Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, zur Lage in Weißrussland.
Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik – Herr Präsident, die Ereignisse, die auf die Wahlen in Belarus am 19. Dezember folgten waren ein Schock für uns alle: Die Gewalt, mit der die Behörden gegen ihre Bürger vorgingen, gaben Anlass zu Äußerungen der Besorgnis und der Missbilligung in der ganzen Welt.
Meine Kollegen und ich haben viele Betroffene kennen gelernt, aus der Oppositionsbewegung, der Zivilgesellschaft, den Familien der Inhaftierten und der Bevölkerung. Wir hatten die Gelegenheit, unser Mitgefühl und unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen und zuzuhören. Aber jetzt, verehrte Abgeordnete, ist es Zeit zu handeln.
Ich begrüße sehr, dass Mitglieder dieses Parlaments bereits zu unseren Überlegungen zu diesem Thema beitragen konnten und dass mein Kollege, Kommissionsmitglied Füle, letzte Woche vor dem AFET-Ausschuss unsere gegenwärtige Position vorstellen konnte. Ich werde mich eingehend mit der EU-Entschließung auseinander setzen, die aus Ihren Debatten hervorgegangen ist. Angesichts der Dringlichkeit der Lage, mit der wir uns beschäftigen, ist es für uns alle wichtig, so gezielt wie möglich vorzugehen.
Ich bin mit Vertretern der Opposition und der Öffentlichkeit in Belarus zusammengekommen, wie ich erwähnte, auch mit Angehörigen der Inhaftierten. Auch bin ich mit Außenminister Martynov zusammengetroffen. Diese Gespräche haben keinen Zweifel daran gelassen, dass die Ereignisse, die wir erlebt haben, einen Affront gegen unsere Vorstellung von der Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der Demokratie darstellen. Nicht nur die ungerechtfertigte Anwendung von Gewalt, auch der gesamte Wahlprozess wurde durch die Festnahme von Vertretern der Zivilgesellschaft und der Opposition eindeutig untergraben. Die Bewertung des OSZE/BDIMR stützt diese Erkenntnis.
Viele der in den letzten Wochen Festgenommenen wurden freigelassen. Gegen einen großen Kreis von Personen – mindestens 30 Menschen – werden aber immer noch Anklagepunkte erhoben, die zu ganz erheblichen Gefängnisstrafen führen könnten, und wie Sie, verehrte Abgeordnete, wissen, befinden sich darunter einige Präsidentschaftskandidaten.
Herr Präsident, ich habe die repressiven Maßnahmen bereits verurteilt, die von den Behörden in Minsk ergriffen wurden, und ich habe die sofortige Freilassung aller aus politischen Gründen Inhaftierten sowie die Wiedereröffnung des OSZE-Büros in Minsk gefordert. Ich habe diese Botschaft in einer gemeinsamen Erklärung mit US-Außenministerin Hillary Clinton bestärkt.
Bei meinem Treffen mit Außenminister Martynov habe ich betont, dass die EU von den belarussischen Behörden eine sofortige Reaktion auf die Forderungen der internationalen Gemeinschaft erwartet. Bei der Festlegung des weiteren Schritts müssen wir von grundlegenden Prinzipien ausgehen.
Das erste dieser Prinzipien besteht darin, dass die Sicherheit und der Schutz friedlicher Aktivisten in unseren Überlegungen immer an erster Stelle stehen müssen.
Das zweite Prinzip ist, dass die Belarussen unsere Nachbarn und Partner sind und ihre Interessen vorrangig sind. Wir bringen zwar den Behörden gegenüber unsere Besorgnis zum Ausdruck, doch können wir die Menschen nicht isolieren.
Das dritte Prinzip ist, dass die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten Kernstück der Außenpolitik der EU und der Östlichen Partnerschaft ist und Teil der gemeinsamen Werte, die wir mit unseren engsten Partnern teilen. Wir werden mit diesen Partnern zusammenarbeiten, wie wir dies mit den USA getan haben, um der Botschaft von der internationalen Gemeinschaft an Belarus möglichst große Wirksamkeit zu verleihen.
Herr Präsident, unsere Bewertung führt zu einer klaren Erkenntnis: Wir müssen unsere Kanäle nutzen, um eine unmissverständliche und unverzügliche Antwort zu vermitteln. Diese Antwort muss den Behörden in Belarus ein klares Zeichen geben, das unseren Standpunkt verdeutlicht, ohne dabei die Bürger und die Zivilgesellschaft zu isolieren. Unsere Antwort muss ausgewogen sein. Einerseits müssen wir gezielte Maßnahmen gegen die belarussischen Behörden in Betracht ziehen und, wie ich meine, auch die Sanktionen überprüfen. Andererseits müssen wir einen verstärkten Dialog führen und die Zivilgesellschaft und Bürgerinnen und Bürger unterstützen – und das bedeutet praktisch gesehen, dass wir unsere Unterstützung für die NRO, Medien und Studenten fortführen, und möglicherweise verstärkte Anstrengungen, um die Mobilität für Bürger, die in die Europäische Union reisen wollen, zu erleichtern.
Kurzfristig ist die Wiedereinführung des Reiseverbots für Präsident Lukaschenko und die Ausweitung des Verbots auf weitere namentlich bezeichnete Personen sicher eine Möglichkeit, falls die Inhaftierten nicht freigelassen werden.
Im Hinblick auf eine verstärkte Unterstützung für die Zivilgesellschaft habe ich den Europäischen Auswärtigen Dienst ersucht, in Zusammenarbeit mit der Kommission Überlegungen über Sofortmaßnahmen anzustellen, die auf NRO, Medien und Studenten ausgerichtet sind. Ich weiß, dass das Europäische Parlament über Handlungsspielraum verfügt, Studenten, die von der Universität ausgeschlossen wurden, mit Stipendien zu unterstützen, und ich hoffe, Herr Präsident, dass dieses Mittel genutzt werden kann. Natürlich sollten wir versuchen, zusätzliche anderweitige Mittel zu beschaffen, auch von den Mitgliedstaaten.
Ich hatte zuvor das Thema Mobilität angesprochen, und ich denke dabei vor allem an Visaerleichterungen: Ich möchte die Konsulate der Mitgliedstaaten in Minsk dazu auffordern, die Ausstellung von Visa zu erleichtern, als Ad-hoc-Maßnahme im Interesse der belarussischen Bürgerinnen und Bürger.
Herr Präsident, die kurzfristigen Maßnahmen, die ich soeben dargelegt habe, müssen selbstverständlich am 31. Januar zunächst im Rat Auswärtige Angelegenheiten erörtert werden, doch es ist sicher nicht zu früh, um über einige langfristige Aspekte unseren Beziehungen mit Belarus zu nachzudenken.
Erstens: Ich sagte vorhin, dass wir mit anderen internationalen Partnern an diesem Thema arbeiten müssen, und das ist ein Grund dafür, weshalb Belarus weiterhin an dem multilateralen Kurs, der uns zur Verfügung steht, teilnehmen sollte, und weshalb wir uns mit unseren Partnerländern der Östlichen Partnerschaft darum bemühen müssen, diesbezüglich zu einem Konsens zu gelangen.
Zweitens: Was die finanzielle Förderung durch das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument (DEPI) angeht, sollten wir unser Augenmerk stärker auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft richten.
Schließlich haben wir letztes Jahr einen gemeinsamen Interimsplan aufgestellt, indem mittelfristig die Entwicklung unserer Beziehungen mit Belarus aufzeigen. Meines Erachtens müssen wir diesen Prozess aussetzen. Das besagt jedoch nicht, dass wir den Interimsplan aufgeben, sondern wir benötigen weitere Konsultationen, auch mit der Zivilgesellschaft, und gegebenenfalls eine Überprüfung.
Herr Präsiden, dies ist der Rahmen, in dem wir derzeit arbeiten. Ich bin sehr daran interessiert, nun die Standpunkte der Abgeordneten zu hören.
