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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 16. Februar 2011 - Straßburg Ausgabe im ABl.

12. Lage in Ägypten (Aussprache)
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Protokoll
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Lage in Ägypten.

Im Namen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik erhält das Wort Herr Kommissar Füle.

 
  
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  Štefan Füle, Mitglied der Kommission. Frau Präsidentin, ich bin hocherfreut, hier und heute bei Ihnen zu sein. Wie Sie sicherlich wissen, besucht die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin der Kommission derzeit den südlichen Mittelmeerraum und hat mich gebeten, hier in ihrem Auftrag zu den Ereignissen in Ägypten Stellung zu nehmen.

Die politische Realität in Ägypten hat sich am vergangenen Freitag, als Präsident Mubarak nach 30 Jahren im Amt zurücktrat, dramatisch verändert. Sein Rücktritt hat den Weg für einen möglichen Wandel in Ägypten eröffnet. Lassen Sie mich dies vor diesem Parlament wiederholen: Die Europäische Union begrüßt den Mut des ägyptischen Volkes, welches seinen Kampf für den demokratischen Wandel friedlich und mit Würde verfolgt hat.

Es liegt jetzt eine große Verantwortung auf den Schultern des Obersten Militärrats, Ägypten in eine demokratische Zukunft zu führen, für die das Volk gekämpft hat. Wir haben die Verpflichtungen zur Verfassungsänderung, der Durchführung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, zur Einhaltung internationaler Verträge und Verpflichtungen sowie zur Begrenzung der Zeit, in der das Militär die Führung übernimmt, auf sechs Monate wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Es gibt bereits Berichte, dass erste Schritte unternommen wurden. Innerhalb von zehn Tagen sollte ein Vorschlag für eine Verfassungsänderung vorgelegt werden, über den dann spätestens in zwei Monaten mittels Volksabstimmung entschieden wird. Wir werden die unternommenen Schritte genau beobachten und hoffen, dass sie 2011 den Weg für demokratische, freie und gerechte Wahlen bereiten werden.

Die Europäische Union reagierte auf die Ereignisse in Ägypten, sobald die öffentlichen Proteste eskalierten. Wir forderten die ägyptischen Behörden wiederholt dazu auf, einen sofortigen Übergang sicherzustellen und auf die demokratischen Bestrebungen der Ägypter zu reagieren. Als Bedenken im Hinblick auf eine zunehmende Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen bestanden, wandte sich die Hohe Vertreterin direkt an den ägyptischen Vizepräsidenten Omar Suleiman.

Die Europäische Union brachte unverzüglich ihre Bereitschaft zum Ausdruck, den Übergangsprozess Ägyptens in Richtung Demokratie uneingeschränkt zu unterstützen. Der Europäische Rat forderte die Hohe Vertreterin auf, ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung des Transformationsprozesses in Ägypten und Tunesien auszuarbeiten. Gemeinsam mit der Kommission wurde ebenfalls gefordert, Instrumente der Europäischen Union zur Förderung des Übergangs sowie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes anzupassen.

Wir prüfen nun, wie wir Ägypten am besten unterstützen können, und beabsichtigen, die Art von integrierten außenpolitischen Maßnahmen zu ergreifen, die im Rahmen des Vertrags von Lissabon möglich sind. Dabei schenken wir allen Stimmen einschließlich der der Damen und Herren Abgeordneten dieses Parlaments Gehör. Als demokratisch gewählte Vertreter und auch Teil der Haushaltsbehörde haben Sie einen entscheidenden Beitrag zu leisten.

Die Hohe Vertreterin und ich werden in ein paar Tagen auch dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten über diesen Prozess Bericht erstatten. Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass die Hohe Vertreterin Ashton eine außerordentliche Sitzung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten für diesen Sonntag einberufen hat.

Der in Ägypten eingeleitete Transformationsprozess wird durch die Europäische Union wie im Fall von Tunesien vorbehaltlos unterstützt. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied. Im Fall von Tunesien ist die politische Lage etwas klarer geworden. Wir konnten einen Dialog mit der Übergangsregierung zu den Bedürfnissen des Landes und der möglichen Reaktion der Europäischen Union einleiten.

Die Hohe Vertreterin stand durchweg im engen Kontakt mit internationalen Staats- und Regierungschefs, um die Herausforderungen zu erörtern, denen die Region gegenübersteht und eine koordinierte und demnach starke internationale Reaktion sicherzustellen.

Wir werden uns zunächst um eine Anpassung unserer laufenden Programme bemühen, um das Streben des ägyptischen Volkes nach Reformen zu unterstützen, wenn die Situation klarer wird. Die Europäische Union unterhält bereits ein breites Spektrum an Programmen in Ägypten und wendet dort jährlich fast 150 Mio. EUR auf.

Seit einigen Jahren finanzieren wir Projekte zu demokratischen Reformen, verantwortlicher Regierungsführung und zur Achtung der Menschenrechte. Von 2007-2010 wurden diesem Zweck 40 Mio. EUR zugewiesen und für 2011-2013 sind 50 Mio. EUR geplant. Wir haben durch das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte ferner weitere Mittel speziell für die Zivilgesellschaft mobilisiert. Durch die neue Lage in Ägypten sollte das richtige Umfeld dafür geschaffen werden, diese Mittel optimal zu nutzen und die Umsetzung viel ehrgeizigerer Programme voranzutreiben, als in der Vergangenheit möglich gewesen ist.

Über die bestehenden Programme und Mittel hinaus beabsichtigen wir, den Ägyptern Gehör zu schenken, um zu erfahren, wo das Land ihrer Ansicht nach unserer Unterstützung am meisten bedarf. Ihren Forderungen nach Demokratie, sozialen und wirtschaftlichen Perspektiven und freien, gerechten und umfassenden Wahlen muss entsprochen werden. Die Europäische Union ist zur Unterstützung dieses Reformprozesses bereit, der auf der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten beruht.

Die ägyptischen Behörden sind bereits mit ersten Ersuchen an uns herangetreten – auch um Verdachtsmomente der missbräuchlichen Verwendung öffentlicher Mittel zu untersuchen. Wir stimmen uns hierzu mit den Mitgliedstaaten ab, und der Rat für Auswärtige Angelegenheiten wird dieses Thema voraussichtlich ansprechen. Sofern wir weitere Ersuche erhalten, werden wir alles tun, um dem nachzukommen und unseren Sachverstand in den Bereichen Demokratisierung, Wahlen, Menschenrechte, Wirtschafts- und Sozialreformen sowie in allen anderen Fragen, wo Ägypten einen Bedarf sehen könnte, zur Verfügung zu stellen.

Lassen Sie mich jedoch eines klarstellen. Es steht uns nicht zu, Ergebnisse zu diktieren oder Lösungen vorzuschreiben. Die Zukunft liegt fest in den Händen der Bürgerinnen und Bürger Ägyptens.

Ich erwähnte eingangs, dass die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin in diesem Moment die Region bereist. Sie war bereit, Ägypten als Teil ihrer Reise zu besuchen, und sie brachte diesen Willen gegenüber ihren ägyptischen Amtskollegen zum Ausdruck. Sie ist von den ägyptischen Behörden jetzt nach Kairo eingeladen worden und wird am Montagabend nach dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten dorthin reisen. Dies wird eine Gelegenheit für sie sein, den Ägyptern Gehör zu schenken und zu beurteilen, welche Bedürfnisse des Landes auf dem Weg zur Demokratie vorrangig sind.

 
  
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  José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-Fraktion. (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, Herr Mubarak ist von der Bühne verschwunden, und jedermann scheint nun aufzuatmen. Erstens wurden die legitimen Erwartungen des ägyptischen Volks nach mehr Würde und Demokratie erfüllt, und zweitens hat sich die internationale Gemeinschaft – nicht ohne einen gewissen Zynismus – vom gestrigen Verbündeten zum heutigen Ärgernis und möglicherweise Angeklagten der Zukunft gewandelt.

Frau Präsidentin, ich glaube jedoch, wir sollten uns nicht täuschen lassen. Der Rücktritt von Herrn Mubarak und Herrn Ben Alí sind notwendige, nicht aber hinreichende Bedingungen für die Sicherstellung des Prozesses des demokratischen Wandels, der dort immer noch vielen Unsicherheiten ausgesetzt ist. Die wichtigste Sache ist: die Stärkung der Demokratie.

Frau Präsidentin, demokratische Freiheiten und Menschenrechte können zwar von sechszehn Tagen des Protests und Gemeinschaftssinns ausgelöst und von morgens bis abends durch das Gesetz proklamiert werden, es ist jedoch auch offensichtlich, dass man wirtschaftliche und soziale Prozesse leider nicht auf die gleiche Weise einleiten kann. Davon zeugen die schweren wirtschaftlichen Einbußen, die sowohl Ägypten als auch Tunesien in den letzten Tagen zu erleiden hatten.

Um zur Rede des Kommissars zurückzukehren: Ich möchte sagen, dass nach dem anfänglichen Zögern und einigen Imageproblemen der EU die Dinge wieder auf dem richtigen Weg zu sein scheinen. Baroness Ashton ist in der Region und was Herr Füle vorschlägt, ist sehr sinnvoll.

Erstens, den Prozess des demokratischen Wandels und die politischen Reformen in diesen Ländern vehement und rückhaltlos zu unterstützen. Zweitens, eine kritische Prüfung der europäischen Nachbarschaftspolitik mit Blick auf eine Stärkung der Demokratieklausel durchzuführen.

