Der Präsident. – Der nächste Punkt ist die Erklärung der Kommission im Namen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zum Gipfel EU-Russland.
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, ich bin für diese Gelegenheit dankbar, mit Ihnen den nächsten EU-Russland-Gipfel zu diskutieren, der morgen in Nizhny Novgorod beginnen wird. Die Europäische Union wird von den Präsidenten des Europäischen Rates und der Kommission vertreten sein. Die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin Ashton wird daran teilnehmen, ebenso wie Kommissar De Gucht.
Der Gipfel ist sorgfältig vom Europäischen Auswärtigen Dienst in enger Zusammenarbeit mit der Kommission und den beiden Präsidenten vorbereitet worden. Die Vorbereitungen bauen auf Debatten Ende 2010 und im Januar 2011 im Europäischen Rat und dem Rat über Russland als strategischen Partner, auf Ergebnisse des vorherigen EU-Russland-Gipfels und den Besuch der russischen Regierung bei der Kommission im Februar auf.
Insgesamt haben sich unsere Beziehungen in den vergangenen zwei Jahren verbessert. Wir haben bilaterale Verhandlungen über den WTO-Beitritt Russlands abgeschlossen, dem Ansatz zu einem möglichen zukünftigen Regime für visumfreies Reisen sowie der Partnerschaft für die Modernisierung zugestimmt, die sich nun in ihrer Umsetzungsphase befindet.
Es wird auch weiterhin im normalen Rahmen der vier gemeinsamen Räume und in all seinen technischen Gesprächen gearbeitet. Unser Austausch ist recht intensiv. Lassen Sie mich Sie daran erinnern, dass Russland der einzige externe Partner ist, mit dem die Europäische Union zwei jährliche Gipfel durchführt. Der Besuch von Premierminister Putin und eine noch nie so groß gewesene Delegation der russischen Regierung bei der Kommission am 24. Februar war ein deutliches Zeichen für die russische Entschlossenheit, engere Beziehungen und Zusammenarbeit zu suchen.
Dennoch bleiben viele bedeutende bilaterale Probleme ungelöst. Besondere Sorgen bereitet die Lage hinsichtlich der demokratischen Entwicklung und der Menschenrechte in Russland. Im Zusammenhang mit den anstehenden Duma- und Präsidentschaftswahlen wird den Standards des Wahlverfahrens besondere Aufmerksamkeit gelten.
Nun möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf unsere Hauptziele für den Gipfel lenken, nämlich:
Erstens: Die Europäische Union wird danach streben, Russland zu ermutigen, die letzten ausstehenden multilateralen Fragen zu lösen, um den WTO-Beitritt vor Ende 2011 zu erleichtern, und dabei auf das 2004 und im vergangenen Dezember erreichte bilaterale EU-Russland-Abkommen aufbauen. Russland kann noch immer den WTO-Beitritt vor Ende 2011 erreichen, wenn es die notwendigen Entscheidungen trifft, um eine Handvoll ungelöster Fragen auf multilateraler Ebene zu lösen. Der Gipfel kann Verhandlungen in Genf nicht ersetzen, aber er kann Russland drängen, konstruktiv zu handeln.
Zweitens: Die Europäische Union wird Russland vermitteln, dass bei der Zustimmung zu wesentlichen Handels- und Investitionsbestimmungen, auch in Hinblick auf Energie, im Rahmen des neuen EU-Russland-Abkommens mehr Fortschritt erzielt werden muss, um für eine solide rechtliche Grundlage für vertiefte Wirtschaftszusammenarbeit in den kommenden Jahren zu sorgen. Wir schließen es nicht aus, das Problem von Russlands ungerechtfertigtem Verbot von Gemüseimporten aus der Europäischen Union auf dem Gipfel anzusprechen, obwohl wir hoffen, dass wissenschaftliche Beweise schnell eine Lösung auf Expertenebene ermöglichen werden.
Drittens: Wir werden Spitzenunterstützung für die Partnerschaft für Modernisierung als ein wichtiges Instrument für die russischen Zusagen zu Reformen aufrechterhalten.
Viertens: Wir werden Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Russland fördern und
fünftens: Wir werden Russland ermutigen, die Zusammenarbeit in unserer gemeinsamen Nachbarschaft zu vertiefen und den Dialog über andere aktuelle internationale Fragen, wie beispielsweise den Nahen Osten oder Nordafrika fortsetzen. Tatsächlich wird der Fortschritt in Moldawien/Transnistrien als ein wichtiger Testfall für engere außenpolitische Zusammenarbeit dienen.
Schließlich sollten wir den Gipfel auch nutzen, um unser politisches Engagement für den Fortschritt bei der Zusammenarbeit im Krisenmanagement erneut zu bestätigen – vorausgesetzt, unsere Eigenständigkeit bei der Entscheidungsfindung ist in keiner Weise beeinträchtigt.
Energie spielt auch eine wichtige Rolle bei unseren Beziehungen mit Moskau. Wir werden die Notwendigkeit weiterer Reformen im russischen Strom- und Gassektor mit Hinblick auf die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen betonen. Wir werden auch die Notwendigkeit betonen, in der Bekämpfung des Klimawandels zusammenzuarbeiten.