Jacek Protasiewicz, im Namen der PPE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, für die internationalen Beobachter bestand kein Zweifel, und auch wir sollten absolut keine Zweifel haben: Die letzten Präsidentschaftswahlen, die in Belarus im Dezember durchgeführt wurden, waren nicht fair. Sie waren nicht fair, und deshalb kann die Politik, die wir seit 2008 im Hinblick auf die belarussischen Behörden führen, eine Politik des Dialogs mit Belarus und der dargebotenen Hand, so nicht weitergeführt werden. Dies ist nicht der Moment für „ganz normal weitermachen“; dies ist der Zeitpunkt für neue Entscheidungen und einen harten Kurs im Umgang mit dem belarussischen Regime, womit ich sowohl die politischen Sanktionen als auch die Visasanktionen anspreche, ohne wirtschaftliche Sanktionen auszuschließen. Wir sollten solche Sanktionen selbstverständlich intelligent und gezielt einsetzen, damit sie das Leben der belarussischen Bevölkerung nicht beeinträchtigen, doch wir sollten nicht zögern, sie zu ergreifen und auch die Mitgliedschaft von Belarus in der Östlichen Partnerschaft auszusetzen.
Da die Wahlen unfair waren, sind die Wahlergebnisse nicht glaubwürdig. Wir können daher gelassen und in voller Kenntnis der Fakten feststellen, dass die belarussische demokratische Opposition als moralischer Sieger aus diesen Wahlen hervorgeht. Wir sollten daher die Opposition in ihren Bemühungen um eine politische Repräsentation hier in Brüssel unterstützen, damit sie sowohl ihre eigenen Interessen als auch die des gesamten freien Belarus und seinen Beziehungen mit der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten vertreten kann. Wir sollten zudem die Freilassung derer verlangen, die festgenommen wurden, sowohl Präsidentschaftskandidaten als auch politische Aktivisten, unabhängige Journalisten, Studenten und Universitätsdozenten. Sie alle müssen freigelassen werden, bevor wir uns auf weitere Gespräche mit Vertretern des belarussischen Staates einlassen.
Kristian Vigenin, im Namen der S&D-Fraktion. – (BG) Herr Präsident, Baroness Ashton, Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament drückt ihr großes Bedauern darüber aus, dass das Land durch diese Präsidentschaftswahlen einmal mehr die Gelegenheit versäumt hat, entschlossen und engagiert den Weg zur Demokratie zu beschreiten.
Wir können jedoch grundsätzlich feststellen, dass die Politik der Europäischen Union, die Belarus schrittweise an gewisse Bedingungen bindet, zu einigen Ergebnissen geführt hat, und wir sollten daher vorsichtig sein mit der Forderung nach radikalen Änderungen unserer Politik.
Ich sage dies, weil es unserem Engagement zu verdanken ist, dass der Präsidentschaftswahlkampf schließlich Fortschritte gemacht hat, und es könnte auch der Grund sein, weshalb sich eine viel größere Menschenmenge auf dem Platz in Minsk versammelte, als von den Organisatoren erwartet. Mit anderen Worten, wir haben wahrscheinlich eine Atmosphäre von mehr Freiheit geschaffen, die von den belarussischen Bürgerinnen und Bürgern möglicherweise richtig interpretiert wurde.
Von nun an müssen wir jedoch vor allem genügend klare und entschiedene Forderungen gegenüber den belarussischen Behörden stellen, damit die Festgenommenen freigelassen und die Menschen, die an den Protesten in irgendeiner Form teilgenommen oder sie organisiert haben, ab sofort nicht mehr verfolgt werden. Wir können in dieser Sache keine Kompromisse eingehen, und wir müssen klar vermitteln, was wir wollen.
Ein weiteres Element ist jedoch die Frage, was wir mittel- und langfristig tun können. Erstens müssen wir verhindern, dass das Land wieder in die Isolation zurückgeschickt wird, denn – wie die Vertreter der Opposition und der Zivilgesellschaft betont haben – die Isolation von Belarus bedeutet die Isolation der Bürgerinnen und Bürger des Landes.
Wir müssen versuchen, im Rahmen der Politik, die wir gegenüber Belarus bereits verfolgen, bestimmte Maßnahmen so einzusetzen, dass unsere Politik den Bürgerinnen und Bürgern des Landes zum Vorteil gedeiht und seine Medien, seine Zivilgesellschaft, die Opposition unterstützt. Auf diese Weise können wir ein Umfeld schaffen, in dem faire und demokratische Wahlen möglich werden.
Wir sollten meines Erachtens mit den nicht zur EU gehörenden Nachbarn von Belarus, also mit Russland und der Ukraine, auf dieses Ziel hinarbeiten und als Parlament versuchen, die Möglichkeiten der Östlichen Partnerschaft und von EURONEST zu nutzen, um die anderen fünf Länder der Partnerschaft zu gemeinsamen Aktivitäten für die Demokratisierung von Belarus zu gewinnen.
(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten.)
Marek Henryk Migalski (ECR). – (PL) Herr Präsident, ich weiß, ich habe nur 30 Sekunden.
Vielleicht war die Verdolmetschung hier nicht ganz klar, Herr Vigenin, aber habe ich Sie wirklich sagen hören, dass Sie die Demonstration, die nach den Wahlen stattfand, oder, in anderen Worten, die Demonstration, die in Wirklichkeit abgehalten wurde, um gegen die Wahlfälschungen und die Unregelmäßigkeiten, die aufgetreten sind, als Beweis dafür ansehen, dass die Wahlen und die Lage sich verbessert haben? So hörte es sich an. Es wäre für mich nur sehr schwer zu akzeptieren, dass Ihre Worte wirklich richtig gedolmetscht wurden.
Kristian Vigenin (S&D). – (BG) Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt oder einige Feinheiten sind bei der Verdolmetschung verloren gegangen. Was ich sagen wollte, war dass sich die Lage in Belarus insofern verändert hat, als immer mehr Menschen einsehen, dass Demokratie notwendig ist und dass der Kampf für die Demokratie notwendig ist. In diesem Sinne sehe ich die Tatsache, dass mehr Menschen in Minsk auf die Straße gegangen sind, als irgendjemand erwartet hatte, als ein positives Signal.
Das meinte ich und keineswegs, dass das Regime in Belarus dies möglich gemacht hätte.
Der Präsident. – Vielleicht gibt es ein Problem mit der englischen Verdolmetschung. Gibt es ein Problem mit der englischen Verdolmetschung? Bitte überprüfen Sie das. Nein, es ist nicht die Verdolmetschung. Es ist ein Problem mit dem Mikrophon. Ist es jetzt in Ordnung?
Kristian Vigenin (S&D). – Herr Präsident, ich versuche immer in meiner eigenen Sprache zu sprechen, doch manchmal habe ich das Gefühl, ich sollte es bei so heiklen Angelegenheiten nicht tun.
Ich habe versucht zu vermitteln, dass sich die Lage, meines Erachtens, verbessert, insofern als immer mehr Menschen in Belarus verstehen, dass Belarus Demokratie braucht, und immer mehr Menschen verstehen, dass sie für die Demokratie in Belarus kämpfen müssen. Deshalb sagte ich, dass ich es für ein positives Signal halte, dass so viele Menschen, viel mehr als die Organisatoren erwartete hatten, in Minsk auf der Straße waren. Ich hoffe, damit habe ich erklärt, was ich meinte.
Kristiina Ojuland, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, es war erfreulich zu hören, was die Hohe Vertreterin sagte, und wir stimmen dem, was sie gesagt hat, voll und ganz zu. Es ist sehr wichtig, dass die Europäische Union auf die gescheiterten belarussischen Präsidentschaftswahlen reagieren konnte.
Ich wünschte, wir hätten auch den Mut, in dem Fall eines Nachbarlandes von Belarus so energisch, entschlossen und von Grundsätzen geleitet zu sein, wo die Unterdrückung der demokratischen Opposition und Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte an der Tagesordnung sind.
Die Verschlechterung der Demokratie in Russland kann möglicherweise auch genau der Grund sein, weshalb der Kreml die belarussischen Präsidentschaftswahlen anerkennt und die gewaltsame Unterdrückung als „innere Angelegenheit“ von Belarus bezeichnete. Eine solche Gleichgültigkeit gegenüber der schrecklichen Situation in Belarus ist ein bedeutendes Zeichen der Tendenzen in Russland.