Wir haben heute im erweiterten Präsidium von der Initiative des polnischen Außenministers, des nächsten amtierenden Ratsvorsitzenden, gehört, eine polnische Stiftung zum Thema Demokratie und Menschenrechte einzurichten. Dies könnte auch auf die gesamte EU ausgedehnt werden.

Frau Präsidentin, die EU hat in ihrer Euro-Mittelmeer-Politik erhebliche Ressourcen mit schlechten Ergebnissen mobilisiert. Das Ansehen der EU hat in diesem Konflikt sogar mehr als das anderer internationaler Akteure gelitten. Jedoch bleibt die Forderung der EU bestehen.

Frau Präsidentin, ich möchte sagen, dies ist eine gute Gelegenheit, um zu betonen, dass die EU ein für alle Mal versteht: Heutzutage wird Geschichte in der Gegenwart gemacht. Wir müssen in diesen historischen Zeiten, die wir erleben, als ein globaler Akteur handeln und die notwendigen Aufgaben wahrnehmen – oder wir werden uns, Frau Präsidentin, damit abfinden müssen, auf der internationalen Bühne nicht die Rolle zu spielen, die wir beibehalten möchten, und uns, wie es bislang der Fall war, auf die Bezahlung der Rechnung für große globale Probleme beschränken.

 
  
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  Adrian Severin, im Namen der S&D-Fraktion. Frau Präsidentin, jahrelang haben die europäisch-atlantischen Akteure geglaubt, dass der Islam keinesfalls eine demokratische Einstellung und demokratische Institutionen erzeugen könne. Daher entschieden sie sich dafür, entweder autoritäre Regime zu unterstützen oder das westliche Modell der Demokratie mechanisch auf arabische Länder zu übertragen. Beide Strategien sind nicht nur gescheitert, sondern sie sind verantwortlich für die Entstehung islamischer Fundamentalisten und die Entfremdung von säkularen Teilen der Zivilgesellschaft.

Die gegenwärtigen Ereignisse in Ägypten beweisen, dass der Islam nicht ausschließlich fundamentalistisch sein muss, sondern auch demokratisch sein kann, wenn wir akzeptieren, dass die Demokratie eine variable Geometrie haben kann, und sofern wir sie natürlich auf ihrem spezifischen Boden wachsen lassen. Gleichzeitig müssen wir einräumen, dass der Volksaufstand einerseits Ergebnis der Entwicklung von ägyptischen Eliten in der Cyber- oder Internetgesellschaft und andererseits die Folge existenzieller Entbehrungen war, die Folge der globalen Wirtschaftskrise waren. Wenn die Europäische Union nicht unverzüglich und konsequent dazu übergeht, diese Not zu bekämpfen, könnte die Revolution in Anarchie und von dort in eine weitere Diktatur umschlagen.

Schließlich ist nicht nur die Tatsache zu begrüßen, dass während der letzten Ereignisse in Ägypten keine israelischen Flaggen verbrannt wurden, sondern wir müssen auch feststellen, dass das Gefühl des Scheiterns, welches die arabischen Gesellschaften aufgebracht und ihre Neurose genährt hat, daher rührt, dass es keine lang anhaltende Lösung des Konfliktes zwischen Israel und Palästina gibt. Daher sollte die Europäische Union unverzüglich die Initiative ergreifen, um die Transformation in Ägypten – die heute eine bloße Hoffnung ist – zu nutzen und daraus eine wirkliche Chance für die innere Demokratie und den regionalen Frieden zu machen.-

In diesem Zusammenhang sind die Reisen der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin der Kommission in die Region und ihre Bereitschaft zur Anpassung sowie Erweiterung der notwendigen europäischen Instrumente zur Bewältigung der Herausforderungen zu begrüßen. Ihr Handeln muss von uns allen unterstützt werden.

 
  
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  Guy Verhofstadt, im Namen der ALDE-Fraktion. Frau Präsidentin, Herr Cohn-Bendit und ich waren vor zwei Wochen gegenüber Baroness Ashton sehr kritisch, und ich sehe, dass Herr Severin nun etwas anders – mutiger – spricht. Diese Intervention vor zwei Wochen war absolut notwendig, denn die Europäische Union hatte eine Wischiwaschi-Haltung eingenommen.

Es ist klar, dass die Lage in Ägypten drei Dinge erfordert: Zunächst muss die Kommission einen glaubwürdigen und globalen Plan für Tunesien und Ägypten vorlegen – wie die Zivilgesellschaft zu stärken ist, was für die Bekämpfung der Korruption zu tun ist, wie man beim Aufbau demokratischer Institutionen helfen kann, wie ein unabhängiges Rechtssystem zu schaffen und die wirtschaftliche Umgestaltung und Entwicklung zu unterstützen sind. Hier, Herr Kommissar, geht es nicht um Millionen, sondern um Milliarden. Ich denke, dass Sie schnellstmöglich einen globalen Plan vorlegen müssen.

Zweitens hatte unsere Fraktion gestern eine Videokonferenz mit Dr. Ayman Nour, einem der führenden Oppositionspolitiker in Ägypten, und es bestehen eine Reihe von Bedenken. Ich kann Ihnen sagen, dass in all diesen Debatten in Ägypten zur Änderung der Verfassung die säkularen demokratischen politischen Parteien aktuell nicht beteiligt sind, und das ist etwas, was publik gemacht werden muss. Zweitens ist es unmöglich, dies in zwei Monaten zu behandeln und Wahlen in zwei Monaten zu organisieren, denn es bedeutet, dass wir dort keine normalen politischen Parteien haben werden, die an diesen Wahlen teilnehmen. Dann ist da auch noch die Frage des Verhältniswahlsystems oder eines Einzelpersonen-Wahlsystems.

Ich habe eine Nachricht an die Hohe Vertreterin Ashton mit der Bitte geschickt, dass sie diese drei Fragen, die für eine wirkliche demokratische Gesellschaft in Ägypten in naher Zukunft entscheidend sind, bei ihren Treffen am Montag anspricht. Meine Ansicht ist, dass das Parlament sie bei diesen drei Forderungen unterstützen sollte; und lassen Sie uns hoffen, dass sie diese drei Elemente, diese drei Bedenken bei ihren Treffen in Ägypten tatsächlich zum Ausdruck gebracht hat.

Drittens, Herr Kommissar, ist dies nicht das Ende. Wir sehen die Geschehnisse in Bahrain, Jemen, Algerien, im Iran, in Libyen, Marokko und Kuwait. Wir wollen von der Hohen Vertreterin jetzt auch eine starke Botschaft zu den Geschehnissen in diesen Ländern hören; wir sollten nicht warten, bis eine Reihe von Vorfällen eingetreten ist. Zu diesen Fragen erwarten wir von der Kommission, und hauptsächlich von Baroness Ashton, auch eine deutliche Stellungnahme zu den Vorgängen in diesen Ländern, die unsere Unterstützung für die breiten Bevölkerungsschichten vor Ort zum Ausdruck bringt.

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich denke, dass wir es in der Tat mit verschiedenen Problemen zu tun haben. Das erste Problem, das nicht in zwei Wochen gelöst werden kann, ist, dass die Kommission erstaunt ist, was Realpolitik in einem Klima bedeutet, das seit Jahren im Mittelmeerraum und vielleicht andernorts bestanden hat. Mit anderen Worten, welche Art von Beziehungen kann und sollte die Europäische Union mit diesen Diktaturen und in welcher Form unterhalten. Denn das ist alles eher außergewöhnlich. Heute sagt jeder, dass Herr Mubarak ein Diktator war. Das habe ich im Europäischen Parlament vor einem Monat nicht gehört. Damals war er kein Diktator. Wenn sie also Gelder einfrieren möchten, frieren Sie nicht einfach die Gelder von Herrn Mubaraks Freunden, sondern die von Herrn Mubarak und seiner Familie ein, wie im Fall von Herrn Ben Ali geschehen; Sie haben nicht nur die Gelder von Herrn Ben Alis Umfeld eingefroren.

Zweitens denke ich, dass das, was wir heute in Ägypten und Tunesien erleben, ein demokratischer Tsunami ist. Was taten wir, als ein Tsunami jede Menge Opfer forderte? Wir mobilisierten Sondermittel, um genau den betroffenen Menschen zu helfen. Wir müssen jetzt Sondermittel mobilisieren, um den Völkern von Tunesien und Ägypten zu helfen, denn die Gründe für den Aufstand sind vorrangig Hunger und Armut gewesen. Wenn diese Armut während des demokratischen Wandels nicht gemildert wird, besteht die Gefahr, dass einige der Demonstranten zum Beispiel zu den Fundamentalisten und Hardlinern überlaufen werden. Wir dürfen nicht zögern.

Daher glaube ich, dass die Kommission Tunesien und Ägypten ein substanzielles Paket anbieten und sagen sollte, dass die Demokratie eine gute Sache ist, da sie auch Mittel bringt. Gleichzeitig bin ich nicht der Ansicht, dass nach heutigem Stand der Dinge eine Reise von Baroness Ashton ausreicht. Es muss einen Sonderbeauftragten geben, weil wir die Aussprachen mit den Ausschüssen fortsetzen müssen. Beispielsweise gehören den Ausschüssen in Tunesien und Ägypten, die die Verfassung neu entwerfen, keine Mitglieder von Oppositionsparteien oder Frauen an. Es gibt dort nur Männer, obgleich Frauen an den Demonstrationen teilnahmen. Wir müssen diesen Prozess daher unterstützen, und ich denke, die Kommission sollte so verfahren, wie sie es in der Vergangenheit für den Osten tat und ihre Unterstützung bei allem, was die Verfassung betrifft, anbieten – anders gesagt, sie muss auf einer politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Ebene präsent sein.

