht zur afghanischen Tradition passt. So, wie die Afghanen sich anpassen müssen, müssen wir das auch, indem wir ihnen helfen, ein realisierbares Staatsmodell zu erreichen, das Modernität mit afghanischer Tradition kombiniert.
Die zweite Herausforderung ist, dass die Sicherheitslage durchaus unsere internationale militärische Beteiligung über 2014 – dem Zeitpunkt der Übernahme durch die Afghanen – hinaus erfordern könnte. Wir sollten ernsthaft bereit sein, darüber nachzudenken, entweder die Frist zu verlängern oder uns den Folgen zu stellen.
Die dritte Herausforderung wird schließlich die Erschöpfung der Geduld unserer Bürger sein, die uns zwingen könnte, unseren aktuellen Zeitplan zu beschleunigen, um die Alternative zu vermeiden, einfach den Sieg zu erklären und nach Hause zu gehen. Dies würde unsere Glaubwürdigkeit zerstören.
Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. − Frau Präsidentin, ich werde nur einige abschließende Bemerkungen machen.
Zunächst einmal möchte ich dem Europäischen Parlament danken. Dies war eine interessante und vielfältige Aussprache, und ich möchte Sie für das anhaltende Interesse und die Energie loben, die Sie für unser Engagement in Afghanistan aufbringen. Dies ist durch die heutige Diskussion sehr gut demonstriert worden.
Wie ich zu Beginn sagte, glaube ich, dass Afghanistan für uns alle und für unsere Bürgerinnen und Bürger wichtig ist und dass die Europäische Union weiterhin zu Recht eine Hauptakteurin bleiben muss. Ich hoffe, dass ich zu Beginn die Prioritäten und Pläne für den vor uns liegenden Zeitraum verdeutlicht habe, zusammen mit der Erkenntnis, dass wir eine Balance finden müssen: Einerseits müssen wir die Ressourcen über die afghanische Regierung zur Verfügung stellen; andererseits müssen wir sicherstellen, dass wir Korruption in geeigneter Weise bekämpfen, um die Ressourcen, die wir haben, zu schützen.
Wir engagieren uns weiterhin in Schlüsselsektoren: Gesundheit (wie ich erläutert habe), Polizei, Justiz, Entwicklung des ländlichen Raums und subnationale Regierungen – und natürlich ist die Rechtsstaatlichkeit wesentlich. Wie ich beschrieben habe, liegt darüber hinaus ein Schwerpunkt all dieser Programme darauf, sicherzustellen, dass wir Kapazitäten innerhalb der lokalen afghanischen Strukturen aufbauen und dass die Prioritäten der Regierung bei der Bekämpfung der Drogenindustrie und beim Abbau der Korruption in vollem Umfang berücksichtigt werden.
Ich habe in meiner Rede auch auf die Wichtigkeit hingewiesen, Frauen auf allen Ebenen der afghanischen Gesellschaft und in der Tat auch in die politischen Strukturen zu integrieren. Ich habe den Bericht von Herrn Stevenson zur Kenntnis genommen und stimme zu, dass Wasser und Bewässerung – wie in so vielen Teilen der Welt – immer mehr zum Thema werden.
Herr Belder, ich verspreche, dass ich Ihnen – da Sie ausdrücklich darum gebeten haben – schriftlich antworten werde.
Ich möchte abschließend Herrn Arlacchi für den Bericht danken. Ich freue mich sehr darauf, die Diskussion über die wichtigsten Streitpunkte in diesem Bericht und darüber hinaus fortzuführen. Zum Schluss möchte ich an das erinnern, was man über Botschafter Richard Holbrooke gesagt hat, nämlich dass seine letzten Worte vor seiner letzten Operation Afghanistan galten. Dies ist sehr typisch für ihn. Wie ich ihn vermissen werde!
Pino Arlacchi, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, dies war eine äußerst interessante und lebhafte Aussprache. Ich möchte nur einige Anmerkungen machen.