Das Europäische Parlament hat eine scharf formulierte Entschließung vorgelegt, in der gezielte Visa- und Wirtschaftssanktionen gegen das kriminelle Regime Lukaschenkos vorgesehen sind. Es ist äußerst wichtig, dass die Europäische Union bei diesem Thema Geschlossenheit zeigt und dass die Mitgliedstaaten es unterlassen, bilaterale Initiativen mit Lukaschenko und seinem Regime fortzuführen. Wir müssen die Östliche Partnerschaft und anderweitige Zusammenarbeit aussetzen, bis die politischen Gefangenen auf freiem Fuß sind. Gleichzeitig müssen wir aber auch die Zivilgesellschaft, NRO und unabhängige Medien in Belarus stärker unterstützen, um sie auf den Aufbau von Belarus nach dem Niedergang Lukaschenkos vorzubereiten, zu dem es hoffentlich mittels demokratischer Wahlen kommen wird.
Deshalb möchte ich, dass Sie, verehrte Hohe Vertreterin, die Forderung nach einem gesamteuropäischen Forum über die Zukunft von Belarus unterstützen.
Heidi Hautala, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, ich denke, dass die Hohe Vertreterin voll und ganz unsere Gefühle widerspiegelt, wenn sie sagt, sie sei schockiert.
Wir sind nach diesem 19. Dezember in der Tat schockiert, denn viele von uns hatten bereits gehofft, Belarus würde sich langsam der Europäischen Union gegenüber öffnen. Ich bin nun der Meinung, dass viele dieser Hoffnungen vorerst verloren sind. Es ist sehr Besorgnis erregend, fast stündlich Nachrichten über die anhaltende Repression in Minsk und in anderen Teilen von Belarus zu hören.
Gestern wurde die Schikanierung der Menschenrechtsorganisation Viasna fortgesetzt, mit Hausdurchsuchungen, Festnahmen und Inhaftierungen. Diese Organisation verteidigt sehr mutig die Menschenrechte in Belarus. Die Behörden haben ihr bisher eine öffentliche Eintragung verweigert.
Das Belarus Helsinki Komitee erhielt eine Warnung, nachdem es den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten kontaktiert hatte. Es hat guten Grund zu glauben, dass diejenigen, die dieser schweren Vergehen beschuldigt werden, keinen fairen Prozess erhalten werden.
Heute erhielten wir zudem eine Nachricht über den früheren Präsidentschaftskandidaten Andrej Sannikow, seine Frau Iryna Khalip, Journalistin und Korrespondentin der Novaya Gazeta in Minsk, und über ihr Kind. Dies hat weltweit Aufsehen erregt. Wir haben gehört, dass das Kind möglicherweise bei den Großeltern bleiben darf, da sich die Eltern in Haft befinden. Ich möchte allerdings davor warnen, dies bereits als gute Nachricht zu betrachten. Wir warten noch auf die Bestätigung, die nächste Woche eintreffen dürfte.
Wieso findet dieses „harte Durchgreifen“ in Belarus eigentlich statt? Wir müssen wirklich auf einer unabhängigen internationalen Untersuchung der Ereignisse bestehen, um zu verstehen, was der Hintergrund ist und ob die Gewalt – die nun als kriminell verurteilt wurde – von Provokateuren angezettelt wurde und nicht von denjenigen, die bloß Demokratie für Belarus verlangten. Meines Erachtens würde sich für die Durchführung einer solchen Untersuchung die OSZE am besten eignen, oder andernfalls die Vereinten Nationen.
Wie steht es mit Neuwahlen? Wir sollten mit der Forderung nach baldigen Neuwahlen vorsichtig sein, denn wir müssen die Bemühungen um die angestrebten demokratischen Reformen aufrechterhalten. Wir müssen die Presse-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sichern. Ohne sie kommen wir nicht weiter, selbst wenn Belarus heute Neuwahlen abhielte.
VORSITZ: STAVROS LAMBRINIDIS Vizepräsident
Ryszard Czarnecki, im Namen der ECR-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, wir sprechen über die Situation in Belarus, aber lassen Sie uns den schwarzen Peter nicht weitergeben. Es ist einfach, Anklagen gegen die Lukaschenko-Regierung zu erheben, die solche Anklagen verdient, und wir sollten sie in der Tat anklagen und anprangern. Europa sollte jedoch auch einen Teil der Schuld übernehmen. Hat nicht der Besuch des italienischen Premierministers Herr Berlusconi dazu beigetragen, diesen Arten von Regime Legitimität zu verleihen? Hat nicht der Besuch der litauischen Präsidentin Frau Grybauskaitė dazu beigetragen, dem Regime Legitimität zu verleihen? Hat nicht der Besuch des deutschen und des polnischen Außenministers Herr Westerwelle und Herr Sikorski dazu beigetragen, dem Regime Legitimität zu verleihen, und kam dem Regime in der Tat sehr gelegen? Die Wahrheit ist, dass Politiker aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union Herrn Lukaschenko einen gewissen Spielraum für politische Manöver gegeben haben, ohne irgendetwas dafür zu verlangen. Heute müssen wir die Achtung der Menschenrechte verlangen, aber auch Schuld übernehmen, wo es angebracht ist.
Helmut Scholz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin! Meine Fraktion hat die Kompromissentschließung zu Belarus nicht unterzeichnet. Ich möchte aber eindeutig sagen, dass das nicht so zu verstehen ist, dass wir das Ergebnis der Wahl, die Verhaftungen und die Repressalien gegen Andersdenkende in Belarus akzeptieren. Für uns sind faire, transparente und demokratische Wahlen – die „Freiheit der Andersdenken“, um Rosa Luxemburg zu zitieren – Grunderfordernis für die Gestaltung der Beziehung zu Belarus wie zu allen anderen Staaten. Dazu gehört auch die unverzügliche Freilassung aller politisch Inhaftierten.
Ich bezweifle allerdings, ob Sanktionen ein wirksames Mittel sind, um die politischen Gefangenen unverzüglich zu befreien und der Demokratie in Belarus zum Umbruch zu verhelfen. Sanktionen haben bereits in der Vergangenheit auch in Belarus und anderswo nichts bewirkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen das genauso gut wie ich. Die politisch Verantwortlichen im politischen Dialog mit unseren Argumenten und Forderungen zu konfrontieren, ihnen nicht die Möglichkeit zu geben, mit dem Hinweis auf die Kritik von außen die kritische Zivilgesellschaft zu diskreditieren, Transparenz der Politik herzustellen, kohärente Abstimmung unserer Schritte mit allen außenpolitischen Partnern in Belarus zu bewirken, scheint mir der bessere Weg zu sein. Auch der ehrlichere in Bezug auf unsere eigenen Argumente, wie die morgendliche Aussprache zur ungarischen Ratspräsidentschaft gezeigt hat.
Bastiaan Belder, im Namen der EFD-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, die brutale Unterdrückung jeglicher politischen Alternative zum Regime von Präsident Lukaschenko seit der Wahl vom 19. Dezember 2010 hat den Spielraum von Minsk für Manöver in der Außenwelt deutlich reduziert. Belarus hat auf eigene Initiative hin die Pendeldiplomatie, die es in den letzten drei Jahren zwischen Moskau und Brüssel geführt hat, abrupt abgebrochen. Derzeit schafft es Präsident Lukaschenko, starke politische und wirtschaftliche Beziehungen zum Kreml zu unterhalten. Es ist genau diese Abhängigkeitsbeziehung, die eine größere europäische Beteiligung an der Zivilgesellschaft von Belarus erforderlich macht.
Setzen Sie daher unbedingt die Strategie zum Gesinnungswandel als notwendigen Schritt zum Regimewechsel fort. Zeigen Sie aktiv europäische Solidarität. Senken Sie beispielsweise so schnell wie möglich Visagebühren für Bürgerinnen und Bürger von Belarus. Initiieren Sie als nächstes eine kritische strategische Diskussion mit der politischen Opposition in Belarus, und achten Sie als Teil des gleichen Prozesses besonders auf Reformkräfte innerhalb des Machtapparats. Das ist ausgewogene Politik. Brüssel darf Minsk jetzt nicht aufgeben. Lassen Sie die belarussischen Bürgerinnen und Bürger nicht unter russischem oder chinesischem Recht; planen Sie einen unabhängigen Weg für sie hin zu einer freien Gesellschaft und demokratischer Rechtsstaatlichkeit.