Und eine letzte Sache. Zur Frage dieser Region: Sie wissen, dass gegenwärtig Diskussionen zu einer technischen Aufwertung der Assoziationsabkommen mit Israel stattfinden. Ich denke nicht, dass dies die richtige Lösung ist. Ich denke nicht, dass dies das richtige Signal ist. Israel muss geschützt werden, aber die Politik aller in dieser Region, auch die Politik der israelischen Regierung, ist zu überprüfen. Es geht hierbei nicht darum, Israel infrage zu stellen, sondern vielmehr die Politik seiner Regierung. Israel heute mit einer technischen Aufwertung des Assoziationsabkommens zu beschenken, würde ein falsches Signal an die gesamte Region senden.

(Beifall)

 
  
  

VORSITZ: Stavros LAMBRINIDIS
Vizepräsident

 
  
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  Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. Herr Präsident! Während der ersten dreißig Jahre der Existenz Israels war Ägypten sein unerbittlicher Feind. In den letzten dreißig Jahren lebten die beiden Länder glücklicherweise in Frieden.

Man kann nicht genug betonen, wie wichtig die Camp-David-Abkommen für Israels Sicherheit sind. Die Israelis befürchten, dass die radikalen Muslimbrüder das in Ägypten durch die Revolution entstandene Vakuum füllen werden. Es ist schlimm genug, dass Israel der terroristischen Bedrohung durch die Hisbollah an der libanesischen Grenze – den Fanatikern der Hamas, die Raketen von Gaza aus abfeuern – und der existenziellen Bedrohung durch einen mit Atomwaffen bewaffneten Iran ausgesetzt ist. Eine Machtübernahme der Islamisten in Ägypten würde jedoch ziemlich sicher zur Aufkündigung des ägyptisch-israelischen Friedensvertrags und zur Öffnung des Grenzübergangs Rafah für die Hamas führen.

Die EU sollte ihre Hilfe von der Einhaltung des Friedensvertrags abhängig machen und die Unterstützung politischer Entwicklungen in Ägypten, die die Sicherheit unseres strategischen Verbündeten gefährden, nicht dulden. Die Unterstützung eines demokratischen Ägyptens ist unglaublich wichtig für uns, und die wirtschaftlichen Herausforderungen sind enorm. Die Idee der Mobilisierung von Kreditmitteln der EIB und der EBWE, wie es die Hohe Vertreterin gestern in der Financial Times vorgeschlagen hat, findet meine volle Unterstützung. Unsere politischen Parteien und Fraktionen in Europa müssen sich ebenfalls für die Gründung säkularer, pluralistischer, demokratischer Schwesterparteien in Ägypten einsetzen, damit diese in sechs Monaten in freien Wahlen gegeneinander antreten, wenn das Militär hoffentlich die Macht abgegeben hat.

(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 der Geschäftsordnung zu antworten.)

 
  
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  Krisztina Morvai (NI).(HU) Herr Präsident! Ich komme nicht umhin, den Kollegen Abgeordneten zu fragen, wie ausgewogen seiner Ansicht nach das Bild ist, das er von Israel und der Situation im Nahen Osten gezeichnet hat, da er kein Wort über die erheblichen Menschenrechtsverletzungen verloren hat, die der Staat Israel begangen hat, darunter sein skandalöser Angriff auf Gaza, der sogenannte Sicherheitszaun, der nichts mit Sicherheit zu tun hat, oder all die Menschenrechtsverletzungen, die von der UN und verschiedenen anderen Organisationen und Menschenrechtsgruppen verurteilt wurden.

 
  
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  Charles Tannock (ECR). - Herr Präsident! Gegenstand dieser Aussprache ist unsere Hilfe für Ägypten. Natürlich betone ich die Notwendigkeit, auch unserem strategischen Verbündeten Israel Hilfe zuteilwerden zu lassen.

Ich muss jetzt nicht darüber diskutieren, weshalb Israel unser Verbündeter ist, weshalb es unsere gemeinsamen demokratischen Werte teilt, weshalb die Sperranlagen tatsächlich die Zahl der terroristischen Angriffe und Selbstmordanschläge um mehr als 90 % gesenkt haben oder weshalb es in Israel eine freie Presse und freie Wahlen gibt, im Gegensatz zu all seinen Nachbarn.

Hierüber kann ein anderes Mal diskutiert werden. Ich sage zum jetzigen Zeitpunkt nur, dass der Friedensvertrag mit Israel von wesentlicher Bedeutung für die Stabilität und die Sicherheit der Region ist, und natürlich darf man nicht vergessen, dass die EU ein wichtiger Akteur im Quartett ist.

 
  
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  Willy Meyer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (ES) Herr Präsident, Herr Füle! Die Europäische Union hat ein ernsthaftes Problem mit seiner Nachbarschaftspolitik, die korrigiert werden muss. Wir sind von dem notwendigen Schutz der Regime von Mubarak und Ben Ali – einer Zusammenarbeit, die, wie ich meine, notwendig war – dazu übergegangen, zu versuchen, diese Diktaturen anzuprangern und auch ein gewisses Maß an Kontrolle über den von einigen Schichten der Zivilgesellschaft betriebenen revolutionären Demokratisierungsprozess zu erlangen.

Die Revolutionen in Tunesien und Ägypten haben etwas gemeinsam. Die Aufständischen sind sehr jung, die Rolle politischer Organisationen war verschwindend gering – auch wenn dies nicht für die Gewerkschaften galt –, und beide Revolutionen fordern einen demokratischen Sozialstaat, in dem die Religion keine Rolle mehr spielt, was wir begrüßen sollten.

Unserer Nachbarschaftspolitik hat es jedoch an Glaubwürdigkeit gefehlt. Man kann nicht an einem Tag notwendigerweise mit zwei Diktaturen zusammenarbeiten, um sie dann am nächsten Tag zu verunglimpfen und zu versuchen, Einfluss auf die ägyptischen Verfassungsreformen zu erhalten, die den künftigen Staat gestalten werden.

Herr Füle, wir begreifen nicht, weshalb Artikel 2 der Assoziationsabkommen nie umgesetzt wurde. Klausel 2 wurde nie umgesetzt. Nicht in Ägypten, nicht in Tunesien, nicht in Marokko, nicht in Israel. Zu keinem Zeitpunkt. Diese Klausel ist ein Schlüsselelement der Assoziationsabkommen, sie wurde jedoch nie umgesetzt. Sie ist eindeutig formuliert: Alle Länder, die Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union abschließen, müssen internationales Recht wahren und die Menschenrechte achten. Diese zentrale Klausel wurde nie in die Praxis umgesetzt, sie wurde nie aktiviert. Mithin teilen wir nicht die Einstellung, in der Mittelmeerregion dem freien Handel Vorrang gegenüber den Menschenrechten einzuräumen.

Das muss sich ändern, Herr Füle.

 
  
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  Fiorello Provera, im Namen der EFD-Fraktion.(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sturz von Präsident Mubarak hat den Weg für die Demokratie geebnet, er ist jedoch auch eine ungeheure Chance, das ägyptische Volk zu befreien. Die Reform der demokratischen Institutionen des Landes wird unter anderem die weitere Entwicklung der Wirtschaft erlauben und die Möglichkeit bieten, alle Mitglieder der Gesellschaft, auch die schwächsten, am Wohlstand teilhaben zu lassen.

Ohne Demokratie wird wirtschaftliche Entwicklung nur dazu dienen, einigen wenigen Familien zu Reichtum zu verhelfen, wie es immer in Ländern, in denen keine soziale Gerechtigkeit herrscht, der Fall war. Die Politik der EU muss daher Ägypten auf seinem Weg zu Reformen unterstützen und dem ägyptischen Volk helfen, seine eigene Zukunft eigenständig zu wählen.

Auf der anderen Seite müssen wir der künftigen Regierung in Kairo klar und deutlich zu verstehen geben, dass eine neue und großzügigere Partnerschaftspolitik Sicherheit in der Region und Frieden mit Israel voraussetzt.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident, Herr Kommissar! Revolutionäre Umwälzungen sind naturgemäß mit großen Emotionen behaftet. Wir selbst als außenstehende Europäer sollten uns aber vor solchen Emotionen hüten und die Realität im Auge haben. Wenn jetzt allgemein das Ausbrechen der Demokratie in Ägypten oder auch in Tunesien bejubelt wird, dann übersehen wir die Realität. Diese schaut so aus, dass wir in Ägypten ein Militärregime haben, das – so hoffen wir – nur ein Übergangsregime ist, und in Tunesien ein Regime, das nicht in der Lage ist, tausende oder zehntausende Menschen vor der illegalen Auswanderung zu bewahren.

Die Europäer müssen zweifellos Freunde der Völker und Verbündete der Freiheit sein. Wir müssen das aber auch pro futuro gegenüber Regimen und Diktaturen tun, die in anderen arabischen Ländern immer noch fest im Sattel sitzen. Ich glaube, dass wir das nur tun können, wenn wir uns keine Illusionen machen, wenn wir diesen Völkern helfen, das zu entwickeln, was zur Demokratie dazugehört: Rechtsstaatlichkeit, freie Marktwirtschaft und Strukturen, die Demokratie überhaupt erst denkbar machen.

(Der Redner ist damit einverstanden, eine Frage nach dem Verfahren der „blauen Karte“ zu beantworten (Artikel 149 Absatz 8 GO).)