Die erste ist, dass ich mich sehr darüber freue, dass es von niemandem Kritik an den vier Hauptpunkten des Berichts gab. Im Bericht werden die Reform der internationalen Hilfe, die Beseitigung des Opiumanbaus, die bessere Koordinierung der Polizeiausbildung und Unterstützung für den Friedensprozess gefordert. Alle Anmerkungen betreffen andere Themen, und ich freue mich, dass die Kolleginnen und Kollegen nach einem Jahr der Diskussion im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ihre Unterstützung für die Struktur des Berichts bekräftigt haben – der nicht „der Bericht Arlacchi" ist. Nach seiner Annahme durch den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ist dies der Ausschussbericht, der fast einstimmig – mit 60 Stimmen dafür und einer Stimme dagegen – angenommen worden ist. Er enthält auch mehrere von allen Fraktionen beschlossene Kompromisse, sodass es auch sehr wichtig ist, auf den wirklichen Text des Berichts zu verweisen, der der endgültige ist.
Herrn Juvin möchte ich sagen, dass es keinerlei Erwähnung von Besatzungsmächten in Afghanistan gibt. Das war der ursprüngliche Text. Der endgültige Text heißt „Koalition von internationalen Kräften“ in Afghanistan. Dieser Teil des Berichts wurde durch die Änderungsanträge geändert.
Der wichtigste Punkt sind Drohnen. Dies ist kein Bericht über Drohnen. Der Kompromiss zwischen den Fraktionen bezüglich des Einsatzes von Drohnen umfasst nur zwei Zeilen. Ich glaube, dass eine Einigung diesbezüglich früher hätte erzielt werden können; aber ich vertraue meinen Gesprächspartnern und den verschiedenen Standpunkten, und ich vertraue dem von uns erzielten Kompromiss. Im Bericht wird nicht das Verbot des Einsatzes von Drohnen gefordert. Es gibt diesbezüglich moderate Kritik; aber ich glaube, dass eine Einigung zwischen den Fraktionen möglich ist.
Ich danke Ihnen, und ich danke auch Baroness Ashton. Ich hoffe, dass sie den Inhalt des Berichts, der ein sehr konkreter Bericht ist und eine Ausstiegsstrategie für Afghanistan fordert, in vollem Umfang berücksichtigen wird.
Csanád Szegedi (NI). – (HU) Frau Präsidentin, ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich – aus formaler Sicht – jetzt das Wort ergreife, und ich stelle meine Frage nicht an Herrn Arlacchi, sondern möchte respektvoll eine kleine Erinnerung bzw. Frage an die Frau Präsidentin richten. Ich bin ein unabhängiges Mitglied, und wir haben sehr wenig Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Heute hatte ich nicht einmal die Gelegenheit, zu Wort zu kommen. Ich kam für diese Aussprache eine Stunde früher, ging sehr höflich nach unten und wies die Mitarbeiter dort darauf hin, dass ich gern das Wort ergreifen würde. Ich akzeptiere dies; es ist nachvollziehbar, dass es heute oder in dieser Aussprache keine Zeit dafür gab, und ich werde meinen Redebeitrag für die heutige Sitzung natürlich schriftlich einreichen. Was ich begrüßen würde und worum ich die Frau Präsidentin bitten möchte, ist, unabhängigen Mitgliedern, die leider so wenig Gelegenheit haben, das Wort zu ergreifen, mehr Aufmerksamkeit und Verständnis entgegenzubringen. Vielen Dank, und ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Arbeit.
Arnaud Danjean (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, um das Gesagte zu korrigieren: Herr Arlacchi hat völlig recht. Der uns vorgeschlagene endgültige Text enthält in Erwägung B das Wort „Besatzungsmächte“ nicht mehr. In der neuesten Version waren ganz einfach die Übersetzungen – und vor allem die französische Übersetzung – nicht richtig, und die französische Übersetzung enthielt bis heute Morgen noch den Ausdruck „Besatzungsmächte“; daher die Anmerkung von meinem Kollegen, Herrn Juvin.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet morgen statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Corina Creţu (S&D), schriftlich. – (RO) Die in Lissabon vorgestellte und verabschiedete Strategie beinhaltet die schrittweise Übertragung der Kontrolle über das Gebiet, Region für Region, aus der Verantwortung der ISAF an die afghanische Armee. Ihr Erfolg hängt davon ab, welche Maßnahmen Pakistan ergreifen wird, das Teil des Problems ist und auch zwangsläufig Teil der Lösung sein wird. Darüber hinaus glaube ich nicht, dass wir das zunehmend offenkundige Engagement Irans in Afghanistan ignorieren können. Die jüngsten Ereignisse, die mit dieser Verwicklung in Verbindung stehen, sind eine Ursache für Unruhen.
