Der Präsident. – Der nächste Punkt ist die Aussprache über sechs Entschließungsanträge bezüglich des Verbots der Wahlen zur tibetanischen Regierung im Exil in Nepal(1).
Jaroslav Paška, Verfasser. – (SK) Herr Präsident! Ich denke, wir alle haben mit Wohlwollen und Bewunderung den Kampf des tibetanischen Volkes um das Recht, sein eigenes Land zu regieren, verfolgt. Die vielen Versuche vonseiten der Exilregierung oder des Dalai Lama, des geistlichen Oberhauptes der Tibetaner, durch Verhandlungen mit den Herrschenden in China eine vernünftige Lösung zu finden, sind bisher immer ein Fehlschlag gewesen. Die Chinesen betrachten die Tibetaner ganz klar nicht als Partner in einem gemeinsamen Staat, sondern als ein Hindernis, das sie davon abhält, ein okkupiertes Territorium vollständig in Besitz zu nehmen.
Daher befindet sich die nepalesische Regierung in einer komplizierten Situation. Auf der einen Seite muss sie ihre internationalen Verpflichtungen erfüllen und der tibetanischen Gemeinde universelle Rechte garantieren, aber auf der anderen Seite kann sie die Meinung ihres übermächtigen Nachbarn nicht ignorieren. Die Haltung der nepalesischen Regierung gegenüber den Wahlen zur tibetanischen Exilregierung zeigt uns ganz deutlich, wer der wahre Global Player in der Region ist. Für die Regierung Nepals ist dies China.
Wir Europäer können symbolische Gesten machen und unsere Vorbehalte gegenüber der Schwäche der nepalesischen Regierung äußern. Wenn wir die Lage des tibetanischen Volkes allerdings wirklich verbessern wollen, muss die chinesische Regierung unser Dialogpartner sein, da sie die politische Führungsmacht in der Region ist und die Regeln der Regionalpolitik beeinflusst. Wir können natürlich eine Erklärung an die nepalesische Regierung richten, aber das wird das Problem nicht lösen.
Charles Tannock, Verfasser. – Herr Präsident! Seit der Abschaffung der nepalesischen Monarchie und der Wahl einer maoistisch geführten Regierung in Kathmandu sind Nepal und China zwangsläufig näher zusammengerückt. Es ist daher keine Überraschung, dass die nepalesischen Behörden in Nepal lebende tibetanische Flüchtlinge davon abgehalten haben, für einen Premierminister und ein Exilparlament zu stimmen.
Tatsächlich wurden im vergangenen Oktober ähnliche geplante Wahlen von der nepalesischen Polizei gestört, zweifellos eine Reaktion auf Druck aus Peking. Die Tatsache, dass China versucht hat, sich in nicht-offizielle Wahlen einzumischen, die in einem souveränen Nachbarstaat stattfanden, ist ein Indiz für die Verachtung der chinesischen Führer gegenüber der Demokratie und ihre Paranoia, wenn es um Tibet geht.
China ist es offenbar gleichgültig, dass der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt Tibets, wieder und wieder betont hat, dass er größtmögliche Autonomie für Tibet anstrebt, nicht Unabhängigkeit. Ich hoffe, dass die Hohe Vertreterin – die heute nicht hier ist – diese Vorfälle gegenüber China zur Sprache bringen wird, und auch gegenüber Nepal, dessen aufkeimende Demokratie zum Teil durch Steuergelder aus der EU in Form von Finanzhilfen aufrechterhalten wird.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch meinen Hut vor dem Mut, der Stärke und dem friedlichen Widerstand des tibetanischen Volkes ziehen, das uns allen ein inspirierendes Beispiel ist. Nepal befindet sich, in geopolitischer und geografischer Hinsicht, in der Tat in einer heiklen Position, aber es sollte sich ein Beispiel an Indien, seinem demokratischen Nachbarn im Süden, nehmen, anstatt an der repressiven Diktatur im Norden, nämlich der VRC. Die Demokratie, so hoffe ich, wird eines Tages in ganz Asien die Norm sein.
