Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zum NATO-Gipfel von Lissabon.
Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. − Frau Präsidentin! Der NATO-Gipfel von Lissabon war ein Erfolg für die NATO und für ihren Generalsekretär. Ich war sehr froh, an einigen Diskussionen während dieses Gipfels teilnehmen zu können.
Ich werde den Damen und Herren Abgeordneten die meiner Meinung nach wichtigsten Ergebnisse schildern, wobei ich mich insbesondere auf die Beziehungen zwischen der EU und der NATO konzentrieren und die eher internen NATO-Themen nicht ansprechen werde.
In Lissabon haben sich die Staats- und Regierungsoberhäupter auf ein neues Strategiekonzept geeinigt, eine Vision für das Bündnis für die nächsten zehn Jahre. Die NATO hat ihre Kernaufgaben der gemeinsamen Verteidigung und der Abschreckung beibehalten und hat die Bedeutung des Krisenmanagements und der kooperativen Sicherheit anerkannt. Lissabon hat auch den Weg für wichtige Entscheidungen der NATO in einigen Schwerpunktbereichen wie der Raketenabwehr, der Cyberverteidigung, der Reform der NATO und dem Beitrag der NATO zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau geebnet.
In Bezug auf Afghanistan, über das wir gerade gesprochen haben und das auch ein wichtiger Kooperationsbereich zwischen der EU und der NATO ist, wurden Entscheidungen sowohl in Bezug auf den Übergang als auch in Bezug auf eine langfristige Partnerschaft gefällt. Ich werde mich darauf konzentrieren, wie Lissabon meiner Ansicht nach die Beziehungen zwischen der EU und der NATO verbessern wird. Das stand auch auf der Tagesordnung des Treffens der Verteidigungsminister, bei dem ich letzte Woche den Vorsitz hatte und an dem auch NATO-Generalsekretär Anders Rasmussen teilgenommen hat.
Die NATO ist für die Europäische Union ein wichtiger strategischer Partner. Ich begrüße es, dass die Staats- und Regierungsoberhäupter der NATO den wichtigen Beitrag, den die Europäische Union zur Sicherheit und Stabilität leistet, anerkannt haben. Ich möchte das starke politische Engagement für die Stärkung der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und der NATO betonen, für das sich alle Teilnehmer des Treffens, insbesondere Präsident Obama, ausgesprochen haben.
Ich habe mich zusammen mit Mitgliedstaaten und Verbündeten und dem NATO-Generalsekretär aktiv dafür eingesetzt, die Beziehungen zwischen der EU und der NATO zu stärken. Meine Teilnahme an mehreren NATO-Treffen auf hoher Ebene, unter anderem dem Arbeitsessen der Außenminister während des NATO-Gipfels von Lissabon, bei dem auch die Beziehungen zwischen der EU und der NATO im Mittelpunkt standen, war in dieser Hinsicht hilfreich.
Dieses Jahr habe ich die Initiative ergriffen, der NATO eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO zukommen zu lassen. Eine Vielzahl dieser Maßnahmen wurde bereits mit Unterstützung des NATO-Generalsekretärs in der Europäischen Union umgesetzt. Dadurch wurden Gelegenheiten für informelle Gespräche über Themen von gemeinsamem Interessen geschaffen und der politische Dialog der EU mit allen NATO-Verbündeten gestärkt.
Mein Ziel ist es, den Weg zu noch mehr Fortschritt zu ebnen. Dafür habe ich auf der Tagung des Europäischen Rates am 16. September ein Mandat erhalten. In Lissabon wurde Generalsekretär Rasmussen ein ähnliches Mandat verliehen, um mit mir auf die Stärkung der Beziehungen zwischen der EU und der NATO hinzuarbeiten.
Ein Gebiet, auf dem Fortschritte gemacht werden, ist die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO bei der Entwicklung der Fähigkeiten, ein Gebiet, auf dem wir vielversprechende Ergebnisse erzielen, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung militärischer Fähigkeiten, die sowohl für die Verbesserung der militärischen Fähigkeiten als auch zur Erhöhung der Kosteneffektivität notwendig ist. Mehr denn je müssen wir Komplementarität sicherstellen und Redundanz vermeiden.
Am 9. Dezember haben die Verteidigungsminister der EU-Mitgliedstaaten den Fortschritt, der in Bezug auf die Stärkung der Zusammenarbeit mit der NATO erzielt worden ist, begrüßt. Wir haben zum Beispiel bereits bei der Verfügbarkeit von Hubschraubern zusammengearbeitet, und wir haben jetzt die Grundlagen für die Bekämpfung von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und für medizinische Unterstützung geschaffen. Das sind beides äußerst wichtige Arbeitsbereiche mit echten praktischen Auswirkungen für unsere Soldaten, die sich im Einsatz befinden.
Lassen Sie mich nur einige konkrete Beispiele nennen. Auf dem Gebiet der Verfügbarkeit von Hubschraubern wurden bereits zwei Übungen in Frankreich und Spanien abgehalten. Ähnliche Übungen sind für die nächsten vier Jahre geplant. In diesem Zusammenhang haben wir 114 Mannschaften, also 1300 Mitarbeiter, mit 58 Hubschraubern ausgebildet. Als direktes Ergebnis wurden 63 ausgebildete Mannschaften in Afghanistan eingesetzt. Ein weiteres Beispiel, diesmal auf dem Gebiet der Bekämpfung von Bomben am Straßenrand, sind Geräte zur Bekämpfung von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung, wo sich die Europäische Verteidigungsagentur in der Abschlussphase zum Kauf eines forensischen Labors befindet, das nächstes Jahr in Afghanistan eingesetzt werden könnte.
Wir haben außerdem weiterhin die Zusammenarbeit durch die produktive Interaktion zwischen der Europäischen Verteidigungsagentur und dem Allied Command Transformation verbessert.
Insgesamt ist mein Ziel immer noch der Aufbau einer echten Beziehung zwischen Europäischer Union und NATO „von Organisation zu Organisation“. Das Treffen der Verteidigungsminister letzte Woche hat den Weg zum Erreichen dieses Ziel geebnet.
Bis zum Erreichen einer umfassenderen Lösung ist es wichtig, dass wir auf solide Vereinbarungen zählen können, wenn wir auf dem gleichen Gebiet operieren. Wir schulden dies unseren Mitarbeitern. Es ist außerdem wichtig, dass wir weiterhin in der Lage sind, effektiv zu arbeiten, um die Mitgliedstaaten und die Verbündeten dabei zu unterstützen, kritische militärische Fähigkeiten zu entwickeln, und dabei auf der erfolgreichen Arbeit aufbauen, die wir bereits geleistet haben. Ich behaupte, dass dies vor dem aktuellen wirtschaftlichen Hintergrund sogar noch wichtiger ist.
Wir werden alle flexibel sein müssen, um dies vorantreiben und Lösungen finden zu können. Ich werde meine Arbeit auf konkrete und pragmatische Weise im Namen aller 27 Mitgliedstaaten fortsetzen.
Elmar Brok, im Namen der PPE-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der NATO-Gipfel hat gezeigt, dass die dort angesprochene Zusammenarbeit zwischen NATO und Europäischer Union von großer Wichtigkeit ist. Die NATO ist nach wie vor notwendig für die kollektive Sicherheit Europas, und es ist wichtig, dadurch Amerika zu binden. Der Gipfel hat auch deutlich gemacht, dass die Raketenabwehr, die in einem gemeinsamen NATO-Projekt jetzt Gesamteuropa absichert, ein wichtiger Schritt ist zur weiteren Kooperation. Es wurde aber auch deutlich – und die Afghanistan-Debatte ist ein Beispiel dafür –, dass es ein hohes Maß an ziviler und militärischer Zusammenarbeit gibt, wo gerade die Europäische Union einen wichtigen Beitrag leisten kann. Ich glaube, dass diese entsprechend ausgebaut werden soll. Aber wir müssen sehen, dass in einem entscheidenden Punkt kein Fortschritt erreicht worden ist, weil die notwendige Kooperation, die wir viel besser gestalten könnten, durch den NATO-Partner Türkei bisher mit einem Veto belegt wurde. Frau Vizepräsidentin, ich glaube, dass es außerordentlich wichtig ist, dass diese Frage, auch im Kontext der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei angesprochen wird. Wir sollten nicht die NATO und die Zusammenarbeit von NATO und Europäischer Union zu einem Instrument machen in der Auseinandersetzung mit einem Mitgliedsland der Europäischen Union, das nicht der NATO angehört. Aus diesem Grunde meine ich, dass es zu einer entscheidenden Schwäche unserer Handlungsfähigkeit führt, dass die Türkei sich bisher den notwendigen Schritten nicht anpasst. Im Übrigen begrüße ich natürlich, dass die Frage der Rüstungskooperation auch darauf hinweist, dass es eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur geben kann, wobei gerade auch die Cyberspace-Frage von großer Bedeutung für die Institution ist.
Adrian Severin, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin! Der NATO-Gipfel von Lissabon hat die neuen Realitäten, Herausforderungen und unkonventionelle Bedrohungen in der Welt nach dem Kalten Krieg anerkannt. Auf dieser Grundlage hat er versucht, ein neues Gleichgewicht zwischen dem regionalen und dem weltweiten Engagement des Bündnisses zu finden. Eine globale NATO oder eine NATO mit einer globalen Rolle ist ein Muss. Damit sind bestimmte Folgen verbunden.
