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Ausführliche Sitzungsberichte
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Montag, 7. März 2011 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
 2. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 3. Wiederherstellung der Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht – Solidarität mit den tschechischen Bürgerinnen und Bürgern aufgrund deren ungleicher Lage nach der einseitigen Einführung der Visumpflicht durch Kanada (schriftliche Erklärung): siehe Protokoll
 4. Erklärungen des Präsidenten
 5. Tagungskalender des Parlaments – 2012: siehe Protokoll
 6. Tagungskalender des Parlaments – 2013: siehe Protokoll
 7. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll
 8. Unterzeichnung von gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommenen Rechtsakten: siehe Protokoll
 9. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
 10. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
 11. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll
 12. Hinfällige schriftliche Erklärungen: siehe Protokoll
 13. Petitionen: siehe Protokoll
 14. Mittelübertragungen: siehe Protokoll
 15. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 16. Arbeitsplan: siehe Protokoll
 17. Innovative Finanzierung auf globaler und europäischer Ebene (Aussprache)
 18. Übereinkommensgebiet der GFCM (Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer) (Aussprache)
 19. Partnerschaftliches Fischereiabkommen EU/Mauretanien (Aussprache)
 20. EU-Strategie für die Atlantikregion (Aussprache)
 21. Ausführungen von einer Minute (Artikel 150 GO)
 22. Allgemeine Produktsicherheit und Marktüberwachung (kurze Darstellung)
 23. Umgang mit der H1N1-Grippe (kurze Darstellung)
 24. Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der EU (kurze Darstellung)
 25. Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich (kurze Darstellung)
 26. Landwirtschaft und internationaler Handel (kurze Darstellung)
 27. Das Proteindefizit in der EU (kurze Darstellung)
 28. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 29. Schluss der Sitzung
 30. Schließung der jährlichen Sitzungsperiode


  

VORSITZ: JERZY BUZEK
Präsident

(Die Sitzung wird um 17:00 Uhr eröffnet.)

 
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
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  Der Präsident. – Ich erkläre die am Donnerstag, dem 17. Februar 2011 unterbrochene Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für wieder aufgenommen.

 

2. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
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3. Wiederherstellung der Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht – Solidarität mit den tschechischen Bürgerinnen und Bürgern aufgrund deren ungleicher Lage nach der einseitigen Einführung der Visumpflicht durch Kanada (schriftliche Erklärung): siehe Protokoll
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4. Erklärungen des Präsidenten
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  Der Präsident. – Zunächst möchte ich Ihnen drei Nachrichten übermitteln.

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass die schriftliche Erklärung 89/2010 die erforderliche Anzahl an Unterschriften erhalten hat. Die Erklärung wurde nun infolgedessen vom Europäischen Parlament angenommen. Sie betrifft die einseitige Einführung der Visumpflicht durch Kanada für tschechische Bürgerinnen und Bürger. Das Europäische Parlament erwartet, dass die Kommission und der Rat Sofortmaßnahmen im Hinblick auf Kanadas Entscheidung ergreifen, um die Visumpflicht für Bürgerinnen und Bürger der Tschechischen Republik zurückzuziehen. Wir erwarten auch mehr Entschlossenheit vonseiten des Rates und der Kommission bei den jeweiligen Maßnahmen. Wir fühlen uns mit den Bürgerinnen und Bürgern der Tschechischen Republik vollkommen solidarisch, da diese als Mitglieder der Europäischen Union ohne Visa nach Kanada reisen können sollten.

Die zweite Nachricht: Am Freitag, den 11. März, also in vier Tagen, werden wir zum siebten Mal den Europäischen Tag der Opfer des Terrorismus begehen. An diesem Tag wurden im Jahr 2004 in Madrid beinahe 200 Menschen durch Bombenanschläge getötet; 16 Monate später wurden 52 Menschen in London durch Anschläge getötet. Terrorismus ist ein Angriff auf die Grundfeste der Demokratie. Für Terrorismus gibt es keine Entschuldigung, und es wird keinem Anschlag oder Terroristen je gelingen, den Geist der europäischen Solidarität oder den Geist der europäischen Demokratie zu schwächen.

Die dritte Nachricht: Wir waren nach Erhalt der Nachricht über die Hinrichtung von fünf Menschen am Freitag in Taiwan äußerst betroffen. Die Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 2010 war eine de facto Aufhebung des seit dem Jahr 2006 bestehenden Moratoriums. Seit langem verurteilt die Europäische Union und besonders das Europäische Parlament die Vollstreckung der Todesstrafe weltweit. Ich fordere die taiwanesischen Regierungsstellen dazu auf, ein Moratorium für die Vollstreckung dieser unmenschlichen Bestrafung zu verhängen, und sie in Zukunft aus ihrem Strafgesetzbuch zu entfernen.

 

5. Tagungskalender des Parlaments – 2012: siehe Protokoll
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6. Tagungskalender des Parlaments – 2013: siehe Protokoll
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7. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll
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8. Unterzeichnung von gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommenen Rechtsakten: siehe Protokoll
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9. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll

10. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll

11. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll

12. Hinfällige schriftliche Erklärungen: siehe Protokoll

13. Petitionen: siehe Protokoll

14. Mittelübertragungen: siehe Protokoll

15. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

16. Arbeitsplan: siehe Protokoll
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  Jean-Pierre Audy (PPE).(FR) Herr Präsident, ich möchte mich zu Artikel 16 des Vertrags über die Europäische Union äußern. In dieser Woche wurde auf Initiative des französischen Staatsoberhauptes, Nicolas Sarkozy, der dadurch seinen starken Gemeinschaftsgeist gezeigt hat, ein Vorschlag für eine außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates vorgebracht, die diesen Freitag stattfinden sollte.

Unter gewöhnlichen Umständen ist der Rat Allgemeine Angelegenheiten, gemäß den Verträgen, für die Vorbereitung der Tagungen des Europäischen Rates verantwortlich. Allerdings habe ich auf der Tagesordnung für diese Woche kein Treffen des Rates Allgemeine Angelegenheiten zur Vorbereitung dieser außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates gesehen. Ich finde, dass in einer Zeit, in der schwerwiegende demokratische Änderungen stattfinden, die europäischen Bürgerinnen und Bürger mit ihren Staatsoberhäuptern in die Entscheidungen eingebunden sein sollten, die Europa im Zusammenhang mit diesen wichtigen Anliegen trifft.

 
  
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  Der Präsident. – Ich danke Ihnen für Ihre Bemerkung. Ich werde Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen lassen.

 

17. Innovative Finanzierung auf globaler und europäischer Ebene (Aussprache)
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  Der Präsident. – Der nächste Punkt der Tagesordnung ist der Bericht von Frau Podimata im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung zum Bericht über innovative Finanzierung auf globaler und europäischer Ebene (2010/2105(INI)) (A7-0036/2011).

 
  
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  Anni Podimata, Berichterstatterin.(EL) Herr Präsident, gestatten Sie mir zuerst, mich bei den Schattenberichterstattern, dem Generalsekretariat des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie bei den Vorsitzenden der politischen Gruppierungen für deren konstruktive Beiträge zu den Debatten und den Anstrengungen zu bedanken, damit eine Einigung zu diesem sehr wichtigen Bericht erzielt werden kann.

Der Initiativbericht des Europäischen Parlaments zu innovativer Finanzierung hätte nicht zu einem besseren Zeitpunkt kommen können. Wie uns allen bekannt ist, wird jeder durch die Krise auf den Prüfstand gestellt, speziell der Euroraum, wo die Krise zu schweren Kürzungen an Ressourcen im öffentlichen Sektor, weitreichenden Sparprogrammen und zu einer Haushaltskonsolidierung in den meisten Mitgliedstaaten geführt hat. Gleichzeitig übt die Krise massiven Druck auf den Haushaltsplan der EU aus, was sich erst vor kurzem in der Debatte über den neuen Finanzrahmen gezeigt hat.

Wie beschrieben wurde, hat diese Situation zu einer grundlegenden, allgemein akzeptierten Schlussfolgerung geführt. Die Bürgerinnen und Bürger Europas tragen die Hauptlast der Krise durch Gehaltskürzungen, Arbeitslosigkeit, Unsicherheit ihre Arbeitsstellen betreffend und die Kürzung ihrer sozialen Rechte.

Die zweite grundlegende und allgemein akzeptierte Schlussfolgerung aus dieser Situation ist, dass Europa und die Mitgliedstaaten dringend neue Ressourcen benötigen, die schnellstens die Erholung und das Wachstum der europäischen Wirtschaft unterstützen sollen; dieses Mal allerdings in einer ausgewogenen Art, die Ungleichheiten und Abweichungen beschränkt. Es ist dies der einzige Weg, um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie Europa 2020 zu schaffen, und es ist der einzige Weg, der es uns ermöglicht, über einen realen, richtigen und starken Binnenmarkt zu sprechen, von dem die Bürgerinnen und Bürger profitieren.

Wir benötigen daher neue Ressourcen und wir stimmen dem, was ausdrücklich im Bericht festgelegt wurde, zu. Ich zitiere: „An increase in the rates and scope of existing taxation tools and further cuts in public expenditure can be neither a sufficient nor a sustainable solution to address the main challenges ahead at European and global level" (eine Erhöhung der Raten und des Umfangs bestehender Besteuerungsinstrumente sowie weitere Kürzungen bei öffentlichen Ausgaben können weder eine ausreichende noch nachhaltige Lösung sein, um sich mit den wichtigsten, künftigen Herausforderungen auf europäischer und globaler Ebene auseinanderzusetzen).

Innovative Finanzierung kann angesichts dieser Herausforderungen eine Schlüsselrolle spielen, weil sie enorm dazu beitragen kann, Ressourcen für nationale Haushaltspläne und für den Haushaltsplan der EU zu schaffen. Allerdings ist dies nicht der einzige Vorteil innovativer Finanzierung: Innovative Finanzierung bedeutet nicht einfach, neue Ressourcen zu finden; es ist für uns ebenso wichtig, den Weg zu graduellen Änderungen des aktuellen Steuermodells, unter dem die Hauptlast der Abgaben und der Finanzierung der Wirtschaft im Allgemeinen traditionell der Arbeit, den Unternehmen und produktiven Investitionen zufällt, aufzubereiten.

Der beachtliche Mehrwert durch innovative Finanzierung, die Doppeldividende, schafft nicht nur Einnahmen, sondern kann auch eine wichtige Regulierungsfunktion übernehmen: sie kann als Abschreckung schädlicher Praktiken dienen und im Finanz- sowie Naturschutzsektor eine Begleitfunktion erfüllen.

Der Bericht umfasst vier grundlegende Kapitel: Besteuerung des Finanzsektors, Euroanleihen und europäische Projektanleihen, CO2-Steuer und Entwicklungsfinanzierung.

Was die Besteuerung des Finanzsektors betrifft, sind wir erneut von einer grundlegenden und allgemein akzeptierten Prämisse ausgegangen: dass, obwohl der Finanzsektor im Grunde für die Krise verantwortlich war, obwohl der Finanzsektor in der Vergangenheit und nun weiterhin, trotz der Krise, maßlose Gewinne erwirtschaftet, nicht ausreichend besteuert ist, weil er beinahe überall vom Mehrwertsteuersystem freigestellt ist.

Eine andere allgemein akzeptierte Prämisse, die einfach auf den Zahlen und Daten beruht, die beweisen, wie der Umfang an finanziellen Transaktionen im letzten Jahrzehnt zugenommen hat, ist die beträchtliche und immer stärker zunehmende Abweichung von der grundlegenden Rolle des Finanzsektors, nämlich der Finanzierung der Realwirtschaft.

Diese beiden Annahmen sind vom Parlament und der Europäischen Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung zur Besteuerung des Finanzsektors akzeptiert worden.

Wir sind also hier mit himmelschreiender Ungerechtigkeit konfrontiert, die durch eine überzeugende Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger Europas behoben werden muss. Es muss eine Botschaft sein, die beweist, dass wir von der Krise gelernt haben, dass wir uns um eine gerechtere Aufteilung der Lasten bemühen, und dass wir entschlossen sind, jede notwendige Maßnahme auf globaler wie auf europäischer Ebene zu ergreifen, die den Finanzsektor zu seiner grundlegenden Rolle zurückbringt, nämlich zur Finanzierung der Realwirtschaft.

Es besteht ein allgemeiner Konsens, dass der beste Steuermechanismus für die Umsetzung dieser Ziele eine Steuer auf Finanztransaktionen ist. Eine derartige Steuer würde sich nach Quantität, Häufigkeit und letztendlich Qualität richten, womit wir den Mehrwert der Transaktion selbst meinen. Wir haben alle in Absatz 13 zugestimmt, dass „die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einen Beitrag dazu leisten könnte, die äußerst schädlichen Handelsgepflogenheiten in Finanzmärkten wie etwa manche kurzfristige Termingeschäfte und automatisierte HFT in den Griff zu bekommen und der Spekulation Grenzen zu setzen“.

Es ist offensichtlich, dass es für uns alle die erste Wahl ist, dass diese Steuer auf globaler Ebene angenommen wird. Allerdings ist es ebenso offensichtlich, ungeachtet der anfänglichen ehrgeizigen Erklärungen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine globale Vereinbarung anstatt zunimmt, konstant abnimmt.

Die Frage, die sich daher stellt, ist, was werden wir in Europa tun? Werden wir uns hinter der fehlenden globalen Vereinbarung verstecken? Ist das genug, und viel wichtiger, wird es die Bürgerinnen und Bürger, die die Lasten dieser Krise tragen, überzeugen? Obwohl es nicht einfach sein wird, auf europäischer Ebene eine Finanztransaktionssteuer anzunehmen, weil ein einstimmiger Entscheid durch den Rat, als die einzige europäische, direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Institution, schwer zu erzielen ist, hat das Europäische Parlament dennoch die Pflicht, dahingehend eine deutliche politische Botschaft zu übermitteln. Es ist unsere Aufgabe, und nicht die der Europäischen Kommission, eine starke politische Botschaft zu übermitteln.

(Beifall)

 
  
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  Algirdas Šemeta, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte mich beim Ausschuss für Wirtschaft und Währung und beim Entwicklungsausschuss sowie, ganz besonders, bei Anni Podimata für ihren Bericht zu innovativer Finanzierung auf globaler und europäischer Ebene bedanken.

Ich hatte bereits mehrmals die Möglichkeit, mit Ihnen zu besprechen, wie Banken die Kosten für die Krise bezahlen können. Wie Sie wissen, bereitet die Kommission eine detaillierte Folgenabschätzung über Steuerinstrumente des Finanzsektors vor, die im Sommer 2011 vorgelegt werden soll.

Das ermöglicht der Kommission, geeignete Vorschläge zu Strategiemaßnahmen vorzulegen. Außerdem prüfen wir die kumulative Wirkung neuer Verordnungen, Bankabgaben und -steuern auf Finanzinstitutionen und werden die Ergebnisse später in diesem Jahr vorlegen. Ich würde vorschlagen, auf die Ergebnisse der Folgenabschätzung zu warten, bevor zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene eine endgültige Position bezogen wird.

Was die CO2-Abgabe betrifft, finde ich auch, dass sich das aktuelle Steuermodell nicht dem Verursacherprinzip anschließt. Ich begrüße die Unterstützung des Europäischen Parlaments zur Stärkung des Emissionshandelssystems sowie zur umfassenden Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie, die CO2-Emissionen und Energieinhalt zu grundlegenden Kriterien für die Besteuerung von Energieprodukten erklärt. Ein Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie ist für Frühjahr 2011 geplant.

Ich verstehe auch Ihre Sorgen hinsichtlich des potenziellen Risikos von Verlagerung von CO2-Emissionen. Im Rahmen des Emissionshandelssystems begünstigt die Kommission vorübergehend die freie Zuteilung kostenloser Zertifikate sowie den Zugriff auf internationale Kredite von Unternehmensseite. Wir werden dennoch weiterhin das aktuelle und künftige Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen überwachen. Ich bin davon überzeugt, dass eine Lösung, die der freien Zuteilung unter dem Emissionshandelssystem ähnelt, in die Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie aufgenommen werden kann.

Schließlich erkennt die Kommission an, dass, je nach deren präzisen Modalitäten, die gemeinsame Ausgabe von Euroanleihen der Effizienz des Anleihenmarktes sowie der Integration und Unterstützung des Euro als internationaler Währung zugutekommen könnte. Allerdings erfordert dieses Instrument weitere Analysen und Diskussionen auf technischer und politischer Ebene; vor allem müssen die Begleiterscheinungen des moralischen Risikos für die Mitgliedstaaten genauer untersucht werden.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu, Berichterstatter der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie.(RO) Herr Präsident, die Erreichung der europäischen Ziele für nachhaltige Entwicklung, Sicherheit der Energieversorgung und Klimawandel erfordern ein maßgebliches finanzielles Engagement, besonders hinsichtlich Innovation und Forschung. Darüber hinaus müssen neue Wege gefunden werden, die bestehende Finanzierung zu ergänzen. In diesem Zusammenhang muss die Kommission die Durchführbarkeit der Einführung einer CO2-Abgabe erwägen, die, ähnlich wie die Mehrwertsteuer, bei jedem Produkt auf dem Binnenmarkt zum Tragen kommt. Es ist allerdings sehr wichtig, die Möglichkeit auszuschalten, diese Kosten den Konsumenten anzulasten sowie die Risiken der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Industrien auf dem Binnenmarkt zu analysieren.

Die Effizienz der Verwendung von Strukturfonds und von Fonds der Europäischen Investitionsbank muss verbessert werden; das gilt ebenso für die Koordinierung von EU-Fonds, nationalen Fonds und anderen Unterstützungsformen, die als Hebel zur Stimulation von Investitionen in energieeffiziente Maßnahmen dienen können. Adäquate Investitionen in Energieversorgung und -effizienz reduzieren die Abhängigkeit von Marktvolatilität und beeinflussen die EU-Wirtschaft positiv.

Die Kommission sollte so bald wie möglich eine Folgenabschätzungsstudie zur Besteuerung finanzieller Transaktionen auf globaler und auf EU-Ebene vornehmen. Damit können die Wirkung sowie die wirtschaftlichen Vorteile untersucht werden, die durch eine Reduktion des Umfangs spekulativer Finanztransaktionen geschaffen werden, die zurzeit schwere Marktstörungen verursachen. Die Studie sollte die Frage analysieren, ob die Besteuerung des Finanzsektors in der EU tatsächlich eine Quelle für die eigenen Ressourcen der Union darstellen kann und sie soll spezifische Vorschläge beinhalten, wie diese Steuer einzuführen sei.

 
  
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  Jean-Paul Gauzès, im Namen der PPE-Fraktion.(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, zu Beginn möchte ich zwei Bemerkungen zur Form machen: Der Berichterstatter hat eben alle erwähnt, die zu diesem Bericht beigetragen haben. Diese Arbeit war tatsächlich wahre Teamarbeit, in der insbesondere unser Fraktionsmitglied, Frau Hübner, als Schattenberichterstatterin beteiligt war. Dennoch habe ich erfahren, dass die sozialistische Fraktion eine andere Entschließung eingereicht hat, was bedeutet, dass über ein Dokument, das nicht besprochen wurde, zuerst abgestimmt werden soll.

Meine zweite politische Bemerkung – ich mache solche Bemerkungen gewöhnlich nicht – ist, dass wir hier eine künstliche Opposition schaffen, besonders was die Finanztransaktionssteuer betrifft. Die Position unserer Fraktion ist deutlich: auf globaler Ebene sind wir für eine derartige Steuer; wir sind damit einverstanden, dass sie in Europa erprobt wird, wenn sie nicht global erprobt werden kann. Wir haben einfach das Gefühl, dass wir – ohne eine detaillierte Folgenabschätzung, die überprüft, dass die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Finanzzentren unbeeinflusst bleibt – nicht überstürzt diese Art der Entscheidung treffen dürfen. In diesem Zusammenhang, Herr Kommissar, möchte ich deutlich feststellen, dass die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) nicht versucht, Zeit zu schinden oder die Angelegenheit auf Eis legen möchte. Wir fordern dringend und mit Nachdruck, dass die Folgenabschätzung, die wir in diesem Parlament mehrmals besprochen haben, ordnungsgemäß und prompt ausgeführt wird, damit wir in dieser Angelegenheit eine wohlüberlegte Entscheidung treffen können.

Ich glaube, einerseits ist da der von einigen Leitartikeln in europäischen Zeitungen provozierte Medienrummel, und andrerseits ist da die echte Situation, in der wir mit dieser Frage ernsthaft umgehen und die Vor- bzw. Nachteile verstehen müssen, um so schnell wie möglich eine politische Entscheidung zu treffen.

 
  
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  Udo Bullmann, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident! Herr Šemeta, es tut mir Leid, das, was Sie vortragen, genügt nicht. Sie haben seit vielen Monaten den Auftrag dieses Parlaments – den Auftrag haben wir Ihnen hier in diesem Haus erteilt –, zu prüfen, auf welche Art und Weise wir aktiv werden können, auch im Sinne einer Finanztransaktionssteuer. Sie haben es bis heute nicht getan. Das, was über Ihre Position bekannt ist, was auch mehrfach von der Kommission schriftlich vorgetragen worden ist, ist etwas anderes. Sie möchten, dass wir die kleinen Finanzdienstleister besteuern, diejenigen, die noch Filialen unterhalten, die sich um ihre Kunden kümmern, sich um den Mittelstand kümmern, die dafür sorgen, dass es noch Kredite in der Wirtschaft gibt. Wen Sie nicht besteuern möchten, das sind die Spekulanten, die mit dem High-Frequency-Trading Millionen und Milliarden um den Globus schieben und dafür sorgen, dass unsere Ökonomie unberechenbar wird, unberechenbar auch für den guten Unternehmer, den guten Investor, der morgen vernünftige Arbeitsplätze schaffen will. Deswegen ist Ihre Position unzulänglich und deswegen muss dieses Haus eine eigene Stimme finden.

Es tut mir Leid, Herr Kollege Gauzès – ansonsten ein von mir sehr geschätzter Kollege – hat in dieser Situation Unrecht. Er hat deswegen Unrecht, weil er die Position verwässert, die dieses Haus bereits im Bericht Berès gefunden hat. Wer Herrn Gauzès zustimmt, der sorgt dafür, dass die Kommission das tut, was sie ohnehin tun will, nämlich keine Finanztransaktionssteuer vorschlagen. Das ist das Resultat, wenn man dem Kollegen Gauzès folgt. Deswegen ist es falsch, ihm hier zu folgen.

Wer diesem Haus eine Stimme geben will, wer Vertrauen zurückgewinnen will, wer dafür sorgen will, dass die Bürgerinnen und Bürger in Europa wieder hoffnungsvoll auf unsere Institutionen schauen, dass sie glauben, dass wir etwas tun, um die Krisen zu beseitigen, der muss dieses Mal für den Alternativantrag der Fraktion der Sozialisten und Demokraten stimmen, und er muss für den Änderungsantrag 2 stimmen, den mehr als 120 Kolleginnen und Kollegen aus allen wichtigen Fraktionen dieses Hauses unterschrieben haben. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung!

 
  
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  Olle Schmidt, im Namen der ALDE-Fraktion.(SV) Herr Präsident, ich möchte mich bei Frau Podimata für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Es ist uns gelungen, trotz großer Meinungsunterschiede zu einem Kompromiss zu gelangen. Es ist jetzt an der Zeit, die von uns im Ausschuss für Wirtschaft und Währung angenommenen Kompromisse zu unterstützen. Ich möchte mich bei meinen Ausführungen insbesondere an Herrn Bullmann wenden.

Die Tatsache, dass der Bericht die Wichtigkeit der Schaffung eines tatsächlichen Binnenmarkts ohne Schranken hervorhebt, ist eine gute Sache. Darauf basiert natürlich Europas Wachstum. Es ist wichtig, die Möglichkeit zu besprechen, Infrastrukturprojekte mithilfe europäischer Projektanleihen zu finanzieren, sowie eine mögliche Lösung zur europäischen CO2-Abgabe zu finden, damit wir uns in Europa auf nachhaltige Produktion umstellen können.

Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten – die Staaten, in denen Sie, meine Damen und Herren, leben – die Zielvorgaben für die Entwicklungshilfe erfüllen, um wichtige Projekte finanzieren zu können. Leider erfüllen zurzeit nur Dänemark, Luxemburg, die Niederlande und Schweden diese Zielvorgaben.

Ich glaube auch, dass der Finanzsektor involviert sein und die Kosten übernehmen sollte, die durch die Rettung von Banken in der Krise für Staaten und Steuerzahler angefallen sind. Dennoch glaube ich nicht, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer die Lösung darstellt.

In den 80er Jahren hat mein Land etwas in der Art einer einseitigen Finanztransaktionssteuer eingeführt, was lediglich dazu geführt hat, dass wichtige Teile des Finanzsektors nach London gezogen sind. Ich bin mir dessen bewusst, dass wir bei Vergleichen zwischen Schweden und Europa vorsichtig sein sollten, aber der Finanzmarkt ist mobil und daher ist es wichtig, aus dem schwedischen Beispiel zu lernen. Es besteht daher das große Risiko, dass die Stabilisierung des Finanzmarkts, die wir uns durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer erhoffen, nicht verwirklicht werden kann, wenn die EU so eine Steuer unabhängig einführt.

Nach Meinung der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa muss eine Finanztransaktionssteuer globaler Natur sein, um eine positive Wirkung zu haben. Die ALDE-Fraktion weist Änderungsantrag 1 und 2 zurück, unterstützt aber Herrn Gauzès Änderungsantrag 3.

 
  
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  Philippe Lamberts, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(FR) Herr Präsident, warum besprechen wir innovative Finanzierung? Sind wir ganz plötzlich nach Steuern verrückt? Natürlich nicht!

Wie Sie wissen, müssen wir die öffentlichen Finanzen auf nachhaltiger Basis wiederherstellen. Das bedeutet natürlich verantwortungsbewussten Umgang mit Ausgaben. Es bedeutet aber auch, Einkünfte auf faire, effiziente und nachhaltige Weise zu generieren, und wie Sie wissen, entsprechen die aktuellen Steuersysteme in Europa nicht diesen Kriterien. Diese Steuersysteme garantieren nicht die Ressourcen, die Regierungen benötigen, um ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen – Unterricht, Forschung und sozialer Zusammenhalt fallen mir in diesem Zusammenhang ein. Sie konnten die zunehmenden Unterschiede europaweit nicht aufhalten und unterstützen weiterhin Aktivitäten, die sowohl für die Umwelt als auch den sozialen Zusammenhalt schädlich sind.

Ob es darum geht, den Finanzsektor zu besteuern, einen fairen Beitrag von Großunternehmen zu erhalten, eine Klima-Energiesteuer durchzusetzen oder wirksam gegen Steuerflucht und -umgehung vorzugehen, nur ein europaweiter Ansatz wird es uns ermöglichen, wie Sie wissen, effiziente Lösungen zu implementieren. Individuelle Bemühungen vonseiten der Mitgliedstaaten sind nicht mehr effizient. Wir sind müde, zu hören, dass dies alles unmöglich ist und wir Einstimmigkeit benötigen. Was erwarten Sie? Es ist zu kompliziert.

Wenn keine gemeinsamen Maßnahmen ergriffen werden, wird kein Mitgliedstaat der Europäischen Union in 10 Jahren nachhaltige öffentliche Finanzen wiederherstellen können. Was wirtschaftspolitische Steuerung betrifft, denn darum geht es auch in diesem Fall, ist der aktuelle Vorschlag, den Mitgliedstaaten in etwa Folgendes zu sagen: „Schneiden Sie Ihren Ausgabenarm ab, während Sie Ihren Einkommensarm auf den Rücken binden“. Das wird als Pakt für Wettbewerbsfähigkeit bezeichnet. Das möchte ich sehen, wie man mit einem abgeschnitten Arm und dem anderen auf dem Rücken kämpfen kann.

Ich glaube, dass der Bericht von Frau Podimata Optionen eröffnet, die Antworten zum Steuerproblem beitragen können, und ich hoffe daher, dass er von diesem Haus angenommen wird.

 
  
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  Ivo Strejček, im Namen der ECR-Fraktion.(CS) Herr Präsident, die Anschlagtafel in diesem Konferenzraum zeigt an, dass das heutige Thema innovative Finanzierung ist. Ich glaube, dass es richtig und passend ist, hier festzustellen, dass wir über die Einführung von neuen europäischen Steuern sprechen. Wir wissen bereits im Voraus, wer sie bezahlen muss. Es sind die Banken und Finanzinstitutionen, die diese neuen europäischen Steuern zahlen werden. Ich finde, dass es falsch ist, die Banken der Auslösung der Finanzkrise zu beschuldigen und zu sagen, dass die Wirtschaftskrise ihr Fehler ist. Schließlich wissen wir seit langem, dass der Hauptgrund der Krise ein weltweites wirtschaftliches Ungleichgewicht, langfristige niedrige Zinssätze, exzessive Reglementierung des Finanzsektors und – leider – politische Eingriffe in Gebiete waren, in denen Politiker nicht das Recht haben, Forderungen zu stellen.

Der in der Dokumentation angegebene Betrag, den die Europäische Union oder die europäischen Einrichtungen erwirtschaften werden, beispielsweise durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, ist sehr umstritten. Denn die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass der Finanzsektor entweder seinen Gewinn als Reaktion auf jede Steuer und auf die Einführung irgendwelcher neuer Steuern erhöhen will oder indem er zulasten der europäischen Wirtschaft letztendlich einen steuerlichen Wohnsitz außerhalb der Europäischen Union wählt. Wenn die Banken und Finanzinstitutionen allerdings hier bleiben und weiterhin finanzielle Dienstleistungen anbieten, dann werden sie natürlich diese Kosten an ihre Kunden und Konsumenten weitergeben.

Es ist beruhigend, zu sehen, dass in den Mitgliedstaaten eine sehr komplexe finanzielle Konsolidierung stattfindet, und ich finde, dass sich die europäischen Institutionen daran beteiligen sollten. Leider wurde bislang nicht erwähnt, dass die europäischen Institutionen ihre Ausgaben kürzen; stattdessen wird nur von der Einführung neuer Steuern gesprochen. Wenn die europäischen Institutionen einige ihrer oftmals überflüssigen und teuren europäischen Agenturen schließen würden, dann blieben sicher genügend Mittel übrig, um mehrere europäische Projekte zu unterstützen.

Ich möchte etwas zu den Euroanleihen hinzufügen. Wenn Euroanleihen eingeführt werden, folgt daraus, dass keine Notwendigkeit zum Sparen besteht, kein Geld für die Zukunft beiseitegelegt werden muss und keine Reformen durchgesetzt werden müssen, weil es immer jemanden geben wird, der sie abbezahlt. Es besteht hier ein zunehmendes moralisches Risiko. Die europäischen Konservativen werden gegen diesen Vorschlag stimmen, weil wir gegen die Einführung neuer Steuern und gegen die Anhebung von Steuern sind.

 
  
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  Jürgen Klute, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer ist nicht neu, schon seit etlichen Jahren fordern Globalisierungsgegner eine solche Steuer. Doch noch vor fünf Jahren hätte kaum jemand geglaubt, dass sie in absehbarer Zeit durchsetzbar sein könnte. Aber in dieser Woche steht sie im Europäischen Parlament zusammen mit einer CO2-Steuer und Eurobonds auf der Tagesordnung und das finde ich gut so.

Die Finanzinstrumente, die Anni Podimata in ihrem Bericht vorschlägt, kann ich nur begrüßen und unterstützen, und ich denke, wir werden auch entsprechend abstimmen. Es sind dringend notwendige Instrumente. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte hat sich bisher allein auf die Kürzung von Ausgaben konzentriert. Die Kürzung öffentlicher Ausgaben trifft aber in erster Linie Arbeitnehmer, Rentner und Arme, also diejenigen, die auf den Sozialstaat angewiesen sind.

Die Einnahmeseite der öffentlichen Hand ist bisher völlig außer Acht gelassen worden. Sie ist die zweite Stellschraube, an der man drehen kann, um die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Vor allem lassen sich über die Einnahmeseite auch die Hauptverursacher der öffentlichen Schuldenkrise angemessen an der Abtragung der öffentlichen Schulden beteiligen.

Zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist eine Erhöhung der Steuereinnahmen schlicht unabdingbar. Tatsächlich ist die hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte vor allem eine Folge der Verstaatlichung privater Schulden, nämlich der Übernahme der Schulden privater Banken und der Finanzierung der Folgen der Finanzkrise durch die öffentliche Hand. Die Verantwortung für die Schuldenkrise tragen also keineswegs die Staaten alleine. Es ist daher nicht nur naheliegend, sondern auch politisch geboten, den Finanzsektor zur Kasse zu bitten. Mit der Finanztransaktionssteuer würde dieser Sektor nun endlich als Hauptverursacher der öffentlichen Verschuldung an der Abtragung dieser Schulden beteiligt werden. Das ist ein wichtiges politisches Signal, das von diesem Bericht ausgeht, wenn er denn so verabschiedet wird, wie er vorgelegt worden ist.

Aber ebenso halten wir Eurobonds für ein sinnvolles und deshalb auch nötiges Instrument. Sie tragen mehr zur Reduzierung von Schulden bei als alle Sanktionen oder mehr oder weniger gut gemeinte Ratschläge. Die Klagen einiger Überschussländer, dass ihre Zinslasten durch Eurobonds steigen, sind hingegen nicht akzeptabel, denn zugleich verdienen diese Überschussländer ja auch durch ihre Exporte in die Defizitländer. Das kann man als Transferunion kritisieren. Wer aber ein soziales Europa will, wer will, dass die EU auch zukünftig zusammenhält, der muss einer Transferunion zumindest im Grundsatz zustimmen.

Abschließend möchte ich noch in Richtung Kommission sagen, dass ich hoffe, dass sie nun endlich die Vorschläge für eine Finanztransaktionssteuer vorlegt, die schon seit über einem Jahr eingefordert werden.

 
  
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  Nigel Farage, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident, die Theorie einer Tobin-Steuern – die Idee einer globalen Steuer auf Devisengeschäfte –  besteht seit Jahren und wurde, natürlich, nie zur Realität. Was hier vorgeschlagen wird – und das natürlich, weil die Europäische Union verzweifelt Geld benötigt und so viele Probleme hat, dass sie ihre eigenen Ressourcen braucht – ist, eine Möglichkeit zu nutzen, um den Finanzsektor schlecht zu machen, weil der zurzeit sehr unpopulär ist und eine Finanztransaktionssteuer nur in der Europäischen Union einzuführen, so als würde uns das großartige Einkünfte sichern.

Tut mir leid, aber wir leben in einer globalen Wirtschaft. Wenn wir aufgrund von Steuern oder Reglementierung nicht mehr wettbewerbsfähig sind, dann ziehen Menschen einfach um – das können sie innerhalb von 24 Stunden tun. So etwas zu tun, hieße Kamikaze-Wirtschaft zu betreiben. Der größte Devisenmarkt der Welt, also der größte Finanzsektor weltweit, befindet sich in London. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glauben, dass ein Anschlag im Gange ist, um die Angelsachsen daran zu hindern, alle ihre Geschäfte zu betreiben.

Im Jahr 2010 haben, als Folge der Richtlinie über Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie), einer von vier Hedge-Fonds die Londoner City verlassen. Wenn wir so weitermachen, wird Großbritannien seinen größten Industriezweig verlieren. Ich glaube, dass die Zeit gekommen ist, dass sich die Londoner City und die britischen Finanzmärkte gegen die Mitgliedschaft in dieser Europäischen Union stellen werden. Wenn wir morgen dafür stimmen werden, wird das Ergebnis so schlecht sein, das es für die UKIP und ihre Meinung, nicht an diesem massiven sozialistischen Experiment teilzunehmen, vielleicht eine gute Sache sein wird.

 
  
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  Martin Ehrenhauser (NI). - Herr Präsident! Herr Farage, Sie haben nicht Recht. Ich sage deutlich Ja zu einer Finanztransaktionssteuer. Ich bin der Meinung, dass die Europäische Union sich in diesem Bereich beweisen kann. Ja, wir brauchen die Europäische Union genau für diese Themen! Und auch das Europäische Parlament kann sich hier beweisen. Wenn wir morgen bei der Abstimmung alle dafür stimmen, kann das ein neuer solider Zwischenschritt in Richtung Finanztransaktionssteuer sein. Die Politik kann dadurch die richtige Antwort geben, um endlich die Ketten der Knechtschaft durch den Finanzsektor zu sprengen.

Die Finanztransaktionssteuer soll aber nicht nur Anreize für den Finanzsektor setzen, um hier langfristige Investitionen zu tätigen, mit Mehrwert für die Realwirtschaft, nein, sie soll auch eine soziale Komponente haben, und es soll auch zu einer deutlichen Umschichtung der Steuerlast weg von den Arbeitnehmern kommen. Dafür braucht es jedoch Mut, auch in diesem Hause, und zwar bei der Festlegung des Steuersatzes. Ein Steuersatz von 0,03 % oder 0,05 % ist nicht ausreichend. Wir sollten uns mindestens oder bis zu 0,5 % als Ziel setzen. Auch Ja, ein deutliches Bekenntnis zu einer europaweiten Finanztransaktionssteuer! Ich werde morgen sicherlich für den Änderungsantrag 2 stimmen.

 
  
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  Markus Ferber (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es geht hier eigentlich um innovative Finanzierung, aber dazu ist schon einiges gesagt worden. Innovation heißt nicht nur, neue Steuern zu erfinden oder Altes, was es schon lange gibt, wie Staatsverschuldungen, mit einem neuen Etikett zu versehen.

Ich will mich ganz kurz auf das konzentrieren, worum es in dieser Debatte wirklich geht. Es geht nicht darum, Eurobonds einzuführen – und dagegen werden wir uns auch als CDU/CSU massiv aussprechen –, sondern es geht darum, die richtigen Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise zu ziehen, und das heißt ganz einfach, dass Spekulation auch besteuert werden muss. Und das heißt auch – ich will es eindeutig sagen –, wenn dies weltweit auf Ebene der G-20 nicht geht, dass wir das auf Ebene der Europäischen Union tun müssen.

Dazu gibt es keine Alternative, und deswegen wünsche ich mir, lieber Kollege Bullmann, nicht nur den Applaus jetzt, sondern morgen auch ein klares, starkes Votum des Europäischen Parlaments. Die Kommission, Herr Kommissar, muss dabei als unsere Verbündete gegen die Mitgliedstaaten auftreten, insbesondere gegen den Mitgliedstaat, von dem wir gerade schon so lautstark gehört haben, wie in der City of London gedacht wird. Ich sage Ihnen nur, lieber Kollege Farrage, schauen Sie sich die Arbeitslosenzahlen an, schauen Sie sich den wirtschaftlichen Niedergang Ihres Landes an, das sich auf Finanzmarktprodukte konzentriert hat! Wenn Sie noch Autos bauen würden, wie wir das in Bayern und in Deutschland tun, dann würde es Ihnen heute besser gehen. Deswegen ist es dringend notwendig, die Finanztransaktionssteuer jetzt zu fordern und jetzt einzuführen! Wir als Europäer stehen hier in der Pflicht!

 
  
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  Leonardo Domenici (S&D).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Podimatas Bericht umfasst zahlreiche wichtige Aspekte, die nicht nur auf das Problem der Finanztransaktionssteuer beschränkt sind. Der Bericht beinhaltet viele Analysen und Vorschläge, und ich hoffe, dass er von diesem Haus stark unterstützt wird.

Er könnte die Basis für eine wahrhaft neue europäische Steuerpolitik darstellen, die wir benötigen. Dieser Bericht umfasst auch Vorschläge, die sich in Richtung Steuerharmonisierung bewegen, die Europa neue Stärke und Subjekthaftigkeit gibt, obwohl es zurzeit deutlich ist, dass sich die Debatte vor allem auf die Finanztransaktionssteuer konzentriert, die – als erster Schritt – in ganz Europa eingeführt werden soll. Ich finde, dass es Zeit für mutige Entscheidungen ist, die wohlüberlegt umgesetzt werden sollten, aber immer noch eine Vorwärtsbewegung anzeigen. Ich glaube daran, dass Europa eine Verantwortung trägt, der Welt den Weg zu zeigen; Ich glaube daran, dass dieses Haus die Verantwortung trägt, ein Signal und eine politische Botschaft zu übermitteln.

Ich möchte eines zu Herrn Schmidt sagen, dessen Intelligenz und Klarsichtigkeit ich sehr achte: Seien Sie vorsichtig mit den Argumenten, die Sie verwenden, denn wenn wir heute behaupten, dass wir eine Finanztransaktionssteuer nicht erheben können, weil es Steuerparadiese gibt, geben wir den europäischen Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl der Hilflosigkeit in einer Zeit, in der viele dieser Finanzinstitutionen wieder schwarze Zahlen schreiben.

Das sagen nicht nur die Sozialisten. In meinem Land, Italien, wird dieser Vorschlag auch von vielen autonomen und unabhängigen Fraktionen unterstützt; er wird auch von der katholischen demokratischen Bewegung zur Förderung von Entwicklung und ausgewogenem Wachstum unterstützt.

 
  
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  Sylvie Goulard (ALDE).(FR) Herr Präsident, ich möchte die Arbeit unseres Mitglieds, Frau Podimata, anerkennen, die wirklich einige sehr heikle Themen aufgreift. Ich werde mich nicht zu Euroanleihen äußern, die ich in meinem Bericht zu wirtschaftspolitischer Steuerung selbst behandle. Ich möchte gerne drei Punkte zur Finanztransaktionssteuer ansprechen.

Erstens, benötigen wir neue Einkommensquellen und haben wir das Recht, in diesem Parlament ab und zu über den Einkommensaspekt zu diskutieren? Meine Antwort darauf ist „Ja“. Es gibt einige Tabus in Europa; ich bin jedoch davon überzeugt, dass wir keine umfassende Diskussion über das Ende dieser Krise führen können, wenn wir dieses Thema nicht ohne Tabus handhaben können; daher begrüße ich auch die von Kommissar Šemeta geleistete Arbeit zu alternativer Besteuerung.

Zweitens, benötigen wir eine Steuer auf Finanztransaktionen? Meiner Meinung nach ist dies eine äußerst interessante Option, die zu erforschen ist. Ich würde mich da z. B. auf die kürzlich von der Europäischen Zentralbank durchgeführte, in Absprache mit der Kommission zur Richtlinie über Märkte für Finanzdienstleistungen (MiFID) und im Besonderen auf den Abschnitt zum Hochfrequenzhandel – also extrem schnelle, von Computern durchgeführte Transaktionen – beziehen. Es ist deutlich, dass es kürzlich gefährliche Entwicklungen gegeben hat, und hier teile ich Herrn Ferbers Ansicht, dass wir zwischen Marktaktivitäten unterscheiden müssen, die Liquidität fördern und solchen, die spekulativer und vermutlich schädlicher Natur sind.

Meine dritte und letzte Frage lautet: benötigen wir globale oder europäische Regeln? Ich möchte gerne wissen, was „global“ bedeutet. Werden wir warten, bis die letzte Diktatur der Welt zustimmt, bevor wir eine Entscheidung zu Angelegenheiten in der Europäischen Union treffen? Verstecken wir uns hinter der Globalisierung, um uns nicht unserer Verantwortung stellen zu müssen? Ich glaube, dass das völlig unvernünftig sein würde. Natürlich müssen wir das Risiko der Abwanderung in Betracht ziehen – wir sind nicht ohne Verantwortungsgefühl – aber andererseits sollte dieses Parlament seine Entscheidungen nicht im Angesicht von Drohungen treffen.

 
  
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  Sven Giegold (Verts/ALE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal auch von mir vielen Dank an Frau Podimata. Das war ja keine leichte Aufgabe in den letzten Wochen. Sie haben sicherlich an den E-Mails, die wir bekommen haben, an den heißen Diskussionen auch in einigen der Fraktionen gemerkt, dass das ein Thema ist, das viele Bürgerinnen und Bürger sehr genau beobachten, die genau schauen, wie sich jetzt hier im Parlament Politikerinnen und Politiker zu der Frage positionieren.

Die Finanztransaktionssteuer ist ja ein Ergebnis einer Bürgerinitiative, die diesen Vorschlag im Grunde ausgehend von der Tobinsteuer vorantreibt, und deshalb wird es entscheidend sein, wie sich das Parlament jetzt äußert. Es gibt erst einmal eine zentrale Frage: Soll es nur eine globale Steuer sein? Auf der globalen Ebene findet man kaum noch Gegner dieser Steuer. Die nächste Frage ist: Sollen wir sie auch auf europäischer Ebene einführen? Da muss man leider ganz klar sagen, dass sich viele der Gegner hinter dem Argument Europa verstecken. Dieses Verstecken sollten wir an dieser Stelle klar zurückweisen, denn wir haben erfolgreiche Transaktionssteuern selbst auf nationaler Ebene und diese Transaktionssteuern funktionieren für Teilmärkte.

Das heißt, auch wenn Herr Šemeta jetzt an der Folgenabschätzung arbeitet, darf man nicht die Frage untersuchen, ob eine Transaktionssteuer funktionieren kann oder nicht, sondern nur, in welchen Teilmärkten man sie national, in welchen europäisch und in welchen nur global einführen kann. Das bedeutet auch, dass es so, wie der Änderungsantrag formuliert ist, für alle, die sagen, sie wollen Transaktionen besteuern, keinen Grund gibt, morgen gegen diese Formulierung zu stimmen, die von 120 Abgeordneten gemeinsam gefordert wird.

Ich fordere Sie auf, Herr Šemeta, machen Sie Ihre Folgenabschätzung fair, berücksichtigen Sie auch, wie groß die Unterbesteuerung des Finanzsektors ist! Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns morgen ein klares Zeichen für eine europäische Finanztransaktionssteuer setzen! Es gibt keinen technischen Grund dagegen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT)Herr Präsident, es besteht seit langem das Bedürfnis, eine Finanztransaktionssteuer auf globaler – und daher auch auf der Ebene der Europäischen Union – zu schaffen, ebenso wie das Bedürfnis besteht, Steuerparadiese und spekulative Finanzprodukte abzuschaffen. Es besteht seit langem das Bedürfnis, den Kapitalmarkt zu steuern und wirksam zu regulieren, um Spekulationen beim Handel mit zahlreichen Produkten zu verhindern, wie z. B. bei Rohstoffen, Immobilientransaktionen, Pensionen und Versicherungen sowie bei einer Vielfalt von Derivaten, inklusive derer, die auf Staatsanleihen basieren.

Leider hat die Europäische Kommission mit diesen Vorschlägen keinen Fortschritt gemacht, aber es ist allgemein bekannt, dass Steuerflucht und -betrug etwa 250 Mrd. EUR pro Jahr in Europa ausmachen, ein Betrag, der ausreichend wäre, Haushaltsdefizite zu verringern, ohne Steuern anheben zu müssen. Nach aktuellen Prognosen würde eine Finanztransaktionssteuer, selbst bei geringer Rate, beinahe 200 Mrd. EUR pro Jahr in der Europäischen Union generieren und 650 Mrd. USD weltweit.

In diesem Zusammenhang fragen wir, wie es akzeptiert werden kann, dass eine deutliche Position zur Schaffung einer FTS auf der Ebene der Europäischen Union unter dem Vorwand einer anderen Studie, neuer Studien oder weiterer Auswertungen verschoben werden kann? Es ist an der Zeit, klare Entscheidungen zur Prüfung und Besteuerung von Kapital zu treffen. Es ist vor allem an der Zeit, dass wir aufhören, die Arbeitnehmer, Kleinst- und Kleinunternehmen für die wirtschaftliche und soziale Krise bezahlen zu lassen.

 
  
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  Marta Andreasen (EFD). – Herr Präsident, die Europäische Union will sich nun schon seit einiger Zeit mit einer europäischen Steuer selbst finanzieren. Es scheint, dass eine Finanztransaktionssteuer bevorzugt wird. Es wird geschätzt, dass diese Steuer 200 Mrd. EUR jährlich einbringen würde.

Ich bin vehement gegen eine neue, von der Europäischen Union erhobene Steuer, vor allem deshalb, weil dadurch die Europäische Kommission über die Größe und Zusammensetzung des Haushaltsplans der EU ohne Beteiligung der Mitgliedstaaten und ihrer Bürgerinnen und Bürger entscheiden würde. Was noch schlimmer ist, die Mitgliedstaaten würden die Möglichkeit verlieren, die Bürokratie der EU zur Rechenschaft zu ziehen.

Wenn die Steuer auf nationaler Ebene eingeführt wird, um das Risiko in der Finanzdienstleistungsbranche zu kontrollieren, werden die Kosten zwangsläufig auf den Steuerzahler übertragen. Obwohl das Gefühl besteht, dass die Finanzdienstleister und der Bankensektor die Kosten für die Krise übernehmen sollten, sollten wir unsere Bürgerinnen und Bürger nicht dahingehend betrügen, indem wir ihnen weitere Steuerlasten auferlegen.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Die Besteuerung von Spekulation, die in vielen Fällen für die Realwirtschaft keinerlei Nutzen bringt, durch eine Finanztransaktionssteuer ist zweifellos der richtige Ansatz. Allerdings darf eine solche Steuer nicht zum Anlass genommen werden, um durch die Hintertür so etwas wie eine EU-Steuer einzuführen und die Steuerhoheit der EU zu begründen. Leider geht der vorliegende Bericht aber genau in diese Richtung. Die EU ist jedoch meines Erachtens kein Staat und soll auch keiner werden. Die Steuerhoheit muss in der Kompetenz der Mitgliedstaaten bleiben.

Wenn Brüssel mit seinem Budget nicht auskommt, dann ist eben der Sparstift anzusetzen. Es gibt ohnehin genug Kompetenzen, die besser auf nationaler als auf EU-Ebene geregelt werden sollten. Zudem bietet das Dickicht an Förderungen oder EU-Agenturen genug Einsparungspotenzial. Die Einführung von Eurobonds, die im Bericht auch empfohlen wird, ist meines Erachtens klar abzulehnen. Sie ist gegen jede volkswirtschaftliche Vernunft und stellt nichts anderes dar als eine weitere Maßnahme, um die EU zu einer Transferunion zu machen. Und das lehne ich ab.

 
  
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  Diogo Feio (PPE).(PT) Herr Präsident, die Frage zu innovativer Finanzierung auf globaler und europäischer Ebene ist nicht nur wichtig, sondern auch äußerst aktuell. Ich finde es bedauerlich, dass die Frage auf die Einführung oder Nichteinführung einer neuen Finanztransaktionssteuer reduziert wird, aber auch wenn das der Fall ist, werde ich der Debatte nicht ausweichen.

Es gibt eine Reihe von Fragen, die ich hier stellen möchte. Zuallererst, ist diesem Haus irgendeine Krise bekannt, die durch die Einführung einer neuen Steuer behoben wurde? Gibt es Studien über die Kosten der Verwaltung dieser neuen Steuer? Gibt es Studien über die Auswirkungen, die diese neue Steuer auf die Wirtschaft haben wird? Ehrlich gesagt, mir sind keine bekannt. Außerdem gibt es eine Form der Reglementierung, die durch die Einführung von neuen Steuern realisiert wird, oder findet Reglementierung durch Überwachung und Kontrolle des Marktes statt? Für mich steht außer Frage, dass das der Fall ist.

Abschließend fordere ich dazu auf, dass diese Debatte und Diskussion mit der erforderlichen Ruhe geführt wird, und nicht auf Basis der Ideologien derer, die sich wenig um das Wachstum von Wirtschaft und Unternehmen und um das öffentliche Wohlbefinden kümmern.

 
  
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  Enrique Guerrero Salom (S&D).(ES) Herr Präsident, in einigen Monaten ist es vier Jahre her, dass wir die ersten Symptome, die ersten Folgen dieser verheerenden Wirtschaftskrise, die schwerste weltweit im letzten Dreivierteljahrhundert, erlebt haben.

Es begann als großer internationaler Tumult in der Finanzwelt; dann wurde es zur Wirtschaftskrise und weitete sich in die Realwirtschaft aus, betraf Wachstum und Arbeitsplätze und verursachte schwere soziale Folgen; und wir sollten nicht vergessen, dass die Krise für hunderte Millionen von Menschen weltweit eine humanitäre Krise ist.