Ich bin der Ansicht, dass diese Strategie mit größeren, öffentlichkeitswirksameren zivilen Projekten Hand in Hand gehen muss, die die Entwicklung dieser Regionen, in denen die Armut allgegenwärtig ist und in denen die Präsenz von ISAF und US-Streitkräften keine fundamentalen Veränderungen herbeigeführt hat, fördern werden. Nach unserem Abzug können wir nicht die gleichen Probleme zurücklassen, die auch zur Machtübernahme der Taliban im vergangenen Jahrzehnt geführt haben. Ich hoffe, dass diese neue Strategie funktionieren und es Afghanistan ermöglichen wird, Frieden und Stabilität wiederherzustellen.
Krzysztof Lisek (PPE), schriftlich. – (PL) Die bisherige Strategie gegenüber Afghanistan hat nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt. Es hat mich gefreut, von der Festlegung eines Zeitplans für das NATO-Engagement in Afghanistan und der Unterzeichnung einer Erklärung über die langfristige Partnerschaft mit dem Land während des NATO-Gipfels von Lissabon zu erfahren. Auch die EU präsentiert eine einheitlichere und besser koordinierte Herangehensweise an die Region, in der die zivilen Aspekte und die Bedeutung der regionalen Zusammenarbeit berücksichtigt werden.
Daher sollten wir Reformen, die auf die Bekämpfung der Armut, der Diskriminierung von Frauen und der Herstellung von Opium abzielen, weiterhin unterstützen. Unsere Bemühungen sollten sich darauf konzentrieren, die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu fördern, einen Rechtsstaat aufzubauen und Afghanistan vollständig in die internationale Gemeinschaft zu integrieren. Sie sollten außerdem den Aufbau und die Reform der Verwaltung und des Mitarbeiterstabs des öffentlichen Dienstes durch Aus- und Weiterbildungsprogramme sowie die Unterstützung beim Aufbau und der Nutzung bestehender Infrastruktur und Beratung seitens der EU beinhalten.
Afghanistan sollte sich an der Festlegung und Umsetzung von Prioritäten beteiligen, was zum Aufbau der Zivilgesellschaft beitragen und sicherstellen wird, dass Afghanen für das Land Verantwortung übernehmen. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, die Sicherheit derjenigen, die wir nach Afghanistan schicken, zu gewährleisten – der Ausbilder und Mitglieder der Streitkräfte, deren Aufgabe es ist, sicherzustellen, dass diese Pläne umgesetzt werden. Wir können nicht zulassen, dass die Nutzung von ferngesteuerten Drohnen eingestellt wird, da dies die Sicherheit dieser Menschen erheblich verringern würde. In unserer Strategie sollte sowohl die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Afghanistans als auch die Sicherheit unserer Vertreter, die für die Entwicklung des Landes arbeiten, berücksichtigt werden.
Helmut Scholz (GUE/NGL), schriftlich. – Der Bericht über eine neue Strategie für Afghanistan zeichnet das überaus notwendige kritische Bild der Situation in Afghanistan. Er verdeutlicht: Die NATO-Strategie, komplexe politische und militärische Probleme mit militärischen Mitteln zu lösen, ist gescheitert. Deshalb fordert er explizit eine "neue Strategie" der internationalen Gemeinschaft, in deren Mittelpunkt der zivile gesellschaftliche Wiederaufbau steht. Ich begrüße, dass das Europäische Parlament, anders als viele mitgliedstaatliche Parlamente mit diesem Bericht das klare Signal setzt, dass für eine nachhaltige politische, wirtschaftliche und demokratische Entwicklung Afghanistans die Beendigung des Krieges und ein konsequenter Politikwechsel erforderlich sind. Dieser Grundaussage des Berichtes ist zuzustimmen. Ich widerspreche allerdings der Einschätzung, dass die Afghanistan-Strategie des jüngsten NATO-Gipfels zum Erfolg führen kann. Ich fordere den Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan. Die Polizeimission EUPOL ist gescheitert und sollte weder verlängert noch ausgebaut werden. Mit den namentlichen Abstimmungen zu einigen diese Fragen betreffenden Paragraphen verdeutliche ich diesen Dissens zum Bericht. Zugleich bedauere ich, dass der Bericht sich nicht kritischer mit der Tendenz zivilen Wiederaufbau militärischen Strategien unterzuordnen auseinandersetzt und auch die Menschenrechtslage, besonders die der Frauen nicht ausreichend genug berücksichtigt.