Erstens muss die Europäische Union sich darauf vorbereiten, in Bezug auf die europäische Sicherheit und Verteidigung mehr Verantwortung zu übernehmen. Das beinhaltet nicht nur, unser europäisches Sicherheits- und Verteidigungskonzept weiterzuentwickeln und auf den neuesten Stand zu bringen, sondern auch die Entwicklung unserer militärischen Fähigkeiten. Zweitens hat die Europäische Union die Pflicht, sich darauf vorzubereiten, sich globalen Herausforderungen zu stellen und sich wie ein echter globaler Akteur zu verhalten. Das bedeutet, dass wir unsere globalen Interessen und Ziele neu definieren und unsere militärischen Kapazitäten so weit verbessern müssen, dass wir in der Lage sein werden, die Last der globalen Verteidigung mit unseren amerikanischen Verbündeten zu teilen. Drittens haben wir die Pflicht, in unsere Strategien in Bezug auf Beziehungen mit anderen globalen Akteuren Ideen einfließen zu lassen, die uns zu einem System der Verteidigungspartnerschaft führen werden, durch die wir in einem weltweiten Verteidigungspakt eingebettet sein werden.
Bei der Erfüllung dieser Pflichten sollte die Europäische Union nicht nur ihre strategische Verbindung zur NATO wahren, sondern sie sollte auch in der Lage sein, ihren intellektuellen und politischen Beitrag dazu zu leisten, die Abschreckungsfähigkeit der NATO und ihre Fähigkeit zur Verteidigung der Mitgliedstaaten gegen Angriffe in einem Kontext aufrechtzuerhalten, der sich von dem Kontext, der die Geburt des Bündnisses bedingt hat, unterscheidet.
Norica Nicolai, im Namen der ALDE-Fraktion. – (RO) Frau Präsidentin! Ich glaube, dass der Gipfel von Lissabon der erste Gipfel seit 1999 ist, der einen nützlichen Beitrag in Bezug auf eine strategische Vision für das Bündnis geleistet hat. Ich denke, dass ein wichtigerer Gesichtspunkt in diesem Jahrhundert ist, dass nicht nur die bestehenden Bedrohungen und Sicherheitsinteressen, sondern insbesondere auch die Fähigkeiten unserer Verteidigungshaushalte zur Entwicklung effektiver militärischer Lösungen das Problem einer bipolaren Weltordnung herausstellen.
Es war an der Zeit, dass eine umfassende Analyse in Bezug auf die Richtung, in die das Bündnis steuert, durchgeführt wird, und sicherlich auch, ob eine Kompatibilität mit Russland ein Aspekt davon ist. Ich muss jedoch betonen, dass meiner Ansicht nach die Kompatibilität mit dem europäischen Sicherheitsprojekt für die NATO auch entscheidend ist. Das Afghanistan-Problem scheint dem Bündnis ausreichenden Auftrieb verliehen zu haben, und ich stelle mit Zufriedenheit fest, dass Russland zugestimmt hat, sich am Engagement der NATO in Afghanistan zu beteiligen. Ich hoffe, dass das komplexe Afghanistan-Problem im Hinblick auf die zukünftige Leistungsfähigkeit des Bündnisses keinen Anlass zur Sorge geben wird.
Außerdem begrüße ich es, dass die Europäische Union das Problem der Raketenabwehrtechnik angesprochen hat. Ich denke, dass wir die Wirksamkeit dieses Raketenabwehrschilds auf EU-Ebene erörtern müssen.
Reinhard Bütikofer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Vizepräsidentin! Der NATO-Gipfel in Lissabon ist sicher von großer Bedeutung für die EU und dieses Parlament, denn die Zukunft der europäischen Sicherheit wird nur dann erfolgreich gemeistert, wenn die NATO, die EU und auch andere Organisationen wie die OSZE jeweils ihren Beitrag leisten und vernünftig kooperieren. Aber die Darstellung, die bis jetzt von diesen Ergebnissen in Lissabon gegeben wurde, ist beschönigend. Ich sage es einmal etwas spöttisch: Die NATO hat zwar eine neue Strategie, aber sie weiß immer noch nicht, wohin sie will. Die ganz großmäuligen Phantasien von der NATO als Weltpolizist hat man aufgegeben, das ist sicherlich ein gewisser Fortschritt. Etwas mehr Bescheidenheit gibt es, aber noch nicht genug Klarheit.
Lassen Sie mich das an Beispielen demonstrieren:
1. Beispiel: Rüstungsausgaben. Die Mitglieder der Europäischen Union wollen durch eine dauerhafte, strukturierte Zusammenarbeit Rüstungsausgaben einsparen, aber unter der Überschrift „Raketenabwehr“ unterschreibt man bei der NATO ungedeckte Schecks. 200 Millionen sagt der Generalsekretär, alle Fachleute sagen, es seien eher 40-70 Milliarden, die dieser Raketenschirm kosten wird, und man weiß noch nicht einmal, wie er gemanagt werden soll.
2. Beispiel: atomare Abrüstung. Großartig war Obamas Vision in Prag, Global Zero, wir haben dies begrüßt. Schon bei der NPT-Konferenz war sich Europa nicht mehr einig, aber in der NATO klammert man sich jetzt an die atomare Abschreckung, wie der Blinde sich an einen Laternenmast klammert. Vor allem ehemalige Weltmächte finden offensichtlich ihre Atomwaffen viel attraktiver als eine ehrgeizige europäische Politik für atomare Abrüstung.
3. Beispiel: Friedensarbeit, zivile Konfliktlösung. Wir haben als Europäische Union da viel geleistet. Auf einmal kommt die NATO und will es auch machen. Demnächst kommt sie noch mit Entwicklungspolitik.
Man leidet unter sicherheitspolitischer Persönlichkeitsspaltung. Lassen Sie uns das beenden! Lassen Sie uns dafür sorgen, dass es in einem Jahr ein Weißbuch gibt, in dem wir klarstellen, was wir sicherheitspolitisch in Europa wollen!
Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin! Die NATO ist, ebenso wie die durch sie etablierten Beziehungen zu den USA, weiterhin ein entscheidendes Element der kollektiven Sicherheit Europas. Auf dem Gipfel von Lissabon hat die NATO ihren Platz im Herzen der euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur für ihr neues Strategiekonzept neu definiert.
Meine Rolle als stellvertretender Vorsitzender der Delegation des Parlaments für die Beziehungen zur Parlamentarischen Versammlung der NATO hat mich mehr denn je von der Bedeutung der NATO und der Zusammenarbeit der EU mit ihr überzeugt. Ich bin voller Bewunderung für die Arbeit der ISAF-Truppen der NATO in Afghanistan, aber ich bedauere die mangelnde Mitwirkung einiger unserer Verbündeter und ihre restriktiven Vorbehalte gegen ein militärisches Engagement, in einer Situation, in der eine Niederlage oder ein vorschneller Abzug der NATO unabsehbare Folgen für die Sicherheit des Westens und für einen dauerhaften Frieden in der Region hätte und insbesondere Pakistan destabilisieren würde. Sogar zu Zeiten von Einsparungen, wenn viele Mitgliedstaaten ihre Verteidigungshaushalte kürzen, muss der Sieg in Afghanistan unsere Priorität bleiben.
Ich war auch vor Kurzem in Kosovo, wo ich mit eigenen Augen die wertvolle Arbeit gesehen habe, die die KFOR-Truppen der NATO leisten. Die NATO-Operation Ocean Shield zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste von Somalia funktioniert gut, obwohl die Gefahr besteht, dass sie sich mit der größeren Operation Atalanta im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU überschneidet. Ich begrüße die Koordinierung zwischen diesen beiden Operationen.
Ich unterstütze es außerdem, dass Georgien und die Ukraine eines Tages der NATO beitreten. Der Kalte Krieg ist jetzt vorbei, und die Gefahren, mit denen wir konfrontiert sind, sind zunehmend asymmetrischer und globaler Natur. Ich begrüße die neue Herangehensweise der NATO, das Gesamtbild zu sehen, von der Cybersicherheit hin zu den Gefahren, die vom Klimawandel und der Ernährungssicherheit ausgehen, aber die Gründe für das Bestehen der NATO sind heute genauso stark wie sie es zur Zeit der Gründung der Organisation vor 61 Jahren waren.
Marisa Matias, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Frau Präsidentin! Der NATO-Gipfel hat in Lissabon stattgefunden, und deshalb würde ich gerne einige Worte dazu sagen, was in meinem Heimatland im Zusammenhang mit diesem Gipfel passiert ist.
Die portugiesischen Behörden haben europäischen Bürgerinnen und Bürgern nur aus einem Grund die Einreise in das Land verweigert: Diese Bürgerinnen und Bürger hatten Material bei sich, das kritische Meinungen zum Bündnis enthielt. Was sich also auf jeden Fall über diese Ereignisse sagen lässt, ist, dass in Portugal eine Willkürherrschaft ausgeübt wurde, eine echte Gedankenpolizei. Eine Herrschaft, die so besonders war, dass sie die portugiesische Regierung dazu angeregt hat, Kampfanzüge im Wert von 5 Mio. EUR zu kaufen, die noch nicht einmal rechtzeitig ankamen, um während des Gipfels eingesetzt zu werden. Das sind die Prioritäten einer Regierung, die vor einer riesigen sozialen Krise steht.
In dem Europa, von dem wir träumen, ist die Freiheit der Meinungsäußerung ein Grundwert. Das Europa, von dem wir träumen, geht nicht vor militärischen Organisationen in die Knie, die ihre Geschichte mit Blut schreiben.
Ein Ergebnis des NATO-Gipfels war, dass jede militärische Intervention der NATO an jedem beliebigen Ort legitimiert worden ist. Ein weiteres Ergebnis war, dass die Europäische Union den militärischen Strategien und Interessen Nordamerikas unterworfen worden ist. Drittens hat er die Militarisierung des Zugangs zu Energiequellen gestärkt. Und last but not least hat die militärische Verteidigung ein Entwicklungsmodell eingeführt, dass ein umweltpolitisches Ungleichgewicht verursacht und die soziale Krise verstärkt.
Daher würde ich sagen, Frau Präsidentin, dass wir meiner Meinung nach mit diesem Gipfel die Demokratie und unsere Freiheit verloren haben, und wir haben dies verloren, damit einige durch den Krieg gewinnen konnten.