Der Präsident. – Herr Tannock! Sie haben erst eineinhalb Minuten Ihrer Redezeit verbraucht. Beim nächsten Mal werde ich Ihnen daher eine zusätzliche halbe Minute geben!
Eva Lichtenberger, Verfasserin. − Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich ist es nicht genug, dass die Unterdrückung der tibetischen Kultur innerhalb Chinas seit den Olympischen Spielen 2008 immer mehr zunimmt. Es haben sich seither eigentlich nur Verschlechterungen ergeben. Es wurde kein Schritt vorwärts unternommen. Jetzt wird auch im Ausland Druck ausgeübt, den Tibetern sogar ihr Wahlrecht zum Exilparlament so schwer wie möglich zu machen bzw. es total unmöglich zu machen. Wir haben schon seit Jahren zu verzeichnen, dass auf Nepal enormer Druck ausgeübt wird, sei es bei der Aufnahme der Flüchtlinge oder auch bei Fragen wie dem Wahlrecht für Tibeterinnen und Tibeter. Wir müssen doch froh sein, wenn so etwas garantiert ist. Die Europäische Union muss auch hier Konsequenzen ziehen.
Die chinesische Führung übt auf ihre Schwesterpartei, ja auf Nepal als Ganzes, Druck aus, damit gegen die Tibeter vorgegangen wird, und Nepal beugt sich. Dem müssen wir ganz konzentriert, auch mit dem etwaigen Entzug von Förderungen, entgegenwirken.
Kristiina Ojuland, Verfasserin. – Herr Präsident! Es gibt drei Punkte, die ich in Bezug auf den Änderungsantrag der ALDE-Fraktion zu dem Entschließungsantrag gerne anmerken würde.
Zunächst einmal: die Begründung für den Änderungsantrag beruht darauf, dass zwischen der Besetzung Tibets durch die Volksrepublik China und der Störung der tibetanischen Wahlen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Obwohl in dem Entschließungsantrag das Thema angesprochen wird, dass die Wahlen zur tibetanischen Exilregierung in Nepal verboten wurden, kann es nicht aus dem übergeordneten Zusammenhang, nämlich dem Status Tibets, herausgerissen werden.
Zweitens, wenn die Besetzung Tibets durch China nicht erwähnt würde, obwohl sie an sich der Grund dafür ist, dass Peking die nepalesische Regierung unter Druck setzt, wäre das so, als würde man über den ersten Weltkrieg sprechen, ohne die Ermordung Franz Ferdinands zu erwähnen.
Und schließlich, der einzig konstruktive Vorschlag, den das Europäische Parlament machen kann, um zu verhindern, dass die tibetanischen Wahlen in Nepal erneut verboten werden, ist der Ruf nach einer sinnvollen Autonomie für Tibet. Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen dazu aufrufen, diesen zu unterstützen.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Verfasserin. – (PL) Herr Präsident! Mein Herkunftsland hat eine Menge reicher Erfahrung, wenn es um Exilregierungen geht. Zwischen 1939 und 1990 regierten insgesamt 15 polnische Premierminister und sechs Präsidenten vom politischen Exil aus. Die Polen gaben das Streben nach Demokratie nicht auf, und schließlich konnte sich das Rot der Solidarität mit dem Weiß der Wahlzettel vereinigen und im Jahr 1989 einen neuen, demokratischen Staat hervorbringen.
Heute hat auch die Demokratische Bundesrepublik Nepal eine Chance auf einen Neuanfang, dank der Verfassung, die am 28. Mai in Kraft treten wird. Es wäre schade, wenn Nepal diesen feierlichen Anlass verderben würde, indem es die Rechte der tibetanischen Minderheit weiterhin beschneidet und als Konsequenz eine Rote Karte von der internationalen Gemeinschaft bekommen würde. Ich halte die Tatsache, dass die Tibeter in Nepal davon abgehalten wurden, an der jüngsten Wahl des Exil-Premierministers teilzunehmen, für eine nicht hinnehmbare Verletzung fundamentaler Grundrechte. Die Europäische Union sollte alle diplomatischen und finanziellen Mittel nutzen, um den Druck Pekings auf Nepal zu neutralisieren und um langfristig dafür zu sorgen, dass die Tibeter das Recht haben, zu wählen, sich zusammenzuschließen und ihre Ansichten zu vertreten
Genau wie es im Falle Polens nicht gelungen ist, die 21 Regierungsvertreter im Exil von ihrer Arbeit abzuhalten, so werden auch die Nachfolger des Dalai Lama, da bin ich sicher, ihre Tätigkeit nicht einstellen. Nepal und China täten gut daran, dies zu bedenken.