Seit damals haben zahllose internationale Treffen stattgefunden, vor allem der G20-Gipfel mit einer starken Präsenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Bei diesen Zusammenkünften kam es zu vielen unerschütterlichen Erklärungen und formellen Zusagen, die internationalen Finanzinstitutionen zu reformieren, das Steuerwesen zu reformieren und Abgaben auf internationale Finanztransaktionen einzuführen. Allerdings waren das nicht mehr als formelle Erklärungen.

Tatsächlich steht die wirkliche Arbeit, die zur Behebung der Steuerparadiese und zur Reform der Finanzinstitutionen notwendig ist, immer noch aus.

Ich möchte gerne eine Verbindung zwischen diesem Bericht und den Bedürfnissen der Entwicklungspolitik herstellen. Entwicklungsländer leiden unter den Folgen der Krise mehr als andere: sie haben weniger Wachstum, weniger Arbeitsplätze, mehr Schwierigkeiten externe Finanzierung zu bekommen, mehr Schulden und weniger offizielle Entwicklungshilfe. Die Finanztransaktionssteuer würde eine leistungsstarke neue Quelle zur Finanzierung der Entwicklungspolitik darstellen.

Deshalb glaube ich, dass diese Aspekte im Podimata-Bericht unsere Unterstützung verdienen. Ich möchte nun das Parlament aufrufen, zu seinem Wort zu stehen und es daran erinnern, dass der Einführung von Abgaben in diesem Plenarsaal im März 2010, im Rahmen eines Berichts zu den Folgen der Krise für die Entwicklungsländer, zugestimmt wurde.

 
  
  

VORSITZ: Stavros LAMBRINIDIS
Vizepräsident

 
  
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  Carl Haglund (ALDE).(SV) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin danken, der es gelungen ist, einen Bericht zu erstellen, der auch eine Debatte angeregt hat. Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir uns die Tatsache in Erinnerung rufen, dass die Europäische Kommission versprochen hat, bis zum Sommer einige ehrgeizige Vorschläge zu dem, was wir gewöhnlich als „Eigenmittel“ bezeichnen, vorzulegen. Die Steuern, über die wir gerade diskutiert haben, gehören ganz gewiss dazu.

Das ist vielleicht auch der Grund, wieso ich denke, dass Initiativberichte, in denen wir selber in Bezug auf ein bestimmtes Thema die Initiative übernehmen, etwas mühselig sein können. Denn wir neigen dazu, zuerst wichtige Vorarbeiten zu fordern, mit Studien darüber, welche Auswirkungen verschiedene Steuern oder andere Dinge haben könnten, nur um dann hier in diesem Plenarsaal diese wichtigen Vorarbeiten vorwegzunehmen, indem wir ungeachtet der Informationen, die die Kommission präsentiert, sagen, was wir wollen.

Ich denke, dass Herr Feio in dieser Hinsicht richtig lag, weil es oft der Fall ist, dass wir an diese Steuern aus einer ideologischen Perspektive herangehen. Zum Beispiel sprechen wir gegenwärtig darüber, den Finanzsektor mit einer Steuer zu belegen. Die ganze Situation ist sehr komplex. Wir hören selten Argumente, die sich auf die technischen Details beziehen, die das beinhalten wird. Stattdessen ist es eine Grundsatzfrage: Wir wollen so eine Steuer haben.

In diesem Zusammenhang können wir auch diskutieren, wie innovativ wir sind. Wir wollten diese Steuern vor 30 oder mehr Jahren aus ideologischen Gründen, es ist also nicht besonders innovativ, sie zu fordern. Dennoch kann ich verstehen, dass einige Menschen denken, dass sie notwendig sind. Ich persönlich denke, dass es wichtig ist, dass wir eine Steuer für den Finanzsektor auf globaler Ebene einführen. Es wurde die Frage gestellt, was das bedeuten würde. Es würde nicht bedeuten, dass wir auf den letzten Diktator aus irgendeinem Winkel unseres Planeten warten müssen. Die Frage ist eher, ob wir auf Ebene der G20 etwas erreichen könnten. Das ist selbstverständlich auch das Ziel Frankreichs, das dieses Jahr den Vorsitz der G20 führt.

Zu diesem Zeitpunkt haben wir jedoch nicht die Geduld, uns daran zu erinnern, dass wir diesen Sommer ernsthafte Vorschläge der Kommission erhalten werden. Daher glaube ich, dass wir Fortschritte machen werden, ohne diese Frage zu einer ideologischen Frage zu machen, weil es auch eine pragmatische Frage ist. Wir müssen außerdem daran denken, dass diese Steuern auch wirklich in der Praxis funktionieren müssen.

 
  
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  Keith Taylor (Verts/ALE). – Herr Präsident! Ich möchte das Wort ergreifen, um mich für die Finanztransaktionssteuer auszusprechen. Die Finanztransaktionssteuer bietet eine Gelegenheit, um das Gleichgewicht wiederherzustellen und die durch die Sparmaßnahmen verursachten Schäden, das Haushaltsdefizit und die Maßnahmen, die zu seiner Tilgung verabschiedet worden sind, auszugleichen.

Es ist jedoch wichtig, eine Besteuerung einzuführen, die den gegenwärtigen Umständen entspricht, da im Vereinigten Königreich zum Beispiel die Barclays Bank 2009 nur 113 Mio. GBP an Körperschaftssteuern gezahlt hat, was weit unter dem im Vereinigten Königreich geltenden Steuersatz von 28 % liegt, während die Royal Bank of Scotland im selben Jahr 25 Mrd. EUR in Steuerumgehungskonstruktionen untergebracht und den britischen und amerikanischen Fiskus 500 Mio. EUR an Einnahmeverlusten gekostet hat.

Im Vereinigten Königreich wurde eine Gruppe gegründet, um die Finanztransaktionssteuer zu unterstützen. Sie heißt „Robin Hood Tax group“, nach der legendären Figur, die von den Reichen stahl und es den Armen gab.

Ich unterstütze ihre Kampagne, und ich bitte das Parlament, es ebenfalls zu tun.

 
  
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  Niki Tzavela (EFD). – Herr Präsident! Der Bericht von Frau Podimata ist sehr ausgewogen und sehr gut begründet, und wir sollten alle die vier Finanzmittel, die morgen durch den Bericht eingeführt werden, begrüßen. Die vier Maßnahmen sind alle innovativ, und ich möchte sagen, dass wir die Debatte nicht nur auf die Finanztransaktionssteuer beschränken sollten. Wir sollten vorsichtig sein, wenn wir entscheiden, welche umgesetzt werden; wir sollten die Steuern auf Sektoren wie den Energiesektor, die einen Multiplikatoreffekt auf die Lebenshaltungskosten haben, ausschließen. Daher sollte die Kommission für die Endphase dieses Plans eine Bewertung durch eine Folgenabschätzung der Effizienz und der möglichen Folgen der Nutzung dieser Instrumente vornehmen.

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE). – Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin dazu gratulieren, dass sie einige interessante politische Unterschiede in diesem Bericht hervorgehoben hat.

Lassen Sie mich außerdem eine Sache klarstellen, nachdem ich diese Aussprache verfolgt habe, und zwar, dass die Verbraucher diejenigen sein werden, die eine Finanztransaktionssteuer zahlen werden. Es ist das Gleiche wie bei Strom, Autos oder allen anderen Waren oder Dienstleistungen. Durch diese Steuern wird der Preis für die Verbraucher erhöht. Nicht die Banken werden dafür zahlen. Banken werden auf jeden Fall während des kommenden Jahrzehnts ihr Kapital erhöhen müssen.

Daher wird die Steuer auf die Verbraucher gerichtet sein. Das könnte gut sein, weil wir selbstverständlich Steuern brauchen. Aber ist es eine gute Steuer? Wie mein Kollege Olle Schmidt bereits erwähnt hat, haben wir in Schweden eine derartige Steuer eingeführt, die „Puppy“-Steuer genannt wurde. Es war mehr oder weniger die gleiche Steuer, über die wir jetzt diskutieren, und sie war ein Erfolg – für die City of London! Und zwar deswegen, weil der Aktienhandel sich nach London verlagert hat und der Handel mit Anleihen mehr oder weniger eingestellt wurde.

Aus diesem Grund bin ich etwas überrascht darüber, was in der Aussprache gesagt worden ist. Es gibt Menschen, die wissen wollen, was die Folgen sein würden, und Menschen, die nicht wissen wollen, was die Folgen sein würden – diejenigen, die eine Folgenabschätzung wollen, und diejenigen, die keine wollen. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir hier nicht den Bürgermeister von Shanghai sehr glücklich machen. Ich bin der Ansicht, dass wir in dieser Frage die Linie der EVP verfolgen sollten.

 
  
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  Arlene McCarthy (S&D). – Herr Präsident! Ich möchte unserer Berichterstatterin für diesen Bericht danken und in meinen Anmerkungen vor allem auf die Forderung der Öffentlichkeit nach einer fairen Besteuerung des Finanzdienstleistungssektors reagieren.

Wir sollten nicht vergessen, dass die Bürgerinnen und Bürger bereits einen mit Steuergeldern finanzierten Rettungsplan in Höhe von 4,5 Bio. EUR an staatlichen Beihilfen für den Bankensektor bezahlt haben – das sind 9500 EUR pro Mann, Frau und Kind in der EU –, und selbstverständlich bezahlen die Bürgerinnen und Bürger weiterhin durch den Verlust ihrer Arbeitsplätze während dieser extremen Finanzkrise. Jetzt, da dieser Sektor wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt ist und hohe Boni auszahlt (tatsächlich können sie sich auf diese Weise rekapitalisieren, Herr Hökmark – sie müssen sich um Steuern keine Sorgen machen; es sind die Boni, die sie abschaffen sollten), ist es nur fair, dass dieser Sektor, wie alle anderen, einen angemessenen Beitrag leistet.

Die Frage lautet: Wieso sollten die Eigenmittel der EU, einschließlich des Anteils an der von den Mitgliedstaaten erhobenen Mehrwertsteuer, von Hauseigentümern und Steuerzahlern aufgebracht werden, während die Finanzdienstleistungsindustrie weitgehend von der Mehrwertsteuer befreit ist? Während Irland sich 85 Mrd. EUR leiht, um seine Wirtschaftskrise zu bewältigen, werden seine gesamten Beihilfen für den Bankensektor auf 725 Mrd. EUR geschätzt. Unsere Bürgerinnen und Bürger sind zu Recht der Ansicht, dass es an der Zeit ist, dass der Finanzdienstleistungssektor einen angemessenen Beitrag leistet. Sogar Mervyn King, der Gouverneur der Bank of England, hat am vergangenen Wochenende gesagt, dass wir, wenn wir keine grundlegende Reform des Finanzdienstleistungssektors durchführen, auf eine weitere Bankenkrise zusteuern.

In diesem Bericht wird nicht gesagt, wie wir eine Finanztransaktionssteuer einführen sollten oder wie hoch sie sein sollte. Es ist jetzt klar, dass wir am Anfang einer Prüfung der Fakten auf diesem Gebiet stehen, und eine Studie zeigt, dass schon eine extrem niedrige Steuer, die nur auf den Devisenhandel erhoben wird, weltweit 26 Mrd. USD einbringen könnte.

Wir unterstützen weitere Untersuchungen. Selbstverständlich unterstützen wir auch Sie, Herr Šemeta, darin, sicherzustellen, dass wir nicht das gescheiterte schwedische Modell übernehmen, das kein gutes Beispiel für eine Finanztransaktionssteuer ist. Aber, Herr Kommissar, ich möchte Ihnen sagen, dass ich etwas enttäuscht bin, dass Sie, noch bevor Untersuchungsergebnisse vorliegen, in Ihrem Konsultationspapier bereits eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene ausgeschlossen haben. Sie haben recht, Herr Kommissar: Sehen wir uns die Fakten an, bevor wir sie ablehnen. Ich bin enttäuscht, dass Sie bereits diese Entscheidung gefällt haben.

Das morgige Abstimmungsergebnis wird daher – und ich schließe hiermit – zugunsten dieses Berichts und des Grundsatzes ausfallen, dass der Finanzdienstleistungssektor jetzt seinen Beitrag leistet. Es ist ein Votum, das unsere Bürgerinnen und Bürger unterstützt sowie die Ansicht, dass sie nicht fortwährend für die Fehler des Finanzdienstleistungssektors und des Bankensektors zahlen sollten.

 
  
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  Satu Hassi (Verts/ALE).(FI) Herr Präsident! Ich danke der Berichterstatterin für ihre exzellente Arbeit. Ich hätte mir in diesem Bericht größeres Gewicht auf das Thema der Finanzierung von internationalen Klimaschutzmaßnahmen gewünscht, obwohl ich die Finanztransaktionssteuer voll unterstütze. Was die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen angeht, so hat die vom UN-Generalsekretär eingerichtete Arbeitsgruppe im vergangenen Jahr eine Kohlendioxid-Steuer als eine Option für die durch die internationale Schifffahrt verursachten Emissionen vorgeschlagen. Das sollte in der EU ernstgenommen werden.

Zur Zeit des Klimapakets von 2008 haben wir entschieden, dass, falls die Internationale Seeschifffahrtsorganisation bis zum Ende dieses Jahres keinen globalen Plan zur Kontrolle der durch die Schifffahrt verursachten Emissionen aufstellen würde, die EU selbst Maßnahmen ergreifen würde, ebenso, wie sie es beim Luftverkehr getan hat. Eine Kohlendioxid-Steuer auf Schiffe, die in die EU gelangen oder von dort ablegen, wäre eine weltweit bedeutende Maßnahme, da dies ein Drittel der gesamten internationalen Schifffahrt betreffen und Entwicklungsländer mit einer stabilen Finanzierungsquelle für ihre Klimaschutzmaßnahmen ausstatten würde.

 
  
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  Antonio Cancian (PPE).(IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich denke, dass es sich bei dem heutigen Thema um eine Grundsatzfrage handelt, weil es hier nicht nur um die Besteuerung finanzieller Transaktionen, sondern auch um ein wichtiges Thema geht, das den Markt betrifft. Durch Eurobonds – wir müssen zwischen Eurobonds und Projektanleihen unterscheiden – ist die Zeit gekommen, um unsere Wirtschaft durch den Fonds, der als Projektanleihe bekannt ist, zu entwickeln und anzukurbeln, insbesondere die transeuropäische Infrastruktur im Transport-, Energie- und Telekommunikationssektor, wobei unsere Maßnahmen durch Forschung und Innovation unterstützt werden müssen.

Wir müssen auf diesen Gebieten die Führungsrolle übernehmen: Das ist das heutige Schlüsselthema und daher auch der Tempowechsel. Wenn wir von der Unionsmethode sprechen, von der wir doch alle sprechen, ist dies eine Gelegenheit, um ihr etwas Substanz zu verleihen. Die Arbeitslosigkeit ist das wahre soziale Problem der Gegenwart; das ist unsere heutige Aufgabe.

Wenn wir Steuern erheben, sei es weltweit oder nur in Europa, glaube ich, dass wir die Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen senken. Wenn wir uns dazu entscheiden, die Erhöhung durchzuführen, dann wird diese erstens schwierig anzuwenden sein – weil wir nur die Spekulanten treffen wollen, aber das wird uns nicht gelingen –, und zweitens werden wir keinen Erfolg haben, weil die Anwendung schwierig ist und auf der Ebene der G20 erfolgen muss. Und schließlich, was Kohlendioxidsteuern angeht, bin ich der Ansicht, dass die Steuern nicht erhöht, sondern gesetzlich geregelt werden sollten.

 
  
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  Liem Hoang Ngoc (S&D).(FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bericht, über den wir heute debattieren, präsentiert einige echte Fortschritte. Ich denke da insbesondere an Eurobonds, die die EU brauchen wird, um die Strategie Europa 2020 zu finanzieren.

Leider hat die Rechte im Ausschuss für Wirtschaft und Währung das Prinzip einer Steuer auf Finanztransaktionen auf europäischer Ebene abgelehnt, obwohl sie im Juni dafür gestimmt hat. Ihre Argumente für die Ablehnung einer europäischen Steuer auf Finanztransaktionen als ersten Schritt hin zu einer weltweiten Steuer sind dieselben, wie sie auch die Unterstützer von Steuerparadiesen vorbringen. Sie sagt uns, dass die Einführung einer Steuer nur auf europäischer Ebene sich katastrophal auf unseren Finanzsektor auswirken würde. Sie sagt außerdem, dass es eine Kapitalflucht aus Europa geben würde.

Meine Antwort darauf ist: Und wenn schon. Das aktuelle Volumen an Finanztransaktionen ist im Vergleich zu den Bedürfnissen der Realwirtschaft exzessiv. Die Einführung dieser Steuer nur in Europa würde dazu beitragen, etwas Luft aus der Blase zu lassen.

Darüber hinaus würde eine Reduzierung des Volumens von spekulativen Kapitaltransaktionen, wie den Kreditderivaten, die am Beginn der Krise standen, wirklich dazu beitragen, die Bilanzen unserer Banken zu konsolidieren. Sie würden eine viel größere Motivation haben, die Realwirtschaft zu finanzieren.

Ich möchte diejenigen, die das Fehlen einer Folgenabschätzung als Vorwand benutzen, darauf hinweisen, dass keine Folgenabschätzung durchgeführt worden ist, bevor der Verbreitung von Derivaten grünes Licht gegeben worden ist.

Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, dass sich alle Abgeordneten ihrer Verantwortung stellen. Die Europäische Union darf nicht länger den G20 hinterherlaufen, die von den Vereinigten Staaten und China dominiert werden. Sie muss bei der Reform unseres Finanzsystems die Führungsrolle übernehmen.

Deshalb kann ich keinen Text unterstützen, der eine Steuer auf Finanztransaktionen nicht berücksichtigt.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE).(EL) Herr Präsident! Der Bericht von Frau Podimata enthält einige interessante Ideen – sowohl alte als auch innovative –, die zum jetzigen Zeitpunkt angesichts der Herausforderungen im Hinblick auf die Stabilität und das Wachstum, vor denen wir im Euroraum stehen und vor denen die Europäische Union als Ganzes steht, besonders aktuell sind. Eine besonders gute Idee ist die der Eurobonds.

Ich möchte insbesondere auf die Frage einer Finanztransaktionssteuer eingehen, die ich, wie auch aus dem Änderungsantrag, den ich unterstützt habe, hervorgeht, als einen positiven Schritt ansehe, auch wenn sie nur auf europäischer Ebene eingeführt würde und trotz ihrer Problematik und Komplexität, wie in allen einschlägigen Studien unterstrichen wird, in Bezug auf das Einziehen dieser Steuer und darauf, wie effektiv sie sein wird, wenn sie nur auf europäischer und nicht auf internationaler Ebene eingeführt wird.

Abgesehen von diesen technischen Details sind wir jedoch besonders besorgt über ihre möglichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft: eine Voraussetzung für das Wachstum unserer Wirtschaft, die mit Blick auf die Umsetzung des Pakts für Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der wirtschaftspolitischen Steuerung zu harten und verbindlichen Bedingungen auf der Hand liegen dürfte. Wir sind daher besorgt über die Auswirkungen, die eine solche Steuer haben kann, und zwar im Hinblick auf die Weitergabe von Finanzdienstleistungen, die mit hoher Frequenz gekauft und verkauft werden, im Hinblick auf eine fehlende Liquidität, die unser Markt gegenwärtig so bitter benötigt, und im Hinblick auf die Überwälzung der Kosten auf die Anleger und die Steuerzahler.

Aus diesen Gründen sehen wir daher die von der Europäischen Kommission versprochene Studie als eine Grundvoraussetzung an. Es gibt jedoch noch etwas, das uns Sorge bereitet: die Tatsache, dass nirgendwo festgelegt ist, wohin diese Ressourcen fließen werden. Wir befürworten keine Steuern um der Steuern willen; wir vertreten keine Steuerdoktrin. Wir müssen wissen, wie die Folgen aussehen werden. Ich wäre in dieser Hinsicht sehr offen, und mein Vorschlag, zu verhandeln, würde auch für eine Steuer gelten, die in den Haushaltsplan der EU oder in den Unterstützungsmechanismus einfließt.

 
  
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  Elisa Ferreira (S&D).(PT) Herr Präsident! Ich muss wohl nicht wiederholen, dass die gegenwärtige Situation die schwierigste Bewährungsprobe für das Überleben des Euros und daher auch für das Überleben Europas darstellt. Der Podimata-Bericht ebnet den Weg für konstruktive Lösungen, weshalb ich unserer Kollegin zu den Ideen, die sie vorgelegt hat, gratulieren möchte.

Der Ernst der Situation resultiert nicht daraus, dass der Euroraum als Ganzes ein übermäßiges Defizit oder übermäßige Auslandsschulden aufweist, sondern vielmehr aus dem ständigen und beträchtlichen Auseinanderdriften der einzelnen Volkswirtschaften unter dem Einfluss einer gemeinsamen Politik. Es fehlen uns Instrumente, die eine Konvergenz zwischen diesen Volkswirtschaften ermöglichen würden, die es Europa ermöglichen würden, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen, wodurch Europa wachsen könnte.

Um es deutlich zu sagen: Auf dem aktuellen Integrationsniveau und angesichts der Verschiedenheit der einzelnen Volkswirtschaften werden der Euroraum und die Europäische Union mit einem Haushaltsplan in Höhe von 1 % ihres gesamten Wohlstands nicht überleben. In der Praxis war die einzige Lösung, die wir nach der Krise entwickeln konnten, die Verordnung von Sparmaßnahmen, und es sind die Arbeitnehmer und die Unternehmen, die jetzt für die Defizite zahlen müssen, die durch die Spekulations-Krise des Finanzsektors verursacht worden sind, zu dessen Rettung die Europäische Union 26 % ihres gemeinsamen Wohlstands bereitgestellt hat.

Es stimmt, dass eine sehr niedrige Finanztransaktionssteuer, zum Beispiel von 0,05 %, die auf höchst spekulative Transaktionen erhoben wird, die hochriskante Produkte umfassen, von den Käufern dieser Produkte gezahlt werden muss. Wieso sollten sie aber auch nicht zahlen, wenn die einfachen Menschen auf Brot, Milch und andere Grundnahrungsmittel Mehrwertsteuer bezahlen müssen? Die steuerliche Belastung muss umverteilt werden, damit weniger Arbeitnehmer und Unternehmen betroffen sind, und gleichmäßiger auf den Finanzsektor und insbesondere auf den spekulativen Sektor verteilt werden.

Herr Kommissar, ich denke nicht, dass die Kommission die klare politische Botschaft, die das Parlament ihr sendet, ablehnen oder ignorieren sollte. Die öffentliche Konsultation darf eine Analyse der Finanztransaktionssteuer nicht ausklammern: Ganz im Gegenteil, der Analyse der Finanztransaktionssteuer muss höchste Priorität eingeräumt werden.

 
  
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  Theodor Dumitru Stolojan (PPE).(RO) Herr Präsident! Mit fast 10 Prozentpunkten ist die steuerliche Belastung der Europäischen Union bereits höher als die von den Vereinigten Staaten, Japan und anderen Weltwirtschaftsmächten, und das bedeutet, dass die europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber US-amerikanischen und anderen weltweit agierenden Unternehmen haben. Der Eifer zur Einführung einer neuen Steuer auf Finanztransaktionen ist sicherlich groß. Wie wir jedoch alle wissen, verfügt der Finanzsektor über die unglaubliche Fähigkeit, jegliche Kosten an die Bürgerinnen und Bürger und an die Unternehmen weiterzugeben. Daher denke ich, dass wir nur über eine Steuer auf Finanztransaktionen in der Europäischen Union sprechen können, wenn es eine globale Vereinbarung zu diesem Thema gibt.

Zweitens möchte ich meine volle Unterstützung für die Einführung von Eurobonds zur Finanzierung von europäischen Infrastruktur-Projekten und als Möglichkeit zur Erschließung von Ressourcen und auch zur Erschließung von Ressourcen aus dem Privatsektor, um diese Projekte zu finanzieren, zum Ausdruck bringen.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (S&D).(RO) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin, Frau Podimata, gratulieren.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat einige unverhältnismäßige Anreize im Finanzsektor aufgedeckt sowie Defizite im Regulierungs- und Aufsichtsrahmen des Finanzsystems. Das Finanzsystem sollte einen Beitrag leisten, damit die Kosten dieser Krise auf eine gerechtere und nachhaltigere Weise verteilt würden. Wir sollten jedoch sicherstellen, dass eine Finanztransaktionssteuer, die aufgrund einer Folgenabschätzung eingeführt wird, letztendlich nicht an die Verbraucher, also an die Bürgerinnen und Bürger, weitergegeben wird. Daher sehen wir es als notwendig an, klare Regeln festzulegen, um zu verhindern, dass es zu dieser Situation kommt.

Das öffentliche Auftragswesen macht 17 % des BIP der EU aus und stellt einen wichtigen Markt dar, insbesondere in Bereichen wie Gesundheit, Verkehr und Energie. Die Einführung elektronischer Systeme zur öffentlichen Auftragsvergabe in den Mitgliedstaaten hat zu einer größeren Transparenz und zu erheblichen Kosteneinsparungen in den nationalen Haushaltsplänen geführt. Ich appelliere an die Kommission und an die Mitgliedstaaten, bis 2015 mindestens 50 % der öffentlichen Auftragsvergabe mithilfe elektronischer Systeme durchzuführen und auf diese Weise den Verpflichtungen nachzukommen, die die Mitgliedstaaten 2005 in Manchester eingegangen sind. Ich fordere außerdem die Kommission auf, die Initiative für elektronische Rechnungen umzusetzen, die ein wichtiges Werkzeug zur Eindämmung der Steuerhinterziehung sind.

Die Mitgliedstaaten sollten die vorhandenen Strukturfonds für Projekte in den Bereichen Forschung und Innovation, Verkehr und Energieeffizienz entscheidend verbessern, um den Bürgerinnen und Bürgern dabei zu helfen, die notwendigen Qualifikationen zu erwerben, die Leistungsfähigkeit der nationalen Systeme zu verbessern und Strategien zur intelligenten Spezialisierung und transnationale Projekte umzusetzen. In diesem Zusammenhang unterstützen wir die Emission von gemeinsamen Eurobonds zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten.

Ich möchte außerdem auf das ungenutzte Potenzial innovativer revolvierender Finanzierungsinstrumente hinweisen, die auf die Erhöhung der Energieeffizienz in Gebäuden abzielen. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten die Vorbereitung der Strukturfonds für den Zeitraum nach 2013 in die Wege leiten, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Innovation, Verkehr, Energieeffizienz und intelligente Spezialisierung.

 
  
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  Astrid Lulling (PPE).(FR) Herr Präsident! Zu einer Zeit, in der wir gerade erst beginnen, die Auswirkungen der Finanzkrise zu verdauen, ist es sicherlich nicht verboten, über Grundsatzfragen wie innovative steuerliche Mechanismen nachzudenken und neue Möglichkeiten wie Eurobonds vorzuschlagen. Wenn dies eine wirklich stichhaltiges Projekt werden soll, dann sollte der Realismus jedoch nie in einen Idealismus übergehen. Eurobonds könnten ein Instrument der Zukunft sein, wenn die Europäische Union in Bezug auf die wirtschaftspolitische Steuerung einen wirklich großen Schritt machen würde. Das ist eine Voraussetzung. Wir sollten die Probleme hier nicht unterschätzen.

Wenn wir Frau Podimata zuhören, dann sind die Dinge ziemlich einfach. Wir nehmen das Geld, wo wir es finden, und das war's dann. Heutzutage kann man Banken leicht zu Sündenböcken machen. Sie haben gesündigt, und sie müssen bezahlen. Das haben die Franzosen den Deutschen nach dem Versailler Vertrag in den 1920er auch Jahren gesagt. Ein besonders gut informierter Beobachter, Herr Trichet, der Präsident der EZB, hat uns ganz klar vor den Risiken gewarnt, die mit der einseitigen Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa verbunden sind. Ich habe sogar gehört, dass sie nur im Euroraum eingeführt werden soll. Wir befinden uns hier auf unsicherem Terrain; unser Kollege Herr Farage wäre begeistert! Daher müssen wir sehr vorsichtig sein. Deshalb stimme ich dem Änderungsantrag, den meine Fraktion eingereicht hat, vollumfänglich zu. Er verschließt keine Türen, sondern fordert eine gründliche Analyse der Folgen der Entscheidungen, die wir treffen. Sich zu diesem Zeitpunkt von einer Ideologie lenken zu lassen, wäre ein schwerer Fehler.

Ich meinerseits werde keine Maßnahme unterstützen, deren einzige Folge wäre, dass sie den europäischen Finanzsektor unseren Mitbewerbern gegenüber benachteiligen würde.

 
  
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  David Casa (PPE).(MT) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin dafür danken, dass sie uns daran erinnert hat, dass der Binnenmarkt effizienter und effektiver sein muss, wenn er besser funktionieren soll. Wenn wir die Steuerfrage vor diesem Hintergrund betrachten und berücksichtigen, dass wir gerade erst begonnen haben, die Krise zu überwinden, dann denke ich, dass die überstürzte Einführung von Steuern nicht die richtige Vorgehensweise ist. Ich sage das, weil ich glaube, dass der Markt bereits jetzt schon genug Lasten trägt – wie die neuen Kapitalanforderungen und die neuen Einlagensicherungssysteme –, deren Wirkung wir noch nicht verspüren. Angesichts der Tatsache, dass wir alle uns einig sind, dass die Einführung einer weltweiten Steuer nahezu unmöglich sein wird, da es für Europa nicht möglich sein wird, in dieser Angelegenheit als alleiniger Akteur zu handeln, bin ich daher der Ansicht, dass wir die Folgen berücksichtigen sollten, die diese europäische Steuer mit sich bringen wird. Wir müssen darüber nachdenken, wie der Arbeitsmarkt beeinflusst werden wird, wie wir mehr Arbeitsplätze schaffen werden, wie wettbewerbsfähig wir als europäischer Markt, der mit internationalen Märkten konkurriert, bleiben können. Meine Partei, die ich hier vertrete, schiebt dieser Angelegenheit keinen Riegel vor, obwohl wir nicht der Meinung sind, dass der Weg aus dieser Krise durch die Einführung einer Steuer erreicht werden kann. Wir sagen, dass wir die Auswirkungen bewerten sollten. Wir sollten uns die Studien ansehen, die durchgeführt worden sind, wir sollten darüber nachdenken, wie das die europäische Wirtschaft beeinflussen wird, und wenn sich aufgrund all dieser Fakten herausstellen sollte, dass diese Steuer doch von Vorteil sein wird, dann werden wir ihrer Einführung zustimmen. Zu diesem Zeitpunkt halten wir jedoch an unserer Meinung fest, dass neue Steuern inakzeptabel sind.

 
  
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  Jean-Pierre Audy (PPE).(FR) Herr Präsident! Zunächst möchte ich die Arbeit unserer Berichterstatterin, Frau Podimata, loben sowie die harte Arbeit, die Frau Hübner im Namen unserer Fraktion geleistet hat.

Wir alle sind mit den Daten zur Finanztransaktionssteuer vertraut. Die Daten besagen erstens, dass Transaktionen und Spekulationen sich auf den 80- bis 100-fachen Wert der Realwirtschaft belaufen. Sie zeigen zweitens, dass wir die Millenniums-Entwicklungsziele haben – Armut, Wasser, Wälder, Infrastruktur, Bildung und Gesundheit –, die noch finanziert werden müssen und für die bis 2015 300 Mrd. USD benötigt werden.

Daher befürworten wir diese Steuer, aber wenn sie morgen zur Abstimmung gestellt wird, wird eine überwältigende Mehrheit notwendig sein. Ausflüchte zu machen, wäre das Gefährlichste, was das Parlament tun könnte. Es wird eine überwältigende Mehrheit benötigt, und die Steuer muss eine Gemeinschaftssteuer sein, und keine zwischenstaatliche Steuer.

Was die Eurobonds angeht, so gibt es drei Kategorien. Die erste Kategorie wird wahrscheinlich zur Finanzierung von Staatsschulden genutzt werden, was ein Fehler ist, weil wir nie eine politische Mehrheit dafür gewinnen werden, die Schulden von Mitgliedstaaten in der ganzen Europäischen Union zu finanzieren. Die zweite Kategorie könnte den Mechanismus zur Krisenbewältigung finanzieren, der zu einem ständigen Mechanismus geworden ist. Dafür brauchen wir in der Tat Eurobonds. An dieser Stelle möchte ich auf die Frage der politischen und demzufolge parlamentarischen Kontrolle dieser Eurobonds verweisen. Dritter und letzter Punkt: Ja, wir brauchen wir diese Eurobonds für Investitionen. Ein Kontinent, der nicht investiert, ist ein Kontinent, dessen Niedergang bevorsteht. Auf der ganzen Welt investieren die verschiedenen Kontinente. Daher brauchen wir diese Eurobonds und diese Projektanleihen.

 
  
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  Sławomir Witold Nitras (PPE). (PL) Herr Präsident! Ich möchte nicht die Argumente meiner Vorredner, meiner Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion, wiederholen. Ich möchte nur eine Anmerkung machen.

Es ist wahr, dass die Steuer auf Finanztransaktionen eine Steuer wäre, die an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden würde. Es ist wahr, dass die Einführung dieser Steuer ohne eine Durchführbarkeitsstudie (und es liegt uns keine derartige Studie vor) und nur auf europäischer und nicht auf globaler Ebene äußerst unverantwortlich wäre.

Ich möchte noch eine weitere Anmerkung machen. Ich habe vergessen, Frau Podimata sowie Frau Hübner zu danken, ohne deren Arbeit der Ausschussbericht bedeutend schlechter ausgefallen wäre. Und der Bericht ist wirklich gut ausgefallen. Er ist ausgewogen und nüchtern und beinhaltet einige Themen, die berücksichtigt werden sollten, aber ohne ideologische Exkurse und Ideen, die keine Verbindung zur realen Welt haben.

Ich möchte jedoch noch eine weitere Anmerkung zur Transaktionssteuer machen. Nicht nur weltweit, sondern auch in Europa gibt es Länder, zu denen auch mein Heimatland gehört, deren Bankensystem sich während der Finanzkrise als zuverlässig erwiesen hat. In Polen haben wir das Finanzsystem nicht bezuschusst. Unser Finanzsystem wurde bereits von unserer Finanzaufsichtsbehörde überwacht, und es waren bereits Vorschriften in Kraft, die erst jetzt auf europäischer Ebene eingeführt werden. Es hat sich gezeigt, dass dieses System zu keiner Anhäufung von Schulden geführt hat. Die Idee der Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen wird außerdem gesunde Systeme belasten, die an der Situation keine Schuld tragen. Ich als europäischer Bürger, der Systeme kennt, die keine Kosten verursacht haben, kann dem nicht zustimmen.

Nur noch eine Anmerkung zu den Eurobonds. Das ist eine gute Idee. Wir müssen Investitionen finanzieren, aber bereits jetzt, am Anfang dieses Weges, gibt es eine Frage, die ich insbesondere der Europäischen Kommission stellen möchte, die dieser Frage nachgehen wird: Wie stellen wir sicher, dass dieses Instrument auch alle jene Länder umfassen wird, die im Laufe der Zeit dem Euroraum beitreten wollen, und nicht nur die aktuellen Mitglieder des Euroraums?

 
  
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  Sari Essayah (PPE).(FI) Herr Präsident! Die Finanzkrise hat zur Folge, dass wir gerechte Einkommensquellen in Betracht ziehen müssen, um Wachstum und Wohlstand zu erreichen. Der Bericht enthält sowohl hilfreiche als auch problematische Initiativen. Was im Bericht problematisch ist, ist der Vorschlag von EU-Projektanleihen oder von Eurobonds, die ich vollkommen ablehne. Eurobonds würden dazu führen, dass die Verantwortung, die die Mitgliedstaaten für ihre eigenen Volkswirtschaften tragen, abgeschwächt würde und dass den Mitgliedstaaten, die sich erfolgreich um ihre Angelegenheiten gekümmert haben, die höheren Zinszahlungen aufgebürdet würden. Sie würden ein „subjektives Risiko“ beinhalten, wie man sagt.

Dennoch unterstütze ich diese „Börsenabgabe“, die Finanztransaktionssteuer, zu der wir so schnell wie möglich von der Kommission eine Folgenabschätzung erhalten sollten. Ich könnte sogar den hier anwesenden Kommissar fragen: Wann könnten wir diese Folgenabschätzung bekommen?

Es ist außerdem gut, dass dieser Bericht der Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit große Aufmerksamkeit widmet, weil diejenigen, die sicherlich am wenigsten für diese Situation verantwortlich gemacht werden können, also die Menschen in den Entwicklungsländern, Gefahr laufen, von den Auswirkungen der Finanzkrise aus humanitärer Sicht am härtesten betroffen zu sein. Die Ärmsten der Armen der Welt müssen leiden, weil einige Länder in einer wirtschaftlichen Rezession ihre Entwicklungshilfe kürzen und sogar ihre humanitäre Soforthilfe.

Im Bericht werden wir außerdem zu Recht auf die Wichtigkeit nicht nur der Entwicklungszusammenarbeit hingewiesen, sondern auch der Maßnahmen, die die Entwicklungsländer selbst ergreifen. Diese Länder müssen ihre Anstrengungen auf dem Gebiet des Steuerwesens verstärken, insbesondere bei der Steuererhebung und dem Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die EU sollte indessen die Koordinierung des momentan fragmentierten Systems der Entwicklungshilfe verbessern und den Kampf gegen Steueroasen verstärken.

 
  
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  Damien Abad (PPE).(FR) Herr Präsident! Wir mögen zwar gerade eine der schlimmsten Finanzkrisen bewältigt haben, die die Welt seit 1929 erlebt hat, aber das heißt nicht, dass Europa sich entspannt zurücklehnen kann.

Was ich sagen will, ist, dass die Regulierung des internationalen Finanzsystems und die Idee einer Finanztransaktionssteuer keine Themen der politischen Linken sind. Das ist keine rein sozialistische Frage. Es ist ein Thema, das das gesamte Parlament betrifft. In diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass es eine Schande ist, dass die sozialdemokratische Fraktion zu einem Zeitpunkt, da alle Fraktionen in der Lage sind, zusammenzukommen und sich auf zwei Vorschläge zu einigen, einen alternativen Entschließungsantrag eingereicht hat. Der erste Vorschlag beinhaltet die Unterstützung des Prinzips einer weltweiten Finanztransaktionssteuer, in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der G20 und deren aktuellen Fahrplan. Der zweite beinhaltet die Prüfung der Möglichkeit, nach der Durchführung einer Folgenabschätzung die Finanztransaktionssteuer nur in der EU einzuführen. Die Folgenabschätzung ist nicht dazu da, um die Dinge zu verzögern oder uns mehr Zeit zu geben: Sie ist einfach dazu da, um sicherzustellen, dass diese Steuer unter den richtigen Bedingungen eingeführt wird.

Ich denke, dass es eine Schande ist, dass parteipolitische und Einzelinteressen uns daran hindern, im Europäischen Parlament einen klaren Kurs zu verfolgen. Ich denke, dass das Thema der Regulierung des internationalen Finanzsystems zu ernst ist, um es zu einer parteipolitischen Angelegenheit zu machen, und ich denke, dass die Parteien der politischen Rechten und der politischen Mitte ebenso wie die Linke etwas zu diesem Thema beitragen könnten: Sie könnten die Debatten beeinflussen, sie könnten mutig sein und Verantwortungsbewusstsein zeigen, indem sie die Einführung dieser Steuer von einem pragmatischen und nicht von einem ideologischen Standpunkt aus vorschlagen.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE). – Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin für diesen Bericht danken.

Die beiden größten Probleme, mit denen die Europäische Union konfrontiert ist, sind eine hohe Arbeitslosigkeit und hohe Schuldenlasten. Gestern hat man sich in Dublin auf die Bildung einer neuen Regierung geeinigt – eine Regierung, die sich dem Ziel verschrieben hat, Irland aus einer der finstersten Stunden unserer Geschichte herauszuführen. Irland steht vor einer beispiellosen nationalen wirtschaftlichen Notsituation, eine Tatsache, der sich die Kolleginnen und Kollegen in diesem Parlament sehr wohl bewusst sind. Wir brauchen das Verständnis und die Unterstützung unserer Kolleginnen und Kollegen, um die Schwierigkeiten zu überwinden.

Die neue Regierung muss sich vielen Herausforderungen stellen, so muss sie etwa die Ergebnisse des zweiten Banken-Stresstests abwarten, die zum Ende des Monats erwartet werden, damit wir endlich das wahre Ausmaß des Problems erfahren. Diese Stresstests werden ein vernichtendes Urteil über die ineffektive Regulierung des europäischen – und auch des irischen – Bankensektors abgeben, aber, ich unterstreiche, vor allem des europäischen Bankensektors. Wir müssen unsere Lehren daraus ziehen. In Bezug auf die Beschäftigung werden wir uns darauf konzentrieren, die Menschen wieder in ein Arbeitsverhältnis zu bringen.

Zu den Themen, die im Bericht behandelt werden: Es werden drei Besteuerungsmaßnahmen vorgeschlagen. Die Finanztransaktionssteuer hat Potenzial, aber wir brauchen eine Folgenabschätzung – und ich begrüße die Anmerkungen des Kommissars zu diesem Thema –, bevor wir ein abschließendes Urteil fällen. Ich möchte anmerken, dass es bei der Besteuerung nicht um Bestrafung gehen sollte; es geht darum, auf eine gerechte und ausgewogene Art und Weise Ressourcen zu gewinnen.

Was die Eurobonds betrifft, noch einmal, es bestehen hier Möglichkeiten für große Infrastrukturprojekte. Diejenigen, die sich um das subjektive Risiko Sorgen machen, sollten sagen, dass, wenn wir eine gute wirtschaftspolitische Steuerung hätten, die Angst nachlassen sollte. Und schließlich die Kohlendioxidsteuer: Ich habe einige Bedenken in Bezug auf dieses Thema, aber zumindest erörtern wir diese sehr wichtigen Fragen in diesem Parlament, und morgen werden wir darüber abstimmen.

 
  
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  Jan Kozłowski (PPE). (PL) Herr Präsident! Die ehrgeizigen strategischen Ziele, die die Europäische Union sich gesetzt hat, erfordern beträchtliche Investitionen und Ressourcen. Andererseits hat die Wirtschaftskrise bei vielen Mitgliedstaaten bewirkt, dass sie nach neuen Wegen suchen, um Einsparungen vorzunehmen. Es ist schwierig, zwischen diesen beiden Tendenzen einen Ausgleich zu finden, weshalb ich es als wichtig und überlegenswert ansehe, innovative Finanzierungsmethoden zu finden.

Ich möchte jedoch die Aufmerksamkeit auf zwei besonders wichtige Fragen lenken. Erstens müssen die innovativen Finanzierungsmethoden als Ergänzung zum Haushaltsplan der Europäische Union angesehen werden. Sie sollten als Unterstützung für die ehrgeizigen Ziele der Europäischen Union betrachtet werden, aber nicht dazu verleiten, die Beiträge der Mitgliedstaaten zu senken. Zweitens sollte der Einfluss der vorgeschlagenen Finanzierungsmethoden auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas und auf die Arbeitslosenrate genau analysiert werden.

 
  
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  George Sabin Cutaş (S&D).(RO) Herr Präsident! Um die Ziele der Strategie Europa 2020 zu erreichen, sind umfangreiche Investitionen auf europäischer Ebene in Forschung, Bildung und Infrastruktur notwendig. Vor dem Hintergrund der Sparpolitik, die die europäischen Regierungen verfolgen, und der steigenden Defizite können diese Ziele nur mithilfe von alternativen Finanzierungsmethoden erreicht werden. Ich beziehe mich sowohl auf die Emission von gemeinsamen Eurobonds, durch die die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Defizite decken könnten und durch die ein Teil ihrer Schulden in europäische Schulden umgewandelt und die Aufnahme von niedrig verzinslichen Krediten erleichtert würde, als auch auf die Finanztransaktionssteuer.

Letztere würde dem Finanzsektor, dessen Tätigkeiten etwa 73 % des weltweiten BIP ausmachen, eine geringe Abgabe auferlegen, und wird dazu dienen, vor Finanzspekulationen abzuschrecken und die Regulierung der Märkte und Investitionen in europäische Projekte zu gewährleisten. Es ist notwendig, dass die EU ein starkes Signal aussendet, indem sie eine Lösung für die Finanzkrise findet, hauptsächlich durch die Einführung dieser Steuern.

 
  
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  Elena Băsescu (PPE).(RO) Herr Präsident! Eine Steuer auf Finanztransaktionen würde die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen, aber eine weltweite Steuer könnte – richtig angewendet – eine Möglichkeit sein, um zusätzliche Finanzmittel für globale Politiken zu erschließen. Um einen kohärenten Standpunkt zu haben, sollte die EU eine Folgenabschätzung der Einführung einer solchen Steuer durchführen. Die Studie sollte auch das mögliche Risiko beleuchten, dass Auslandsinvestitionen in weniger transparente Gebiete abgezogen werden. Es muss geprüft werden, inwieweit die in dem die in Betracht gezogenen Optionen als innovative Finanzmechanismen genutzt werden können. Solch eine Steuer sollte keine negativen Auswirkungen auf das Bankensystem haben. Die Vermeidung von möglichen Auswirkungen auf KMU und Einzelinvestitionen sind jedoch auch zwei sehr wichtige Aspekte.

Abschließend möchte ich betonen, dass nur eine Steuer auf finanzielle Aktivitäten auf europäischer Ebene realisierbar wäre. Auf diese Weise würden wir nur die Unternehmen besteuern, und nicht jeden, der an einer Finanztransaktion beteiligt ist.

 
  
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  Sylvana Rapti (S&D).(EL) Herr Präsident! Ich will nicht Danke sagen oder Anni Podimata gegenüber meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Was ich sagen will, ist: Sehr gut gemacht, weil sie zu einer Zeit, in der der Euro in einem sehr schlechten Zustand ist, die Bürde auf sich genommen hat, dem Europäischen Parlament einen Initiativbericht zu geben, der ein Heilverfahren vorschlägt. Das Heilverfahren, das er vorschlägt, beinhaltet eine Finanztransaktionssteuer.

Ich habe viele Menschen „nein“ sagen gehört: Einige haben es höflich gesagt, andere haben es auf direkte Weise gesagt. Ich habe jedoch keine alternativen Vorschläge gehört, und ich denke, dass wir die Europäische Union und den Euro verteidigen wollen. Ich habe auch von einer Studie gehört: Wenn ich jedoch Vorschläge für eine Studie höre, dann weiß ich im Voraus, dass die Antwort „nein“ sein wird, und nur auf Zeit gespielt wird. Spielen Sie nicht auf Zeit, Herr Kommissar. Handeln Sie sofort. Zum Abschluss des Catch-the-eye-Verfahrens sage ich Ihnen: catch the tax.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident! Meine Fraktion und ich unterstützen aus zwei Gründen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Erstens, weil sie notwendig und nützlich ist. Eine Steuerrate von 0,05 % würde Einnahmen von über 200 Mrd. EUR bringen. Zu einer Zeit, in der eine angeblich magische Sparpolitik paradoxerweise höhere Einnahmen erforderlich macht, denke ich, dass es dringend notwendig ist, die Steuer einzuführen. Sie ist unerlässlich.

Zweitens, weil sie es uns ermöglichen würde, gegen Spekulationen anzugehen und sie einzuschränken, die gegenwärtig eine enorme Herausforderung für die Politik weltweit und auf europäischer Ebene darstellen.

Es gibt einen weiteren Grund, weshalb ich diese Steuer unterstütze: weil Abertausende Bürgerinnen und Bürger, vertreten von einer großen Anzahl an Organisationen, es verlangen. Als politische Vertreter ist es unsere Pflicht, nicht nur zuzuhören, sondern auf verantwortungsvolle Weise und konsequent zu reagieren, und ich glaube, dass dieses Parlament sich morgen klar und überzeugend äußern muss.

 
  
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  Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident! Politiker sollen die Welt regieren, und wenn sie es nicht tun, dann wird diese Lücke von anderen gefüllt. Das ist teilweise das, was – nicht zuletzt in meinem Heimatland – während der Wirtschaftskrise passiert ist. Zum Glück gewinnen wir verlorenes Terrain wieder zurück, und das Parlament hat Anstrengungen unternommen, um zu versuchen, die Spekulanten in die Schranken zu weisen – diese Parasiten der Wirtschaft, die auf den Märkten und im Leben der Menschen verheerende Schäden angerichtet haben. Die Finanztransaktionssteuer ist als Grundlage eine gute Idee, aber wenn man sie nicht auch auf weltweiter Ebene einführen würde, würde das, wie Nigel Farage gesagt hat, einer Kamikaze-Wirtschaftspolitik gleichen.

Ich habe Änderungsantrag 3, in dem eine Durchführbarkeitsstudie gefordert wird, gerne mitunterzeichnet. Es ist richtig und klug, auf diese Durchführbarkeitsstudie zu warten, um zu prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, wenn wir unilateral, ohne den Rest der Welt, vorgehen. Sobald diese Durchführbarkeitsstudie vorliegt, können wir eine Entscheidung fällen.

 
  
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  Wojciech Michał Olejniczak (S&D). (PL) Herr Präsident! Die Steuer auf Finanztransaktionen ist sehr wichtig für die Zukunft der Europäischen Union. Diese Steuer wird zu einer besseren Kontrolle des Finanzsektors beitragen. In der Vergangenheit hat das Fehlen von angemessenen Kontrollen zu einer Krise geführt, zu vielen Schäden, die aufgrund von Spekulationen z. B. der Banken entstanden sind. Heute werden die Kosten der Krise auf die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union übertragen. In Polen wurde zum Beispiel die Mehrwertsteuer erhöht, was einen Anstieg der Lebenshaltungskosten für jede Familie bedeutet.

Die Einführung der Finanztransaktionssteuer wird bedeuten, gegen die Aktivitäten sogenannter Steuerparadiese vorzugehen. Zusätzlich zur disziplinierenden Wirkung auf den Finanzsektor, wird die Europäische Union überdies in der Lage sein, beträchtliche Summen aus ihren Eigenmitteln für die Entwicklung bereitzustellen. Mehr Geld im Haushalt der Europäischen Union bedeutet mehr Möglichkeiten, mehr Mittel für Wissenschaft, Bildung, Investitionen in neue Technologien, die Kohäsionspolitik und die Gemeinsame Agrarpolitik.

 
  
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  Jaroslav Paška (EFD). (SK) Herr Präsident! Ich stimme der Berichterstatterin zu, dass die Turbulenzen im Finanzsektor zu schwerwiegenden Problemen nicht nur für unsere Bürgerinnen und Bürger geführt haben, sondern auch für die Mehrzahl unserer Unternehmen. Daher ist es durchaus legitim, über eine Verbesserung der Regulierung des Umgangs mit den Ersparnissen der Bürgerinnen und Bürger Europas in Banken, Versicherungsunternehmen und anderen Finanzinstitutionen zu diskutieren.

Ein wichtiges Ergebnis der Debatte sollte jedoch sein, dass die verantwortungsvolle und sichere Verwaltung der Ersparnisse unserer Bürgerinnen und Bürger unterstützt wird und alle spekulativen und riskanten Transaktionen, in denen die Ersparnisse oder zukünftigen Renten von Kleinanlegern in die Taschen von Spekulanten wandern, unterbunden werden.

Das sollte vor allem bessere und umfassendere Rechtsvorschriften beinhalten, die weltweit anerkannt sind und die Spekulationen und Glücksspiele aus dem Finanzsektor verbannen, ohne den Sparern oder Kunden unnötig zu schaden. Wir sollten nicht über Sanktionen oder spezielle Steuern sprechen, solange wir nicht die gründliche Reform unseres Finanzsektors abschließen, dem heutzutage leider wenig Vertrauen entgegengebracht wird.

 
  
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  Angelika Werthmann (NI). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Strukturkrise, die wir wohl noch länger nicht überwunden haben werden, ist es unumgänglich, für ein sicheres Finanzumfeld zu sorgen, um die Spekulationen einzuschränken oder am besten gleich zu unterbinden. Innovative Finanzierungsinstrumente ergänzen die derzeit notwendige Sparpolitik und sollten dringend weltweit eingeführt werden. Entscheiden wir uns daher für eine Finanztransaktionssteuer mit einem Steuersatz von 0,05 %, könnten wir schon über ein Einnahmenpotenzial von fast 200 Milliarden EU-weit oder weltweit gar 650 Milliarden Euro verfügen. Mindestens ebenso positiv ist das Potenzial, dadurch die Finanzmärkte zu regulieren und transparenter zu gestalten. Also ein Schritt in die richtige Richtung!