David Campbell Bannerman, im Namen der EFD-Fraktion. – Frau Präsidentin, vielen Dank, dass Sie meinen vollen Namen benutzen. Ich denke, dass wir die Tatsache, dass der NATO-Gipfel von Lissabon den Schutz des Friedens und der Demokratie gestärkt hat, in direktem Gegensatz zum Vertrag von Lissabon, der bereits das Gegenteil tut, feiern sollten. Die NATO wird jedoch von drastischen Kürzungen bedroht, die den europäischen Armeen aufgezwungen werden.
Diese Kürzungen sind sehr gefährlich. Es ist unverzeihlich, dass die Regierung des Vereinigten Königreichs die Ausgaben unter das Grundniveau von 2 % reduziert, das jedes NATO-Mitglied respektieren muss. Es ist auch eine falsche Sparsamkeit, da Verteidigungsausgaben gute Arbeitsplätze schaffen. Heute wird der britische Harrier-Jet außer Dienst gestellt. Diesen Monat haben wir den Flugzeugträger HMS Ark Royal vorzeitig verloren, was auch den Verlust von 6000 engagierten Mitarbeitern nach sich zog.
Es kann nicht erwartet werden, dass die USA diese Last mit immer weniger Beiträgen unsererseits tragen. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass die Amerikaner sich aus der NATO zurückziehen können, wie der britische Spitzengeneral Dannatt gewarnt hat, und uns dem übermütigen russischen Bären überlassen, der immer noch bereit ist, Cyber-Angriffe gegen Estland zu starten und systematisch die britische See- und Luftverteidigung auszukundschaften, was in verstörender Weise an den Kalten Krieg erinnert.
Andreas Mölzer (NI). - Frau Präsidentin! Von einem historischen Durchbruch auf dem NATO-Gipfel war die Rede. Nun konnte zwar der deutsch-französische Streit über die nukleare Abrüstung beigelegt werden, de facto jedoch wird in Zukunft nicht auf Atomwaffen verzichtet werden können. Denn das würde die NATO-Staaten seitens Teheran oder Pjöngjang erpressbar machen. Überhaupt wird eine Welt ohne Atomwaffen, selbst ohne diktatorische Regime so lange eine Illusion bleiben, solange manche Staaten erst dann ernst genommen werden, wenn sie zur potenziellen oder auch zur tatsächlichen Atommacht aufgestiegen sind.
Bedauerlich ist auch, dass man bei diesem Gipfel ein für die Vereinigten Staaten eher unangenehmes Thema ausgespart hat, nämlich wie es im Nahen Osten nach dem beschlossenen Abzug der US-Streitkräfte aus dem Irak weitergehen soll. Auch die vielzitierte Trendwende der russischen Außenpolitik erweist sich wahrscheinlich bei näherer Betrachtung bloß als taktisch kluger Schachzug. Und für die Bereiche Terrorismus und Cyberkrieg gab es Absichtserklärungen anstatt wirklicher Konzepte. Von einem Durchbruch war dieser NATO-Gipfel meines Erachtens weit entfernt.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra (PPE). – (ES) Frau Präsidentin! Das neue Strategiekonzept der Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO), das sich in Lissabon herausgebildet hat, wurde eingeführt, um zu versuchen, auf einen neuen Kontext, anders gesagt, auf das Verschwinden des Blocksystems und das Ende des Kalten Krieges, zu reagieren und sich daran anzupassen. Außerdem wurde es eingeführt, um eine Anpassung an das neue Bedrohungsszenario und insbesondere an die Globalisierung und an die Tatsache vorzunehmen, dass unsere Streitkräfte keine offensichtlichen Feinde haben und unsere Feinde keine Streitkräfte haben.
Basierend auf diesem neuen Strategiekonzept und unter Berücksichtigung von Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, der sich auf den gegenseitigen Beistand bezieht, gibt es drei Gesichtspunkte, die mich interessieren.
Erstens die Frage, wie dieses strategische Bündnis mit Europa gestaltet werden sollte: Frau Ashton, ich möchte Sie fragen, ob Sie denken, dass die Türkei so weit wie möglich an den Maßnahmen und der Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteiligt sein sollte.
Zweitens: Was die Ratifizierung des Vertrags zur Verringerung der strategischen Nuklearwaffen (START) durch den Kongress der Vereinigten Staaten betrifft, denken Sie, dass dieses neue Strategiekonzept davon beeinträchtigt sein wird, wenn der Vertrag nicht ratifiziert wird?
Und schließlich: Was denken Sie über das Thema Raketenabwehrschild? Denken Sie, dass dieses Projekt das Ziel der Abrüstung von Kernwaffen in irgendeiner Weise beeinträchtigt? Es scheint, als ob es zu diesem Thema unter den Mitgliedstaaten gegensätzliche Meinungen gäbe.
Roberto Gualtieri (S&D). – (IT) Frau Präsidentin, Frau Ashton, meine Damen und Herren! Das neue Strategiekonzept, das von der NATO entwickelt worden ist, enthält wichtige, positive Veränderungen, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auf eine Art und Weise zu meistern, die mit den Werten des Nordatlantikpakts übereinstimmt.
Wir begrüßen insbesondere die Neubelebung der strategischen Partnerschaft mit Russland, die explizite Formulierung des Ziels einer Welt ohne Atomwaffen, die Anerkennung der Wichtigkeit einer stärkeren europäischen Verteidigung, die erneute Bestätigung des Grundsatzes der kollektiven Verteidigung und gleichzeitig auch die Erklärung, dass die NATO kein Land als ihren Gegner ansieht.
Es gibt jedoch immer noch Probleme und Gegensätze, zu deren Beseitigung dieses keineswegs neue Konzept nichts beiträgt. Erstens gibt es keine klare und eindeutige Verpflichtung zur Beseitigung von taktischen Atomwaffen, die immer noch in Europa stationiert sind, obwohl sie in strategischer Hinsicht anachronistisch und wirtschaftlich gesehen zunehmend untragbar sind. Zweitens ist die Rolle der Europäischen Union in dem Strategiekonzept immer noch unzureichend und die anvisierten Fähigkeiten für das zivile Krisenmanagement bergen das Risiko, sich mit den Fähigkeiten der Europäischen Union ganz ohne Sinn und Zweck zu überschneiden.
Wir sind uns der politischen Probleme bewusst, die eine effektivere Zusammenarbeit zwischen EU und NATO behindern, aber das kann der Entwicklung einer operationellen Perspektive, eines Ergänzungsprinzips und von Synergien, die mit unseren Zielen übereinstimmen, nicht im Wege stehen. Hubschrauber, medizinische Unterstützung und Sprengstoffe stellen einen bedeutenden Fortschritt dar, reichen aber nicht aus: Wir brauchen eine Vision und ein aktives Engagement, und wir fordern Sie, Frau Ashton, auf, sie mit Stärke und Klarheit zu nutzen.
Kristiina Ojuland (ALDE). - Frau Präsidentin! Der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat erklärt, dass der NATO-Russland-Gipfel, der in Lissabon stattgefunden hat, einen historischen Impuls für die Verbesserung der Beziehungen zwischen der NATO und Russland geliefert hat, was ich sehr begrüße.
Obwohl sich die Staats- und Regierungsoberhäupter des NATO-Russland-Rates auf eine gemeinsame Beurteilung der Bedrohungslage durch ballistische Flugkörper geeinigt und sich dazu entschieden haben, die Zusammenarbeit in der Raketenabwehr fortzusetzen, hat Präsident Medwedew nach dem Gipfel angekündigt, dass Russland bei dem geplanten gemeinsamen Raketenabwehrsystem nur als gleichberechtigter und vollwertiger Partner teilnehmen wird, der am Informationsaustausch und bei der Lösung eventueller Probleme eingebunden ist.
Ich möchte darauf hinweisen, dass gleichberechtigte Partner die gleichen Pflichten übernehmen müssen. Es gibt bei der Frage, wie Sicherheit zu definieren ist, zwischen der NATO und Russland erhebliche Differenzen. Während Russland klassische militärische Bedrohungen für die Sicherheit wahrnimmt, betont die NATO andererseits das Demokratiedefizit und die Verletzung von Menschenrechten als eine Sicherheitsbedrohung. Damit Russland an den gemeinsamen Projekten im Rahmen der NATO stärker beteiligt werden kann, erwarte ich, dass Russland sich für Demokratie, Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Um eine gleichberechtigte Partnerschaft zu haben, müssen NATO und Russland in Bezug auf solche wichtigen Fragen auf dem gleichen Niveau sein.
Franziska Katharina Brantner (Verts/ALE). - Frau Präsidentin! Ich möchte Frau Ashton hier willkommen heißen. Wir haben ihre Kommentare zu anderen Themen gehört, und ich denke, dass sie miteinander verknüpft sind. Es mag seltsam wirken, jetzt auf ein sehr spezifisches Thema einzugehen, aber ich würde gerne die weitere Entwicklung der GSVP im Rahmen der allgemeinen Zusammenarbeit mit der NATO ansprechen. Ich denke, dass wir eine externe Überprüfung davon brauchen, was bislang passiert ist.
Sie erwähnten in Bezug auf Menschenrechte, dass es an der Zeit ist, eine Bestandsaufnahme durchzuführen und weiterzugehen. Ich denke, dass wir das Gleiche in Bezug auf die Missionen brauchen, die wir bislang durchgeführt haben. Ich denke, dass Sie die Gelegenheit haben, noch einmal von vorne anzufangen. Sie können zurückblicken, auf externe Expertise zurückgreifen und eine Überprüfung durchführen lassen, um festzulegen, was wirklich unsere Prioritäten sind und welche Fähigkeiten wir brauchen. Ich möchte nur erwähnen, dass wir Planziele für 2010 haben, aber jetzt ist das Jahr 2010 schon fast zu Ende und wir sind weit davon entfernt, sie zu erreichen, und das gilt auch für die zivilen Planziele. Die Frage ist, wie wir fortfahren wollen, und ich denke, dass es gut wäre, eine Aussicht zu haben.
