Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sechs Entschließungsanträge zu Pakistan – Ermordung von Shahbaz Bhatti, Minister für Minderheiten(1).
Jean Lambert, Verfasserin. – Herr Präsident, ich glaube, wir waren alle zutiefst schockiert und entsetzt über die Ermordung von Minister Shahbaz Bhatti, nicht zuletzt weil er hier in diesem Parlament bekannt war, – er war hier zu Besuch und hat viele von uns getroffen –, aber auch, weil dies ein weiterer äußerst symbolischer Mord war, bei dem ein Mann umgekommen ist, der auf Aussöhnung aus war und mit allen Minderheiten in Pakistan zusammengearbeitet hat.
Wir sollten auch nicht nur seiner Familie unser Beileid ausdrücken, sondern allen Familien derer, die bei Terroranschlägen in Pakistan umgekommen sind. Diese Woche hat es zwei solche Anschläge gegeben, bei denen mehr Menschen umgekommen und verletzt worden sind als zum Beispiel bei den Bombenanschlägen in London.
Die gesamte Bevölkerung leidet und durch deren Einschüchterung wird die Demokratie in Pakistan untergraben. Man kann bereits demografische Veränderungen in bestimmten Wahlkreisen, wie beispielsweise Quetta, feststellen, wo die Menschen eingeschüchtert und dadurch vertrieben werden.
Unsere Entschließung ist wichtig, wenn wir die begonnene Arbeit fortsetzen und unterstützen wollen, sie ist wichtig für Toleranz und gegenseitiges Verständnis. Ich stelle fest, dass dies auch in der Europäischen Union notwendig ist, wo gewisse Stellungnahmen von Ministern dies meiner Ansicht nach nicht unterstützt haben. Wir erwarten also die Übernahme einer Führungsrolle in Pakistan und in der Europäischen Union.
Marietje Schaake, Verfasserin. – Herr Präsident, trotz des Ersuchens des pakistanischen Ministers für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, um mehr Schutz nach zahlreichen Drohungen hat es ein Attentäter geschafft, den Minister am 2. März umzubringen. Unser Mitgefühl gilt nicht nur seinen Angehörigen, sondern allen Pakistanern, die nach einer toleranteren Gesellschaft trachten. Dies ist ein schwerer Stoß für Pakistan und für die gesamte Menschheit.
Warum hat die pakistanische Regierung dem Minister einen kugelsicheren Dienstwagen verweigert sowie seine Bitte, sich vertrauenswürdige Leibwächter selbst aussuchen zu dürfen, abgelehnt? Durch seine Forderung nach einer Reform der unmenschlichen Blasphemiegesetze wurde er zum Menschenrechtsaktivist.
Ebenso möchten wir der Arbeit von Naeem Sabir Jamaldinis, dem Koordinator der Menschenrechtskommission in Pakistan, Tribut zollen, der am 1. März ermordet wurde.
Wir brauchen praktische Maßnahmen wie z. B. Untersuchungen, auch innerhalb der Regierung. Diese müssen nach internationalen Normen durchgeführt werden, denn die Straflosigkeit muss ein Ende haben. Die Europäische Union sollte die Lage überwachen und versuchen, durch das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte eine Zivilgesellschaft zu gründen.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Verfasserin. – (PL) Herr Präsident, in den letzten 10 Monaten hat das Europäische Parlament insgesamt drei Entschließungen zur Religionsfreiheit in der Islamischen Republik Pakistan angenommen.
Im Mai 2010 haben wir hier in Straßburg im Beisein des Ministers für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, über dieses Thema gesprochen. Heute diskutieren wir in diesem Parlament über die Umstände seines Todes. Der Mord an einem hochrangigen Staatsbeamten, der sich am 2. März ereignete, bedeutet nur eins: In Pakistan ist niemand vor den radikalen Islamisten sicher. In Gefahr sind nicht nur diejenigen, die das archaische Gesetz kritisieren, nach dem auf Gotteslästerung die Todesstrafe steht, sondern auch wer öffentlich für die Opfer von Intoleranz eintritt, wie Herr Bhatti.
Nach 10 Monaten ist erkennbar, dass die gegenwärtige Politik der Europäischen Union gegenüber Pakistan nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Daher unterstütze ich den Vorschlag unserer Entschließung, Rundtischgespräche zur Lage der Minderheiten in Pakistan abzuhalten. Ich glaube, dass der neu gegründete Europäische Auswärtige Dienst deutlich auf die Ereignisse in Islamabad reagieren muss, bevor noch mehr Menschen Morden zum Opfer fallen und bevor es zu spät ist.