 
  
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  Thomas Mann (PPE). - Herr Präsident! Um die Finanzmärkte zu stabilisieren, kommen wir um eine Finanztransaktionssteuer nicht herum. Wir brauchen sie, damit hochspekulative Exzesse endlich eingedämmt werden. Die Instabilität der Finanzmärkte ist zurückzuführen auf kurzfristige Anlagestrategien und auf Kurswetten bei hohem Einsatz von Fremdkapital. Solche Spekulationen müssen unattraktiv gemacht werden und langfristige Anlagestrategien endlich im Vordergrund stehen.

Die Steuer führt zu wichtigen Einnahmen, auf die wir angesichts kostspieliger EU-Rettungsschirme nicht verzichten können. Wir brauchen aber auch eine kluge Ausgestaltung der Steuersätze. Risikoärmere Wertpapiere müssen niedriger besteuert werden als risikoreichere. Selbst wenn die Finanz- und Bankensysteme weltweit unterschiedlich ausgestaltet sind, brauchen wir die globale Akzeptanz dieser Finanztransaktionssteuer. Sie trägt erheblich zur Verringerung der Schwankungen auf den Finanzmärkten bei und stellt Finanzgeschäfte endlich auf solidere Grundlagen.

 
  
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  Algirdas Šemeta, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Zunächst möchte ich Ihnen für diese sehr interessante Aussprache danken. Es gibt geteilte Meinungen in Bezug auf die Frage, ob die EU als einen ersten Schritt die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene ins Auge fassen sollte.

Die Zahlen, die kursieren, mögen attraktiv erscheinen. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir zuerst das Risiko der Standortverlagerung und die Folgen einer solchen Steuer auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit bewerten sollten. Wie Sie wissen, können Finanztransaktionen einfach in Länder außerhalb der EU verlagert werden. Frühere Beispiele wie in Schweden haben gezeigt, dass die Einführung der Finanztransaktionssteuer auf lokaler Ebene seriösen Unternehmen schaden und dazu beitragen könnte, dass die Besteuerungsgrundlage beträchtlich abnimmt. Herr Schmidt und Herr Hökmark haben das sehr klar veranschaulicht.

Wie ich in meiner Einführung gesagt habe, würde ich Ihnen raten, die Ergebnisse der Folgenabschätzung abzuwarten, um einen fundierten Standpunkt auf diesem Gebiet festzulegen. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Folgenabschätzung sehr gründlich durchgeführt werden wird. Sie wissen, dass wir im Februar eine öffentliche Konsultation zu diesem Thema eingeleitet haben. Ende März findet das Brüsseler Steuerforum statt, das ganz dem Thema der Besteuerung des Finanzsektors gewidmet sein wird. Wir arbeiten eng mit akademischen Partnern und dem IWF auf diesem Gebiet zusammen, das ich sehr gründlich analysiert sehen möchte, um Entscheidungen zu fällen, die sich auf solide Grundlagen stützen.

Die Fragen, um die es geht, sind sehr wichtig, und viele von ihnen wurden während dieser Diskussion aufgeworfen, wie die Auswirkungen auf den Hochfrequenzhandel. Mir müssen außerdem die Steuerinzidenz analysieren. Einige von Ihnen haben die Frage gestellt, wer die Steuer zahlen wird. Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Wir müssen auch die Verwaltungskosten analysieren; wir müssen die Besteuerungsgrundlage und viele andere Fragen untersuchen, die berücksichtigt werden müssen, um eine endgültige Entscheidung zu fällen.

Daher würde ich Sie bitten, zu warten, bis die Kommission die Folgenabschätzung abgeschlossen hat. Wir haben uns dazu verpflichtet, das vor der Sommerpause zu tun.

Ansonsten begrüße ich den Bericht, der die Maßnahmen der Kommission in Bezug auf die innovative Finanzierung generell unterstützt, insbesondere auf dem Gebiet der Kohlendioxidsteuer, der europäischen Projektanleihen und der Entwicklungsfinanzierung. Ich möchte noch einmal Frau Podimata für ihren ausgezeichneten Bericht danken und wünsche Ihnen für morgen eine gute Abstimmung.

 
  
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  Anni Podimata, Berichterstatterin.(EL) Herr Präsident! Nur einige Worte, um die heutige sehr interessante Aussprache zusammenzufassen, für die ich allen Rednern danke.

Erstens: eine globale oder eine europäische Steuer? Ich denke, dass dies die falsche Frage ist, oder vielmehr befürchte ich, dass dies die Frage ist, die diejenigen stellen, die die Steuer weder auf europäischer noch auf globaler Ebene wollen, weil wir alle wissen, dass es unmöglich ist, eine Einigung auf globaler Ebene zu erzielen, wenn nicht jemand den ersten Schritt macht. Um folglich in diesem Streben nach einer Einigung auf globaler Ebene glaubwürdig und effektiv zu sein, muss die EU, die den weltweit größten Finanzmarkt hat, den ersten Schritt machen.

Zweitens: die Folgenabschätzung. All diejenigen von Ihnen, die den Bericht über innovative Finanzierung gelesen haben, wissen, dass die Folgenabschätzung in einer Vielzahl von Punkten im Bericht angesprochen wird und dass wir zweifellos eine Folgenabschätzung brauchen; niemand bestreitet dies. Ich kann Ihnen jedoch nicht zustimmen, Herr Kommissar, wenn Sie uns selbst jetzt in Ihrer einführenden Erklärung auffordern, uns bitten, nichts zu tun, uns auf keinen Standpunkt festzulegen, bevor die Folgenabschätzung der Europäischen Kommission veröffentlicht worden ist. Ich befürchte außerdem, dass Sie sich, so wie Sie sich vor Kurzem geäußert haben, bereits für einen Standpunkt entschieden haben, trotz der Tatsache, dass keine Folgenabschätzung vorliegt, und trotz der Tatsache, dass wir keine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene einführen sollten. Selbstverständlich brauchen wir eine Folgenabschätzung, und wir wissen alle, dass dies der übliche Schritt ist, bevor ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet wird. Wir sollten uns jedoch nicht hinter Folgenabschätzungsanalysen verstecken, und wir sollten nicht unsere Rolle und unsere Aufgabe verraten, insbesondere nicht zu einer Zeit, in der wir für die Verteidigung der Gemeinschaftsmethode kämpfen, womit ich die Rolle des Europäischen Parlaments bei der Entscheidungsfindung meine. Die politische Entscheidung darüber, ob wir eine Steuer auf europäischer Ebene wollen oder nicht, liegt bei uns und beim Rat, wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel uns vergangene Woche erinnert hat. Wir müssen sicherstellen, dass wir von den Ereignissen nicht überrollt werden.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Stimmabgabe findet am Dienstag, den 8. März 2011 um 12 Uhr mittags statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Ivo Belet (PPE), schriftlich.(NL) Heute sendet das Europäische Parlament ein starkes Signal an die G20 aus, aber insbesondere auch an die europäischen Staats- und Regierungschefs. Wir waren immer für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf globaler Ebene und werden das auch immer bleiben, aber wenn das kurzfristig nicht erreicht werden kann, dann sollte die EU unabhängig vorgehen und ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Wir gehen davon aus, dass die Kommission in Kürze eine Studie und danach einen konkreten Legislativvorschlag vorlegen wird.

Eine Finanztransaktionssteuer ist das beste Instrument zum Schutz vor Spekulationen auf den Märkten und für die Finanzierung von globalen Kollektivgütern. Gleichzeitig könnte sie aber auch ein effektives Instrument für die Unterstützung einer proaktiven Wirtschaftsbelebung in Europa sein. An dieser Stelle möchte ich auch sagen, dass diejenigen, die immer behaupten, dass das Projekt der europäischen Integration ein antisoziales Projekt ist, sich von jetzt an vielleicht etwas zurückhalten sollten. Denn, um es mit den Worten von Oxfam zu sagen: „Das Europäische Parlament hat heute durch seine Forderung nach einer europäischen Robin-Hood-Steuer weltweit Maßstäbe gesetzt.“

 
  
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  Proinsias De Rossa (S&D), schriftlich. – Ich unterstütze diesen Bericht, in dem die EU aufgefordert wird, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf globaler Ebene zu fördern, und falls ihr das nicht gelingt, eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene einzuführen. Die spektakuläre Zunahme von Finanztransaktionen in der globalen Wirtschaft in den letzten zehn Jahren – das Volumen erreichte 2007 insbesondere infolge des Booms im Derivatemarkt ein Niveau, das 73,5-mal höher war als das globale BIP – macht deutlich, dass immer weniger ein Zusammenhang zwischen Finanztransaktionen und den Erfordernissen der Realwirtschaft besteht. Der Finanzsektor ist zu gering besteuert. Bemerkenswerterweise unterliegen die meisten Finanzdienstleistungen nicht der Mehrwertsteuer. Es müssen Maßnahmen eingeleitet werden, um die Einnahmen aus diesem Sektor zu erhöhen und zu einer Verlagerung der Steuerlast von den Arbeitnehmern beizutragen. Der Großteil der Kosten der Krise wurde bislang von den Steuerzahlern getragen. Die Finanzinstitutionen und ihre Akteure, die jahrelang von übermäßig hohen Eigenkapitalrenditen und Bonuszahlungen profitiert haben, müssen einen gerechten Anteil an diesen Kosten übernehmen. Es wird geschätzt, dass eine Finanztransaktionssteuer mit einem geringen Steuersatz in der EU jährlich fast 200 Mrd. EUR und weltweit 650 Mrd. USD einbringen und auf diese Weise einen wesentlichen Beitrag des Finanzsektors zu den Kosten der Krise und zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen darstellen könnte.

 
  
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  Kinga Göncz (S&D), schriftlich.(HU) In Zeiten angespannter finanzieller Verhältnisse gibt es wohl kaum naheliegendere Ressourcen zum Erreichen unserer gemeinsamen europäischen Ziele als Steuern auf Finanztransaktionen auf internationaler oder europäischer Ebene, die Eurobonds, die europäischen Projektanleihen und andere innovative Finanzinstrumente. Wenn es uns mit unseren Entschließungen und den in der Strategie EU 2020 festgelegten Zielen ernst ist, dann müssen wir die neuen Finanzierungsinstrumente unterstützen, die es uns ermöglichen, diese zu erreichen. Es sind neue Ressourcen notwendig, um Energie- und Transportnetze zu entwickeln, den Klimawandel zu bekämpfen und Maßnahmen zu finanzieren, die zur sozialen Eingliederung beitragen sollen. Diese Ressourcen sollten die Steuerzahler, die bereits jetzt unter den Folgen der Sparmaßnahmen leiden, nicht zusätzlich belasten. Nach Meinung von Finanzexperten kann eine Finanztransaktionssteuer, die das Ausmaß der Spekulationen und die übermäßige Risikobereitschaft bei den Finanzinstitutionen einschränkt – für die sich die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament lange eingesetzt hat –, auf europäischer Ebene eingeführt werden, ohne dass der Finanzsektor aus Europa vertrieben würde. Eine Finanztransaktionssteuer in Höhe von 0,05 % würde jährlich 200 Mrd. EUR zum Haushalt beitragen. Andere innovative Finanzierungsmaßnahmen wie die Emission von Eurobonds könnten auch zur Erhöhung der Haushaltseinnahmen beitragen.

 
  
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  Cătălin Sorin Ivan (S&D), schriftlich.(RO) Nachdem wir die Finanzkrise durchlebt haben, die die Volatilität der Aktien der Finanzinstitutionen offenbart hat, haben wir es als notwendig befunden, eine Steuer auf Finanztransaktionen auf europäischer Ebene einzuführen, ein Thema, dass auch der Europäische Rat ausführlich diskutiert hat.

Das ist zum Großteil das Verdienst der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament, der auch die designierte Berichterstatterin angehört. Es ist uns gelungen, ein starkes Signal auszusenden, insbesondere dadurch, dass wir den problematischsten Änderungsantrag angenommen haben, der auf die Einführung der Steuer auf europäischer statt auf globaler Ebene abzielt. Auf diese Weise haben wir unsere guten Absichten und unsere feste Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahmen in der EU eine größere Wirkungskraft entwickeln und messbare und unmittelbare Vorteile einbringen können. In diesem Zusammenhang muss ich wiederholen, dass die von den konservativen Regierungen stark forcierte Sparpolitik höchst ungerecht und auch demagogisch ist, zumal die Wirtschaftskrise nicht durch die einfachen Bürger verursacht worden ist, sondern durch die Institutionen des Finanz- und Bankenwesens, die ein übermäßig liberales Konzept des Finanzsystems vertreten haben. Man muss wieder eine größere Gerechtigkeit anstreben, und daher ist diese Steuer die beste Maßnahme, über die wir verfügen.

 
  
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  Alfredo Pallone (PPE), schriftlich. (IT) Diese Diskussion ist auf ethischer, politischer und sogar auf technischer Ebene faszinierend. Das Problem ist, dass die Umsetzung nicht auf einem begrenzten Gebiet erfolgen kann: Man muss sich auf die Lösung gemeinsam und auf Ebene der G20 einigen, denn wenn sie nicht von allen umgesetzt wird, dann wird sie zu einem Bumerang, der zwangsläufig eine Verlagerung der Finanztransaktionen zur Folge hätte. Wir sind nicht hier, um Spekulanten zu verteidigen, oder diejenigen, die auf den Finanzmärkten wie in einem Spielkasino gespielt haben, aber andererseits können wir keine Maßnahmen einleiten, die teilweise durch Demagogie beeinflusst wurden, nur um das Gesicht zu wahren; Maßnahmen, die dann in der Praxis einen größeren Schaden verursachen, als den, den wir verhindern wollten. Wir sollten uns daher nicht von ausschließlich ideologischen Gründen leiten lassen, und uns stattdessen die Fakten ansehen. Wir alle sind uns einig, dass es notwendig ist, den Spekulationen um ihrer selbst willen Einhalt zu gebieten und das Verursacherprinzip einzuführen, aber um dies zu tun, ist es notwendig, eine Herangehensweise zu wählen, die auf gut fundierten Daten, Zahlen und einer statistischen Analyse basiert. Wir müssen eine Lösung finden, die die Notwendigkeit berücksichtigt, eine gewisse Art von Spekulationen einzudämmen. Und wir müssen die EU daran hindern, sich vom globalen Markt zurückzuziehen, was zu einer Zeit, in der wir investieren müssen und in der wir versuchen müssen, die Krise zu überwinden, mehr Probleme verursachen würde.

 

18. Übereinkommensgebiet der GFCM (Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer) (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Crescenzio Rivellini im Namen des Fischereiausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Vorschriften für die Fischerei im Übereinkommensgebiet der GFCM (Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer) (KOM(2009)0477 – C7-0204/2009 – 2009/0129(CNS)) (Α7-0023/2011).

 
  
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  Crescenzio Rivellini, Berichterstatter.(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Ziel dieses Verordnungsvorschlags ist es, einen Teil der Empfehlungen der Allgemeinen Kommission für die Fischerei im Mittelmeer (GFCM) zu integrieren, um die Rechtssicherheit zu verbessern und einen wichtigen Schritt hin zu einer Vereinfachung zu machen.

Bisher wurden die von der GFCM verabschiedeten Empfehlungen durch jährliche Verordnungen über die Fangmöglichkeiten provisorisch in EU-Recht übertragen. Die unbefristet geltenden Empfehlungen müssen durch ein dauerhafteres Rechtsinstrument in Gemeinschaftsrecht umgesetzt werden. Daher ist es angebracht, die Empfehlungen mit einem einzigen Rechtsakt umzusetzen, in den künftige Empfehlungen in Form von Änderungen eingefügt werden können.

Inhaltlich werden bei den von der GFCM ausgesprochenen Empfehlungen in Titel II (Technische Maßnahmen) des Vorschlags für eine Verordnung die im Golf von Lyon anwendbaren Fanggeräte bestimmten Beschränkungen unterworfen (Artikel 5), und zwar in Bezug auf die Erteilung von Genehmigungen für die zulässigen Fangtätigkeiten und den Schutz der natürlichen Lebensräume.

Außerdem erhalten Fischereifahrzeuge, die Goldmakrelen befischen dürfen, eine spezielle Fangerlaubnis und werden in ein Verzeichnis aufgenommen, das der betreffende Mitgliedstaat der Kommission zu übermitteln hat (Artikel 13). Im Vorschlag für eine Verordnung wird detailliert die Mindestmaschengröße der im Mittelmeer (Artikel 15) und der im Schwarzen Meer eingesetzten Netze (Artikel 16) beschrieben und der Einsatz von Dredgen und Schleppnetzen in einer Tiefe von mehr als 1000 Metern verboten (Artikel 17).

Titel III ist den Kontrollmaßnahmen gewidmet. Diese beinhalten die Anforderung, dass jeder Mitgliedstaat der Kommission auf dem üblichen elektronischen Datenträger eine aktualisierte Liste der Schiffe mit einer Gesamtlänge von mehr als 15 Metern, die seine Flagge führen, in seinem Hoheitsgebiet registriert sind und aufgrund einer Fanggenehmigung berechtigt sind, im GFCM-Gebiet zu fischen, übermitteln muss (Artikel 18).

Kapitel 2 umfasst Hafenstaatmaßnahmen. Diese gelten für Fischereifahrzeuge aus Drittländern, die bei ihren Anlandungen und Umladungen inspiziert werden können (Artikel 21). Darüber hinaus können Mitgliedstaaten einem Drittlandschiff die Nutzung seiner Häfen verweigern, wenn das Schiff nicht die Flagge einer GFCM-Vertragspartei führt, wenn es illegale, ungemeldete und unregulierte (IUU) Fischerei betrieben hat oder wenn das Schiff keine gültige Genehmigung für den Fischfang hat (Artikel 23).

Laut Titel IV (Zusammenarbeit, Information und Berichterstattung) des Vorschlags für eine Verordnung sollen die Kommission und die Mitgliedstaaten mit dem Exekutivsekretär der GFCM zusammenarbeiten und Informationen austauschen (Artikel 24); ferner sollen die Mitgliedstaaten dem Exekutivsekretär der GFCM die statistischen Matrizes innerhalb der vorgesehenen Fristen übermitteln (Registernummer der Schiffe, Kapazität, Bruttoregistertonnen, PS-Zahl usw.).

Was die Bestimmungen von Titel V (Schlussbestimmungen) angeht, hat die Kommission insbesondere nach Artikel 28 mit Erlaubnis des Europäischen Parlaments und des Rates die Möglichkeit, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Bestimmungen, die nichtwesentliche Teile des jeweiligen Legislativakts betreffen, mit delegierten Rechtsakten zu ändern.

Ferner merken wir an, dass die Vertragsparteien des GFCM-Übereinkommens bis zum Datum, das die GFCM festgelegt hat, für eine vollständige Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen sorgen müssen. Es ist daher eine rechtzeitige Umsetzung in EU-Recht notwendig, damit solche internationalen Maßnahmen für natürliche oder juristische Personen auf EU-Ebene direkt anwendbar werden und damit in dieser Hinsicht die Rechtssicherheit gewährleistet ist.

Da es jedoch hier um einen langen Zeitraum geht, scheint das ordentliche Gesetzgebungsverfahren in diesem besonderen Fall zu umfangreich für die mit der Umsetzung der Abänderungen der Bestimmungen von Artikel 28 verbundenen Fragen, die ich nicht für entscheidend halte und die bereits mit den Mitgliedstaaten in der Arbeitsgruppe, im Rat und während der eigentlichen Sitzung erörtert und vereinbart worden sind, bevor sie auf der Jahrestagung der GFCM vorgeschlagen oder verabschiedet worden sind.

Die Tatsache, dass die Europäische Union nicht in der Lage ist, diese Umsetzung in EU-Recht innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums sicherzustellen, kann als eine Verletzung ihrer internationalen Verpflichtungen angesehen werden. Dies könnte wiederum die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union in Bezug auf die GFCM und andere internationale Fischereiorganisationen untergraben.

Das erweist der Europäischen Union einen schlechten Dienst und würde den Kritikern der EU zusätzliches Material liefern, die anbringen könnten, dass die Europäische Union mit Bagatellen ihre Zeit verschwendet, statt sich auf bedeutendere Fragen zu konzentrieren.

Und schließlich sei darauf aufmerksam gemacht, dass in das System der delegierten Rechtsakte wichtige Sicherheitsvorkehrungen eingebaut sind, wie die Möglichkeit für die beiden Mitgesetzgeber, das Parlament und den Rat, gegen bestimmte Rechtsakte, die die Kommission im Rahmen der ihr übertragenen Befugnisse verabschiedet hat, Einwände zu erheben, und die Möglichkeit, der Kommission die übertragenen Befugnisse vollständig zu entziehen, wenn sie nicht zufrieden damit sind, wie diese Befugnisse durch die Kommission genutzt werden.

Aus diesem Grund glaube ich, dass Artikel 28 zu den delegierten Rechtsakten ein guter Kompromiss ist, der auf jeden Fall noch einmal in zweiter Lesung mit dem Rat erörtert wird, um eine endgültige Einigung zu erzielen. Diese Herangehensweise steht im Einklang mit dem Bericht de Brún zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 998/2003 über die Veterinärbedingungen für die Verbringung von Heimtieren sowie mit dem Bericht Romeva über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Fangdokumentationsregelung für Roten Thun.

 
  
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  Der Präsident. (bezieht sich auf die Tatsache, dass Herr Rivellini die ihm ursprünglich zugewiesene Redezeit verlängern durfte) Herr Rivellini, ich erwarte jetzt von Ihnen, dass Sie in Ihrem Büro ein großes Foto von mir aufhängen. Ich kann Ihnen eines schicken – und ich kann es auch signieren –, als Dank dafür, was heute passiert ist.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich würde kein Foto von Ihnen aufhängen, deshalb werde ich mich kurzfassen müssen.

Zunächst möchte ich Herrn Rivellini für seine Arbeit an diesem Bericht danken. Ich bin über die nachdrückliche Unterstützung des Fischereiausschusses und des Parlaments für den Kern dieses wichtigen Vorschlags sehr erfreut. Es fällt mir nicht schwer, der umfangreichen Präsentation von Herrn Rivellini zuzustimmen. Ich stimme auch darin überein, dass die Umsetzung verschiedener Maßnahmen, die die GFCM verabschiedet hat, ein entscheidender Faktor dafür ist, eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Mittelmeer zu gewährleisten.

Wir müssen das tun, weil das Mittelmeer das wirklich braucht. Wir müssen das tun, wenn wir die biologische Vielfalt im Mittelmeer erhalten und sicherstellen wollen, dass es nicht zu einem toten Meer wird. Lassen Sie mich nur eine institutionelle Frage ansprechen, die Herr Rivellini auch angesprochen hat.

Wie Sie wissen, erhalten die Empfehlungen der GFCM ab dem von der GFCM bestimmten Datum für die Europäische Union und, gemäß dem Vertrag, für die Mitgliedstaaten rechtsverbindlichen Charakter. Es ist daher eine rechtzeitige Umsetzung in EU-Recht notwendig, damit diese internationalen Maßnahmen für natürliche oder juristische Personen auf EU-Ebene direkt anwendbar werden und um damit in dieser Hinsicht die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Wir müssen verhindern, dass die Übernahme der GFCM-Maßnahmen zu einer Sisyphusarbeit wird. Die Umsetzung der Maßnahmen, die die GFCM in den vergangenen Jahren verabschiedet hat, hängen jetzt noch von der Verabschiedung dieser Verordnung ab. Aber die GFCM wird höchstwahrscheinlich schon bald neue Abänderungen verabschieden, die innerhalb einer festgelegten Frist effektiv in EU-Recht umgesetzt werden müssen. Wir werden diese Übung also immer wieder durchführen müssen.

Deshalb glaube ich, dass der Kommission Befugnisse für die Übernahme aller zukünftigen Änderungen in EU-Recht übertragen werden sollten. Ich mache mir große Sorgen, dass die Begrenzung der Befugnisse, die der Kommission übertragen werden, das Risiko einer nicht fristgerechten Übernahme erhöht. Das müssen wir verhindern. Es geht hier nicht darum, die Kompetenzen des Europäischen Parlaments in Bezug auf diese Fragen zu unterlaufen, aber wir brauchen eine rechtzeitige Übernahme. Ich befürchte, dass dies durch dieses Verfahren nicht möglich sein wird.

Daher bedauere ich es, dass die Institutionen sich in Bezug auf diese wichtige Frage nicht einigen können. Ich möchte unterstreichen, dass solche Verzögerungen die Fähigkeit der EU beeinträchtigen würden, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und außerdem die Glaubwürdigkeit der EU in unseren internationalen Fischereiorganisationen untergraben würden.

Ich glaube jedoch, dass wir die Verabschiedung dieser Verordnung rasch vorantreiben müssen, und begrüße daher den Standpunkt, den das Europäische Parlament vertritt, als Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass weitere ähnliche Schritte es uns ermöglichen werden, die Blockade der Verhandlungen über den Vorschlag aufzulösen und seine Verabschiedung voranzutreiben. Gleichzeitig ist es notwendig, weiterhin über den effektivsten Weg zur Übernahme der von regionalen Fischereiorganisationen eingeführten Maßnahmen in EU-Recht nachzudenken.

Wir unsererseits werden weiterhin nach besseren Lösungen suchen und laden Sie ein, sich unseren Bemühungen anzuschließen. Ich möchte noch einmal Herrn Rivellini für den Bericht und dem Ausschuss für seine Anstrengungen in Bezug auf dieses sehr wichtige Thema danken.

 
  
  

VORSITZ: EDWARD McMILLAN-SCOTT
Vizepräsident

 
  
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  Alain Cadec, im Namen der PPE-Fraktion.(FR) Herr Präsident, zuallererst möchte ich sagen, dass es uns hier in Straßburg wirklich gut geht. Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, ich möchte zunächst Herrn Rivellini für seinen Bericht danken und für seine Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission seit 2009.

Da er – während der Vertrag von Lissabon und die neue Verordnung zu den Durchführungsmaßnahmen in Kraft getreten sind – auf Eis gelegt worden war, setzt dieser Bericht nun die Empfehlungen um, welche die Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer (GFCM; General Fisheries Commission for the Mediterranean) bei der ersten Lesung angenommen hat.

Die von der GFCM angenommenen Empfehlungen bestehen darin, dass die Fangtätigkeit im Golf von Lyon bestimmten Beschränkungen unterworfen wird, und zwar bezüglich der anwendbaren Fanggeräte, der Erteilung von Genehmigungen für die zulässigen Fangtätigkeiten und den Schutz der natürlichen Lebensräume. Dieser Bericht ist von elementarer Wichtigkeit, da er für das Mittelmeer Fischereisperrgebiete festlegt.

Im Hinblick auf die eingesetzten Netze gibt der Text detailliert die im Mittelmeer und im Schwarzen Meer anzuwendende Mindestmaschengröße an und verbietet den Einsatz von Dredgen und Schleppnetzen in einer Tiefe von mehr als 1 000 Metern. Diese Maßnahme freut mich natürlich.

Für bestimmte Schleppnetze werden die folgenden Mindestmaschenöffnungen festgelegt: entweder Netze mit Quadratmaschen von 40 mm am Steert oder, auf ordnungsgemäß begründeten Antrag des Schiffseigners, ein 50-mm-Rautenmaschennetz mit einer anerkannten Größenselektivität, die der von Netzen mit Quadratmaschen von 40 mm mindestens gleichwertig oder höher ist.

Der Berichterstatter hat auch um eine dringend benötigte Überprüfung der gegenwärtigen Verordnung zu den Durchführungsrechtsakten sowie um eine deutliche Klärung der Position des Parlaments zu diesem Thema gebeten. Dies ist auch, wovon Sie, Frau Kommissarin, gerade gesprochen haben.

Die Kommission muss dem Parlament und dem Rat bis zum 30. Juni 2012 einen Bericht über die Umsetzung dieser Bestimmung, zu der sie Anpassungen vorschlagen muss, vorlegen.

Ich hoffe, dass dieser Bericht noch vor der zweiten Lesung dieses Textes vorliegen wird.

 
  
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  Kriton Arsenis, im Namen der S&D-Fraktion.(EL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Mittelmeer stellt einen sehr kleinen Teil unseres Planeten dar und macht lediglich 1 % der Meere aus, aber es ist sehr reich: es beherbergt 8 % bis 9 % der biologische Vielfalt der Meere. Die Hälfte aller europäischen Fangschiffe fischen im Mittelmeer, 60 % der Arbeit und der Beschäftigung in der Fischereiindustrie entfallen auf das Mittelmeer, und leider sind 54 % der Fische überfischt, und bei 32 % bis 36 % der Fischbestände ist die biologische Grenze überschritten. Was ist schuld daran? Offenbar, dass die Gemeinsame Fischereipolitik bis heute versagt hat, dass bei vielen Gelegenheiten unsere gemeinsamen Entscheidungen nicht umgesetzt wurden, und schuld sind vor allem die ohne Rücksicht auf die wissenschaftlichen Daten getroffenen Entscheidungen, Entscheidungen, die wir subjektiv treffen und die auf schlecht zu Ende gedachten nationalen Interessen basieren.

Im Jahr 2006 versuchte die Kommission, das Problem des Mittelmeeres zu korrigieren. Wir bekamen die Verordnung zur Fischerei im Mittelmeer, aber das, was wir, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, tun, führt nicht zu einem Ende der Probleme. Die Fischerei im Mittelmeer und die künftigen Bestände hängen davon ab, was alle Mittelmeerländer, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union, für diese gemeinsame Ressource tun, und wenn wir nicht gemeinsam handeln, ist diese Ressource unmittelbar bedroht.

Wir fahren fort mit der ersten Lesung dieses Berichtes, und zu meinem Bedauern muss ich sagen, dass der Rat, welcher diesem Hohen Haus heute fernbleibt, bei der Frage nach der Umsetzung der Durchführungsmaßnahmen seltsam beharrlich war. Der Rat muss einsehen, dass der Vertrag von Lissabon umgesetzt werden muss. Außerdem sollte er das Recht des Parlamentes, an diesen Entscheidungen beteiligt zu werden und die delegierten Rechtsakte akzeptieren.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, die Umsetzung der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) in den letzten beiden Jahrzehnten hat gezeigt, dass sich die Doppelmoral im Fischereimanagement Europas nur endlos fortsetzt, wenn man sich mit der Fischerei im Mittelmeer separat mittels Verordnungen zur Maschengröße auseinandersetzt: Atlantik gegen Mittelmeer.

Dies hat zu einem chronischen Status Quo mit Misswirtschaft, mangelnder Durchsetzung und einer Überfischung des Mittelmeeres geführt. Nur wenn wir die Akteure des Mittelmeeres – vom Fischer bis hinauf zur Regierung – ebenso in die Verantwortung nehmen wie ihre Kollegen im Atlantik, so dass alle den gleichen Standards und formalen Prozessen unterliegen, können wir uns entscheidend von der Vergangenheit lösen. Weder die Tiefseeökosysteme und Fischbestände des Mittelmeeres, noch die Fischer und die Gesellschaft als Ganzes können sich ein erneutes Versagen der GFP leisten, wenn es darum geht, die Probleme der Fischerei im Mittelmeer umfassend zu lösen.

Die europäische Fischerei im Mittelmeer darf nicht länger als Sonderfall betrachtet werden, und alle Aspekte der neuen GFP müssen voll und ganz für sie gelten. Das bedeutet, dass die Erhaltungspolitik mit einem neuen und vollwertigen operativen System zur Steuerung des Fischereiaufwandes der Fischerei im Mittelmeer ausgestattet werden muss. Dies sollte die gleichen Standards für die Erhaltung herbeiführen wie das seit langem bestehende operative System, das für die Fischerei im Atlantik angewandt wird.

 
  
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  Ashley Fox, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident, zuerst möchte ich Kommissarin Damanaki für ihren kürzlich gemachten Vorschlag danken, der abstoßenden Praxis der Rückwürfe ein Ende zu setzen. In Zeiten, in denen die Fischbestände zurückgehen und in denen manch ein Mensch auf diesem Planteten nicht genug zu essen hat, ist es eine Schande, dass wir guten Fisch fangen, ihn töten und dann als Futter für die Möwen und Krabben zurück ins Meer werfen. Ich hoffe, dass diese Rechtsvorschriften unverzüglich umgesetzt werden, damit diese schändliche Praxis so bald wie möglich enden kann.

Neben der jüngsten Erklärung der Kommissarin begrüße ich auch die von der GFCM gemachten Empfehlungen. Insbesondere begrüße ich die Empfehlungen im Hinblick auf die eingesetzten Netze, und hier besonders die Einführung der Mindestmaschengrößen, welche für das Mittelmeer und das Schwarze Meer gelten werden, und das Verbot von Dredgen und Schleppnetzen unterhalb der Marke von eintausend Metern. Dies wird zu einem nachhaltigeren Fischfang beitragen.

Die EKR unterstützt diesen Bericht uneingeschränkt, und ich möchte Kommissarin Damanaki nochmals dafür danken, dass sie sich für eine Beendigung der Rückwürfe eingesetzt hat.

 
  
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  Jarosław Leszek Wałęsa (PPE). (PL) Herr Präsident, in der heutigen Debatte sollte betont werden, dass das Mittelmeer, weltweit einzigartig wie es ist, von Land umgeben ist, welches zu drei Kontinenten gehört. Es ist ein Knotenpunkt vieler Kulturen, denen von Mitgliedstaaten und denen vieler anderer Länder. Dies schafft eine Situation, in der die für die Europäische Union wichtigsten Fragen beim Management der Fischereiressourcen die Regulierung der den Fang betreffenden Vorschriften, die Ausgabe von Lizenzen und die Entwicklung von Methoden zur Überwachung der Schiffe in dieser Region sind. Fischfang und Seefahrt florieren hier seit über eintausend Jahren, da sie von der reichen Meeresfauna des Mittelmeeres begünstigt werden.

Um das Gleichgewicht zu wahren und sicherzustellen, dass solche Güter gerecht zur Verwertung verteilt werden, sollte man Initiativen wie die, die in diesem Bericht besprochen werden, unterstützen. Ich möchte Herrn Rivellini für seinen Bericht danken, der die Prinzipien der Ressourcenverwaltung im Mittelmeer realistisch und präzise darlegt und der zum Schutz dieses sensiblen Ökosystems beitragen wird.

 
  
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  Guido Milana (S&D).(IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, diese Maßnahme wird bedeuten, dass die Fragen im Zusammenhang mit dem Mittelmeer nun in eine noch verbindlichere Phase eintreten als es durch die bis heute umgesetzten Gesetze erreicht werden konnte. Meiner Ansicht nach ist das Gesetz, auf das wir uns heute konzentrieren, weit wichtiger als die Wirkung der EU-Verordnung aus dem Jahr 2006.

Ich denke, es liefert auch ein Antwort auf einige Schwächen dieser Verordnung, die, da sie unilateral ist, in weiten Teilen des Fischereiwesens den Eindruck erzeugt hat, dass die EU zwar ihren Beitrag leistet, die anderen Mittelmeerländer aber nicht. Ich denke, es ist für uns strategisch wichtig, die Angelegenheit von dieser Seite her und auf diese besondere Weise anzugehen. Ich bin der Meinung, dass die von Herrn Rivellini geleistete Arbeit, welche allgemein gelobt wurde, eine offizielle Anerkennung in dieser Sitzung verdient.

Allerdings habe ich stark das Gefühl, dass der Umstand, dass wir die Fragen nicht in der ersten Lesung lösen können und eine zweite Lesung abgehalten werden wird, besonders im Hinblick auf die Auslegung von Artikel 28 dieser Verordnung, eine Frage aufwirft: Das Parlament steht diesmal auf der Seite der Kommission. Das Parlament heißt es im Grunde gut, dass diese delegierten Rechtsakte der Verantwortung der Kommission unterliegen, und da gibt es einigen Widerstand vonseiten des Rates, dessen Abwesenheit am heutigen Tage übrigens bezeichnend ist.

Dieses Gesetz bedeutet, dass das Parlament nun überzeugt ist, dass die Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und zur Erhaltung der Fischgründe in diesem wichtigen Meer zu einer gesicherten Zukunft der Fischer beitragen wird. Somit denke ich, dass bei der nächste Stufe dieses Prozesses wieder der Gedanke der Mitentscheidung im Mittelpunkt stehen muss. Diese delegierten Rechtsakte werden nicht ohne Grund delegiert, und daher unterliegen sie heute der Verantwortung der Kommission; aber die internationalen Abkommen müssen, wenn sie einmal da sind, eindeutig der Verantwortung des Parlamentes unterliegen.

 
  
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  Jim Higgins (PPE).(GA) Herr Präsident, ich bin zufrieden mit diesem Bericht, und ich werde bei der Abstimmung im Parlament auf jeden Fall für ihn stimmen.

Die Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer wurde im Jahr 1949 eingesetzt und ist auch für das Schwarze Meer zuständig.

Herr Präsident, ich möchte erstens den Anmerkungen einer meiner Vorredner, Herrn Fox, auf der ganzen Linie zustimmen und die Kommissarin dafür loben, dass sie die skandalöse Praxis der Rückwürfe ein für alle Mal abschafft und verbietet. Gut gemacht, Frau Kommissarin! Das war eine sehr vernünftige Maßnahme, und wir sind Ihnen dafür äußerst dankbar.

Zweitens möchte ich im Zusammenhang mit dem Thema Mittelmeer und Schwarzes Meer sagen, dass beide im wahrsten Sinne des Wortes Aquakultur und Umweltparadiese sind. Was Sie hier getan haben – oder besser, was wir getan haben – ist das Zusammenbringen aller wichtiger Elemente. So zum Beispiel: Maßnahmen zur Erhaltung, Verwaltung, Verwertung, Überwachung, Vermarktung und Durchsetzung, denn die Durchsetzung ist wichtig im Hinblick auf die Aquakultur und ihre Produkte.

Was so wirklich erreicht wird, ist, dass alle verschiedenen Optionen zusammengefasst werden. Was wir bisher hatten, waren verschiedene Entschließungen und verschiedene Artikel und Verordnungen, aber was wir nun erreicht haben, fasst sie in einem einzigen, sehr vernünftigen und umfassenden Paket zusammen.

Dieses Paket zeichnet sich durch zwei Dinge aus: Klarheit und Einfachheit, so dass jeder genau versteht, um was es geht. Was wir hier tun, indem wir diesen Bericht annehmen und ihn umsetzen, wird hoffentlich vereinfachte, praktikable und wirkungsvolle Rahmenbedingungen für das Mittelmeer und das Schwarze Meer schaffen.

 
  
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  Barbara Matera (PPE).(IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich teile die Ansicht des Berichterstatters, dass die Fangregelungen mittels einer Vorschrift, die die von der Allgemeinen Kommission für die Fischerei im Mittelmeer erlassenen Empfehlungen umsetzen kann, vereinfacht werden müssen.

Ich unterstütze die in der Gemeinsamen Fischereipolitik festgelegten Ziele und Prinzipien, aber ich bin der Meinung, dass alle Küstenmitgliedstaaten ein gesundes Gleichgewicht zwischen den sozioökonomischen Werten und dem Schutz des Ökosystems finden müssen. Daher müssen wir meiner Ansicht nach auch den Schutz der besonderen Interessen der lokalen Gemeinschaften fordern.

Diese Verordnung legt peinlich genau fest, welche Fanggeräte zum Fischen in den Gewässern des GFCM-Gebietes, besonders im Mittelmeer, verwendet werden dürfen. Ich bin mir bewusst, dass das Ziel, unsere natürlichen Lebensräume zu schützen, ernste Auswirkungen auf einige Fischereigemeinden hat. Italien wartet darauf, dass die Kommission eine Ausnahme vom Fangverbot für zwei besondere Arten genehmigt, welche das Haupterzeugnis eines umfangreichen Fischereiwesens sind.

Abschließend möchte ich alle Vertreter der 27 Mitgliedstaaten und die Kommission dazu aufrufen, eine flexiblere Gestaltung dieser Instrumente zu erwägen, damit das lokale Fischereiwesen eine Überlebensgrundlage hat.

 
  
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  Maria do Céu Patrão Neves (PPE).(PT) Herr Präsident, dieser Verordnungsvorschlag zielt darauf ab, die von der Allgemeinen Kommission für die Fischerei im Mittelmeer (GFCM) erlassenen Empfehlungen, welche den angemessenen Umgang mit dem Mittelmeer fördern wollen, indem sie all diejenigen, die hier Einfluss haben, zur Teilnahme und zur Übernahme von Verantwortung auffordern, in einem einzigen Dokument zusammenzufassen. Ich gratuliere dem Berichterstatter zu seiner Arbeit.

Der gesunde ökologische Zustand dieses wichtigen Meeresgebiets ist das Hauptziel der GFCM, und wenn die nachhaltige Entwicklung dieses Meeres gefördert werden soll, sind zunächst eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der biologischen Meeresschätze erforderlich; diese werden von der GFCM verfolgt und sollten die Fangpraktiken in dieser Region steuern.

Die Bekämpfung der illegalen Fischerei ist eine der größten Herausforderungen, denen sich diese Erhaltungsstrategie derzeit stellen muss. Der Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates ist größtenteils überzeugend. Es ist auch wichtig, die Durchführung aller Kontroll-, Kooperations-, Informations- und Berichterstattungsmaßnahmen zu überwachen, nicht nur im Hinblick auf Schiffe unter EU-Flagge, sondern auch im Hinblick auf all jene Schiffe, die auf die Einhaltung ordnungsgemäßer Fangpraktiken achten müssen, weil sie unter der Flagge eines Mitgliedstaates von einer Vertragspartei dieser GFCM fahren.

Die ordnungsgemäße Umsetzung der Empfehlungen, die in Kraft treten werden, wenn dieser Verordnungsvorschlag angenommen wird, wird das Erreichen der genannten Ziele ermöglichen und gleichzeitig die Gleichbehandlung der in diesen Fischgründen aktiven Flotten sicherstellen.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, wir möchten die Aufmerksamkeit hier auf einen Aspekt dieses Verordnungsvorschlages lenken, den wir für äußerst wichtig halten und den wir leider nicht akzeptieren können.

Die Wichtigkeit der multilateralen Zusammenarbeit für die angemessene Erhaltung lebender aquatischer Ressourcen stellen wir nicht in Frage, ganz im Gegenteil. Allerdings zielt dieser Vorschlag darauf ab, der Kommission das Recht zu übertragen, Rechtsakte für Gebiete zu beschließen, die, wie im Falle der Republik Zypern, mit der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates und seiner ausschließlichen Wirtschaftszone kollidieren.

Dieser Umstand ist umso ernster, als, wie wir wissen, die Souveränität dieses Gebietes derzeit in illegaler Weise von einem dritten Land, einem Beitrittskandidaten, bedroht wird, was das Thema zu einer sehr sensiblen politischen Angelegenheit macht. In der gegenwärtigen Form greift der Vorschlag in das legitime Recht eines Mitgliedstaates ein, die auf dem Meeresboden und im dazugehörigen Meeresuntergrund seiner ausschließlichen Wirtschaftszone vorkommenden natürlichen Ressourcen zu nutzen, was im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen anerkannt wird.

Daher rufen wir Sie dazu auf, unseren Vorschlag, den Anwendungsbereich der delegierten Rechtsakte einzuschränken, zu unterstützen, indem Sie gegen den Paragraphen stimmen, zu dem wir eine gesonderte namentliche Abstimmung beantragt haben.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte Ihnen allen für Ihre Beiträge danken und zwei kurze Anmerkungen machen.

Ich stimme den Damen und Herren Abgeordneten zu, die betont haben, dass wir jetzt vor allem eine gute Umsetzung der Verordnung zum Mittelmeer brauchen. Diese Verordnung ist erst seit sehr kurzer Zeit in Kraft, und wir sollten ihr Zeit geben, Erfolge zu zeigen. Ich sehe keinen Weg, sie jetzt zu ändern oder mehr Abweichungen zu verlangen. Diese Verordnung ist sehr flexibel. Die Mitgliedstaaten müssen die Regeln befolgen, wenn Sie Abweichungen von dieser Verordnung wollen.

Zweitens brauchen wir im Hinblick auf das Mittelmeer vor allem – und ich stimme mit den Damen und Herren Abgeordneten überein, die dies zur Sprache gebracht haben – eine ähnliche Situation wie im Hinblick auf andere Meere. Es ist offensichtlich, dass das Mittelmeer Regulierung braucht. Im Rahmen der CFP-Reform müssen wir Fortschritte machen und einen schrittweisen Ansatz verfolgen, um dem Mittelmeer denselben Status zu geben wie anderen Seebecken in und um Europa.--

Und schließlich: Die Idee der Kommission, die Entscheidungen der internationalen Gremien, in denen die EU vertreten ist, im Rahmen delegierter Rechtsakte umzusetzen, hat in keiner Weise Auswirkungen auf die Souveränität der Mitgliedstaaten. Im Gegenteil, wir wollen ja gerade, dass es möglich ist, diese Entscheidungen leichter in EU-Recht zu übertragen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt (Dienstag, 8. März 2011).

 

19. Partnerschaftliches Fischereiabkommen EU/Mauretanien (Aussprache)
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission zu den Verhandlungen über die Erneuerung des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Union und Mauretanien von Carmen Fraga Estévez im Namen des Fischereiausschusses (O-000038/2011 – B7-0018/2011).

 
  
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  Carmen Fraga Estévez, Verfasserin.(ES) Herr Präsident, das Protokoll zum partnerschaftlichen Fischereiabkommen mit Mauretanien wird am 31. Juli 2012 auslaufen. Angesichts der Wichtigkeit dieses Protokolls hat die Kommission den Rat bereits um ein Mandat für seine Erneuerung gebeten. Wir wurden unterrichtet, dass der Rat derzeit einen Mandatsvorschlag prüft und in Kürze eine Entscheidung treffen wird.

Auf der Grundlage von Artikel 218 des Vertrages, welcher dem Parlament besondere Rechte bei der endgültigen Zustimmung zu Fischereiabkommen einräumt, haben wir bereits unsere Absicht bekundet, die uns nach dem Vertrag und dem interinstitutionellen Rahmenabkommen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen, um die Fischereiabkommen mitzugestalten, wobei wir in gleicher Weise wie der Rat das Recht auf umfassende Informationen haben.

Wir sind der Ansicht, dass wir in diesen Prozess von dem Moment an eingebunden werden sollten, in dem das Mandat gebilligt wird. Die Kommission für die Fischerei hat daher entschieden, eine neues Verfahren, angefangen beim Mauretanien-Protokoll, einzuführen, mittels dessen wir eine mündliche Anfrage stellen und vom Beginn des Prozesses an Informationen zu den künftigen Verhandlungen erhalten werden. Das Verfahren ermöglicht es uns auch, einen Entschließungsentwurf aufzusetzen, in dem wir unsere Bedenken zum fraglichen Abkommen – in diesem Fall zu dem mit Mauretanien – darlegen, zusammen mit dem Antrag, dass diese von den Verhandlungsführern berücksichtigt und letzten Endes Teil des Schlussprotokolls werden.

Das Abkommen mit Mauretanien ist sowohl für das Land selbst als auch für die Europäische Union von elementarer Wichtigkeit. Für Mauretanien macht es 29 % des Staatshaushaltes aus; für die Europäische Union ist es eines der drei noch gültigen gemischten Abkommen und ermöglicht in den Gewässern des Landes unterschiedliche Fangmethoden, die allesamt von elementarer Wichtigkeit für die Fischlieferungen der EU sind.

Die Bedeutung dieses Abkommens und die Erfahrung, die wir uns erworben haben, veranlassen uns, eine Reihe von Vorschlägen einzubringen, die in die von den politischen Fraktionen in den kommenden Tagen zu vereinbarenden gemeinsamen Entschließung einfließen und auch einer Reihe von Bedenken zur Funktionsweise des gegenwärtigen Protokolls Ausdruck verleihen werden. Diese Bedenken sind beispielsweise:

Erstens muss das Parlament verstehen, wie wichtig es ist, die Unterstützung der Branche für die finanziellen Beiträge und deren richtigen Einsatz zu sichern, wobei die Anliegen der Branche als auch die der mauretanischen Fischereibehörden berücksichtigt werden, um eine moderne und nachhaltige Fischereipolitik voranzutreiben.

Zweitens kommt dem gemeinsamen wissenschaftlichen Ausschuss eine Schlüsselrolle zu, und es muss darauf geachtet werden, dass er diese Rolle angemessen ausfüllt, da er dasjenige Organ ist, das für die Einschätzung der Ressourcen verantwortlich ist und für das Abgeben von Empfehlungen zum biologischen Status der Populationen und somit zu den Fangmöglichkeiten, die den verschiedenen in mauretanischen Gewässern operierenden Fangflotten zur Verfügung stehen.

Drittens brauchen wir mehr Informationen zu den Fangmengen anderer nicht-EU-Staaten, die in diesem Gebiet aktiv sind, um den wirklichen Fangüberschuss, den Mauretanien der EU anbieten kann, genau zu ermitteln und gleichzeitig sicherzustellen, dass die ausgehandelten Fangmöglichkeiten auch wirklich den Bedürfnissen der Flotten entsprechen. So gerät niemand in Versuchung, für Fisch zu bezahlen, der nur auf dem Papier existiert.-

Viertens ist es wichtig, im Hinblick auf die Fangflotte sicherzustellen, dass die technischen Maßgaben für die verschiedenen Fischereizonen zur gleichen Zeit wie die Fangmöglichkeiten ausgehandelt werden und so dem Unsinn ein Ende zu setzen, dass für Ressourcen bezahlt wird, die technisch gesehen unmöglich zu fangen sind.

Und zuletzt muss dringend Klarheit über die Anwendung der Überwachungsvorschriften des Protokolls durch Mauretanien geschaffen werden, insofern als das Land lieber andere Methoden als das Schiffsüberwachungssystem (VMS; Vessel Monitoring System) einsetzt und auch bei Schiffsarresten unterschiedliche Standards anwendet. Es ist wichtig, dass beide Parteien die ausgehandelten Bedingungen für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit solchen Arresten respektieren, was in dem neuen Protokoll festgehalten werden muss.

Frau Kommissarin, aus all diesen Gründen werden wir darum bitten, dass die Kommission als die Verhandlungsführerin diese und andere Bedenken berücksichtigt, welche einen Teil der gemeinsamen Entschließung bilden werden, die auf der nächsten Plenarsitzung verabschiedet werden soll und die unsere Institution sehr genau verfolgen wird.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte der Vorsitzenden des Fischereiausschusses, Frau Fraga Estévez, für diese mündliche Anfrage danken und sagen, dass ich die Beteiligung des Parlaments an diesem Verfahren sehr begrüße. Im Allgemeinen teile ich auch ihre Bedenken. Wir werden unser Bestes tun, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Lassen Sie mich Ihnen etwas über das gegenwärtige Fischereiabkommen mit Mauretanien erzählen. Dieses Abkommen zielt darauf ab, Fischvorkommen zu erhalten und nachhaltig zu nutzen. Wir wollen auch den illegalen Fischfang verhindern und bekämpfen sowie die Entwicklung von Hafeninfrastrukturen und den Schutz der marinen Umwelt fördern.

Durch dieses Abkommen sind die Möglichkeiten zum Fischfang eingeschränkt und die von den Schiffseignern zu entrichtenden Gebühren für Lizenzen und die Gebühren je gefangener Tonne deutlich erhöht worden. Es gibt noch Schwierigkeiten, und wir prüfen derzeit, wie wir diese auf die bestmögliche Weise angehen können. In dieser Hinsicht stimme ich Frau Fraga zu.

Das Abkommen mit Mauretanien ist in finanzieller Hinsicht das wichtigste geworden – es ist das wichtigste unserer Abkommen. Angesichts dieser Entwicklung erwägt die Kommission im Zusammenhang mit der sektorspezifischen Unterstützung die Aufnahme einer starken Konditionalität in das Protokoll. Dies wird unter anderem durch die Entkoppelung der Zahlungen für Zugangsrechte und der Zahlungen für die sektorspezifische Unterstützung geschehen. Wir werden diese Entkoppelung durchführen. Dies wird es uns ermöglichen, effizienter auf Probleme bei der Umsetzung der sektorspezifischen Unterstützung zu reagieren und gleichzeitig die Zugangszahlungen und damit die Fangaktivitäten von EU-Schiffen zu sichern, denn die Fangtätigkeit von EU-Schiffen wollen wir nicht zum Erliegen bringen.