Zweitens bitte ich Sie dringend, den Synergieposten zu nutzen, der, wie ich hoffe, jetzt im Rahmen der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes geschaffen wird, um die zivilen Managementfähigkeiten in unserem Dienst zu stärken. Wir hatten noch nicht die Möglichkeit, neue Posten zu schaffen, aber wir sollten sie zumindest dazu nutzen, diesen Bereich zu stärken.
Mein letzter Punkt ist, dass es momentan eine Debatte über die Reaktion auf Krisen und nationale Katastrophen gibt. Ich denke, dass wir in diesem Zusammenhang vorsichtig sein müssen, die Neutralität der humanitären Hilfe der EU weiterhin zu wahren, auch wenn dies in Krisengebieten manchmal schwierig ist. Ich denke, dass dies eine wichtige Frage ist.
Konrad Szymański (ECR). – (PL) Frau Präsidentin! Die NATO ist aus dem Gipfel von Lissabon tatsächlich gestärkt hervorgegangen. Artikel 5 wurde wieder neues Leben eingehaucht, und er schließt die Fähigkeit zur Verteidigung gegen einen ballistischen Angriff nicht mehr aus. Die Bestimmungen der neuen Strategie müssen jetzt umgesetzt werden. Der Aktionsplan der transatlantischen Raketenabwehrarchitektur sollte spätestens Mitte 2011 fertiggestellt sein. Das sollte auch mit den entsprechenden Mitteln einhergehen, und zwar auch von den europäischen Partnern in der NATO. Die Unterzeichnung eines neuen START-Vertrags durch Russland darf keine Einschränkungen beim Bau der Raketenabwehrarchitektur der NATO zur Folge haben. Außerdem darf die Zusammenarbeit mit Russland auf diesem Gebiet keine Schwächung der Verteidigung Mitteleuropas nach sich ziehen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Wie aus den Schlussfolgerungen des NATO-Gipfels von Lissabon hervorgeht, bewährt sich die NATO als militärisches Bündnis, ein militärisches Bündnis mit Atomwaffen, das entschlossen ist, schnell und in großer Zahl überall auf der Welt, zu jeder Zeit und unter jedem Vorwand einzugreifen, und versichert, dass es einheitliche und robuste politische und militärische Fähigkeiten hat, durch die es mit jeder Krise fertig werden kann: vor, während und nach Konflikten.
Die NATO erklärt, dass politische und sicherheitspolitische Entwicklungen über ihre Grenzen hinaus eine besorgniserregende globale Bedrohung darstellen, von der sie betroffen ist und die sie beeinflussen kann, und dass sie sich daher aktiv für die Verbesserung der internationalen Sicherheit durch Partnerschaften mit den entsprechenden Ländern und anderen internationalen Organisationen einsetzen wird. Das ist eine Erklärung, die zwei Ziele offenbart: einerseits, sich als eine Art Kern zu behaupten, von dem Abhängigkeitsverhältnisse ausgehen, durch die sie überall auf der Welt ihre Präsenz etablieren, Druck ausüben und durch ihre Streitkräfte Interventionen durchführen kann. Andererseits, den Weg des Interventionismus und die Verschmelzung von internationaler Sicherheit und der inneren Sicherheit von Staaten zu stärken und auf diese Weise die Zerstörung des internationalen Rechts anzustreben, was ein direkter Angriff auf die Rolle der Vereinten Nationen und ihre Herangehensweise an internationale Sicherheitsfragen ist.
Unter der Führung einer der Mächte, den Vereinigten Staaten, strebt sie außerdem die Stärkung ihres eigenen europäischen Pfeilers an, der Europäischen Union, die als einheitlicher und unentbehrlicher Partner der NATO angesehen wird. Die NATO, die Lissabon verlassen hat, war also größer, mächtiger, gefährlicher und hinterhältiger; aber die Gefahr ist beträchtlich, und die Reaktion des portugiesischen Volkes bestand darin, dass mehr als 30 000 Menschen durch die Straßen von Lissabon marschiert sind und gegen diese Organisation gekämpft und ihre Auflösung gefordert haben, die bei der Verteidigung des Friedens als entscheidend angesehen wird.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Frau Präsidentin! Auch wenn die Verhandlungen der Vertreter der NATO-Mitgliedstaaten in Lissabon einige wichtige Fragen in Bezug auf Sicherheitsrisiken in der heutigen Welt gelöst haben, wird die Bedeutung einiger der Schlussfolgerungen und Entscheidungen sicherlich eine drastischere Auswirkung auf die gegenwärtige politische Welt haben.
Der vorsichtige neue Versuch einer Zusammenarbeit zwischen der NATO und Russland bei der Entwicklung eines Raketenabwehrsystems in Europa stellt eben so eine Veränderung in der Sicherheitspolitik dar und deutet darauf hin, dass sowohl die USA als auch Europa mit Russland einen mächtigen Partner finden könnten, der vielleicht auch erkennt, dass terroristische Vereinigungen und militante Regime, die auf extremistischen Ideologien basieren, zu der größten Bedrohung für ein friedliches und würdevolles Leben von zivilisierten demokratischen Gesellschaften geworden sind.
Hohe Vertreterin Ashton, es wäre gut, wenn wir auch die Worte von Präsident Obama, der sagte, dass er Russland als einen Partner und nicht als einen Feind ansieht, in einen positiven neuen Impuls auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit umwandeln könnten. Zu einer Zeit, in der die europäische Industrie mit Problemen zu kämpfen hat, die mit den nicht ausreichenden Absatzmärkten für ihre Produkte zusammenhängen, könnte ein offener und zahlungsfähiger Markt in der Russischen Föderation Möglichkeiten bieten, die sich für beide Partner – Russland und Europa – bei ihren internen Wirtschaftsproblemen als hilfreich erweisen könnten.
Michael Gahler (PPE). - Frau Präsidentin! Welche Aufgaben stellen sich der EU im Bereich der Sicherheit und Verteidigung im Lichte der Vorlage eines neuen strategischen Konzepts der NATO? Die EU-Verteidigungsminister haben den Finger in die Wunde gelegt: Der EU mangelt es an adäquaten Kapazitäten und Fähigkeiten. Finanzkrise und Sparzwänge erhöhen aber in der EU und in der NATO den Zwang zur Konzentration der militärischen Fähigkeiten. Die Stichworte sharing und pooling beschreiben, was jetzt notwendig ist. Sobald die Staaten geprüft haben werden, was hier möglich ist, muss die Europäische Verteidigungsagentur ins Zentrum der gemeinsamen Entwicklung von Fähigkeiten gestellt werden. Auch die Kommission muss ihre Kooperation mit der Europäischen Verteidigungsagentur ausweiten, was auch gemeinschaftsfinanzierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte umfassen sollte. Teilen Sie diese Auffassung?
Weil ich vorhin keine Redezeit zu dem anderen Thema hatte, will ich noch eine Frage zum Thema Demokratieförderung stellen. Ich möchte gerne von Ihnen wissen, wie viel Geld beim Demokratie- und Menschenrechtsinstrument ohne Zustimmung der Regierungen der betreffenden Länder tatsächlich ausgegeben wurde.
Ich habe auch noch ein Stichwort zur Wahlbeobachtung: Da sind wir teilweise inkonsequent, um nicht zu sagen feige. Nachdem Teile der Kommission und einige Mitgliedstaaten zu einer Wahlbeobachtung in Äthiopien gedrängt hatten und der Bericht des Chefs der Wahlbeobachtungsmission dann in Addis Abeba nicht präsentiert werden konnte, wurde das in Brüssel totgeschwiegen. Meine Frage ist: Wo bleibt Ihr öffentlicher Protest? Sie haben hier die Gelegenheit, zu diesem Thema noch etwas zu sagen.
Ioan Mircea Paşcu (S&D). - Frau Präsidentin! Sowohl das neue Strategiekonzept als auch die Erklärung zum Abschluss des Gipfels erkennen in der Tat laut und deutlich an, dass die EU ein wichtiger und daher unentbehrlicher Partner des Bündnisses ist. Die gegenwärtigen internationalen Herausforderungen, vor denen die NATO und die EU stehen, ihre gleichzeitige Präsenz in mehreren Einsatzgebieten und darüber hinaus die zunehmende Komplementarität ihrer jeweiligen Rollen machen es erforderlich, dass die Beziehungen zwischen den beiden Organisationen gestärkt werden.
In dieser Hinsicht und unter Berücksichtigung der notwendigen Zusammenarbeit in bestimmten Einsatzgebieten und der unvermeidbaren Überprüfung der Berlin-Plus-Vereinbarungen erwarten beide Organisationen von den Gesprächen zwischen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und dem Generalsekretär in Übereinstimmung mit ihrem jeweiligen Mandat konkretere Ergebnisse. Daher ist die Zeit gekommen, sich bei der Suche nach dem richtigen politischen Kompromiss, der einen Weg aus der aktuellen Sackgasse bieten und es beiden Organisationen ermöglichen würde, ihr echtes kooperatives Potenzial zu erreichen, einfallsreich zu zeigen.
Willy Meyer (GUE/NGL). – (ES) Frau Präsidentin, Frau Ashton! Sie sind sich vollkommen darüber im Klaren, dass meine Fraktion gegen das Bestehen der Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO) ist.
Meine Fraktion lehnt ihr Bestehen vollkommen ab, unter anderem deswegen, weil wir es nicht unterstützen, dass irgendein Staat auf der Welt – oder eine Gruppe von Staaten, wie das Militärbündnis der NATO – in der Lage ist, Gewalt einzusetzen, ohne über ein spezifisches Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu verfügen.
1999 hat die NATO auf ihrem Gipfel in Washington in ihrem Strategiekonzept die Möglichkeit des Einsatzes von Gewalt ohne ein Mandat des Sicherheitsrates gebilligt. Das ist ein Rückschritt und ein Frontalangriff auf das System des Völkerrechts, das mit so viel Mühe nach den zwei Weltkriegen aufgebaut worden ist.