Thomas Mann, Verfasser. − Herr Präsident! Am 20. März nahmen etwa 80 000 Exiltibeter weltweit an der Direktwahl des neuen Premiers und der Mitglieder der Regierung teil. Europaabgeordnete, darunter Mitglieder der Interfraktionellen Arbeitsgruppe Tibet, waren als Beobachter unterwegs. In der Schweiz erlebte ich, was meine Kollegen in anderen Staaten feststellten: Die Wahlen verliefen fair, geheim und absolut nach demokratischen Regeln. Den einzigen Zwischenfall gab es in Nepal. Dort verhinderten Sicherheitsbehörden auf Druck der chinesischen Regierung die Wahlbeteiligung von Zehntausenden von Tibetern. Damit setzten sie gezielt Maßnahmen aus dem letzten Jahr fort, als Wahlurnen konfisziert und Wahllokale geschlossen wurden. Nepal ist doch kein Vasallenstaat!
Die Regierung in Kathmandu muss beweisen, dass sie sich von chinesischen Einflussnahmen befreien kann. Zu den Grundrechten gehören Redefreiheit, Versammlungsfreiheit und nicht zuletzt Wahlfreiheit. Herr Kommissar, der Europäische Auswärtige Dienst muss mit Nachdruck auf die Einhaltung dieser Menschenrechte pochen!
Elena Băsescu, im Namen der PPE-Fraktion. – (RO) Herr Präsident! Das von den nepalesischen Behörden verhängte Verbot, Wahlen zur tibetanischen Exilregierung zu organisieren, wirft Fragen über die Menschenrechtssituation in diesem Staat auf. Ich möchte betonen, dass die Mitglieder der tibetanischen Gemeinde diesen Prozess in der Absicht organisiert haben, ihre Institutionen demokratisch zu machen. Eine solche Initiative muss unterstützt werden, wo auch immer sie stattfinden mag. Es ist nun an der Zeit für Nepal, zu zeigen, dass seine Demokratie sowohl im Innern als auch international funktionsfähig ist, insbesondere sollten die abgegebenen Stimmen bis zum 15. April zur Überprüfung an die zentrale Wahlkommission geschickt werden.
Ich rufe die nepalesische Regierung dazu auf, diese Gelegenheit zur Korrektur der Lage in ihrem Land, im Hinblick auf die fundamentalen Menschenrechte, zu nutzen. Dieser Aspekt ist von elementarer Bedeutung für eine wirkungsvolle Nachbarschaftspolitik.
Kriton Arsenis, im Namen S&D-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir müssen überall für demokratische Rechte kämpfen, nicht nur in unserer eigenen Nachbarschaft und nicht nur in Nordafrika. Wir brauchen eine allgemeingültige europäische Politik gegenüber Regierungen, die nicht demokratisch gewählt wurden, und gegen Regierungen, die die demokratischen Rechte nicht respektieren.
Herr Verhofstadt sagte, dass wir bis zu einem gewissen Grade Heuchler sind. Dies ist wahr, denn oft stellen wir Prinzipien nicht über Handelsinteressen. Ein typisches Beispiel ist das Mercosur-Abkommen, in dem wir gern bereit sind, 11 % des Amazonas und Millionen europäischer Bauern zu opfern, um Handelsbeziehungen zu eröffnen.