Um unsere Ziele höchster Standards bei der Atomsicherheit zu verfolgen, interagieren wir mit Russland sowohl auf bilateraler Ebene, als auch in multilateralen Foren, wie der Internationalen Atomenergie-Organisation und den G8.
Wir werden unsere Einladung an Russland wiederholen, Verhandlungen über ein umfassendes EURATOM-Russland-Abkommen aufzunehmen, das die höchsten Standards für Atomsicherheit fördern sollte. Hinsichtlich des Unglücks von Fukushima wird die Europäische Union auf die Gleichwertigkeit von Stresstestansätzen sowohl für existierende, als auch für geplante Kernkraftwerk drängen.
Zu guter Letzt haben wir ein klares Verfahren für visumfreies Reisen aufgenommen. Die Europäische Union hat ihren Vorschlag für die Liste gemeinsamer Schritte in Richtung der möglichen Schaffung eines Regimes des visumfreien Reisens vorbereitet und ihr im März zugestimmt. Im April haben wir tatsächlich Verhandlungen aufgenommen. Seitdem fand ein Ständiger Partnerschaftsrat für Justiz und Inneres statt und deutliche Fortschritte wurden erzielt. Aber die Verhandlungen über gemeinsame Schritte auf Expertenebene sind bisher nicht beendet. Wir müssen bei dem Gipfel deutlich sagen, dass es keine politischen Abkürzungen gibt.
Was Russland angeht, kann erwartet werden, dass sich die Hauptziele für den Gipfel auf Visa, die WTO, Energie – einschließlich der Atomsicherheit – und Sicherheitszusammenarbeit konzentrieren. Russland kommt vielleicht auf die Idee eines Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees auf Ministerebene zurück. Wir glauben, dass die notwendigen Strukturen für die Zusammenarbeit geschaffen sind; wir brauchen politisches Engagement, um substanziellen Fortschritt zu erzielen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und ich freue mich auf Ihre Kommentare.
Ria Oomen-Ruijten, im Namen der PPE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, vielen Dank für die gute Zusammenarbeit, die Sie beim Entwurf der Entschließung gezeigt haben. Ich werde nichts mehr über die Punkte sagen, die der Kommissar erwähnt hat, weil sie von der Entschließung abgedeckt sind. Was die Europäische Volkspartei (Christdemokraten) betrifft, muss die endgültige Erklärung des Gipfels nächste Woche mehr sein, als nur schöne Worte. Russland ist unser größter Nachbar; Russland ist ein wichtiger Partner. Wir hängen voneinander ab, und das Ausmaß der Abhängigkeit ist groß, so dass wir nun echte Abkommen erwarten, die zu Ergebnissen führen werden.
Was hat für uns Vorrang? Zuallererst das Partnerschaftsabkommen. Wir müssen die Verhandlungen in Bewegung setzen. Ich erwarte, dass die EU Präsident Medvedev überzeugen wird, seinem Verhandlungsteam eine Vollmacht zu geben, um spezifische Verpflichtungen einzugehen. Es ist höchste Zeit, dass die Akte über Handel und Investition wieder in Bewegung kommt. Die Verhandlungen über das Energiekapitel ist auch hinterher. Wir brauchen Abkommen über eine solide und transparente Energiepartnerschaft, die auf Regeln basiert.
Ich möchte auch hören, wo wir uns im Absatz über Menschenrechte befinden. Für uns, für das Parlament, ist dies ein entscheidender Teil der Partnerschaft. Ich sehe den Modernisierungspakt als eine ergänzende Frage, ebenso wie es die gemeinsamen Räume sind. Dies ist eine zweitrangige Frage, aber es würde helfen, wenn wir die WTO-Regeln durchbekämen. Das würde dabei helfen, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, während wir das Investitionsklima erleichtern.
Präsident Medvedev ist persönlich an der Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit beteiligt, aber das ist, wie Sie gerade sagten, nicht genug. Wir müssen sicher sein, dass Russland in den anstehenden Wahlen den Verpflichtungen, die es im Europarat und in der OSZE eingegangen ist, gerecht werden wird. Die Wahlen werden eine Feuerprobe sein. Das bedeutet dann auch, dass es neuen Parteien gestattet sein muss, sich anzumelden. Russland sollte sich geehrt fühlen, dass Wahlbeobachter weit im Voraus hinzugezogen wurden. Schließlich ist der Importverbot von europäischem Gemüse (...)
(Der Präsident unterbricht die Rednerin)
Hannes Swoboda, im Namen der S&D-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Russland ist sicherlich für die Europäische Union ein sehr wichtiger Partner, aber – wie der Kommissar schon gesagt hat – ein sehr schwieriger Partner. Ich hoffe auf schnelle Verhandlungen. Aber so schnell, wie sich Frau Oomen-Ruijten das vorstellt, wird es leider nicht gehen. Dabei müssen wir den Dialog sowohl mit den offiziellen, gewählten Vertretern führen als auch mit denen der Zivilgesellschaft, die uns oft in Fragen der Demokratie und Menschenrechte näherstehen.