Daher stimmen wir mit dieser Philosophie nicht überein. Wir teilen sie nicht mit der NATO noch mit irgendeinem anderen Staat, der das Recht, Gewalt ohne ein ausdrückliches Mandat auszuüben, beansprucht.
Darüber hinaus hat dies einen direkten Einfluss darauf, was zivile Reaktionen auf Probleme waren, die Unsicherheit verursachen: organisiertes Verbrechen, Terrorismus und so weiter. Das waren niemals Angelegenheiten, die eine militärische Reaktion erforderten, sondern vielmehr zivile Reaktionen durch internationale Polizeistrukturen und durch die Justiz. Daher sind wir nicht der Ansicht, dass sie eine militärische Reaktion erforderlich machen, was auch auf die damit verbundene Bedrohung natürlicher Ressourcen und unkontrollierte Massenzuwanderung zutrifft. Das sind keine Angelegenheiten, die eine militärische Reaktion erforderlich machen.
Die häufigsten Todesursachen auf der Welt sind Hunger und Armut – die größte Massenvernichtungswaffe –, und eine Militärmacht wie die NATO kann sie nicht bekämpfen.
Jacek Saryusz-Wolski (PPE). - Frau Präsidentin! Die Frage ist, ob wir mit dem Ergebnis des Gipfeltreffens von Lissabon zufrieden sind, und ich habe eine sehr zwiespältige Antwort. Es ist unzureichend, auch wenn es in die richtige Richtung geht. Hätten wir mehr erwarten können? Ich denke schon, aber wenn man es damit vergleicht, wo wir vor zwei, drei oder vier Jahren waren, ist es viel besser.
Es gibt ganz klar ungenutztes Potenzial in den Beziehungen zwischen den beiden Organisationen, aber es gibt mehr Worte als Taten und wir brauchen mehr Taten als Worte. Momentan wird viel über eine Annäherung gesprochen, aber das sind eher Erklärungen als konkrete Schritte.
Gleichzeitig gibt es eine vermehrte Komplementarität zwischen den beiden Organisationen. Auf der Seite der EU gibt es ein gewisses Fachwissen und Fähigkeiten. Die Europäische Union spezialisiert sich eher auf die „Soft Power“, die NATO mehr auf die „Hard Power“, die militärische Macht, aber beide Seiten entwickeln sich. Die EU hat seit Saint-Malo große Fortschritte gemacht, um ihre Rolle in der Sicherheit und Verteidigung zu festigen, und die NATO hat im Gegenzug die Notwendigkeit anerkannt, ihren ausschließlich militärischen Einsatzbereich auf die „Soft Power“ auszuweiten und hat bereits die notwendigen Entscheidungen getroffen. Infolgedessen kommen sich die beiden Organisationen näher und die Komplementarität nimmt zu. Wieso sollten wir das nicht nutzen?
Die Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern und das ungelöste Zypern-Problem sind das wahre Hindernis. Die Aufgabe der EU ist es, die Führungsrolle zu übernehmen, Initiative zu ergreifen, der NATO Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit vorzuschlagen, von Worten zu Taten überzugehen, und ich bewerte das Beispiel des kürzlich veröffentlichten Schreibens des polnischen, deutschen und französischen Außenministers, auf das Frau Ashton reagiert hat, als einen guten Anfang in die richtige Richtung.
Es bedarf einer engeren Zusammenarbeit der EU und der NATO durch den politischen Willen auf beiden Seiten und die Stärkung der GSVP, aber es gibt auch eine Aufgabe für die Hauptstädte sowohl der NATO als auch der Mitgliedstaaten der EU.
Ana Gomes (S&D). – (PT) Frau Präsidentin! Der Inhalt des Strategiekonzepts der NATO, das in Lissabon verabschiedet worden ist, ist in Bezug auf die Doktrin der nuklearen Abschreckung nicht neu, sondern alt. Das Bündnis hat sich entschieden, Nuklearwaffen als ultimative Abschreckungsmittel zu behalten. Ironischerweise widerspricht dies den Forderungen von Präsident Obama nach einer Welt ohne Nuklearwaffen und der während der letzten NVV-Überprüfungskonferenz versprochenen Abrüstung.
Das Bündnis sollte mit gutem Beispiel vorangehen, aber das wird die Verbreitung von Nuklearwaffen nicht einschränken – tragischerweise wird es sie fördern. In den Zeiten der Finanzkrise werden dadurch Mittel gebunden, die für den Kampf gegen andere Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, benötigt werden. Welchen Nutzen haben Atombomben gegen einen Terrorismus ohne Adresse oder Absender, gegen die Piraterie auf dem Indischen Ozean, gegen organisiertes Verbrechen, Cyber-Angriffe oder Angriffe mit chemischen oder biologischen Waffen?
Der Rat der Europäischen Union hat diese Woche in einer Erklärung verlautbaren lassen, dass es notwendig ist, unsere Bemühungen zur Verhinderung der Verbreitung von Nuklearwaffen zu verstärken. Frau Ashton, welche Pläne haben Sie, diese Karte in der NATO auszuspielen, wo 21 von 28 Verbündeten auch Mitglieder der Europäischen Union sind? Und was haben Sie den beiden Atommächten zu sagen, die auch Mitglieder der Europäischen Union sind, und die sich Versuchen gegenüber, in Bezug auf diese existenzielle Frage für die gesamte Menschheit im Strategischen Rat der NATO Änderungen durchzuführen, sehr widerstrebend verhalten haben?
Takis Hadjigeorgiou (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, Frau Ashton! Ich denke, dass wir in einer absurden Welt leben, und dass Sie gewählt worden sind, um darin eine Rolle zu spielen, um diese irrationale Absurdität abzumildern. Wie jeder weiß, hat der Krieg in Afghanistan über 300 Mrd. USD gekostet. Die Kosten für die Beseitigung der Armut in Afghanistan entsprechen den Kosten für fünf Tage Krieg. Die Kosten der Militäroperationen, die im Laufe einer Woche durchgeführt werden, reichen aus, um 6000 Schulen zu betreiben. 300 Mrd. USD hätten dazu genutzt werden können, 200 000 Schulen zu bauen. Das gleiche Geld hätte dazu genutzt werden können, 30 000 Krankenhäuser zu bauen. Rechnen Sie nach, und Sie werden es sehen. Ich spreche über Krankenhäuser, die jeweils 10 Mio. USD kosten.
Brauchen wir noch mehr Informationen, um zu verstehen, dass wir in einer absurden Welt leben? Wenn wir dieses Geld unter allen Familien aufgeteilt hätten, die in Europa unter der Armutsgrenze leben, gäbe es genug Geld für jede Familie. Kann sich das irgendjemand vorstellen? 20 355 EUR für jede der 27 Mio. Familien.
Wohin führt dieser absurde Weg? Er führt zur NATO. Daher fordere ich Frau Ashton, die eine führende Position in der Europäischen Union bekleidet, auf, die Rolle eines Katalysators zu übernehmen, damit diese Organisation von innen vernichtet wird.
Arnaud Danjean (PPE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Ashton! Ich teile Ihre Meinung hinsichtlich des Gipfels von Lissabon, der ein neues Strategiekonzept geliefert hat, das insgesamt zufriedenstellend ist. Wir sollten jedoch trotzdem in aller Ehrlichkeit anerkennen, dass das Stiefkind dieses Textes, angesichts des Potenzials dieser strategischen Partnerschaft, die Beziehung zwischen der Europäischen Union und der NATO ist, die viel ehrgeiziger sein sollte.
Sie haben zu Recht die Erfolge und die Fortschritte auf dem Gebiet der Entwicklung der Fähigkeiten hervorgehoben. Sie haben natürlich die Erfolge im Falle Afghanistans besonders angesprochen, wo wir vor Ort Kompromisse schließen können. Es ist jedoch unbefriedigend, dass wir, bis auf den Fall Bosnien, keinen strukturierten politischen Dialog mit der NATO haben. Wir alle wissen, dass das Problem bei der Türkei liegt. Wir werden uns damit ernsthaft und zweifellos pragmatisch auseinandersetzen müssen, und ich hoffe, dass die Anstrengungen, die Sie gemeinsam mit Generalsekretär Rasmussen unternehmen, Früchte tragen werden.
Ich möchte nur kurz sagen, dass das Problem der Doppelstrukturen oft angeführt wird, um die Schwächen der Europäischen Union zu betonen und die ehrgeizigen Ziele der Europäischen Union zu beschränken. Das ist kein wirkliches Problem, weil es keine zwei Streitkräfte, nicht eine NATO-Armee und eine Armee der Europäischen Union in unseren Mitgliedstaaten gibt. Es gibt in jedem Land eine Armee, und es ist an dem jeweiligen Land, zu entscheiden, ob es seine Truppen unter das NATO-Banner oder unter das Banner der Europäischen Union stellt. Lassen Sie uns die Panikmache mit dieser Vorstellung der Doppelstrukturen beenden.
Ich würde gerne etwas zur Komplementarität sagen: Sie ist notwendig und muss auf intelligente Weise angewendet werden. Ich würde es nicht gerne sehen, dass die Komplementarität zu einer zwingenden Notwendigkeit würde, während die Europäische Union zum Roten Kreuz einer NATO-Armee werden würde. Die Europäische Union muss ihre militärischen Fähigkeiten wahren, an ihren militärischen Zielen und an ihrem Ziel in Bezug auf die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) festhalten, so wie es in dem französisch-deutschen und polnischen Schreiben betont wurde.
Teresa Riera Madurell (S&D). – (ES) Frau Präsidentin! Der Gipfel von Lissabon hat sicherlich dazu beigetragen, die Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO) zu modernisieren und sie an die neuen Herausforderungen auf dem Gebiet der Sicherheit anzupassen.
Wir müssen die Tatsache, dass das neue Strategiekonzept neue Herausforderungen wie den Terrorismus, die Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Cyberverteidigung und die Sicherheit der Energieversorgung einbringt, begrüßen.