Schuld an all dem hat die Kommission, Herr Kommissar. Dem Handelskommissar sind andere politische Anliegen Europas häufig gleichgültig. Aber wenn wir so weitermachen, werden wir weiterhin Heuchler sein. Nepal muss die demokratischen Rechte der Flüchtlinge aus Tibet respektieren, und die Europäische Union muss alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um dieses Thema auf allen Ebenen anzusprechen, nicht nur im Zusammenhang mit den Menschenrechten. Dies ist nicht nur Sache von Baroness Ashton; es ist auch Sache von Herrn De Gucht und der gesamten Kommission.
Nathalie Griesbeck, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem Nepal zu viele Jahre lang von den Mächtigen in China schikaniert wurde, ist es heute Nepal, das die Tibetaner eines fundamentalen politischen Rechts beraubt: des Rechts zu wählen. Wenn eines sicher ist, dann, dass Peking einen neuen Verbündeten gefunden hat, um das tibetanische Volk zu drangsalieren, und dieser neue Verbündete ist Nepal. In Wahrheit aber geht all dies weit über die Wahlen hinaus, denn die nepalesische Regierung, die von den Mächtigen in China unter Druck gesetzt wird, schränkt bereits seit mehreren Jahren die Meinungsfreiheit der Tibeter, die auf seinem Boden leben, immer weiter ein.
Letzten Juni übergab Kathmandu tibetanische Flüchtlinge an die chinesischen Behörden. Präventive Verhaftungen und das Demonstrations- und Versammlungsverbot, ja sogar Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, sind für in Nepal lebende Tibetaner nichts Ungewöhnliches mehr.
Unser Parlament muss daher damit aufhören, heuchlerisch zu sein, und darf sich nicht nur empören, sondern muss diese Akte der Unterdrückung vonseiten Nepals scharf verurteilen, und im allgemeineren Sinne auch die sehr häufigen – zu häufigen – Verletzungen der Menschenrechte und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Des Weiteren rufen wir Nepal dazu auf, diese Schikanierung und Misshandlung politischer Flüchtlinge einzustellen und einfach ihre Rechte zu respektieren. Wenn man die Geschichte Nepals als Gastgeberland bedenkt – was es für die Tibetaner immer war, bis vor Kurzem – ist es am Ende sehr traurig, zu sehen, was diese Regierung politischen Flüchtlingen zumutet.-
Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Meiner Ansicht nach ist es schlichtweg skandalös, dass die in Kathmandu lebenden Tibetaner aufgrund des Drucks aus China nicht die Erlaubnis bekommen haben, bei den Wahlen ihre Stimmen abzugeben. Dass China Nepal unter Druck setzt und Flüchtlingen ein Minimum an politischen Rechten, die ihnen nach internationalem Recht zustehen, verwehrt, sollten wir als die Europäische Union verurteilen. Wir sollten auch unserer Besorgnis darüber, dass die Chinesen ein anderes Land davon abhalten, Menschen humanitäre Hilfe zukommen zu lassen, Ausdruck verleihen.
Es ist wichtig, dass die Hohe Vertreterin die Lage über die EU-Delegation in Kathmandu genau beobachtet. Dies ist eine Forderung, die wir nun seit Langem stellen. Angesichts der gegenwärtigen Situation können wir nicht länger warten. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um dem Druck aus China zu begegnen, und wenn wir dies nicht jetzt gleich tun, jetzt da wir den Dialog mit den Chinesen in Gang zu bringen versuchen, dann, so fürchte ich, werden wir es niemals tun.
