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Verfahren : 2010/2102(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A7-0027/2011

Eingereichte Texte :

A7-0027/2011

Aussprachen :

PV 07/03/2011 - 25
CRE 07/03/2011 - 25

Abstimmungen :

PV 08/03/2011 - 9.8
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2011)0082

Ausführliche Sitzungsberichte
Montag, 7. März 2011 - Straßburg Ausgabe im ABl.

25. Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich (kurze Darstellung)
Video der Beiträge
Protokoll
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  Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Frau Joly, im Namen des Entwicklungsausschusses, über Steuerwesen und Entwicklung – Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich (2010/2101(INI)) (A7-0027/2011).

 
  
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  Eva Joly, Berichterstatterin.(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, mit einiger Zufriedenheit stelle ich Ihnen heute Abend diesen Bericht über Steuerwesen und Entwicklung vor.

Er stellt eine wichtige Phase in einem Kampf dar, der vor langer Zeit begann und den ich jetzt im Europäischen Parlament fortführe. Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen im Entwicklungsausschuss danken, mit denen die Zusammenarbeit äußerst produktiv gewesen ist. Ich hoffe, dass sie bei den morgigen Abstimmungen Bestätigung findet.

Entwicklungsländer sind von der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie von den steigenden Preisen landwirtschaftlicher Materialien sehr schwer betroffen und brauchen jetzt mehr denn je substanzielle neue Finanzierungsquellen. Inmitten dieses Kontextes der globalen Krise sind Steuereinnahmen, die älteste Quelle der Entwicklungsfinanzierung, ein wichtiges Thema und eine echte Herausforderung.

Effektive Steuersysteme dienen nicht nur der Finanzierung wichtiger öffentlicher Dienstleistungen. Durch die Förderung der transparenten, verantwortungsvollen Verwendung von Staatseinnahmen sind sie auch eines der Fundamente einer verantwortungsvollen Demokratie. Die Förderung gerechter, progressiver und transparenter Steuern sollte keineswegs zur Abschaffung oder Verringerung der öffentlichen Entwicklungshilfe führen. Sie sollte nicht als weiterer Vorwand für Mitgliedstaaten dienen, die zunehmend geneigt sind, den Anteil ihres BIP, der der öffentlichen Entwicklungshilfe gewidmet ist, zu verringern.

Obwohl die öffentliche Entwicklungshilfe unvollkommen sein und viel Verbesserungspotenzial haben mag, ist sie für die von der Wirtschafts- und Klimakrise schwer betroffenen Länder nicht weniger entscheidend. Daher geht es nicht darum, die Hilfe zu ersetzen, sondern sie auf die Entwicklung effektiver Steuersysteme umzuleiten, zu denen multinationale Unternehmen auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Gewinne beitragen müssen. Auf diese Weise werden arme Länder in der Lage sein, ihre Entwicklung wieder selbst in die Hand zu nehmen, Armut zu verringern und den durch die Liberalisierung der Märkte verursachten Verlust an Zolleinnahmen auszugleichen, sodass sie langfristig ohne ausländische Hilfe auskommen können.

Die Länder des Südens sind allerdings nicht nur Opfer ihrer eigenen ineffektiven Steuersysteme. Sie sind auch Opfer des durch die Bretton-Woods-Institutionen auferlegten Steuerdumpings, der Kosten der illegalen Kapitalflucht und von Steueroasen. Sie erleiden jährlich kolossale Steuereinnahmeverluste, die auf mehr als das Zehnfache der Hilfe geschätzt werden, die sie von reichen Ländern erhalten.

Dieser Bericht hebt diese Tatsache hervor. Was die OECD-Leitlinien betrifft, so sind diese bei Weitem nicht angemessen und stellen sogar eine Gefahr dar. Sie lassen zu, dass nicht kooperative Rechtsordnungen aus den grauen Listen entfernt werden, indem einfach Kooperationsabkommen ohne Auferlegung eines automatischen Austauschs von Informationen unterzeichnet werden, schaffen damit die Illusion, dass Steueroasen legitim sind, und verleihen einem System Glaubwürdigkeit, das den öffentlichen Finanzen im Norden und Süden gleichermaßen schadet.