Es ist außerdem zu begrüßen, dass das neue Konzept die Notwendigkeit, die strategischen Beziehungen zwischen der NATO und der Europäischen Union zu stärken, unterstreicht. Es muss jedoch eine klare Verteilung der Aufgaben vorgenommen werden, damit in Zeiten der Krise eine effiziente Arbeitsweise gewährleistet wird und keine Duplizierung der Ressourcen stattfindet.
Der Vertrag von Lissabon war in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein Schritt nach vorne, und wir müssen sie jetzt festigen. Das Ziel ist klar: Die Europäische Union muss in der Lage sein, die notwendigen zivilen und militärischen Kapazitäten zu mobilisieren, um ihre internationalen Verpflichtungen wahrzunehmen, und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollte einen bedeutenden Beitrag zur transatlantischen Sicherheit leisten.
Nicht klar ist jedoch, wie diese Zusammenarbeit mit dem Bündnis organisiert werden soll, damit sie wirklich effektiv ist. Frau Ashton, es wäre wichtig, dass Sie sich dazu näher äußern.
Krzysztof Lisek (PPE). – (PL) Frau Präsidentin, Frau Ashton! Während der heutigen Diskussion wurde tatsächlich die Frage gestellt, wieso wir im Europäischen Parlament – ein Organ der EU – über den NATO-Gipfel sprechen. Die Antwort liegt auf der Hand. Die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind Mitglieder der NATO, sodass wir Teil der Europäischen Union und in den meisten Fällen auch Teil der NATO sind.
Daher sollte darauf hingewiesen werden, dass für die NATO die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der NATO eines der wichtigsten Themen war, das auf dem Gipfel von Lissabon diskutiert worden ist. Die Beschlüsse des NATO-Gipfels und auch die Erklärungen, etwa des Präsidenten der Vereinigten Staaten, bestätigen, dass sich die NATO nicht gegen die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik sträubt, sondern sie versucht vielmehr, eine Art der Zusammenarbeit zu finden, die für beide Institutionen vorteilhaft ist. Daher müssen wir uns auch bemühen, zu kooperieren und zusammenzuarbeiten, statt in einen sinnlosen Wettbewerb zu treten und kostspielige Doppelstrukturen zu betreiben, besonders in der heutigen Zeit der Finanzkrise. Ich hoffe, dass die auf dem NATO-Gipfel getroffenen Entscheidungen und das Schreiben der Außenminister von Frankreich, Deutschland und Polen, das hier angesprochen worden ist, uns – die Europäische Union – dazu bewegen wird, eine ernsthafte Debatte über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu führen.
Polen – ich bin ein Abgeordneter aus Polen – wird Sie, Frau Ashton, sicherlich während des polnischen Ratsvorsitzes bei dieser Aufgabe unterstützen. Wir müssen die Mechanismen und Möglichkeiten nutzen, die der Vertrag von Lissabon uns bietet. Das ist eine große Herausforderung für uns. Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich die Erklärung der NATO zur Offenheit in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Russland begrüße, eine Erklärung, in der auch die Bereitschaft der NATO, sich zu öffnen und neue Staaten, wie etwa Georgien, aufzunehmen, betont wird.
Kyriakos Mavronikolas (S&D). - Frau Präsidentin! Die Europäische Union ist für die NATO ein einzigartiger und wichtiger Partner. Wie in dem Dokument zum neuen Strategiekonzept deutlich wird, können und sollten die NATO und die Europäische Union sich ergänzende und sich gegenseitig verstärkende Rollen bei der Förderung des Friedens und der Sicherheit auf der ganzen Welt wahrnehmen.
Eine aktive und effektive Europäische Union trägt zur allgemeinen Sicherheit des europäisch-atlantischen Raums bei. Daher sollten günstigere Bedingungen geschaffen werden, indem die strategische Partnerschaft im Geiste der vollständigen gegenseitigen Offenheit, Transparenz, Komplementarität und des Respekts für die Autonomie und die institutionelle Integrität beider Organisationen gestärkt wird.
Wir sollten außerdem betonen, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO von grundlegender Bedeutung ist und unbeschadet des Grundsatzes der Beschlussfassungsautonomie und unter Rücksichtnahme auf den nuklearen Status einiger Mitgliedstaaten der EU entwickelt werden sollte.
Ernst Strasser (PPE). - Frau Präsidentin, Hohe Vertreterin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der NATO-Gipfel war ein klarer Fortschritt. Es ist gut, dass das hier so herausgearbeitet wird. Neue strategische Elemente wie das zivile Krisenmanagement und die Cyberverteidigung führen in die richtige Richtung. Gerade für kleine und auch neutrale Länder wie Österreich ist die Stärkung der strategischen Partnerschaft zwischen NATO und Europäischer Union von entscheidender Bedeutung. Die Entwicklung von militärischen Kapazitäten durch mehr Synergie, durch Abbau von Doppelgleisigkeiten, durch Rüstungskooperation hilft allen, aber besonders kleinen Mitgliedsländern.
Es gibt aber noch einiges zu tun, es gibt vieles zu tun, vor allem bei uns. Europa muss sich den Hausaufgaben stellen und sie machen. Die Initiative des französischen, deutschen und polnischen Außenministers führt in die richtige Richtung. Wir brauchen auf mittlere Sicht eine europäische Verteidigungsarchitektur, die militärische Kooperationen zwischen EU-Staaten fördert, die zivile und militärische Kooperationen zwischen EU, UNO und NATO verbindet, die eigene europäische Verteidigungsstrukturen schrittweise aufbaut. Es muss unser Ziel sein, ein relevanter Sicherheitspartner in dieser Welt zu werden. Daran sollten wir arbeiten.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Frau Präsidentin! Auf dem Gipfel von Lissabon wurde eine neue Perspektive in Bezug auf die Sicherheitsstrategie des Bündnisses skizziert. Konkret wurden drei Hauptziele erreicht: Das neue Strategiekonzept wurde verabschiedet, eine neue Herangehensweise in Bezug auf Afghanistan wurde ausgearbeitet, ganz zu schweigen davon, dass den Beziehungen mit der Russischen Föderation neuer Auftrieb verliehen wurde.
Ich denke, dass das wichtigste Ergebnis die Einbindung des Raketenabwehrschilds in das neue Strategiekonzept war. Rumänien hat sich seit dem Gipfel von Bukarest 2008 für die Schaffung des Schildes eingesetzt. Das weist darauf hin, dass mein Heimatland eine geeignete Vision hatte und einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung des Verteidigungssystems leisten wird. Gleichzeitig hat Rumänien die „Politik der offenen Tür“ unterstützt, die insbesondere die Stärkung der Beziehungen der NATO mit Georgien und der Ukraine zum Ziel hat.
Ich begrüße außerdem die Tatsache, dass die NATO angesichts der Sicherheitsrisiken, die in der Schwarzmeerregion vorherrschen, die strategische Bedeutung dieses Gebietes nochmals bestätigt hat. Sie sind insbesondere mit den ungelösten Konflikten in Transnistrien und Georgien verbunden. In diesem Zusammenhang bin ich der Ansicht, dass das Bündnis bei den Ankündigungen gegenüber Russland eine einheitliche Front bilden sollte. Die Russische Föderation muss die guten Absichten, die sie bekundet hat, durch Taten unter Beweis stellen, da sie eine große Verantwortung in Bezug auf die östliche Grenze Rumäniens und der NATO trägt. Ich muss betonen, dass die NATO durch die politische Erklärung, die verabschiedet worden ist, ihren Verpflichtungen in Bezug auf die territoriale Unversehrtheit der Republik Moldau und von Georgien nachgekommen ist.
Georgios Koumoutsakos (PPE). – (EL) Frau Präsidentin! Der historische NATO-Gipfel von Lissabon war ein Wendepunkt für die Zukunft des Bündnisses. 28 Verbündete fällten wichtige Entscheidungen, verabschiedeten eine neue Verteidigungsdoktrin, schufen die Grundlage für eine engere Zusammenarbeit mit Russland, klärten die Frage des Raketenabwehrschilds, bewilligten einen Aktionsplan für Afghanistan und bestätigten die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union.
Das ist jedoch die allgemeine und optimistische Sicht. Wir sollten nicht vergessen, dass diese Texte aufgrund des Konsenses, der erreicht werden musste, ein Ausdruck des kleinsten gemeinsamen Nenners der verschiedenen Positionen und Ansichten sind. Wir alle wissen, dass es nach dem Ende des Kalten Krieges Unterschiede und verschiedene Abstufungen bei der Wahrnehmung von Gefahren gibt. Osteuropäische Länder haben eine andere Sicht auf Beziehungen zu Russland, und die Türkei hat eine andere Sichtweise in Bezug auf das Atomprogramm des Iran. Wir wissen auch, dass Ankara einen diplomatischen Krieg geführt hat, um jegliche Bezugnahme darauf im Lissabon-Text zu verhindern. Die Türkei verfolgt auch einen anderen Ansatz in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, weil sie die Zusammenarbeit mit einem europäischen Partner und Mitgliedstaat der EU ausschließen will. All das trägt noch weiter zur Wichtigkeit der Rolle der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Kontext der Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO bei.
Aus diesem Grund glaube ich, dass die Europäische Union die neuen Möglichkeiten, die uns der Vertrag von Lissabon bietet, im vollen Umfang nutzen sollte. Wir müssen das internationale Profil der EU und ihre internationale Präsenz stärken. Wir brauchen ein stärkeres Europa, damit wir ein stärkeres Bündnis haben.