Eija-Riitta Korhola, Verfasserin. – (FI) Herr Präsident, Shahbaz Bhatti und seine ganze Familie sind ein erstaunliches Beispiel dafür, was mutige, aufrechte Menschen mit hohen Grundsätzen erreichen können. Nach nur sechs Monaten Amtszeit hatte er es erreicht, dass das pakistanische Parlament eine bedeutende Reform verabschiedete, mit der den Minderheiten des Landes eine 5-%-Quote für Positionen im öffentlichen Dienst zugesichert wurde. Dies war nur eine der zahlreichen demokratischen Reformen, die Bhatti vorangebracht hat und auf die die pakistanische Regierung sehr stolz sein sollte.
Seine bedeutendste Errungenschaft ist wahrscheinlich der „Dialog der Harmonie zwischen den Religionen“, der auf lokaler Ebene begann und darauf abzielte, Spannungen abzubauen und die Probleme in Angriff zu nehmen, die die Ursache des Terrorismus darstellen. Für mich war diese Idee nobelpreisverdächtig, und ich hoffe, dass die Arbeit der Förderung von Menschenrechten und Demokratie in Pakistan nicht aufhören wird, auch wenn extremistische Elemente einen einstweiligen Sieg errungen haben, indem sie sich des gewieftesten Menschenrechtsaktivisten des Landes entledigten. Wenn der Dialog in einem Land, das ein Zentrum des radikalen Islams darstellt, gelingt, werden seine positiven Auswirkungen in die ganze Welt ausstrahlen.
Ich habe Herrn Bhatti vor nur etwa einem Monat getroffen. Wir sprachen über seinen möglichen Tod. Er war nicht naiv. Er wusste sehr wohl, wohin Mut führen kann. „Ich werde nicht mehr allzu lange leben“, sagte er, „aber in dieser Zeit werde ich noch versuchen, so viele ungerechte Gesetze zu ändern, wie ich kann. Ich werde sterben, aber die Gesetze werden bleiben und sich auf das Leben von Millionen von Menschen auswirken.“
(Beifall)
Peter van Dalen, Verfasser. – (NL) Herr Präsident, ich fürchte die Lage in Pakistan ist dabei sich zu verschlimmern. Es scheint Anschlag auf Anschlag zu folgen, und die Regierung scheint den Willen, einzugreifen, verloren zu haben. Im Januar wurde Gouverneur Taseer umgebracht und letzte Woche wurde der einzige christliche Bundesminister, Herr Bhatti, ebenfalls ermordet. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten halten den Kontakt mit Pakistan auf vielerlei Art und Weise aufrecht. Es wird in Sachen Afghanistan zusammengearbeitet, viele Hundertmillionen fließen als Hilfeleistungen für Bildung und Wiederaufbau in das Land, und man bemüht sich, den Dialog zwischen den Religionen zu fördern.
Dennoch ist der Moment gekommen, in dem wir ein Machtwort sprechen müssen. Das pakistanische Bildungssystem muss reformiert werden, und die Hasspredigten gegen Christen vor kleinen Kindern müssen aufhören. Die Beihilfen für den Wiederaufbau nach den Überschwemmungen sollten gerecht aufgeteilt werden, d. h. auch Nichtmuslime müssen einbezogen werden. Das liegt nicht nur im Interesse des Westens. Wenn die pakistanische Regierung und die Sicherheitsdienste die Lage nicht in den Griff bekommen, wird das Land in den Morast des Extremismus absinken. Es bleibt nur sehr wenig Zeit, um diese Entwicklung umzukehren.
Rui Tavares, Verfasser. – (PT) Herr Präsident, oft ist das, was wir hier im Europäischen Parlament mit unseren Entschließungen zu dringenden Angelegenheiten erreichen können, sehr begrenzt, doch in Fällen wie diesem, wo es um mindestens zwei Fragen der Meinungs- und der Religionsfreiheit in Ländern wie Pakistan geht, gibt es zumindest zwei Dinge, die wir erreichen müssen, um uns Gehör zu verschaffen.
Zunächst möchte ich den Verteidigern der Toleranz in Pakistan und den Verteidigern der Religionsfreiheit in Pakistan sagen, dass sie nicht allein sind. Dies ist ein sehr bescheidenes Ziel, doch ich glaube, dass dies einen ersten Schritt in Richtung einer gewissen Würde und eines gewissen Respekts in der Debatte darstellt, und diese Botschaft wird die Menschen in Pakistan erreichen, die die Religionsfreiheit unterstützen. Also ist das erste, was ich tun möchte, diesen Menschen zu sagen, dass sie nicht allein sind.