Traian Ungureanu (PPE). – Herr Präsident, Alexander Lukaschenko hat nie eine Gelegenheit ausgelassen, sich als Diktator zu zeigen. Die Wahlen im Dezember waren eigentlich ein Ritual der Wiederernennung. Aber wir in der EU haben uns an die Illusion geklammert, dass Lukaschenko sich wunderbarerweise ändern würde. Wir sagten, wir würden die Dezember-Wahlen abwarten. Die Wahlen kamen, und Lukaschenko bleibt der gleiche, und die Opposition ist entweder im Krankenhaus oder im Gefängnis.
Ich denke, dass es an der Zeit ist, dass die EU ihre Vorgehensweise gegenüber Belarus überdenkt. Offensichtlich hat Belarus keinen Platz in der Östlichen Partnerschaft. Belarus sollte suspendiert werden. Unser einziger Partner sollte die Zivilgesellschaft sein. Ich warte auf die Ergebnisse des Rates für Auswärtige Angelegenheiten am 31. Januar und hoffe, dass sowohl Lady Ashton als auch Kommissar Füle eine Suspendierung empfehlen.
Hinsichtlich der Folgen für die parlamentarische Versammlung EURO-NEST schließlich dürfen wir Lukaschenko nicht länger ein Veto zu Euronest einräumen. Belarus wurde verwendet, um Euronest zu blockieren. Daher ist die Schlussfolgerung, dass Euronest mit höchster Dringlichkeit eingeführt werden sollte.
Justas Vincas Paleckis (S&D). – (LT) Herr Präsident, Hohe Vertreterin, die Entschließung des Europäischen Parlaments, über die wir morgen abstimmen, sollte eine deutliche Botschaft an die Einwohner von Belarus, ganz Europa und die Welt senden. Es muss schnellstmöglich mindestens eine Rückkehr zu der Situation vor dem 19. Dezember geben sowie gemeinsame Bemühungen, um sicherzustellen, dass Belarus den Weg hin zu Demokratie und einer Stärkung der Menschenrechte weiter verfolgt. Das wichtigste Ziel heute ist die Freilassung politischer Gefangener und ein Ende der Angriffe auf die Opposition, Nichtregierungsorganisationen und die freie Presse. Ich stimme jedoch der Hohen Vertreterin zu, dass wir, wenn wir zum Schlag gegen das Regime ausholen, nicht die Bürgerinnen und Bürger von Belarus treffen dürfen. Wir müssen millimetergenau berechnen, ob wir den Bürgerinnen und Bürgern von Belarus sowie den gegenseitig nutzbringenden Beziehungen mit EU-Mitgliedsstaaten in den Bereichen Geschäftsleben, Kultur, Bildung und Tourismus schaden, die für die Öffnung von Belarus in Europa entscheidend sind.
Die in letzter Zeit mit Belarus geführte Dialogpolitik hat einige Früchte getragen: Jetzt sind fast die Hälfte der Belarussen für engere Beziehungen mit der Europäischen Union. Wir müssen auf die Ereignisse in Minsk reagieren, so dass diese Zahl ab nächstem Jahr noch weiter steigt. Das wäre eine fassbar schmerzvolle Belohnung für die Organisatoren des 19. Dezember. Zum Abschluss möchte ich gern noch einmal die finanzielle, Visa-bezogene Berliner Mauer erwähnen, die leider zwischen der Europäischen Union und ihren östlichen Nachbarn entstanden ist und die in Belarus am schwersten zu überwinden ist. Es ist höchste Zeit, diese Mauer niederzureißen und es einfachen Ukrainern, Belarussen, Georgiern und Russen zu ermöglichen, problemlos Zugang zu Visa für die Europäische Union zu erhalten und diese zu bekommen. Diese Millionen von Euro, die in unverständlich hohen Visagebühren eingenommen werden, werden eigentlich nicht gewonnen, denn sie vertiefen die aus der Vergangenheit geerbten Klüfte, dieses Mal zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihren Nachbarn. Das sollte wirklich nicht so sein.
Gerben-Jan Gerbrandy (ALDE). – (NL) Herr Präsident, im Leben, und vor allem im politischen Leben, ist Hoffnung sehr wichtig. Hoffnung gibt etwas, auf das man sich freuen kann, Hoffnung ermöglicht es Menschen, zu glauben, dass die Dinge in Zukunft besser sein werden, und Hoffnung ist etwas, was in Belarus seit dem 19. Dezember absolut fehlt. Die Hoffnung, dass diese Wahlen demokratischer sein würden als die vorherigen. Die Hoffnung, dass die Opposition dieses Mal bessere Chancen hätte als letztes Mal, und die Hoffnung, dass die belarussischen Medien den Bürgerinnen und Bürgern von Belarus ein ausgewogeneres Bild zeigen würden. All diese Hoffnungen wurden zerschlagen.
Genau aus diesem Grund sollte die EU ihre Politik zu Belarus ändern. Leider hat die Politik der Annäherung mit dem Regime nicht funktioniert. Die EU wird der belarussischen Führung Sanktionen auferlegen müssen. Sanktionen, die nicht die Bürgerinnen und Bürger, sondern die Führung des Landes treffen. Sanktionen wie der Entzug aller Visa für die Anführer und ihre Familien. Der letzte Punkt ist wichtig, wenn wir die komplexen Verbindungen zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht in Belarus brechen möchten.
Glücklicherweise scheint Lady Ashton auf dem richtigen Weg zu sein. Die Kommission hat auch angemessen reagiert, indem sie die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert hat. Auch dieses Parlament könnte einen Beitrag leisten, indem es so bald wie möglich eine Mission nach Belarus entsendet, um der Opposition, den freien Medien und den NRO zu zeigen, dass wir sie unterstützen. Nur mit ihrer Hilfe und durch ihre Bemühungen wird das neue Belarus Gestalt annehmen können.
Schließlich sollte die EU dem Nachbarschaftsprogramm einen neuen Impuls verleihen. Bisher ist dieses Programm seinen Versprechungen nicht wirklich gerecht geworden. Wir sollten nicht nur die Bürgerinnen und Bürger der Republik Moldau, der Ukraine, Georgiens, Armeniens und Aserbaidschans in ihrer Entwicklung unterstützen. Mit dem gleichen Ansatz könnten wir Belarussen auch zeigen, wie wichtig es auch für die Zukunft ihres Landes ist, dass sie eine Annäherung mit Europa suchen. Wenn wir das tun, werden wir sicherstellen, dass das Volk von Belarus wieder Hoffnung erhält.
Werner Schulz (Verts/ALE). - Herr Präsident, Frau Hohe Vertreterin! Unsere Hoffnungen, dass sich mit den Präsidentschaftswahlen in Belarus das Land in Richtung Demokratie bewegen würde, sind bitter enttäuscht worden. Trotz aller negativen Erfahrungen und Vorbehalte gegenüber der Regierung Lukaschenko war die Hand der EU in den letzten Monaten weit ausgestreckt. Wie viel von dieser Wahl für die in Aussicht gestellte Zusammenarbeit abhängen würde, war unmissverständlich klar, und kurze Zeit sah es auch so aus, als würde die Wahl halbwegs frei, korrekt und fair verlaufen.
Doch offenbar haben die geringfügigen Zugeständnisse das repressive System schon derart erschüttert, dass der Präsident erneut sein wahres Gesicht als rücksichtsloser Diktator gezeigt hat. Seine angebliche Wahl ist ein übler Betrug, seine Macht ist nicht legitim, und seine Gewalt gegen die Opposition ist ein brutales Verbrechen. Die Wahlfälschung und das Niederschlagen der Proteste sind ein schwerer Rückschritt für Belarus. Erneut herrschen Angst und Unterdrückung. Nicht ausländische Geheimdienste und Diplomaten haben sich eingemischt, wie die Wahlfälscher dreist behaupten, sondern die Provokateure hat das System selbst geschickt. Ungeheuerlich ist zudem, dass ein vom Präsidenten gesteuerter Geheimdienst, der sich noch immer KGB nennt, mit Methoden aus der Stalinzeit die Opposition und die Zivilgesellschaft terrorisiert.