Rui Tavares, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Herr Präsident! Ich denke, es ist schlimm genug, dass die Tibeter in ihrem Geburtsland nicht das Recht zur Selbstbestimmung haben, aber es gibt auch Kräfte, die ihnen außerhalb ihres Landes ihre grundlegendsten demokratischen Rechte verweigern wollen, nachdem sich viele von ihnen schweren Herzens für das Exil entschieden haben oder es ihnen aufgezwungen wurde. Eines der Argumente, das immer von den Kritikern des tibetanischen Widerstandes ins Feld geführt wurde, war, dass dieser Widerstand, ausgerichtet auf die Figur des Dalai Lama, viele nicht-demokratische Facetten hatte. Nun, da sich der tibetanische Widerstand im Prozess der Demokratisierung befindet, ist es extrem bedauerlich, dass Nepal, ein Land, in dem so viele Tibeter leben, die normale Durchführung der demokratischen Wahlen verhindert hat. Ich möchte Sie jedoch bitten, eines zu bedenken: Unsere Regierungen sind häufig die Ersten, die sich dem Druck vonseiten der chinesischen Regierung beugen und eine Realität schaffen, die den Träumen und Wünschen der chinesischen Führer entspricht. Wir müssen verstehen, dass die Regierung in Nepal vermutlich das Gleiche tun wollte. Daher müssen wir, wenn wir Druck auf die nepalesische Regierung ausüben wollen, damit sie anders handelt, damit beginnen, auch auf unsere eigenen Regierungen Druck auszuüben, damit diese in ihren Verhandlungen mit der chinesischen Führung zeigen, dass sie etwas Rückgrat haben.
Monica Luisa Macovei (PPE). – (RO) Herr Präsident! Die nepalesischen Behörden standen unter dem Druck der chinesischen Regierung und haben etwa 20 000 Tibeter in Nepal davon abgehalten, bei der Wahl des Premierministers der tibetanischen Exilregierung ihre Stimme abgeben. Das Recht zu wählen ist, ebenso wie das Recht auf freie Wahlen und auf friedliche Demonstrationen, ein fundamentales Recht einer jeden Person und einer jeden Gemeinschaft. Je mehr Hindernisse es gibt, die die Menschen an der Ausübung dieser Rechte hindern, um so größer ist ihre Entschlossenheit, sie auszuüben. Ich glaube fest daran, dass der Wunsch der Tibetaner in Nepal, ihr Regierungsoberhaupt zu wählen, ebenfalls größer ist. In der Tat haben die Versuche der nepalesischen und der chinesischen Führung, sie durch Furcht zu beherrschen, genau die gegenteilige Wirkung gehabt.
Ich rufe die Hohe Vertreterin der Europäische Union dazu auf, diese Forderungen und Maßnahmen des Europäischen Parlaments klar zu Sprache zu bringen, wenn sie den Dialog mit den nepalesischen und der Chinesischen Machthabern führt.
Sari Essayah (PPE). – (FI) Herr Präsident! China hat seinen Druck auf die tibetische Exil-Regierung erhöht. Mehr als 10 000 in Nepal lebenden Tibetern wurde es nicht gestattet, einen Premierminister und ein Parlament der Exil-Regierung zu wählen. Unter dem Druck Chinas unterstützen die wichtigsten nepalesischen Parteien die sogenannte Ein-China-Politik und sie betrachten Tibet als untrennbaren Teil Chinas. Aus diesem Grund stehen die tibetischen Flüchtlinge in Nepal zu jeder Zeit unter strenger Kontrolle.
Auch wenn sich diese Entschließung mit dem Verbot der Wahl befasst, steht die Besatzung Tibets durch China im Hintergrund. Entsprechend des wachsenden wirtschaftlichen Einflusses wächst auch die Autorität Chinas und der dadurch ausgeübte Druck stetig.
Diese Entschließung, genau wie die vorherige über Ai Weiwei, zeigt, wie trostlos die von der Kommunistischen Partei Chinas verfolgte Politik ist. Wie der Kommissar sagte, muss die Politik Europas gegenüber China einheitlich sein.
Seán Kelly (PPE). – Herr Präsident! Ich wollte ursprünglich nicht das Wort ergreifen, da der Dalai Lama nächsten Donnerstag mein Land besuchen wird und in meinem Wahlkreis an der Universität von Limerick einen Vortrag halten wird, bei dem er, davon bin ich überzeugt, viel über dieses und andere Themen zu sagen haben wird. Offenkundig ist das Verhalten des nepalesischen Innenministeriums, die Wahlurnen zu beschlagnahmen, absolut verwerflich. Und in Kathmandu – einem durch Geschichten und Lieder bekannten Ort, was das Ganze noch trauriger macht – wurden bis zu 10 000 Stimmen nicht zur Auszählung zugelassen.