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit (Verts/ALE). - Herr Kollege, finden Sie es geschmackvoller, dass die EU heute mit Herrn Gaddafi über die Rückführung von Flüchtlingen verhandelt, wo es heute bei Demonstrationen in Libyen 40 Verletzte gegeben hat? Finden Sie es besser, dass man zusammen mit dem Diktator jetzt die Rückführung der Flüchtlinge erzwingt? Finden Sie das geschmackvoll?

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Herr Cohn-Bendit, Sie haben gehört, dass ich gesagt habe, die EU müsse gegenüber Diktatoren, die noch immer fest im Sattel sitzen und gegenwärtig noch immer akzeptierte Partner für die Europäische Union sind, schon Stellung beziehen und bereits vor revolutionären Umwälzungen in den betreffenden Ländern für Menschenrechte, Demokratisierung und Rechtsstaat eintreten. Allerdings ist Demokratisierung in diesen Ländern ja nicht wirklich ein Asylgrund, und wenn jetzt dort Demokratie ausbricht, dann muss es möglich sein, dass die Menschen dort auch bleiben dürfen.

 
  
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  Elmar Brok (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Ratspräsidentschaft! Wir müssen wieder eines sehen, was wir immer noch nicht gelernt haben, nämlich dass wir oftmals mit undemokratischen Regimen zusammenarbeiten müssen, weil viele Länder dieser Welt von Diktatoren beherrscht werden. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten. Das müssen wir gleichzeitig tun, um auf diese Art und Weise die Menschenrechte zu unterstützen und Demokratie zu entwickeln.

Der zweite Punkt ist, dass wir sehen müssen, dass Stabilität nicht das einzig Entscheidende ist. Die wirkliche Stabilität entsteht nur, wenn man auf die Karte der Freiheit setzt. Wenn wir die jetzt Chance nicht wahrnehmen und den mutigen Menschen in diesen Ländern Hilfe anbieten, besteht die Gefahr, dass wir dann in eine Leere hineinlaufen und wir dann nicht einen Wandel, einen wind of change erreichen, wie wir das 1989 in Mittel- und Osteuropa hatten, sondern eine Situation erleben wie 1979 im Iran.

Hilfe jetzt bedeutet auch Stabilität und Sicherheit für uns, Freiheit und Stabilität gehören zusammen! Deswegen bin ich dankbar, dass nach Schwierigkeiten in der Anlaufphase bei unserem neuen Dienst jetzt offensichtlich Auswärtiger Dienst und Kommission vorangehen und mit sinnvollen Vorschlägen kommen. Dabei ist es wichtig, dass wir die Hilfe nicht nur strukturell verbessern und verstärken, sondern auch Angebote machen – ob sie angenommen werden, liegt an den Menschen dort –, dass man diesen Ländern hilft, demokratische Strukturen aufzubauen, damit sie in der Lage sind, in einen demokratischen Wettstreit zu treten, damit die Demokraten Wahlen gewinnen, und damit nicht diejenigen, die vielleicht über ein Militärregime oder über die Moslembruderschaft organisiert sind, letztendlich die Wahlen gewinnen. Hier müssen wir noch etwas mutiger sein und vielleicht unsere Programme ein bisschen intelligenter auslegen, als wir das in der Vergangenheit getan haben.

Ich hoffe, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Wenn wir das schaffen, machen wir manchen Fehler der Vergangenheit nicht mehr und sollten damit eine Chance für uns wahrnehmen.

 
  
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  Saïd El Khadraoui (S&D). - (NL) Herr Präsident! Mubarak mag gegangen sein, aber dies kann nur ein Zwischenschritt sein. Es sind zahlreiche weitere Maßnahmen erforderlich, und das Militär, das nun die Macht innehat, muss einen glaubwürdigen Weg finden, um den Transformationsprozess, der bereits begonnen hat, zu lenken. Dies bedeutet die Aufhebung des Kriegsrechts und die Einbeziehung aller demokratischen Kräfte in die Schritte, die jetzt unternommen werden. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung wird in dieser Hinsicht der erste wichtige Test sein.

Die Europäische Union ihrerseits sollte alle möglichen Mittel einsetzen, direkte und indirekte, um diesen Prozess zu lenken. Unter anderem wird dies bedeuten, die Entwicklung demokratischer Parteien und der Zivilgesellschaft zu unterstützen. Es bedeutet auch, die Vermögenswerte derjenigen einzufrieren, die staatliche Mittel missbraucht haben. Offensichtlich – und dies wird weitaus schwieriger sein und mehr Arbeit erfordern – müssen wir ein Paket von wirtschaftsfördernden Maßnahmen annehmen, da der Übergang nur wirklich als Erfolg betrachtet werden kann, wenn die Wirtschaft wieder in Schwung gekommen ist.

Abschließend haben wir in der Tat festgestellt, dass die Demokratieklauseln, die gelten, aber nicht angewendet werden, sich als nicht erfolgreich erwiesen haben. Sie müssen daher einer Evaluierung unterzogen werden.

 
  
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  Alexander Graf Lambsdorff (ALDE). - Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Revolutionen sind selten in ihrem Verlauf vorhersehbar. Die amerikanische war es nicht, die französische war es nicht, auch die große europäische von 1989/91 war es nicht. Wichtig ist, dass wir uns eines klar machen: Das ist und bleibt die ägyptische Revolution. Es ist keine europäische Revolution, die wir steuern könnten, sondern es ist richtig, was Frau Ashton dort macht, nämlich zuzuhören und nicht den Versuch zu unternehmen, dort ein Diktat Europas zu etablieren.

Aber eines ist schon zentral: In Ägypten darf im August nicht nur eine Wahl abgehalten werden, die Ägypter müssen auch eine echte Wahl haben. Es ist gut, dass die Moslembruderschaft sich in den Prozess der Verfassungsänderung eingebracht hat, eine Partei gründet, an Wahlen teilnehmen wird, aber die weltlichen Kräfte müssen genauso eingebunden werden, damit die Ägypterinnen und Ägypter in dieser Freiheitsrevolution eine echte Wahl haben.

Ein Wort zur Anpassung der Instrumente. Das ist Jargon, das versteht man kaum. Was heißt das? Zunächst einmal mehr Geld für die Europäische Investitionsbank, etwas zu tun. Aber dann? Wir brauchen eine europäische Stiftung für Demokratie, damit wir in Zukunft wirksamer, schneller und demokratischer mit diesen Zivilgesellschaften zusammenarbeiten können.

 
  
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  Mirosław Piotrowski (ECR). (PL) Herr Präsident! Wieder einmal ist die Lage in Ägypten, die dynamisch ist und beobachtet werden muss, Gegenstand einer Aussprache im Parlament. Inzwischen ist der Präsident Ägyptens zurückgetreten, aber dies hat die Angst vor Destabilisierung in diesem Land und in der gesamten Region nicht geringer werden lassen. Die Gefahr, dass extremistische Kräfte die Macht ergreifen, besteht nach wie vor. Ich habe zu einem früheren Zeitpunkt vorgeschlagen, dass das Parlament und die Kommission eine besondere Beobachtungsmission nach Ägypten entsenden sollten, und jetzt sollten wir diese Delegation ermächtigen, Entscheidungen zu treffen. Es geht nicht nur um die Unterstützung freier Wahlen, sondern auch um die Bereitstellung eines Soforthilfepakets, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Ägypter selbst Finanzhilfen für ihr Land fordern. Eine Verschärfung der bestehenden Krise könnte zu einer Zunahme von Unruhen und antidemokratischen Gesinnungen führen. Damit die ergriffenen Maßnahmen wirksam sind, sollten Konsultationen mit Diplomaten der USA durchgeführt werden, die sich aktiv in der Politik dieser Region engagieren.

 
  
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  Bastiaan Belder (EFD). - (NL) Herr Präsident! Ein erschreckender Mangel an politischer Freiheit in Verbindung mit einer schlimmen sozioökonomischen Lage hat zu wochenlangen Massendemonstrationen und schließlich zum Rücktritt von Präsident Mubarak geführt.

Auf den Straßen Kairos hieß es, dass sich nur noch ein ägyptischer Bürger tatsächlich an die Ausgangssperre hielt: Hosni Mubarak. Scharfzüngige Bemerkungen allein werden jedoch den durchschnittlichen Lebensstandard der Bevölkerung Ägyptens nicht verbessern. Dies wird definitiv eine der ersten Aufgaben von Mubaraks Nachfolgern sein, wenn sie die Gefahr des Ausbrechens einer neuen Protestwelle umgehen wollen. Gleichzeitig warten wir noch immer darauf, dass der interne Demokratisierungsprozess in die Gänge kommt. Es ist sehr wichtig, dass dieser Prozess friedlich verläuft, nicht nur für die ägyptische Zivilgesellschaft selbst, sondern auch für die gesamte Region.

Ich begrüße jede Hilfe, die die Europäische Union zu diesem zweifachen Übergangsprozess leisten kann, und dies gilt auch für die prekäre Situation der Kopten und die Kontinuität der ägyptisch-israelischen Beziehungen.

 
  
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  Barry Madlener (NI). - (NL) Herr Präsident! Nachdem sich die Aufregung in Ägypten gelegt hat, ist es an der Zeit, dass wir unsere Augen dafür öffnen, was wirklich in Nordafrika geschieht.

Viele Demonstranten suchen nicht Demokratie, sondern die Einführung der Scharia. „Allah akbar“ war eine Parole, die häufig während der Proteste zu hören war. Journalisten wurden schikaniert, ein niederländischer Korrespondent erhielt Todesdrohungen, und als trauriger Tiefpunkt wurde die großartige amerikanische Journalistin Lara Logan von einem Mob sexuell missbraucht.