Die Verletzung elementarer Bürgerrechte durch ein Mitglied der OSZE ist nicht hinnehmbar. Dieses postkommunistische Regime ist unerträglich geworden. Wir haben eine Entschließung des Parlaments vorbereitet, die eine gute Grundlage für die Beratung der europäischen Außenminister ist. Darin geht es vor allem um die unverzügliche Freilassung der Inhaftierten, die medizinische Versorgung der Verletzten, das Fallenlassen der absurden Anschuldigungen und die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission bis hin zu gezielten politischen und wirtschaftlichen Sanktionen, welche die Machthaber und nicht die Bevölkerung treffen.
Wir müssen jetzt den europäisch gesinnten Kräften beistehen, denen wir Hoffnung gemacht haben, die einen Politikwechsel wollen und gewählt haben und die die Zukunft ihres Landes in der EU und nicht in der engeren Anbindung an Russland sehen. Denn dass die ersten, die Lukaschenko zum Wahlsieg gratuliert haben, der russische Präsident Medwedew, Ministerpräsident Putin und der ukrainische Präsident Janukowitsch waren, zeigt deren Demokratieverständnis und die trüben Aussichten, die Belarus in dieser Richtung erwarten.
Marek Henryk Migalski (ECR). – (PL) Herr Präsident, ich möchte gern mit einigen Neuigkeiten für Frau Hautala beginnen. Ich hoffe, dass sie ihre Kopfhörer wieder aufgesetzt hat. Nun, Frau Hautala, es gibt zusätzlich zu den Informationen, die Sie uns über die Organisation Viasna gegeben haben, noch eine Sache zu sagen. Die Organisation durfte sich nicht nur nicht registrieren, vor kurzem hat die Polizei auch noch all ihre Computer entfernt, und am Montag – und das sind die Neuigkeiten, die ich für Sie habe – habe ich in Polen eine Sammlung von Laptops begonnen, um sie ihr zu schicken.
Lassen Sie uns jetzt zur Sache kommen, Frau Kommissarin. Zu Beginn möchte ich noch einmal wiederholen, dass es Ihrer Ansicht nach „an der Zeit ist, zu handeln“. Das stimmt. Der zweite sehr wichtige Aspekt, den Sie genannt haben, ist, dass wir die belarussische Gesellschaft nicht isolieren dürfen. Die Maßnahmen, die wir ergreifen, sollten diesem Prinzip entsprechen, und es müssen „weiche“ Maßnahmen sein, mit anderen Worten, der Aufbau der Zivilgesellschaft, die Unterstützung von Medien und Studenten und die Abschaffung von Visa. Wir sollten solche Maßnahmen unterstützen und insbesondere weitere Finanzierung dafür reservieren. Ich stimme jedoch ebenfalls zu, dass es stärker treffende Maßnahmen sein sollten, so wie die von Herrn Protasiewicz oder Frau Ojuland vorgeschlagenen. Das ist eine Angelegenheit, bei der beide Arten von Maßnahmen verknüpft werden sollten.
Jacek Saryusz-Wolski (PPE). – Herr Präsident, ich glaube, dass die gestellte Diagnose und die geplante Therapie richtig sind. Das Problem ist nicht, dass wir bisher solch eine andere Diagnose und einen anderen Therapieplan hatten, sondern, dass wir so wenig getan haben. Daher sollten wir uns vielleicht auch fragen, ob wir entschlossen genug sind, um dieses Mal anders zu handeln.
Wir sollten offensichtlich verurteilen und Freilassung verlangen, Sanktionen auferlegen und Suspendierung in Betracht ziehen, aber wenn wir nicht über verbale Verurteilung und moralische Unterstützung hinausgehen, wird diese Handlung keine Früchte tragen. Wir brauchen eine langfristige Strategie und Handlung, und dies wird ein echter Test für die neue Außenpolitik sein, die Lady Ashton jetzt anführt.
Es geht nicht nur um Belarus. Wie wir die belarussische Frage angehen, wird die wahre politische Dynamik der gesamten Region bestimmen: in der Republik Moldau, in der Ukraine, auch gegenüber Russland und anderswo. Im Moment bringt der Gang der Ereignisse, geopolitisch gesehen, Belarus weg von Europa, und Europa ist auf dem Rückzug, genau wie in der Ukraine. Offensichtlich haben wir Recht damit, einen Ansatz mit doppelter Kontrolle zu empfehlen: das Regime Sanktionen unterwerfen und isolieren, verstärkte Unterstützung gegenüber der Gesellschaft eröffnen. Ich würde sagen: Lassen Sie uns die Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik, die bisher gegenüber dem Regime umgesetzt wurde, durch „Peitsche für das Regime und Zuckerbrot für die Gesellschaft“ ersetzen. Wir sollten uns jedoch in wesentlich stärkerem Maße daran erinnern, dass unser Partner die Gesellschaft ist, nicht das Regime.
Lady Ashton sagte, dass wir weiterhin helfen sollten. Wir sollten nicht länger so wenig tun wie in der Vergangenheit. Haben wir alles getan, was wir hätten tun sollen? Nein, es war eine lächerlich zurückhaltende Hilfe, und wir müssen das ändern.
Richard Howitt (S&D). – Herr Präsident, während wir hier heute diskutieren, eilt Alexander Lukaschenko anscheinend durch Pläne für die Amtseinsetzung diesen Freitag, ohne internationale Gäste, da die internationale Gemeinschaft die Wahlen in Belarus nicht als frei, fair und transparent anerkennt. Wenn das passiert, wird es ein schwarzer Freitag sein, der auf das folgt, was langsam als „Blutiger Sonntag“ bezeichnet wird, den 19. Dezember, als 700 demokratische Demonstranten festgenommen wurden, darunter sieben der neun Präsidentschaftskandidaten der Wahlen, von denen einem beide Beine gebrochen wurden und von denen einer von Polizeikräften zusammengeschlagen wurde, bis er einen Gehirnschaden erlitt.
Ich fordere die Vizepräsidentin/Hohe Vertreterin und die Mitgliedstaaten der EU auf, die polnischen Vorschläge für eine Visumssperre zu unterstützen und, wie unsere Entschließung deutlich macht, das Prinzip für weitere gezielte wirtschaftliche Sanktionen zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang ist eines der Dinge, die die Europäische Union tun kann, klare und einfache Forderungen zu formulieren, dass alle politischen Gefangenen freigelassen werden sollen, dass die Behörden jegliche Drohungen bezüglich des Verbots oder der Einschränkung des belarussischen Helsinki-Ausschusses aufheben sollen und dass die Entwicklung schnell in Richtung Organisation neuer Wahlen gehen soll.
Für die Zukunft stimme ich dem zu, was heute sowohl von Catherine Ashton als auch von meiner eigenen Fraktion gesagt wurde, dass wir den mehrseitigen Weg offen halten müssen und dass wir den Schwerpunkt auf die Zivilgesellschaft und die Unterstützung derselben legen müssen. Aber ich sage, dass dies nicht einfach ein Meilenstein für Demokratie und Menschenrechte in Belarus ist: Es ist ein Test für Europas eigene Nachbarschaftspolitik. Ja, wir streben nach klarer und engerer Zusammenarbeit und Partnerschaft mit unseren Nachbarn, um einen Prozess zunehmender Übereinstimmung mit denen an unseren Grenzen zu ermutigen, bei denen es ein ehrliches beidseitiges Engagement gibt, dies zu tun, aber das funktioniert nicht, wenn es keine Aktionen gibt, wenn dieses beidseitige Engagement fehlt und die Dinge falsch laufen.
Der Schmerz, um den wir uns in dieser Diskussion sorgen machen sollten, ist nicht der beabsichtigte Schmerz der vorgeschlagenen intelligenten Sanktionen von Europa gegen Belarus, sondern der körperliche Schmerz der Schläge, die Menschen einstecken müssen, die Europas Engagement für Demokratie und Menschenrechte teilen, und für die wir gemeinsam mit ihnen solidarisch stehen müssen, damit die langen Jahre voller Schmerzen in Belarus ein Ende finden können.
Elisabeth Schroedter (Verts/ALE). - Herr Präsident, sehr geehrte Hohe Vertreterin! Ich danke Ihnen für die schnelle Reaktion auf die Ereignisse in Minsk. Ich zolle Ihnen auch meine Anerkennung für Ihr Konzept. Das ist ausbalanciert zwischen den Sanktionen gegenüber den für die massiven Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen und Maßnahmen für die belarussische Bevölkerung.