Marietta Giannakou (PPE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich stimme der Beurteilung der Hohen Vertreterin über den Gipfel von Lissabon zu. Er war wirklich ein wichtiger Wendepunkt und ein wichtiger Augenblick. Die transatlantischen Beziehungen sind der Schlüssel zur Sicherheit und Entwicklung auf der ganzen Welt, aber andererseits muss die Europäische Union, wo es nötig ist, ihre eigene Stimme und ihre eigenen Strukturen haben. Die vorhin angesprochenen Kostensenkungen werden durch diese Zusammenarbeit sowohl auf der Ebene der Ausrüstung als auch in Bezug auf zivile Entscheidungen erreicht, ohne die Notwendigkeit oder die Möglichkeit, das NATO-Bündnis zu verändern. Europa muss sein eigenes Verteidigungs- und Sicherheitssystem und seine eigene Stimme haben, weil es nur dann in der Lage sein wird, Probleme anzugehen, wie das Problem mit der Türkei oder andere Probleme mit NATO-Mitgliedern oder Nichtmitgliedern, die einen anderen Ansatz Russland gegenüber vertreten. Außerdem denke ich nicht, dass das Problem mit Russland ein schwieriges Problem ist. Ich denke, dass es ein Problem ist, das Europa insgesamt bewältigen kann, genauso wie die amerikanische Seite es bewältigt. Vielleicht kann Europa es sogar noch effektiver bewältigen.
Tunne Kelam (PPE). - Frau Präsidentin! Die Erweiterung der NATO könnte als eine der wenigen Erfolgsgeschichten nach dem Ende des Kalten Krieges gesehen werden. Die Dynamik der Erweiterung ist jedoch abgeflaut. Die NATO ist in Bezug auf die Öffnung gegenüber Georgien oder Mazedonien eher zögerlich. Militärische Beiträge haben in besorgniserregender Weise abgenommen. Sehr wenige NATO-Mitglieder erfüllen das 2-%-Kriterium für Verteidigungsausgaben, und das Bündnis hat seit über einem Jahrzehnt keine ernsthaften Militärübungen durchgeführt. Die letzte derartige Übung, um zu beweisen, dass die Vereinigten Staaten schnell Truppen nach Europa entsenden können, hat vor 17 Jahren stattgefunden. Es ist wahr, die Sowjetunion ist zusammengebrochen. Das Potenzial und die Glaubwürdigkeit der NATO hängen jedoch immer noch von der militärischen Macht der USA ab. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die militärischen Einrichtungen der NATO weiterhin gut integriert sind und dass die militärischen Befehlshaber aus den Vereinigten Staaten und aus Europa die Möglichkeit haben, gemeinsame Übungen abzuhalten.
Nur auf der Grundlage einer viel engeren und viel entschiedeneren transatlantischen Zusammenarbeit werden die EU und die NATO in der Lage sein, eine demokratische internationale Agenda für die Herausforderungen einer multilateralen Welt festzulegen.
Ich würde mich auch gerne zu den Schlussfolgerungen des NATO-Russland-Rates äußern. Darin wird eine modernisierte Partnerschaft auf der Grundlage des gegenseitigen Vertrauens, der Transparenz und der Berechenbarkeit gefordert. Das kann als Erklärung des guten Willens angesehen werden. Wir wissen jedoch, dass in der russischen Militärdoktrin die Erweiterung der NATO um Nachbarländer Russlands als Aggression angesehen wird und militärische Präventivschläge und Landungen auf fremdem Hoheitsgebiet rechtfertigt.
Große Militärübungen, die im Herbst 2009 in Nordwestrussland nahe dem Hoheitsgebiet der baltischen Staaten stattgefunden haben, dienten als Vorbereitung für die Invasion dieser Staaten im Zusammenhang mit einem Gegenangriff, vermutlich gegen NATO-Aktionen. Positiv ist, dass die baltischen Staaten endlich NATO-Notfallpläne für ihre Verteidigung erhalten haben, wie WikiLeaks aufdeckte.
Georgien wurde von Russland überfallen, und zwei seiner autonomen Gebiete wurden praktisch annektiert. Erst kürzlich wurden in diesen abtrünnigen Regionen Raketen aufgestellt, und Russland setzt in allen westlichen Ländern seine massive Spionage fort. Wenn diese Spione enttarnt werden, ist es der Westen, der sich bloßgestellt fühlt, nicht Russland, das seine Spione öffentlich mit den höchsten Staatspreisen auszeichnet.
Daher ist das Bestehen Russlands auf seine Gleichberechtigung in den Beziehungen mit der NATO und eine Art gemeinsame Beschlussfassung verfrüht und birgt das Risiko eines russischen Vetos gegen Entscheidungen der NATO und einer weiteren Erweiterung.
Katarína Neveďalová (S&D). – (SK) Frau Präsidentin! Auf dem Gipfel von Lissabon hat die NATO ihre Rolle als Sicherheitsgarant im europäisch-atlantischen Raum bekräftigt und außerdem anerkannt, dass sie sich neuen Herausforderungen stellen muss.
Das beste Instrument zur Wahrnehmung dieser Rolle ist ein breites Netz an strategischen Partnerschaften, sei es mit Staaten oder mit internationalen Organisationen. Die NATO muss daher bereit sein, mit jedem potenziellen Partner, der unser gemeinsames Engagement für Frieden und sichere internationale Beziehungen teilt, in den politischen Dialog zu treten.
Meiner Meinung nach besteht die wichtigste strategische Partnerschaft in der Zusammenarbeit mit Russland, wo die NATO die praktische Zusammenarbeit stärken muss, um in der Lage zu sein, sich den modernen Gefahren des internationalen Terrorismus, der Piraterie, des Menschen- und des Drogenhandels entgegenzusetzen. Die NATO braucht ausreichende finanzielle, militärische und personelle Ressourcen, um diese Mission erfüllen zu können. Es ist jedoch notwendig, dass diese Ressourcen so effizient wie möglich genutzt werden, und zwar vorwiegend für die Sicherung des Friedens.
Ivo Vajgl (ALDE). - (SL) Frau Präsidentin! Ich bin froh, vor Herrn Goerens, meinem Kollegen aus Luxemburg, sprechen zu dürfen, weil eine andere Reihenfolge meinem Argument, das ich hier vorbringen will, dass diejenigen, die seit einer halben Stunde hier gesprochen haben, vorwiegend Abgeordnete aus Südosteuropa gewesen sind, widersprechen würde. Dadurch sollte Ihnen klar sein, dass für uns die Sicherheitsfragen, die NATO und die Beziehungen der NATO zur Europäischen Union etwas wichtiger sind, als sie es für andere Nationen sind.
Aus eben diesem Grund möchte ich sagen, dass diejenigen, die am Gipfel von Lissabon teilgenommen haben, eine Gelegenheit versäumt haben, eine klarere, prinzipientreuere und bestimmtere Haltung in Bezug auf die Wünsche zweier Länder aus Südosteuropa, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina, einzunehmen, um ihre Sicherheit dadurch auszubauen, dass man wenigstens eines von ihnen in die EU oder die NATO aufnimmt.
Als wir in Slowenien kurz vor dem Beitritt zu diesen beiden Institutionen standen, sagten wir, dass die Mitgliedschaft in einer dieser Institutionen ausreichen würde. Die NATO hat die Möglichkeit, Fehler zu korrigieren, die die Europäische Union macht. Ich denke, dass wir dies berücksichtigen müssen.
Janusz Władysław Zemke (S&D). – (PL) Frau Präsidentin! Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie mir diese Gelegenheit zu sprechen geben. In dieser heutigen Diskussion geht es um die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU. Frau Ashton hat uns hier eine positive Beurteilung vorgestellt, aber ich möchte sagen, dass dies meiner Meinung nach eine Beurteilung ist, die stark übertrieben ist. Meine Kollegen Abgeordneten aus Polen, Herr Saryusz-Wolski und Herr Lisek, haben bereits gesprochen, und ich möchte klar sagen, dass ich ihrer Einschätzung zustimme.
Das ist nur der Anfang, und es ist der Anfang eines sehr langen Weges. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die drei pragmatischen Aspekte hinweisen, bei denen ein gemeinsamer Fortschritt zu beobachten ist. Der erste Bereich betrifft die gemeinsame Verteidigungsplanung der NATO und der Europäischen Union – hier ist klar, dass mehr getan werden muss. Der zweite Bereich sollte die Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten betreffen – hier können auch Fortschritte erzielt werden. Und schließlich betrifft der dritte Themenbereich das Funktionieren von Gefechtsverbänden – es muss die Frage gestellt werden, ob sie heute zu einem Mehrwert führen.
Charles Goerens (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich möchte Frau Ashton eine Frage zum Europa der Verteidigung und auch zur NATO stellen.
Der Vertrag von Lissabon ermöglicht es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in Fragen der Verteidigung enger zusammenzuarbeiten, natürlich nur, wenn sie dies wünschen. Das wird „strukturierte Zusammenarbeit“ oder „verstärkte Zusammenarbeit“ genannt, es ist ziemlich egal, welchen Begriff man benutzt.
Könnte Frau Ashton mir sagen, ob eine Zusammenarbeit dieser Art bereits von einer Gruppe von Ländern in Betracht gezogen wurde, und wenn ja, können Sie mir sagen, welche Kriterien gegebenenfalls erfüllt werden müssen, um sich für diese Art der Zusammenarbeit zu qualifizieren?
Catherine Ashton, Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission. − Frau Präsidentin! Ich danke noch einmal denjenigen, die zu dieser sehr umfassenden Debatte beigetragen haben. Ich werde, wenn Sie erlauben, versuchen, einige der wichtigen Punkte, die angesprochen worden sind, aufzugreifen und zumindest beginnen, Ihnen darauf zu antworten.
Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich dafür engagiere, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der NATO voranzutreiben, aber ich unterschätze nicht die politischen Probleme, die im Kern dieser Frage liegen. Mein Ziel ist es, praktische und pragmatische Lösungen zu finden, durch die eine verstärkte Zusammenarbeit dazu beitragen kann, unsere Leute vor Ort zu unterstützen. Die Menschen, die sich im Einsatzgebiet befinden, die an Operationen beteiligt sind, sind diejenigen, an die ich am meisten denke, wenn ich darüber nachdenke, wie wir zusammenarbeiten können. Aber ich tue dies mit dem Bewusstsein, dass der Türkei eine wichtige Rolle zufällt, und ich tue dies mit dem Bewusstsein, dass ich 27 Mitgliedstaaten repräsentiere, und ich arbeite mit den Mitgliedstaaten, die an den vorliegenden Problemen das größte Interesse haben und von ihnen am meisten betroffen sind, eng zusammen.