Die Ayatollahs hinter Diktator Ahmadinedschad und Al-Qaida müssen ihren großen Tag haben. Die Muslimbruderschaft kann jetzt ihren heiligen Krieg gegen Israel und den Westen fortsetzen.

Ich fordere die Abgeordneten dieses Parlaments auf, heute nicht naiv zu sein. Die Ägypter stehen vor einer wichtigen Entscheidung. Wird die islamistische Muslimbruderschaft an die Macht kommen oder wird Ägypten eine säkulare Regierung erhalten? Unter der Scharia werden koptische Christen, vom Glauben abgefallene Muslime, Frauen und Homosexuelle keine menschenwürdige Zukunft in Ägypten haben. Wenn die Islamisten der Muslimbruderschaft das Sagen erhalten, wird Israel erneut das Ziel von Gewalt werden.

Der einzig richtige Standpunkt, den wir heute einnehmen können, muss lauten: Ägypter, wählt die Freiheit, nicht die Scharia! Islam und Demokratie lassen sich nicht vermischen. Die neue ägyptische Verfassung darf nicht der Scharia überlassen werden. Es darf nicht zugelassen werden, dass Imame die Politik beherrschen. Die niederländische Partei für Freiheit hat den Mut, dies laut auszusprechen. Haben das Parlament und die Europäische Kommission heute auch den Mut dazu? Das ist die Frage, die wir heute beantworten müssen.

 
  
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  Ioannis Kasoulides (PPE). - Herr Präsident! Der Rücktritt von Hosni Mubarak signalisiert den Übergang zu einer pluralistischen Demokratie, die den Bestrebungen der ägyptischen Bevölkerung entspricht.

Das ägyptische Militär hat nun die Verantwortung, das Land in kurzer Zeit zu einer echten Demokratie zu führen, zu Rechtsstaatlichkeit mit einer unabhängigen Judikative, zu verantwortungsbewusster Regierungsführung und zu Rechenschaftspflicht bei Verdacht auf Korruption. Die Militärführung sei davor gewarnt, die Jugend zu enttäuschen, die die Demonstrationen ins Rollen gebracht hat und deren Vertreter aufgefordert werden sollten, während des Übergangs ihre Rolle beim Aufbau der Demokratie zu übernehmen.

Die Botschaft Ägyptens ist eine Botschaft für die gesamte arabische Welt. Die arabischen Länder sind unsere Partner. Wir haben nicht die Absicht, sie zu bevormunden oder ihnen irgendetwas von außen aufzuzwingen. Die Botschaft an sie, die von den Ägyptern und Tunesiern ausgesendet wird, lautet jedoch: „Reformiert und reformiert jetzt. Demokratisiert, regiert verantwortungsvoll, bekämpft die Korruption, oder ihr zieht den Zorn der Bevölkerung auf euch.“

Diese Botschaft gilt nicht nur der arabischen Welt. Gestern wurde sie in Diyarbakir in der Türkei weitergegeben, und in Teheran und anderen iranischen Städten. Die Menschen werden es schaffen!

 
  
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  Richard Howitt (S&D). - Herr Präsident! Ich bin erfreut, dass die Hohe Vertreterin die erste und oberste ausländische Diplomatin sein wird, die Ägypten besucht, und nach dieser Aussprache wird sie die Unterstützung des Parlaments für die sofortige Freilassung politischer Gefangener, dafür, dass die Verantwortlichen für die gewaltsame Niederschlagung friedlicher Proteste zur Rechenschaft gezogen werden, für das Einfrieren von Vermögenswerten und für andere Maßnahmen gegen die Urheber von Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit mitnehmen.

Herr Kommissar, dies war eine Revolution der sozialen Medien, geplant in einem Internetcafé, mit Wael Ghonim von Google als einem ihrer Helden. Aber Unternehmen wie Vodafone müssen die Lehren aus dem Abschalten ihrer Dienste ziehen, und wir sollten sie auffordern, sich der globalen Netzwerkinitiative an der Seite von Menschenrechtsorganisationen anzuschließen, um zu zeigen, dass sie den Grundsatz der Freiheit der Meinungsäußerung verteidigen werden, wenn dieser bedroht wird.

Abschließend möchte ich bemerken, dass dieses Parlament die Diskussion über Tunesien gescheut hat. Wir haben über Tunesien debattiert, als die Ägypter auf die Straßen gegangen sind, und heute diskutieren wir über Ägypten, obwohl wir uns vielleicht fragen sollten, wie wir den demokratischen Wandel jetzt in Jemen, Syrien, Libyen und anderen Ländern der arabischen Welt besser unterstützen können, damit nicht erst Menschen in den Straßen ihrer Hauptstädte sterben müssen, bis Europa und die Welt aus Scham aktiv werden.

 
  
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  Marielle De Sarnez (ALDE).(FR) Herr Präsident! Ich glaube nicht, dass die Geschichte uns vergeben würde, wenn sich herausstellen sollte, dass wir den Ereignissen, die gerade geschehen sind und noch andauern, nicht gewachsen sind. Ich halte es daher für sehr wichtig, dass die Europäische Union in der Lage ist, rasch die Lehren aus ihrer, um es milde auszudrücken, relativen Unsichtbarkeit während der jüngsten Ereignisse zu ziehen.

Ich denke darum, dass keine Anstrengung unterlassen werden darf, dass wir dem Demokratisierungsprozess – sowohl in Tunesien als auch in Ägypten – unsere volle und bedingungslose Unterstützung zuteilwerden lassen müssen, dass wir uns auf die Seite dieser Menschen stellen und ihnen dies sagen müssen, und dass wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um zu gewährleisten, dass die Rechtsstaatlichkeit gestärkt aus diesen Revolutionen und diesen Umwälzungen hervorgeht, insbesondere im Falle Ägyptens. Nur die Rechtsstaatlichkeit wird ein Element der Stabilität und der Stabilisierung für die gesamte Region sein. Mit anderen Worten, dies ist äußerst wichtig. Wir müssen eine Geberkonferenz organisieren, und vor allem dürfen wir keine Angst haben. Diese Revolutionen sind säkulare Revolutionen von Tunesiern und Ägyptern, die einfach nur Demokratie und Entwicklung, die untrennbar miteinander verbunden sind, fordern. Wir sollten jedoch unsere Nachbarschaftspolitik einer Überprüfung unterziehen und uns mit dem Thema zwischenstaatliche Beziehungen, aber auch Beziehungen zwischen verschiedenen öffentlichen Meinungen, auseinandersetzen. Genau hier liegt die Rolle des Europäischen Parlaments.

 
  
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  Sajjad Karim (ECR). - Herr Präsident! Die heutige Aussprache unterscheidet sich erheblich von derjenigen, die wir noch vor ein paar Tagen in diesem Plenum geführt haben. Es ist sehr wichtig, dass die Menschen in Ägypten wissen, dass wir an ihrer Seite stehen. Ich begrüße es, dass unsere Hohe Vertreterin sich derzeit in diesem Teil der Welt aufhält.

Das ägyptische Volk ist nun darauf angewiesen, dass das Militär hervortritt und freie und faire Wahlen herbeiführt, damit die Art von Gesellschaft entsteht, für die das Volk mit seinem Leben und Blut bezahlt hat. Es obliegt nun der internationalen Gemeinschaft, dafür zu sorgen, dass wir eingreifen, um die Ägypter beim Aufbau ihrer Institutionen zu unterstützen und es den politischen Parteien zu ermöglichen, sich zu formieren und an diesen Wahlprozessen teilzunehmen. Ich hoffe, die Europäische Union wird ihren Teil dazu beitragen.

Abschließend, Herr Kommissar, ist uns die Abschöpfung von Mitteln durch Führer in Entwicklungsländern bestens bekannt. Europa muss nun sagen, dass wir es nicht akzeptieren, weiterhin von diesen Leuten dazu instrumentalisiert zu werden, ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen.

 
  
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  Pino Arlacchi (S&D). - (stellt Herrn Madlener eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 der Geschäftsordnung) Herr Präsident! Die tragischen Folgen des Übergangs Ägyptens zur Demokratie wurden beschrieben. Es wurde gesagt, es sei unvermeidlich, dass islamistische Fundamentalisten die Macht demokratisch übernehmen würden, usw. usw.

Denken Sie nicht, dass dieses Bild zu plakativ ist, und falsch? Warum berücksichtigen wir nicht, dass die Ursachen für islamistischen Fundamentalismus und Terrorismus im Nahen Osten stark mit tyrannischen Regierungen verbunden sind und dass demokratische Regierungen jetzt die Gelegenheit haben, beides zu verringern?

 
  
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  Barry Madlener (NI). - (NL) Herr Präsident! Ich umreiße hier eine der realen Gefahren, vor denen Ägypten steht, nämlich dass es der islamistischen Muslimbruderschaft zum Opfer fallen könnte. Ich appelliere auch an uns und die Kommission, sich dieser Gefahr zu stellen und ein wichtiges Signal an die Ägypter zu senden, nämlich dass sie nicht mit unserer Unterstützung rechnen können, wenn sie sich für die Muslimbruderschaft und die Scharia entscheiden. Dies ist meines Erachtens ein sehr wichtiges Signal, das heute gesendet werden muss, und ich hoffe, Sie werden mich dabei unterstützen.