Ich möchte von diesem Platz aus auch einen Dank sagen an die Sicherheitskonferenz in München, die Lukaschenka ausgeladen hat. Das war ein sichtbares Zeichen, dass Diktatoren nichts in internationalen Gremien zu suchen haben und dort nicht hofiert werden dürfen.
Denn internationale Anerkennung eines selbsternannten Präsidenten schwächt die Opposition im Land und könnte gegebenenfalls als internationale Anerkennung der nicht demokratischen Wahlen interpretiert werden. Deswegen war genau diese Reaktion richtig.
Für politische Veränderungen in diesem Land brauchen wir einen langen Atem, das wissen wir. Wir wissen auch, dass Lukaschenka schon sehr lange an der Macht ist und dass seine Reaktion typisch ist für ihn. Aber angesichts der humanitären Situation im Land, Frau Ashton, dürfen wir nicht warten. Wir müssen ganz schnell reagieren und ganz schnell dafür sorgen, dass die politischen Gefangenen freigelassen werden, dass die Eltern ihren Kindern zurückgegeben werden und dass die Kinder ihren Eltern zurückgegeben werden. Denn sie haben nichts weiter getan, als für ihre demokratischen Rechte zu demonstrieren und das auf der Straße deutlich zu machen. Die Reaktionen Ihnen gegenüber waren ungerechtfertigt.
Frau Ashton, ich bitte Sie sehr, dass Sie da ganz schnell aktiv werden, dass Sie in jeder Erklärung dafür sorgen, deutlich zu machen, dass es sich hier um politische Gefangene handelt und nicht um Kriminelle. Ich grüße von hier Andrej Sannikau und die anderen, die im Gefängnis sitzen. Sie sollen wissen, dass sie unsere Solidarität haben.
Edvard Kožušník (ECR). – (CS) Herr Präsident, letzten Monat hat sich das totalitäre Regime in Kuba geweigert, den Sacharow-Preisträger Guillermo Fariñas nach Straßburg reisen zu lassen. Einige Tage später haben wir eine Reihe von Unterdrückungen erlebt, die sich nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus ereigneten. Vielleicht bezweifelt niemand, dass das Lukaschenko-Regime ein autoritäres Regime ist, aber es ist auch totalitär, genau wie das Castro-Regime in Kuba.
Wir haben hier heute eine Aussprache darüber, ob führende Vertreter des Lukaschenko-Regimes daran gehindert werden sollten, in die EU einzureisen. Ich bin dafür, dass wir offener für die einfachen Bürgerinnen und Bürger von Belarus sind, die nie erlebt haben, wie Freiheit und Demokratie aussehen. Jegliche Art von politischer Isolation wird nur Lukaschenko in die Hände spielen. Die Bürgerinnen und Bürger von Belarus sollten in der Union willkommen sein. Den Vertretern des totalitären Lukaschenko-Regimes dagegen sollten wir die kalte Schulter zeigen, und wir sollten sehr hart zu ihnen sein. Menschen, die demokratische Werte nicht respektieren, haben in einer anständigen Gesellschaft einfach keinen Platz.
Jacek Olgierd Kurski (ECR). – (PL) Herr Präsident, die Politik, die einige europäische Regierungen, darunter leider die Regierung meines eigenen Landes, Polen, in letzter Zeit gegenüber Belarus verfolgt haben, hat zu einer absoluten Katastrophe geführt. Herr Lukaschenko, Europas letzter Diktator, macht sich über uns lustig, und verfolgt, angespornt von unserer Apathie, seine politischen Gegner und wirft sie ins Gefängnis. Eine Politik der Übereinstimmung und Toleranz konnte nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Einmal mehr hat sich herausgestellt, dass unsere Verhandlungen mit der Diktatur von Belarus als Unterstützung für Herrn Lukaschenko interpretiert wurden, und unsere Illusionen wurden im Dezember zerschlagen durch die brutalen Schlägereien, Angriffe auf und Verhaftungen von Hunderten von Aktivisten der Opposition.
Es ist wichtig, dass wir, die Mitglieder des Europäischen Parlaments, Belarus eine klare Botschaft schicken. Europa wird die Unterdrückung von Freiheit durch die belarussische Diktatur nicht tolerieren. Sanktionen müssen gezielt sein und die Vertreter des Regimes treffen, nicht einfache Bürgerinnen und Bürger. Im Gegenteil, die Menschen brauchen unsere Hilfe, genau wie Gemeinschaftsorganisationen, die unabhängigen Medien und die Opposition. Wir können echte Hilfe bieten, wenn es um Ausbildung und die Beschaffung von Visa geht. Im Fall von Belarus muss die Östliche Partnerschaft entweder suspendiert oder die Regeln müssen verschärft werden, um sicherzustellen, dass das Regime keinen weiteren Euro zu Gesicht bekommt. Je mehr Europa es in Belarus gibt, desto schneller wird der letzte Diktator auf unserem Kontinent fallen.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, ich glaube, dass eine der großartigen Entwicklungen in der modernen Welt der Übergang vom Totalitarismus zur Demokratie in den osteuropäischen Ländern ist. Ungarn, dessen wegweisenden Ratsvorsitz wir heute Morgen diskutiert haben, ist ein Beispiel dafür, und unser eigener Präsident, Herr Buzek, ist ein leuchtendes Beispiel für diese Entwicklung.
Es gibt jedoch Länder, in denen der Übergang nicht so reibungslos verlaufen ist. Belarus ist leider ein Beispiel dafür, und insbesondere Lady Ashton hat zusammengefasst, was in Bezug auf den Umgang mit dieser Situation getan werden muss.
Bestenfalls könnte man sagen, dass sie Demokratie angenommen haben, indem sie zwei Schritte nach vorn und einen Schritt zurück gemacht haben. In der kürzlichen Wahl haben sie wahrscheinlich drei Schritte zurück und keinen Schritt nach vorn gemacht, aber ich denke, dass sie Recht hat, wenn sie sagt, dass wir mit der Zivilgesellschaft, den NRO und unseren internationalen Partnern arbeiten müssen, um Präsident Lukaschenko unter Druck zu setzen, seine Unterdrückung und Diktatur zu beenden.
Andrzej Grzyb (PPE). – (PL) Herr Präsident, was in Belarus am 19. Dezember passiert ist, war ein Verstoß gegen die Unabhängigkeit und demokratische Freiheiten. Die Festnahme von 700 Personen, einschließlich aller Präsidentschaftskandidaten, verdient keinen Kommentar. Die Wahlen waren unfair. Das ist jetzt ein Test für die EU, und auch für die Länder, mit denen die EU eine privilegierte Beziehung hat, beispielsweise Russland, das die Ergebnisse der Wahlen anerkannt hat.
Wir müssen die Opposition unterstützen und ein klares Signal senden, dass die Gefangenen freigelassen werden müssen, bevor wir im Zusammenhang mit Beziehungen mit Belarus und insbesondere mit der belarussischen Regierung irgendetwas diskutieren. Jegliche auferlegte Beschränkungen dürfen jedoch nicht die Bürgerinnen und Bürger des Landes treffen. Wir müssen Polens Vorbild folgen und die Visa-Regelung lockern. Wir sollten diejenigen unterstützen, die ihre Arbeitsplätze verloren haben, und Studenten, die von der Universität verwiesen wurden, ermöglichen, in anderen Ländern zu studieren. Die unabhängigen Medien, einschließlich Radiosendern und Belsat-Fernsehen, benötigen unsere Unterstützung. Das ist nicht nur eine Aufgabe für Litauen und Polen, sondern auch für die anderen Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen. Ich möchte dies gern so eindringlich wie möglich fordern.
Kyriakos Mavronikolas (S&D). – (EL) Herr Präsident, offensichtlich haben sich die Dinge in Belarus sehr schlecht entwickelt, soweit es unsere Prinzipien und unsere Überzeugungen betrifft. Lukaschenko regiert das Land und die Opposition ist im Gefängnis. Was Menschen von uns erwarten ist also, uns an die Zivilgesellschaft zu wenden, in der, wie zuvor richtig erläutert wurde, die Europäische Union und ihre Prinzipien in Ehren gehalten werden, Pressefreiheit und die Freilassung der inhaftierten Oppositionsführer zu verlangen und, was das wichtigste ist, eine Politik zu entwickeln wie die, die Lady Ashton erwähnt hat, der ich absolut zustimme, um neue Bedingungen für uns zu schaffen, um die Beziehungen zu Belarus wieder herzustellen.