Wir arbeiten daran, das so schnell wie möglich zu erreichen. Aber ich unterschätze nicht die Herausforderungen, und ich ziehe immer Ideen in Betracht und bin an Ideen interessiert, die dazu beitragen könnten, dieses Ziel zu erreichen.
Ich akzeptiere, dass wir auch genau überprüfen wollen, was wir selbst tun, und dass wir sicherstellen wollen, dass das, was wir tun, komplementär ist und wir nicht die gleiche Arbeit doppelt leisten. Tatsächlich sind die Gebiete, auf denen wir arbeiten, sehr komplementär. Das Beispiel, das vorhin angeführt worden ist, war die Operation Ocean Shield vor der Küste Somalias und die Arbeit, die wir mit der Operation Atalanta leisten.
Die Abgeordneten, die das Gebiet besucht haben, werden wissen, dass es sich hierbei um einen riesiges Gebiet im Meer handelt, wo es viel Raum für ergänzende Maßnahmen und ein sehr geringes Risiko für doppelte Arbeit gibt, und tatsächlich arbeiten die verschiedenen Dienste sehr gut zusammen. Generalmajor Howes, der die Operation Atalanta zurzeit leitet, hat mit den Verteidigungsministern gesprochen, und dabei eben darauf hingewiesen, dass viel miteinander kommuniziert wird, es aber auch sehr viel Arbeit gibt, die gemeinsam auf eine zufriedenstellende Art und Weise geleistet werden kann.
Herr Gahler hat einige Punkte angesprochen, die nichts mit dieser Aussprache zu tun hatten, und ich möchte ihm vorschlagen, dass er mir zu diesen Themen eine kurze Mitteilung schreibt, und ich werde ihm gerne darauf antworten, aber ich will nicht heute Abend die Zeit des Parlaments für Themen verwenden, die nicht zur Aussprache gehören.
Was Fragen zur Raketenabwehr betrifft, so wurde, soweit ich das beurteilen kann, während dieser Verhandlungen im neuen Strategiekonzept der NATO ein Gleichgewicht zwischen den Fragen der Raketenabwehr und der nuklearen Stellung der NATO gefunden. Es ist klar, dass die NATO ihre nuklearen Abschreckungswaffen beibehalten will, während sie gleichzeitig am Ziel einer kernwaffenfreien Welt, das sie sich selbst gesetzt hat, festhält.
Das ist die Herangehensweise, die wir heute wählen, aber selbstverständlich sind wir nicht an allen Aspekten der NATO beteiligt, aus eben den Gründen, die in diesem Parlament gut verstanden worden sind. Wir waren zum Beispiel nicht am Treffen des NATO-Russland-Rates beteiligt, weshalb es mir nicht möglich ist, zu kommentieren, was dort passiert ist, sondern ich nur die Ergebnisse dieses Treffens kommentieren kann, wie ich es bereits getan habe.
Was START betrifft, so sind die Fortschritte, die zwischen den Vereinigten Staaten und Russland in Bezug auf die Entmilitarisierung erzielt worden sind, zu begrüßen und werden meiner Ansicht nach den Weg für eine bessere Abstimmung mit der NATO ebnen, was sicherlich zu den Zielen gehört, die der Generalsekretär sich selbst gesetzt hat.
Und schließlich die strukturierte Zusammenarbeit: Wird sie stattfinden, was wird getan? Es liegt in der Tat an den Mitgliedstaat, Ideen einzubringen. Es gibt bereits Beispiele, wo Mitgliedstaaten, wie etwa das Vereinigte Königreich und Frankreich, oder in dem Schreiben, das ich von den Ländern des Weimarer Dreiecks erhalten habe, nach Möglichkeiten gesucht haben, wie sie diese Zusammenarbeit verstärken können, teilweise auch durch die Europäische Verteidigungsagentur, wo wir Möglichkeiten haben, zu versuchen, diese Synergien auf angemessene Weise weiterzuentwickeln.
Ich hoffe und erwarte, in Zukunft mehr davon zu sehen. Insbesondere erwarte ich dies von den bevorstehenden Ratsvorsitzen, speziell von Polen, das sich auf Verteidigungsthemen konzentrieren will. Es gibt keine Beispiele, die ich den verehrten Abgeordneten geben kann, die darauf hinweisen würden, dass es eine Möglichkeit gibt, sich zu beteiligen, aber ich hoffe, dass Ziele vorgeschlagen werden, die unsere Möglichkeiten verbessern, in dieser Wirtschaftskrise unsere Ressourcen so effektiv wie möglich zu nutzen.
Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Ágnes Hankiss (PPE), schriftlich. – (HU)Auf dem Treffen der Minister der NATO-Mitgliedstaaten im Oktober 2008 erklärte General John Craddock, Kommandeur der NATO-Streitkräfte in Europa, Russlands militärische Aktion gegen Georgien habe die NATO dazu veranlasst, ihre Grundanschauung in Bezug auf die Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten zu überprüfen. Trifft diese Erklärung heute nach dem Gipfel von Lissabon noch zu? Der Vertrag mit Russland ist ein sinnvoller politischer Schritt, welcher der Stärkung unserer Sicherheit dienen könnte. Doch er wirft unausweichlich auch ernste moralische und strategische Fragen auf. Beabsichtigt die NATO, um der Zusammenarbeit willen, die Vertretung und den Schutz demokratischer Werte, auf denen das euro-atlantische Bündnis beruht und die in mehreren Punkten in scharfem Kontrast zum russischen Demokratiebegriff stehen, aufzugeben?
Es ist vielleicht unnötig, noch einmal gesondert auf die Einschüchterung und die Schmähung der Menschen sowie die ungeklärten Todesumstände von Journalisten und Rechtsanwälten in Russland hinzuweisen. Auch wäre es schwierig, Russlands kürzliche Nominierung von Wikileaks-Gründer Julian Assange für den Friedensnobelpreis nicht als eine provokative Geste zu interpretieren. Wird es die Chancen von Ländern auf einen NATO-Beitritt schmälern, wenn Russland ihre künftige Mitgliedschaft nicht billigt? Wir stehen vor der Frage, ob die NATO-Führer die Verletzbarkeit bestimmter Mitgliedstaaten und ihre offenen und ungelösten Probleme mit Russland, die bis heute bestehen, in Erwägung ziehen. Der historische Kurs in Richtung Friedensschaffung und Verständigung muss auf jeden Fall begrüßt werden. Doch wir müssen klar und deutlich die historische Verantwortung der NATO anerkennen, sowohl hinsichtlich der großen Macht, die durch sie als Folge des geschlossenen Abkommens zum Raketenabwehrprogramm nun legitimiert wird, als auch hinsichtlich dessen, was sie getreu unserer gemeinsamen europäischen Werten strikt ablehnen wird.
Nuno Teixeira (PPE), schriftlich. – (PT) Mit dem NATO-Gipfel in Lissabon wurde das strategische Sicherheitskonzept, das seit dem Kalten Krieg besteht, außer Kraft gesetzt. Die Umsetzung dieser neuen Sicherheitsstrategie stellt einen Übergang von der traditionellen Verteidigung der Mitgliedsländer des Atlantischen Bündnisses hin zu einem globalen Sicherheitskonzept für das 21. Jahrhundert dar.
Die Herausforderung, auf der das neue strategische Sicherheitskonzept beruht, umfasst die enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen internationalen, sowohl Regierungs- als auch Nichtregierungsinstitutionen und die Stärkung von Partnerschaften, insbesondere mit Russland. Zusätzlich zur Errichtung politischer Kanäle wurden operationelle Fragen hinsichtlich der Fähigkeiten und der Struktur der NATO selbst an die neuen globalen Bedrohungen angepasst. Außerdem ist es wichtig, hervorzuheben, dass die NATO einen Plan für eine Übergangsmission in Afghanistan angenommen hat, mit dem Ziel, die Angelegenheiten der nationalen Sicherheit in die Hände der afghanischen Behörden zu legen. Ich glaube, dass diese neue strategische Vision, die Leitlinien schafft, auf denen die internationalen Beziehungen der Mitgliedstaaten beruhen sollen, von allergrößter Bedeutung ist.
Niki Tzavela (EFD), schriftlich. – Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg war Russland zu den Verhandlungen über die Raketenabwehr eingeladen. Dies kann nur als Meilenstein für die Allianz betrachtet werden. Russlands Antwort bleibt abzuwarten, und es besteht Potenzial für eine echte Partnerschaft mit den USA, wobei beide sich an den vereinbarten Verhandlungstisch setzen müssten. Darüber hinaus benötigt dieses Projekt eine beachtliche Finanzierung seitens Europa, was angesichts der Senkung der Verteidigungsausgaben in Europa kein einfaches Unterfangen sein dürfte.
Und schließlich wird Afghanistan der große politische Test für die NATO in den kommenden Jahren sein. Die USA handelten schnell und versicherten Russland, dass die Raketen nicht gegen sie gerichtet seien. Für die USA war es unheimlich wichtig, Russland nicht zu reizen, und sie stellten dies unter Beweis, indem sie Russland zur Beteiligung am Raketenabwehrschirm einluden. Zweitens waren die USA klug genug, Iran nicht namentlich zu erwähnen, oder um es korrekt auszudrücken, die Wünsche der Türkei zu erfüllen, die drohte auszusteigen, wenn ihr Nachbar (Iran) erwähnt würde. Das Problem ist, dass nur 21 der 27 Mitgliedstaaten der EU in der NATO sind, was die Entwicklung der europäischen Verteidigung bedroht.