Die Idee einer Modernisierungspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland ist gut. Aber Russland muss auch das Seine dazu tun. Wir brauchen mehr Demokratie, weniger Korruption. Nach wie vor hören wir von vielen Investoren Klagen über Rechtsunsicherheit, insbesondere bei den Steuern. Und vor allem brauchen wir – wie der Kommissar schon erwähnt hat – die schnelle Vorbereitung auf den WTO-Beitritt und die WTO-Mitgliedschaft. In der Energiepolitik brauchen wir das verpflichtende Bekenntnis Russlands zu den Grundsätzen einer transparenten und fairen Energiepolitik. Russland kann sehr viel selbst tun, insbesondere was die Energieeffizienz betrifft, da gibt es ja nach wie vor große Mängel.
Apropos Energie: Ich möchte ein Thema aufgreifen, das gerade seinen Nachbarn, unseren gemeinsamen Nachbarn betrifft, nämlich die Ukraine. Gerade in diesen Tagen versucht Russland wieder, die Energiefrage und die Energiepreise als politische Waffe zu verwenden. Das müssen wir strikt ablehnen! Wir bekennen uns zur Freiheit der Ukraine sich zu entscheiden, in welchen Märkten sie auftreten wollen, wo sie auch entsprechend aktiv sein wollen. Wir wollen ja Handelsbeziehungen und einen Handelsvertrag mit der Ukraine. Russland soll hier nicht die Ukraine unter Druck setzen, indem es anbietet, entweder der Zollunion mit Kasachstan und Weißrussland beizutreten oder einen hohen Energiepreis zu zahlen. Das lehnen wir ab!
Apropos Nachbarn: Wir erwarten auch von Russland, dass auch gegenüber Georgien die vertraglichen Vereinbarungen eingehalten werden und sich die Truppen wieder auf jene Gebiete zurückziehen, in denen sie vor dem Konflikt standen. Wir erhoffen auch von Russland einen positiven Beitrag zum Nagorny-Karabach-Konflikt. Dabei geht es auf beiden Seiten nicht um Waffenlieferungen, sondern um friedliche Vermittlung zwischen beiden Seiten.
Der Herr Kommissar hat es bereits erwähnt: Die Visa-Liberalisierung ist eine wichtige Frage. Gerade für die zwischenmenschlichen Beziehungen ist es wichtig, dass es hier einen möglichst freien Personenverkehr zwischen Russland und der Europäischen Union gibt. Ich hoffe, dass wir da bald zu Fortschritten kommen.
Eine entscheidende Frage wird allerdings sein, wie die nächsten Wahlen abgehalten werden. Russland soll wissen, dass die Welt und insbesondere die demokratische Welt in Europa genau beobachten wird, wie diese Wahlen abgewickelt werden, ob die Registrierung von Parteien korrekt und fair vor sich geht oder ob hier gewisse Personen oder gewisse Parteien von vorneherein ausgeschaltet werden. Das sollte man Russland gerade auch beim Gipfel klar sagen. Wir wollen faire und korrekte Wahlen auch in Russland haben!
Russland hat noch viel zu tun, um wirtschaftlich aufzuholen. Aber Russland ist reif genug für die Demokratie. Wir wollen die Demokratie in Russland sehen, genauso wie die Bürger in Russland das selbst wollen. Das ist unser Wunsch und unsere Vorstellung. Russland soll sich bewusst sein, Demokratie ist auch etwas Gutes für Russland!
Kristiina Ojuland, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, wir hoffen, dass weiterer Fortschritt beim Gipfel in Nizhny Novgorod hinsichtlich des neuen und umfassenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens erzielt werden wird.
Sowohl die EU, als auch Russland müssen daran denken, dass eine wahre Partnerschaft nur in einer ehrlichen Beziehung bestehen kann. Im Namen der ALDE-Fraktion möchte ich die Vertreter der EU auffordern, alle im Europäischen Parlament genannten Bedenken mit ihren russischen Amtskollegen anzusprechen.
Die Europäische Union wird großen Schwierigkeiten bei den Beziehungen mit Russland gegenüberstehen, wenn sich die beiden Partner nicht auf dieselben Werte und Grundsätze verlassen. Wenn sich der Kreml noch weiter von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entfernt, wird Russland jede Legitimität als Partner für die EU verlieren.
Beispielsweise hat der Kreml eine Reihe politischer Parteien aus Verfahrensgründen daran gehindert, sich für die Wahl der Staatsduma anzumelden, und die Liste wird wahrscheinlich um die von Mikhail Kasyanov, Vladimir Milov, Boris Nemtsov und Vladimir Ryzhkov geführte Partei der Volksfreiheit erweitert. Die zunehmende Unterdrückung der Opposition muss auf dem Gipfel angesprochen werden und es muss den Oppositionsparteien erlaubt werden, sich anzumelden.
Meine Damen und Herren, Russland ist nicht China. Russland ist ein Mitglied des Europarates und der OSZE; deswegen müssen internationale Verpflichtungen geachtet werden. Außerdem muss Russland an seiner eigenen Verfassung festhalten.
Russland muss die Souveränität und die territoriale Integrität seiner Nachbarn achten. Wir bestehen darauf, dass es aufhört, die Ukraine zu bedrängen – wie meine Kollegin gerade sagte – wie es beispielsweise Premierminister Putin gestern tat, als er den Premierminister der Ukraine traf und sie drängte, der Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan beizutreten. Das können wir nicht akzeptieren. Wir erwarten von Russland, dass es seine Truppen sofort aus Georgien auf Positionen von vor dem Konflikt zurückzieht.