Als zweites möchte ich dann der pakistanischen Regierung völlig klar machen, dass sie die Extremisten in Pakistan nicht von dem Gedanken, dass sie im Namen aller sprechen, abbringen kann, da das der Teufelskreis ist, in den viele Länder verfallen, wenn es um Blasphemiegesetze geht, so wie jetzt in Pakistan oder wie es beispielsweise in Indonesien der Fall war. Wir haben es mit einer Minderheit lautstarker Extremisten zu tun, die sich lauthals äußern und schließlich anfangen, zu glauben, dass sie im Namen aller sprechen, weil sie es schaffen, den Rest der Gesellschaft einzuschüchtern. Folglich wird in diesem Fall, wenn eine Regierung nicht zuvorderst für die Freiheit in ihrem eigenen Land eintritt und gegen Straflosigkeit kämpft und wenn eine Regierung kein Bollwerk der Würde errichtet, das ganze Land Gefahr laufen, von Intoleranz heimgesucht zu werden.
Die pakistanische Regierung muss daher den Mord an Shahbaz Bhatti gründlich untersuchen und muss solange Nachforschungen anstellen, bis wie im Fall des Gouverneurs von Punjab eindeutige Schlüsse gezogen werden können. Sie darf es jedoch auf keinen Fall zulassen, dass die Untersuchungen durch Praktiken korrumpiert werden, wie sie die Polizei und der pakistanische Geheimdienst bei früheren Untersuchungen eingesetzt und diese damit zuschanden gemacht haben, einschließlich der Nachforschungen im Fall des Mordes an der ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto. Daher ist es von grundlegender Bedeutung, dass die pakistanische Regierung die Extremisten daran hindert, den öffentlichen Diskurs an sich zu reißen, und dass wir unsererseits die Solidarität mit den Verteidigern der Toleranz in Pakistan aufrechterhalten.
Mario Mauro, im Namen der PPE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Shahbaz Bhatti wurde im Namen der so genannten Blasphemiegesetze von einer Gruppe von Fundamentalisten ermordet, die, was immer öfter vorkommt, den Namen Gottes benutzten, um ihre eigenen Machtpläne voranzubringen.
Mit dieser Entschließung wollen wir Shahbaz Bhatti für das gute Beispiel, das er uns über die Jahre hinweg gegeben hat, loben und danken. Ich hoffe, dass ein so schmerzvolles Opfer den Regierungen der Europäischen Union und der Hohen Vertreterin für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eine Warnung ist, damit die bisherigen, wenigen, halbherzig ausgesprochenen Worte durch spezifische Maßnahmen ersetzt werden.
Tatsächlich hat die Europäische Union, oder vielmehr der Rat und die Kommission, im Gegensatz zum Parlament, in den letzten Monaten viel Zeit damit verloren, darüber zu diskutieren, ob sie das Wort „Christen“ in ihre schwachen Verurteilungen einbeziehen soll oder nicht, während Christen weiterhin brutal niedergemetzelt werden und dies oft, weil sie sich dem Westen angenähert haben, obwohl sie überhaupt nichts Westliches an sich haben. Daher glaube ich, dass die Kommission und der Rat gut daran täten, in dieser Angelegenheit auf das Parlament zu schauen.
Catherine Stihler, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident, auch ich möchte dem Mut und der Arbeit Shahbaz Bhattis Tribut zollen. Ich weiß, dass ihn viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Parlament persönlich getroffen haben, und seine Entschlossenheit, für die Gemeinschaften der Minderheiten in Pakistan zu arbeiten, ihre Rechte zu bewahren, sollte uns allen ein Beispiel sein. Tatsache ist, dass er sein Leben aufs Spiel gesetzt hat. Er wusste, dass die Drohungen zunahmen, und sein Mut sollte anerkannt werden. Er hat sein Leben verloren, und wir in diesem Parlament haben einen Freund verloren.
Was können wir also tun? Ich denke, diese Entschließung enthält eine Reihe von wichtigen Punkten. Absatz 13, in dem die zuständigen Gemeinschaftsorgane dazu aufgefordert werden, die religiöse Toleranz in der Gesellschaft zu thematisieren, ist äußerst wichtig. Ich möchte auch die Kommission dazu auffordern, in Gesprächen und Handelsangelegenheiten auch die Menschenrechtsfrage anzusprechen. Absatz 19 über die Institutionen und die Regierung Pakistans ist ebenso wichtig sowie auch die Forderung der Anerkennung von Demokratie und Menschenrechten.