Bei der sektorspezifischen Unterstützung war die Durchführungsrate in den Jahren 2008 und 2009 sehr hoch. Im Jahr 2010 dagegen verzeichneten wir eine sehr geringe Verwendung der sektorspezifischen strategischen Mittel durch Mauretanien – lediglich 52 %. Dies lag vor allem an dem hohen Anteil dieser Mittel, der vom mauretanischen Finanzministerium zurückgehalten wurde. Im vergangenen Jahr entschied sich die Kommission mit Zustimmung der mauretanischen Seite, die Zahlungen im Rahmen der sektorspezifischen Unterstützung in zwei Teilausgaben aufzuspalten. Die Kommission hielt auch 9 Millionen Euro von insgesamt 18 Millionen Euro – die Hälfte des Gesamtbetrages – zurück, bis eine höhere Abschöpfung erreicht wurde.

Zudem sollten diese Mängel behoben werden, indem ein neuer Mechanismus, ein Treuhandkonto – das CAS – als temporäre Maßnahme eingeführt wurde. Das CAS wird im ersten Halbjahr 2011 zur Verfügung stehen. Die Einrichtung dieses neuen Sonderkontos wird dazu beitragen, dass die zugewiesenen Mittel auch wirklich direkt an die sektorspezifische Unterstützung gehen. Und das wollen wir ja.

Das nach dem 1. August 2012 gültige Protokoll wird die bevorstehende CAS-Reform berücksichtigen. In diesem Zusammenhang beinhaltet das Verhandlungsmandat zum ersten Mal eine Klausel zu „Menschenrechten und demokratischen Grundsätzen“. Wir hoffen, dass der Rat dieses Mandat in der kommenden Woche verabschieden wird. Was die Bekämpfung der nicht regulierten und nicht gemeldeten Fischereitätigkeit (IUU-Fischerei) angeht, arbeitet die Kommission bereits seit Inkrafttreten unserer neuen Verordnung eng mit den mauretanischen Kontrollbehörden zusammen. Wir bemühen uns, angemessene Informationen zu den Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen im Rahmen der Verordnung sicherzustellen.

Und zuletzt: Die Investitionen durch den Fischereisektor der EU werden in Übereinstimmung mit dem Aktionsplan für Mauretanien getätigt. Dieser Plan soll die Niederlassung europäischer Privatunternehmen und die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mauretanischer und europäischer Betreiber erleichtern und die geeignetsten Formen von öffentlich-privaten Partnerschaften ermitteln.

 
  
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  Alain Cadec, im Namen der PPE-Fraktion.(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemäß Artikel 218 Absatz 10 des Vertrages von Lissabon muss das Parlament nun seine Zustimmung zu von der Europäischen Kommission ausgehandelten internationalen Abkommen geben. Zu diesem Zweck möchte ich gern darauf hinweisen, dass das Parlament in jedem Verhandlungsstadium des Abkommens die nötigen Informationen erhalten muss.

Die Erneuerung des Protokolls zum partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen der EU und Mauretanien steht am 31. Dezember 2012 an. Der finanzielle Beitrag der Europäischen Union zu diesem partnerschaftlichen Fischereiabkommen ist ihr höchster Beitrag. Mit Fangmengen von 900 000 Tonnen stellt dieses Abkommen auch das größte Fangpotenzial dar. Abgesehen vom Abkommen mit Guinea-Bissau, ist es das einzige, das ein Potenzial für den Fang von Kopffüßern und Schalentieren bietet.

Allerdings gibt es im Zusammenhang mit diesem Abkommen noch immer einige Probleme. Ein vor kurzem erfolgter Besuch in Mauretanien mit dem Fischereiausschuss – den Sie, Frau Kommissarin, bereits erwähnt haben – hat mich in dieser Ansicht bestätigt. Zum Ersten ist da der Mangel an Infrastruktur, insbesondere fehlt in Nouakchott ein Hafen, was die Entwicklung einer lokalen Fischereiindustrie und im weiteren Sinne die Investitionen der Europäischen Union beeinträchtigt. Zweitens sind einige europäische Schiffe ohne triftigen Grund von den mauretanischen Behörden aufgehalten und inspiziert worden. Hinzu kommt, dass die mauretanischen Behörden andere Methoden als das im Abkommen vereinbarte satellitengestützte Schiffsüberwachungssystem (VMS) anwenden, was die Arbeit der Schiffseigner erschwert. Die Eigner überlegen auch, ob ihre persönlichen Verpflichtungen im Verhältnis zu dem ihnen wirklich zur Verfügung stehenden Fangpotenzial nicht zu hoch ist. Die für europäische Schiffseigner gültigen technischen Maßgaben müssen ebenfalls geklärt werden, da erstere im Vergleich zu anderen Flotten, die in mauretanischen Gewässern fischen, benachteiligt werden.-

Und als letzter Punkt: Wir sollten den chinesischen Einfluss im mauretanischen Fischereiwesen nicht unterschätzen. Dieser wird über Joint Ventures unter dem Deckmantel der mauretanischen Flagge ausgeübt, und ich brauche wohl nicht zu sagen, dass er der Fischerei schadet, da sie keinerlei Gesundheits-, Wirtschafts- oder Sozialkontrollen unterliegen, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese Fangbetriebe die in den mauretanischen Gewässern zur Verfügung stehenden Fischbestände plündern. Wir müssen in der Lage sein, den Umfang dieser Fangaktivitäten einzuschätzen und sicherzustellen, dass sie kontrolliert werden, um die Entwicklung lokaler Fischereien zu unterstützen und den europäischen Schiffseignern die Arbeit zu erleichtern. Ich denke, dies ist von essentieller Bedeutung. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Mitglieder des Fischereiausschusses so schnell wie möglich die vollständige Version der Ex-post-Bewertung des Abkommens erhalten und bei den gemeinsamen Ausschusssitzungen anwesend sein möchten, um die Umsetzung des Abkommens beobachten zu können.

Und ich sage es noch einmal, Herr Präsident, wir fühlen uns wohl hier in Straßburg, und hier ist auch der Platz dieses Hauses.

 
  
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  Kriton Arsenis, im Namen der S&D-Fraktion.(EL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Initiative der Sozialisten zum Entschließungsantrag zu Mauretanien schließt eine Lücke. Nach dem Vertrag von Lissabon hat das Parlament ein klar umrissene Funktion, eine Mitentscheidungsfunktion bei europäischen Fragen; das Parlament muss Abkommen und internationale Fischereiabkommen ratifizieren. Allerdings kann das Parlament diese ihm übertragene Rolle nicht ausfüllen, solange wir nicht zeitnah und umfassend informiert werden, solange wir nicht pünktlich und uneingeschränkt an Verhandlungen teilnehmen und solange diese Abkommen nicht an das Parlament weitergeleitet werden, ehe sie in die Anwendungsphase treten.

Bedauerlicherweise und trotz der Anstrengungen der Kommissarin, welche wir zu schätzen wissen, gibt es ein sehr großes Problem. Das Parlament wird aufgefordert, Abkommen zu ratifizieren, die bereits seit einem Jahr angewendet werden. Es erhält keine offiziellen Informationen zum Fortschritt der Verhandlungen, und kürzlich tauchten Schwierigkeiten auf, als das Parlament auf Folgenabschätzungen, Fortschritts- und Durchführungsberichte zu früheren Abkommen zugreifen wollte.

Wir müssen im Hinblick auf unsere Fischereiabkommen eine Menge ändern. Wir müssen dort fischen, wo es Überbestände gibt, wir müssen das Vorsorgeprinzip anwenden, wir müssen praktische Maßnahmen ergreifen, um mit nicht regulierter und nicht gemeldeter Fischerei fertigzuwerden, und Abkommen müssen prinzipiell das Wachstum der Länder fördern, die ihnen beitreten. Besonders in Mauretanien gibt es ein riesiges Problem mit illegalem Fischfang und dem missbräuchlichen Einsatz von Fischfanggeräten. Tatsächlich wird die Rolle und die Intervention des Parlaments darin bestehen, generell auf bessere Abkommen hinzuarbeiten, die, wie im Falle des Mittelmeeres, korrekt angewandt werden müssen.

 
  
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  Carl Haglund, im Namen der ALDE-Fraktion.(SV) Herr Präsident, ich möchte der Kommissarin für ihre Einführung danken.

Ich gehöre zu denjenigen, die Ende vergangenen Jahres das Privileg hatten, Mauretanien zu besuchen, um sich ein Bild davon zu machen, wie das gegenwärtige Abkommen bis dahin funktioniert hatte. Um ganz ehrlich zu sein, muss ich sagen, dass das Abkommen und seine Umsetzung doch sehr zu wünschen übrig lassen.

Insbesondere waren unsere Erkenntnisse darüber, wohin Steuergelder fließen, alles andere als erfreulich. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir jedes Jahr etwa 75 Millionen Euro in dieses Abkommen stecken, was bedeutet, dass unsere Gemeinschaftsmittel für die Fischerei ein Viertel des mauretanischen Staatshaushaltes ausmachen. So gesehen handelt es sich um ein recht wichtiges Abkommen, sowohl für uns als auch für das betreffende Land.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Europäische Kommission erst 2007 selbst vorgeschlagen hat, dieses Abkommen auslaufen zu lassen, weil es für Europa nicht den gewünschten Wertzuwachs brachte, den ein Abkommen bringen sollte. Offenbar haben sich die Zeiten geändert, und es mag sein, dass wir ein derartiges Abkommen brauchen. Wenn dies der Fall ist, sollten wir allerdings anfangen, darüber nachzudenken, wie dieses Geld verwendet wird und welchen Wertzuwachs wir erhalten.

Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Teil dieses Abkommens auch vorschreibt, dass das Geld zur Förderung der lokalen Fischereibetriebe zu verwenden ist. Wir müssen sagen, dass wir während unseres Besuches den Eindruck hatten, dass die ortsansässigen Fischer nicht viel von den etwa 18 Millionen Euro zu Gesicht bekommen haben, die jedes Jahr aus den Mitteln, die wir dort einsetzen, in die lokale Fangindustrie gepumpt werden sollten. Auch in dieser Hinsicht verlangt eine Erneuerung des Abkommens eine sehr sorgfältige Bewertung, und das Abkommen muss auch umformuliert werden.

Und schließlich sind wir hier im Europäischen Parlament, wie bereits gesagt wurde, für Fragen dieser Art mit zuständig, da wir zu all diesen Abkommen unsere Zustimmung geben müssen. Dies erlegt uns die Verpflichtung auf, uns mit diesen Fragen vertraut zu machen, auch als Entscheidungsträger. Auf der Grundlage der uns in diesem Moment zur Verfügung stehenden Informationen erscheint es eher schwierig, die Erneuerung eines solchen Abkommens in positivem Licht zu betrachten. Im Hinblick auf die Zukunft müssen wir daher gemeinsam mit der Kommission in dieser Hinsicht noch sehr viel tun.

 
  
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  Isabella Lövin, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich die Ziele, wie sie von der Kommission im Entwurf der Verhandlungsleitlinien formuliert werden, sehr begrüße.

Eine Klausel über die Konsequenzen von Menschenrechtsverstößen und Verletzungen der demokratischen Prinzipien – wie großartig!

Eine Stärkung des Dialoges zur sektorspezifischen Strategie, um die bessere Umsetzung eines verantwortungsvollen Fischfangs zu fördern – auch das ist sehr nötig. Leider haben wir anhand des bestehenden Abkommens gesehen, dass dies beinahe niemals der Fall ist.

Außerdem solle zugesichert werden, dass nur Boote der EU Zugang zu den überschüssigen Fischbeständen haben, die nicht von den einheimischen Fischern genutzt werden. Im Hinblick auf diesen Punkt erwarte ich, dass diese Fangmöglichkeiten im neuen Abkommen stark reduziert werden, da ich weiß, dass die Kopffüßer derzeit stark überfischt werden und dass die EU-Trawler in starker Konkurrenz zu den einheimischen Trawlern stehen.

Und im Hinblick auf den Punkt, in dem darauf Bezug genommen wird, dass im bestmöglichen Umfang Expertenmeinungen zu den Fischbeständen berücksichtigt werden sollen ... nun, die FAO-Arbeitsgruppe für pelagische Arten in Nordwestafrika aus dem Jahr 2010 hat festgestellt, dass das Fangpotenzial für Stöcker, Spanische Makrelen, Sardinellen, Sardinen, Anchovis und Bonga-Heringe entweder vollständig ausgeschöpft war oder dass diese Arten überfischt waren. Was die Grundfische anbetrifft, hat sich die Biomasse auf dem mauretanischen Kontinentalsockel seit 2007 um 75 % reduziert.

Kurz gesagt, welche überschüssigen Fischbestände hofft die Kommission in Mauretanien zu finden?

Eines noch, ich erwarte, dass die EU Mauretanien weiterhin sektorspezifische Unterstützung und Partnerschaft anbieten wird, selbst wenn die Fangmöglichkeiten reduziert werden, um den vielen Zusammenhängen im Bereich der Entwicklung Rechnung zu tragen. Wir können nicht diese Gewässer einfach überfischen, bezahlen, den letzten Fisch einsammeln und dann gehen.

 
  
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  João Ferreira, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(PT) Herr Präsident, die Europäische Union hat seit über zwanzig Jahren Fischereiabkommen mit Mauretanien. Seit 15 Jahren enthalten diese Abkommen spezifische Kooperationsziele im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung des Fischereisektors in Mauretanien.

Die Frage, die wir uns heute stellen müssen, lautet: Was sind die praktischen Ergebnisse dieser Abkommen? Der Fischereisektor in Mauretanien verharrt auf einem sehr rudimentären Entwicklungsstand. Die Modernisierung und Entwicklung kleiner traditioneller Fischereibetriebe und mit dem Fischfang zusammenhängender Industrien; die Entwicklung der Hafeninfrastruktur und bessere Bedingungen für das Entladen des Fangs; das Vorantreiben von Aquakultur-Projekten und verbesserte Beobachtung und Überwachung auf See –  all das waren Ziele, denen wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur geringfügig nähergekommen sind.--

Alles, oder zumindest fast alles, kann zusammengefasst werden als der Transfer von Geldsummen im Austausch für das Recht zum Ausbeuten der Ressourcen des Landes, welches somit des Mehrwertes beraubt ist, den es erhalten würde, wenn es diese Ressourcen selbst ausbeuten und den Fisch von vornherein verarbeiten und verkaufen würde. Mauretanien kommt in vielerlei Hinsicht zu kurz: Es kommt zu kurz hinsichtlich der Wertschöpfung, der Beschäftigung, seiner Entwicklung, seiner Autonomie, seiner Souveränität und seiner Unabhängigkeit.

Besonders unverständlich ist, warum in den zentralen und südlichen Regionen des Landes, entlang einer Küstenlinie von mehr als 600 km Länge, keine angemessenen Möglichkeiten zum Entladen des Fangs vorhanden sind. Das bedeutet, dass ein beträchtlicher Teil des in den Küstengewässern Mauretaniens gefangenen Fisches in den Häfen anderer Länder entladen wird. Wir müssen uns eingestehen, dass die Kooperationspolitik der Europäischen Union auf diesem Gebiet versagt hat. Wenn eine echte und nutzbringende Entwicklungszusammenarbeit unser Ziel sein soll, müssen wir Schritte in Richtung tiefgreifender Veränderungen unternehmen und die mauretanischen Behörden in die Diskussion einbeziehen.

 
  
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  Maria do Céu Patrão Neves (PPE).(PT) Herr Präsident, Fischereiabkommen mit Drittländern sollten ein gerechtes Gleichgewicht zwischen Wirtschaftsinteressen und der Förderung eines nachhaltigen Fischfangs sicherstellen. Um dies zu erreichen, muss die Europäische Union die bewährte Fangpraxis, die sie in ihren Gewässern umsetzt, auch außerhalb ihrer Grenzen anwenden, was auch einen weltweiten Beitrag zur Balance des marinen Ökosystems leisten würde.

In diesem Zusammenhang kommt dem Fischereiabkommen mit Mauretanien besondere Bedeutung zu. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Verringerung der Armut und der Aufbau von Strukturen, die dem Sektor helfen, sind wichtige Ziele, an denen wir festhalten sollten. Das wichtigste von allen ist jedoch die Förderung eines nachhaltigen Fischfangs durch die Bekämpfung des illegalen, nicht regulierten und nicht gemeldeten Fischfangs, was die Belieferung der EU-Märkte mit qualitativ hochwertigem Fisch sicherstellen würde.

Es genügt nicht, wenn nur die Fischereischiffe der EU umweltfreundliche Methoden anwenden und den von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen aufgestellten Verhaltenskodex beachten: Es ist unerlässlich, dass die gleiche Haltung von allen eingenommen wird, die in der Region, für die das Abkommen gilt, zusammenarbeiten. Folglich muss Mauretanien dringend von jenen Drittländern, mit denen es ebenfalls Partnerschaftsabkommen schließt, verlangen, dieselben Regeln einzuhalten, die von Schiffen unter EU-Flagge beachtet werden. Wenn nicht, werden unsere Schiffseigner einem unfairen Wettbewerbsnachteil ausgesetzt sein, und das Ziel des Schutzes und der nachhaltigen Bewirtschaftung der Fischereiressourcen wird ernsthaft gefährdet.

 
  
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  Guido Milana (S&D).(IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir haben zwei Probleme, eines mit der Methode und das andere mit dem Sachverhalt selbst.

Das Problem mit der Methode ist, dass wir einen Trick anwenden, für den wir Frau Fraga danken, nämlich den der mündlichen Anfrage, um über etwas zu sprechen, das gemäß des Vertrages von Lissabon eigentlich ein Parlamentsrecht sein sollte. Ich denke, diese Praxis sollte ein Ende haben; wir können nicht auf Strategien zurückgreifen, um ein einfaches Gesetzgebungsverfahren zu absolvieren. Mitentscheidung entsteht dann, wenn dieser Prozess im Laufe der Zeit kultiviert wird. Heute haben wir diese Debatte, sie wird zu Ende gehen, das Abkommen wird seinen Lauf nehmen, und wir werden am Ende „Ja“ oder „Nein“ dazu sagen. Diese Methode sollten wir ändern.

Weil ich in vieler Hinsicht mit dem, was andere Abgeordnete gesagt haben, übereinstimme, möchte ich in Bezug auf den Sachverhalt lediglich betonen, wie wichtig es ist, das Ergebnis von Fischereiabkommen zu bewerten, um sicherzustellen, dass diese nicht nur Handelsabkommen sind, durch die wir Kopffüßer für einen Euro pro Kilogramm kaufen können.

Ein Abkommen muss die Nachhaltigkeit bewerten können, aber vor allem die Auswirkungen auf die Wirtschaft des jeweiligen Landes, um das Ansteigen der Beschäftigungszahlen, das Maß der Innovationen im Bereich der kleinen Fischereibetriebe und den Einsatz dieser Ressourcen zu würdigen. Es geht nicht einzig und allein um kommerziellen Handel, sondern um ein Fischereiabkommen mit all seinen Konsequenzen.

 
  
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  Josefa Andrés Barea (S&D).(ES) Herr Präsident, das Abkommen mit Mauretanien wird in einem Jahr auslaufen, und wir treffen jetzt schon Vorbereitungen für ein neues Abkommen. Meiner Meinung nach ist das Abkommen mit Mauretanien ein gutes Instrument. Es ist ein Instrument für die Entwicklung des Landes an sich und seiner Politik im Bereich der Fischereibranche. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass der Fischfang 29 % des Bruttoinlandproduktes (BIP) des Landes ausmacht und sein einziges Entwicklungsinstrument ist.

Das Abkommen stärkt die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Mauretanien und muss einen nachhaltigen Fischfang gewährleisten. Das Thema des illegalen Fischfangs ist bereits angesprochen worden, und die Rolle des wissenschaftlichen Ausschusses wird auf jeden Fall gestärkt werden müssen, damit dieser neue Wege findet, um zu bestimmen, welche Fischbestände zur Verfügung stehen. Wie auch immer, Fischfang muss nachhaltig sein. Ein weiterer Aspekt, der sichergestellt sein muss, ist die Sicherheit der Boote.

Kommissarin Damanaki hat auch das Unvermögen der mauretanischen Regierung erwähnt, die ihre Verwaltungsstrukturen weiterentwickeln muss, um die von der EU zur Verfügung gestellten Mittel weiterzuleiten; auch dies wird ein Beitrag sein.

Natürlich müssen diese Abkommen dazu genutzt werden, die Regierung Mauretaniens dazu zu bewegen, die Menschenrechtsklauseln zu beachten und die Demokratisierung des Landes zu unterstützen. Internationale Fischereiabkommen sind auch ein Instrument; sie sind ein Mittel, um den jeweiligen Ländern Demokratie und Entwicklung zu bringen.

 
  
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  Antolín Sánchez Presedo (S&D).(ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin, dass die Kommission ein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen zur Erneuerung des Protokolls zum partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und Mauretanien beantragt hat, welches ab dem 31. Juli 2012 das derzeitige Protokoll ersetzen wird, ist eine sehr gute Neuigkeit.

In Anbetracht der neuen Kompetenzen des Europäischen Parlaments nach dem Vertrag von Lissabon müssen die Verhandlungen im wahren Geiste der Zusammenarbeit zwischen den Institutionen geführt werden.

Auf Grundlage der Situation der Ressourcen muss das neue Protokoll im Hinblick auf die in mauretanischen Gewässern operierende EU-Fangflotte langfristige Nachhaltigkeit bringen. Es muss sicherstellen, dass die EU einen fairen Beitrag zu einer anhaltenden Entwicklung des mauretanischen Fischereisektors leistet – was bedeutet, dass man sich nicht auf den rein finanziellen Aspekt beschränken darf – und es muss auch dazu dienen, internationales Recht und den Respekt vor den Menschenrechten effektiv durchzusetzen.

Gegenwärtig machen die EU-Beiträge ein Drittel des mauretanischen Staatshaushaltes aus. Daher ist es extrem wichtig, dass das Abkommen richtig umgesetzt wird, dass es zum Wohle der von der Fischerei abhängigen Bevölkerungsteile einen verantwortungsbewussten Fischfang fördert und dass es dabei hilft, den illegalen Fischfang zu bekämpfen, indem die gegenwärtig eingesetzten Kontroll- und Überwachungsregelungen weiterhin angewandt werden.

 
  
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  Jarosław Leszek Wałęsa (PPE).(PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, die Anwesenheit der Fangflotte der EU in den Gewässern Mauretaniens hat eine lange Tradition, die zu einer langfristigen Wirtschaftsbeziehung zwischen der Europäischen Union und Westafrika geführt hat. Ein Ergebnis dieser Beziehung ist unter anderem, dass in Europa und in der Region auf Dauer ausgerichtete Arbeitsplätze gesichert werden. Der Aufbau solcher Beziehungen führt die westafrikanische Region deutlich näher an EU-Standards heran, auch im Hinblick auf die Bewirtschaftung der marinen Ressourcen.

Fischereiabkommen mit Drittländern, insbesondere im Hinblick auf das pelagische Segment der EU-Fangflotte, sind von strategischer Bedeutung, und das nicht nur für den Erhalt der Flotte selbst. Für die lebensmittelverarbeitende Industrie stellen sie eine Rohstoffquelle dar, und ebenso eine Nahrungsquelle für die Entwicklungsländer, besonders jene in Westafrika. Solche Abkommen werden beiden Parteien zweifellos Vorteile bringen, und ihre Aufrechterhaltung sollte im Interesse der Europäischen Union liegen. Ihre Fortführung, allerdings nur, wenn die technischen Bestimmungen der Protokolle und die Transparenz der Verfahren eingehalten und beachtet werden, ist für die Europäische Union, Mauretanien und die gesamte Region von elementarer Bedeutung.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Die Verlängerung des Fischereiabkommens mit Mauretanien ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich dabei um ein Abkommen handelt, das in einen besonders sensiblen Raum – Nordafrika – hineinwirkt, der gerade jetzt wieder im Fokus der Weltpolitik steht. Wir wissen, dass Fischereiabkommen einerseits von wirtschaftlichem Nutzen für die Beteiligten sein sollen, auf der anderen Seite nach ökologischen Prinzipien gestaltet werden müssen. Wenn die Fischerei – wie im Falle Mauretaniens – ein Drittel des Haushalts ausmacht, dann erkennt man klar, wie groß die wirtschaftliche Bedeutung für das Land ist. Auf der anderen Seite ist aber auch die Flotte der EU ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Europa.

Das ökologische Prinzip ist das eine, das andere ist, dass mit solchen Abkommen natürlich auch Demokratisierung und Menschenrechte gestärkt werden sollen in einem Land, das unter Umständen ähnliche Probleme bekommen wird wie andere nordafrikanische Länder. Deshalb ist hier besonderes Augenmaß angebracht.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte allen für die Beiträge danken. Lassen Sie mich noch einmal ganz klar sagen, dass ich die Teilnahme des Parlamentes an den Verhandlungen über dieses Abkommen und über die anderen Abkommen sehr begrüße.

Lassen Sie mich auch noch einmal in Erinnerung rufen, dass es zwischen der Kommission und dem Parlament eine neue Rahmenvereinbarung über die Einzelheiten dieser Einbindung gibt. Wir müssen dieses Abkommen respektieren. Bezüglich der peripheren Punkte des Rahmenabkommen bin ich hier, um Ihre Einbindung zu unterstützen und Ihnen Informationen zur Verfügung zu stellen, so gut es mir möglich ist. Wenn wir etwas besser machen können, bin ich hier, um mit Ihnen zusammen daran zu arbeiten. Wie Sie bereits erwähnt haben, geht es hier um das Verfahren und die Methode.

Was den Inhalt betrifft, so müssen wir das Thema wegen der großen Bedeutung dieses Landes und wegen der Entwicklungen, die wir nun in dieser Region beobachten, besonders vorsichtig angehen und auf Ausgewogenheit achten. Wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen der Beachtung der dortigen Überschüsse und Ressourcen, und auch zwischen diesen beiden und den Interessen unserer Fangboote. Wir möchten es den EU-Schiffen ermöglichen, dorthin zu fahren und wir möchten für sie faire Bedingungen sicherstellen, da wir nicht die einzigen sind, die Schiffe in diesen Gewässern haben. Viele andere Länder sind in der Region aktiv, und wir müssen darauf achten, faire Bedingungen für die Schiffe der EU zu sichern.

Und auch in anderer Hinsicht müssen wir auf Ausgewogenheit achten: Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir das Geld unserer Steuerzahler ausgeben. Mir ist bewusst, dass wir mehr tun müssen, um sicherzustellen, dass unser Geld den wirklich Bedürftigen zukommt. Auch sie besitzen großen Einfluss. Sie verdienen all die Maßnahmen und all die Verbesserungen, die das Land braucht.

Dies ist also der Weg, wie wir dieses sehr sensible Thema angehen. Ich stimme auch zu, dass wir mehr – und konkretere – Expertenmeinungen brauchen, und wir brauchen mehr konkrete Daten, um unsere Position dort einschätzen zu können. Wir werden in der kommenden Wochen zum Rat gehen und versuchen, ein erstes Mandat für diese Verhandlungen zu bekommen. Anschließend werden wir – konkret und dauerhaft – den Fischereiausschuss im Parlament über die Verhandlungen informieren.

Abschließend möchte ich Ihnen sagen, dass dieses neue Protokoll eine Situation schaffen wird, in der sowohl wir als auch Mauretanien durch dieses Abkommen nur gewinnen können, wenn man bedenkt, dass es eine humanitäre Klausel und eine Menschenrechtsklausel enthalten wird.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Stimmabgabe findet in der nächsten Sitzungsperiode statt.

 

20. EU-Strategie für die Atlantikregion (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Debatte zur mündlichen Anfrage an die Kommission über die EU-Strategie für die Atlantikregion von Alain Cadec, Luis Manuel Capoulas Santos, Seán Kelly, Eider Gardiazábal Rubial, Nuno Teixeira, Salvador Garriga Polledo, Ricardo Cortés Lastra, José Manuel Fernandes, Chris Davies, Jim Higgins, Marian Harkin, Ashley Fox, Maria do Céu Patrão Neves, Bairbre de Brún, Pat the Cope Gallagher, Robert Rochefort, José Bové, Jean-Pierre Audy, Mario Mauro, Andrey Kovatchev, Werner Langen, Markus Ferber, Milan Zver, Damien Abad, Íñigo Méndez de Vigo, Peter Jahr, Ivo Belet, Reimer Böge, Jan Březina, Jarosław Leszek Wałęsa, Dominique Riquet, Cristian Dan Preda, Tokia Saïfi, Daniel Caspary, Peter Šťastný, Catherine Soullie, Bogusław Sonik, Elisabeth Morin-Chartier, Dominique Baudis, Michèle Striffler, Lambert van Nistelrooij, Andreas Schwab, Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, Maria Da Graça Carvalho, Michel Dantin, Michael Gahler, Bernadette Vergnaud, Nessa Childers, Antolín Sánchez Presedo, Marie-Thérèse Sanchez-Schmid, Christine De Veyrac, Izaskun Bilbao Barandica, Estelle Grelier, Isabella Lövin, Struan Stevenson, Christophe Béchu, Josefa Andrés Barea und Marian-Jean Marinescu (O000002/2011 – B7-0016/2011).

 
  
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  Alain Cadec, Verfasser.(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Einleitend möchte ich Frau Damanaki dafür danken, dass sie heute Abend anwesend ist, um auf diese mündliche Anfrage über die EU-Strategie für die Atlantikregion einzugehen.

Im Juni 2010 beauftragte der Rat die Kommission, bis Juni 2011 eine EU-Strategie für die Atlantikregion auszuarbeiten. Gemeinsam mit einigen anderen Abgeordneten habe ich die Initiative ergriffen, eine mündliche Anfrage zu dieser Strategie einzureichen. Diese mündliche Anfrage wurde ursprünglich von über 50 Abgeordneten aus allen Fraktionen unterzeichnet und ich möchte ihnen allen für ihre Unterstützung danken.

Im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung wird zudem ein Entschließungsantrag eingebracht. Ich möchte auch den Koordinatoren der verschiedenen Fraktionen für ihre Zusammenarbeit danken, durch die wir einen breit abgestützten Konsens erzielen konnten. Schließlich möchte ich auch denjenigen Abgeordneten danken, die durch Änderungsanträge zur Verbesserung dieses Textes beigetragen haben.

Die Atlantikregion hat ihre eigenen Besonderheiten. Zum einen handelt es sich dabei dank der Beförderung auf dem Seeweg, der Fischerei und der Meeresenergie natürlich um ein dynamisches Meeresgebiet. Es ist jedoch auch ein Gebiet, in dem die Umwelt gefährdet ist – man führe sich nur das Problem mit den Grünalgen vor Augen – und das vor den Folgen des Klimawandels geschützt werden muss. Zudem ist das Gebiet durch seine Lage am Rande der Europäischen Union durch Probleme in Bezug auf Zugänglichkeit und Anbindung gekennzeichnet und es gibt nur wenige Großstädte.

Diese Besonderheiten verursachen spezifische Probleme, die die nationalen Grenzen überschreiten und für die auf europäischer Ebene politische Lösungen gesucht werden müssen.

In der Entschließung des Europäischen Parlaments wird die Kommission deshalb dazu aufgefordert, die Strategie für die Atlantikregion als eine integrierte Strategie zu konzipieren, die maritime und territoriale Fragen behandelt. Der Meeresaspekt ist natürlich sehr wichtig, da das gemeinsame Merkmal aller Staaten der Atlantikregion ihre Lage nahe am Meer ist. Die Verzahnung mit der integrierten Meerespolitik sollte deshalb unterstützt werden.

Die Aspekte, die das Festland betreffen, sind jedoch genauso wichtig. Diese umfassen Fragen wie die Verbesserung der Zugänglichkeit und der Kommunikation, die Entwicklung städtischer und ländlicher Gebiete und die Intensivierung der Land-See-Verbindungen. Die Strategie für die Atlantikregion könnte im Rahmen des kohäsionspolitischen Ziels der „territorialen Zusammenarbeit“ festgelegt werden und sich auf einen integrierten, bereichsübergreifenden und territorialen Ansatz stützen.

Ziel ist eine bessere Abstimmung der politischen Maßnahmen zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen eines bestimmten Gebiets, wobei der Schwerpunkt auf den relevantesten Fragen zu liegen hat. Die Strategie muss denjenigen Regionen der EU offen stehen, die eine Küste am Atlantik haben. Dazu zählen auch benachbarte Teilbecken und die Gebiete in äußerster Randlage Makaronesiens.

Auch die externe Dimension dieser Strategie darf nicht vernachlässigt werden, insbesondere in den Bereichen Meeressicherheit und -überwachung und auf dem Gebiet der internationalen Handelsbeziehungen. Die Strategie für die Atlantikregion muss eine bessere Koordination von Zielen und Mitteln ermöglichen, wobei enge Verbindungen zur EU-Strategie 2020 und zur EU-Politik nach 2014 hergestellt werden müssen.

Es geht nicht darum, die Ausgaben zu erhöhen, sondern die vorhandenen Mittel besser einzusetzen, indem die atlantische Dimension der bestehenden Strategien gefördert werden. Dazu muss die Strategie gut mit der Regionalpolitik und der integrierten Meerespolitik der EU verbunden sein. Außerdem muss sie Synergien mit anderen Politikbereichen der EU wie den transeuropäischen Verkehrsnetzen, der Gemeinsamen Fischereipolitik, dem Tourismus, den Maßnahmen zum Umweltschutz, der Energiepolitik und dem Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung entwickeln.

Die Strategie soll im Jahr 2014 umgesetzt und mit dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen koordiniert werden. Die territoriale Dimension der Strategie wird insbesondere durch die Maßnahmen zur Förderung einer besseren Anbindung und Kommunikation einen Beitrag zur territorialen Kohäsion der EU leisten. Diese Aspekte stehen natürlich in Verbindung mit der Meerespolitik, um die Land-See-Verbindungen in diesen Regionen zu verbessern. Wir müssen unbedingt die Nord-Süd-Verbindungen entlang unserer Atlantikküste verbessern, gerade durch die Schaffung von Wasserstraßen von Andalusien bis Schottland. Gleichzeitig muss die Infrastruktur für den West-Ost-Verkehr nach dem Hochgeschwindigkeitszugs-Modell entwickelt werden.-

Ich fordere die Kommission dazu auf, einen Aktionsplan vorzulegen, in dem sie ihre Prioritäten durch konkrete Maßnahmen so schnell wie möglich darlegt, um diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit den EU-Strategien für 2013 und später umzusetzen. Wir müssen auch die vielen betroffenen Partner mit an Bord bringen, insbesondere lokale und regionale öffentliche Stellen und die Organisationen der Zivilgesellschaft.

Die Zusammenarbeit im Rahmen der Strategie für die Atlantikregion muss in erster Linie auf die Bedürfnisse der betroffenen Akteure ausgerichtet sein. Deshalb muss ein Konsens über die innerhalb dieses Rahmenprogramms zu ergreifenden politischen Prioritäten erzielt werden. Diesbezüglich könnte der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit ein nützliches Instrument für die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Atlantikregion darstellen.

Dies fasst die Ergebnisse der Diskussion des Parlaments über diese Strategie zusammen. Wir werden die von der Kommission einzureichenden Vorschläge genau mitverfolgen und ganz bestimmt einen klaren, konkreten Beitrag dazu leisten.

Frau Kommissarin, könnten Sie uns, insofern Ihnen dies möglich ist, bitte erklären, welche Prioritäten die Kommission hat, wie Sie sich die Umsetzung dieser Strategie vorstellen und in welchem Rahmen Sie den Vorschlag des Parlaments berücksichtigen werden? Herr Präsident, es ist eindeutig besser, sich zu wiederholen, als sich zu widersprechen, deshalb werde ich mich hier wiederholen: hier in Straßburg ist alles in Ordnung.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich möchte Herrn Cadec für seine Initiative danken. Ich begrüße seine Ideen sehr. Ich möchte auch den Abgeordneten des Europäischen Parlaments danken, die sich dieser mündliche Anfrage angeschlossen haben. Wir arbeiten nun eine Meeresstrategie für den Atlantik aus. Ich möchte die Abgeordneten darüber informieren, dass ich mich entschlossen für die Unterbreitung einer zielgerichteten Strategie einsetze, um Fragen im Zusammenhang mit dem Atlantik in diesem Gebiet ganz oben auf die Tagesordnung zu bringen.

Ich erkenne auch an, dass das Gebiet ein wichtiges Erbe von großer umweltpolitischer Bedeutung beinhaltet und von vielen aktiven Akteuren unterstützt wird. Ich habe alle diese Akteure, einschließlich der Küsten-, Meeres- und Wirtschaftsbereiche im Atlantik dazu aufgefordert, die Strategie zu unterstützen. In der Vorbereitungsphase waren sie bereits sehr hilfreich. Ich werde sie weiterhin dazu aufmuntern, sich auch während des Annahmeverfahrens der Strategie voll zu engagieren. Das ist für den Erfolg der Strategie maßgebend.

Die Konsultation der Öffentlichkeit hat uns vor Augen geführt, dass es tatsächlich eine atlantische Identität gibt. Sie hat auch gezeigt, dass die Akteure einen Ansatz bevorzugen, der ihre geografischen, demografischen und wirtschaftlichen Besonderheiten berücksichtigt. Sie unterstützen zudem Maßnahmen, die die Küstenstaaten in Fragen zu Fachkenntnissen, Meeressicherheit, besonderer Planung und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie enger zusammenbringen.

Die Rückmeldungen, die wir während der Konsultation erhielten, werden der EU auch ermöglichen, in den nächsten Monaten prioritäre Maßnahmen im Bereich der regionalen Entwicklung und Forschung zu identifizieren. Die Atlantikstrategie wird konkrete Strategieziele vorlegen und bereichsübergreifende Ansätze für alle Meeressektoren bieten.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort muss eine der wichtigsten Prioritäten sein. Das bedingt ein volles Engagement und eine aktive Teilnahme der Mitgliedstaaten, der Konferenz der peripheren Küstenregionen, der Atlantikregion und der maritimen Industrie. Die Unterstützung der Abgeordneten des Europäischen Parlaments in ihren Wahlkreisen ist in diesen Fragen daher von größter Bedeutung und äußerst wertvoll.

Sehr geehrte Damen und Herren, um eine größtmögliche Sichtbarkeit der Strategie zu gewährleisten, schlage ich vor, dass wir eine Annahme erst nach der Diskussion über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik vorbereiten. Dadurch können wir sicher sein, dass die Initiative auch genügend Aufmerksamkeit erhält, und zudem können wir somit auch die regionale Dimension der neuen, überarbeiteten Gemeinsamen Fischereipolitik aufnehmen. Die Meinung des Parlaments muss ebenfalls vollumfänglich berücksichtigt werden.

Deshalb glaube ich, dass die Atlantikstrategie erstens dazu beitragen wird, durch EU-Forschungsprogramme und regionale Entwicklungsprogramme ein nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Arbeitsplätze in der Region zu fördern, zweitens können dadurch die Ziele der überarbeiteten Gemeinsamen Fischereipolitik erreicht und drittens Fortschritte im Bereich Umweltschutz und gleichzeitig die Entwicklung einer tragfähigen Meereswirtschaft in diesem wichtigen Gebiet gewährleistet werden.

 
  
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  Lambert van Nistelrooij, im Namen der PPE-Fraktion.(NL) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Cadec für diese Initiative gratulieren, denn sie kommt genau zur richtigen Zeit. Frau Kommissarin, herzlichen Dank für Ihre Initiativen zur Entwicklung einer Meeresstrategie.

Bei näherer Betrachtung dieses Dokuments scheint unsere Rolle in erster Linie die Behandlung aller Aspekte zu sein, die wir gemeinsam besser machen könnten. Ich verstehe voll und ganz, dass wir keine neuen Strukturen errichten wollen. Die Küstenregionen und alle Personen in den einzelnen Mitgliedstaaten, die in diesem Bereich tätig sind oder mit anderen Mitgliedstaaten an dieser Frage arbeiten, müssen die Strategie aufnehmen. Zudem müssen sie gewährleisten, dass wir dadurch nicht eine neue administrative Ebene schaffen, halbwegs zwischen der Europäischen Kommission, der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten. Das ist eine wichtige Vorbemerkung.

Befassen wir uns nun jedoch mit den verschiedenen Dingen, die unter die Meeresstrategie fallen – ich denke hierbei an den Verkehr und all die neuen Maßnahmen, die diesbezüglich relevant sind, die Umwelt, die Wirtschaft und, wie bereits erwähnt wurde, die nachhaltige Entwicklung, die EU 2020-Strategie, die Energiefrage und natürlich die Überarbeitung unserer Position zur Fischerei. Alle diese Dinge unterstreichen das Bedürfnis, die Möglichkeiten und das Potenzial der Atlantikküste zu fördern. Darf ich noch einen weiteren Punkt hinzufügen? Ich vertrete hier die Niederlande, einen unserer Mitgliedstaaten. Wir haben nun über die Ostsee, den atlantischen Bogen, die Donau und das Mittelmeer gesprochen. Was bleibt noch übrig? Eine Küstenlinie von Norwegen, über die Niederlande und ein Stück Deutschland bis nach Dänemark, kurz gesagt, die Nordsee. Nun lautet meine Frage an die Frau Kommissarin: Wenn Sie mit den Makroregionen geografisch arbeiten wollen, müsste der nächste Schritt nicht sein, dies zu akzeptieren und sich damit zu befassen? Und abschließend noch eine Sache, bitte. Am Ende dieser Woche trifft sich die Nordseekommission der KPKR [Konferenz der peripheren Küstenregionen]. Sie wird diesen Vorschlag in Middelburg vortragen. Könnten Sie dies kommentieren?

 
  
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  Ricardo Cortés Lastra, im Namen der S&D-Fraktion.(ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die Strategie für den Ostseeraum der Europäischen Union hat bereits andere Regionen inspiriert, wie beispielsweise die Donau-Regionen. Auf ähnliche Weise haben alle Regionen des atlantischen Bogens – und ich möchte die besonders aktive Rolle meiner Region, dem spanischen Kantabrien, unterstreichen – sich seit 1989 im Rahmen der Konferenz der peripheren Küstenregionen für die Förderung der Zusammenarbeit in Bereichen von gemeinsamem Interesse eingesetzt.

Frau Kommissarin, wir glauben, es ist nun an der Zeit, so schnell wie möglich eine Atlantikstrategie zu entwickeln. Das sollte im Rahmen der Europa 2020-Strategie festgelegt werden, um die Umwelt und die Biodiversität zu schützen, den Klimawandel zu bekämpfen, eine nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land zu fördern, das verantwortungsvolle Wachstum der Wissensgesellschaft, des Tourismus, der Meeresforschung und Innovation, der regenerativen Energiequellen, des Seeverkehrs und der Ausbildung zu unterstützen, die Zugänglichkeit zu unseren Regionen durch die Entwicklung neuer Seewege zu verbessern, die Infrastrukturnetzwerke zu stärken, Informations- und Kommunikationstechnologien zu entwickeln und Online-Arbeit zu fördern.

Wie die Konferenz der peripheren Küstenregionen (KPKR) zu recht sagte – und ich möchte dieser Institution für ihre gute Arbeit danken –, ebnet die aktuelle Wirtschaftskrise im Zusammenspiel mit der Notwendigkeit, Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu ergreifen, den Weg für ein neues, wirklich nachhaltiges Entwicklungsmodell in der Europäischen Union. Diese Strategie ist für die Regionen des atlantischen Bogens wichtig, aber nicht nur für sie: Auch für die EU als Ganzes ist sie wichtig.

 
  
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  Michael Theurer, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ostsee-Strategie war der Auftakt, die Donaustrategie, die wir in diesem Jahr im Parlament erörtert haben, der zweite Schritt und nun folgt die Atlantikregion. Die ALDE-Fraktion im Parlament unterstützt diesen makroregionalen Ansatz und hat auch an dieser Entschließung aktiv mitgearbeitet.

Es geht um die Themen verbesserter Meeres- und Umweltschutz, natürlich auch um maritime Angelegenheiten und die Fischerei, aber es geht darüber hinaus um viel mehr, vor allen Dingen um drei Säulen: erstens die Kooperation der Mitgliedstaaten, damit Synergien besser genutzt werden. Zweitens verbindet der Atlantik die europäischen Mitgliedstaaten und Regionen am Atlantik mit den transatlantischen Partnern wie Kanada und den USA und mit anderen Nachbarländern wie Norwegen und Island. Drittens geht es darum, auch die Stakeholder in den Regionen besser miteinander zu verknüpfen.

Wir sollten den Schwerpunkt darauf legen, dass wir die Städte und Gemeinden, die Regionen, die Mitgliedstaaten und vor allen Dingen die Bürgerinnen und Bürger, die Zivilgesellschaft und auch die Unternehmen zusammenbringen und vernetzen, damit diese Akteure den Rahmen, also die makroregionale Strategie, mit Leben erfüllen können. Denn es sollen ja keine neuen Institutionen, keine neuen Gremien geschaffen werden, es soll auch mit dem vorhandenen Geld gewirtschaftet werden. Doch die vorhandenen Mittel bieten sicherlich noch ungenutzte Synergien und Möglichkeiten, auf deren Grundlage wir tätig werden können.

Genau darin sieht die ALDE-Fraktion eine dringende Notwendigkeit, denn der internationale Handel ist betroffen. Waren aus aller Welt gelangen über den Atlantik in die Europäische Union. Dieser Handel muss natürlich ökologisch nachhaltig erfolgen. Zudem dürften im Atlantik auch große Rohstoffreserven liegen, die man vielleicht nutzen kann, wobei allerdings die Umwelt nachhaltig geschützt werden muss. Wir fordern die Kommission auf, hier baldmöglichst eine Strategie auszuarbeiten und vorzulegen.

 
  
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  Isabella Lövin, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Seit viel zu langer Zeit wurden unsere Meere nicht wirklich verwaltet, sondern zwischen entgegengesetzten wirtschaftlichen Interessen hin und her gerissen. Mal steht die Fischerei, mal die Landwirtschaft und dann wieder der Seetransport, die Energie oder der Tourismus zuoberst auf der Tagesordnung. Regionale Meeresstrategien wie die Atlantik- oder Ostsee-Strategien müssen ein Instrument zur Koordination und zur Festlegung prioritärer Zielsetzungen sein.

Wir dürfen nicht vergessen, dass einige Strategien wie für Fischerei und Landwirtschaft hauptsächlich auf EU-Ebene beschlossen werden, aber für Umweltstrategien sind in erster Linie die Mitgliedstaaten verantwortlich. Deshalb glaube ich, dass die integrierte Meeresstrategie für die EU eine wichtige Rolle spielen wird. Ein wirksames System mit einer sogenannten maritimen Raumordnung ist der Schlüssel für die Festlegung von Prioritäten und dient Verwaltern, Politikern und Akteuren als Leitlinie.

Die Zusammenarbeit mit anderen Staaten der Atlantikregion ist ausgesprochen wichtig, um beispielsweise den Anteil an mikroskopischen Plastikabfällen zu verkleinern, unkontrollierte Fischerei zu bekämpfen und zu gewährleisten, dass Fischerei- und Umweltbestimmungen wirksam kontrolliert und umgesetzt werden.

Wir sind alle auf gesunde Meere und einen guten Umweltzustand angewiesen. Davon profitieren alle Sektoren, nicht zuletzt die Fischerei und der Tourismus. Deshalb sind umweltpolitische Ziele nicht nur für die Umwelt gut, sondern auch für eine blühende Atlantikregion.

 
  
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  Oldřich Vlasák, im Namen der ECR-Fraktion.(CS) Herr Präsident! Wir können feststellen, dass die Makrostrategie für den Ostseeraum eine Inspirationsquelle für andere Regionen ist. Nach der Makrostrategie für den Donauraum haben wir nun eine Strategie für den Atlantik auf dem Tisch. In diesem Falle handelt es sich jedoch um eine besondere Situation. Die Europäische Union hat ihre Aufmerksamkeit im Rahmen der Entwicklung der grenzüberschreitenden und transnationalen Zusammenarbeit bereits seit einiger Zeit auf den Atlantik gerichtet. Die Atlantikregion wurde unter dem INTERREG III B-Programm unterstützt. Zudem ist sie ein fester Bestandteil des aktuellen Programms zur territorialen Zusammenarbeit (Ziel 3). Mit diesen Unterstützungsprogrammen wurde in erster Linie ein Ausbau der regionalen Entwicklungsstrategien auf transnationaler Ebene bezweckt, um anschließend Unterstützung bei Verkehrssystemen und der Verbesserung des Zugangs zur Informationsgesellschaft, dem Umweltschutz und dem Schutz natürlicher Ressourcen zu leisten. Ziel war die wirtschaftliche Integration, insbesondere von Randregionen.

Es wäre sehr wünschenswert, wenn zuerst die bestehenden Programme und ihre Vorzüge ausgewertet würden und erst danach auf Grundlage dieser Ergebnisse eine neue Strategie für diese Region ausgearbeitet würde. Zudem müssen wir auch die transatlantischen Beziehungen in diese Strategie mit aufnehmen. Ob wir wollen oder nicht, wir sind Teil der europäisch-atlantischen Gesellschaft und wir teilen dieselben Werte. Genauso wie auf der anderen Seite des Ozeans wollen wir hier ein Gebiet ohne Grenzen und mit einem freien Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr. Und obwohl die Ziele der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union in vielen Aspekten oft komplementär sind, gibt es hier nur eine minimale Zusammenarbeit. Deshalb ist es wünschenswert, in europäischen Programmen und Strategien auch Bestimmungen zur transatlantischen Zusammenarbeit aufzunehmen. Eine ehrgeizigere Zusammenarbeit und eine bessere Koordination mit der europäischen Strategie für die Atlantikregion könnte diesbezüglich helfen, eine ehrgeizigere Agenda abzudecken, da eine freiwillige, praktische Zusammenarbeit bei gemeinsamen Anliegen die transatlantischen Beziehungen eindeutig stärken könnte.

 
  
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  Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(SV) Herr Präsident! Es gibt zwei wichtige Punkte, die ich hinsichtlich der Atlantikregion besonders hervorheben möchte. Dabei handelt es sich erstens um die Bedeutung von ökologisch nachhaltigen Fischereimethoden und zweitens um die Feststellung, wie wichtig es für die EU ist, das Fischereiabkommen mit Marokko nicht zu verlängern, da es gegen internationales Recht verstößt.

Bezüglich der Fischerei befinden wir uns gegenwärtig in einer Lage, in der über 70 % der Fischgründe in der Welt überfischt werden. Das trifft auch auf die EU zu. Da die EU jedoch den reichen Teil der Erde darstellt, importieren wir 60 % des Fischs, der in der Union konsumiert wird. Das bedeutet, dass Menschen in ärmeren Ländern keinen Zugang zu den protein- und nährstoffreichen Fischen hat.

Das zweite Problem, auf das ich wie erwähnt näher eingehen möchte ist, wieder einmal, wie wichtig es für die EU ist, das Fischereiabkommen mit Marokko nicht zu verlängern. Im Rahmen dieses Abkommens liefert Marokko der EU Fische aus der Atlantikküste der Westsahara. Marokko besetzt die Westsahara seit 1975 und zurzeit leben dort 160 000 Menschen in Flüchtlingslagern. Gemäß des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag entbehrt die marokkanische Besetzung der Westsahara jeglicher rechtlicher Grundlage und deshalb hat Marokko keinen Anspruch auf die natürlichen Ressourcen der Westsahara.

Deshalb muss der Frage einer ökologisch nachhaltigen Fischerei in der Strategie der Kommission für die Atlantikregion eine wichtige Stellung eingeräumt werden. Des Weiteren muss die Strategie Bestimmungen enthalten, durch die die EU das internationale Recht berücksichtigt und das Fischereiabkommen mit Marokko nicht verlängert.