Schließlich ist die ALDE-Fraktion sehr enttäuscht, dass Russland einen Tag vor dem Gipfel ein unverhältnismäßiges Verbot von Gemüse aus der EU auferlegt hat.
Charles Tannock, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident, Russland ist für die EU in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Partner. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat übt Russland einen möglicherweise entscheidenden Einfluss auf internationale Politik, von unseren Beziehungen mit Nordkorea bis zu seiner Beteiligung am UN-Quartett, aus. Ich begrüße auch jüngste Forderungen von Präsident Medvedev, dass der libysche Tyrann Muammar Gaddafi die Macht abgibt. Ich hoffe auch, dass sich der Kreml dem Rest der internationalen Gemeinschaft dabei anpassen wird, die Verbreitung von Kernwaffen im Iran aufzuhalten.
Ich akzeptiere auch, dass Russland wirtschaftliche Interessen in den ehemaligen Sowjetrepubliken hat, von denen nun einige –glücklicherweise – von Moskau weg zur EU streben. Die EU sollte jedoch weiterhin darauf bestehen, dass es diese nun unabhängigen Länder wie die Ukraine unterstützen und Gespräche führen und dafür sorgen wird, dass ihnen hinsichtlich euro-atlantischer Ziele die Tür offen steht. In dieser Hinsicht hoffe ich, dass die Vizepräsidentin/Hohe Vertreterin die Frage Georgien ansprechen wird, dessen Territorium weiterhin annektiert und illegal von russischen Soldaten besetzt ist, und auch Druck auf Russland ausüben wird, um die transnistrische Frage in der Republik Moldau zu lösen. Ich akzeptiere auch, dass die Kommission nun vorschlägt, dass der EU-Russland-Gipfel jährlich und nicht alle sechs Monate stattfinden sollte, was eine gute Idee und zukunftsweisend ist.-
Russland ist keine reife liberale Demokratie. Noch ist es ein Land, dass über eine unabhängige Judikative verfügt. Aber ob wir es mögen oder nicht, müssen wir uns doch mit dem Bären einlassen.
Werner Schulz, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar Füle! Es mag auf den ersten Blick verständlich erscheinen, dass sich Russland gegen das Eindringen des EHEC-Erregers abschirmt. Von einem WTO-Aspiranten ist allerdings anderes zu erwarten als ein totales Einfuhrverbot für europäisches Gemüse. Auch darüber wird man in Nizhny Novgorod sprechen müssen. Wichtiger ist allerdings der ehrliche Befund zu den politischen Keimen, den schwachen Keimen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Hier sollten wir im Rahmen der Modernisierungspartnerschaft alles tun, damit sich diese Ansätze in Russland ausbreiten und entwickeln können.
Präsident Medvedev hat erkannt, dass eine ökonomisch-technische Modernisierung ohne eine grundlegende gesellschaftliche Modernisierung nicht zu haben ist. Jedoch sind seinen starken Worten bisher nur sehr schwache Taten gefolgt. Deswegen sollten die Repräsentanten der EU Präsident Medvedev eindringlich klarmachen, dass die bevorstehende Duma-Wahl ein Test für die Glaubwürdigkeit seiner Reformpolitik ist.
Echte und korrekte Wahlen gehören zum Fundament der Demokratie. Wer Pluralismus und politischen Wettbewerb will, der sollte dafür sorgen, dass die vom Europarat deklarierten Wahlstandards eingehalten werden und dass eine frühzeitige und langfristige Wahlbeobachtung durch die OSZE erfolgt.
Faire Wahlen beginnen schon bei der Zulassung von Parteien. Leider gibt es erste Hinweise, dass die russische Staatsführung aus dem Urteil des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zur unbegründeten Auflösung der Republikanischen Partei nichts gelernt hat und offenbar die neugegründete Partei der Volksfreiheit nicht zulassen will.
Doch weitere Kremlparteien und eine von Ministerpräsident Putin initiierte allrussische Volksfront führen in eine politische Sackgasse. Dieser Scheinwettbewerb hat das Land in die politische Apathie geführt und die Duma entwertet. Hier könnte Präsident Medvedev einen Durchbruch schaffen und seine Präsidentschaft zumindest mit einem vorzeigbaren Ergebnis abschließen.
Insbesondere im Fall von Chodorkowski und Magnitski sollte man nicht auf ein Urteil aus Straßburg warten, sondern der juristischen Willkür ein Ende setzen. Die Überprüfung dieser Fälle durch die Fedotow-Kommission ist ein richtiger und erster Schritt. Deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen sollten möglichst bald veröffentlicht werden.
Ein wichtiger Gesprächspunkt sollte die künftige Einbeziehung des unlängst in Prag gegründeten zivilgesellschaftlichen Forums in die Gespräche und Verhandlungen zwischen der EU und Russland sein. Denn gerade die Ereignisse in Nordafrika zeigen, dass wirksame Reformen eine aktive Bürgergesellschaft brauchen. Hierzu sollte die russische Regierung die Vermittlung im eigenen Land übernehmen und eine Modernisierungspartnerschaft mit der Zivilgesellschaft anstreben.