Ich glaube, dass wir letzten Endes alle sicherstellen wollen, dass unser Beileid übermittelt wird, und ich hoffe, dass der Präsident des Parlaments Shahbaz Bhattis Mutter einen persönlichen Brief senden wird. Sein Begräbnis hat letzte Woche stattgefunden, und ich denke, dass auch dies wichtig ist.
Anneli Jäätteenmäki, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, der Mord an Herrn Bhatti ist der zweite Mord an einem hochrangigen pakistanischen Beamten innerhalb von zwei Monaten. Die Morde sowohl an Herrn Bhatti als auch an Gouverneur Salman Taseer müssen gründlich untersucht werden und die Täter müssen vor Gericht gebracht werden.
Neben dem Mord an Herrn Bhatti möchte ich ein weiteres Menschenrechtsthema in Pakistan ansprechen, nämlich die Lage in der Provinz Balochistan. Die Minderheit der Baloch wird noch immer verfolgt, und Amnesty International zufolge sind mindestens 90 Baloch-Aktivisten – Lehrer, Journalisten und Anwälte – verschwunden oder wurden ermordet. Auch andere Personen wie Entwicklungshelfer, Lehrer, Journalisten und Regierungsbeamte wurden Opfer von Verfolgung und Drohungen.
Das Europäische Parlament und die EU müssen eine klare Botschaft an Pakistan senden und die pakistanische Regierung dazu drängen, ihr Bestes zu tun, um derartige Situationen zu vermeiden.
Nicole Kiil-Nielsen, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, diese Morde sind natürlich nicht hinnehmbar, was jedoch noch weniger akzeptabel ist, ist das Klima der Straflosigkeit, das trotz der zunehmenden Anzahl von Anschlägen in Pakistan herrscht. Leider können die Bürgerinnen und Bürger Pakistans und die Familien der Opfer von einem von Korruption, Einschüchterung und schlecht ausgebildeten Untersuchungsbeamten und Staatsanwälten zunichte gemachten Rechtssystem nicht viel erwarten. Die Untersuchungen dauern Jahre und stützen sich auf diskriminierende Gesetze. Besonders die kriminelle Dimension des Rechtssystems muss reformiert werden und sowohl national als auch international an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Einer an Universitäten durchgeführten Umfrage der Heinrich-Böll-Stiftung zufolge glauben die jungen Pakistaner, dass die Glaubwürdigkeit des Rechtssystems wichtiger für das Überleben des Landes ist als die Militärmacht oder das parlamentarische System.
Die Europäische Union muss daher alle notwendigen Instrumente, die zur Verfügung stehen, dazu verwenden, die gerichtliche Zusammenarbeit mit Pakistan zu verstärken.
Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident, in Pakistan werden die Stimmen, die Reform und Fortschritt fordern, nach und nach zum Schweigen gebracht. Shahbaz Bhatti wusste, dass er in Gefahr war, und zwar sowohl als Christ in einem Land, in dem religiöse Intoleranz vorherrscht, als auch als Minister für Minderheiten, der die drakonischen Blasphemiegesetze seines Landes furchtlos anprangerte. Dennoch ließ er sich von den islamistischen Fanatikern, die ihm mit dem Tod drohten, nicht einschüchtern.
Nur zwei Monate zuvor war der Gouverneur von Punjab, Salman Taseer, von seinen eigenen Leibwächtern ermordet worden, doch Bhatti wurden nicht einmal Leibwächter zugestanden, weshalb er den schwer bewaffneten Terroristen, die ihn auf dem Weg zu einer Kabinettssitzung niederschlugen, ein äußerst leichtes Ziel bot.
Warum wurde Herr Bhatti nicht von bewaffneten Personenschützern bewacht? Dies ist eine der vielen Fragen, die wir Präsident Zardari stellen müssen. Ich hoffe, er hat eine Antwort hierauf. Ich hoffe, dass die Vizepräsidentin/Hohe Vertreterin ihn dazu drängen wird, bei der Bekämpfung der beunruhigenden Radikalisierung der pakistanischen Gesellschaft ein besseres Beispiel abzugeben.