 
  
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  Derek Roland Clark, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident! Diese Frage erwähnt eine territoriale Dimension und verweist auf andere Strategien, einschließlich der GFP, die für die EU ein komplettes Desaster ist. Die Fischbestände in der Nordsee, die Teil des Atlantiks ist, wurden durch Rückwürfe zerstört. Diese gehören verboten. Sie hätten niemals in Betracht gezogen werden dürfen.

Britische Fischer haben sich um die Fischbestände in ihren eigenen Hoheitsgewässern gekümmert, während andere sie durch Überfischung zerstört haben. Kein Wunder war die GFP für viele andere Mitgliedstaaten hochwillkommen, denn ihre Fischer warteten nur darauf, Zugang zur Nordsee zu erhalten. Wir brauchen mehr territoriale Ausgrenzung, nicht weniger. In meiner Region – den East Midlands – haben die Fischer von Boston seit Generationen in ihren Fischgründen, dem Wash, gefischt, sich um die Fischbestände gekümmert und sichergestellt, dass ihre Schleppnetze den Meeresboden nicht störten, denn sie wissen, dass sich dort Meeresfrüchte entwickeln und dass hier der Anfang der Nahrungsmittelkette gebildet wird.

Das ist ihre Lebensgrundlage. Nun dürfen sie nicht mehr fischen, unter dem Vorwand, dass ihre Schleppnetze den Meeresgrund schädigen. Und in der Zwischenzeit erhält ein niederländisches Schiff eine Lizenz, eine Million Tonnen Kies aus demselben Meeresgrund aufzusaugen, während E.ON einen Graben auf offener See ausheben will, um die Leitung für einen nutzlosen Offshore-Windpark zu legen. Wie viel Schaden fügt dies dem Meeresboden zu? Wie viel länger werden diese Fischer gezwungen, dabei zuzusehen, wie ihre Fanggründe zerstört werden, während ihnen bloß der Gang zum Sozialamt übrig bleibt?

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). - Herr Präsident! Die Atlantikregion ist in ökonomischer Hinsicht und genauso in ökologischer Hinsicht von gewaltiger Bedeutung für Europa. Im Hinblick auf die Ökologie etwa wissen wir, dass der Golfstrom ganz wesentlich das Klima in Europa beeinflusst. Inwiefern das Golfstromsystem sich in den letzten Jahrzehnten geändert hat und was die Zukunft diesbezüglich bringen wird, darüber streiten sich bekanntlich die Experten.

Was die Wirtschaft anbelangt, so bleibt abzuwarten, ob China und Kolumbien die Pläne zur Errichtung einer Eisenbahnverbindung zwischen der Atlantik- und der Pazifikküste Lateinamerikas tatsächlich umsetzen. Wenn rund 20 % aller chinesischen Waren auf dem Seeweg über den Panamakanal kommen, wird sich dieses Projekt sicherlich auch auf die Lateinamerikastrategie der Union auswirken.

Nicht übersehen werden darf, dass der Atlantik auch hinsichtlich der Flüchtlingsströme eine große Rolle spielt. So sind beispielsweise die Schlepperorganisationen aus Afrika seit der Errichtung des spanischen Grenzzauns im Jahre 2005 auf die Überfahrt zu den Kanarischen Inseln im Atlantik ausgewichen. Auch in dieser Hinsicht werden die Unruhen im arabischen Raum Auswirkungen zeigen. In den kommenden Monaten könnten sich die Zehntausende von Flüchtlingen, die bis dato an den europäischen Küsten gelandet sind, als Kleinigkeit im Vergleich zu dem herausstellen, was uns noch bevorsteht.

In diesem Sinne wäre es sinnvoll, wenn die Europäische Union in Afrika an der Mittelmeerküste, aber ebenso an der Atlantikküste aktiv werden würde. Denn es sollte der Grundsatz gelten, dass Flüchtlinge möglichst nahe ihrer Heimat untergebracht werden.

 
  
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  Francisco José Millán Mon (PPE). (ES) Herr Präsident! Ich freue mich sehr, dass die Kommission ein Dokument über die europäische Strategie für die Atlantikregion vorbereitet. Diese Region hat zwei bedeutende Merkmale, die eng zusammenhängen: die Beschaffenheit des Atlantischen Ozeans und ihre Abgelegenheit.

Ich werde vier Punkte ansprechen: Erstens möchte ich die Bedeutung der maritimen Aspekte erörtern. Deshalb muss die Strategie auch den Erhalt der Meeresumgebung, der Fischerei, der Umwelt, der Meeresenergie und des Tourismus gewichten.

Zweitens ist angesichts der Abgelegenheit der Region auch der Verkehr – die sogenannte „Konnektivität“ – sehr wichtig, sowohl zwischen den Gebieten der Atlantikregion als auch, vor allem, mit dem Rest der Europäischen Union. Die transeuropäischen Verkehrsnetzwerke, die Hochgeschwindigkeits-Seewege und die Energieverbindungen müssen prioritär behandelt werden. Im Hinblick auf meinen Wahlkreis, Galicien, denke ich dabei an die Hochgeschwindigkeitsverbindung mit dem Norden Portugals und den Zug El Transcantábrico.---

Drittens glaube ich, Frau Kommissarin, dass sich die Strategie nicht nur auf Meeresfragen konzentrieren muss. Sie muss, wie Herr Cadec bereits erwähnte, auch das Festland miteinbeziehen, um die Ziele der sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Kohäsion zu integrieren. Wie die Entschließung, über die wir morgen abstimmen werden, bereits andeutet, muss die Strategie für die Atlantikregion im engen Zusammenhang mit der Europa 2020-Strategie und der regionalen Entwicklungsstrategie stehen und in Anbetracht der zukünftigen Konjunkturaussichten ausgearbeitet werden.-

Schließlich müssen auch die verschiedenen Behörden und Organisationen der Atlantikregion berücksichtigt werden, einschließlich der Regionalregierung von Galicien und der Euroregion, die mit den benachbarten Gemeinden im Norden Portugals als einer der ersten Europäischen Verbunde für territoriale Zusammenarbeit in der Europäischen Union gegründet wurde.

All dies bedeutet, dass die Kommission sowohl während der Ausarbeitung der Strategie als auch bei ihrer Umsetzung einen permanenten Dialog mit diesen Regionen und Einrichtungen aufrechterhalten muss.

 
  
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  Estelle Grelier (S&D).(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr über diese Pläne für eine integrierte Strategie für die Atlantikregion. Wir brauchen einen gemeinsamen Ansatz für die Nutzung unserer maritimen Räume, der die spezifischen Merkmale jedes Meeresbeckens berücksichtigt und für bekannte Probleme gemeinsame Lösungen sucht.

Als gewählte Vertreterin der Normandie möchte ich Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf die spezifische Situation des Ärmelkanals lenken, der auch in die Pläne für eine integrierte Strategie für die Atlantikregion eingebaut werden muss. Der Kanal ist eines der strategischsten Meerestore der Europäischen Union und stellt eine wichtige Verbindung zwischen der Nordsee und dem Atlantik dar. Er enthält 20 % der weltweiten Flottenbestände und pro Tag befahren ihn mehr als 500 Schiffe über 300 Tonnen.

Zusätzlich zu dieser Bedeutung für den Verkehr bietet er auch Platz für Fischereien, Freizeitaktivitäten, Abbau von Rohstoffen und bald – und darüber freue ich mich sehr – Energieproduktion von Offshore-Windparks.

Diese Konzentration an verschiedenen Aktivitäten bedingt gründliche Überlegungen zur Verwaltung der Meeressicherheit auf europäischer Ebene, und ich denke, dass auch dies als Teil der Atlantikstrategie erörtert werden muss. Wie sie wissen, ist die bilaterale Basis, die als Grundlage der Ausgaben für die Sicherheit dient, gegenwärtig in Gefahr. Frau Kommissarin, ich habe Sie bereits auf diesen Punkt aufmerksam gemacht und werde die Vorschläge, die Sie im Juni einbringen, genau überprüfen.

 
  
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  Pat the Cope Gallagher (ALDE).(GA) Herr Präsident! Ich unterstütze voll und ganz, was auf EU-Ebene getan wird, um eine kohäsive Strategie für die Atlantikregion zu entwerfen. Die folgenden fünf Mitgliedstaaten der EU haben eine Atlantikküste: Großbritannien, Irland, Frankreich, Spanien und Portugal.

Zudem ist es wirtschaftlich und umweltpolitisch unentbehrlich, dass die Küstengebiete von Norwegen, Island und den Färöern ebenfalls in eine solche Strategie aufgenommen werden.

Die Atlantikstrategie muss sich auf die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Atlantikinseln und Küstengebiete konzentrieren.

Die Atlantikregion ist im Bereich Wind- und Wellenenergie eines der reichsten und gleichzeitig unterentwickeltsten Gebiete der Welt. Schätzungen zufolge könnten bis im Jahr 2050 bis zu 50 % der Energieversorgung Europas durch erneuerbare Energien aus der Atlantikküste gedeckt werden.

Tourismus und Freizeitaktivitäten sind ein weiteres wichtiges Wirtschaftsgut der Gebiete entlang des atlantischen Bogens. Die Region hat ein riesiges Wachstumspotenzial, wozu auch die Entwicklung strategisch der Küste entlang situierter Jachthäfen in jedem Land gehört. Die Beförderung auf dem Seeweg und der Hafensektor, sowie der Meeresfrüchtesektor, einschließlich Aquakultur, würden ebenso von einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten am Atlantik profitieren. Natürlich muss eine Atlantikstrategie auch die Gemeinsame Fischereipolitik berücksichtigen und der europäisch-atlantische Raum enthält die produktivsten und fruchtbarsten Fanggründe aller europäischen Gewässer. Zudem beheimatet er auch die größten Laichgründe für Makrelen, blaue Wittlinge, Stöcker und Seehechte. Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Meeressicherheit und -überwachung hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Angesichts der großen Ausdehnung des atlantischen Bogens wird eine integrierte Strategie bessere und wirksamere Abläufe zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen.

Dies wird schließlich zu einer besseren Reaktionsfähigkeit bei Notfällen auf hoher See, einschließlich Suche und Rettung führen, da keine geografischen oder politischen Hürden mehr bestehen. Zudem verhilft es zu einer verbesserten Überwachung, um das organisierte Verbrechen und den Drogenhandel zu bekämpfen.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (ECR).(PL) Herr Präsident! Die Entschließung des Europäischen Parlaments, das von einer Strategie für die Atlantikregion spricht, ist ein weiterer Schritt, der zeigt, dass Europa auf verschiedene Pferde setzten sollte. Wir haben hier über die Strategie für die Ostsee diskutiert und auch über die Donau-Strategie, die übrigens durch den ungarischen Ratsvorsitz gegenwärtig weitergeführt und entwickelt wird. Nun ist es an der Zeit für eine Strategie für die Atlantikregion. Dabei handelt es sich um eine spezifische Strategie, die nur fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft. Trotzdem ist sie sicherlich wichtig. Es muss jedoch klar betont werden, dass sie nicht zu einem Vorwand und einem Instrument verkommen darf, die EU-Fördermittel für diese Länder zu erhöhen, sondern im Hinblick auf die Entwicklung der Atlantikregion zur Verbesserung des Einsatzes dieser Mittel dient.

 
  
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  Anna Rosbach (EFD).(DA) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte die Kommission fragen, ob der Schutz der marinen Umgebung zu einem Stützpfeiler dieser Strategie wird. Wird sich die Kommission auf die Vorbeugung und Bekämpfung des Problems von Plastikabfällen in den Meeren konzentrieren? Die Kommission hat diesbezüglich im vergangenen Jahr einen Workshop organisiert, aber wird dieses Problem auch in der Strategie aufgenommen? Wird sich die Kommission in dieser Strategie mit dem Problem der illegalen Fischerei und dem bewussten Ablassen von Öl befassen?

Ich möchte auch wissen, welche Rolle in dieser Strategie, wenn überhaupt, dem Meerestourismus, also Kreuzfahrtschiffen zukommen wird. Ich denke dabei an die Störungen für die Fauna und die Verschmutzung des nördlichsten Teils des Atlantiks.

Abschließend möchte ich fragen, ob die Kommission Seewege, die direkt oder indirekt in die Atlantikregion führen, in die Strategie aufzunehmen gedenkt. Ich bin der Ansicht, dass wir auch die großen Flüsse und Seen Europas miteinbeziehen müssen, wenn wir die Verschmutzung der Meere bekämpfen wollen.

 
  
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  Nuno Teixeira (PPE).(PT) Herr Präsident! Im Vertrag von Lissabon ist das Ziel der territorialen Kohäsion in der Europäischen Union festgeschrieben. Wie auch die wirtschaftliche und soziale Dimension der Regionalpolitik hängt die Wirksamkeit dieser Dimension von der Ausarbeitung neuer Strategien für die verschiedenen Regionen Europas ab. Um erfolgreich zu sein, müssen die Realitäten der Regionen, ihre spezifischen Merkmale und speziellen Probleme berücksichtigt werden.

Die Atlantikregion hat verschiedene Merkmale, die die Ausarbeitung einer ehrgeizigen Strategie bedingen. Erstens handelt es sich um ein abgelegenes Gebiet mit besorgniserregenden Problemen in Bezug auf Zugänglichkeit und Anbindung. Die Umwelt ist gefährdet und wird durch den Klimawandel zunehmend geschwächt. Die Schifffahrtsaktivität ist durch die Bedeutung der Beförderung auf dem Seeweg, aber auch durch die Fischerei und Meeresenergie sehr dynamisch.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Europäische Union gerade durch die Atlantikregion und insbesondere die Gebiete in äußerster Randlage die größte exklusive Wirtschaftszone der Welt hat. Die Schaffung einer integrierten Strategie für die Atlantikregion muss unterstützt werden, insofern sie nicht nur das Meer, sondern auch das Festland berücksichtigt. Es müssen Synergien zwischen verschiedenen sektorspezifischen Strategien geschaffen und gefördert werden, um Vorteile für die Region zu erzielen.-

Die Strategie muss natürlich alle Regionen der Atlantikküste abdecken, einschließlich der Gebiete in äußerster Randlage Makaronesiens: d. h. Madeira, die Azoren und die Kanarischen Inseln. Die Anbindung dieser Regionen, deren spezifische geografischen und strukturellen Merkmale eine Optimierung der Zugänglichkeit und Mobilität verlangen, muss unbedingt verbessert werden. Dies würde nicht nur dazu beitragen, dass diese Regionen dynamischer werden und wachsen, sondern auch, dass die Zielsetzungen des Binnenmarkts besser erreicht werden können.

Ich möchte auch noch schnell auf das Bedürfnis einer Politik auf mehreren Ebenen innerhalb dieser Strategie eingehen, in der bei dieser Politik von der Analyse der regionalen Situation bis zur Umsetzung spezifischer Maßnahmen auch die Gebietskörperschaften miteinbezogen werden.

 
  
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  Riikka Manner (ALDE).(FI) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Einleitend möchte ich Herrn Cadec für diese ausgezeichnete Initiative über eine Atlantikstrategie danken. Ganz eindeutig werden wir diese Atlantikstrategie in Zukunft benötigen. Wie bereits in anderen Beiträgen gesagt wurde, wird diese Strategie für die Europäische Union ein sehr wichtiges abgegrenztes Gebiet einrichten, das sowohl Fischerei-, als auch Verkehrs- und Energiefragen regelt. Ich bin überzeugt, dass wir uns durch Makroregionen und makroregionale Strategien in der Union besser für diese Anliegen einsetzen und zusammenarbeiten können.

Seit den 1990er Jahren hat die Europäische Union diese territoriale Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und mit Drittländern an den Grenzen der Union unterstützt, hauptsächlich im Rahmen der Kohäsions- und Außenpolitik. Diese makroregionalen Strategien wurden natürlich unter dem schwedischen Ratsvorsitz eingeführt und ich hoffe, dass sie in Zukunft einen Mehrwert im Bereich der internationalen und interregionalen Zusammenarbeit bieten werden.

Wie bereits erwähnt wurde, haben diese makroregionalen Strategien viel zu bieten, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Wirtschaft und Energie. Wie in diesem Entschließungsantrag erklärt wird, ist es wichtig, dass die Dinge mit dieser Atlantikstrategie wie bisher weitergehen können, das heißt, dass wir bestehende Strukturen und Mittel einsetzen. Es ist auch mit dieser makroregionalen Strategie einfach nicht nötig, weitere Strukturen zu schaffen.

In dieser Vorbereitungsarbeit müssen wir alle Regionen und Akteure berücksichtigen, um eine wahrhafte Synergie für diese Region des Atlantiks zu schaffen.

 
  
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  Seán Kelly (PPE).(GA) Herr Präsident! Ich möchte einige Worte zu diesem Thema sagen, das mich brennend interessiert, da ich auch von einem Land im Ozean komme – Irland.

Wir haben die Strategien für die Donau, die Ostsee und das Mittelmeer. Diesbezüglich steckt die Atlantikstrategie zwar noch in Kinderschuhen, aber sie hat ein großes Potenzial, wie bereits andere Abgeordnete bemerkt haben, und zwar nicht nur bezüglich des Meeres, sondern auch des Festlandes, wie auch mein Kollege, Herr Millán Mon erwähnte.

Ich möchte mich auf zwei Punkte konzentrieren: Erstens das touristische Potenzial und zweitens die Energie. 7 % des irischen Tourismus ist seegestützt. Wir sollten ein Ziel setzen, um diesen Anteil bis ins Jahr 2020 entlang der gesamten Atlantikküste in den fünf Ländern des atlantischen Bogens zu verdoppeln.

Insbesondere unter jungen Menschen gab es einen Zuwachs bei landbasierten und Hochsee-Tätigkeiten, wie Wandern, Tauchen, Fischen, Walbeobachtung und Surfen. Alle diese Sportarten können durch einen einheitlichen Ansatz in allen wesentlichen Bereichen, insbesondere im Marketing und der Lizenzvergebung usw. entwickelt werden, wodurch auch der bürokratische Aufwand verringert werden könnte.--

Was die Energie betrifft, so brauchen wir bis ins Jahr 2050 deutlich mehr erneuerbare Energien, als wir heute haben. Wir konnten die Flüchtigkeit des Ölpreises in den letzten Wochen beobachten. Das wird sich nicht ändern. Der atlantische Ozean bietet ein großartiges Potenzial für Wind-, Wellen- und Gezeitenenergie. Zurzeit sind diese Alternativen vielleicht noch zu teuer, aber mit der Weiterentwicklung der Technologien wird sich das schon bald ändern.

 
  
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  Luís Paulo Alves (S&D).(PT) Herr Präsident! Es ist wichtig, dass die Europäische Union als globaler Akteur eine Atlantikstrategie hat, durch die das volle Potenzial dieser privilegierten Grenze entwickelt werden kann. Denn sie verbindet uns mit wichtigen Gebieten der Welt wie Nordamerika, Südamerika und den ganzen Westen Afrikas.

Innerhalb dieses strategischen Rahmens kann die Schaffung einer Strategie für die Atlantikregion ihr volles Potenzial entwickeln, wovon nicht nur diese Region, sondern die ganze Europäische Union profitiert. Nur als Teil einer strategischen Ausrichtung, die die Region in ihr Zentrum stellt, kann unser Ansatz für den Atlantik von der Sichtweise einer Region in Randlage abkommen, und sich auf eine Region konzentrieren, die sich ihrer Geozentralität in der Welt bewusst ist. Eine Strategie für die Atlantikregion, an der sich die Mitgliedstaaten und ihre Regionen beteiligen, sollte auch neue Bereiche der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Innovation und insbesondere neue Produkte und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt, den erneuerbaren Energien und Meeresenergien, nahrungsmittelbezogenen Meeresbiotechnologie, Gesundheit und intelligenten, technologieintensiven Produkten und Dienstleistungen fördern.---

 
  
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  María Irigoyen Pérez (S&D). (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Dies ist ein Schlüsselmoment in der Konstruktion der zukünftigen Kohäsionspolitik, die sich nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht nur auf soziale und wirtschaftliche Aspekte konzentriert, sondern auch territoriale Faktoren miteinbezieht. Die territoriale Kohäsion bezweckt eine harmonische Entwicklung zwischen den Gebieten, damit ihre Bürgerinnen und Bürger von den jeweiligen Besonderheiten vollumfänglich profitieren können.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen jedoch bei der Zusammenarbeit zwischen denjenigen Regionen der Europäischen Union, die vor denselben Herausforderungen und Problemen stehen, Fortschritte gemacht werden. Das ist das Ziel der europäischen Strategie für die Atlantikregion: eine gemeinsame Perspektive, um die gemeinsamen Herausforderungen, denen die Mitgliedstaaten der Region ausgesetzt sind, zusammen anzugehen. Dabei handelt es sich insbesondere um Meeresforschung und -überwachung und wirtschaftliche Hürden. Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir eine zielgerichtete und integrierte Strategie annehmen, die mit den Zielen der Europa 2020-Strategie und den Strategien der Europäischen Union für die Zeit nach 2013 und insbesondere mit der Regional- und Meerespolitik übereinstimmt.-

Diese Strategie muss jedoch, meine Damen und Herren, in erster Linie auf eine reformierte Politik auf mehreren Ebenen gestützt sein und auf die engere Beteiligung der regionalen und lokalen Behörden, der Mitgliedstaaten, der Europäischen Union, der Akteure des privaten Sektors und der Organisationen der Zivilgesellschaft, einschließlich interregionaler Netzwerke und Organisationen aufbauen.--

 
  
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  Maria do Céu Patrão Neves (PPE).(PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die Atlantikstrategie der Europäischen Union erreicht ein grundlegendes Ziel: Sie ist ein integrierter und gemeinsamer Ansatz im Umgang mit den Ozeanen und Meeren Europas und ist auf ihre spezifischen Merkmale abgestimmt. Die besonderen Merkmale des Atlantiks sind die interkontinentale Dimension, die Vielseitigkeit seiner Meeresbecken und die Tatsache, dass es sich um einen wahnsinnig tiefen Ozean handelt. Diese Argumente sowie die historischen Verbindungen zwischen den Ländern und Regionen, die durch den Atlantik voneinander getrennt sind, rechtfertigen diesen besonderen Ansatz für die Atlantikregion. Die geostrategische Position an der Grenze zwischen Europa, Afrika und Amerika schafft auf mehreren Ebenen Probleme und Chancen für eine maritime Tätigkeit, so zum Beispiel für den Schutz und die Erhaltung der Ökosysteme, der Meeressicherheit, der Erforschung des Klimawandels, der Sicherheit und Verfügbarkeit von Lebensmitteln und Energie usw.

Der große Reichtum des Atlantiks befindet sich jedoch in Form von natürlichen Werten, genetischen Ressourcen und Bodenschätzen auf der Ebene des Meeresbodens. In diesem Zusammenhang glaube ich, dass technologische Forschung, Entwicklung und Innovation eingesetzt werden müssen, um die Nutzung und die nachhaltige Verwaltung dieser Ressourcen unter der Schirmherrschaft der Atlantikstrategie der Europäischen Union zu gewährleisten. Wir müssen in einem speziell dafür geeigneten Gebiet wie den Azoren ein europäisches Tiefseeobservatorium einrichten.

 
  
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  Alyn Smith (Verts/ALE).  – Herr Präsident! Ich glaube, bei der Entwicklung der Strategie herrscht zwischen den Abgeordneten und Ihrem Büro mehrheitlich Übereinstimmung, Frau Kommissarin. Ich denke, wir stimmen alle überein, dass wir durch die Schaffung eines Forums zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Regionen und Staaten des atlantischen Bogens gemeinsam mehr erreichen können, aber ich möchte Sie schonend vor einem „Prioritätswahn“ warnen, der in diesem Saal grassiert. Wenn wir versuchen, 300 Millionen Ziele zu erreichen, werden wir keines davon richtig machen, deshalb möchte ich zwei besondere Prioritäten auswählen, bei denen die EU einen wahrhaftigen, wirklichen, echten Mehrwert bringen könnte.

Absatz 8 konzentriert sich auf Verknüpfungsmöglichkeiten für die Meeresenergie. Die Atlantikregion verfügt über ein riesiges Potenzial für erneuerbare Energien. In Schottland können wir einen großen Beitrag zum Klimawandel und unseren regionalen Entwicklungszielen leisten. Wir könnten dabei eine wichtige Rolle übernehmen. Laut den Absätzen 9 bis 11 könnte die Bedeutung des Seeverkehrs auch sehr wichtige wirtschaftliche und umweltpolitische Auswirkungen haben.

Dabei gibt es viel Bewundernswertes, aber ich hoffe doch, dass sich die Kommission auf weniger Punkte konzentrieren wird, als die vielen noblen Ziele, die wir hier heute Abend gehört haben.

 
  
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  Jarosław Leszek Wałęsa (PPE).(PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte meine volle Unterstützung für jegliche Maßnahmen zur Expansionspolitik im Bereich der Verwaltung von Meeresgebieten bekunden. Ebenfalls unterstütze ich die Forderungen, die wir hier erörtern und die in der eingereichten Entschließung enthalten sind.

Der atlantische Ozean ist ein Bereich, indem sich die Beförderung auf dem Seeweg, Fischereien, umweltfreundliche Energien und die wissenschaftliche Forschung dynamisch entwickeln können. Er bietet uns ausgezeichnete Möglichkeiten für eine effiziente Verwaltung. Diese sollten weise eingesetzt werden, wobei die wichtige Rolle der Union als Hüterin der natürlichen Umgebung berücksichtigt werden muss. Das ozeanische Ökosystem zählt zweifellos auch dazu. Die Bündelung der Stärken der EU im atlantischen Ozean ist eine natürliche Richtung für unsere wirtschaftliche Expansion. Die Entwicklung der Beförderung auf dem Seeweg zwingt uns schon fast, an einer optimalen Strategie für die Entwicklung das atlantischen Raums, einschließlich Hafenanlagen, zu arbeiten. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass die Häfen das Tor zum vereinten Europa sind.

 
  
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  Marie-Thérèse Sanchez-Schmid (PPE).(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Seit dem Jahr 2005, als wir die Ostsee-Strategie behandelten, wurden makroregionale Strategien vom Europäischen Parlament mit viel Interesse begrüßt.

Ich freue mich, dass wir heute dank meines Kollegen Alain Cadec in der Lage sind, einen Impuls für eine ehrgeizige regionale Strategie für den atlantischen Bogen geben können. Zusätzlich zu den vielen Bereichen, in denen eine Koordination und Zusammenarbeit benötigt werden und zur Bedeutung eines integrierten Ansatzes durch den wir die Probleme dieser Region auf makroregionaler Ebene angehen können, möchte ich zwei Punkte besonders hervorheben.

Das Ziel der territorialen Zusammenarbeit (Ziel 3 der Kohäsionspolitik), und insbesondere ihr transnationaler Aspekt sollte berücksichtigt werden, um diese Strategien durch die Koordination der Diskussionen und der Projektentwicklung zu unterstützen.

Die Mitgliedstaaten und Regionen sollten aufgefordert werden, die gemeinsam erarbeiteten Maßnahmen in ihren operationellen Programmen aufzunehmen. Leider werden diese Strategien ohne einen starken politischen Willen in eine Sackgasse führen. Europa will sich zwar nicht mit Makroregionen eindecken, aber es muss die territorialen Einschränkungen berücksichtigen, die durch die Aufhebung der Grenzen nicht einfach verschwunden sind.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Diese Diskussion war sehr interessant und hat gezeigt, dass die Initiative einer mündlichen Anfrage ein voller Erfolg war.

Ich möchte auf drei Dinge eingehen. Das erste betrifft unsere Meeresstrategie. In der Meeresstrategie können wir viele Bereiche, Maßnahmen und Perspektiven einschließen. Worauf werden wir uns konzentrieren? Wir werden in erster Linie versuchen, Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen zu erstellen. Lassen Sie mich erklären, was ich meine.

Wir haben einen Raum, einen Meeresraum – den atlantischen Meeresraum. Dort können wir Fischereien haben, wir müssen die Umwelt schützen, wir können Tourismus betreiben, auch Verkehr, Aquakultur, Energie, und Forschung ist möglich. Deshalb brauchen wir eine Möglichkeit, zwischen all diesen Bereichen Verbindungen zu knüpfen und möglichen Interessenskonflikten auszuweichen. Somit wird die maritime Sonderplanung für uns ein sehr wichtiges Instrument sein und auch der Meeresüberwachung und dem maritimen Wissen kommt eine große Bedeutung zu.

Das ist unsere Ambition. Es geht hier nicht um die Schaffung neuer Strukturen, damit bin ich einverstanden, wir brauchen nicht wirklich neue Strukturen. Was wir jedoch brauchen, ist eine Verbindung zwischen den verschiedenen bestehenden Strukturen. Und genau darum geht es – um die Schaffung von Verbindungen zwischen den bestehenden Strukturen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. So viel zum ersten Punkt.

Der zweite Punkt betrifft Ihre Kommentare über eine territoriale Kohäsionspolitik. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir einen Vorschlag für diese Makroregionspolitik brauchen. Der Rat muss der Kommission einen Vorschlag unterbreiten. Was wir zum jetzigen Zeitpunkt haben, ist ein Vorschlag über eine Meeresstrategie. Im vergangenen Juni gab es eine Entscheidung diesbezüglich und es wurde uns erlaubt, eine Meeresstrategie auszuarbeiten. Daran arbeiten wir und hoffen, dass wir auf diese Weise dazu beitragen können, einen möglichen makroregionalen Ansatz auf den Tisch zu bringen.

Mein dritter Punkt betrifft die Notwendigkeit eines internationalen Ansatzes. Ja, ich bin mit all denen unter Ihnen einverstanden, die sagten, dass wir auch mit unseren Nachbaren auf beiden Seiten des Atlantiks eine gute Koordination benötigen. Wir müssen vorsichtig sein. Wir müssen gute Diskussionen führen und versuchen, gleiche Ausgangsbedingungen für alle zu schaffen, denn nur so können wir unser Ziel erreichen.

Deshalb möchte ich Herrn Cadec erneut für seine Initiative danken und ich möchte Ihnen versichern, dass alle Ihre Vorschläge berücksichtigt werden.

 
  
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  Der Präsident. – Ich habe einen Entschließungsantrag(1) erhalten, der gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung eingereicht wurde.

Die Aussprache wird beendet.

Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 9. März 2011, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Jim Higgins (PPE), schriftlich. –Ich begrüße diese Initiative sehr. Wir müssen dazu beitragen, dass wir eine klar definierte Strategie haben, um dieser Region zum Aufschwung zu verhelfen. Zu den Problemen dieser Region und den Bereichen, die wir behandeln müssen, zählen Umweltbedrohungen (Wasserverschmutzung, Überschwemmungen, Klimawandel), das nicht ausgeschöpfte Schifffahrtspotenzial und ein Mangel an Straßen- und Bahnanschlüssen, ungenügende Energieverbindungen, ungleiche sozioökonomische Entwicklungen, nicht koordinierte Ausbildungs-, Forschungs- und Innovationssysteme und Sicherheitsmängel.

 
  

(1) Siehe Protokoll


21. Ausführungen von einer Minute (Artikel 150 GO)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgen die Ausführungen von einer Minute zu Fragen von politischer Bedeutung.

 
  
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  Maria do Céu Patrão Neves (PPE).(PT) Herr Präsident! Am 17. Februar fegte ein Wirbelsturm über die Treibhäuser von 50 Landwirten in der Region von Póvoa do Varzim und verursachte Schäden in Höhe von 1,5 Millionen EUR. Innerhalb weniger Sekunden zerstörte der Wirbelsturm, was durch monatelange Arbeit und jahrelange Investitionen herangezüchtet wurde. Die Landwirte sind nun zu einer neuen Aussaat gezwungen und es wird Monate dauern, bevor ihre Produkte auf den Markt kommen. Diese Landwirte wurden bereits am 27. Februar 2010 von einem anderen Sturm heimgesucht. Damals betrugen die Kosten für ihre Schäden über 4 Millionen EUR und die Behörden haben bis heute nicht darauf reagiert.

Diese Zahlen zeugen von der Bedeutung der Gemüseproduktion für die lokale Wirtschaft: 2 000 Familien mit insgesamt 5 000 Arbeitskräften und 10 000 direkt oder indirekt damit verbundene Stellen in der Region sind in Gefahr. Diese extremen Wetterphänomene sind immer häufiger und gefährden die Weiterführung der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Wenn sie nicht subventioniert werden, sind die Versicherungskosten so hoch, dass jegliche Tätigkeit dadurch unrentabel wird.

Vor diesem Hintergrund bin ich überzeugt, dass sich die Europäische Union unbedingt Gedanken über die Einführung eines Mindestversicherungsniveaus für alle Landwirte und über die Förderschwellen des Solidaritätsfonds machen muss. Es ist auch wichtig, die regionale Dimension zu berücksichtigen: Andernfalls werden die Regionen, die von schlimmen Katastrophen betroffen sind, davon ausgeschlossen, da die Schwelle für den Mitgliedstaat als Ganzes nicht erreicht wurde.

 
  
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  Der Präsident. – Frau Patrão Neves, darf ich bitte anmerken, dass Sie, wenn Sie das Wort ergreifen, Ihre Zeit meist zu überschreiten scheinen und so schnell reden, dass die Dolmetscher nur mit Mühe mitkommen. Könnten Sie Ihre Bemerkungen vielleicht etwas kürzer fassen?

 
  
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  Monika Smolková (S&D). (SK) Herr Präsident! Vergangene Woche hat der stellvertretende Premierminister der Slowakei und ehemalige Europäische Kommissar, Ján Figeľ, in Brüssel Verhandlungen für die Überweisung finanzieller Mittel in Höhe von 350 Mio. EUR aus den operationellen Programmen „Informationsgesellschaft, Wissenschaft und Forschung“, und „Bildung und Eingliederung“ an das operationelle Programm „Verkehr“ geführt.

Der Bau von Autobahnen ist in der Tat notwendig. Es muss uns jedoch klar sein, dass genauso wie die Annahme der EU 2020-Strategie, insbesondere in Krisenzeiten, die Aufhebung der Hürden für das Wachstum der Beschäftigung, die Behandlung von neuen sozialen Risiken und die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung alles Vorbedingungen für ein Wirtschaftswachstum sind.

Die Umverteilung von finanziellen Mitteln benötigt die Zustimmung aller Kommissare. Ich bin überzeugt, genauso wie die slowakischen Lehrerinnen und Lehrer, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und andere Bürgerinnen und Bürger der Slowakei, die mit dieser Umverteilung von finanziellen Mitteln nicht einverstanden sind, dass jeder einzelne Europäische Kommissar zweifellos für die Arbeitsplätze, Wissenschaft und Forschung einstehen wird, denn die 350 Millionen EUR könnten sie dringend benötigen, wohingegen dieser Betrag im Bereich Verkehr nur gerade 11 Kilometer Autobahn ergibt, auch wenn wir diese wirklich brauchen können.

 
  
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  Ramon Tremosa i Balcells (ALDE). – Herr Präsident! Im vergangenen Monat wurde der öffentliche katalanische Fernsehsender (TV3) in Valencia durch die Regierung von Valencia stillgelegt. Diese Maßnahme widerspricht nicht nur den europäischen Richtlinien zur sprachlichen Vielfalt, der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen und der spanischen Verfassung, aber die Stilllegung des katalanischen Fernsehsenders ist auch ein offener Angriff auf die Beziehung zwischen den Katalanen und Valencianern, die sich durch ihre gemeinsame Sprache verbunden fühlen.

Die regionale Regierung von Valencia verhängt nun prohibitive Sanktionen an die private Vereinigung Acció Cultural del País Valencià, die vor 20 Jahren die Fernsehverstärker installiert hatte, und zwingt sie dazu, diese nun abzustellen.

Ich möchte auch ankündigen, dass eine Gesetzesinitiative des Volkes für den Empfang des katalanischen Senders mit 615 000 Unterschriften beim spanischen Parlament eingereicht wurde. Die sozialistische Regierung Spaniens muss sie berücksichtigen, aber bisher hat sich nichts getan.

 
  
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  Michail Tremopoulos (Verts/ALE).(EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission und die anderen Unterstützungsmechanismen in Griechenland haben kürzlich die Einwilligung der Regierung zur Bereitstellung von 50 Mrd. EUR bis ins Jahr 2015 bekannt gegeben, die durch den Verkauf von öffentlichem Eigentum erfolgen soll.

Der Vertreter der Kommission, Herr Deruz, hat eine Erklärung abgegeben, in der er sagte, dass die wahre Herausforderung für die griechische Wirtschaft in der globalen Privatisierung von öffentlichem Eigentum lag. Das öffentliche Eigentum in Griechenland ist jedoch nicht homogen: Geschäftsgrundstücke, wie Gebäude, die keine öffentliche Funktion erfüllen, sind eine Sache und eine radikale Änderung in der Landnutzung auf Kosten der Umwelt eine ganz andere. Dadurch werden Freiräume, wie der alte Flughafen von Athen, gefährdet, die eigentlich die mangelnden Grünflächen in Städten mit weniger als 3 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner kompensieren sollten. Das europäische Mittel liegt bei 10 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner.

Gebiete von großer Bedeutung für die Umwelt sind ebenfalls gefährdet, wie beispielsweise das Delta des Flusses Nestos, in dem bereits mehrere tausend Hektar große Anlagen für Touristen angekündigt wurden. Solche Nutzungsänderungen, bei denen wichtige Funktionen für die Umwelt aufgeopfert werden, sind das genaue Gegenteil einer nachhaltigen Entwicklung. Die Krise und die Schulden heben das Recht der zukünftigen Generationen auf eine gesunde natürliche Umgebung und Möglichkeiten für nachhaltige Städte nicht auf.

 
  
  

VORSITZ: Miguel Angel MARTÍNEZ MARTÍNEZ
Vizepräsident

 
  
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  Marek Henryk Migalski (ECR).(PL) Herr Präsident, ich bedaure zutiefst, dass Herr McMillan-Scott nicht mehr mit dem Verfahren betraut ist, da ich eine Bitte an ihn habe, die sich auf die Menschenrechte bezieht, die ihn so sehr interessieren. Wie Sie alle wissen, folgte auf die Wahlen in Belarus vom 19. Dezember eine Welle von Verhaftungen. Der Umstand, dass alle Präsidentschaftskandidaten, die gegen Herrn Lukaschenko angetreten sind, verhaftet wurden, macht die Situation nur noch bizarrer. Am 19. Februar wurde Ales Mikhalevich aus dem Gefängnis entlassen; er war einer der Gegenkandidaten. Er hat bestätigt, dass er gefoltert wurde. Ich erspare Ihnen die Beschreibung seiner Folter. Es genügt zu sagen, dass es sehr schlimm war. Deshalb wende ich mich, da wir in dieser Woche genau in dieser Angelegenheit eine Entschließung annehmen werden, an den gesamten Plenarsaal, insbesondere an Herrn McMillan-Scott, dem die Menschenrechte so sehr am Herzen liegen, damit er sich in dieser Angelegenheit so eindeutig und emphatisch wie möglich äußert und fordert, dass diesen beschämenden Praktiken ein Ende gesetzt wird. Vielen Dank.

 
  
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  Der Präsident. – Ich danke Ihnen, Herr Migalski. Herr McMillan Scott hat Ihnen von der Tribüne aus zugehört, aber wir alle interessieren uns sehr für die Menschenrechte.

Sie sprechen von Folter und ich kann Ihnen versichern, dass derjenige, der im Moment den Vorsitz einnimmt, dessen Fingernägel ausgerissen wurden, sich auch sehr für Menschenrechtsthemen interessiert, weil wir Gelegenheit hatten, Situationen wie die, die Sie beschrieben haben, zu erleben, und lassen Sie mich deshalb sagen, dass wir ausgesprochen interessiert sind.

 
  
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  Miguel Portas (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, zuerst tauchte zu Anfang dieses Jahres ein Lied auf. Dieses Lied stellte eine lächerliche Welt an den Pranger, in der es notwendig ist, zu studieren, um zum Sklaven zu werden: unsere Welt. Innerhalb von Stunden wurde dieses Lied zur Hymne in meinem Land. Dann kamen vier junge Leute. Sie benutzten Facebook, um eine Demonstration zu organisieren und die folgenden Menschen zusammenzubringen. Ich zitiere: die Arbeitslosen, [...] diejenigen, die Sklaven unter einem anderen Namen sind, Unterauftragnehmer und die mit Kurzzeitarbeitsverträgen, diejenigen mit unregelmäßiger Beschäftigung und die, die Arbeitserfahrung sammeln. Mit anderen Worten, die Generationen, die sich in meinem Land verschulden, um zu studieren, die beinahe dafür zahlen, zu arbeiten und die mit 500 EUR im Monat über die Runden kommen.

Es gibt inzwischen schon mehr als 40 000 Menschen, die sich auf dem Internet für diese Demonstration eingetragen haben, die an diesem Samstag stattfindet. Es wäre gut, wenn dieses Europa – dieses hierarchische Europa – denen zuhörte, die der Angst und dem Schweigen abschwören und der Unsicherheit müde sind, der Unsicherheit, die wir ihnen aufgezwungen haben. Wie das Lied sagt, sie sind die „Ich kann es nicht mehr ertragen“-Generation und sie haben völlig recht.-

 
  
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  Nikolaos Salavrakos (EFD).(EL) Herr Präsident, ich werde zum Thema Libyen sprechen. Der Aufstand in diesem Land, der auf die Aufstände in Tunesien und Ägypten folgte, ist blutiger und hat eine tragische Wende genommen. Auf den ersten Blick erscheint die basisdemokratische Reaktion gegen das Regime spontan und nicht ideologisch ausgerichtet. Sie wendet sich gegen ein Regime, dass ganz offensichtlich unfähig ist, chronische Probleme in Bezug auf Wachstum und eine grundsätzlich soziale Justiz zu lösen. Europa hat große Interessen in dieser Region. Dutzende europäische Unternehmen – britische, italienische, französische und große griechische Unternehmen – arbeiten in Libyen, dem drittgrößten Ölproduzenten Afrikas. Die Instabilität ängstigt die Märkte und die Ölpreise sind schon explodiert.

Ich denke, dass Europa unter den derzeitigen Umständen besonders aufmerksam sowohl das Ansteigen des Zuflusses von Flüchtlingen – aus Libyen und ganz Nordafrika – als auch die Folgen einer Umstellung aller europäischen Haushaltspläne und eine Wende der Wirtschaftskrise zum Schlechteren hin beobachten sollte.

Außerdem müssen die Ursachen untersucht werden und wir müssen bei dem, was in Europa passiert, etwas unternehmen. Insbesondere müssen wir jungen Leuten Arbeit und Perspektiven bieten, weil junge Menschen in Ländern der islamischen Welt keine Hoffnung hatten und deshalb taten, was sie taten, und wir werden sehen, was hier passiert.

 
  
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  Corneliu Vadim Tudor (NI).(RO) Herr Präsident, in den letzten paar Tagen hat die Regierung von Rumänien eine von der Regel abweichende Entscheidung getroffen: sie hat für die Euthanasie gestimmt, nämlich für das Töten von streunenden Hunden. Ich appelliere an die Europäische Volkspartei, die auf der christdemokratischen Doktrin beruht: drängen Sie bitte Ihre Kolleginnen und Kollegen der liberaldemokratischen Partei in Rumänien darauf, ihre Hände nicht mit dem Blut Unschuldiger zu beschmieren. Jesus Christus liebte Tiere: „Ich wünsche Gnade und keine Opfer“, sagte der Heiland. Ich appelliere auch an die anderen Abgeordnete dieses Parlaments: beinahe alle von Ihnen haben zu Hause wenigstens einen Hund, den Sie wie einen Engel lieben.

Rumänien fällt leider ins Dunkel des Mittelalters, in die Barbarei zurück. Heute schläfert das Regime von Băsescu Hunde ein und morgen wird es Menschen einschläfern. Auch ist das Töten von Hunden ein lukratives Geschäft für die Mafia. Helfen Sie, zu verhindern, dass Rumänien sich in Idi Amins Uganda verwandelt. Welcher Grund auch immer geltend gemacht wird, es gibt einige Lösungen, die friedlich und zivilisiert sind, und in der Geschichte hat eine Straftat niemals irgendetwas gelöst.

 
  
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  Eleni Theocharous (PPE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, in letzter Zeit war all unsere Aufmerksamkeit auf die Aufstände in Nordafrika gerichtet. Allerdings sollten wir nicht den Aufstand der türkischen Zyprer im besetzten Zypern übersehen. Es ist ein sehr wichtiger Aufstand und für diejenigen, die behaupten, dass wir die Stimme der türkischen Zyprer nicht hören können, so werden sie deren Stimme jetzt wirklich hören.

Die türkischen Zyprer protestieren gegen die wirtschaftliche Not, die die türkische Besatzung ihnen auferlegt, gegen die Anwesenheit der Siedler, die die Demografie der Bevölkerung verändern und die Ursache dafür sind, dass sie verschwinden, und gegen den Angriff des Islams, mit Hunderten von Moscheen, die gebaut werden und Religionslehrern, die von Erdoğan in das besetzte Zypern geschickt werden – sie kämpfen unter der Flagge der Republik Zypern um ihr Überleben.

Die türkischen Zyprer haben „Nein“ zum Annan-Plan gesagt. Es waren nicht die türkischen Zyprer, die mit „Ja“ für den Annan-Plan, durch den Zypern ein für alle Mal geteilt wurde, gestimmt haben. Deshalb denke ich, dass wir die Ohren offen halten und auf die Proteste unserer Mitbürger, der türkischen Zyprer, hören sollten.

 
  
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  Mario Pirillo (S&D). (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Situation, in der sich der Fang von Rotem Thun im Mittelmeer befindet, fügt den Fischereigemeinden weiterhin einen unabsehbaren wirtschaftlichen Schaden zu. Die italienische Regierung hat den Entscheidungen der ICCAT zugestimmt und die Fangquoten für Roten Thun nur für gewerbliche Fischereifahrzeuge gesenkt, wobei es de facto einen Anstieg der Mengen gibt, die für die Freizeitfischerei vorgesehen sind. Dies ist eine absurde Maßnahme, durch die ausschließlich die Fischer bestraft werden, die schon eine sehr schwierige Zeit durchstehen.

In diesem Sinne weise ich Sie auf die negativen Auswirkungen hin, die der Industrie entstehen werden, wenn keine Entscheidung getroffen wird, um für das Fangen von Sardinen und Sardellen eine Ausnahme zu machen. Ich hoffe, dass eines der Ergebnisse der nächsten Sitzung, an der die heute hier anwesende Kommissarin Damanaki teilnimmt, sein wird, dass der Sardinen- und Sardellenfang im Jahr 2011 wieder aufgenommen werden kann, zumindest in einigen Regionen wie etwa Schiavonea und Corigliano Calabro in Kalabrien, mit der Möglichkeit einer Neuprüfung in 2012.

 
  
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  Sonia Alfano (ALDE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich glaube, dass die Ereignisse im Nahen Osten den europäischen Institutionen klargemacht haben, dass sie nicht weiter die Verletzung der Grundrechte und staatlicher Verfassungen ignorieren dürfen. Vergeben Sie mir, aber ich muss noch einmal von einer beschämenden Aktion der regierenden Mehrheit in Italien berichten, die Herrn Berlusconi vor den Verfahren retten will, die gerade bezüglich schwerer Straftaten wie Erpressung und Missbrauch prostituierter Kinder begonnen haben.

In der Tat hat die italienische Mehrheit das Verfassungsgericht angerufen, damit es entscheidet, welches Gericht über Herrn Berlusconi befinden soll. Sicherlich wird das Verfassungsgericht den Antrag auf einen aufgrund persönlicher Kriterien gewählten Richters abweisen, wir dürfen aber nicht länger diesen x-ten Angriff von Herrn Berlusconi auf die italienische Demokratie und die Unabhängigkeit des italienischen Gerichtswesens ignorieren.

Viele Kolleginnen und Kollegen haben eine Petition unterzeichnet, die als starkes Signal ausgesandt werden soll, das die italienischen Bürgerinnen und Bürger von ihren eigenen EU-Abgeordneten empfangen. Es ist ein eigenartiger Zufall, Herr Präsident, dass, obwohl Herr Berlusconi das Gerichtswesen schon seit Jahren angreift, der Justizminister, Herr Alfano, arglos nach Straßburg kommt, um den Plan vorzustellen, wie die Justiz effizienter gestaltet werden kann, und nicht einen Moment Zeit findet, das Europäische Parlament zu treffen. Hat er vielleicht Angst, sich unbequemen Fragen seitens der Volksvertreter bezüglich des italienischen Justizsystems und der Art und Weise, wie die Leute versuchen, dessen Unabhängigkeit zunichte zu machen, zu stellen?

 
  
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  Oldřich Vlasák (ECR).(CS) Herr Präsident, hier am Rednerpult des Europäischen Parlaments möchte ich Sie auf das Urteil C-236/09 des Europäischen Gerichtshofs von vergangener Woche aufmerksam machen. Nach diesem Urteil wird es ab dem 21. Dezember nächsten Jahres nicht mehr möglich sein, die Unterzeichner von Versicherungsverträgen nach dem Geschlecht zu unterscheiden. In diesem Fall ist man sowohl bei der Richtlinie der Europäischen Union als auch bei ihrer Auslegung klar zu weit gegangen; dies verletzt die Gesetze der Natur und wird beträchtliche negative Auswirkungen auf die Versicherungsindustrie haben. Das ist genauso unlogisch, als wenn wir den Versicherungsgesellschaften untersagen wollten, zu berücksichtigen, ob sich ein Haus oben auf einem Hügel oder in einer überflutungsgefährdeten Ebene befindet oder wie viele Unfälle ein Fahrzeugführer gehabt hat, wenn Nichtlebensversicherungen berechnet werden. Schließlich sind es nicht nur die Demografen, die sich des Umstands bewusst sind, dass die Sterblichkeit der männlichen Bevölkerung in den Industrieländern höher liegt als bei der weiblichen Bevölkerung, und dies ist über alle Altersschichten hinweg und in den meisten Fällen signifikant. Auch leben Frauen in der Regel um 10 % länger. In der tschechische Republik haben Männer eine Lebenserwartung von 73 Jahren und Frauen von 80 Jahren. Diese Wahrheit zu ignorieren und eine Richtlinie aus Brüssel zu benutzen, um den Versicherungsgesellschaften eine Pflicht aufzuerlegen, wonach sie nicht zwischen Männern und Frauen unterscheiden dürfen, widerspricht der versicherungsmathematischen Theorie und außerdem werden dadurch bestimmte Gruppen von Versicherungsnehmern diskriminiert. Das Ergebnis ist, dass Frauen höhere Prämien werden zahlen müssen und Männer niedrigere Pensionen beziehen werden.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, die sozialen Folgen der Umsetzung sogenannter „Sparmaßnahmen“ werden jeden Tag schlimmer. Der Finanzsektor und das Großkapital häufen weiterhin kolossale Profite an und die unerträgliche Erpressung staatlicher Mittel durch Zinsen, die auf die Staatsverschuldung von Ländern wie Portugal gezahlt werden, geht weiter. In diesem Zusammenhang gibt es eine Frage, die zu stellen ist: wie lange werden die Machthaber in dieser Europäischen Union weiter die Daumenschrauben anziehen? Sie schlagen jetzt den sogenannten „Competitiveness Pact“ (Pakt für Wettbewerbsfähigkeit) vor: weitere Angriffe auf die Löhne und die sozialen Rechte, ein höheres Rentenantrittsalter und immer unsichere Arbeitsplätze. Außerdem wollen sie all dies über eine wirtschaftspolitische Steuerung gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen.

Allerdings zeigt der Kampf der Arbeitnehmer, der bei den Demonstranten in Europa weitergeht und stärker wird, dass dieser Rückschritt der Zivilisation nicht unvermeidlich ist und dass es einen anderen möglichen und notwendigen Weg gibt. Einmal mehr möchten wir ihnen von dieser Stelle für ihren Mut und ihre Entschlossenheit gratulieren. Die unzähligen Kampfaktionen, die Streiks, die Proteste und die Demonstrationen geben Anlass zu Hoffnung und zum Vertrauen auf eine bessere Zukunft, insbesondere die Demonstrationen des Allgemeinen Portugiesischen Arbeitsbundes (General Confederation of Portuguese Workers; CGTP) am 19. März.