Vladimír Remek, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Herr Präsident, Herr Kommissar, ich habe erfolglos eine Antwort auf die Frage gesucht, warum wir eine Entschließung über den Gipfel mit Russland am Vortag des Gipfels selbst debattieren und darüber an dem Tag abstimmen, an dem der Gipfel in Nizhny Novgorod stattfindet. Außerdem war das Thema zu Beginn vergangener Woche noch nicht einmal auf der Tagesordnung des Plenums. All das hat den Beigeschmack schlechter Planung, und nun ist es meiner Meinung nach eine Formsache. Außerdem wiederholen wir notorisch Proklamierungen und Forderungen, die eindeutig keine Hoffnung auf Erfolg haben, anstatt durch Verfahren mit hohen Grundsätzen nach einem neuen Abkommen über Beziehungen mit Russland zu streben, das wir als einen wichtigen Partner anerkennen.
Wir sollten zu allererst auf den Fragen aufbauen, in denen Fortschritte erzielt werden können. Ein Beispiel ist der Fortschritt bei Abkommen über die geplante erleichternde und möglicherweise endgültige Entfernung gegenseitiger Visavereinbarungen mit Russland. Stattdessen kritisieren wir die Position von Russland im Fall von Gemüseimporten aus der EU. Wie wirkt unser eigenes Verhalten jedoch außerhalb der Union? Wenn man die Quelle der tödlichen Bakterie und den Mangel harter Beweise betrachtet, beschuldigen wir einander, schränken Importe und Exporte von Waren ein und verlangen Entschädigung. Wir können sicherlich unsere eigenen Schlüsse hinsichtlich des Vertrauensgrades ziehen, den wir erwecken, und nicht nur in Russland.
Fiorello Provera, im Namen der EFD-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, der Dialog zwischen der Europäischen Union und Russland muss so weit wie möglich auf verschiedene Gebiete von der Wirtschaft bis zu Menschenrechten ausgedehnt werden, weil es keine Alternativen zum Dialog gibt. Europa und Russland hängen tatsächlich sowohl wirtschaftlich, als auch politisch voneinander ab.
Ich denke an ungelöste internationale Fragen wie die Sicherheit der Energieversorgung, den Maghreb, Irans Atompotenzial, Terrorismus, den Kaukasus, Nagorny-Karabach, den Klimawandel und andere. Russland ist für Europa ein strategischer Partner, nicht zuletzt aufgrund der Synergien, die in Zukunft aufgebaut werden können. Wie es bereits ansatzweise geschieht, kann Moskau uns mit Mineral- und Energiequellen versorgen und bei militärischer Sicherheit sowie im Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen mit uns zusammenarbeiten. Europa kann mit Finanzmitteln, wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten und unserer langwährenden Erfahrung auf dem Gebiet der Demokratie und der Menschenrechte Beiträge leisten.
Russlands Zukunft ist mit der von Europa verbunden und muss ausdauernd ohne Selbstzufriedenheit und trotz der vielen Schwierigkeiten, die derzeit existieren, entwickelt werden. In dieser Hinsicht ist der Abschluss des strategischen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und Russland von großer Bedeutung für unsere gemeinsame Zukunft.
Béla Kovács (NI). – (HU) Herr Präsident, in Zusammenhang mit dem anstehenden Gipfel möchte ich die Aufmerksamkeit der Verhandlungsdelegation auf zwei Dinge lenken. Zunächst möchte ich sie ermutigen, die Bedeutung der russischen Energieimporte zu überdenken und zweitens das Partnerschaftsabkommen so zu erweitern, dass die Vertreter der EU als Beobachter an den Wahlen, die im Dezember diesen Jahres sowie an den Präsidentschaftswahlen im März 2013 teilnehmen könnten. Wie wir erkennen können, werden die Energieimporte aus Russland wahrscheinlich zunehmen, da viele europäische Kernkraftwerke nach der Durchführung der Stresstest stillgelegt werden.
Also beginnen wir erneut, uns Sorgen zu machen, dass wir in Zukunft von Russland wieder abhängiger sein werden. Ich möchte Sie jedoch daran erinnern, dass die Medaille eine zweite Seite hat. Russland ist genauso abhängig von der Europäischen Union, weil sie die meisten ihrer Produkte an uns verkaufen. Wenn wir ihre Energieprodukte nicht kaufen, wird die russische Wirtschaft in Zukunft ernste Stabilitätsprobleme erleben.
Elmar Brok (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Russland und die Europäische Union sind Partner aus Interessenlagen und aus der geografischen Lage heraus. Ob uns das passt oder nicht, es ist der Fall. Eine solche Partnerschaft muss man positiv und konstruktiv gestalten. Deswegen ist es notwendig, dass wir mit den Partnerschaftsabkommen und mit den Visafazilitäten weiterkommen, dass die Modernisierungspartnerschaft wirklich mit Inhalt gefüllt wird, um dort weiterzukommen.
Wir müssen aber sehen, dass daraus auch gegenseitige Verpflichtungen entstehen, auch einschließlich der WTO-Mitgliedschaft, dass man dann nämlich nicht mehr machen kann, was man will, sondern dass diese vereinbarten vertraglichen oder internationalen Regeln jedermann binden und Willkürlichkeiten im gegenseitigen Umgang keinen Platz haben. Das schließt beispielsweise auch aus, dass Energie als politische Waffe benutzt werden kann.