Dies ist vor allem eine menschliche Tragödie. Ein Mann mit großem Mut und hohen Grundsätzen hat sein Leben verloren, und wir als Demokraten möchten heute in dieser Debatte seinen Namen und sein Lebenswerk ehren. Wir möchten seinen Angehörigen in ihrer Trauerstunde unser Beileid aussprechen.
Jaroslav Paška, im Namen der EFD-Fraktion. – (SK) Herr Präsident, die Bestimmungen des islamischen Scharia-Rechts besagen wörtlich, dass jeder, der den Islam beleidigt, zum Tode verurteilt wird.
Ich weiß nicht, welche Taten in der islamischen Welt als Beleidigung des Islam angesehen werden, doch zeigen uns die Fälle von Morden an Verteidigern der Menschenrechte und der Religionsfreiheit in Pakistan und anderen islamischen Ländern, dass einige geistliche Oberhäupter des Islams unsere zivilisatorischen Werte, die den Menschen große Entscheidungsfreiheit geben, als Bedrohung ihres Glaubens betrachten und nicht zögern, unter Berufung auf ihre Gesetze eine Fatwa gegen jeden zu verhängen, der in ihrem Gebiet offen für die Einhaltung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten einsteht.
Shahbaz Bhatti, Minister der pakistanischen Regierung, Salman Taseer, Gouverneur der Provinz Punjab, oder Sabir Jamaldini, Koordinator der Menschenrechtskommission in Pakistan, wurden für uns zu unschuldigen Opfern einer fanatischen Anwendung des islamischen Rechts. Das Beispiel dieser Opfer soll nicht nur das pakistanische Volk davor abschrecken, nach mehr Freiheit zu trachten, sondern auch die regierenden Politiker davon abhalten, das Regierungssystem zu reformieren, damit sie weiterhin eine Reihe von Gesetzen einhalten, die auf mittelalterliche Verhältnisse zurückgehen.
Dennoch sollten wir meiner Meinung nach, wenn wir die reformwilligen Politiker in islamischen Ländern nicht in Auseinandersetzungen mit ihren religiösen Oberhäuptern treiben wollen, nach einer Plattform für den konstruktiven Dialog mit den geistlichen Oberhäuptern des Islams bezüglich der friedvollen Koexistenz der Kulturen streben ...
(Der Präsident unterbricht den Redner)
Ryszard Czarnecki (ECR). – (PL) Herr Präsident, wir sprechen hier über den Mord an einem Minister der pakistanischen Regierung, einem Mann, der sich zu seinen christlichen Wurzeln bekannte und Katholik war. Wir sprechen über einen weiteren Mord in Pakistan, der aufzeigt, dass die Behörden dort die Situation tatsächlich nicht unter Kontrolle haben, und dies stellt ein Problem dar. Wir sagen nicht, dass der Präsident oder die Regierung Pakistans schlechten Willen gezeigt haben. Unser Vorwurf hängt damit zusammen, dass sie nicht einmal in der Lage sind, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, die Teil der Regierungsstruktur sind, sich jedoch zu einem anderen Glauben bekennen als der Rest des Landes. Hierin besteht die Tragödie dieses Landes, das sich allmählich immer aggressiver und hasserfüllter gegenüber anderen Religion als dem Islam zeigt. Dies ist ein wirkliches Problem. Ich bin überzeugt davon, dass wir dies aussprechen sollten.
Der Präsident. − Wir kommen jetzt zum Catch-the-eye-Verfahren.
Sehr viele Kollegen haben mir signalisiert – und da einige Fraktionsvorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorsitzende anwesend sind, will ich das jetzt ansprechen –, dass wir bei diesen Dringlichkeitsdebatten ein bisschen mehr Flexibilität brauchen, wenn ein Thema offensichtlich so viele Kollegen interessiert. Ich werde jetzt ein Stück weit auch dem Umstand Rechnung tragen, inwieweit Kollegen bei nachfolgenden Debatten als Redner eingetragen sind.
Michael Gahler (PPE). - Herr Präsident! Eine Woche vor seiner Ermordung habe ich mit Shahbaz Bhatti in seinem Büro in Islamabad gesprochen und er war sich der Gefahr für seine Person bewusst. Aber noch mehr bekümmert hat ihn, dass sein Eindruck war, dass, insbesondere über die letzten Monate, auch anlässlich der Ermordung von Salman Taseer, dem Gouverneur von Punjab, sich sehr viele vor der extremistischen Herausforderung weggeduckt haben. Minister, Abgeordnete, Journalisten, Rechtsanwälte, selbst Menschenrechtsaktivisten, die sich sonst immer gemeldet hatten, trauen sich nicht mehr, gegen diese extremistische Herausforderung aufzustehen.