Wir können nur hoffen, dass wir in der Europäischen Union durch geschlossenes Erheben unserer Stimmen Druck ausüben können, nicht nur auf Nepal sondern auch auf ihre Herren in China, damit diese sich darum bemühen, etwas mehr Verständnis aufzubringen, vor allem in Bezug auf Tibet und den Dalai Lama.
Abschließend möchte ich sagen, dass er in Irland ebenso willkommen sein wird wie die Königin von England und Präsident Obama, die ebenfalls kommen werden.
Mitro Repo (S&D). – (FI) Herr Präsident! Das Recht auf Teilnahme an demokratischen Wahlen ist ein allgemein geltendes Grundrecht. Die aktuellen Wahlen sind für die Bewahrung der tibetischen Identität und Kultur von großer Bedeutung. Die Tibeter wählen ein neues geistiges Oberhaupt, da der jetzige Dalai Lama zurücktritt.
Im Jahre 2009 einigten wir uns darauf, dass die Europäische Union Demokratie und auf Mitbestimmung basierende Regierungsformen im Zuge ihrer Außenpolitik unterstützen würde. Wir müssen konsequent sein und hinter dieser Strategie stehen.
Offenbar stellt sich Nepal auf die Seite Chinas, da es unter Druck gesetzt wird. Nepal muss an seine internationalen Verpflichtungen im Hinblick auf die Menschenrechte erinnert werden, um die demokratischen Rechte der Tibeter zu schützen und das Abhalten freier Wahlen sollte nicht verhindert werden.
Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. – Herr Präsident! Wie Sie wissen, leben rund 20 000 Tibeter in Nepal, die meisten schon seit langer Zeit. Sie haben die Freiheit wirtschaftlicher Handlungen und das Recht, in Nepal zu leben, genossen sowie bis vor Kurzem auch einen gewissen politischen Spielraum, in dem sie selbst die Zukunft Tibets diskutieren konnten.
Die kürzlich abgehaltenen Wahlen am 20. März waren für die Gemeinschaft außerhalb Tibets ein wichtiges Ereignis und sie stellen im langwierigen Reform-Prozess, den der Dalai Lama anstieß, einen deutlichen Schritt nach vorne dar.
Vor diesem Hintergrund stellen wir besorgt fest, dass die nepalesischen Behörden den Spielraum für politische Aktivitäten der Tibeter in Nepal einengen. Am 20. März wurden über 10 000 von ihnen tatsächlich von den Behörden an der Stimmabgabe gehindert. Dies ist nicht das erste Mal, dass dies geschehen ist. Im Zuge eines früheren Wahlgangs in Nepal am 3. Oktober letzten Jahres führten die nepalesischen Behörden bei den Wahlen eine Razzia durch, wobei Wahlurnen beschlagnahmt und die Wahllokale der tibetischen Gemeinschaft geschlossen wurden.
Die Europäische Union überwachte diese Entwicklungen in engem Kontakt mit der tibetischen Gemeinschaft und Regierung mithilfe ihrer Delegation in Kathmandu und der Botschaften der Mitgliedstaaten der EU. Die Europäische Union vertritt den Standpunkt, dass die tibetischen Flüchtlinge entsprechend der internationalen Menschenrechtsstandards ihr Recht auf Versammlung ausüben können sollten. Dies sollte in einer Art und Weise geschehen, die die reibungslose Umsetzung dieser Rechte gewährleistet.
Der Zugang zum Hoheitsgebiet Nepals sollte aufrechterhalten und das „Gentlemen's Agreement“ zwischen der Regierung Nepals und dem UN-Flüchtlingskommissar geachtet werden. Neuankömmlinge aus Tibet, die von den nepalesischen Behörden en route nach Kathmandu aufgegriffen werden, sollten unverzüglich und ohne Behinderung in die Obhut des UNHCR übergeben werden. Die Tibeter, die vor 1990 eingereist sind und von der nepalesischen Regierung als Flüchtlinge anerkannt werden, sollten mit einer entsprechenden nepalesischen Registrierung ausgestattet werden.