Diese gemeinsame Interessenlage muss positiv und konstruktiv gestaltet werden, und im außenpolitischen Bereich gehört natürlich auch dazu, dass Russland Verantwortung übernehmen muss. Wir sehen in diesen Stunden gerade den Fall Syrien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In solchen Fällen hat Russland einen konstruktiven Beitrag zur Schaffung einer friedlichen internationalen Gesellschaft zu leisten. Das bedeutet aber auch, dass die souveränen Rechte der Nachbarstaaten und deren Entscheidungen, Bündnisse einzugehen, die sie eingehen wollen, akzeptiert werden. Außerdem muss Russland bei frozen conflicts einen positiven Beitrag leisten und den rechtswidrigen Zustand in Abchasien und Südossetien jetzt beenden.
Wir haben eine gemeinsame Verantwortung in der globalen Welt. Wir sehen, dass Russland und die Europäische Union ein hohes Maß an gemeinsamen Interessen in dieser globalen Ordnung haben und dass wir aus dieser Interessendefinition dafür sorgen müssen, dass Russland erkennt, dass Demokratie und Rechtsstaat auch für die innere Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind. Nicht nur in der Beziehung zu uns allein bedarf es eines bestimmten Maßes an Konditionalität, sondern ein Land, das kein Rechtsstaat ist, ist auch kein guter Platz für Investitionen, weil es keine Rechtssicherheit gibt. Wer keinen Rechtsstaat und keine Demokratie hat, kann auf Dauer auch nicht wirklich fortschrittlich sein zum Wohle seiner eigenen Bürger. Wir wollen hoffen, dass die Modernisierungspartnerschaft und andere Angelegenheiten dazu beitragen, hier einen gemeinsamen positiven Weg zu finden.
Knut Fleckenstein (S&D). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur auf zwei Punkte eingehen, weil Herr Swoboda für unsere Fraktion auf viele Punkte schon eingegangen ist. Ja, Russland steht vor entscheidenden Weichenstellungen. Seine innenpolitische Situation wird bestimmt durch die Duma-Wahlen im Dezember und die Frage, wer 2012 als Staatspräsident die begonnene Modernisierung weiterführen wird.
Man kann es auch positiv ausdrücken. Es gibt keine bessere Gelegenheit, das internationale Vertrauen in Russlands Entwicklung zu stärken. Voraussetzung dafür sind faire Wahlen, faire Möglichkeiten der Registrierung und ein Zugang zu den Medien für die Kandidaten, damit Chancengleichheit wenigstens ansatzweise gewahrt ist.
Der zweite Punkt ist die Partnerschaft für Modernisierung zwischen der EU und Russland. Sie eröffnet neue Chancen für eine wirksame Zusammenarbeit. Wir dürfen deshalb die Gelegenheit nicht verpassen, Russland tatkräftig bei dieser Modernisierung zu unterstützen, und zwar nicht nur durch Investitionen in die Modernisierung der Wirtschaft, sondern auch in seine Gesellschaft. Regierungen beschreiben Papier, und Papier ist bekanntlich geduldig. Aber zu Recht ungeduldig werden Bürgerinnen und Bürger, wenn das, was auf dem Papier steht, nicht umgesetzt wird.
Bürgerschaftliches Engagement und die Einbindung der Zivilgesellschaft, der Unternehmer, der Forscher, der Jugend, der Künstler sind unabdingbare Voraussetzungen für eine selbstbestimmte und solidarische Gesellschaft. Eine solche Modernisierung kann aber auch mit unserer Unterstützung nur gelingen, wenn Menschen unkompliziert zusammenkommen können, um voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. Aus diesen Gründen sollten die EU und Russland endlich eine Einigung darüber erzielen, welche gemeinsamen Schritte auf dem Weg zur Visafreiheit getan werden müssen und wie man sie umsetzt, um möglichst schnell Ergebnisse zu erreichen.
Wir sprechen über die Menschen im Kaliningrader Gebiet, denken über Erleichterungen nach. Wir haben vor einem Monat hier im Haus beschlossen, dass Kulturschaffende Visaerleichterung erhalten sollten. Wir reden darüber, ob es vielleicht junge Menschen sind, die besonders berücksichtigt werden sollen. Alles gute Möglichkeiten des Einstiegs, aber kein Ersatz für eine umfassende Lösung. Deshalb meine Bitte an die Kommission: Nehmen Sie Geschwindigkeit auf! Mit unserer Unterstützung, auch gegenüber einigen zögerlichen Mitgliedstaaten können Sie jedenfalls fest rechnen.
(Beifall)
VORSITZ: Diana WALLIS Vizepräsidentin
Alexander Graf Lambsdorff (ALDE). - Frau Präsidentin! Man glaubt es ja kaum, unsere Beziehungen zu Russland stehen auf der Grundlage eines Abkommens aus dem Jahr 1994. Seither ist es nicht gelungen, etwas Neues zu beschließen. Kooperation und Konfrontation mit Russland wechseln sich ab. In der Nachbarschaft bedauern wir den Krieg mit Georgien, den Druck auf die Ukraine, die Anerkennung von Herrn Lukaschenka in Weißrussland, die Spaltung der Republik Moldau durch den Transnistrien-Konflikt. Wir freuen uns aber auch über die Zusammenarbeit mit Russland bei der Frage Libyen im Sicherheitsrat oder bei dem Atomprogramm des Iran.