 
  
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  Cristian Dan Preda (PPE).(RO) Herr Präsident! 18 Tage währende Unruhen, der Rücktritt von Hosni Mubarak und die Übernahme der Kontrolle durch den Obersten Militärrat haben im Grunde den Weg für den Übergang geebnet. Wir hoffen, dies wird ein Übergang zur Demokratie sein. Die Lage ist zweifellos in Entwicklung begriffen, und das in einer Geschwindigkeit, die grundsätzlich kennzeichnend für revolutionäre Ereignisse ist. Wie Sie wissen, wurde vor Kurzem die Verfassung außer Kraft gesetzt, das Parlament wurde aufgelöst, und der zur Revision der Verfassung eingesetzte Ausschuss will in zehn Tagen Änderungen vornehmen und in sechs Monaten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abhalten.

Ich denke, die Europäische Union muss alle Mittel einsetzen, um jede Bewegung zu unterstützen, die auf einen demokratischen Übergang hinweist. Andererseits warne ich vor übereiltem Handeln, da all diese Aufbauprozesse eine gewisse Zeit benötigen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die demokratischen Kräfte dringend einer Erneuerung und Stärkung bedürfen, um ein Ungleichgewicht in der politischen Landschaft zu verhindern.

 
  
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  Rosario Crocetta (S&D).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ägypten: von der virtuellen Gemeinschaft auf Facebook zur realen Gemeinschaft, mit Millionen von Menschen, die nach einer gerechteren Verteilung des Wohlstands und mehr Gerechtigkeit streben und gegen Korruption protestieren. Wir müssen uns von der Übergangsphase mit Soldaten und Panzern auf eine echte Demokratie zubewegen: eine neue Verfassung, neue Wahlen, Abschaffung der Todesstrafe, humanere Haftbedingungen, soziale Rechte und Freiheit.

Das wird ein schwieriger Weg. Diejenigen, die gewillt sind, alle Mittel im Namen einer Idee einzusetzen, stehen bereit. Wir wollen an das großartige ägyptische Volk glauben, das jedoch über keine Erfahrungen mit Demokratie verfügt. Wir wollen eine säkulare Demokratie, mit einer deutlichen Trennung zwischen religiöser Autorität und politischer Macht, eine Demokratie, die Minderheiten integriert und wirkliche Rechte begründet: auf ein Gesundheitswesen, auf soziale Sicherheit und auf Arbeit.

Europa unterstützt diesen Ansatz durch die Investition von Mitteln, die geeignet sind, wirkliche Entwicklung in Ägypten zu fördern: keine Diktatur mehr, kein Elend mehr, keine Armut mehr.

 
  
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  Edward McMillan-Scott (ALDE). - Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen werden am Montag eine E-Mail in ihrem Posteingang finden, in der ich von meinen Erfahrungen bei einem inoffiziellen Besuch in Kairo am vergangenen Wochenende berichte. Es war ein Privileg, als Vizepräsident des Europäischen Parlaments für Demokratie und Menschenrechte dort zu sein.

Herr Kasoulides sprach über die Rolle der jungen Leute in der jüngsten Revolution in Ägypten. Er hat völlig recht. Sie spielten eine grundlegende Rolle. Vor wenigen Augenblicken sprach ich noch mit einem der Organisatoren und fragte: „Sind Sie immer noch optimistisch?“ Er antwortete: „Natürlich bin ich das. Die Dinge bewegen sich in die richtige Richtung.“

Aber es gibt Probleme. Der Zeitplan für Wahlen ist falsch, und der Zeitplan für die Reform der Verfassung ist viel zu knapp bemessen. Wir brauchen viel mehr Zeit. Wir sprechen von Ägypten, aber dieser Prozess weitet sich aus. Es ist wie 1989, und die Europäische Union braucht spezielle Verfahren – dieses Hohe Haus, die Kommission, der Rat, die EAS –, und wir begrüßen Catherine Ashtons Vorschuss für die Demokratie, aber wir müssen mehr tun. Wir müssen Reformen belohnen.

Wie ich am Sonntag in Kairo sagte – und ich hoffe, dies auch bei anderen Völkern zu sagen –, „Ich bin nicht hier als Brite oder als Europäer, ich bin hier als Ägypter ehrenhalber“. Und dies gilt noch immer.

 
  
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  Francisco José Millán Mon (PPE). - (ES) Herr Präsident! Es besteht Klärungsbedarf hinsichtlich der Pläne des Obersten Militärrats in Ägypten.

Eine konkrete Verpflichtung ist die Durchführung demokratischer Wahlen innerhalb von sechs Monaten im Anschluss an eine Verfassungsreform unter Führung von Experten. Ich habe jedoch auch gelesen, dass wir nächste Woche eine neue Regierung sehen werden, angeblich unter Einbeziehung von Vertretern der Opposition, so der britische Außenminister.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass der beste Weg nach vorn auf jeden Fall in einem Übergangsprozess besteht, der von einem möglichst breiten politischen Konsens getragen wird, bis die Wahlen stattfinden. Es wäre auch wünschenswert, dass die gesellschaftlichen Kräfte zusammenarbeiten, um zu gewährleisten, dass dieser Übergang nicht von größeren Spannungen belastet wird.

Meine Damen und Herren, die Europäische Union muss den Demokratisierungsprozess unterstützen und zu seinem Erfolg beitragen. Ägypten ist ein Schlüsselland, und Entwicklungen dort werden im ganzen Mittelmeerraum und in der gesamten arabischen Welt spürbar sein. Ich begrüße daher den Besuch von Baroness Ashton in Kairo nächste Woche.

Ein weiterer Punkt: Die Tunesier und die Ägypter haben uns eine Lektion darüber gelehrt, wie sehr sich ein Volk nach Freiheit sehnen kann. Ich hoffe, die Außenminister werden diese Lektion nicht aus den Augen verlieren, wenn sie den gemeinsamen Standpunkt zu Kuba bewerten, der ja gerade auf die Herbeiführung einer Demokratisierung in diesem Land abzielt und diejenigen verteidigt, die die Freiheit verteidigen.

 
  
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  Kader Arif (S&D).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass das Geschehen im südlichen Mittelmeerraum und ganz allgemein in der arabischen Welt historisch ist, insbesondere für die Völker, die ein halbes Jahrhundert, nachdem ihre Länder durch die Entkolonialisierung die Unabhängigkeit erreicht haben, heute ihre individuellen und kollektiven Freiheiten erlangen. Es ist historisch, aber auch überraschend, wie alle Volksrevolutionen, so sagen Sie. Diese neue Situation fordert jedoch von uns, dass wir unsere Vision, unsere Politik und unsere Beziehungen mit diesen Ländern gänzlich überdenken. Es wurden Vorschläge gemacht.

Tatsächlich lässt sich die Zurückhaltung, mit der wir bisher reagiert haben, einfach und beunruhigenderweise mit unserer Besessenheit von Stabilität erklären, womit ich die von unseren Ängsten genährte Auffassung von Sicherheit meine, deren einzige Priorität der Kampf gegen Immigration, Terrorismus und den radikalen Islam war, neben einigen wirtschaftlichen Interessen, nicht zuletzt dem Zugang zu Energie.

Wir haben autoritäre Regime akzeptiert, deren einziges Ziel darin bestand, unsere Ängste zu bestätigen. Das Aufbegehren der Menschen hat das Versagen unserer Politik deutlich gemacht. Wir haben nicht länger das Recht, unsere Analysen weiterhin auf dieselben Ängste oder, schlimmer noch, auf dieselben fremdenfeindlich gefärbten Überzeugungen zu stützen. Daher müssen wir an der Seite derer stehen, die nach mehr Freiheit und Demokratie streben, wo es möglich ist, Moslem, demokratisch und säkular zu sein. Das ist die Botschaft, die uns gesandt wird.

 
  
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  Georgios Koumoutsakos (PPE).(EL) Herr Präsident! Die Aufstände in Tunesien und Ägypten bewirken bereits einen politischen Dominoeffekt in zahlreichen islamischen Ländern. Gemeinschaften erheben sich mit Forderungen und Ansprüchen, die jahrzehntelang unterdrückt wurden.

Vorsicht! Nichts ist zu Ende. Es hat alles gerade erst begonnen. Neue Herausforderungen und neue Perspektiven. Die Frage ist: Was tut Europa? Was kann es tun, und was muss es tun? Sicherlich nicht, was es bisher getan hat. Europa war im Grunde abwesend, ohne Zusammenhalt und ohne Reflexe. Wie wird es beispielsweise mit dem neuen Zustrom von Einwanderern umgehen? Doch gewiss nicht so, wie es bisher der Fall war, mit dem Mangel an Solidarität des Nordens mit den Partnern im Süden?

Daher haben wir und unsere Kolleginnen und Kollegen aus Zypern, Malta, Frankreich, Spanien und Italien eine Anfrage an die Kommission zu diesem Thema eingereicht. Entwicklungen in unserem größeren nachbarschaftlichen Umfeld werden eine Messlatte für die europäische Außenpolitik. Werden wir erfolgreich sein oder werden wir scheitern? Die Zeit läuft uns davon. Lampedusa ruft uns.

 
  
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  Carmen Romero López (S&D). - (ES) Herr Präsident! Ich schließe mich dem Lob für Baroness Ashtons jüngsten Besuch in Tunesien und für ihre Reise nach Ägypten kommende Woche an.

Wie mein Vorredner sagte, was kann Europa tun? Es ist entscheidend, ein klares Signal für unsere Unterstützung dieser Länder zu diesem Zeitpunkt zu geben. Geografie und Geschichte machen Europa zum natürlichen Verbündeten der Länder im Mittelmeerraum. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um sie wissen zu lassen, wie wichtig sie für uns sind, wie radikal sie unsere Nachbarschaftspolitik verändert haben, und welch große Hoffnungen wir in diese neue Mittelmeerregion setzen, die von der Jugend Ägyptens und Tunesiens, zu unserer großen Überraschung und Ungläubigkeit, hervorgebracht worden ist.