Ich möchte sicherstellen, dass dieses Haus und die EU dieses Thema bei Kontakten mit den Behörden weiterhin zur Sprache bringen und die zukünftigen Entwicklungen weiterhin überwachen und darüber berichten werden.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung wird in Kürze stattfinden.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Eija-Riitta Korhola (PPE), schriftlich. – (FI) Tibets Dalai Lama hat beschlossen, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen und weiterhin das geistige Oberhaupt seines Volkes zu sein. Er ist selbstverständlich eine der bekanntesten Führungspersönlichkeiten und Menschen auf der ganzen Welt haben Stärke und Trost aus seinen Lehren über Güte, Verständnis und Pazifismus gewonnen.
Seine spirituelle Rolle wird weiterhin bestehen aber seine politischen Pflichten werden nun dem Premierminister der tibetischen Exil-Regierung übertragen. Dies wird allerdings gewisse Probleme mit sich bringen. Infolge des wachsenden Drucks von Seiten der chinesischen Regierung durften die rund 20 000 in Nepal lebenden Tibeter nicht wählen. Die nepalesische Regierung sagte, dass die Demonstrationen der Tibeter sich gegen die „Ein-China-Politik“ richteten und sie bekräftigte ihre Absicht, keine „Beijing-feindlichen“ Aktivitäten auf ihrem Staatsgebiet zu dulden. Daher wurde ein Wahlverbot für sämtliche tibetischen Gruppen ausgesprochen.
Diese Vorgehensweise ist nicht überraschend, da die nepalesischen Behörden sich wiederholt der Verletzung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Menschenrechte der Exil-Tibeter schuldig gemacht haben. Dies ist der Fall, obwohl Nepal die internationalen Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen in Bezug auf zivile und politische Grundrechte unterzeichnet hat.
Der Europäische Auswärtige Dienst sollte über seine Delegation in Kathmandu die politische Situation in Nepal und insbesondere die Behandlung der tibetischen Flüchtlinge überwachen und sicherstellen, dass ihre Rechte gewahrt werden. Die Aufrechterhaltung demokratischer Grundsätze ist wichtig, wenn die tibetische Identität innerhalb und außerhalb Tibets bewahrt und gestärkt werden soll.
Tadeusz Zwiefka (PPE), schriftlich. – (PL) Die gesamte Welt ist sich der Komplexität der Situation des tibetischen Volkes bewusst, das seit Jahrzehnten nicht einmal mehr die Unabhängigkeit fordert, sondern lediglich die Achtung der Grundrechte der Autonomie durch die chinesische Regierung. Ein Staat mit einer derartig umfangreichen und einzigartigen Kultur lebt unter der konstanten Bedrohung durch einen mächtigen Nachbarn. Nun, da der Dalai Lama sich zugunsten einer neuen Generation demokratischer Führungskräfte von der politischen Führungsrolle zurückgezogen hat, standen die Tibeter vor eine Möglichkeit, demokratische Traditionen zu bestärken, obwohl die tibetische Regierung nach wie vor gezwungen ist, im Exil zu agieren. Jedoch leben tausende Tibeter in Nepal, die dieses Rechts beraubt wurden. Der Druck von Seiten Chinas scheint sehr wirkungsvoll zu sein und was bislang als friedliche Demonstrationen für die Verteidigung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Grundrechte war, könnte sich zu einer schwer zu kontrollierenden Situation entwickeln, was mit Sicherheit internationale Konsequenzen nach sich ziehen würde. Letzten Endes können wir uns vorstellen, wie effektiv die chinesische Regierung mit denjenigen verfahren will, die in Tibet „den Frieden stören“. Die aktuellen Ereignisse sollten die Welt daran erinnern, dass die Rechte des tibetischen Volkes laufend verletzt werden und dass das Thema Tibet noch nicht abgeschlossen ist, denn die Tibeter werden auch weiterhin auf die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit pochen und sie werden dies mit stetig wachsendem Aufbegehren tun.