 
  
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  Angelika Werthmann (NI). – Herr Präsident, die Lebensbedingungen der Zyprer im nördlichen Teil von Zypern, dem von der türkischen Armee, einem Beitrittsland, besetztem Teil, sind unerträglich. Wir sehen uns zum Beispiel mit fortlaufenden Verletzungen der Menschenrechte konfrontiert. Die Türkei siedelt Menschen in diesem Teil Zyperns an und trägt daher die Verantwortung für eine tiefgreifende demografische Veränderung. Die türkischen Zyprer sind jetzt schon eine Minderheit in ihrer Heimat und viele der ursprünglichen Namen der Dörfer wurden geändert.

In den vergangenen Wochen hat es zwei Kundgebungen gegeben. Als Reaktion auf die Kundgebung im Januar wurden die türkischen Zyprer verbal von der Türkei gedemütigt und die Türkei hat ihren Botschafter im nördlichen Teil von Zypern ausgetauscht, um einen Gouverneur einzusetzen. Ich fordere Sie, Herr Präsident, daher auf, geeignete Schritte zu unternehmen, bevor ein Teil des europäischen Staatsgebiets an die Türkei verlorengeht, und sicherzustellen, dass Herr Elcil, der Generalsekretär von KTOS, in seiner Heimat in Sicherheit ist.

 
  
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  Georgios Koumoutsakos (PPE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, vor ein paar Stunden hat die Rating-Agentur Moody's Griechenlands Wirtschaft noch einmal herabgestuft. Ich gehöre zur Oppositionspartei in Griechenland und ich muss sagen, dass wir der Wirtschaftspolitik der Regierung ausgesprochen kritisch gegenüberstehen. Allerdings ist diese Entscheidung von Moody's absolut ungerechtfertigt. Sie fällt genau einen Tag vor der Versteigerung sechsmonatiger Staatsanleihen, die für Griechenland von entscheidender Bedeutung ist, und nur ein paar Tage vor den äußerst wichtigen Sitzungen des Europäischen Rates am 11. und 25. März, bei der wichtige Entscheidungen getroffen werden.

Es ist nicht nur Griechenland, das unter diesen willkürlichen Ratings durch die Rating-Agenturen leidet. Diese Rating-Agenturen müssen reguliert werden. Da ich schon das Wort habe, möchte ich ein paar Worte zu den Ratssitzungen im März sagen: der Monat März ist für den Euroraum und für die Europäische Union insgesamt ausschlaggebend. Ein Fehlschlagen wird die Union vor ein großes Problem stellen. Bei einem Fehlschlag werden die Märkte Hackfleisch aus uns machen und wir müssen dies verhindern; wir haben keine Zeit, die Sache zu verschieben.

 
  
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  Ioan Enciu (S&D).(RO) Herr Präsident, ich trete hier im Auftrag der NGO „Coalition for Structural Funds“ auf und möchte Sie darauf hinweisen, dass die europäischen Institutionen das ausgesprochen schlechte Management der Strukturfonds in Rumänien zu verantworten haben, insbesondere beim operationellen Programm Humanressourcen. Die rumänische Regierung und der Premierminister persönlich engagieren sich dafür, die Bedingungen zur Aufnahme dieser Fonds zu verbessern. Leider gibt es beinah keine Ergebnisse. Es ist nicht nur so, dass die rumänische Verwaltungsbehörde für Strukturfonds (Romanian Management Authority for Structural Funds) den vorgesehenen Empfängern dieser Gelder nicht hilft, sondern sie macht darüber hinaus Schwierigkeiten, sie zu erhalten.

Die Unregelmäßigkeiten sind endlos: von ungerechten Änderungen bei den Zuteilungsvereinbarungen bis hin zu ungerechtfertigten Verzögerungen der Zahlungen und der Zuteilung nicht-transparenter Gelder, je nach politischer Zugehörigkeit. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an die Europäische Kommission zu appellieren, dringend zu intervenieren und die Tätigkeit der Agenturen, die mit der Verwaltung der EU-Fonds in Rumänien betraut sind, zu kontrollieren. Nur eine Intervention von außen kann den Missbrauch, der ständig und auf allen Ebenen von den Vertretern der derzeitigen Machthaber getrieben wird, stoppen, wie dies ständig von denen, die eigentlich in den Genuss dieser Gelder kommen sollten, und von den NGOs berichtet wird.

 
  
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  Pat the Cope Gallagher (ALDE). – Herr Präsident, der Internationale Fonds für Irland hat eine wichtige Rolle für den Frieden und die Aussöhnung in meinem Land gespielt.

Seit er 1986 eingerichtet wurde, wurden mit über 838 Mio. EUR aus dem Fonds eine Vielzahl von Projekten sowohl in Nordirland als auch in den Grenzbezirken finanziert. Mit dem Fonds werden weiterhin Projekte in den wirtschaftlich benachteiligten Regionen unterstützt. In der letzten Woche wurden 9,8 Mio. EUR zugeteilt, um Gemeinschaftsinitiativen und Initiativen mit pädagogischem Charakter in den nordirischen Bezirken Donegal, Monaghan und Sligo zu unterstützen.

Allerdings herrscht derzeit große Unsicherheit über die Zukunft. Das amerikanische Repräsentantenhaus hat kürzlich den Fonds in einen Teil der allgemeinen Kürzung des amerikanischen Budgets für Übersee eingeschlossen. Ich gehe davon aus, dass unser nächster Premierminister, unser Taoiseach, das Thema ansprechen wird, wenn er in Washington ist, um den St Patrick’s Day zu feiern.

(GA) Sowohl die Europäische Union als auch die Regierungen von Irland und Großbritannien haben gesagt, dass sie dafür sind, dass das Programm des Fonds erweitert wird. Und obwohl die Unterstützung, die die Vereinigten Staaten dem Fonds zukommen lassen, lebensnotwendig ist, gibt es keinen Grund für die Europäische Union und die Regierungen von Irland und Großbritannien, dem Fonds nicht weiter auf einer begrenzten und gezielten Basis eine finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (ECR).(PL) Herr Präsident, vergangenen Sonntag wurden in Litauen Kommunalwahlen abgehalten. Die Formation, die die polnische nationale Minderheit vertritt, hat einen wichtigen Erfolg erzielt, obwohl Polen in Litauen seit Jahren regelmäßig Opfer von Diskrimination sind. Leider wurde ihnen das Land, das ihnen die Autoritäten der Sowjetunion vor 50 Jahren genommen haben, nicht zurückgegeben. Die Möglichkeiten für eine staatliche Ausbildung, die den Polen, die dort leben, zur Verfügung stehen, wurden weitgehend eingeschränkt. Ihre Namen werden gezwungenermaßen verformt; sie haben nicht das Recht, sie nach der polnischen Orthografie zu schreiben. Außerdem haben sie – entgegen den europäischen Regeln und den Vorschriften des Europarates – nicht das Recht, Orts- und Straßenschilder mit den polnischen Namen aufzustellen. Ich appelliere an das Europäische Parlament, sich der Probleme der Polen in Litauen anzunehmen, weil es sich hier um eine klare Diskrimination meiner dort lebenden Landsleute handelt, die, und ich unterstreiche dies, den europäischen Regeln widerspricht.

 
  
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  Willy Meyer (GUE/NGL). (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, ich möchte dringend die Einwände meiner Fraktion gegen die vom Rat getroffene Entscheidung geltend machen, das aktuelle partnerschaftliche Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko um noch ein Jahr zu verlängern, wie die Kommission dies vorgeschlagen hat.

Wir sind gegen diese Entscheidung, weil in diesem Abkommen immer noch die Gewässer der nichtautonomen Gebiete der Westsahara inbegriffen sind. Wie wir alle wissen, ist dieses Gebiet eines der wenigen afrikanischen Gebiete, die immer noch auf die Dekolonisierung warten und diese Dekolonisierung wird von den Vereinten Nationen unterstützt. Es sind keine marokkanischen Gewässer. Sie gehören nicht zu Marokko und die Europäische Union sollte daher die Gewässer der Westsahara nicht in das Abkommen mit einbeziehen.-

Die Urteile internationaler Gerichte legen dies so fest und vor allem legt internationales Recht fest, dass die Gewässer nicht zu Marokko gehören. Die Rechtsabteilung eben dieses Hauses hat ihre Vorbehalte angemeldet, weil die Vorteile des früheren Fischereiabkommens nicht dem Volk der Sahrawi zugutekamen. Deshalb sind wir vom juristischen Standpunkt aus strikt gegen diese Entscheidung.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass wir sehr vorsichtig sein und die Erfahrungen von Tunesien, Ägypten und Libyen berücksichtigen sollten, und dass die Europäische Union sehr viel strikter sein sollte, wenn sie die Erfüllung des internationalen Rechts fordert.

 
  
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  Nuno Teixeira (PPE).(PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, das Europäische Parlament wird demnächst aufgerufen sein, eine Entscheidung zur Änderung des Programms zur Lösung der spezifisch auf Abgelegenheit und Insellage zurückzuführenden Probleme (POSEI) zu treffen, das eingeführt wurde, um der Abgelegenheit und der Insellage der Regionen in äußerster Randlage der Europäischen Union Rechnung zu tragen. Diese Reform resultiert nicht nur aus der Notwendigkeit, sich der neuen juristischen Realität des Vertrags von Lissabon anzupassen, sondern auch, um insbesondere die Anwendung seiner Regeln flexibler zu gestalten.

Der Vertrag von Lissabon erkennt die Nachteile und Schwierigkeiten der Regionen in äußerster Randlage an, und genau deshalb müssen wir das derzeitige System jetzt anpassen und aktualisieren, indem wir die Herausforderungen berücksichtigen, vor denen die Regionen in äußerster Randlage, sowohl was seine Tragweite, als auch was seinen Inhalt betrifft, stehen. Im Fall von Madeira spreche ich insbesondere die Notwendigkeit an, die Schranken beim Export und bei der Verschiffung von verarbeiteten Produkten, die die Entwicklung und den Wachstum des Sektors der Agroindustrie stark beschränken, zu entfernen. Insbesondere ist die Bananenerzeugung durch die schrittweise Öffnung der Märkte für Drittländer betroffen, das gilt aber auch für den Weinanbau und Milcherzeugnisse. Der territoriale Zusammenhalt zielt auf die harmonische Entwicklung der Regionen der Europäischen Union ab; auch die Änderung von POSEI sollte hierzu beitragen.-

 
  
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  Gerard Batten (EFD). – Herr Präsident, ich möchte Ihnen von der letzten Entwicklung bezüglich des Europäischen Haftbefehls berichten.

Es wurden viele Menschen ausgeliefert, obwohl es keine wirklichen Beweise gegen sie gab. In der Tat sind die Gerichte nicht befugt, die Beweise zu prüfen, und sie können eine nicht gerechtfertigte Auslieferung nicht verhindern. Es gibt jetzt eine neue Finesse. Mein Schutzbefohlener, Dr. Miguel-Ángel Meizoso, läuft Gefahr, an Spanien ausgeliefert zu werden, nicht etwa wegen einer Straftat, derer man ihn bezichtigt, sondern vielmehr um Gegenstand eines Untersuchungsverfahrens für eine Straftat zu sein, die er angeblich in der Zukunft zu begehen beschließen könnte. Dr. Meizoso, der seit 20 Jahren in London lebt, riskiert jetzt, dass sein Leben wegen einer Marotte eines Untersuchungsrichters zerstört wird, der eine Straftat verfolgt, die sich nicht ereignet hat. Falls irgendjemand daran zweifelt, werde ich ihm gerne den Fall auseinandersetzen.

Wann wird dieses Parlament sich den Ungerechtigkeiten, die im Namen des Europäischen Haftbefehls erfolgen, entgegenstellen und darüber debattieren?

 
  
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  Eduard Kukan (PPE). (SK) Herr Präsident, die EU muss so schnell wie möglich Belarus gegenüber Position beziehen. Wir können nicht mit einem Regime sprechen, in dem es politische Gefangene gibt und in dem es keine Freiheit der Meinungsäußerung für die Zivilgesellschaft oder freie Medien gibt.

Die Situation nach der Wahl hat gezeigt, dass Lukaschenkos Macht nicht unbegrenzt ist. Die EU sollte daraus Nutzen ziehen und dem Land helfen, sich seines autoritären Regimes zu entledigen. Ein besonderes Thema ist hier auch die Verantwortung der post-kommunistischen Länder, basierend auf ihrer Erfahrung mit Regimen, die dem in Belarus ähnlich sind.

Unsere Position muss daher unseren Prinzipien entsprechen und sich auf unseren Werten gründen. Die EU muss auch Maßnahmen ergreifen, um die Leute die isolieren, die für die Fälschung von Stimmabgaben verantwortlich sind, um Kontakte mit hochrangigen Funktionären des Regimes abzubrechen und um deren Vermögen einzufrieren.

Zum anderen ist es notwendig, den Kreis von Freunden, die die allgemeingültigen Werte und Prinzipien der EU vorziehen, zu erweitern. Wir müssen so schnell wie möglich eine Alternative zur derzeitigen Entwicklung anbieten, basierend darauf, dass ein Land mit einem autoritären Regime in Europa keine Zukunft hat.

 
  
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  Constance Le Grip (PPE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, ich möchte meine eine Minute dem Pakt für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit widmen. Da das Gipfeltreffen des Euroraums in einigen Tagen, am 11. März, stattfinden wird, halte ich es für wichtig zu unterstreichen, dass die Idee eines Pakts für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit als solche eine gute Idee und sehr wünschenswert ist.

Lassen Sie uns dies klar sagen. Es ist klar – zumindest mir – dass der Pakt für Wettbewerbsfähigkeit in der Fassung, wie sie derzeit diskutiert, verhandelt und erwogen wird, nicht einfach nur wieder ein Dokument oder einfach eine Litanei guter Absichten, die nie umgesetzt werden, ist und es nicht sein wird. Es handelt sich um eine feierliche Erklärung, dass wir die wirtschaftlichen Aspekte unserer Währungsunion weiter vorantreiben werden.

Er wird ein Sprung nach vorne sein, hin zu einer besseren Konvergenz zwischen den Volkswirtschaften des Euroraums und hin zu einem höheren Grad an politischer Koordination, besonders in Bereichen, die in einzelstaatliche Zuständigkeit fallen, wenn diese ein entscheidender Faktor zur Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit sind. In der Tat bedeutet die Intensität des weltweiten Wirtschaftskampfes, dass es absolut lebensnotwendig ist, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Region in der Welt verbessern. Dies impliziert, dass wir den Kampf gegen die öffentliche Schuld aufnehmen, unsere Währung stabil halten und unsere Wirtschafts-, Sozial- und Steuersysteme stärker aufeinander abstimmen.

Die zwischenstaatliche Methode wurde in letzter Zeit häufig schlecht gemacht und der Gemeinschaftsmethode gegenübergestellt. Ich finde diese Debatten irgendwie steril und unnötig, und sie sind sicher weit von den Anliegen unserer Mitbürgerinnen und -bürger entfernt. Ich glaube wie Präsident Van Rompuy, dass wir entweder eine europäische Vorgehensweise oder überhaupt keine Vorgehensweise haben.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE).(PL) Herr Präsident, ich denke, dass dies ein einzigartiger Zufall ist, weil ich auch zum selben Thema sprechen werde. Die Ziele des „Pakts für Wettbewerbsfähigkeit“ ist es, die Volkswirtschaften des Euroraums mittels weitreichender Strukturreformen zusammenzubringen, und sein Hauptziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum zu steigern und das internationale Vertrauen in den Euroraum zu stärken. Obwohl der Pakt eine Anzahl nützlicher Ziele umfasst, wobei ich mich hier unter anderem auf den Kampf gegen die Defizite und die Reform der Rentensystems beziehe, müssen wir uns der Risiken bewusst sein, die er mit sich bringt. Erstens stellt die Art, wie die Initiative selbst angekündigt wurde, ohne Absprache mit den Regierungen der übrigen Länder, einen gefährlichen Präzedenzfall dar. Tatsächlich führt es das Stereotyp des schweigsamen französisch-deutschen Tandems weiter, das über die Schlüsselthemen der EU entscheidet, ohne seine Partner nach ihrer Meinung zu fragen. Zweitens wurde das Projekt in vielen Ländern als noch ein weiterer Versuch aufgefasst, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten zu schaffen, dessen innerster Kern aus den wirtschaftlich wettbewerbsfähigsten Ländern besteht. Zugegeben, die Initiatoren des Pakts haben Länder außerhalb des Euroraums eingeladen teilzunehmen; allerdings besteht kein Zweifel, dass dies ein rein taktisches Manöver ist. Angesichts des Ansteigens protektionistischer Reflexe in vielen Ländern des Euroraums, kann man davon ausgehen, dass das Aufzwingen der strengen Anforderungen des Pakts dazu führen wird, dass der Euroraum zu einer Bedrohung, oder einer Einschränkung, des gemeinsamen EU-Marktes wird. Vielen Dank.

 
  
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  Der Präsident. – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

 

22. Allgemeine Produktsicherheit und Marktüberwachung (kurze Darstellung)
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  Der Präsident. – Der nächste Tagesordnungspunkt ist der Bericht von Frau Schaldemose im Namen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz zur Überprüfung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit und Marktüberwachung (2010/2085(INI)) (A7-0033/2011).

 
  
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  Christel Schaldemose, Berichterstatterin.(DA) Herr Präsident, guten Abend an all meine Kolleginnen und Kollegen, die immer noch hier im Plenarsaal sind. Ich werde ein paar Worte zu dem Bericht sagen, den wir im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz erstellt haben. Wir haben uns entschieden, dies einen Bericht zur Überprüfung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit und Marktüberwachung zu nennen.

Der Grund, weshalb wir diesen Initiativbericht erstellt haben, ist der, dass die Kommission die Absicht hat, mit der Arbeit zur Überprüfung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit zu beginnen, was uns im Ausschuss für den Binnenmarkt eine gute Gelegenheit bot, unsere Empfehlungen dafür auszusprechen, was diese Überprüfung beinhalten sollte. Wir haben uns entschieden, unseren Bericht in zwei Teile aufzuteilen. Wir sprechen einige Empfehlungen dazu aus, was bezüglich der Marktüberwachung im Allgemeinen getan werden sollte. Wir geben aber natürlich auch einige sehr spezifische Empfehlungen ab, was eine Überprüfung der Richtlinie zur allgemeinen Produktsicherheit enthalten sollte.

Erstens sollte angemerkt werden, dass, als wir vor einigen Jahren die Richtlinie zur allgemeinen Produktsicherheit angenommen haben, dies ein Meilenstein für die Produktsicherheit in der EU war. Die Richtlinie ist immer noch in Ordnung, es gibt aber Bedarf für Verbesserungen. Die Probleme, die wir heute tatsächlich haben, betreffen den Umstand, dass unsere Marktüberwachung nicht effizient genug ist, um sicherzustellen, dass die Produkte auf dem Binnenmarkt ausreichend sicher sind. Im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz empfehlen wir daher, dass eine besondere Anstrengung unternommen wird, um die Marktüberwachung in der EU zu stärken. Es ist tatsächlich so, dass unglücklicherweise in einer Zeit der Krise das Risiko besteht, dass die Mitgliedstaaten eher weniger als mehr Mittel zur Verfügung stellen werden, um sicherzustellen, dass die Marktüberwachung erfolgt. Das ist sehr problematisch, nicht nur für die Verbraucher. Tatsächlich ist dies ebenso wichtig für die Unternehmen, die unsere Binnenmarktregeln erfüllen.

Im Zusammenhang mit meiner Arbeit an diesem Bericht, habe ich mit einer großen Anzahl von Unternehmen aus dem Binnenmarkt gesprochen, von denen viele sagten, dass sie nie gewusst haben, dass es irgendwelche Kontrollen, am Markt durchgeführte Kontrollen oder Marküberwachungen bezüglich der Produkte geben soll, mit denen sie sich auf dem Binnenmarkt befassen. Das ist natürlich problematisch, weil dies für Unternehmen bedeutet – sofern wir die richtigen am Markt durchgeführte Kontrollen haben – , dass wir auch sicher sein können, dass es ein vernünftiges Wettbewerbsniveau gibt – in anderen Worten, dass die, die mogeln, auch gefasst werden, und dass die, die ordentliche und sichere Produkte herstellen, in der Lage sind, sie auf den Binnenmarkt zu bringen. Eine Marktüberwachung ist daher extrem wichtig – nicht nur für die Unternehmen, sondern natürlich auch für die Verbraucher. Die spezifischen Vorschläge, die wir für die Überprüfung der Richtlinie zur allgemeinen Produktsicherheit haben, sind, was nur natürlich ist, weitgehend auf die Verbraucher ausgerichtet.

Wir halten es für extrem wichtig, eine bessere Rückverfolgbarkeit der Produkte zu erzielen, die es auf dem Binnenmarkt gibt. Die Rückverfolgbarkeit von Produkten ist unabdingbar, wenn wir in der Lage sein wollen, Produkte schneller vom Markt zu nehmen. Wir sind auch der Meinung, dass für die Mitgliedstaaten eine allgemeine Notwendigkeit besteht, schneller zu handeln, wenn wir gefährliche oder problematische Produkte auf dem Binnenmarkt finden. Außerdem sind wir der Meinung, dass es insbesondere notwendig ist, sich Produkte anzuschauen, die aus Drittländern kommen, in anderen Worten, aus Ländern außerhalb der EU. Es gibt eine steigende Anzahl von Produkten, die auf den Binnenmarkt kommen. Wir müssen sicherstellen, dass sie auch tatsächlich den Regeln unseres Binnenmarktes entsprechen.

Um in Zukunft sicherzustellen, dass wir gezieltere Rechtsvorschriften erarbeiten, schlagen wir im Bericht auch vor, dass die vorgeschriebene Erstellung von Unfallstatistiken auf EU-Ebene eingeführt wird, so dass wir gezielter herausfinden können, wo es einen Bedarf für Rechtsvorschriften gibt, die sich darauf gründen, welche Art von Unfällen mit Produkten auf dem Binnenmarkt passieren. Dies wird es uns ermöglichen, präzisere und gezieltere Rechtsvorschriften in den Bereichen zu erarbeiten, in denen dafür tatsächlich ein Bedarf besteht, um zu gewährleisten, dass die Produkte sicher sind, ohne die Unternehmen zu benachteiligen, die absolut risikolose Produkte herstellen.

Wir glauben auch, dass wir uns die Produkte anschauen müssen, die online verkauft werden. Wir können sehen, dass es Probleme in diesem Bereich gibt. Auf jeden Fall beklagen sich viele Menschen, dass Produkte, die online verkauft werden, nicht dieselben Sicherheitsvorschriften erfüllen wie die, die auf dem normalen Markt gekauft werden. Wir sind natürlich auch der Meinung, dass für uns ein allgemeiner Bedarf an einem guten Dialog mit den Zollbehörden besteht, unter anderem um sicherzustellen, dass es auf dem Binnenmarkt bessere und sicherere Produkte gibt.

Schließlich möchte ich sagen, dass ich natürlich auch gehofft habe, dass wir in der Lage sein würden, uns genauer anzusehen, wie wir unsere Kinder auf dem Binnenmarkt schützen können. Allerdings haben wir vom Ausschuss für den Binnenmarkt keine Unterstützung erhalten. Das bedeutet, dass wir nicht beabsichtigen, irgendwelche separaten Maßnahmen zum Schutz von Kindern zu erarbeiten; wir haben einfach nur die Absicht, unsere Produktsicherheit im Allgemeinen zu steigern.

Ich möchte der Kommission abschließend sagen, dass wir absolut überzeugt sind, dass eine Überprüfung der Richtlinie zur allgemeinen Produktsicherheit notwendig ist. Wir sind der Meinung, dass es notwendig ist, die Marktüberwachung zu stärken. Wir sind der Meinung, dass es einen Bedarf für eine kohärente Marktüberwachung gibt, so dass die Erfordernisse nicht zwischen verschiedenen Teilen der Rechtsvorschriften aufgeteilt werden. Wir sind der Meinung, dass ein Bedarf an einem einzigen kohärenten Schirm besteht, um zu gewährleisten, dass mehr Marktüberwachung betrieben wird. Es geht ganz einfach darum, dass die Bürgerinnen und Bürger sich auf die Produkte verlassen können, die auf dem Binnenmarkt erhältlich sind, und dass die Unternehmen über faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt verfügen. Ich möchte mit diesen Worten abschließen und appelliere an die Kommission, mit der Arbeit an der Überprüfung der Richtlinie zur allgemeinen Produktsicherheit sehr bald zu beginnen. Ich möchte auch an die Mitgliedstaaten appellieren, genügend Mittel zur Verfügung zu stellen, um sicherzustellen, dass eine ordnungsgemäße Marktüberwachung erfolgt.

 
  
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  Lara Comi (PPE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, meine Glückwünsche an Frau Schaldemose für die konstruktive und erfolgreiche Kooperation, die wir hatten.

Der Aspekt, den ich hier unterstreichen möchte, ist derselbe, den ich in der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie angeführt habe und den Frau Schaldemose (der ich noch einmal danke) unterstützt und in ihrem Bericht übernommen hat: in anderen Worten, meinen Aufruf an den Ausschuss, den Einsatz neuer Technologien und Materialien, wie etwa die Verwendung von Mikrochips oder von Radiofrequenzen, zu untersuchen, um eine bessere Identifizierung des Produkts zu ermöglichen, womit der Sicherheit der Verbraucher kosteneffizient entsprochen würde.

Diese würde eine vollständige Rückverfolgbarkeit ermöglichen, da der Verbraucher in die Lage versetzt würde, alle Aspekte des Produkts herauszufinden, in anderen Worten, die verschiedenen Stadien der Produktion, die tatsächlichen Lieferquellen und die Identität der Verantwortlichen. Es würde auch das Problem lösen, ein Kriterium für die Zuteilung von Herkunftsbezeichnungen und für die Angabe, wo ein Produkt hergestellt wurde, zu finden. Tatsächlich haben wir aus eben diesem Grund festgestellt, dass die Tatsache, ein Produkt als „made in France“ auszuweisen, den Verbraucher täuscht, wenn nur das letzte Stadium des Herstellungsprozesses in diesem Land stattfand.

Ich appelliere daher stark an den Kommissar, dieser Forderung des Europäischen Parlaments Folge zu leisten, welche sicherlich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und der Verbraucher in Europa ist.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (S&D).(RO) Herr Präsident, auch ich möchte unserer Kollegin zu dem Bericht gratulieren. Ich möchte ihr dafür danken, dass sie unsere Änderungsanträge, die wir im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie gemacht haben, akzeptiert hat. Ich möchte die Wichtigkeit europäischer Normen erwähnen, die den Einkaufsprozess vereinfachen, unabhängig davon, ob er auf herkömmliche Art oder elektronisch erfolgt, und die die Einhaltung der Vorschriften zur Produktsicherheit garantieren.

Wir haben an die Kommission und an alle Interessengruppen appelliert, die finanzielle Nachhaltigkeit des europäischen Normungssystems sicherzustellen, auch mittels öffentlich-privater Partnerschaften und mehrjähriger Finanzplanungen, was wesentlich dafür ist, die Effektivität und Effizienz dieses Systems sicherzustellen. Wir haben auch die Notwendigkeit der Stabilität und Vereinfachung der europäischen Normen und der Verkürzung des Zeitrahmens für die Erarbeitung der Normen unterstrichen. Wir haben an die nationalen Normungsgremien appelliert, die Normen zu vereinfachen, indem die Anzahl der Verweise auf andere Normen reduziert und nutzerfreundliche Richtlinien an die Hand gegeben werden.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, es ist äußerst wichtig, den Normen für die Produktsicherheit mehr Aufmerksamkeit zu widmen, nicht nur in Hinblick darauf, die Produktion zu schützen, sondern auch, um die Verbraucher zu schützen. Es darf nicht zugelassen werden, dass die Normen vereinfacht werden und die Zeit, die notwendig ist, um sie zu erarbeiten, reduziert wird, wenn dies die volle Garantie, die unsere Verbraucher brauchen, in Frage stellt. Außerdem dürfen wir, wenn wir uns diese Aspekte der Sicherheitsnormen anschauen, nicht die Produkte vergessen, die wir importieren: es ist auch sehr wichtig, die Marke „made in“ zu verteidigen. Wir hoffen daher, dass die Kommission diese Aspekte in diesem Bericht berücksichtigt, wie auch die Beiträge, die der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie geleistet und die der Berichterstatter akzeptiert hat, und dass wir schließlich in der Lage sein werden, einen kleinen Fortschritt dabei zu machen, die Sicherheit von Produkten, Herstellern und Verbrauchern zu verteidigen.

 
  
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  Franz Obermayr (NI). - Herr Präsident! Im Bericht wird von großen Fortschritten gesprochen, aber bedenklich ist, dass trotz Produktsicherheitsrichtlinie, trotz Spielzeugrichtlinie und trotz RAPEX ca. 60 % der gemeldeten Produkte aus China stammen und der Großteil der gefährlichen Produkte somit aus einem Markt kommt, der nicht von der EU kontrolliert werden kann. Ich hoffe, dass das neue RAPEX-System hier Abhilfe schafft. Die EU muss eine starke Position einnehmen, um den Schutz und die Gesundheit der Verbraucher zu sichern.

Besonders schockierend ist es, dass rund ein Viertel der gefährlichen Produkte Kinderwaren sind: Puppen, Wasserpistolen, Kinderbesteck, Kindersitze – laut RAPEX in der letzten Woche. Die EU reagiert in solchen Fällen zu langsam. So wurde jetzt erst der Einsatz von Bisphenol bei der Herstellung von Babyflaschen untersagt, aber bereits seit einem Jahr ist dessen schädliche Wirkung bekannt. Ich habe in einer Anfrage an die Kommission auch darauf hingewiesen. Zudem sind krebserregende Produkte in der Spielzeugrichtlinie immer noch nicht verboten. Schließlich muss auch der Rückruf riskanter Produkte rascher und effizienter gestaltet und die Rückführbarkeit in die Unternehmerkette deutlich verbessert werden.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE).(CS) Herr Präsident, wir haben hier im Parlament lange Zeit nach effizienteren Methoden gesucht, zu verhindern, dass eine immer größere Anzahl gefährlicher Produkte auf den Markt gelangt. Ich pflichte der Verfasserin des Berichts bei, dass die Gesetzgebung überarbeitet werden muss und dass dies zu einer besseren Vernetzung aller Maßnahmen führen sollte, auch zur verbesserten Koordinierung der Strafverfolgung auf Ebene der Mitgliedstaaten. Ich unterstütze auch die vorgeschlagene Verpflichtung, eine Risikoanalyse durchzuführen und einen Bericht zu deren Ergebnissen zu erstellen, bevor ein neues Produkt freigegeben wird. Angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der gefährlichen Produkte aus Drittländern stammt, denke ich, dass es wesentlich ist, dass diese Verpflichtung in internationalen Handelsabkommen aufgenommen wird, noch bevor dies den europäischen Herstellern auferlegt wird. Ich unterstütze auch die anderen Vorschläge und schätze die hohe Qualität des Berichts von Frau Schaldemose.

 
  
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  Åsa Westlund (S&D).(SV) Herr Präsident, ich möchte Frau Schaldemose für einen hervorragenden Bericht danken. Ich möchte auch noch einmal die Tatsache betonen, dass sowohl mehr Mittel als auch mehr Stichproben zur Produktsicherheit notwendig sind. Als Verbraucher lesen wir ständig in den Zeitungen und in anderen Medien, dass die Verbraucherorganisationen Tests durchgeführt und dabei immer Produkte gefunden haben, die die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen. Dies untergräbt das Vertrauen der Verbraucher und kann manchmal Leben gefährden, insbesondere, wenn es sich um Kinder handelt, die den Produkten, die in den Geschäften als sicher im Gebrauch verkauft werden, extremes Vertrauen entgegenbringen.

Was meiner Meinung nach vielleicht am wichtigsten ist, ist der Mangel an Chemikaliensicherheit. Heute enthalten viele Produkte Chemikalien, die bereits in der EU verboten sind. Dies ist etwas, das man dem Produkt als einzelner Verbraucher nur extrem schwer ansieht. In dieser Beziehung müssen die Mitgliedstaaten große Anstrengungen unternehmen und mehr zusammenarbeiten, um diese Produkte vom Markt zu nehmen und die Unternehmen daran zu hindern, Produkte auf dem Markt zu bringen, die riskante Chemikalien enthalten.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, es hat eine sehr interessante Diskussion zu diesem Thema auf der Ebene der Mitgliedstaaten gegeben, wobei fast alle ihre Vertreter – wie ich betonen möchte – Frauen waren.

Lassen Sie mich das Parlament im Namen der Kommission zu seiner Entschließung zur Überprüfung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit und Marktüberwachung gratulieren. Die Kommission begrüßt diese Entschließung und schätzt die hohe Qualität seines Inhalts.

Die Schlussfolgerungen der Entschließung spiegeln sehr genau die Absichten der Kommission wieder, wie die allgemeinen Produktsicherheitsbestimmungen in der EU überprüft werden sollten. Wir brauchen einen klaren und effizienten Rahmen für die Marktüberwachung. Ich bin mir mit allen hier in diesem Punkt einig. Wir brauchen einen Rahmen, der einen funktionierenden Binnenmarkt mit sicheren Waren gewährleistet. Die Kommission hat schon eingehende Rücksprache mit einer ganzen Reihe von Interessengruppen gehalten, um herauszufinden, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann.

Um eine kohärente Lösung über verschiedene Produktsektoren hinweg zu finden, haben Vizepräsident Tajani und Kommissar Dalli vereinbart, gemeinsam auf eine Konsolidierung der EU-Bestimmungen zur Marktüberwachung hinzuarbeiten. Die Kommission ist entschlossen, sicherzustellen, dass sowohl die Verbraucher als auch die Geschäftswelt von dem EU-Binnenmarkt mit sicheren Produkten profitieren. Wir werden daher die schon bestehenden EU-Produktsicherheitsbestimmungen abklären und aktualisieren, um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Verbraucher zu verbessern.

Wir müssen dabei unsere Finanzierungsmöglichkeiten und Margen im Hinterkopf haben und wir müssen auch die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten respektieren. Die Bestimmungen sollten es aber ermöglichen, effektiv das Entstehen neuer Risiken zu identifizieren und angemessen darauf zu reagieren – und ich stimme der Aussage zu, dass es neue Risiken bei den weltweiten Lieferketten gibt. Ich stimme auch dem Parlament zu, dass unsere besondere Aufmerksamkeit den Produkten für Kinder gewidmet werden sollte.

Gleichzeitig sollte die Überprüfung ein Marktumfeld mit einheitlicheren Wettbewerbsbedingungen für die EU-Marktteilnehmer bieten und unnötige Verwaltungskosten reduzieren. Insbesondere sollte es uns jetzt möglich sein, eine Kohärenz zwischen den allgemeinen Produktsicherheitsbestimmungen, wie sie in der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit festgeschrieben sind, und den Bestimmungen, die im „Warenpaket“ von 2008 enthalten sind, herzustellen. Deshalb werden deutlichere Pflichten der Wirtschaftsbeteiligten bei der Produktsicherheit eingeführt werden. Der derzeitige Mechanismus der Kooperation und Koordination der Marktüberwachung durch die Mitgliedstaaten wird ebenfalls verbessert werden.

Schließlich sollte die Funktionsweise des Systems zum raschen Informationsaustausch für Non-Food-Produkte – RAPEX – verbessert werden. Dieses System ist sehr wichtig und es wird schon bei unserer Kooperation mit China und anderen Ländern eingesetzt. Wir müssen es aber wirklich verbessern, um allen hier genannten Gefahren zu begegnen.

Vizepräsident Tajani und Kommissar Dalli beabsichtigen, gemeinsam einen Vorschlag für einen einzigen und kohärenten Rahmen zur Marktüberwachung einzubringen. Ich möchte dem Parlament noch einmal für diese sehr gute Entschließung danken.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Stimmabgabe findet am Dienstagmittag, den 8. März statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Ildikó Gáll-Pelcz (PPE), schriftlich.(HU) Die Kooperation zwischen den Behörden, die für die Durchsetzung des Verbraucherschutzes und die Produktsicherheitsbestimmungen zuständig sind, ist für das Funktionieren des Binnenmarkts ausschlaggebend. Die Marktüberwachung und das System zum raschen Informationsaustausch, RAPEX, müssen weiter ausgebaut werden, und die ungarischen Fachleute müssen besonders darauf achten, gefährliche Produkte aus dem Verkehr zu ziehen. Ich bin der Meinung, dass eine stärkere Verbraucherdimension notwendig ist, um die Fragmentierung des Binnenmarkts zu verringern, um so die Funktionsweise der Einzelhandelsmärkte zu verbessern und es den Verbrauchern zu ermöglichen, bessere Entscheidungen zu treffen. All dies könnte eine Schlüsselrolle spielen, um die wichtigsten europäischen Werte zu garantieren, wie etwa Integrität, Offenheit, Solidarität und Transparenz. Ich bin der Meinung, dass ein noch stärkerer Grad an Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten auch von wesentlicher Bedeutung für die Handhabung des effizienten Marktüberwachungssystems ist, und als solches ist es für das Ziel der Kohärenz unabdingbar, d. h. Schaffung einer gemeinsamen Auslegung und gemeinsamen Präsenz zwischen den Aufsichtsbehörden. Die Behörden müssen als ihr Hauptziel ansehen, auf hohem Niveau miteinander zu kooperieren, nicht nur mit den nationalen Partnerbehörden, sondern auch mit anderen Mitgliedstaaten. Zum Beispiel wurden kürzlich auch in meinem Land mehrere Kooperationsabkommen zu diesem Zweck abgeschlossen oder erneuert. Diese Abkommen haben eine stärkere Betonung auf das Thema der Kooperation in den Bereichen der Marktüberwachung gelegt. Zusammenfassend müssen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern – nicht nur durch unsere Worte, sondern auch durch unser Handeln – den Mehrwert zeigen, den Europa ihnen bringt, und das die Europäische Union in dieser Zeit der Globalisierung wichtiger als je zuvor ist.

 

23. Umgang mit der H1N1-Grippe (kurze Darstellung)
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  Der Präsident. – Das nächste Thema ist der Bericht von Frau Rivasi im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über die Bewertung des Umgangs mit der H1N1-Grippe-Epidemie im Zeitraum 2009 – 2010 in der EU (2010/2153(INI)) (A7-0035/2011).

 
  
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  Michèle Rivasi, Berichterstatterin.(FR) Herr Präsident, wir alle erinnern uns daran, dass die H1N1-Grippe im Jahr 2009 eine große Sache war. Die ersten Fälle wurden vor fast zwei Jahren gemeldet – am 25. März 2009 – und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief am 11. Juni 2009 die Alarmstufe Phase 6 aus.

Diese von der WHO ausgerufene Alarmstufe löste in Europa eine Reihe von Maßnahmen aus, unter anderem den Beginn von Impfkampagnen in mehreren Mitgliedstaaten, die nicht nur sehr teuer waren, sondern auch in keinem Verhältnis zur bekannten Bedrohung durch das Virus, das laut Aussage der WHO im Mai 2009 eine moderate Bedrohung darstellte, standen.

Was die Schwere anging, verursachte diese Grippe bis Ende April 2010 etwa 2900 Todesfälle in Europa. Das bedeutet, dass die Sterblichkeitsrate viel niedriger war als bei der saisonalen Grippe, die, abhängig vom Jahr, jährlich etwa 40 000 bis 220 000 Todesfälle verursacht.

Unterdessen lagen die geschätzten Kosten laut des letzten Berichts des Rechnungshofs beinahe bei 1,3 Mrd. EUR in Großbritannien und bei über 700 Mio. EUR in Frankreich.

Die Bewertung des Umgangs mit der H1N1-Grippe-Epidemie zeigt, dass es in der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten eine unverhältnismäßige Reaktion gab. Ich und meine Kolleginnen und Kollegen, denen ich für ihre Änderungsanträge danken möchte, haben daher versucht, einen konstruktiven Bericht zu erstellen, der das Ziel hat, das Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in ihre Einrichtungen des Gesundheitswesens wiederherzustellen.

Der Bericht ist in drei Hauptpunkte untergliedert: Zusammenarbeit, Transparenz und Unabhängigkeit.

Was die Zusammenarbeit betrifft, ist es uns wichtig, die Notwendigkeit von Kohärenz, Autonomie und Flexibilität zu betonen. Zukünftige Grippe-Präventionspläne müssen zum Beispiel überprüft werden, um ihre Wirksamkeit und Kohärenz zu erhöhen und um sie ausreichend autonom und flexibel zu gestalten, damit sie entsprechend den neusten verfügbaren Daten ständig angepasst werden können. Diese Art von Flexibilität hätte unseren öffentlichen Kassen viele unnötige Ausgaben erspart. Gleichzeitig ist es wichtig, klar die Rollen und Verantwortlichkeiten der wichtigen Akteure, die für den Umgang mit Gesundheitsrisiken verantwortlich sind, zu definieren. Die Definition einer Pandemie an sich muss geprüft werden, damit neben dem Kriterium ihrer geografischen Ausbreitung auch das ihrer Gefährlichkeit berücksichtigt wird. Und die WHO hat uns informiert, dass dies in ihrer Hand liegt. Die gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen ist eine Möglichkeit, sofern die Hersteller für die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Produkte verantwortlich bleiben. Unter keinen Umständen dürfen Regierungen für die Nebenwirkungen von angeblich sicheren Impfstoffen verantwortlich gemacht werden.

Was die Unabhängigkeit betrifft, hat das beschleunigte Zulassungsverfahren das Problem des Mangels an wissenschaftlichen Daten gezeigt. Forschung bei Impfstoffen und Virostatika müssen vollkommen unabhängig von den Pharmaunternehmen durchgeführt werden.

Was die Transparenz betrifft: Es bedarf vollkommener Transparenz bei der Beurteilung von Medikamenten, die im Falle akuter Gesundheitsprobleme eingesetzt werden, und es muss uneingeschränkter Zugang zu verfügbaren klinischen Studien gewährleistet sein. Alle Interessenerklärungen der für die Beurteilungen verantwortlichen Fachleute müssen öffentlich gemacht werden. Eines bedaure ich: Ich hätte es bevorzugt, wenn sie von den Agenturen überprüft werden würden, welche diese Experten rekrutieren, aber dieser Änderungsantrag wurde nicht angenommen.

Zum Schluss möchte ich die Fälle von Narkolepsie betonen, die bei Kindern in Finnland und Schweden infolge der Impfung mit dem H1N1-Influenza-Impfstoff von GSK gemeldet wurden. Diese Fälle erfordern unsere Aufmerksamkeit.

Zuerst zeigen sie deutlich, dass es immer noch Grauzonen bezüglich der tatsächlichen Toxizität der Impfstoffe und Hilfsstoffe sowie bezüglich der möglichen, den Herstellern selbst bisher unbekannten, Risiken gibt. Finnland hat die Verwendung dieses Impfstoffs ausgesetzt, bis mehr Informationen vorliegen. Das entspricht nicht dem Standpunkt der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), welche stattdessen entschieden hat, zu warten und erst dann eine Meinung bezüglich einer Beschränkung der Verwendung dieses Impfstoffes zu äußern, wenn weitere Informationen verfügbar sind. Ich würde es begrüßen, wenn die Kommission dieselbe Position wie Finnland einnimmt. Es ist an der Zeit, dass das Vorsorgeprinzip einmal den Patienten dient und nicht immer den Unternehmen.

 
  
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  Anne Delvaux (PPE).(FR) Herr Präsident, sind wir bereit für die Bewältigung einer Pandemie in Europa? Die Antwort lautet: „Ja, aber.“ Während der H1N1-Grippeperiode in den Jahren 2009 und 2010, sahen wir, wie jeder Mitgliedstaat alleine handelte; mit sehr wenig Kohäsion oder gar Solidarität.

Als Schattenberichterstatterin für dieses Dossier denke ich, dass es notwendig war, diese Beobachtungen zu machen, aber vor allem war es erforderlich, weiterzugehen, konstruktiv zu sein und praktische Schritte im Namen der Bürgerinnen und Bürger vorzunehmen, die – es muss gesagt werden, und ich denke, dies ist eine der schädlichsten Konsequenzen – zweifellos zu einem gewissen Grad das Vertrauen in die Nachrichten über die öffentliche Gesundheit verloren haben.

Der Bericht von Frau Rivasi, über den wir morgen abstimmen werden, betrachtet diese grundlegenden Prioritäten. Dazu gehören die systematische Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, effizientere Koordinierung mit europäischen Einrichtungen für die Gesundheit, eine Klärung der Rolle der europäischen Strukturen für das Risikomanagement und die Bewertung der Immunisierungs- und Kommunikationsstrategien, die in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Es ist daher ein guter Bericht, und ich gratuliere der Berichterstatterin. Aber wir müssen natürlich sicherstellen, dass er nicht auf taube Ohren stößt. Dies ist die Verantwortung unserer Mitgliedstaaten, welche in diesem Bereich vornehmlich zuständig sind, und sie haben daher gegenüber unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine große Verantwortung.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (S&D).(HU) Herr Präsident, während der Grippepandemie im Jahr 2009 waren die Mitgliedstaaten der EU am besten vorbereitet. Gleichzeitig stimme ich meiner Vorrednerin vollkommen zu: Es gab unter den Mitgliedstaaten überhaupt keine Koordinierung. Das könnte die innenpolitische Krise in meinem Land verursacht haben, obwohl die frühere sozialistische Regierung, die damals an der Macht war, erfolgreiche Schritte zur Bewältigung der Pandemie vornahm. Es gibt jedoch kein rechtes oder linkes H1N1-Virus; es muss in einer gemeinsamen Anstrengung bekämpft werden. Ich stimme diesem Bericht vollkommen zu, wenn er sagt, dass die Mitgliedstaaten beim Erwerb von Impfstoffen, dem Informationsaustausch und der Schaffung größerer Transparenz zusammenarbeiten müssen. Wir müssen Information nicht nur über die geografische Ausbreitung der Epidemie austauschen, sondern auch über die Schwere und die Sterblichkeitsrate. Wenn wir dabei in der Zukunft erfolgreich sind, können wir in diesem Bereich beachtliche Schritte zur …

(Der Präsident unterbricht den Redner)

 
  
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  Marina Yannakoudakis (ECR). – Herr Präsident, vor mehr als einem Jahr kamen eine Gruppe von Abgeordneten, die Berichterstatterin und ich in Brüssel zu einem informellen Treffen zusammen. Gemeinsames Ziel war es, bei H1N1 aktiv zu werden.

Im Verlauf der Treffen fand ich heraus, dass unsere Ziele gleich waren, aber dass wir einen unterschiedlichen Ansatz verfolgten. Der Eigeninitiativbericht war eine Gelegenheit für das Parlament, positiven Einfluss auf die Vorbereitung für eine Epidemie auszuüben. Ich befürchte, es war eine vertane Gelegenheit.

Es gibt in diesem Bericht viele Punkte, deren Wert fragwürdig ist. Er schlägt für das ECDC eine Rolle vor, die nicht realisierbar ist, und es könnte ein falsches Gefühl von Sicherheit entstehen. Was benötigt wurde, war ein auf Erfahrungen basierender Ansatz sowie eine Grundlage, auf der aufgebaut werden kann. Was wir erhielten, war zum Teil ein Bericht voller Schuldzuweisungen, der – so fürchte ich – viele Stakeholder abschrecken wird. Was wir erhielten, war ein Bericht, der eher politisch als praktisch war.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, zu den Lehren, die wir aus den Problemen beim Umgang mit der H1N1-Influenza ziehen müssen, gehört, dass wir seitens der Staaten die Notwendigkeit von öffentlichen Gesundheitssystemen anerkennen müssen, gemeinsam mit erweiterten Dienstleistungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die in der Lage sind, in vielen Bereichen zu intervenieren. Beispielsweise bei der Bewertung von Informationen über empfohlene Medikamente im Fall einer Gesundheitsnotlage – besonders bei Epidemien – und bei der – von der Pharmaindustrie unabhängigen – Vorbereitung und Bewertung von wissenschaftlichen Studien an empfohlenen Zielgruppen über die Effektivität, Sicherheit und das Verhältnis von Risiko und Nutzen bei Impfstoffen und antiviralen Medikamenten. Es ist auch wichtig, die Kapazitäten für die Verwaltung und Vorhersage von Risiken sowie die Kapazitäten für Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen und für Vorsorgemaßnahmen bei der öffentlichen Gesundheit zu erweitern. Schließlich ist es ebenfalls wichtig, die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen nationalen Diensten und zwischen solchen Diensten und relevanten Institutionen und Organisationen, die auf internationaler und regionaler Ebene tätig sind, zu verbessern.

 
  
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  Jaroslav Paška (EFD). (SK) Herr Präsident, im April 2009 wurde in Mexiko der erste Fall von Schweinegrippe beim Menschen gemeldet. Zwei Monate später verkündete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Influenzapandemie.

Das Katastrophenszenario, das von Gesundheitsbehörden – darunter die WHO und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) – vorgestellt wurde, führte zu einer Situation, in der Staaten in Konkurrenz zueinander traten, um schnellstmöglich möglichst viel Impfstoff zu bekommen, um ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Gemäß den Empfehlungen von WHO und ECDC kaufte die Slowakei auch mehr als 1 Million Dosen des Impfstoffs, welche Anfang 2010 geliefert wurden. Als aber der leitende Medizinalbeamte der Slowakischen Republik die Öffentlichkeit aufforderte, sich impfen zu lassen, wurde sich darüber lustig gemacht, und niemand glaubte ihm. Die Menschen glaubten weder ihm, noch unserer renommierten Gesundheitsorganisation, dem ECDC. Zu diesem Zeitpunkt wusste jeder, dass das H1N1-Virus nicht solch ein großes Risiko darstellte, wie es zunächst angenommen wurde. Die WHO und das ECDC hüllten sich jedoch hartnäckig in Schweigen.

Keine Neubewertung der Situation, keine weiteren Empfehlungen, einfach nichts …

(Der Präsident unterbricht den Redner)

 
  
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  Anna Záborská (PPE). (SK) Herr Präsident, ich möchte Frau Rivasi für den umfangreichen Bericht danken. Sie hat die Schwachpunkte der Gesundheitssysteme aufgedeckt; nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf globaler Ebene.

Der Bericht beinhaltet auch eine lange Liste von Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen, um eine Wiederholung der Situation der Jahre 2009 und 2010 zu verhindern. Es ist ein Skandal, was bei der Verkündung der H1N1-Grippepandemie passierte.

Die Mitgliedstaaten der EU, darunter die Slowakei, verschwendeten Hunderte Millionen Euro, um zu beweisen, dass sie ihre Bürgerinnen und Bürger vor einer nicht existierenden Gefahr schützen. Es wäre interessant, herauszufinden, wer davon profitiert hat, ganz zu schweigen von der Frage, wer die Verantwortung für die Situation danach übernehmen wird.

Alles, was meiner Ansicht nach in dem Bericht fehlte, war ein Vorschlag, wie persönliche Verantwortung in das Gesundheitssystem eingebracht werden kann. Letzten Endes sind Schuldzuweisungen keine Katastrophe, aber ihre Verbreitungsgeschwindigkeit ist noch höher als die der Grippe.

 
  
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  Åsa Westlund (S&D).(SV) Herr Präsident, ich denke, wir alle stimmen zu, dass es sehr verwirrend war, unterschiedliche Empfehlungen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu haben. Im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit wurden wir zum Beispiel vom schwedischen Minister – der damals amtierender Präsident des Europäischen Rates war – besucht, um dieses Thema zu erörtern. Am selben Tag war auch der Vorsitzende des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten bei uns, und diese beiden Personen sagten vollkommen unterschiedliche Dinge. Einer von ihnen sagte, dass Kinder geimpft werden sollten, und der andere sagte, es sei gefährlich für Kinder, geimpft zu werden.