Das ist, glaube ich, die Aufforderung an alle in Pakistan, die von uns ausgehen muss: Stehen Sie gemeinsam auf gegen die Intoleranz, sonst werden Sie gemeinsam hinweggefegt oder einzeln hinweggefegt. Sherry Rehman, diese couragierte Abgeordnete, die Änderungen zum Blasphemiegesetz eingebracht hat, ist in besonderer Gefahr. Ich fordere deswegen das Parlament auf, sie dadurch zu schützen, dass das Blasphemiegesetz jetzt endgültig in ihrem Sinne geändert wird. Das wäre ein klares Zeichen des gemeinsamen Aufstehens gegen den Extremismus!
George Sabin Cutaş (S&D). – (RO) Herr Präsident, der Mord an Pakistans Minister für Minderheiten, Herrn Bhatti, geschah inmitten der ganzen Kontroverse über die Änderung des Gesetzes, das in diesem Land für Gotteslästerung die Todesstrafe vorsieht, eine Änderung, die er unterstützte. Ich glaube, dass die Intoleranz, auf die sich die Gesetze zur Bestrafung von Gotteslästerung stützen, auch zu den erschreckenden Morden an führenden Persönlichkeiten geführt haben, die für die Meinungs- und Religionsfreiheit in Pakistan gekämpft haben. Gleichzeitig wurde der Mord an Herrn Bhatti von einem Großteil des politischen Establishments, den Medien und Menschen verschiedenster ethnischer Herkunft und Religionen verurteilt, was ein gutes Zeichen ist. Es ist daher die Pflicht der Regierung dieses Landes, ein Wiederauftreten von auf Intoleranz zurückzuführende Gewalttaten zu verhindern und ihre Bemühungen zur Achtung der in der pakistanischen Verfassung verankerten demokratischen Werte, der allgemeinen Menschenrechtsgrundsätze und der Gedankenfreiheit fortzusetzen.
Constance Le Grip (PPE). – (FR) Herr Präsident, auch ich war tief erschüttert über den feigen Mord an Herrn Shahbaz Bhatti, dem christlichen Minister für Minderheiten der pakistanischen Regierung, am 2. März 2011.
Das Terrorattentat folgt auf zahlreiche andere Morde an mutigen, toleranten Pakistanern, die leidenschaftlich für Menschenrechte eingetreten und als Verteidiger der Menschenrechte für Männer wie Frauen aufgetreten sind.
Wir fordern die Regierung Pakistans erneut dazu auf, alles nur Mögliche zu tun, diesen feigen Mord aufzuklären und sicherzustellen, dass der Schutz von Personen, die von fanatischen religiösen Extremisten bedroht werden, wirklich wirksam ist. Ich denke dabei natürlich zuallererst an Frau Sherry Rehman, aber nicht nur.
Ich fordere nochmals energisch alle zuständigen Institutionen der Europäischen Union dazu auf, bei der Vorbereitung zukünftiger Abkommen über Zusammenarbeit, einschließlich des Kooperationsabkommens zwischen der EU und Pakistan, eine Klausel in ihre Verhandlungen aufzunehmen, die die Achtung von Religionsfreiheit und Menschenrechten sicherstellt.
(Beifall)
Joanna Katarzyna Skrzydlewska (PPE). – (PL) Herr Präsident, abermals sprechen wir über das Thema der Menschenrechtsverletzungen in Pakistan, dieses Mal wegen des unlängst geschehenen Mordes an Minister Shahbaz Bhatti, der die Blasphemiegesetze des Landes bekämpfte und die Rechte der religiösen Minderheiten verteidigte. Er bekämpfte Intoleranz und religiöse Diskriminierung.
Die Entschließung des Europäischen Parlaments zu diesem brutalen Mord ist Ausdruck unseres Einspruchs gegen die zunehmende brutale religiöse Ausrottung in Pakistan, bezeugt aber auch unmissverständlich, dass wir die religiösen Minderheiten, deren Rechte öffentlich verletzt werden, nicht sich selbst überlassen. Es ist unsere Pflicht, gesetzlose Taten, die die Freiheit und das Leben anderer Menschen bedrohen, zu verurteilen. Daher möchte ich betonen, wie wichtig es ist, Nichtregierungsorganisationen zu unterstützen, die mittels ihrer Bemühungen um eine größere Demokratisierung Pakistans und um ein Ende der Gewalt für Menschenrechte kämpfen.