Die Abschaffung von Steueroasen ist ein entscheidender Schritt in Richtung der Entwicklung dieser Länder, und die Europäische Union muss dies zur absoluten Priorität machen. Die EU muss ihre Verantwortung wahrnehmen, so wie die Vereinigten Staaten dies getan haben, und klare, verbindliche Rechtsvorschriften hervorbringen, zusammen mit wirklichen Sanktionsmechanismen, um Steueroasen, die für die Entwicklung armer Länder wie Massenvernichtungswaffen sind, abzuschaffen. Die EU muss die Manipulation der Gewinne und Verrechnungspreise durch Unternehmen, vor allem europäische Unternehmen, verhindern, die nachteilige Steuersysteme sowohl zu ihrem Vorteil nutzen als auch missbrauchen. Sie muss einen transparenten, verbindlichen internationalen Mechanismus einführen, der es allen multinationalen Unternehmen auferlegt, vor allem denen in der Rohstoffindustrie, ihre in den jeweiligen Ländern ihrer Tätigkeit erzielten Gewinne und gezahlten Steuern automatisch zu deklarieren.

Dies ist ein entscheidender erster Schritt, um diejenigen aufzuhalten, die durch das Elend der südlichen Länder reich werden. Dies ist auch ein entscheidender Schritt hin zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Europäischen Union.

 
  
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  Elena Băsescu (PPE).(RO) Herr Präsident, vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise ist die Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich sowohl auf EU-Ebene als auch außerhalb der EU eine Notwendigkeit. Ich möchte darauf hinweisen, dass jeder Staat selbst dafür verantwortlich ist, über seine Steuerpolitik zu entscheiden. In diesem Zusammenhang muss die Errichtung von Hindernissen vermieden und die Zusammenarbeit zwischen Ländern gefördert werden.

Die Bekämpfung von Steueroasen ist eine wichtige Priorität. Sie tragen zur Minderung der Qualität des politischen Systems in den Entwicklungsländern bei. Sie fördern außerdem die Wirtschaftskriminalität und machen sie profitabler. Dies wiederum verstärkt die ungerechte Verteilung von Steuereinnahmen. Eine weitere Maßnahme beinhaltet den verstärkten Informationsaustausch zwischen allen Mitgliedstaaten. Gleichzeitig ist eine größere Beteiligung der Entwicklungsländer an einschlägigen internationalen Foren notwendig.

 
  
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  Franziska Keller (Verts/ALE). – Herr Präsident, das Thema der Steuern und Besteuerung ist äußerst wichtig, wenn wir über Entwicklungspolitiken sprechen. Dies ist ein entscheidendes Thema für die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung, weil wir ohne ein angemessenes Steuersystem, ohne angemessene Strategien in Bezug auf Steueroasen, in unseren Entwicklungspolitiken niemals kohärent sein werden, und im Moment sind wir dies nicht. Ich begrüße diesen Bericht daher sehr und hoffe, dass Sie, die Abgeordneten dieses Hauses, ihn morgen nicht verwässern werden.

Wir müssen die Mitteilung der Kommission ergänzen, die gravierende Mängel aufweist, beispielsweise weil Probleme innerhalb der OECD und die Auswirkungen des Steuerwettbewerbs auf Steuereinnahmen nicht behandelt werden. Wenn wir den Vertrag von Lissabon einhalten möchten, wenn unsere Entwicklungspolitiken kohärent sein sollen, müssen wir jetzt handeln, und ich bitte Sie, diesen Bericht in vollem Umfang zu unterstützen.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT)Herr Präsident, während die Zusammenarbeit im Steuerbereich wichtig und notwendig ist, sollten wir nicht die Tatsache ignorieren, dass Steuerpolitik ein wichtiges Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist, deren Definition von offensichtlichen politischen Kriterien und Bewertungen beeinflusst wird. Daher steht es der Europäischen Union nicht zu, sogenanntes „verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich“ zu exportieren, wie die Berichterstatterin sehr richtig erwähnt. Die Souveränität, Entscheidungen und Optionen der Entwicklungsländer müssen in vollem Umfang geachtet werden, bei gleichzeitiger Beachtung ihrer spezifischen Situation und Umstände.

Ich habe zwei Anmerkungen zu zwei aktuellen Themen. Erstens die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die wir den Entwicklungsländern trotz ihres Widerstandes auferlegen, und die, nebst Verursachung anderer schwerer Schäden, die Steuersysteme dieser Länder stark beeinträchtigen. Zweitens die Steueroasen, die es weiterhin gibt und die dem Bericht zufolge jährlich zu Einnahmeverlusten in Höhe von 800 Mrd. EUR führen. Diese zwei Beispiele sind Paradigmen für die Inkonsistenz der Strategien der Europäischen Union hinsichtlich der von ihr erklärten Ziele der Entwicklungszusammenarbeit.-

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, im Namen der Kommission möchte ich dem Europäischen Parlament und insbesondere dem Entwicklungsausschuss für diesen Bericht danken.