Es war sehr verwirrend und sehr widersprüchlich für Eltern, die zuverlässige Informationen suchten. Aber es gab auch in praktischer Hinsicht sehr große Unterschiede beim Umgang mit diesem Thema in den Mitgliedstaaten. In meinem Land war die Nachfrage nach Impfstoff groß, was zu chaotischen Szenen vor Gesundheitszentren führte. Gesundheitszentren, die offen waren, hatten keinen Impfstoff, und Gesundheitszentren, die geschlossen waren, hatten große Vorräte des Impfstoffs. Wir müssen uns die tatsächliche Umsetzung genauer ansehen.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE).(CS) Herr Präsident, heute können wir im Rückblick sehen, dass die Ausgabe von Milliarden Euro für den Kampf gegen das H1N1-Virus im Vergleich angesichts der tatsächlichen Bedrohung des Grippeausbruchs unverhältnismäßig hoch war. Als Arzt denke ich, dass es sehr vielsagend ist, dass in Polen, wo die Regierung sich nicht dem Druck beugte, ein landesweites Impfprogramm durchzuführen, die Sterblichkeitsrate nicht höher war als in Staaten mit hohen Impfraten. Ich danke Frau Rivasi für diesen nützlichen Bericht und hoffe, dass die Mitgliedstaaten sowie alle internationalen Organisationen daraus gelernt haben; vor allem, dass Medikamente gemeinsam erworben werden sollten. Ich hoffe – das ist noch wichtiger –, dass sie die Bewertungsmethoden für Statistiken über Epidemien verbessern und dass sie das Vertrauen der Menschen in die Empfehlungen der Europäischen Union an die Bürgerinnen und Bürger wiederherstellen.

 
  
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  Edite Estrela (S&D).(PT) Herr Präsident, es wurden hier bereits Zweifel über den Impfstoff gegen die H1N1-Influenza geäußert. Es ist natürlich, dass die Öffentlichkeit Fragen stellt und etwas skeptisch ist, denn im Jahr 2009 gab es eine Werbeaktion in allen Mitgliedstaaten, es wurden umfangreiche Investitionen in Impfstoffe getätigt, und die Weltgesundheitsorganisation erklärte H1N1 zur Pandemie, und dann schien die Situation auf einmal eine vollkommen andere zu sein. Anders ausgedrückt: Im Jahr 2010 sprach praktisch niemand über die H1N1-Influenza. Es ist daher natürlich, dass die Menschen fragen sollten, ob wir damals Panik verbreiteten oder die Situation jetzt nicht ernst genug nehmen. Die Frage lautet …

(Der Präsident unterbricht die Rednerin)

 
  
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  Karin Kadenbach (S&D). - Herr Präsident, Frau Kommissarin! Wir können uns heute glücklich schätzen, dass die Epidemie nicht so verlaufen ist, wie wir es bisweilen befürchtet hatten, nämlich dass sie viele Todesfälle fordert. Jeder einzelne Todesfall ist tragisch genug.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich in die Diskussion eingebracht haben. Diese Diskussion hat die Situation in der EU ganz klar widergespiegelt: Wir haben sehr viele unterschiedliche nationale Erfahrungen gemacht. Wir haben unterschiedliche Gesundheitssysteme. Die Gesundheitsstruktur und die Gesundheitsversorgung sind nationale Aufgaben, im Fall einer Epidemie oder einer Pandemie brauchen wir aber eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Wir haben gesehen, dass es hier in weiten Bereichen noch einen großen Lern- und Nachholbedarf gibt.

Wie heute schon mehrfach gefordert wurde, müssen wir auf jeden Fall das Vertrauen der Bevölkerung wiedergewinnen. Die Handhabung der H1N1-Situation hat gezeigt, dass es hier Mängel gibt. In Zukunft brauchen wir eine bessere Koordination.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, ich möchte der Berichterstatterin, Frau Rivasi, für diesen Bericht danken, der wirklich einen wertvollen Beitrag zu unseren Bemühungen leistet, aus der Pandemie im Jahr 2009 zu lernen. Ich stimme Ihnen zu, dass wir aus dieser Pandemie lernen müssen und auch, dass wir unsere Reaktion kritisch beurteilen müssen. Um den Schutz der europäischen Bürgerinnen und Bürger vor solchen Bedrohungen der Gesundheit zu garantieren, müssen wir unsere Vorbereitung und Planung für den Umgang mit ähnlichen grenzüberschreitenden Bedrohungen für die Gesundheit verbessern.

Die EU verfügte bereits über unabhängige Kapazitäten und Fachwissen über Influenzapandemien. Alleine im Forschungsbereich hat die Europäische Kommission seit dem Jahr 2000 mehr als 50 Projekte im Zusammenhang mit Influenza finanziert – eine Investition von 150 Mio. EUR. Unsere Agenturen, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten und die Europäische Arzneimittelagentur, standen der Union und ihren Mitgliedstaaten während der Pandemie zur Unterstützung mit wissenschaftlichem Rat zur Seite.

Außerdem unterstützten die Dienste der Kommission aktiv durch den EU-Ausschuss für Gesundheitssicherheit die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Bedrohung. Jedoch muss ich zugeben, dass mit dem Bericht des Parlaments mehrere Bewertungen unserer Reaktion eine Reihe von Unzulänglichkeiten und Herausforderungen identifiziert haben, die behandelt werden müssen.

Dazu gehören die Beschaffung von Pandemieimpfstoffen, die Notwendigkeit besserer Koordinierung von Impfstrategien, die Notwendigkeit größerer Flexibilität bei unseren Bereitschaftsplänen und die Notwendigkeit besserer Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Die Kommission ist entschlossen, mit der Unterstützung der wissenschaftlichen Behörden und mit den Mitgliedstaaten – da es sich hier um eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit handelt –, sich bei diesen Themen vorwärts zu bewegen.

Diese Herausforderungen werden von uns im Rahmen von zwei Initiativen behandelt. Erstens wird die Kommission noch in diesem Jahr eine Gesundheitssicherheitsinitiative vorstellen, die unsere Koordinierungskapazitäten verstärkt, und zweitens wird die Kommission auch einen gemeinsamen Beschaffungsmechanismus für Pandemieimpfstoffe und antivirale Medikamente für die Mitgliedstaaten initiieren, die daran teilnehmen möchten. Das würde die Solidarität innerhalb der EU stärken, indem ein Mindestmaß an gleichem Zugang zu Impfstoffen garantiert wird. Das würde auch unsere Kaufkraft stärken, wodurch wir bessere vertragliche Bedingungen aushandeln können.

Die Kommission begrüßt die von der Berichterstatterin ausgedrückte Unterstützung für solche Initiativen. Die Kommission plant auch die Finanzierung zusätzlicher Forschung in Bezug auf Verhaltensaspekte und Kommunikationsstrategien, insbesondere zur Verbesserung der Auffrischung von Impfungen.

Schließlich erachten wir die erwähnten Fragen zur Transparenz und Unabhängigkeit als sehr wichtig, und ich glaube wirklich, dass wir hier etwas unternehmen müssen. Die Kommission und die zuständigen Behörden werden zusammenarbeiten, um unsere Verfahren bei Interessenerklärungen und potenziellen Interessenkonflikten zu verbessern.

Wir glauben, dass wir bei unserem gemeinsamen Ziel, sicherzustellen, dass wir besser vorbereitet sind, um unsere Bürgerinnen und Bürger vor zukünftigen Bedrohungen für die Gesundheit zu schützen, weiterhin an einem Strang ziehen müssen.

 
  
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  Der Präsident. - Die Aussprache wird geschlossen.

Die Stimmabgabe findet am Dienstag, den 8. März, mittags statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  János Áder (PPE), schriftlich.(HU) Die wichtigste Lehre aus dem allgemein bekannten H1N1-Skandal ist die Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung. Die Weltgesundheitsorganisation schlug mit ihren zur Hysterie beitragenden Vorhersagen falschen Alarm und zwang die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, die in keinem Verhältnis zu der bekannten und tatsächlichen Schwere der H1N1-Epidemie standen. Am Ende erkrankten und starben weltweit deutlich weniger Menschen durch den Erregerstamm der H1N1-Grippe als an der gewöhnlichen saisonalen Grippe, während einzelne Staaten unglaubliche Summen öffentlicher Gelder ausgaben, um Impfstoffe zu erwerben, die bis zu zweimal oder dreimal teurer waren als der durchschnittliche Impfstoff. Der Fall Polen verdient es, hier erwähnt zu werden: Die Regierung impfte die Bevölkerung nicht gegen H1N1, und dennoch war die Sterblichkeitsrate nicht höher als in Staaten, deren Bevölkerung geimpft wurde. Dies passierte in einem Zusammenhang, in dem der Hersteller des Impfstoffs trotz großer Profite so dreist war, es abzulehnen, Verantwortung für die Nebenwirkungen des Impfstoffs zu übernehmen. Es ist eine unglaublich unwürdige Verhaltensweise, die Angst der Menschen und ihr Verantwortungsgefühl gegenüber ihren Familien und geliebten Menschen nur aufgrund abscheulicher Profitgier auszunutzen. Die Tatsache, dass die WHO mit ihren unbegründeten Warnungen vor einer Pandemie sogar einen Beitrag zu dieser ganzen Angelegenheit geleistet hat, macht es erforderlich, dass die EU wirklich konsequente Maßnahmen ergreift. Lehren müssen gezogen werden, und die EU muss bei der Bewertung von Fällen, welche auf die Möglichkeit einer Epidemie hinweisen, die vergleichbar mit H1N1 ist, mit größerer Unabhängigkeit vorgehen können. Schließlich kann es eines Tages zu einer wirklichen Bedrohung kommen.

 
  
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  Sergio Berlato (PPE), schriftlich.(IT) Die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen haben eine Reihe von teuren Maßnahmen ergriffen, die in vielen Fällen in keinerlei Verhältnis zu der wahren Bedrohung durch die H1N1-Influenza standen. In Europa verursachte die H1N1-Influenza im Jahr 2009 laut Schätzungen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten etwa 2900 Todesfälle. Diese Zahlen liegen deutlich unter den offiziellen Schätzungen für Todesfälle, welche alleine die saisonale Grippe verursacht, und sind Beleg für die moderate Bedrohung durch dieses Influenzavirus.

Ich dränge daher darauf, dass diesem Thema größte Aufmerksamkeit geschenkt wird, damit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Überprüfung durchführen kann, um eine neue Definition der Kriterien für das Aussprechen einer weltweiten Pandemiewarnung zu entwickeln, wobei nicht nur die geografische Ausbreitung der Krankheit, sondern auch ihre Virulenz berücksichtigt wird. Außerdem zeigt meiner Meinung nach eine Analyse des Umgangs mit der H1N1-Krise durch die EU eindeutig eine neu entstandene Notwendigkeit für die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsbehörden der Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen.

Da ich glaube, dass es für den Erfolg oder Misserfolg einer Studie entscheidend ist, dass die Studien über Impfstoffe und antivirale Medikamente unabhängig von Pharmaunternehmen durchgeführt werden, stimme ich schließlich der Forderung der Berichterstatterin zu, die Namen aller Experten zu veröffentlichen, die von den europäischen Gesundheitsbehörden konsultiert werden.

 
  
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  Jolanta Emilia Hibner (PPE), schriftlich.(PL) Wenn es um die Bewertung epidemiologischer Risiken geht, sollte man das Wissen unabhängiger Experten nutzen, die nicht in Verbindung mit Pharmakonzernen stehen. Die Unabhängigkeit der Europäischen Union bei der Bewertung der Bedrohung durch die AH1N1-Influenza und des resultierenden Risikos ist entscheidend. Wir dürfen uns nicht nur auf Studien von Experten verlassen, die von Pharmaunternehmen finanziert werden.

Ein weiterer erstaunlicher Aspekt ist das beschleunigte Verfahren, das bei der Markteinführung der Impfstoffe gegen H1N1, die nicht ausreichend getestet und untersucht wurden, angewendet wurde. 2009 bewerteten die Pharmaunternehmen das Risiko im Zusammenhang mit dem Virus als sehr hoch, während es sich als weniger gefährlich als die gewöhnliche Grippe herausstellte. Im Mai 2009 berichtete die WHO, dass das Virus nicht so gefährlich sei. Aber aufgrund widersprüchlicher Informationen gaben viele Staaten dem Druck nach und kauften Millionen Dosen teuren Impfstoffs, die nicht genutzt wurden und jetzt nicht mehr zu gebrauchen sind. Es bedarf beim Umgang mit Krankheiten größerer Transparenz bei den Institutionen der EU sowie einer Überarbeitung bestehender Verfahren. Umfangreichere und engere Zusammenarbeit zwischen Staaten ist im Hinblick auf den Erwerb von Impfstoffen ebenfalls entscheidend für die Stärkung unserer Verhandlungsposition.

Ich möchte erwähnen, dass mein Heimatland Polen sich von Anfang an auf beispielhafte Art nicht von der Panik hat in die Irre führen lassen und zunächst eine Garantie für die Sicherheit des Impfstoffs gefordert hat.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE), schriftlich.(PL) Die Arbeit am Bericht über die A/H1N1-Viruspandemie in den Jahren 2009 und 2010 dauerte fast ein Jahr. Die im Europäischen Parlament angestoßene Diskussion endete mit einem Eigeninitiativbericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über die Schweinegrippe, der Punkte über ethische und verfahrenstechnische Unregelmäßigkeiten enthielt, die bei der Bekämpfung der Krankheit auftraten.

Wir sind besorgt über die Art, wie Pharmaunternehmen das Thema der Schweinegrippe propagierten, indem sie das Virus als sehr gefährlich und virulent darstellten. Das Virus stellte sich als deutlich ungefährlicher als die gewöhnliche Grippe heraus. Die Zahl der Todesfälle lag bei 2900, während die geschätzte Zahl von Fällen, die der saisonalen Influenza zugeschrieben werden, sich auf jährlich 40 000 beläuft.

Der Bericht über die Bewertung des Umgangs mit der H1N1-Influenza in der Europäischen Union fordert die Unabhängigkeit der EU, wenn es um die Entwicklung ihrer eigenen Bewertung des Ausmaßes von Bedrohungen und der daraus resultierenden Risiken geht. Die EU sollte nicht auf die Forschung von Experten angewiesen sein, die von Pharmakonzernen finanziert wird. Gleichzeitig führt auch das fragwürdige Schnellverfahren zu Kritik. Dieses wurde bei der Markteinführung von Impfstoffen gegen H1N1 angewandt, ohne dass ausreichend Tests und Untersuchungen durchgeführt wurden.

Ich möchte die Notwendigkeit größerer Transparenz beim Umgang der EU-Institutionen mit Krankheiten, einer Überarbeitung der bestehenden Verfahren und deren Änderung mit Blick auf größere Flexibilität und der Vermeidung von Interessenkonflikten unter Personen, welche die Bewertungen vornehmen, und Entscheidungsträgern betonen. Ich erachte die Forderung nach Zusammenarbeit von Staaten zur Stärkung ihrer Verhandlungsposition beim Kauf von Impfstoffen als eine Priorität. Allerdings würde ich beim Erwerb von Impfstoffen gerne das Prinzip der Freiwilligkeit beibehalten.

 
  
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  Artur Zasada (PPE), schriftlich.(PL) Ich gratuliere Frau Rivasi zu dem gut vorbereiteten Bericht. Ich stimme zu, dass ein System entwickelt werden sollte, das eine genaue Bestimmung des Ausmaßes des Risikos und der Stärke des Virus ermöglicht, um in der Zukunft Ausgaben zu vermeiden, die nicht im Verhältnis zur Bedrohung stehen. Ich bin sehr froh, dass die polnische Regierung bei diesem Thema nicht der Panik nachgegeben hat, oder eher dem effektiven Lobbying der Pharmaunternehmen.

Ich erachte es als besonders wichtig, dass Experten und Forscher, die Einschätzungen zur Notwendigkeit des Erwerbs von Impfstoffen abgeben, vollkommen unabhängig von Pharmaunternehmen sind. Ich unterstütze den Vorschlag der Berichterstatterin, dass Spezialisten der pharmazeutischen Industrie nur konsultiert und vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen werden sollten. Ich muss mit Bedauern feststellen, dass in einigen Mitgliedstaaten Impfstoffdosen, deren Zahl sich im zweistelligen Millionenbereich bewegt, bis heute nicht verwendet wurden. Das führte zu riesigen finanziellen Verlusten. Diese verlorenen Gelder hätten erfolgreicher und auf eine besser durchdachte und effektivere Weise zum Schutz der Gesundheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger genutzt werden können.

 

24. Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der EU (kurze Darstellung)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Frau Estrela im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der EU (2010/2089(INI)) (A7-0032/2011).

 
  
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  Edite Estrela, Berichterstatterin.(PT) Herr Präsident, ich möchte zu Beginn den Schattenberichterstattern für ihre Zusammenarbeit und unsere gemeinsam geleistete Arbeit sowie den Verfasserinnen der Stellungnahmen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter danken. Alle Beiträge waren sehr nützlich.

Gesundheitliche Ungleichheiten variieren von Land zu Land und von Region zu Region. Sie hängen von wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen ab und können durch Geschlecht und Kultur verschärft werden. In anderen Worten: Gesundheitliche Ungleichheiten beziehen sich nicht nur auf den Zugang zu Gesundheitsversorgung, sondern auch auf ganz andere Faktoren wie Lebensbedingungen, Wohnraum, Bildung, Beruf, Einkommen und Lebensweise. Obwohl es einige Fortschritte gab, bestehen immer noch große Ungleichheiten innerhalb der 27 Mitgliedstaaten. Beispielsweise variierte laut Eurostat die Lebenserwartung von Männern bei der Geburt in den EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2007 um 14,2 Jahre, und die entsprechende Zahl bei Frauen war 8,3 Jahre Gesundheit und Lebenserwartung hängen immer noch von sozialen Bedingungen und Armut ab. Und wenn Armut mit anderen gefährdenden Faktoren – wie Alter (Kinder, ältere Menschen), Behinderung oder Zugehörigkeit zu einer Minderheit – einhergeht, vergrößert sich das Risiko gesundheitlicher Ungleichheit weiter.

Gesundheitliche Ungleichheiten können in der Kindheit beginnen, bis ins hohe Alter andauern und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Daher ist dieses Thema wichtig, und es muss dringend eine Lösung gefunden werden. Die gegenwärtige Situation der weltweiten Krise verschlimmert die Situation eher noch. Es ist offensichtlich, dass die Krise in einer Reihe von Mitgliedstaaten sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite ernste Auswirkungen auf das Gesundheitswesen hat. Auf der Angebotsseite kann die Krise zu einer Verringerung der Mittel für die Finanzierung der öffentlichen Gesundheit führen, und gleichzeitig kann sie zu erhöhter Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen führen.

Die Krise hat gezeigt, dass die Einkommen von einigen keine Grenzen haben und dass dieser Mangel an Gerechtigkeit zur Vergrößerung der Lücke zwischen der reichen Minderheit und der armen Mehrheit beigetragen hat. Die Krise kann daher auch eine Gelegenheit sein, Ungleichheiten durch mutige Maßnahmen zur Förderung von Gleichheit zu bekämpfen. Wenn wir nicht die Lehren ziehen, und wenn wir es dabei belassen, nur minimale Änderungen vorzunehmen, sodass alles bleibt, wie es ist, werden wir die Ungleichheit verschärfen. Wie wir gesehen haben, sind ungleiche Gesellschaften instabile Gesellschaften.

Mehrere Mitgliedstaaten haben Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Gesundheitssektor in ihre Konjunkturpakete aufgenommen: Sie investieren in die Gesundheitsinfrastruktur, sie optimieren die Finanzierung des Gesundheitssektors und nehmen eine Umstrukturierung und Neuorganisation des Gesundheitssystems vor. Es ist entscheidend, dass eine Reduzierung von Ungleichheiten auf allen Ebenen politischen Handelns als Priorität angesehen wird. Ich begrüße daher die Vorschläge der Kommission.

Aber ich möchte auch auf einige Vorschläge in meinem Bericht hinweisen, besonders auf die, die das Ziel haben, die Aufmerksamkeit zu erhöhen, die den Bedürfnissen von Menschen geschenkt wird, die in Armut leben, benachteiligten Migrantengruppen angehören – darunter illegal aufhältige Migranten und ethnische Minderheiten – die Behinderungen haben, sowie älteren Menschen und Kindern. Ich befürworte Maßnahmen zur Verminderung der Auswirkungen der Wirtschaftskrise im Gesundheitssektor durch Investitionen in die Infrastruktur. Ich erachte es als entscheidend, Kindern und schwangeren Frauen gute gesundheitliche Bedingungen zu garantieren. Ich denke auch, dass es erstrebenswert ist, dass der Kohäsionsfonds und die Strukturfonds Projekte im Zusammenhang mit Faktoren, die zu gesundheitlichen Ungleichheiten beitragen, unterstützen. Mit anderen Worten: Wir müssen für zukünftige Generationen eine bessere und gerechtere Zukunft schaffen.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE).(CS) Herr Präsident, in den letzten Jahren haben wir aktiv bei der Förderung innovativer Medizin mitgewirkt. Daher begrüße ich diesen Bericht, der sich auf schwache Gruppen und ihren Zugang zu Behandlung und Vorsorge konzentriert. Ich erachte dies als sehr wichtig. Natürlich verletzen viele Punkte in diesem Bericht das Subsidiaritätsprinzip von Mitgliedstaaten. Ich lehne z. B. ganz klar die Formulierung von Punkt 25 ab, denn Abtreibung sollte nicht als ein Mittel zur Geburtenkontrolle genutzt werden. Die Punkte 26, 29 und 53 sind ebenfalls umstritten. Ich möchte auch hervorheben, dass Unterschiede bei der durchschnittlichen Lebenserwartung in den 27 Mitgliedstaaten nur zum Teil auf unterschiedliche Standards und Zugangsmöglichkeiten bei der Gesundheitsversorgung zurückzuführen sind. Es gibt auch Unterschiede beim allgemeinen Lebensstandard oder der Lebensweise der Menschen und beim Entwicklungsstand des Landes, in dem sie leben, und das hat bei diesem Thema einen größeren Einfluss. Die Unterschiede sollten mithilfe von Entwicklungsprogrammen, die von der EU finanziert werden, beseitigt werden.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (S&D).(RO) Herr Präsident, die gegenwärtige Wirtschafts- und die Finanzkrise hatte schwere Auswirkungen auf die Gesundheitsdienstleistungen – viele Mitgliedstaaten haben die Finanzmittel für die öffentliche Gesundheit gekürzt. Einige haben sogar beschlossen, Krankenhäuser in kleineren Städten zu schließen oder nur eine verminderte Anzahl an Operationen durchzuführen. Insbesondere Patienten, die in ländlichen Gebieten oder abgelegenen Orten leben, sind gezwungen, Dutzende Kilometer zurückzulegen, um spezialisierte Gesundheitsdienstleistungen zu bekommen. Daher bestehen nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten gesundheitliche Ungleichheiten, sondern auch zwischen Regionen in diesen Staaten.

Eine Reduzierung der Finanzmittel für nationale Gesundheitsprogramme gefährdet den Zugang zu den neusten und wirksamsten Behandlungsmethoden. Außerdem bedeutet die Kürzung von Subventionen bei einigen Behandlungen, dass die Patienten nicht in der Lage sind, eine Behandlung fortzusetzen, was einen viel höheren Preis nach sich zieht und Konsequenzen für ihre Gesundheit hat. Ungleichheiten im europäischen Gesundheitssystem führen dazu, dass medizinisches Personal in andere Mitgliedstaaten abwandert, um seinen Beruf auszuüben. Daher hat die Kommission …

(Der Präsident unterbricht die Rednerin)

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, die gegenwärtige Situation mit einer Sparpolitik, die vor allem eine unsoziale Politik ist, und insbesondere Kürzungen bei den Investitionen in die Gesundheitsversorgung, verschärfen die Probleme im Bereich der Gesundheit eindeutig, wenn im Namen der Reduzierung des Haushaltsdefizits die Kosten für den Zugang zu öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen steigen, die Kosten für Medikamente steigen – selbst für chronische Krankheiten – und die Förderung von Patiententransporten in Gebieten eingestellt wird, in denen es keine öffentlichen Verkehrsmittel für die Beförderung zu Behandlungen gibt, und wenn Beratung durch die Kürzung von Subventionen nicht mehr angeboten wird. Ungleichheiten bei der Gesundheit nehmen zu, und das passiert in einigen Ländern der Europäischen Union, besonders in meinem Land, Portugal. Die Menschen, die am schlimmsten betroffen sind, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, haben zunehmend Schwierigkeiten, Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu bekommen, weswegen Worte nicht genug sind: Was wir brauchen …

(Der Präsident unterbricht die Rednerin)

 
  
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  Nicole Sinclaire (NI). – Herr Präsident, die Gesundheitsversorgung sollte in erster Linie eine Angelegenheit jedes einzelnen Mitgliedstaates sein, aber natürlich haben die Abgeordneten in diesem Plenarsaal die Absicht, Gesetze für die ganze Europäische Union zu machen. Aber sie scheinen nicht in der Lage zu sein, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Einige von Ihnen – und viele von Ihnen nicht – haben gestern vielleicht die Londoner Sunday Times gesehen, die über die Gesundheitsleistungen für Mitglieder des Europäischen Parlaments sprach. Meine Kollegin, Frau Figueiredo, hat gerade eben über Haushaltskürzungen gesprochen und wie sie die Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung verstärken. Aber die Europäische Union – und die Mitglieder des Europäischen Parlaments – genehmigten sich im letzten Jahr eine Erhöhung ihrer Gelder für die Gesundheitsversorgung von 36 %, für Dinge wie Anti-Ageing-Behandlungen, Thermalbäder usw. Wenn wir aber diese Woche über die Ungleichbehandlung von Frauen reden, fällt eine Statistik ins Auge. In Großbritannien z. B. können Frauen nur einmal eine Invitrofertilisation erhalten – einen Zyklus – aber weibliche Mitglieder des Europäischen Parlaments und ihre Angehörigen können fünf Zyklen haben. Kommen Sie, wenn Sie Gleichheit haben wollen …

(Der Präsident unterbricht die Rednerin)

 
  
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  Anna Záborská (PPE). (SK) Herr Präsident, alle Menschen sind einzigartig – mit ihren eigenen Fähigkeiten, Prioritäten und ihrer eigenen Lebensweise. Aus dieser natürlichen Ungleichheit ist die Motivation geboren, besser zu werden – eine Motivation, welche die treibende Kraft der Wirtschaft ist.

Der Versuch, die Ungleichheit im Bereich der Gesundheitsversorgung zu beseitigen, hat jedoch mehr mit den Menschen als mit der Wirtschaft zu tun. Das liegt daran, dass Menschen bei Krankheit und Leiden einander gleichen. Wir sollten mit Leid kein Geschäft machen.

Darum legen Ärzte den Hippokratischen Eid ab und nicht beispielsweise Unternehmer. Die Idee der Beseitigung von Ungleichheiten im Bereich der Gesundheit basiert auf dem Wert des menschlichen Lebens. Aber ein uneingeschränktes Recht auf Abtreibung, welches der Bericht ebenfalls verteidigt, untergräbt diesen Wert.

Die vorgeschriebene Finanzierung von Abtreibungen mit öffentlichen Geldern nimmt der Gesundheitsversorgung ihren moralischen Imperativ und degradiert sie auf die Ebene eines Luxus, der nicht vorenthalten werden kann.

 
  
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  Mario Pirillo (S&D).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, selbst heute bestehen in der Europäischen Union noch immer gesundheitliche Ungleichheiten. Dies betrifft den Zugang zu Dienstleistungen, Behandlungen und soziale Faktoren, und das macht eine integrierte Reaktion erforderlich.

Die Gründe für diese Unterschiede sind in vielen Fällen vermeidbar und ungerecht, denn sie resultieren aus diskriminierenden Faktoren wie begrenzte finanzielle Möglichkeiten einzelner Menschen. Ich glaube, dass eine Reduzierung der gesundheitlichen Unterschiede eine grundlegende Priorität für Europa werden sollte, gemäß dem Grundsatz „Gesundheit in allen Politikbereichen“ und einer höheren Qualität der Versorgung für alle.

In den kommenden Monaten wird das Europäische Parlament die Überarbeitung der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen diskutieren. Das ist eine gute Gelegenheit, um einen besseren Mechanismus zu schaffen, der es ermöglicht, Notfälle effektiv und ohne jegliche Diskriminierung zu behandeln.

 
  
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  Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, es gibt hier eine Reihe von Aspekten.

Einer, den ich gerne ansprechen möchte, ist die Tatsache, dass die Beseitigung von Ungleichheiten bei der Gesundheit am besten gelingt, wenn man die Menschen gesünder macht. Ich bin erfreut, dass eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen und ich selbst vor Weihnachten erfolgreich eine schriftliche Erklärung durch das Parlament gebracht haben, die das Ziel hat, 100 Millionen Menschen in der Europäischen Union bis 2020 durch Sport usw. aktiver zu machen. Ich freue mich auf die Vorschläge der Europäischen Kommission dazu.

Zweitens bin ich erfreut, zu sagen, dass in meinem Land eine neue Regierung gebildet wurde – eine EVP-Regierung mit Sozialisten –, und eines ihrer vorrangigen Ziele ist eine universelle Krankenversicherung. Die Idee ist, dass das Geld dem Patienten folgen sollte und dass der Patient unabhängig von Status, Reichtum oder irgendetwas anderem nur aufgrund des Bedarfs Zugang zu Gesundheitsversorgung haben sollte. Ich glaube, dass dies sehr erfolgreich sein wird. Grundlage ist das niederländische Modell, und wir sind sehr zufrieden damit.

 
  
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  Karin Kadenbach (S&D). - Herr Präsident, Frau Kommissarin! Das Thema lautet heute „Abbau der Ungleichheiten im Gesundheitswesen“. Das ist sehr ambitioniert. In dieser Situation habe ich eher Angst, dass wir auf europäischer Ebene überall dazu beitragen, diese Unterschiede, diese Ungleichheiten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch zu vergrößern. Es geht nicht nur um konkrete Rückschritte in der Gesundheitsversorgung, sondern auch darum, welche Sozialstandards wir abbauen, wo wir Bildungszugänge abschaffen, wo Bildung erschwert wird. Denn wir wissen, dass dort, wo das Bildungsniveau niedriger ist und wo soziale Schwierigkeiten herrschen, auch die Armut größer ist. Und wir wissen, dass Armut krank macht.

Mein Appell an die Kommission lautet: Machen wir deutlich – auch bei den notwendigen Konsolidierungen des europäischen Budgets und der nationalen Budgets –, dass Investitionen in Gesundheit und in Soziales und Bildung, die heute nicht erfolgen, im Gesundheitssystem der Zukunft Kosten verursachen.

 
  
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  Elena Oana Antonescu (PPE).(RO) Herr Präsident, gesundheitliche Ungleichheiten stellen eine Herausforderung für die Verpflichtung der Europäischen Union zu Solidarität, sozialer und wirtschaftlicher Kohäsion, Menschenrechten und Chancengleichheit dar. Daher muss das Thema Gesundheit Teil aller Politikbereiche der EU sein. Die Mitgliedstaaten müssen ermutigt werden, in jedes Politikfeld und bei der Erarbeitung von Aktionsplänen in allen Bereichen Gesundheit als ein grundsätzliches Thema einzubinden, um bei der Reduzierung von Ungleichheiten zu helfen und einen hohen Grad an Gesundheitsschutz zu schaffen.

Ich unterstütze die Notwendigkeit, eine Reihe von spezifischen Indikatoren zu entwickeln, mit denen gesundheitliche Ungleichheiten überwacht werden, sowie vergleichbare Indikatoren zu entwickeln, die es nationalen Behörden ermöglichen könnten, mit dem Ziel der Verbesserung der Gesundheitssysteme, den erreichten Fortschritt in diesem Bereich zu bewerten. Als weiteren Aspekt der Anstrengungen zur Lösung des Problems der gesundheitlichen Ungleichheiten müssen wir die Schaffung eines strategischen Mechanismus für die Arbeitsplanung erwägen, um sicherzustellen, dass wir Experten in der Gesundheitsversorgung anwerben und halten können.

 
  
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  Petru Constantin Luhan (PPE).(RO) Herr Präsident, die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und schlechte Ernährung bis zum Jahr 2020 für 70 % aller Krankheiten und vorzeitigen Tode verantwortlich sein werden. Die Tatsache, dass es dabei einen systematischen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und der gesellschaftlichen Klasse gibt, zeigt, dass diese Unterschiede durch mangelhafte Bedingungen beim Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen verursacht werden. Das deutet darauf hin, dass gesundheitliche Ungleichheiten nicht das Ergebnis individueller Entscheidungen sind, sondern dass sie vermeidbar und ungerecht sind.

In der Haushaltsplanung für 2007 bis 2013 wurde Gesundheit zum ersten Mal als eine der obersten 10 Prioritäten der Strukturfonds genannt. Aber die Europäische Kommission muss in die Verfahren für die Überwachung der Strategie Europa 2020 differenzierte vergleichende Indikatoren – basierend auf dem sozioökonomischen Status – einbeziehen und altersbedingte Diskriminierung berücksichtigen.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, die Kommission ist dem Parlament für seine Unterstützung unserer Maßnahmen zu Überwindung von gesundheitlichen Ungleichheiten und für seine Empfehlungen zu diesem wichtigen Thema dankbar. Ich möchte auch insbesondere der Berichterstatterin, Frau Estrela, für ihre Hingabe bei diesem Anliegen danken.

Disparitäten bei der Gesundheit zwischen Ländern, zwischen Regionen, zwischen Arm und Reich und zwischen unterschiedlichen ethnischen Minderheiten betreffen jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, und in vielen Fällen werden sie größer. Ich möchte bei diesem Thema ehrlich sein. Wir fangen jetzt an, das ganze Ausmaß der Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Gesundheit der Menschen und auf die Gesundheitsdienste zu erkennen. Wir fangen jetzt an, die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Defiziten zu erkennen. Daher besteht ein Risiko, dass sich diese Ungleichheiten verschlimmern. Es ist für unsere Bürgerinnen und Bürger und für Europas wirtschaftliche Erholung wichtig, die gesundheitlichen Ungleichheiten zu verringern. Es ist eine große Herausforderung, die – wie es der Bericht des Parlaments betont – Maßnahmen in allen politischen Bereichen und auf allen Regierungsebenen erfordert.

Ihr Bericht gibt wichtige Hinweise für die Zukunft. Sie betonen die Notwendigkeit, den Zugang zu Gesundheitsförderungs- und Vorsorgeleistungen sowie effektiven Dienstleistungen der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Sie betonen außerdem die Notwendigkeit, schwachen Gruppen besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und neue Technologien wie Telemedizin anzuwenden, sodass die Unterschiede bei der Gesundheitsversorgung verringert werden. Die Kommission teilt Ihre Besorgnis voll und ganz.

Sie betonen auch die Ungleichheit der Geschlechter als ein wichtiges Element, dass zu sozialen Ungleichheiten im Bereich Gesundheit beiträgt. Ich persönlich stimme Ihnen dabei vollkommen zu.

Die Kommission treibt ihr Aktionsprogramm zur Verminderung von gesundheitlicher Ungleichheit energisch voran – wie es in der Mitteilung über Solidarität im Gesundheitswesen dargestellt ist –, indem sie in allen Politikfeldern und in Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten und Interessengruppen Maßnahmen ergreift.

Damit solche Partnerschaften funktionieren, beginnen die Mitgliedstaaten jetzt mit einer gemeinsamen Aktion gegen gesundheitliche Ungleichheit, welche vom EU-Gesundheitsprogramm finanziert wird. Diese Aktion beinhaltet die Arbeit an einer Bewertung der Auswirkungen von gesundheitlicher Ungleichheit, regionale und wissenschaftliche Netzwerke und Initiativen von Interessengruppen.

Unsere Maßnahmen, die sich über viele Politikbereiche erstrecken, beginnen mit unserer Arbeit auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit, z. B. bei der Eindämmung des Tabakkonsums, bei der Ernährung und mit Maßnahmen für aktives und gesundes Altern. Aber unsere Strategie beinhaltet auch Verpflichtungen in Politikbereichen wie Beschäftigung und Soziales, Landwirtschaft, Forschung und Regionalpolitik.

Es ist klar, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind. Es ist auch klar, dass das nicht über Nacht geschehen wird. Bis zu einem umfassenden Erfolg wird es Jahre dauern, aber zusammen können wir – und das müssen wir auch – eine dauerhafte und spürbare Veränderung herbeiführen, damit alle Europäer die Chance haben, gesund zu leben.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Stimmabgabe findet am Dienstag, den 8. März, mittags statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Elżbieta Katarzyna Łukacijewska (PPE), schriftlich. (PL) Gemeinsame Ziele im Zusammenhang mit der Reduzierung der Ungleichheiten beim Gesundheitszustand und beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen gehören zu den Prioritäten der EU. Wir wissen, dass es bei der Gesundheit sichtbare Unterschiede zwischen den Staaten und zwischen Menschen mit unterschiedlichem Bildungsstand oder Einkommen oder unterschiedlichen Berufen gibt. Die Ungleichheiten hängen auch vom Geschlecht ab. Sie treten typischerweise früh im Leben auf und setzen sich oft in den folgenden Jahren fort und betreffen sogar nachfolgende Generationen.

Ich möchte hervorheben, dass der Bericht von Frau Estrela sich mit vielen Aspekten von Gesundheitsthemen befasst. Aber es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es gegenwärtig auch ein Problem im Zusammenhang mit der Abwanderung von medizinischem Personal gibt, was zu Ungleichheiten beim Zugang zu deren Dienstleistungen führt. Wir brauchen daher eine gemeinsame, umfassende europäische Strategie, die Aufmerksamkeit auf Ressourcenverwaltung, die Registrierung der Angehörigen der Gesundheitsberufe sowie auf Aus- und Weiterbildung richtet, was wiederum zu zunehmender Qualität und Sicherheit bei der Gesundheitsversorgung beitragen sollte – nicht nur national, sondern auch grenzüberschreitend.

Zusätzlich betone ich auch, dass wir mehr über Präventionsmaßnahmen sprechen und zu allererst in diesem Bereich investieren sollten. Es ist erforderlich, Diagnosemethoden zu entwickeln, gesunde Lebensführung zu fördern, Informationen effektiv auszutauschen und in moderne Technologien zu investieren, da es besser ist, vorzubeugen.

 
  
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  Tiziano Motti (PPE), schriftlich. (IT) Innerhalb der Europäischen Union ist gesundheitliche Ungleichheit eine Tatsache, die überwunden werden muss. Unterschiede existieren innerhalb jedes Mitgliedstaats zwischen Alten, Zuwanderern, Arbeitslosen und Armen. Ihnen allen muss das Recht auf Gesundheit und die notwendige Versorgung garantiert werden. Bürgerinnen und Bürgern sollte der Zugang zu allen erforderlichen Informationen über Gesundheit garantiert werden, auch durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien und die Erstattung entstandener Kosten. Wirtschaftliche Not kann nicht und darf nicht zu einer Begrenzung der Möglichkeiten der Versorgung führen. In diesem speziellen Bereich ist der simplistische Ansatz beim Thema Abtreibung – welche als Verhütungsmethode oder Behandlungsmaßnahme gesehen wird, aber immer notwendig ist – ein Thema, das Sorgen bereitet. Eine Frau, die es als notwendig erachtet, eine Schwangerschaft abzubrechen, ist oft alleine und verfügt nicht über ausreichende Ressourcen, und sie hat Angst, sich mit einer Entscheidung zu befassen, die sie mit einem der wichtigsten Themen ihrer Existenz konfrontiert. Anstatt Abtreibung zu einer garantierten Verhütungsmethode zu machen, würde ich es daher vorziehen, wenn angemessene Einrichtungen bereitgestellt würden, um sicherzustellen, dass allen Frauen eine offene Unterstützung und eine spezifische Sozial- und Wohlfahrtspolitik garantiert werden, womit ihnen geholfen wird, wann immer es möglich ist, die Probleme, die sie dazu führten, sich für eine Abtreibung zu entscheiden, zu bewältigen.

 
  
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  Daciana Octavia Sârbu (S&D), schriftlich.(RO) Es gibt große Unterschiede zwischen den Gesundheitssystemen sowohl innerhalb als auch zwischen den Mitgliedstaaten. Ich möchten betonen, dass in einer Wirtschaftskrise keine Regierung das Recht haben sollte, drastische Kürzungen der Gelder für die Gesundheitsversorgung vorzunehmen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Situation des Gesundheitssystems in Rumänien lenken. Dank der Haushaltskürzungen, welche die gegenwärtige Regierung vorgenommen hat, wandern zahlreiche spezialisierte rumänische Ärzte aus, Patienten mit chronischen Krankheiten haben keinen Zugang mehr zu Gesundheitsdienstleistungen und bekommen Medikamente nicht erstattet, und die Ausrüstung in Krankenhäusern ist veraltet. Des Weiteren kündigt die rechtsgerichtete Regierung die Zusammenlegung von Krankenhäusern an, obwohl einige Stationen nicht genügend Betten für alle Patienten haben und es daher immer zu Überbelegung kommt. Daher appelliere ich an die Europäische Kommission, größere Anstrengungen zu unternehmen, um die Standards bei den Gesundheitsdienstleistungen anzugleichen und Druck auf Mitgliedstaaten auszuüben, angemessene finanzielle Mittel bereitzustellen, um den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung zu garantieren.

 
  
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  Bernadette Vergnaud (S&D), schriftlich.(FR) Als Berichterstatterin für die Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz für die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament bin ich erfreut über den Text, den der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit angenommen hat und welcher viele der Vorschläge enthält, die wir und andere beteiligte Ausschüsse gemacht haben.

In dieser Hinsicht denke ich, dass Edite Estrelas Bericht hervorragend ist, da er einige entscheidende Aspekte unseres europäischen Sozial- und Gesundheitsversorgungsmodells betont: Gleichheit beim Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung für jeden in Europa, besserer Umgang mit der reproduktiven Gesundheit, Überwachung der Wirksamkeit und Qualität von Medikamenten durch unabhängige Pharmakovigilanzsysteme und vor allem die Notwendigkeit umfangreicher öffentlicher Finanzierung von Gesundheitsversorgung während dieser wirtschaftlichen Krisenzeit.

Gesundheit ist keine Ware wie jede andere, und unsere Wohlfahrtssysteme haben die Pflicht, sicherzustellen, dass die am stärksten Benachteiligten Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Ich bin daher natürlich entsetzt über die Stimmen für die Streichung einiger der oben genannten Punkte, wie es die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und die Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie forderten. Dieser Schritt hat den Beigeschmack von reaktionärem Neoliberalismus, und ich hoffe, dass die endgültige Abstimmung den Geist dieses Berichts erhalten wird und für dieses Parlament sprechen wird.

 

25. Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich (kurze Darstellung)
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  Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Frau Joly, im Namen des Entwicklungsausschusses, über Steuerwesen und Entwicklung – Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich (2010/2101(INI)) (A7-0027/2011).

 
  
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  Eva Joly, Berichterstatterin.(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, mit einiger Zufriedenheit stelle ich Ihnen heute Abend diesen Bericht über Steuerwesen und Entwicklung vor.

Er stellt eine wichtige Phase in einem Kampf dar, der vor langer Zeit begann und den ich jetzt im Europäischen Parlament fortführe. Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen im Entwicklungsausschuss danken, mit denen die Zusammenarbeit äußerst produktiv gewesen ist. Ich hoffe, dass sie bei den morgigen Abstimmungen Bestätigung findet.

Entwicklungsländer sind von der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie von den steigenden Preisen landwirtschaftlicher Materialien sehr schwer betroffen und brauchen jetzt mehr denn je substanzielle neue Finanzierungsquellen. Inmitten dieses Kontextes der globalen Krise sind Steuereinnahmen, die älteste Quelle der Entwicklungsfinanzierung, ein wichtiges Thema und eine echte Herausforderung.

Effektive Steuersysteme dienen nicht nur der Finanzierung wichtiger öffentlicher Dienstleistungen. Durch die Förderung der transparenten, verantwortungsvollen Verwendung von Staatseinnahmen sind sie auch eines der Fundamente einer verantwortungsvollen Demokratie. Die Förderung gerechter, progressiver und transparenter Steuern sollte keineswegs zur Abschaffung oder Verringerung der öffentlichen Entwicklungshilfe führen. Sie sollte nicht als weiterer Vorwand für Mitgliedstaaten dienen, die zunehmend geneigt sind, den Anteil ihres BIP, der der öffentlichen Entwicklungshilfe gewidmet ist, zu verringern.

Obwohl die öffentliche Entwicklungshilfe unvollkommen sein und viel Verbesserungspotenzial haben mag, ist sie für die von der Wirtschafts- und Klimakrise schwer betroffenen Länder nicht weniger entscheidend. Daher geht es nicht darum, die Hilfe zu ersetzen, sondern sie auf die Entwicklung effektiver Steuersysteme umzuleiten, zu denen multinationale Unternehmen auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Gewinne beitragen müssen. Auf diese Weise werden arme Länder in der Lage sein, ihre Entwicklung wieder selbst in die Hand zu nehmen, Armut zu verringern und den durch die Liberalisierung der Märkte verursachten Verlust an Zolleinnahmen auszugleichen, sodass sie langfristig ohne ausländische Hilfe auskommen können.

Die Länder des Südens sind allerdings nicht nur Opfer ihrer eigenen ineffektiven Steuersysteme. Sie sind auch Opfer des durch die Bretton-Woods-Institutionen auferlegten Steuerdumpings, der Kosten der illegalen Kapitalflucht und von Steueroasen. Sie erleiden jährlich kolossale Steuereinnahmeverluste, die auf mehr als das Zehnfache der Hilfe geschätzt werden, die sie von reichen Ländern erhalten.

Dieser Bericht hebt diese Tatsache hervor. Was die OECD-Leitlinien betrifft, so sind diese bei Weitem nicht angemessen und stellen sogar eine Gefahr dar. Sie lassen zu, dass nicht kooperative Rechtsordnungen aus den grauen Listen entfernt werden, indem einfach Kooperationsabkommen ohne Auferlegung eines automatischen Austauschs von Informationen unterzeichnet werden, schaffen damit die Illusion, dass Steueroasen legitim sind, und verleihen einem System Glaubwürdigkeit, das den öffentlichen Finanzen im Norden und Süden gleichermaßen schadet.

Die Abschaffung von Steueroasen ist ein entscheidender Schritt in Richtung der Entwicklung dieser Länder, und die Europäische Union muss dies zur absoluten Priorität machen. Die EU muss ihre Verantwortung wahrnehmen, so wie die Vereinigten Staaten dies getan haben, und klare, verbindliche Rechtsvorschriften hervorbringen, zusammen mit wirklichen Sanktionsmechanismen, um Steueroasen, die für die Entwicklung armer Länder wie Massenvernichtungswaffen sind, abzuschaffen. Die EU muss die Manipulation der Gewinne und Verrechnungspreise durch Unternehmen, vor allem europäische Unternehmen, verhindern, die nachteilige Steuersysteme sowohl zu ihrem Vorteil nutzen als auch missbrauchen. Sie muss einen transparenten, verbindlichen internationalen Mechanismus einführen, der es allen multinationalen Unternehmen auferlegt, vor allem denen in der Rohstoffindustrie, ihre in den jeweiligen Ländern ihrer Tätigkeit erzielten Gewinne und gezahlten Steuern automatisch zu deklarieren.

Dies ist ein entscheidender erster Schritt, um diejenigen aufzuhalten, die durch das Elend der südlichen Länder reich werden. Dies ist auch ein entscheidender Schritt hin zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Europäischen Union.

 
  
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  Elena Băsescu (PPE).(RO) Herr Präsident, vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise ist die Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich sowohl auf EU-Ebene als auch außerhalb der EU eine Notwendigkeit. Ich möchte darauf hinweisen, dass jeder Staat selbst dafür verantwortlich ist, über seine Steuerpolitik zu entscheiden. In diesem Zusammenhang muss die Errichtung von Hindernissen vermieden und die Zusammenarbeit zwischen Ländern gefördert werden.

Die Bekämpfung von Steueroasen ist eine wichtige Priorität. Sie tragen zur Minderung der Qualität des politischen Systems in den Entwicklungsländern bei. Sie fördern außerdem die Wirtschaftskriminalität und machen sie profitabler. Dies wiederum verstärkt die ungerechte Verteilung von Steuereinnahmen. Eine weitere Maßnahme beinhaltet den verstärkten Informationsaustausch zwischen allen Mitgliedstaaten. Gleichzeitig ist eine größere Beteiligung der Entwicklungsländer an einschlägigen internationalen Foren notwendig.

 
  
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  Franziska Keller (Verts/ALE). – Herr Präsident, das Thema der Steuern und Besteuerung ist äußerst wichtig, wenn wir über Entwicklungspolitiken sprechen. Dies ist ein entscheidendes Thema für die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung, weil wir ohne ein angemessenes Steuersystem, ohne angemessene Strategien in Bezug auf Steueroasen, in unseren Entwicklungspolitiken niemals kohärent sein werden, und im Moment sind wir dies nicht. Ich begrüße diesen Bericht daher sehr und hoffe, dass Sie, die Abgeordneten dieses Hauses, ihn morgen nicht verwässern werden.

Wir müssen die Mitteilung der Kommission ergänzen, die gravierende Mängel aufweist, beispielsweise weil Probleme innerhalb der OECD und die Auswirkungen des Steuerwettbewerbs auf Steuereinnahmen nicht behandelt werden. Wenn wir den Vertrag von Lissabon einhalten möchten, wenn unsere Entwicklungspolitiken kohärent sein sollen, müssen wir jetzt handeln, und ich bitte Sie, diesen Bericht in vollem Umfang zu unterstützen.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT)Herr Präsident, während die Zusammenarbeit im Steuerbereich wichtig und notwendig ist, sollten wir nicht die Tatsache ignorieren, dass Steuerpolitik ein wichtiges Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist, deren Definition von offensichtlichen politischen Kriterien und Bewertungen beeinflusst wird. Daher steht es der Europäischen Union nicht zu, sogenanntes „verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich“ zu exportieren, wie die Berichterstatterin sehr richtig erwähnt. Die Souveränität, Entscheidungen und Optionen der Entwicklungsländer müssen in vollem Umfang geachtet werden, bei gleichzeitiger Beachtung ihrer spezifischen Situation und Umstände.

Ich habe zwei Anmerkungen zu zwei aktuellen Themen. Erstens die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die wir den Entwicklungsländern trotz ihres Widerstandes auferlegen, und die, nebst Verursachung anderer schwerer Schäden, die Steuersysteme dieser Länder stark beeinträchtigen. Zweitens die Steueroasen, die es weiterhin gibt und die dem Bericht zufolge jährlich zu Einnahmeverlusten in Höhe von 800 Mrd. EUR führen. Diese zwei Beispiele sind Paradigmen für die Inkonsistenz der Strategien der Europäischen Union hinsichtlich der von ihr erklärten Ziele der Entwicklungszusammenarbeit.-

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, im Namen der Kommission möchte ich dem Europäischen Parlament und insbesondere dem Entwicklungsausschuss für diesen Bericht danken.

Ich stelle mit Freude fest, dass der Bericht von Frau Eva Joly die Botschaft der Mitteilung der Kommission über Steuerwesen und Entwicklung hervorhebt und ihr zusätzliche Stärke verleiht. Er legt außerdem sehr ehrgeizige Ziele fest und bietet der Europäischen Union starke Leitlinien zur verstärkten Mobilisierung von Einnahmen in den Entwicklungsländern. Die Mobilisierung von Eigenmitteln ist für ein nachhaltiges Wachstum, die Verringerung der Armut, ein verantwortungsvolles Handeln und die Bereitstellung öffentlicher Güter von zentraler Bedeutung, die zum Erreichen der Millennium-Entwicklungsziele notwendig sind. Wir müssen Synergien zwischen der Steuer- und Entwicklungspolitik verbessern und den Entwicklungsländern beim Aufbau besserer Steuersysteme und -verwaltungen helfen.

Wir stehen vor einem ernsten Problem. Mich persönlich haben die von Ihnen genannten Zahlen beeindruckt, dass die illegalen Kapitalabflüsse sich auf etwa das Zehnfache der Hilfsgelder belaufen, die an die Entwicklungsländer gehen. Dies ist wirklich erstaunlich.

Wir müssen deshalb gleichzeitig auf zwei sich ergänzenden Ebenen arbeiten. Wir müssen erstens effektive nationale Steuersysteme unterstützen und zweitens auf ein von Transparenz, Kooperationsbereitschaft und Gerechtigkeit geprägtes internationales Steuerumfeld hinarbeiten, um den Entwicklungsländern zu helfen, Steuerhinterziehung und schädlichen Steuerwettbewerb zu bekämpfen.