Wenn wir auf Russland selber schauen, dann ist das neue Paradigma die sogenannte Modernisierungspartnerschaft. Aber was ist Modernität ohne Demokratie? In der Prioritätenliste, die Sie, Herr Füle, gerade vorgetragen haben, kamen die Menschenrechte nach den Gurken und die Rechtsstaatlichkeit nach den Tomaten. Erwarten wir überhaupt nichts mehr auf diesem Gebiet? Erwarten wir nichts mehr bei der Demokratisierung Russlands? Ich glaube, wir als Parlament müssen klarmachen, dass wir doch etwas erwarten, z. B. faire Wahlen, da muss es Fortschritte geben.
Eines will ich allerdings auch deutlich sagen: Diese Fortschritte sind oft auf fachlicher Ebene zu erreichen. Diese zwei Gipfel im Jahr sind überflüssig! Machen Sie einen Gipfel wie mit den Amerikanern auch. Es gibt genug Austausch mit den Russen in den Fachgebieten, sonst gibt es Gipfel ohne Inhalt, und das wäre auch nicht gut.
Adam Bielan (ECR). – (PL) Frau Präsidentin, meiner Meinung nach sind die wichtigsten Aspekte der Beziehungen mit Russland die Energiepolitik und die Menschenrechte. Russland verfolgt das strategische Ziel, einzelne Länder durch Erpressungen bezüglich des Themas Gas in der Außenpolitik unter seine Kontrolle zu bringen. Gerade in den vergangenen Tagen haben die russischen Behörden die Ukraine dadurch erpresst, dass sie Änderungen der Gaspreise davon abhängig machten, ob das Land sich der russischen Zollunion oder einer Fusion zwischen Gazprom und Naftogaz anschließt. Die genannten Maßnahmen beenden ziemlich offenkundig die Diskussionen um die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine. Auch langfristige Abkommen betreffend Gaslieferungen sind eine Möglichkeit, die Politiken der EU-Mitgliedstaaten zu beeinflussen. Daher sollten wir die Position der Europäischen Kommission empfehlen, die bestätigt hat, dass das von der polnische Regierung geschlossene Abkommen nicht im Einklang mit EU-Recht steht. Die Preise für russisches Gas in Mitteleuropa liegen bereits fast doppelt so hoch wie in westeuropäischen Ländern. Russlands Diskreditierung der Projekte zur Schiefergasextraktion ist ein weiterer Grund zur Besorgnis.
Das Menschenrechtsproblem wird im Fall Khodorkovsky am offensichtlichsten. Es steht außer Frage, dass dieses Thema angesichts des vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gefällten Urteils betreffend und Unrechtmäßigkeit der Festnahme und Inhaftierung des russischen Geschäftsmannes im Rahmen des Gipfels angesprochen werden muss.
Heidi Hautala (Verts/ALE). – Frau Präsidentin, ich möchte Herrn Kommissar Füle an seine sehr geschätzte Mitteilung zur Europäischen Nachbarschaftspolitik erinnern; und ich verstehe, Herr Kommissar, dass Sie im Wesentlichen einräumen, dass wir auch auf Russland dieselben Grundsätze anwenden sollen, auch wenn Russland nicht Teil der Östlichen Nachbarschaft ist.
Wir sollen jedoch in der Tat fordern, was Sie als tiefe Demokratie bezeichnet haben, und wir müssen ernsthaft an der Unterstützung der Zivilgesellschaft in Russland arbeiten. Ich möchte einige Punkte der gemeinsamen Entschließung betonen, die das Europäische Parlament morgen annehmen wird. Wir betonen die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung enger Kontakte sowie der Unterstützung von Programmen zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Russland. Ich möchte Sie darüber in Kenntnis setzen, Herr Kommissar, dass es heute sehr beunruhigende Nachrichten aus Nischni Nowgorod gibt, wo der Gipfel gerade beginnen wird.
Ich wurde von Organisationen der Zivilgesellschaft darüber informiert, dass die Exekutivorgane vorbeugende Maßnahmen ergriffen haben. Es wurde versucht, Personen zu verhören, die mit Vertretern der EU kommunizieren. Dies ist absolut inakzeptabel. Sogar Personen, die im Bereich Kinderrechte arbeiten, wurden gewarnt, nicht nach Nischni Nowgorod zu fahren. Die Kreditkarten der Hauptorganisatorin der Veranstaltung der Zivilgesellschaft vor Ort – die übrigens die Erste ist, die mit einem Gipfel zwischen der EU und Russland in Zusammenhang steht – wurden gesperrt (natürlich aus technischen Gründen). Auch die Nummernschilder ihres Autos sind auf mysteriöse Art und Weise verschwunden.
Herr Kommissar, ich bitte Sie sicherzustellen, dass die Vertreter der EU auf dem Gipfel in Nischni Nowgorod die Organisationen der Zivilgesellschaft anerkennen und unterstützen. Zu diesem Zweck habe ich mit meinem Kollegen, Herrn Schulz, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Russland, einen Brief an Herrn Präsident Barroso, Frau Vizepräsidentin/Hohe Vertreterin Ashton und Herrn Präsident Von Rompuy geschickt.
Nikolaos Salavrakos (EFD). – (EL) Frau Präsidentin, zunächst möchte ich Ihnen viel Erfolg auf dem morgigen Gipfel wünschen, bei dem die Global Governance, die Weltwirtschaft, der Beitritt Russlands zur WTO sowie internationale Fragen auf der Agenda stehen, unter anderem die Entwicklungen in Nordafrika und dem Nahen Osten.