Charles Tannock (ECR). – Herr Präsident, die Präsidentschaftswahl in Belarus hat sich als große Enttäuschung für die von uns erwiesen, die das Land seit einigen Jahren beobachten. Ich habe mich in London mit dem belarussischen Botschafter getroffen, der mir versichert hat, dass dieses Mal alles anders sein würde, dass es internationalen Standards entsprechen würde und dass die OSZE sagen können würde, dass es fair und frei war.
Leider haben sich die „Homo Sowjeticus“-Instinkte von Lukaschenko als lang anhaltender als alles andere erwiesen. Sein einzelgängerisches Verhalten wurde von seinen eigenen hochrangigen Beamten, einschließlich seiner Botschafter, nicht vorhergesehen. Auch ich schließe mich jetzt der Forderung an, alle politischen Gefangenen sofort freizulassen und die Wahlen zu wiederholen, während eine langfristige EU-Beobachtermission vor Ort ist und mit der vollen Zustimmung der OSZE, dass sie alle erforderlichen Standards erfüllt, um im Wesentlichen frei und fair zu sein.
Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Minsk dem zustimmen wird, aber wir müssen es wenigstens versuchen. Andernfalls muss es eine sofortige erneute Auferlegung verbesserter gezielter Sanktionen geben, Sperren von Herr Lukaschenkos Vermögen – wenn wir es finden können – und Reiseverbote für ihn und all seine hochrangigen Beamten.
Alfreds Rubiks (GUE/NGL) . – (LV) Herr Präsident, für meinen Teil möchte ich gern Frau Ashtons Bericht unterstützen für die zurückhaltende Einstellung, die er gegenüber den Ereignissen in Belarus einnimmt. Wir greifen oft auf rein emotionale Beurteilungen zurück und basieren diese auf unseren Emotionen. Wir sprechen von politischen Gefangenen, die freigelassen werden müssen. Allerdings hat es noch keinen Prozess gegeben. Wir wissen noch nicht, was das Urteil sein wird. Darum fordere ich die Abgeordneten erneut auf, eine sehr zurückhaltende Einstellung gegenüber dieser Art von Ereignis zu zeigen. Vor zwei Jahren ist das Gleiche in Lettland passiert – bis eine Versammlung stattgefunden hat, war es niemandem verboten, sich zu versammeln. Nachdem jedoch der Mob, der eindeutig von einem Provokateur aufgehetzt wurde, ankam und anfing, das Parlamentsgebäude zu demolieren, griff die Polizei ein. So auch in Belarus. Ich möchte sehr gern wissen (ich komme sofort zum Ende), woher das Geld kommt, dass die Opposition in Belarus erhält. So könnten wir ihnen helfen. Ich danke Ihnen.
Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! In den Medien liest man immer wieder, dass eine Wiedereinführung der Sanktionen gegen den weißrussischen Präsidenten Lukaschenko, die ja erst vor zwei Jahren gelockert wurden, ein Eingeständnis wären, dass die jahrelangen Bemühungen um Annäherung gründlich gescheitert wären.
Meines Erachtens sind diese Bemühungen schon vorher gescheitert, spätestens bei den Präsidentschaftswahlen oder bei der Schließung des OSZE-Büros in Minsk.
Das Vorgehen des letzten Diktators in Europa zeigt aber einmal mehr, dass auch die EU im Bereich von Menschenrechtsverletzungen ein Problem hat. Der Skandal um die CIA-Überflüge oder die inkonsequente Haltung hinsichtlich des Spannungsfelds von territorialer Unversehrtheit von Staaten und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, beispielsweise auf dem Balkan, haben das Image der EU als Vorkämpfer bei den Menschenrechten angekratzt. Der Glaubwürdigkeit der Union schadet es auch, wenn den hehren Kopenhagener Prinzipien zum Trotz mit der Türkei Beitrittsverhandlungen geführt werden, also mit einem Land, das Blick auf die Menschenrechte großen Nachholbedarf hat.
Hinsichtlich Weißrussland sind die Würfel wohl aber gefallen, dafür hat Herr Lukaschenko zweifellos selbst gesorgt.
Jarosław Kalinowski (PPE). – (PL) Herr Präsident, angesichts der immer schlimmer werdenden Unterdrückungen durch das Lukaschenko-Regime ist Solidarität mit dem belarussischen Volk unsere Pflicht. Unsere Unterstützung sollte auf die Unterstützung der unabhängigen Medien abzielen, inter alia, indem wir es ihnen ermöglichen, auf EU-Gebiet zu arbeiten, und ein gutes Beispiel dafür ist das Belsat-Fernsehen in Polen. Stipendien für Studenten und Schüler sind auch eine gute Möglichkeit der Unterstützung, da viele junge Menschen für so genannte Oppositionsaktivitäten von Universitäten und Schulen verwiesen wurden. Das Gleiche gilt für Visa, die derzeit für Belarussen einfach zu teuer sind, und das sollte unverzüglich behoben werden. Belarussische Bürgerinnen und Bürger sollten komplette Freiheit haben, in die EU zu reisen, ausgenommen natürlich die Vertreter des Regimes. Unterstützung für die Zivilgesellschaft hat höchste Priorität, da eine echte Zivilgesellschaft Änderungen in Belarus bewirken und eine bessere Zukunft für ganz Belarus sicherstellen wird.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Herr Präsident, die Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember kennzeichnen einen Rückschritt, sowohl für die Entwicklung der Demokratie in Belarus als auch in den Beziehungen mit der EU. Der Einsatz von Gewalt und die Festnahme von Vertretern der Opposition sind keineswegs eine Möglichkeit, politische Konflikte zu lösen. Im Gegenteil: Der Opposition das Recht auf Vertretung im Parlament zu verwehren führt zu tieferen sozialen Spannungen.
Vor diesem Hintergrund bin ich der Ansicht, dass das autoritäre Regime in Minsk keinen Anspruch darauf hat, die Vorteile zu genießen, die aus der Östlichen Partnerschaft herrühren. Darüber hinaus hat Belarus seine Verpflichtung innerhalb dieser Strategie nicht bestätigt, wie es andere Länder in der Region, insbesondere Georgien und die Republik Moldau, getan haben. Belarus von der Östlichen Partnerschaft zu suspendieren, wäre tatsächlich eine direkte, spürbare Sanktion gegen die Regierung. Ich hoffe, dass der nächste Rat für Auswärtige Angelegenheiten seinerseits solche Sanktionen in der gemeinsamen Position erwähnen wird.
Krzysztof Lisek (PPE). – (PL) Herr Präsident, Frau Ashton, ich würde Frau Ashton gern eine etwas indiskrete Frage stellen. Wissen Sie, was Jerzy Buzek 1982 abends zu tun pflegte? Oder was Janusz Lewandowski zu tun pflegte, oder was Donald Tusk zu tun pflegte? Sie alle schalteten ihre Radios ein und hörten Radio Free Europe oder Voice of America oder BBC, um herauszufinden, was in Wirklichkeit in Polen passierte. Ich habe eine weitere wichtige Frage für Sie: Wie konnte Lech Wałęsa überleben, und wie konnte irgendeiner der Aktivisten der Opposition überleben, nachdem sie vom polnischen kommunistischen Regime aus ihren Jobs entlassen wurden? Sie alle überlebten, weil Mitglieder amerikanischer Gewerkschaften finanzielle Unterstützung schickten. Diejenigen, die Radio hörten, konnten das tun, weil es Unterstützung und Finanzierung für die Radiosender gab. Heute haben wir die Verantwortung dafür, sicherzustellen, dass die Wahrheit bei den Belarussen ankommt und dass finanzielle Unterstützung bei der belarussischen Opposition ankommt.
Peter Šťastný (PPE). – Herr Präsident, ich stimme meinen Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf die Forderung von Sanktionen gegen die führenden Spießgesellen von Lukaschenko und die Bereitstellung von Hilfe und Unterstützung für die Opposition, NROs und einfache Bürgerinnen und Bürger in Belarus voll und ganz zu.