Ihr Bericht fordert die Kommission auf, erstens die Auswirkungen der Handelsliberalisierung besser zu berücksichtigen und zweitens sich bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und schädlichem Steuerwettbewerb nicht auf die OECD-Leitlinien zu beschränken. Ich möchte auf diese Herausforderungen Bezug nehmen.

Betreffend die erste Angelegenheit kann ich Ihnen versichern, dass wir voll und ganz entschlossen sind, einen erfolgreichen steuerlichen Wandel zu fördern, und zwar durch stärkere Unterstützung des Kapazitätsaufbaus, bedarfsorientierte regionale und internationale Initiativen für den Kapazitätsausbau und bessere Koordinierung der Geber auf EU-Ebene und internationaler Ebene.

Betreffend die zweite Angelegenheit betrachtet die Kommission Steuerhinterziehung und schädlichen Steuerwettbewerb als wesentliche Hindernisse für die Mobilisierung von Eigenmitteln. Deshalb helfen wir den Entwicklungsländern, Kapazitäten zu entwickeln, um diese Herausforderungen anzugehen, und fördern außerdem eine bessere internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich.

Seit der Annahme unserer Mitteilung ist bereits viel Arbeit geleistet worden. Die finanzielle Unterstützung durch das Parlament hat konkrete Maßnahmen ermöglicht. Ihre Mittelzuweisung für 2010 in Höhe von 708 000 EUR hat uns die Finanzierung einer Reihe wichtiger Aktivitäten ermöglicht, um verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich zu fördern. Diese Aktivitäten umfassen technische Seminare des Afrikanischen Steuerverwaltungsforums (African Tax Administration Forum), die Unterstützung der Rohstoffindustrie, Transparenzinitiativen und die Finanzierung einer Nebenveranstaltung bei den Vereinten Nationen über die Mobilisierung von Eigenmitteln. Wir werden außerdem technische Unterstützung zur Umsetzung von Abkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen bieten.

Darüber hinaus bereitet die Kommission eine Mitteilung vor, um die Machbarkeit der Einführung einer nach Ländern untergliederten Rechnungslegungspflicht in EU-Rechtsvorschriften zu bewerten. Wir hatten eine öffentliche Konsultation, die im letzten Januar endete, und wir werden jetzt mit einer Folgenabschätzung über dieses wichtige Thema fortfahren. Dies könnte den Entwicklungsländern helfen, Steuerhinterziehung effektiver zu bekämpfen.

Ich möchte dem Parlament für seine Unterstützung und sein Engagement bezüglich dieser Themen aufrichtig danken. Ich bin überzeugt davon, dass viele Fortschritte erzielt werden können, um verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich zu stärken, und ich stelle erfreut fest, dass diese Themen auch in die Agenda der G20 und G8 aufgenommen worden sind.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 8. März, mittags statt.

 

26. Landwirtschaft und internationaler Handel (kurze Darstellung)
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  Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Herrn Papastamkos, im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, über die Landwirtschaft der EU und den internationalen Handel (2010/2110(INI)) (A7-0030/2011).

 
  
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  Georgios Papastamkos, Berichterstatter.(EL) Herr Präsident, zu einer Zeit, in der die Union über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nachdenkt, ist die Gewährleistung der Kohärenz zwischen der Agrar- und der Außenhandelspolitik sogar noch wichtiger geworden. Der europäische Agrarsektor möchte durch strenge Standards in Bezug auf Sicherheit und Qualität, Umweltschutz und Tierschutz mehr und mehr zur Produktion öffentlicher Güter beitragen. Daher ist es nur logisch, dass importierte landwirtschaftliche Erzeugnisse dieselben Garantien bieten sollten. Im Laufe der Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) befand sich die EU im Hinblick auf die Landwirtschaft lange Zeit in der Defensive – und ist es in gewissem Maße noch immer. Es muss jedoch auf gewisse Missverständnisse hingewiesen werden, bei denen nicht berücksichtigt wird, wie radikal die GAP überarbeitet worden ist. Im Gegensatz zu wichtigen Handelspartnern hat die EU ihre handelsverzerrende Hilfe drastisch reduziert. Sie hat außerdem ihre Ausfuhrerstattungen einseitig erheblich reduziert, wohingegen einige im Wettbewerb stehende Handelspartner weiterhin erheblichen Gebrauch von anderen Ausfuhranreizen machen. Die EU ist der weltweit größte Importeur landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus den Entwicklungsländern. Die EU hat bereits ein äußerst großzügiges Angebot in Bezug auf die Landwirtschaft unterbreitet, das jedoch bei den anderen Industrieländern und fortgeschrittenen Entwicklungsländern bislang nicht auf ein vergleichbares Maß an Entgegenkommen gestoßen ist. Gleichzeitig führt die Kommission bilaterale und interregionale Verhandlungen mit zahlreichen Handelspartnern. Die Auswirkungen aller einzelnen Zugeständnisse, neben ausstehenden Agrarverhandlungen, geben uns besonderen Grund zur Sorge. In diesem Rahmen, Frau Kommissarin, fordern wir die Kommission auf, sich für die multifunktionale Rolle der EU-Landwirtschaft und für das europäische Modell der Nahrungsmittelerzeugung einzusetzen, das eine strategische Komponente der Wirtschaft Europas ist. Wir stellen fest, dass Zugeständnisse auf Kosten der Landwirtschaft unter keinen Umständen als Tauschmittel für verbesserten Marktzugang für Industriegüter und Dienstleistungen dienen dürfen. In jedem Fall betonen wir die Notwendigkeit einer Folgenabschätzung vor der Aufnahme von Verhandlungen und vor dem Austausch von Angeboten.

Wir fordern die Kommission zudem auf, die offensiven Agrarinteressen der EU sowie den Wettbewerbsvorteil der qualitativ hochwertigen Agrarnahrungsmittel der EU zu fördern und, was noch wichtiger ist, den besseren Schutz geografischer Angaben durch unsere Partner sicherzustellen, sowohl im Rahmen bilateraler Handelsverhandlungen als auch im Rahmen des Abkommens zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (ACTA) und der WTO.

Schließlich ist die Landwirtschaft nicht bloß eine Wirtschaftstätigkeit. Sie versorgt die Gesellschaft als Ganzes mit sehr wichtigen öffentlichen Gütern, deren Bereitstellung durch die Märkte nicht gesichert werden kann. Folglich besteht die Hauptherausforderung in der wirkungsvollen Abstimmung handelsbezogener und nicht handelsbezogener Belange. Von daher ist die Wirtschaftsgeografie der GAP so, dass dringend Kohärenz benötigt wird, und zwar zwischen der Agrar- und der Außenhandelspolitik der EU, zwischen internen Aspekten der Gemeinsamen Agrarpolitik und externen Aspekten oder, anders gesagt, zwischen dem, was wir als in foro interno und als in foro externo bezeichnen, womit ich die zwei Ausdrucksformen der EU-Präsenz im globalen Handel meine, die bilaterale und die multilaterale.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE). – Herr Präsident, ich möchte sagen, dass es ziemlich angemessen ist, dass, während wir über diesen sehr wichtigen Bericht debattieren – und ich danke dem Berichterstatter dafür – 30 irische Landwirte in den Büros der Europäischen Kommission in Dublin einen Sitzstreik veranstalten und beabsichtigen, über Nacht zu bleiben.

Dies ist eine wirklich ernste Angelegenheit. Dieser Bericht spiegelt die Frustration der Mitglieder des Ausschusses für Landwirtschaft sowie unserer Landwirte und Verbraucher über die Inkohärenz zwischen der Agrar- und Ernährungspolitik und der Handelspolitik Europas wider. Deshalb werden in diesem Bericht so deutliche Worte verwendet. Einige finden sie zu deutlich; aber ich denke, dass sie dieses Gefühl der Frustration widerspiegeln.

Zudem werden Sie, aus der Perspektive der irischen Rinderzucht, unseren Viehsektor dezimieren, einen Sektor mit niedrigen Einkommen. Sie werden unsere Umwelt zerstören.

Ich möchte auch kurz etwas über die Konsistenz bezüglich des Klimawandels sagen. Der CO2-Fußabdruck von brasilianischem Rindfleisch ist viermal so groß wie der von irischem Rindfleisch; also lesen Sie bitte diesen Bericht. Ich fordere dringend, dass er unterstützt wird.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Mario Pirillo (S&D).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist für Europa äußerst wichtig, ein faires Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit der Unterstützung eines entscheidenden Sektors, mit anderen Worten, der Landwirtschaft der Mitgliedstaaten, und der Notwendigkeit der Stärkung der internationalen Handelspolitik Europas sicherzustellen.

Eine wirtschaftliche Strategie, die stark darauf ausgerichtet ist, der Dynamik globaler Märkte zu folgen, würde am Ende zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Agrarsektors führen. Dies schädigt nicht nur den Wirtschaftssektor, mit schwerwiegenden Folgen für die Beschäftigung, sondern unterminiert auch jede Möglichkeit der Entwicklung unseres ländlichen Raums. Beim Abschluss von Handelsabkommen mit Drittländern müssen die Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugnisse geschützt und gleiche Qualitätsstandards in Bezug auf Ernährungssicherheit, Gesundheitsschutz, Gesundheit der Tiere, Wohlergehen und soziale Rechte gewahrt werden.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, in dem zur Diskussion stehenden Bericht werden viele Beispiele für die verheerenden Auswirkungen der Liberalisierung des Welthandels auf den Agrarsektor angeführt. Darin wird klargestellt, dass die Landwirtschaft bei Verhandlungen in der Welthandelsorganisation als Tauschobjekt für andere Interessen verwendet wird, nicht zuletzt für die Interessen der großen Industrie- und Dienstleistungskonzerne der Europäischen Union. Der Berichterstatter versäumt es jedoch, die Lehren zu ziehen, die er bezüglich der notwendigen Konsequenzen ziehen sollte: unter anderem, dass das Leitprinzip des internationalen Handels Komplementarität und nicht Wettbewerb zwischen den Erzeugerländern und Erzeugern sein sollte, und dass eine auf die Ernährungssouveränität und -sicherheit jedes Landes ausgerichtete geplante Landwirtschaft notwendig ist. Landwirtschaft und Planung sollten der gefährlichen Anarchie der Produktion für einen liberalisierten Markt entgegenwirken. Das ist das, was nötig war – nicht ehrenwerte und inkonsequente Erklärungen –, und genau das konnte oder wollte der Berichterstatter nicht ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Diane Dodds (NI). – Herr Präsident, wie viele Kolleginnen und Kollegen hier – und ich danke dem Berichterstatter für seinen Bericht – möchte ich das Augenmerk auf die Mercosur-Handelsgespräche richten, weil diese für uns in Nordirland Zerstörungspotenzial haben, vor allem für die Viehwirtschaft.

Am Freitag traf ich Vertreter der Agrarlebensmittel-Verarbeitungsindustrie in Nordirland. Die Agrarlebensmittel in Nordirland repräsentieren 16 % des BIP und repräsentieren Zehntausende von Arbeitsplätzen. Sie ist konjunktursicher, sie ist sogar unter den schwierigsten wirtschaftlichen Bedingungen gewachsen, und sie kann in Zukunft der Eckpfeiler einer dynamischen Wirtschaft und einer Expansion des privaten Sektors sein. Genau dies wird durch die Liberalisierung des Handels, und insbesondere durch die Mercosur-Gespräche, in Gefahr gebracht und damit auch die Zehntausende von Arbeitsplätzen sowie die Existenzgrundlage vieler meiner Wählerinnen und Wähler.

 
  
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  Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident, wie meine irischen Kolleginnen bin ich sehr besorgt darüber, dass der Agrarsektor auf dem Hochaltar der Großindustrie geopfert wird. Damit muss Schluss sein.

Zweifellos, die Vorschläge betreffend den Mercosur sind nicht akzeptabel. Sie sind viel zu schnell erfolgt, ohne angemessene Konsultation mit dem Parlament, und sie könnten die Agrarindustrie dezimieren. Man kann von Entschädigung reden, aber es gibt keine Möglichkeit, eine Gesellschaft für den Verlust ihrer Mitglieder und insbesondere ihrer Agrarindustrie zu entschädigen, weil dies jeden in dieser Gesellschaft betrifft, vor allem in ländlichen Gemeinden.

Dies bereitet uns große Sorgen. Der Aspekt der Standards und Produktion im Ausland im Vergleich zu Europa muss berücksichtigt werden; aber letzten Endes besteht die Hauptpflicht der Europäischen Union darin, ihren eigenen Agrarsektor hier in Europa zu schützen.--

 
  
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  Marc Tarabella (S&D).(FR) Herr Präsident, ich möchte zunächst einmal Herrn Papastamkos zur Qualität seines Berichts gratulieren, in dem er die Aufmerksamkeit auf die grundlegenden Kriterien lenkt, die EU-Verhandlungsführer berücksichtigen müssen, und die Tatsache hervorhebt, dass nicht kommerziellen Aspekten bei Verhandlungen mehr Platz eingeräumt werden sollte.

Genauso können wir nicht länger zulassen, dass unsere Landwirte, die – wie wir gerade gehört haben – an sehr strenge Umwelt- und Gesundheitsvorschriften gebunden sind, vor allem im Bereich Produktionshygiene, nachhaltige Produktion und Tierschutz, auf dem Altar des internationalen Handels als Opfer unfairer Rivalität und Wettbewerbsverzerrung geopfert werden, wenn sie Drittländern gegenüberstehen, die in den europäischen Markt mit Produkten eindringen, die nicht immer den internen Produktionsstandards der EU entsprechen.

Ich fordere außerdem die Kommission und das Parlament auf, extrem wachsam zu sein, vor allem in Bezug auf die Abkommen mit dem Mercosur, die die europäische Viehzucht deutlich in Gefahr bringen, aber auch jegliche Landwirtschaft und jegliche Erzeugung von öffentlichen Gütern in der EU – wie der Berichterstatter erwähnte –, für die der Markt natürlich keine Entschädigung bietet.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE). (PL) Herr Präsident, weltweiter Handel, der auf Wettbewerb beruht, bringt allen Teilnehmenden Vorteile, aber in unterschiedlichem Ausmaß. Der Agrarsektor ist aufgrund der je nach Produktionsort außerordentlich unterschiedlichen Produktionskosten und vor allem infolge der Einhaltung von Qualitäts- und Produktionsstandards besonders verwundbar.

Wir haben in der Europäischen Union die Latte diesbezüglich sehr hoch gelegt, was unsere Produkte weniger wettbewerbsfähig macht. Dies ist unsere bewusste Entscheidung, um unsere Verbraucher zu schützen. Daher sollte niemand überrascht sein, dass wir dieselben Anforderungen an Güter stellen möchten, die aus anderen Ländern auf unseren Markt eingeführt werden. Die Europäische Union hat bisher zu viele Zugeständnisse – vor allem auf dem Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse – gemacht, auf Kosten unserer Landwirte; aber dies sollte nicht ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (S&D).(HU) Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir fühlen einen gewissen Grad an Frustration, weil die Europäische Union nicht nur der weltweit größte Lebensmittelimporteur, sondern auch -exporteur ist, was bedeutet, dass wir auch ein maßgeblicher Nutznießer dieses liberalisierten internationalen Handels, dieses globalen Wettbewerbs, sind. Ich stimme meinen Kolleginnen und Kollegen voll und ganz zu: Die Europäische Kommission hat einen Fehler gemacht, als sie das Mandat ausarbeitete. Sogar der Präsident der Kommission gab dies mir gegenüber zu, als er sagte, während der WTO-Verhandlungen von unseren Handelspartnern nicht dieselben Kriterien in Bezug auf Umwelt, Pflanzenschutz, Gesundheit der Tiere und Tierschutz gefordert zu haben, was bedeutet, dass das Mandat mangelhaft ausgearbeitet war. Wenn wir jedoch einen Fehler machen, müssen wir ihn rückgängig machen. Das Mandat muss geändert werden, und wir müssen in Zukunft von unseren Partnern dasselbe fordern.

 
  
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  Åsa Westlund (S&D).(SV) Herr Präsident, der internationale Handel spielt eine sehr wichtige Rolle hinsichtlich der Entwicklungen auf der ganzen Welt und hat auch sehr große Auswirkungen auf unsere Landwirtschaft. Vielleicht ist das, was in Ägypten, Tunesien und Libyen geschehen wird, eines der bedeutendsten Dinge, die vor uns liegen. Einer der wichtigsten Beiträge, die die EU diesbezüglich leisten kann, ist die Öffnung ihrer Märkte, beispielsweise für Öl, um den Menschen in diesen Ländern wirklich zu helfen, eine Zukunft für sich in ihren eigenen Ländern zu sehen. Diejenigen, die sich Sorgen über Migrantenströme in die EU machen, sollten auch sicherstellen, dass die Handelspolitik der EU gegenüber diesen Ländern angepasst wird, sodass die Menschen tatsächlich eine Zukunft in diesen Ländern sehen können und nicht emigrieren müssen.

Da ich aus einem Land mit viel strikteren Tierschutzvorschriften als die EU komme, muss ich auch hinzufügen, dass es sich eher tragikomisch anhört, wenn Menschen von hohen europäischen Tierschutzstandards reden. Aus Sicht meines Landes hat die EU sehr niedrige Tierschutzstandards, vor allem wenn es um Geflügel und Schweine geht, und in diesem Bereich ist noch sehr viel zu tun.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, die Kommission begrüßt diesen Bericht und dankt dem Berichterstatter, Herrn Papastamkos, und den Mitgliedern beider Ausschüsse – des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und des Ausschusses für internationalen Handel – für ihre Bemühungen, ein komplexes Thema umfassend zu behandeln. Etliche Empfehlungen in diesem Bericht geben die politische Vision und Prioritäten der Kommission wieder, wie sie in einer Reihe von Mitteilungen ausgiebig dargelegt sind.

Ich muss zugeben, dass die Liberalisierung des Handels die EU-Landwirtschaft und auch die Europäische Kommission vor wesentliche Herausforderungen stellt. Es gibt jedoch, wie auch das Parlament anerkannt hat, eine Reihe von Verhandlungen über internationalen Handel, die Chancen für unsere Landwirtschaft darstellen. Wir müssen auch die allgemeineren Vorteile für die europäische Wirtschaft insgesamt berücksichtigen, die sich durch die Öffnung des Handels möglicherweise ergeben.

Es ist insgesamt wichtig, eine kohärente Botschaft aufrechtzuerhalten. Wir brauchen diese Botschaft für die diversen laufenden Gespräche, zu denen wir uns verpflichtet haben, ob über Doha, mit einer Reihe von ASEAN-Partnern und afrikanischen Partnern oder mit den Mercosur-Ländern.

Es wäre daher falsch, eine stärkere Öffnung des Handels lediglich als bloßes Verlierer-Szenario für die EU-Landwirtschaft darzustellen. Da wir erhebliche offensive Agrarinteressen haben, bieten Handelsabkommen neue Chancen, die sich aus den Zugeständnissen unserer Partner ergeben. Dies ist durch nackte Tatsachen untermauert. Aus vorläufigen Angaben für 2010 geht hervor, dass die EU ein Nettoexporteur von Agrarlebensmitteln ist, mit Agrarlebensmittelexporten in Höhe von über 90 Mrd. EUR und einem Handelsüberschuss von mehr als 6 Mrd. EUR. Dieser Trend kann durch die strategische Ausrichtung des Agrarlebensmittelsektors der EU auf die Lieferung von Produkten mit hoher Qualität – wie erwähnt wurde – und von hohem Wert erklärt werden, für die es offensichtlich eine immer größere weltweite Nachfrage gibt.-

Dank des einzigartigen und vielfältigen Know-hows hat der Agrarlebensmittelsektor der EU auf dem Weltmarkt eine überzeugende Karte auf der Hand. Ich stimme zu, dass wir in diese Karte investieren müssen. In diesem Zusammenhang hat eine konsequente Marktausrichtung der Reformen der GAP in den letzten zwei Jahrzehnten dazu beigetragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors zu verbessern, indem Landwirte ermutigt werden, sich an Marktlösungen anzupassen. Gleichzeitig sollte jedoch die Vielfalt der Landwirtschaft der 27 Mitgliedstaaten der EU in vollem Umfang gewürdigt werden. Wenn die EU die Zukunft ihrer landwirtschaftlichen Flächen langfristig in einer räumlich und ökologisch ausgewogenen Weise sichern soll, müssen wir dies respektieren.

Wir müssen auch verstehen, dass nicht erwartet werden kann, dass besonders sensible Sektoren einen übermäßigen Grad an zusätzlichen Einfuhren verkraften, die weiteren Druck auf die durchschnittlichen Preise und die durchschnittliche Produktion im Inland ausüben würden. Die eigentliche Herausforderung bei Verhandlungen über multi- oder bilaterale Handelsabkommen mit Auswirkungen auf die EU-Landwirtschaft besteht deshalb darin, das richtige Gleichgewicht zwischen unseren offensiven und unseren defensiven Agrarinteressen sowie zwischen unserer Landwirtschaft und anderen Bereichen unserer Handelsverhandlungen zu finden.

Die Kommission ist sich dessen sehr bewusst und wird dieses Ziel weiterhin in enger Zusammenarbeit mit dem Parlament verfolgen. Deshalb möchte ich, dass das Parlament uns dabei hilft, das richtige Gleichgewicht herzustellen und das richtige Signal an die restliche Welt zu senden.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 8. März, mittags statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Liam Aylward (ALDE), schriftlich.(GA) Im Büro der Europäischen Kommission in Dublin protestieren mehr als 30 Landwirte in Form eines Sit-ins, um ihrer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass die Interessen des EU-Agrarsektors des Handels willen geopfert werden. Es muss sichergestellt werden, dass Landwirten des Handels willen nicht Unrecht getan wird oder dass sie bei Handelsverhandlungen nicht als Tauschobjekt verwendet werden.

In diesem Zusammenhang begrüße ich diesen eindringlichen und zeitgemäßen Bericht und die darin enthaltene Kritik an der Kapitulation der Kommission in Bezug auf landwirtschaftliche Angelegenheiten, um besseren Zugang zu neuen Märkten zu erhalten. Für die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des EU-Agrarsektors ist es entscheidend, neue Märkte für die qualitativ hochwertigen Güter der EU zu finden. Diese Vereinbarungen müssen jedoch zu Gunsten des EU-Agrarsektors sein und nicht zu dessen Ungunsten, wie es beim Handelsabkommen mit dem Mercosur der Fall sein könnte.

Irische landwirtschaftliche Erzeugnisse sind von hoher Qualität und folglich sehr beliebt; aber die irischen Landwirte werden nicht wie bisher weitermachen können, wenn billigere Erzeugnisse von geringerer Qualität in der EU verkauft werden dürfen.

 
  
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  Spyros Danellis (S&D), schriftlich.(EL) Wir stehen heute einem weiteren Versuch gegenüber, den verhältnismäßigen (auf Folgenabschätzungen basierenden) und wissenschaftlich fundierten Ansatz bezüglich der heiklen und wichtigen Frage der öffentlichen Gesundheit, nämlich der Regelung von Tabakerzeugnissen, zu missachten. Die brasilianische Regierung ist dabei, Rechtsvorschriften durchzusetzen, die das völlige Verbot der Herstellung und des Verkaufs von Zigaretten mit verschiedenen Inhaltsstoffen, bekannt als Tabakmischungen, vorsehen. Diese Rechtsvorschriften werden durchgesetzt, ohne jeglichen Beweis dafür zu liefern, dass diese Zigaretten für junge Menschen attraktiver sind als Zigaretten der Sorte „Virginia“. Ein derartiger Schritt würde Herstellern und Exporteuren der Tabaksorten „Orient“ und „Burley“, die in der EU hergestellt werden, schaden und gleichzeitig die Konkurrenz für Zigaretten und Tabak der Sorte „Virginia“, deren weltweit wichtigster Hersteller und Exporteur Brasilien ist, vernichten. Aus diesem Grund wird die Europäische Kommission aufgefordert, dieses Thema, bezüglich der Absichten Brasiliens, bei der nächsten Sitzung des WTO-Ausschusses für technische Handelshemmnisse am 24. und 25. März 2011 zur Sprache zu bringen.

 
  
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  Alajos Mészáros (PPE), schriftlich.(HU) Betreffend die Landwirtschaft der EU und den internationalen Handel: Da die Landwirtschaft nicht bloß eine Wirtschaftstätigkeit ist und die Agrar- und Lebensmittelpolitik grundlegende Ziele wie Lebenssmittelsicherheit und -versorgung verfolgen muss, besteht die wichtigste Herausforderung in der wirkungsvollen Abstimmung kommerzieller und nicht kommerzieller Überlegungen. Die EU ist der größte Importeur landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus den Entwicklungsländern und importiert mehr als die USA, Japan, Kanada, Australien und Neuseeland zusammengenommen. Diesen Ländern einen verbesserten Marktzugang zu gewähren, könnte nachteilige Auswirkungen haben, nicht nur auf die europäischen Agrarerzeuger, sondern auch auf die bedürftigsten Entwicklungsländer. Genau deshalb muss die EU bei ihren Handelsverhandlungen eine zwischen den verschiedenen Sektoren ausgewogenere Herangehensweise anwenden und sowohl ihre defensiven als auch offensiven Agrarinteressen voranbringen. Der Agrarsektor der Europäischen Union spielt in der Strategie Europa 2020 eine wesentliche Rolle hinsichtlich diverser sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen. Die Handelspolitik der EU spielt eine wichtige und entscheidende Rolle dabei, es der Landwirtschaft zu ermöglichen, weiterhin einen positiven Beitrag zur Erreichung von Zielen zu leisten. Ich stimme zu, dass die Handelspolitik die Dynamik des EU-Agrarsektors nicht behindern darf; im Gegenteil, Handelspolitik und Agrarpolitik müssen sich gegenseitig unterstützen.

 

27. Das Proteindefizit in der EU (kurze Darstellung)
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  Der Präsident. – Der nächste Punkt ist der Bericht von Herrn Häusling, in Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, über das Thema „Das Proteindefizit in der EU: Wie lässt sich das seit langem bestehende Problem lösen?“ (2009/2236(INI)) (A7-0026/2011).

 
  
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  Martin Häusling, Berichterstatter. − Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zunächst bei den Schattenberichterstattern recht herzlich für die kollegiale Zusammenarbeit bei diesem Bericht bedanken. Es ist ein sehr ambitionierter Bericht geworden. Ich möchte kurz auf die Punkte eingehen, die wichtig sind, aber ich will auch die kontroversen Punkte nicht verschweigen.

Wir haben eine riesige Eiweißlücke in der Europäischen Union: 80 % unseres Eiweißpflanzenbedarfs werden importiert und die Tendenz ist leider steigend. Das bedeutet, dass wir ungefähr 20 Millionen Hektar Fläche in anderen Ländern nutzen bzw. 10 % unserer Fläche sozusagen in andere Länder verlagern, um darauf Eiweißpflanzen anzubauen. Ein Grund dafür ist das Anfang der 90er Jahre geschlossene Blair-House-Abkommen, unter dem die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Eiweißpflanzen stark gelitten hat. Das ist der Grund dafür, dass billiges Soja unseren Markt überschwemmt hat. Der Eiweißpflanzenrückgang in der Europäischen Union betrug bei Hülsenfrüchten 30 %, und es werden nur noch auf 3 % der europäischen Fläche überhaupt Eiweißpflanzen angebaut, in Deutschland ist es sogar nur 1 %.

Die Produktion in Europa ist an einem kritischen Punkt angekommen, wobei Forschung und Entwicklung gerade bei europäischen Eiweißpflanzen gefährdet sind. Es sind politische Maßnahmen erforderlich, um den Eiweißpflanzenanbau in Europa wieder zu fördern, sonst kommen wir unter einen Schwellenwert, bei dem letztendlich der gesamte Eiweißpflanzenanbau in Europa gefährdet ist. Damit verlieren wir auch die positiven Wirkungen der Eiweißpflanzen, gerade bei der Gestaltung sinnvoller Fruchtfolgen in der Landwirtschaft.

Es gibt riesige Potenziale für den europäischen Eiweißpflanzenanbau. Wir haben als einen Punkt angeführt, dass faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden müssen, d. h. das Blair-House-Abkommen müsste in Frage gestellt und letztendlich abgeschafft werden.

Wichtig ist für uns aber vor allem, dass der Eiweißpflanzenanbau in Zukunft bei der Neugestaltung der europäischen Agrarpolitik eine wichtige, zentrale Rolle spielt, weil er viele Vorteile im Sinne der Neugestaltung der Agrarpolitik bietet. Er ist wichtig für den Wasser- und den Klimaschutz und für die Biodiversität. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Der Leguminosenanbau hat eine große Bedeutung für die Bindung von CO2. Er kann den Import bzw. den Einsatz von mineralischem Stickstoff minimieren. Deshalb wollen wir, dass der Leguminosenanbau ein fester Bestandteil zukünftiger Fruchtfolgen in der Gemeinsamen Agrarpolitik und auch in der ersten Säule verankert wird.

Wichtig ist uns aber auch eine Verringerung der Importabhängigkeit und damit letztlich die Sicherstellung der europäischen Fleischherstellung ohne Importe. Europa ist bei den Importen weltweit an die zweite Stelle gerückt. An erster Stelle liegt China, das heute mehr Eiweiß importiert als die Europäische Union. Wir haben also einen Konkurrenten in diesem Bereich.

Wenn wir dies nun als zentrales Ziel benennen, müssen wir uns jedoch darüber im Klaren sein, dass bestimmte Punkte in Frage zu stellen sind, die in der Abstimmung in den Bericht aufgenommen wurden, nämlich dass wir Importerleichterungen für Soja schaffen, indem wir die Nulltoleranz in Frage stellen. Das gehört nicht in diesen Bericht, und es ist sogar kontraproduktiv, diesen Punkt in diesen Bericht aufzunehmen! Es geht ja um die Förderung des europäischen Eiweißpflanzenanbaus und nicht um die Erleichterung von Importen. Das muss allen klar sein.

Wenn wir es mit diesem Bericht ernst meinen, dann müssen wir konsequent so abstimmen, dass diese Punkte nicht in dem Bericht bleiben, ansonsten hätte ich – das gebe ich hier offen zu – ein Problem damit, dass dieser Bericht meinen Namen trägt.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE). – Herr Präsident, ich möchte nur unserem Berichterstatter sagen, dass dies eine sehr gute Arbeit und ein überaus lesenswerter Bericht ist, weil er unsere Abhängigkeit von einem für unseren Proteinbedarf eingeführten Erzeugnis hervorhebt. Meiner Meinung nach ist die Betonung, die Sie auf unsere Situation im Hinblick auf China legen, wirklich wichtig, weil wir dies aus der Sicht der Ernährungssicherheit betrachten müssen.

Es gibt zwei spezielle Aspekte, auf die ich aufmerksam machen möchte. Ich verstehe Ihre Empfindlichkeit in Bezug auf den Punkt der genetisch veränderten Organismen (GVO) in diesem Bericht; aber bezogen auf das Hier und Jetzt ist dieses Thema des zufälligen Vorhandenseins nicht zugelassener GVO für Viehzüchter in der Europäischen Union von Bedeutung. Wir müssen eine technische Lösung finden, und ich glaube, dass wir uns mit den jüngsten Entwicklungen in diese Richtung bewegen.

Meiner Meinung nach ist Absatz 12, über verarbeitete tierische Proteine, ebenfalls sehr wichtig, solange wir die diesbezüglichen Regeln anwenden. Dies aber ist eines der Probleme, die wir in der Europäischen Union haben, wo bestimmte tierische Proteine aus der Kette ausgeschlossen wurden – aus sehr guten Gründen betreffend die Gesundheit von Mensch und Tier – und es daher eine Knappheit gibt.

Ich begrüße diesen Bericht, und ich glaube, dass er eines der wichtigsten Probleme für Europa bei der Deckung seines Tierfutterbedarfs für den Viehsektor hervorhebt.

 
  
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  Marc Tarabella (S&D).(FR) Herr Präsident, ich möchte ebenfalls zuerst Martin Häusling für seinen wichtigen Bericht danken und loben, obwohl ich von der endgültigen Fassung enttäuscht bin. Dies liegt jedoch nicht an ihm. Deshalb habe ich mich, wie er, bei der Schlussabstimmung im Ausschuss der Stimme enthalten.

Zunächst einmal bedauere ich es, dass der Inhalt des Berichts durch die Einbeziehung des Themas der Nulltoleranz verzerrt worden ist. Die Forderung, die Regeln für die Einfuhr nicht zugelassener GVO zu lockern, löst das Problem des Proteindefizits in der EU nicht und hätte deshalb an dieser Stelle nicht eingebracht werden sollen.

Zweitens ist es absolut wichtig, dass wir den beträchtlichen Rückgang des Eiweißpflanzenanbaus in der EU stoppen und dass wir unsere bereits besorgniserregende Abhängigkeit von eingeführten Pflanzeneiweißen reduzieren. Ich möchte auch die Blair-House-Abkommen infrage stellen, deren marktorientierten Ziele zu extremen Preisschwankungen beigetragen haben. Des Weiteren stehen diese Abkommen im völligen Widerspruch zum Kyoto-Protokoll und dessen Zielen in Bezug auf die globale Erwärmung.

Zu guter Letzt müssen wir in Zukunft als Teil unseres umsichtigen und verantwortungsvollen Bodennutzungsmanagements Eiweißpflanzen in die Fruchtfolge aufnehmen.

 
  
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  João Ferreira (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident, das Defizit an pflanzlichen Eiweißen aus Eiweißpflanzen in Europa ist ein weiteres Beispiel für die durch die gegenwärtige Agrar- und Handelspolitik geschaffenen Ungleichheiten. Diese Abhängigkeit hat unmittelbare Folgen für die Sicherheit und Qualität der Nahrungsmittelversorgung der Europäerinnen und Europäer und führt zu einer in besorgniserregendem Maße steigenden Anfälligkeit von Viehzüchtern für Preisschwankungen von Futtermitteln. Wir müssen eine Reihe von Maßnahmen verabschieden, die Anreize für die Erzeugung von Eiweißpflanzen bieten und vor allem die lokale Erzeugung mit kurzen Lieferketten fördern, um das gegenwärtige Defizit zu überwinden und die Einfuhren schrittweise zu reduzieren.

Diese Maßnahmen könnten die spezifische Unterstützung für, unter anderem, Fruchtfolgesysteme, landwirtschaftliche Beratungsdienste sowie Forschung und Entwicklung umfassen. Dieses Problem kann aber kein Vorwand dafür sein, weitere, größere zu schaffen. Es rechtfertigt daher weder eine Lockerung der Anwendung des Vorsorgeprinzips oder der Nulltoleranz des Vorhandenseins von genetisch veränderten Organismen noch ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Diane Dodds (NI). – Herr Präsident, ich möchte dem Berichterstatter für den Bericht danken.

Steigende Futtermittelpreise und von anderen Ländern auferlegte Einfuhrverbote haben deutlich gemacht, wie ungeschützt die EU in Bezug auf die Versorgung mit Futtermitteln eigentlich ist. Die Eiweißversorgung ist für den Viehsektor und dessen Rentabilität am wichtigsten. Die Landwirte in diesem Sektor in meinem Wahlkreis befinden sich derzeit in sehr großen Schwierigkeiten, vor allem die im Schweinesektor.

Ich möchte trotz der Vorbehalte des Berichterstatters auch sagen dürfen, dass sich Europa meiner Meinung nach in Bezug auf die Nulltoleranz einer Lösung nähern muss. Erst letzte Woche sprach ich mit Menschen in meinem Wahlkreis zu Hause, die tatsächlich Importeure von Futtermitteln sind. Sie sagten, dass die jüngsten Schritte lediglich politisches Kopfnicken sind und weder eine langfristige Lösung bieten noch bieten werden, und wir müssen uns in Bezug auf die Nulltoleranz wirklich einer Lösung nähern.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Michel Dantin (PPE).(FR) Herr Präsident, als Schattenberichterstatter für meine Fraktion möchte auch ich dem Berichterstatter für die Voraussetzungen danken, unter denen wir mit ihm bezüglich dieser Angelegenheit zusammenarbeiten konnten.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass dies zurzeit eine wirklich strategische Angelegenheit ist. China ist bereits erwähnt worden. Ich möchte zur Veranschaulichung eine Zahl nennen. Im Jahr 2010 kauften die Chinesen 49 % des in Verkehr gebrachten Sojamehls. Die Prognose für 2011 ist, dass dieselben Verbraucher 57 % der in Verkehr gebrachten Gesamtmenge kaufen werden.

Daher geht es hierbei mittelfristig wirklich um europäische Unabhängigkeit. Stellen Sie sich einen Moment lang vor, einige Regionen mit sehr intensiver Landwirtschaft hätten eine Woche lang kein importiertes Soja: was würde passieren? Wir müssen diese Kulturpflanzen in unserer Region dringend wieder fördern.

Mein Land hat 2010 eine Maßnahme im Rahmen von Artikel 68 eingeführt. Diese Maßnahme zeigte, dass die Erzeugung an Strategien angepasst werden kann.

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (S&D).(HU) Herr Präsident, ich möchte Herrn Häusling, dem Vertreter der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament und der Person, die die Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit formuliert hat, gratulieren und ihm für seine hervorragende Zusammenarbeit danken. Der Bericht demonstriert in treffender Weise, dass die Zukunft der europäischen Viehzucht durch die aktuelle Eiweißknappheit gefährdet ist – ohne wirkliche Chance für einen Durchbruch; weder unsere klimatischen Bedingungen noch das Subventionssystem der Gemeinsamen Agrarpolitik bieten einen Anreiz für den Anbau von Hülsenfrüchten. Ich möchte die Aufmerksamkeit von Kommissarin Damanaki auf einen sehr wichtigen Aspekt lenken. Die Europäische Kommission muss das Verbot der Verfütterung tierischer Eiweiße an Nichtwiederkäuer, Geflügel und Schweine unverzüglich aufheben. Es gibt keinen einzigen Anhaltspunkt für die Durchsetzung dieses Verbots für Nichtwiederkäuer ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE). (PL) Die unbedachte Agrarpolitik der Europäischen Union hat zu einer Situation geführt, in der die Erzeugung eiweißreicher Pflanzen für europäische Landwirte nicht länger wirtschaftlich rentabel ist. Die Eiweißknappheit hat gezeigt, dass die Politik der Europäischen Union bezüglich der Öffnung unserer Märkte für Agrareinfuhren überdacht werden sollte. Auf den europäischen Märkten findet sich heute zum Beispiel Soja, das fast gänzlich aus Argentinien, Brasilien, den USA oder den asiatischen Märkten eingeführt wird. Soja ist genetisch verändert; daher ist dessen Erzeugung relativ billig. Ein separates Thema ist die Frage der Zulassung der landwirtschaftlichen Erzeugung genetisch veränderter Erzeugnisse auf dem europäischen Markt. Wir sind diesbezüglich zweifellos inkonsequent. Wir führen eine Aussprache darüber, ob GVO-Erzeugnisse in der Europäischen Union zugelassen oder verboten werden sollen, und gleichzeitig ignorieren wir die Tatsache, dass genetisch verändertes Soja für die Futtermittelproduktion aus anderen Ländern eingeführt wird und dass wir es schließlich indirekt zu uns nehmen.

 
  
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  Åsa Westlund (S&D).(SV) Herr Präsident, ich möchte dem Berichterstatter für einen sehr gut geschriebenen Bericht danken – weitaus besser geschrieben als vieles, über das wir in diesem Plenarsaal abstimmen. Ich stimme ebenfalls zu, dass der Text bezüglich der GVO und Nulltoleranz in diesem Bericht sehr unglücklich ist. Er läuft dem Bericht als Ganzes zuwider, ist aber natürlich auch an sich sehr unglücklich.

Ich möchte auch die positiven Auswirkungen auf das Klima hervorheben, die der Anbau von mehr Eiweißpflanzen in der EU mit sich bringen würde. Es gibt Gründe dafür, dies zu tun. Es gibt jedoch auch ein sehr großes Problem, das in diesem Bericht nicht geklärt wird, nämlich die Tatsache, dass wir immer mehr Fleisch essen. Je mehr Geld wir haben, umso mehr Fleisch essen wir, umso größer sind die Auswirkungen auf das Klima und umso mehr Eiweißpflanzen werden benötigt. Was unternehmen wir bezüglich dieses großen Problems, das der Kernpunkt dieser ganzen Debatte ist? Dies ist eine Frage für die Zukunft, sowohl für uns als auch für die Europäische Kommission.

 
  
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  Seán Kelly (PPE).(GA) Herr Präsident, zunächst einmal möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Häusling, dafür danken, dass er uns dieses wichtige Thema vorlegt. Eigentlich ist dies so etwas wie ein Skandal, weil ein Rückgang der Menge an Eiweiß in der Europäischen Union nicht richtig ist.

Für mich war es ein riesiger Schock, zu realisieren, dass wir davon abhängig sind, 80 % unseres Eiweißverbrauchs einzuführen. Wie ist dies in einer Europäischen Union möglich, die die Erzeugung landwirtschaftlicher Güter, sowohl Kulturpflanzen als auch Rinder und andere Nutztiere, so fördert? Der Berichterstatter erwähnt zwei sehr wichtige Dinge; eines davon ist die Fruchtfolge. Dies ist einfacher gesagt als getan, und es muss natürlich der Markt vorhanden sein, um Landwirte zu ermutigen, ihre Verfahrensweisen zu ändern. Zweitens würde ich auch sagen, dass dieses Thema als Zielvorgabe in die GAP-Reform, die in Kürze bevorsteht, aufgenommen werden sollte, sodass wir in Bezug auf die Eiweißerzeugung eigenständig sind.

 
  
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  Maria Damanaki, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, eine zuverlässige und nachhaltige Eiweißversorgung ist für den Viehsektor der EU wirklich entscheidend. Daher möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Häusling, und den Mitgliedern des Ausschusses für Landwirtschaft dafür danken, dass dieses wichtige Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden ist.

Ihr Bericht ist ein willkommener Beitrag zur Diskussion über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik bis 2020. Wie Sie wissen, beabsichtigt die Kommission, im Herbst Legislativvorschläge vorzulegen.

Ich möchte unterstreichen, dass die einheimische Eiweißerzeugung mit der Zunahme der Nebenprodukte aus der Biokraftstofferzeugung gestiegen ist. Die Erzeugung von Rapsschrot und Ethanol-Nebenprodukten ist deutlich gestiegen. Im Vergleich zu 12 % vor fünf Jahren stellen sie jetzt 22 % des EU-Verbrauchs an eiweißhaltigen Futtermittelbestandteilen dar.

Die Unterstützung für Landwirte, die Fruchtfolgesysteme mit Hülsenfrüchten anwenden, ist eine der Hauptgedanken in Ihrem Bericht. Wie Sie wissen, ist die Fruchtfolge eines der zur Diskussion stehenden Elemente für die Ökologisierung der Direktzahlungen.

Ich begrüße daher Ihre Unterstützung für die Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit des Ackerbaus. Ich sehe weitere Möglichkeiten zur Erschließung von Synergien, beispielsweise mit dem integrierten Pflanzenschutz. Eine Ökologisierung der Direktzahlungen sollte jedoch nicht die Entkoppelung der Direktzahlungen von der Erfordernis, eine spezifische Kulturpflanze zu erzeugen, gefährden.

Dieser Gedanke ist für die durch die letzten Reformen erzielte Marktorientierung wesentlich. Lassen Sie mich betonen, dass mehrere Mitgliedstaaten gegenwärtig die Möglichkeit nutzen, einen Teil der direkten Beihilfen an Umweltziele zu koppeln, um Eiweißpflanzen zu fördern.

Ich möchte außerdem unterstreichen, dass eine signifikante Zunahme an Hülsenfrüchten und Sojabohnen in der EU wahrscheinlich eine Minderung der Erzeugung von Getreide implizieren würde, weil in Europa nur begrenzt Land zur Verfügung steht.

Schließlich möchte ich zwei weitere Bereiche nennen, in denen EU-Politik einen Beitrag leisten kann: Forschung und Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums. Beide können ihren Teil dazu beitragen, unsere diversen Eiweißquellen bestmöglich zu nutzen. Sie können beispielsweise durch nützliche Schulungen zur besten Nutzung von Eiweißpflanzen und zu optimalen Fütterungsverfahren helfen. Sie können auch durch die Entwicklung neuer Pflanzensorten helfen.

Abschließend begrüßt die Kommission Ihre Ideen im Hinblick auf die Vorbereitung der überarbeiteten Vorschläge. Wir müssen uns jedoch über etwas im Klaren sein. Fruchtfolge oder Anreize durch Forschung und Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums können helfen. Natürlich können sie helfen. Aber die EU wird von der Einfuhr von Eiweißen abhängig bleiben.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 8. März, mittags statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Jarosław Kalinowski (PPE), schriftlich.(PL) Die Politik in Bezug auf den Anbau eiweißreicher Pflanzen und die Herstellung von Futtermitteln in der EU muss überprüft werden. Derzeit sind die für die Handelspolitik bezüglich der Einfuhr von Futtermitteln aus den USA getroffenen Vereinbarungen ebenfalls nicht zufriedenstellend. Die räumlichen und klimatischen Bedingungen ermöglichen eine Änderung in der Struktur der Erzeugung eiweißreicher Pflanzen in der Europäischen Union, und dies wäre sogar im Hinblick auf die biologische Vielfalt und als Maßnahme gegen den Klimawandel ratsam. Aus anderen Ländern eingeführte Futtermittel unterliegen nicht so strengen Kontrollen wie europäische Futtermittel, sodass wir uns ihrer Qualität nicht 100%ig sicher sein können. Wir wissen nicht mit Sicherheit, woher die darin enthaltenen Rohstoffe stammen. Aus diesem Grund sollten wir sofortige Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu ändern, oder unsere Versprechen in Bezug auf gesunde und sichere europäische Lebensmittel höchster Qualität werden hohl klingen.

Eine andere Lösung für das Problem der Eiweißknappheit in der EU wäre die Lockerung von Regelungen, die die Fütterung von Tieren mit Fleisch- und Knochenmehl verbieten. Im Fall von Geflügel und Schweinen ist kein Beweis für die Gefahr irgendeiner Krankheit erbracht worden, die sich als Folge dieser Futtermittelart verbreitet. Durch die Möglichkeit, dieses Mehl in der Tierhaltung einzusetzen, werden Kosten reduziert, was angesichts des Rückgangs der Rentabilität der Fleischerzeugung äußerst bedeutend ist. Hierdurch könnten auch die Einfuhren eiweißreicher Futtermittel aus Amerika reduziert werden.

 
  
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  Elisabeth Köstinger (PPE), schriftlich. – Die EU ist nicht in der Lage die benötigten Futtermittel selbst bereit zu stellen und macht sich von Drittländern abhängig. Nur 30 % der zur Tierfütterung benötigten, eiweißreichen Pflanzen werden in der EU produziert. Die Auswirkungen der Abhängigkeit bekommen unsere Landwirte zu spüren, einerseits durch enorme Preisschwankungen und andererseits durch mangelnde Nachvollziehbarkeit bei den importierten Produkten. Ich begrüße die Forderungen, dass der Anbau von Eiweißpflanzen in der EU-Landwirtschaft wieder verstärkt gefördert wird. Europa muss in der Futtermittelbeschaffung einen konsequenten und selbständigen Weg einschlagen. In der gesamten Futtermittelthematik fordere ich aber mehr Ehrlichkeit und Sachlichkeit - beim Umgang mit GVO und beim Verbot der Verwendung von tierischem Eiweiß braucht es neue wissenschaftliche Beurteilungen. Die Landwirtschaft darf nicht dem Populismus ausgeliefert sein, denn in diesem Arbeitsfeld wird täglich mit großem Einsatz und höchster Verantwortung für die Lebensmittelversorgung der EU gesorgt. Den Landwirten müssen wir die besten Rahmenbedingungen schaffen. Für mehr Nachvollziehbarkeit benötigt es ein verbessertes Kennzeichnungssystem. Klar ist für mich, dass jeder Mitgliedsstaat selbst entscheiden soll, ob er Gentechnik im Anbau haben will - die österreichischen Landwirte wollen keine Gentechnik auf ihren Feldern. Langfristig kann man die Abhängigkeit nur begrenzen, wenn in der Agrarpolitik der Fokus verstärkt auf regionale Wirtschaftskreisläufe mit einer nachhaltigen Produktion, kurzen Transportwegen und hoher Eigenvermarktung gelegt wird.

 
  
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  Rareş-Lucian Niculescu (PPE), schriftlich.(RO) Der Bericht hebt sowohl die starke Abhängigkeit der EU von Eiweißeinfuhren aus Drittländern als auch die Notwendigkeit hervor, Maßnahmen zu verabschieden, die ein höheres Maß an Autonomie in diesem Bereich sicherstellen werden. Die Vereinfachung des Prozesses für die Zulassung des Anbaus von genetisch verändertem Soja im Hoheitsgebiet europäischer Staaten würde eine Lösung dieses Problems darstellen, nebst einer wichtigen Einkommensquelle für die europäische Landwirtschaft, die von der Finanzkrise hart getroffen ist. Innerhalb des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen neuen Gesetzgebungsrahmens bezüglich des Rechts der Mitgliedstaaten, den Anbau von GVO in ihrem eigenen Hoheitsgebiet durch die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zu verbieten, könnten europäische Staaten individuell darüber entscheiden, ob sie dieses Produkt anbauen möchten oder nicht.

 
  
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  Pavel Poc (S&D), schriftlich.(CS) Jede Art von Lebensmittelabhängigkeit bringt die EU in eine sehr angreifbare Position. Im Fall der Eiweißpflanzenerzeugung gibt es gleichzeitig eine Reihe wirtschaftlicher, ökologischer und landwirtschaftlicher Vorteile. Die Verringerung des Fleischverzehrs und die Erhöhung des Anteils pflanzlicher Eiweiße in unserer Ernährung haben sowohl auf die Umwelt als auf die menschliche Gesundheit positive Auswirkungen. Die übermäßige Einfuhr von Eiweißpflanzen und ihren Derivaten destabilisiert die europäische Landwirtschaft, hat Auswirkungen auf kleine und mittlere landwirtschaftliche Erzeuger und trägt zudem zu Preisschwankungen bei. Das geringe Volumen der einheimischen Erzeugung von Eiweißpflanzen beschränkt Forschungsaktivitäten, die Versorgung mit Saatgut sowie die Kenntnisse nachhaltiger Technologien, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von Hülsenfrüchten in der Fruchtfolge und eine angemessene Nutzung des Grünlands. Es ist notwendig, mehrere Schlüsselmaßnahmen zu verabschieden. Die Kommission sollte einen Bericht über die Möglichkeiten für die Erhöhung der einheimischen Eiweißpflanzenerzeugung ausarbeiten, die Forschung in Bezug auf Eiweißpflanzen und deren Verbesserung und Anbau in der EU unterstützen, und Eiweißpflanzen sollten im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums als hochwertige Futtermittelquelle gefördert werden. Es ist notwendig, einen Mechanismus zur Überwachung des Ursprungs eingeführter Eiweißpflanzen einzuführen, dessen Fokus auf der Nachhaltigkeit der im Ursprungsland angewandten landwirtschaftlichen Verfahren liegt. Die Kommission wird aufgefordert, auf Anreizen basierende Maßnahmen zur Förderung der Bewirtschaftung brachliegender Flächen vorzubringen, wodurch erheblich zur Verringerung des Proteindefizits in der EU beigetragen werden könnte. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel, der Bodenfruchtbarkeit, dem Wasserschutz und der biologischen Vielfalt sollte die Eiweißpflanzenerzeugung in der Europäischen Union erhöht werden und gezielte Unterstützung erhalten.

 

28. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
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29. Schluss der Sitzung
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  Der Präsident. – Ich möchte sagen, dass, weil morgen Internationaler Frauentag ist, den ganzen Tag lang nur Frauen den Vorsitz haben werden. Daher wird morgen zweifellos ein sehr angenehmer Tag, weil sie in der Regel darin weit besser sind als wir.

 

30. Schließung der jährlichen Sitzungsperiode
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  Der Präsident. – Ich erkläre die Sitzungsperiode 2010–2011 des Europäischen Parlaments für geschlossen.

(Die Sitzung wird um 23.30 Uhr geschlossen.)

 
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