Wir sollten diesen Wandel nun unterstützen, wie andere Rednerinnen und Redner bereits sagten. Vor allem sollten wir dies durch den Abbau der Unterdrückungsmaschinerie tun – wir dürfen nicht vergessen, dass die Diktatur fortbesteht, auch wenn der Diktator gegangen ist –, durch die Aufhebung des Ausnahmezustands und die Unterstützung pro-demokratischer Kräfte, damit Europa einen echten Beitrag zu diesem Prozess leisten kann, sodass die Demokratie sich wirklich festigen und eine neue Partnerschaft aufgebaut werden kann.

Was hier über die Notwendigkeit der Anpassung von Instrumenten gesagt wurde, ist keineswegs überflüssig. Die Wahrheit ist, dass eine Seite gelöscht wurde und wir jetzt eine neue öffnen.

 
  
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  Boris Zala (S&D). (SK) Herr Präsident! Aus dem Kontext der Ausführungen von Herrn Verhofstadt wird deutlich, dass es der demokratischen Opposition in Ägypten nicht gelungen ist, als geschlossene Kraft aufzutreten, die die revolutionären Kräfte der Straße repräsentiert. Es ist eine Sache, einen Diktator zu vertreiben, eine ganz andere jedoch, ein demokratisches Regime einzuführen.

Ein grundlegendes Merkmal der Revolutionen in Mitteleuropa 1989 war die Fähigkeit, sofort echte Organisationen zu schaffen, um die demokratischen, säkularen revolutionären Kräfte zu vertreten.

Hier gibt es Raum für Hilfe durch die Europäische Union. Dies ist möglicherweise wichtiger als finanzielle Unterstützung und andere Dinge. Diese werden zu einem späteren Zeitpunkt von Bedeutung sein.

Wer wird sich jetzt mit den Militärführern an einen Tisch setzen und wirkliche Verhandlungen führen? Wer wird in den Wahlen wirklich als Vertreter dieser demokratischen Kräfte hervortreten? Diese Frage ist nicht entschieden, und die Europäische Union kann hier unterstützend tätig werden. Wenn dies getan werden kann, brauchen wir nicht zu befürchten, dass Ägypten den Weg des Iran einschlagen wird, im Gegenteil, wir können sicher sein, dass Iran den Weg Ägyptens beschreiten wird.

(Der Redner erklärt sich damit einverstanden, auf eine „Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 der Geschäftsordnung zu antworten)

 
  
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  Richard Howitt (S&D). - Herr Präsident! Ich möchte meinem Freund Boris Zala sagen, dass ich sehr von den Ausführungen zu seinen persönlichen Erfahrungen in einer Revolution profitiert habe. Herr Zala, ich hätte gerne Ihre Meinung zu zwei Fragen in dieser Aussprache. Für die Menschen vor Ort, wenn sich das Ausland nicht für Demokratie einsetzt, wird der Extremismus dann nicht eher gefördert als aufgehalten? Wenn das Ausland sich für Demokratie einsetzt, wird dies als unangemessene Einmischung betrachtet? Ich würde dazu gerne Ihre Meinung hören.

 
  
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  Boris Zala (S&D). (SK) Vielen Dank für die Frage. Meines Erachtens verfügen wir nun über ausreichende Erfahrung mit Revolutionen gegen diktatorische Regime, um besorgt zu sein, dass wir uns durch unseren Rat in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen. 1989 wussten wir dies zweifellos und haben Gespräche mit zahlreichen Menschen aus dem Ausland geführt. Wir sollten auf unsere eigenen Erfahrungen aus der Vergangenheit vertrauen. Es gibt sehr viele Bereiche, zu denen wir diese Länder beraten können, und ich denke, wenn dieser Rat vernünftig ist, ist er akzeptabel.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE). - Herr Präsident! In Anbetracht der ungeheuren Bedeutung der Entwicklungen in Ägypten für die gesamte Region und die Beziehungen der Union mit diesem Teil der Welt ist es sehr wichtig, dass wir rechtzeitig unsere Aufmerksamkeit und Anteilnahme zeigen und eine proaktive statt einer reaktiven Rolle einnehmen.

Wenn eine Nation – die ägyptische oder eine andere – sich vereint, um ihr Recht auf Demokratie einzufordern, sollte die EU diesen Menschen ihre Hilfe anbieten, um ihren Traum in die Wirklichkeit umzusetzen.

Da die Verfassung außer Kraft gesetzt und das Parlament aufgelöst wurde und Präsidentschaftswahlen noch in diesem Jahr geplant sind, muss unbedingt gewährleistet werden, dass in diesem Land freie und faire Wahlen garantiert sind. Die Menschen werden ihr Recht auf freie Medien und Meinungsfreiheit ausüben.

Zugleich laufen wir Gefahr, wenn Wahlen durchgeführt werden, ohne dass das Fundament einer tiefen Demokratie gelegt ist, dass dann möglicherweise die Extremisten triumphieren werden.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE). – (CS) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich befürworte nachdrücklich alle Schritte, die von der Hohen Vertreterin unternommen werden, um Ägypten darin zu unterstützen, Demokratie und Wohlstand ohne weiteres Blutvergießen zu erreichen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir die Augen vor der zunehmenden Gewalt gegen koptische Christen durch radikale Moslems verschließen sollten. Ich stehe in Kontakt mit europäischen Bürgerinnen und Bürgern und Tschechinnen und Tschechen, die den Kopten helfen, dabei setzen sie jedoch buchstäblich ihr Leben aufs Spiel. Die Europäische Union muss die ägyptische Armee offen auffordern, durch die Bestrafung derer, die Christen verfolgen, ein Exempel zu statuieren. Zugleich sollte die Europäische Union den Kopten, die sich in Gefahr befinden, aktiv zur Seite stehen und sie vorübergehend in ein sicheres Land umsiedeln.

Ich fordere Sie auf, vorzuschlagen, dass der Rat befristete Schutzmaßnahmen gemäß Richtlinie 2001/55/EG initiiert, um das Leben der Kopten zu retten, bis Ägypten eine sicherere Heimat für sie ist. Herr Kommissar, können Sie dies tun?

 
  
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  Simon Busuttil (PPE).(MT) Herr Präsident! Wir werden von nun an drei Dinge benötigen. Erstens muss Ägypten während der Übergangsphase sofortige Unterstützung zuteilwerden, ebenso wie Tunesien, damit diese Länder auf eine vollwertige und stabile Demokratie hinarbeiten können. Zweitens benötigen wir einen langfristig angelegten Plan – den ich als einen Marshall-Plan bezeichne – für jedes Land, das, wie Tunesien und Ägypten, beabsichtigt, den Weg zur Demokratie einzuschlagen. Auf diese Weise können wir zeigen, dass wir denen, die sich für die Demokratie entscheiden, mit Rat und Tat zur Seite stehen – und beweisen, dass Demokratie die Vorstufe zum Erfolg ist.

Und drittens müssen wir unsere Mittelmeerpolitik vollständig überarbeiten. Wir müssen uns bewusst sein und eingestehen, dass dieser Politik die erforderliche Vision fehlte, um zu verstehen, was in den arabischen Ländern hätte geschehen können und was tatsächlich geschehen ist.

 
  
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  Ioan Mircea Paşcu (S&D). - Herr Präsident! Letztes Mal brachten einige von uns ihre Enttäuschung über den milden Ton unserer öffentlichen – ich wiederhole: öffentlichen – Erklärungen, nicht Aktivität, zu den Ereignissen in Ägypten vor Mubaraks Rücktritt zum Ausdruck. Natürlich befindet sich Lady Ashton in ihrer Position in einem Dilemma, aber wenn wir wollen, dass die Stimme der EU gehört wird, muss sie laut genug sein, um gehört zu werden.

Um auf Ägypten zurückzukommen, so erwarte ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen als Rumäne, dass die wirklichen Schwierigkeiten gerade erst beginnen. Der Rücktritt des früheren Präsidenten wird keineswegs ihre Probleme lösen, sondern vielmehr die Probleme, vor denen die ägyptische Gesellschaft steht, verkomplizieren und vervielfachen. Einige dieser Probleme, beispielsweise die Nichteinlösung des Versprechens des Militärs, in der angegebenen Zeit freie Wahlen zu organisieren, oder die Aufkündigung des Vertrags mit Israel, werden uns unmittelbar betreffen.

Dennoch bin ich ermutigt durch unsere Bereitschaft, durch ständigen Kontakt mit den lokalen Autoritäten zu versuchen, derartige Probleme frühzeitig zu erkennen und mit den am besten geeigneten Mitteln einzugreifen.

 
  
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  Alexandra Thein (ALDE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus Berlin, und die ganze Welt hat sich damals mit uns Berlinern gefreut, als die Grenze in unserer Stadt fiel und die Grenzen sich überall in Osteuropa öffneten. Jetzt, im Fall Ägyptens, haben wir zu spät, zu zurückhaltend und vor allem zu wenig emotional reagiert. Wo war unsere Freude? Jedes zweite Wort von uns war nur „Bewahrung der Stabilität“. Aber Freiheit ist das Wichtigste für jeden Menschen auf der Welt.