Der gemeinsame Entschließungsantrag erwähnt eine mögliche Verlegung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 aus Belarus, wenn politische Gefangene nicht freigelassen werden. Das ist ein angemessenes und sehr effektives Werkzeug. Herr Lukaschenko ist ein begeisterter Hockey-Fan, und das sind auch die Bürgerinnen und Bürger von Belarus. So eine Aktion würde sicher Aufmerksamkeit erregen und im ganzen Land Fragen aufwerfen.
Die IHF ist die Organisation, die für solch eine Entscheidung zuständig ist. Es könnte eine Chance sein, ihr angeschlagenes Image zu verbessern, das darunter gelitten hat, dass ein früherer hochrangiger KGB-Offizier und kommunistischer Spion in den USA und eine Person, die dazu beigetragen hat, Hunderttausende von Bürgerinnen und Bürgern um Milliarden von Dollar zu betrügen, in den IHF-Rat aufgenommen wurde. Wenn die Zeit kommt, hoffe ich, dass die IHF die richtige Entscheidung treffen wird.
Sari Essayah (PPE). – (FI) Herr Präsident, es ist gut, dass mehrere von uns hier offen zugegeben haben, dass der so genannte politische Dialog der EU und vieler Mitgliedstaaten gescheitert ist. Lukaschenko, der ein geschickter politischer Akteur ist, konnte sein Kampagnenprogramm ausnutzen, hat alle politischen und wirtschaftlichen Vorzüge genossen und hat Demokratie und Menschenrechte gleichzeitig weiterhin mit Füßen getreten. Er hat es sogar geschafft, einige Politiker hier zu verzaubern, wie Herrn Rubiks, dessen größte Sorge in dieser Situation zu sein scheint, ob die Opposition Hilfe aus dem Ausland erhält.
Die Sanktionen gegen die politische Führung, die die Entschließungen fordern, müssen definitiv umgesetzt werden. Gleichzeitig müssen wir jedoch sicherstellen, dass Hilfe bei den einfachen Leuten ankommt, die ihre Arbeits- und Studienplätze verloren haben, während sie darauf hofften, dass die Demokratie Einzug hält. Jetzt ist wirklich die letzte Gelegenheit für die EU, ihre Farben zu zeigen und zu beweisen, dass wir das Volk von Belarus in seinem Kampf um Demokratie unterstützen und dass wir Europas letzten Diktator aus dem Amt vertreiben möchten.
Der Präsident. – Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ganz allgemein sagen, dass ich es sehr schätzen würde, wenn diejenigen, die nach dem Catch-the-eye-Verfahren sprechen möchten, während der gesamten Aussprache anwesend wären. Das würde es deutlich erleichtern, auf die lebhafte Debatte reagieren zu können.
Piotr Borys (PPE). – (PL) Herr Präsident, heute ist die Stunde der Wahrheit für uns, wenn es um Solidarität mit Belarus geht. Wie wir alle wissen, ist Belarus die letzte Diktatur in Europa, und wir sollten unsere volle Solidarität zeigen. Wie wir ebenfalls wissen, geben die USA in dieser Region nur begrenzte Mittel, und der Vorschlag, den wir heute machen möchten, ist ein bedeutendes Finanzierungsprogramm mit dem Ziel der Unterstützung der Opposition, der Medien und Nichtregierungsorganisationen, aber auch und vor allem der jungen Elite. Ich spreche hier vor allem von den Hunderten oder sogar Tausenden von belarussischen Studenten, die ihr Studium derzeit nicht fortsetzen können, und ich möchte einen sehr speziellen Vorschlag machen, nämlich dass ein spezielles Erasmus-Programm innerhalb des bereits funktionierenden Erasmus-Systems vorbereitet wird, das sich ausschließlich an belarussische Studenten richtet. Wir wissen, dass wir mit diesem Programm beträchtliche Einsparungen erzielen können und dass es nicht viel Aufwand erfordern wird, aber die Schaffung einer modernen jungen Zukunft für einen demokratischen Staat könnte sich langfristig als effektiv erweisen, und ich bitte die Kommission, sicherzustellen, dass das der Fall ist.
Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. – Herr Präsident, ich möchte Ihnen und allen ehrenwerten Abgeordneten herzlich danken, die sich an dieser sehr wichtigen, gezielten und wohl durchdachten Diskussion heute beteiligt haben. Ich werde selbstverständlich die Entschließung des Parlaments zu dieser wichtigen und schwierigen Angelegenheit studieren.
Seit Beginn der Krise ist immer noch erst ein Monat vergangen, und die Ereignisse überschlagen sich. Ich hoffe natürlich, dass sie sich jetzt in eine positive Richtung bewegen werden, in Übereinstimmung mit den Zielen, die wir alle teilen. Die Festgenommenen sollten freigelassen werden und Belarus sollte den Grundstein legen, um einen umfassenden Reformprozess zu starten. Ich betone meine Hoffnung, dass parlamentarische Zusammenarbeit in diesem Prozess auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird.
Viele Damen und Herren Abgeordnete haben die Ideen unterstützt, die ich anfangs erwähnt habe: die Notwendigkeit, deutlich zu machen, wie absolut inakzeptabel das ist, was passiert ist, deutlich zu machen, dass wir diesbezüglich Schritte unternehmen möchten, und deutlich zu machen, dass wir die Zivilgesellschaft, junge Menschen, die Medien und Studenten unterstützen möchten – die Kategorien, über die viele Abgeordnete gesprochen haben.
Die Bemerkungen, die heute gemacht wurden, werden mich sehr ermutigen. Wir werden jetzt fortfahren, um sicherzustellen, dass wir das tun.
Schließlich: Als ich die Familien und die Oppositionsführer getroffen habe, die zu mir gekommen sind, habe ich ihnen sehr deutlich gesagt, dass wir erwarten, dass Menschen aus dem Gefängnis freigelassen werden und Belarus Fortschritte macht auf dem Weg, den wir alle wünschen, hin zu echter Demokratie.
Ich habe mich auch dem Außenminister gegenüber sehr direkt geäußert. Es liegt in ihren Händen, ihren Standpunkt zu ändern und zu tun, was sie wissen dass sie tun müssen. Wenn sie es nicht tun, wird und muss die internationale Gemeinschaft handeln.
Der Präsident. – Ich habe sechs Entschließungsanträge erhalten, die gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung eingereicht wurden.
Die Aussprache wird beendet.
Die Abstimmung findet Donnerstag, den 20. Januar 2011, statt.
– Frau Vizepräsidentin/Hohe Vertreterin, ich weiß, dass Sie seit 15.00 Uhr im Plenarsaal sind, und jetzt ist es 18.15 Uhr. Möchten Sie, dass wir fünf Minuten Pause machen, damit Sie sich kurz erholen können? Es ist Ihre Entscheidung, andernfalls können wir weitermachen.
Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. – Herr Präsident, ich muss gehen, um meine Reise in die Türkei für die Gespräche mit dem Iran anzutreten, daher wird mein geschätzter Kollege und Freund Stefan Füle diesen letzten Teil der Aussprache übernehmen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Indrek Tarand (Verts/ALE), schriftlich. – (FR) Die Situation in Belarus ist extrem Besorgnis erregend, und die EU muss angemessene Schritte ergreifen. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen gern von einer Verschwörungstheorie erzählen, die die Runde macht und die mir gestern von einem belarussischen Geschäftsmann erzählt wurde.
Er behauptete, dass diese Situation nicht ist, was Präsident Lukaschenko selbst nach den Wahlen wollte, sondern dass sie das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem belarussischen und dem russischen Geheimdienst mit dem Ziel einer Unterminierung jeglichen Versuchs einer Zusammenarbeit zwischen der EU und Belarus sei.
Natürlich ist es unmöglich, Theorien wie diese zu beweisen, aber wir sollten trotzdem die Tatsache in Erwägung ziehen, dass wir, wenn wir den verantwortlichen belarussischen Parteien Sanktionen auferlegen, auch belarussischen Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft usw. schaden können. Angesichts der wahrscheinlichen, wenn auch stillschweigenden, Beteiligung von Russland in dieser Situation möchte ich gern etwas wiederholen, was ich diesem Haus bereits zuvor gesagt habe: Ceterum censeo, Frankreich hat sich entschieden, ein Kriegsschiff der Mistral-Klasse an Russland zu verkaufen, und ich bin sicher, dass es dies bereuen wird.