Ich stelle mit Freude fest, dass der Bericht von Frau Eva Joly die Botschaft der Mitteilung der Kommission über Steuerwesen und Entwicklung hervorhebt und ihr zusätzliche Stärke verleiht. Er legt außerdem sehr ehrgeizige Ziele fest und bietet der Europäischen Union starke Leitlinien zur verstärkten Mobilisierung von Einnahmen in den Entwicklungsländern. Die Mobilisierung von Eigenmitteln ist für ein nachhaltiges Wachstum, die Verringerung der Armut, ein verantwortungsvolles Handeln und die Bereitstellung öffentlicher Güter von zentraler Bedeutung, die zum Erreichen der Millennium-Entwicklungsziele notwendig sind. Wir müssen Synergien zwischen der Steuer- und Entwicklungspolitik verbessern und den Entwicklungsländern beim Aufbau besserer Steuersysteme und -verwaltungen helfen.

Wir stehen vor einem ernsten Problem. Mich persönlich haben die von Ihnen genannten Zahlen beeindruckt, dass die illegalen Kapitalabflüsse sich auf etwa das Zehnfache der Hilfsgelder belaufen, die an die Entwicklungsländer gehen. Dies ist wirklich erstaunlich.

Wir müssen deshalb gleichzeitig auf zwei sich ergänzenden Ebenen arbeiten. Wir müssen erstens effektive nationale Steuersysteme unterstützen und zweitens auf ein von Transparenz, Kooperationsbereitschaft und Gerechtigkeit geprägtes internationales Steuerumfeld hinarbeiten, um den Entwicklungsländern zu helfen, Steuerhinterziehung und schädlichen Steuerwettbewerb zu bekämpfen.

Ihr Bericht fordert die Kommission auf, erstens die Auswirkungen der Handelsliberalisierung besser zu berücksichtigen und zweitens sich bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und schädlichem Steuerwettbewerb nicht auf die OECD-Leitlinien zu beschränken. Ich möchte auf diese Herausforderungen Bezug nehmen.

Betreffend die erste Angelegenheit kann ich Ihnen versichern, dass wir voll und ganz entschlossen sind, einen erfolgreichen steuerlichen Wandel zu fördern, und zwar durch stärkere Unterstützung des Kapazitätsaufbaus, bedarfsorientierte regionale und internationale Initiativen für den Kapazitätsausbau und bessere Koordinierung der Geber auf EU-Ebene und internationaler Ebene.

Betreffend die zweite Angelegenheit betrachtet die Kommission Steuerhinterziehung und schädlichen Steuerwettbewerb als wesentliche Hindernisse für die Mobilisierung von Eigenmitteln. Deshalb helfen wir den Entwicklungsländern, Kapazitäten zu entwickeln, um diese Herausforderungen anzugehen, und fördern außerdem eine bessere internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich.

Seit der Annahme unserer Mitteilung ist bereits viel Arbeit geleistet worden. Die finanzielle Unterstützung durch das Parlament hat konkrete Maßnahmen ermöglicht. Ihre Mittelzuweisung für 2010 in Höhe von 708 000 EUR hat uns die Finanzierung einer Reihe wichtiger Aktivitäten ermöglicht, um verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich zu fördern. Diese Aktivitäten umfassen technische Seminare des Afrikanischen Steuerverwaltungsforums (African Tax Administration Forum), die Unterstützung der Rohstoffindustrie, Transparenzinitiativen und die Finanzierung einer Nebenveranstaltung bei den Vereinten Nationen über die Mobilisierung von Eigenmitteln. Wir werden außerdem technische Unterstützung zur Umsetzung von Abkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen bieten.

Darüber hinaus bereitet die Kommission eine Mitteilung vor, um die Machbarkeit der Einführung einer nach Ländern untergliederten Rechnungslegungspflicht in EU-Rechtsvorschriften zu bewerten. Wir hatten eine öffentliche Konsultation, die im letzten Januar endete, und wir werden jetzt mit einer Folgenabschätzung über dieses wichtige Thema fortfahren. Dies könnte den Entwicklungsländern helfen, Steuerhinterziehung effektiver zu bekämpfen.

Ich möchte dem Parlament für seine Unterstützung und sein Engagement bezüglich dieser Themen aufrichtig danken. Ich bin überzeugt davon, dass viele Fortschritte erzielt werden können, um verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich zu stärken, und ich stelle erfreut fest, dass diese Themen auch in die Agenda der G20 und G8 aufgenommen worden sind.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 8. März, mittags statt.

 
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