Gerade wir Deutschen wissen, wovon wir sprechen. Das, was wir in Ägypten hatten, war keine Stabilität, sondern es war Unterdrückung. Freiheit und Stabilität können jederzeit Hand in Hand gehen. Deshalb dürfen wir den Ägyptern nicht vorschreiben, wen sie zu wählen haben. Sofern die Wahlen fair und demokratisch ablaufen, müssen wir das Ergebnis anerkennen und dürfen uns nicht anmaßen – wie wir es damals in Palästina oder auch schon in Algerien getan haben –, zu urteilen, ob wir die Gewählten anerkennen oder nicht. Wir müssen die Wahl anerkennen.

 
  
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  Franziska Katharina Brantner (Verts/ALE). - Herr Präsident! Ich möchte Herrn Füle sagen, dass wir unbedingt auf einem Übergang zur Zivilregierung bestehen müssen und sicherstellen müssen, dass die aktuelle Militärregierung ihren Versprechen nachkommt.

Ich denke, es wurde nun ein Ausschuss eingesetzt, um eine neue Verfassung auszuarbeiten, es ist jedoch keine einzige Frau daran beteiligt. Das ist sehr schade, wenn wir bedenken, wie viele Frauen – junge Frauen – auf den Straßen waren, um dafür zu sorgen, dass dieser demokratische Wandel, diese Revolution, die gesamte Gesellschaft umfasst. Wir müssen sie daher unterstützen, wir müssen, wenn Sie dorthin reisen und wenn Baroness Ashton dorthin reist, eine Begegnung mit Frauen fordern: nicht nur mit denen, die man als „die üblichen Verdächtigen“ bezeichnen könnte, sondern auch mit denen, die an der Revolution beteiligt waren und deren Stimmen nicht so oft gehört werden.

Wir müssen darauf drängen, dass alle Inhaftierten freigelassen werden und dass die Gewalt, die verübt wurde, gerichtlich untersucht wird. Abschließend denke ich, dass Baroness Ashton recht hat: Dies ist eine Zeit, um in großen Maßstäben zu denken. Es geht um EU-Handel, um Visa, um Geld – und es geht um Mut.

 
  
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  Struan Stevenson (ECR). - Herr Präsident! Zu Beginn dieser Aussprache lobte der Kommissar den Mut der jungen Leute, die in Ägypten und Tunesien auf die Straße gegangen sind und den Aufstand ins Rollen gebracht haben.

Hunderttausende sind am Montag in Teheran und anderen Städten im Iran auf die Straße gegangen und wurden brutal niedergeschlagen. Sie wurden niedergeknüppelt. Ein junger Student wurde getötet. Andere wurden gefoltert und ins Gefängnis geworfen, wo sie zweifellos für ihren versuchten Aufstand gegen dieses faschistische Regime hingerichtet werden.

Warum sagen wir nie etwas, um sie zu ermutigen? Warum verhalten wir uns wie Kaninchen, die im Scheinwerferlicht gefangen sind, wenn es darum geht, sich mit den Mullahs in Teheran auseinanderzusetzen? Warum sagen wir nichts, um die brutale psychische Folter und Belagerung der 3 400 oppositionellen Iraner in Camp Ashraf zu verurteilen? Es ist an der Zeit, dass wir aktiv werden und zeigen, dass wir die iranische Opposition unterstützen.

 
  
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  Nikolaos Salavrakos (EFD).(EL) Herr Präsident! Die jüngsten Volksaufstände und all die anderen, die sich auf der afrikanischen Seite des Mittelmeers abzeichnen, sollten für uns Anlass zu großer Sorge sein. Wir müssen die Ursache dieser Aufstände ermitteln. Ist es Armut, Religion, Ungerechtigkeit, Korruption oder der Mangel an Demokratie und Freiheit? Was genau wollen diese Menschen, die sich gegen Regierungen auflehnen, die sie in den vergangenen 30 oder 40 Jahren als ihre Führung und Präsidenten gewählt haben?

Ich habe den Eindruck, dass wir hier in diesem Hohen Hause denken, wir sind das Ein und Alles einer vollwertigen Demokratie. Die erste Lösung, die wir vorschlagen, ist Geld. Sie hatten Geld, und ein paar gerissene Leute haben es sich eingesteckt. Wir müssen jedoch verstehen, dass das entscheidende Problem die geopolitische Instabilität ist, die Veränderungen, die sie in der Region bewirken kann, die Auswirkung auf die Reaktion des Volkes und die neuen Gleichgewichte, die entstehen werden.

 
  
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  Štefan Füle, Mitglied der Kommission. Herr Präsident! Ich danke den Damen und Herren Abgeordneten für ihre wertvollen Kommentare und Fragen. Ich habe die Möglichkeit zum Meinungsaustausch über die Ereignisse in Ägypten und die beste Reaktion darauf heute sehr geschätzt. Ich habe zahlreiche konstruktive Bemerkungen und Vorschläge gehört, und ich werde Ihre Botschaften an die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik weiterleiten.

Wir werden gemeinsam überlegen, wie wir am besten mit diesen Fragen umgehen, und wir werden sie im Zuge der Entwicklung unserer Antwort an Ägypten ganz oben auf der Liste der Prioritäten belassen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir durch das laufende Prüfverfahren die beiden wichtigen Elemente umfassend behandeln werden: erstens den Übergangs- und Reformbedarf der betreffenden Länder, aber zweitens auch die strategische Reflexion dieser gewaltigen und historischen Umwälzungen in unserer Nachbarschaft und unserer Nachbarschaftspolitik. Dieses Hohe Haus spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Die Ägypter haben ihre Fähigkeit, ihre Zukunft in die eigene Hand zu nehmen, unter Beweis gestellt. Sie fordern Demokratie, sie fordern sozioökonomische Reformen, und die Europäische Union muss in der Lage sein, dem demokratischen Reformprozess ihre volle Unterstützung zukommen zu lassen. Wie ich schon sagte, dies ist nur der Anfang, aber die Europäische Union ist voll und ganz bereit, die Forderungen, die von den Ägyptern selbst kommen, anzuhören und zu beantworten.

 
  
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  Seán Kelly (PPE). - Herr Präsident! Ich möchte Sie zu der Art und Weise, in der Sie das Catch-the-eye-Verfahren heute gehandhabt haben, beglückwünschen. Ich habe zum ersten Mal gehört, dass die Namen im Voraus aufgerufen wurden, wenn die Zahl der Redner begrenzt war, sodass andere Abgeordnete, die nicht das Wort ergreifen konnten, weiter ihrer Arbeit nachgehen konnten. Ich habe in dieser Aussprache nicht die Aufnahme in das Catch-the-eye-Verfahren beantragt, aber ich habe zur Kenntnis genommen, was Sie getan haben, und ich hoffe, andere Vorsitzende werden es Ihnen gleichtun.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Mariya Nedelcheva (PPE), schriftlich.(FR) Die ägyptischen Behörden haben Pläne zur Überarbeitung der Verfassung ihres Landes erstellt. Ein Gruppe von Juristen wurde informiert und hat zehn Tage Zeit, um ihre Änderungsvorschläge vorzulegen. Das sind sehr gute Nachrichten. Die kontroversesten Artikel, vor allem in Bezug auf die unbeschränkte Anzahl von Amtszeiten der Präsidenten, die restriktive Zulassung von Kandidaturen für die Präsidentschaftswahlen, die Methoden zur Überwachung der Wahlen und die begrenzt mögliche Anfechtung von Wahlergebnissen der Parlamentswahlen bedürfen einer Überarbeitung. Der Übergang zur Demokratie wurde somit eingeleitet. Die Änderung der Verfassung ist jedoch nicht das einzige Thema, das angegangen werden muss. Wirtschaftliches Wohlergehen und sozialer Zusammenhalt sind für die Emanzipation eines Volkes und für ein intaktes Land grundlegende Voraussetzungen. Im Zuge dieser Veränderungen kann die Europäische Union ihrerseits nicht daneben stehen und nichts tun. Nachdem sie den Übergang zur Demokratie begrüßt hat, muss Baroness Ashton die Partnerschaftsabkommen erweitern und sich vorrangig der Rechtsstaatlichkeit, der Gerechtigkeit und den Menschenrechten widmen. Diese Werte dürfen nicht unter dem Vorwand der Stabilisierung unserer Beziehungen in Vergessenheit geraten.

 
  
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  John Attard-Montalto (S&D), schriftlich. Die Rolle der EU muss angesichts der Unruhen, die wir allgemein in vielen arabischen Ländern und insbesondere in Ägypten erleben, unbedingt festgelegt werden. Die Turbulenzen kamen für alle überraschend, und es scheint nicht so, als gäbe es für ein solches Ereignis, das nicht lokal auftritt, sondern weite Kreise zieht, irgendeinen Notfallplan. Der gesellschaftspolitische Auslöser des Wandels in der arabischen Welt unterscheidet sich nicht wesentlich von den Ländern, die derzeit einen Übergang erleben, der hoffentlich in einem demokratischen Umfeld münden wird.

Baroness Ashton hat erklärt, dass die EU eine „demokratische Pflicht“ habe, die Stimme des Volkes zu hören, das einen Wandel fordert – und wir werden Zeuge einer Welt im Wandel, denn die Ereignisse in den arabischen Ländern werden politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf die ganze Welt haben. Ein ganz wichtiges Thema ist die Sicherheit und Stabilität, und hier besteht zweifellos eine „demokratische Pflicht“ den Ländern gegenüber, die am meisten als Verbündete solcher Länder angesehen werden, die derzeit ein demokratisches Regierungssystem haben. Zu diesem Zeitpunkt ist nicht sicher, wohin der demokratische Übergangsprozess führen wird, oder welche Position traditionelle Demokratien, vor allem die EU, einnehmen werden.

 
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