Johannes Hahn, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, im Januar hatten wir die Ermordung des Gouverneurs von Punjab, Salman Taseerzu beklagen.
Nur einige Wochen später setzten sich diese Gewalttaten durch den Mord an Herrn Shahbaz Bhatti, dem Minister für Minderheiten der Regierung Pakistans am 2. März 2011 fort.
Vizepräsidentin Asthon hat den Mord scharf verurteilt und ihrer tiefen Besorgnis über das Klima der Intoleranz und Gewalt in Pakistan in Zusammenhang mit der Debatte über die umstrittenen Blasphemiegesetze Ausdruck verliehen.
Herr Bhatti war der einzige Christ in der pakistanischen Regierung und ein wohlbekannter Verfechter der Achtung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit. Er verkörperte eine der wenigen übrig gebliebenen Stimmen, die es wagten frei zu sprechen, und nach dem Mord an Salman Taseer wusste er, dass er sich in Todesgefahr befand. Doch dies hielt ihn nicht davon ab, seine Rechte zu verteidigen, die immerhin in der pakistanischen Verfassung verankert sind.
Vizepräsidentin Ashton hat die Regierung Pakistans dazu aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen und für einen angemessenen Schutz derjenigen zu sorgen, die öffentliche Ämter bekleiden oder in der Zivilgesellschaft beschäftigt sind und bedroht werden.
Die EU begrüßt die Erklärung von Premierminister Jamali, dass die Regierung alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um die Täter vor Gericht zu bringen. Unser Respekt gilt Herrn Jamali für seine Anwesenheit an Herrn Bhattis Begräbnis.
Die Regierung muss nun ihre Versprechen halten und die Täter und Anstifter solcher Verbrechen vor Gericht bringen. Herr Bhatti und Herr Taseer waren ausgesprochene Kritiker der Blasphemiegesetze und in vorderster Linie damit beschäftigt, diese zu ändern. Jedoch wurden die Änderungen in dem nach dem Mord an Taseer vorherrschenden Klima vom Parlament zurückgezogen.
Die Blasphemiegesetze, die die Todesstrafe vorsehen, sind mit den allgemeinen Werten, die wir in unseren Beziehungen mit Pakistan fördern wollen, nicht vereinbar. Außerdem haben sie zu Fehlurteilen und zur Diskriminierung von religiösen Minderheiten geführt.
Während wir die demokratische Regierung Pakistans völlig unterstützen und alles uns Mögliche tun werden, um diese bei ihrem Versuch zu unterstützen, die Welle von Terroranschlägen nie gekannten Ausmaßes in den Griff zu bekommen, sollten ihre Mitglieder für die Grundsätze, die sie vertreten, einstehen. Religionsfreiheit ist ein allgemeines Menschenrecht und Meinungs- und Ausdrucksfreiheit sind wesentlich mit ihr verknüpft.
Der Rat hat gerade Schlussfolgerungen angenommen, die die Verpflichtung der EU, diese Grundrechte zu schützen und die Bemühungen zur Förderung und zum Schutz dieser Rechte überall und für jeden zu verstärken, in Erinnerung rufen.
Der Präsident. − Zum Abschluss dieser Aussprache(2) habe ich sechs Entschließungsanträge gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung erhalten.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprachen statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Krzysztof Lisek (PPE), schriftlich. – (PL) Ich möchte der Familie des ermordeten pakistanischen Ministers für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, mein Beileid aussprechen. Ich hoffe, dass die Täter dieses Verbrechens schnell festgenommen und gebührend bestraft werden. Dieser brutale Vorfall, dem ein hochrangiger Staatsbeamter, der für die Rechte der Minderheiten in Pakistan kämpfte, zum Opfer gefallen ist, ist ein weiterer Beweis dafür, wie schwierig sich die Lage in diesem Land darstellt. Leider hat unsere gegenwärtige Politik nicht die erwarteten Ergebnisse erzielt. Angesichts dessen muss die Europäische Union spezifische Schritte unternehmen, die dafür sorgen, dass die Achtung des Buchstaben des Gesetzes und die Demokratie in der Islamischen Republik Pakistan zunehmen.
Meiner Ansicht nach kann eine bedeutende Intensivierung unserer Arbeit durch die Organisation und Abhaltung von jährlichen Sitzungen der EU und Pakistan zur Situation der Minderheiten in Pakistan unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments greifbare Vorteile bringen. In Übereinstimmung mit dem Text der heute angenommenen Entschließung befürworte ich die finanzielle Unterstützung, die wir unsererseits Organisationen zukommen lassen, die für Menschenrechte eintreten und die Blasphemiegesetze bekämpfen, vollkommen. Ich hoffe, dass wir in der Lage sein werden, den Umfang dieser Unterstützung noch zu vergrößern. Ich hoffe auch, dass wir in der Lage sein werden, die Regierung Pakistans mit Hilfe angemessener diplomatischer Instrumente davon zu überzeugen, die Bestimmungen einzuhalten, die in der Demokratie- und Menschenrechtsklausel des Abkommens zur Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Islamischen Republik Pakistan verankert sind.
Monica Luisa Macovei (PPE), schriftlich. – Shahbaz Bhatti, der pakistanische Minister für Minderheiten hatte vor, die Blasphemiegesetze des Landes zu reformieren, und wurde ermordet. Die pakistanischen Taliban haben sich wie verlautet zu diesem Mord bekannt und jedem zukünftigen Kritiker der Blasphemiegesetze dasselbe Schicksal prophezeit. Es wird Zeit, energische Maßnahmen zum Schutz der Reformer und Menschenrechtsaktivisten zu treffen, die für die Freiheit ihr Leben riskieren. Ich fordere den Rat und den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, den Schutz weiterer gefährdeter Menschenrechtsaktivisten in Pakistan und die effektive und rechtzeitige Untersuchung des Mordes an Minister Shahbaz Bhatti sicherzustellen. Die Täter müssen vor Gericht gebracht werden und die Reaktion der Regierung muss bestimmt sein, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.
Kristiina Ojuland (ALDE), schriftlich. – Einen Verfechter der Religionsfreiheit zu verlieren, ist ein großes Unglück, zwei zu verlieren, bedeutet absolute Nachlässigkeit. Als wir über den Mord an Gouverneur Salman Taseer diskutiert haben, habe ich vor der Zunahme des religiösen Extremismus in Pakistan gewarnt. Weniger als zwei Monate später hat sich eine weitere Tragödie ereignet. Die Taliban-Bewegung in Punjab hat sich zu dem Mord an Minister Shahbaz Bhatti bekannt. Sein Ersuchen um einen kugelsicheren Wagen wurde von den pakistanischen Behörden abgelehnt. Eine solche Nachlässigkeit der Behörden macht diese zum Mittäter. Ich möchte hoffen, dass die Europäische Union die Morde an diesen hochrangigen Beamten in Pakistan bei der dortigen Regierung ansprechen und sie dazu auffordern wird, die Blasphemiegesetze, die zu dieser Eskalation religiöser Gewalt geführt haben, aufzuheben.
Tadeusz Zwiefka (PPE), schriftlich. – (PL) Vor zwei Monaten haben wir in einer Plenarsitzung ebenfalls während einer Debatte über Menschenrechte das Attentat auf den Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, verurteilt. Thema unserer Diskussion war dasselbe, über das wir heute sprechen – der Versuch, die umstrittenen Blasphemiegesetze zu reformieren. Die beiden tragischen Ereignisse sind eng miteinander verbunden, da die Opfer zusammen für die nationalen Minderheiten in Pakistan, einschließlich der religiösen Minderheiten, gearbeitet und diejenigen verteidigt haben, die der von den Taliban verbreiteten Ideologie der Intoleranz zum Opfer gefallen sind.
Leider kann die westliche Welt der zunehmenden Radikalisierung der Einstellung der Menschen in diesem Land, in dem Benazir Bhutto vor noch nicht einmal einem Jahrzehnt demokratische Reformen eingeführt hat, nur zusehen. Pakistan versinkt im Chaos – die Taliban terrorisieren das Land und verüben mit zunehmender Häufigkeit Anschläge gleich beispielsweise dem vom 8. März in Punjab, bei dem 25 Menschen umkamen.
Es sind jetzt Berichte über die nächste Person aufgekommen, die von den Extremisten zum Tode verurteilt wurde – das Mitglied des pakistanischen Parlaments, frühere Journalistin und Verteidigerin von Frauenrechten, religiösen Minderheiten und Meinungsfreiheit Sherry Rehman. Sie war es, die dem pakistanischen Parlament einen Änderungsentwurf für die Gesetze zur Bestrafung von Gotteslästerung vorlegte. Werden wir in der nächsten Sitzungsperiode einen auf sie verübten Anschlag verurteilen?