Russland ist der drittgrößte Handelspartner der EU. Die Exporte der EU nach Russland belaufen sich auf insgesamt 65,6 Mrd. EUR. Laut offizieller Statistiken beträgt das Wirtschaftswachstum in Russland trotz des Klimas in der Wirtschaft derzeit 4 %, und diese Wachstumsrate wird auch für einen langen Zeitraum vorhergesagt. Sein Beitritt zur Welthandelsorganisation wird zahlreiche Möglichkeiten im Hinblick auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland schaffen. Gleichzeitig wird dies jedoch auch innovative Veränderungen in den Bereichen Energie, Kernenergie und internationale Sicherheit mit sich bringen.
Andreas Mölzer (NI). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Für die Europäische Union ist Russland bekanntlich nicht nur in wirtschaftlichen Fragen, sondern auch als strategischer Partner bedeutsam. Gerade im Vorfeld der Verhandlungen über einen WTO-Beitritt Russlands ist der von Moskau verhängte Importstopp für EU-Gemüse sicherlich problematisch, und wir sollten darauf achten, dass Russland in Zukunft mit den WTO-Regeln nicht in Konflikt kommt.
Probleme gibt es aber auch im Bereich des nach wie vor nicht umgesetzten Abkommens aus dem Jahre 2006 bezüglich der EU-Fluglinien. Die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind weiters durch die geplante US-Raketenabwehr in Rumänien belastet. Wenn die EU es mit ihren Strategien zur Verbesserung der Beziehungen zu Russland ernst meint, dann gilt es einerseits, diese Probleme aus dem Weg zu räumen, andererseits aber auch die russischen Befindlichkeiten hinsichtlich einer historischen Einflusssphäre, die es zweifellos gibt bzw. für Russland gibt, zu berücksichtigen. Nur so werden wir weiterkommen.
Paweł Zalewski (PPE). – (PL) Frau Präsidentin, die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland verpflichtet zur Verantwortung, auch gegenüber Drittstaaten. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Kommission auf den Abschnitt der Entschließung lenken, der Russland auffordert, die Lieferung von Energieressourcen nicht als Mittel zur Beeinflussung der Politik seiner Nachbarn zu nutzen. Genau das ist im Fall der Ukraine geschehen, als der russische Premierminister, Herr Putin, im Rahmen seines letzten Treffens mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten, Herrn Azarow, recht offen sagte, dass niedrigere Preise nur dann angeboten und der Gasvertrag nur dann neu verhandelt werden würden, wenn die Ukraine eine Zollunion mit Russland, Belarus und Kasachstan einginge, was wiederum das Ende seiner europäischen Pläne und Ziele bedeuten würde. Dies ist schlichtweg Erpressung. Wenn der Vertrag nicht neu verhandelt wird, könnten die Gaspreise an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine auf 500 EUR pro 1 000 m3 steigen. Die Ukraine zahlt europaweit bereits die höchsten Preise für russisches Gas, obwohl es am nächsten an diesen Gasquellen liegt.
Diese Situation könnte zu einer ernsten Wirtschafts- und Gesellschaftskrise in der Ukraine führen. Ich möchte klarstellen, dass die Europäische Union angesichts der Tatsache, dass wir derzeit erfolgreiche Verhandlungen im Hinblick auf den Beitritt des Landes zu einer Freihandelszone bzw. im Hinblick auf die Schaffung einer solchen Zone führen, Verpflichtungen gegenüber der Ukraine hat. Außerdem werden wir in naher Zukunft Beziehungen mit dem Land als Verbündetem der Europäischen Union aufnehmen. Ich möchte die Kommission bitten, Russland klar und deutlich aufzufordern, diese Praktiken zu beenden.
Kristian Vigenin (S&D). – Frau Präsidentin, diese Woche findet wieder einmal ein EU-Russland-Gipfel statt. Seit dem letzten hat sich viel in der Welt verändert. Lassen Sie mich unter anderem zunächst die arabischen Revolutionen erwähnen, einen Prozess des tiefen Wandels, der praktisch die gesamte arabische Welt betrifft. Die Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima hat die Zukunft der Kernenergie neu gestaltet, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit. Der Klimawandel hat weitere und gefährlichere Folgen mit sich gebracht. Osama ist tot, aber der Terrorismus lebt und richtet sich gegen unschuldige Menschen auf der ganzen Welt.
Die Liste der Ereignisse ist lang, und alle betreffen sowohl die EU als auch Russland, zwei global tätige Nachbarn mit vorwiegend ähnlichen oder sich ergänzenden langfristigen Interessen. Ihre Beziehung kann nur dann weiter entwickelt werden, wenn sie auf gegenseitigem Respekt, Offenheit und Transparenz beruht. Jegliche versteckte Agenda hat das Potenzial, diese Beziehung zu stören oder gar zu zerstören.
Die EU und das Parlament haben die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger Europas stets klar zum Ausdruck gebracht. Im Hinblick auf den bevorstehenden Gipfel möchte ich vier Punkte hervorheben. Zunächst sollte der Gipfel einen entscheidenden Fortschritt hinsichtlich aller noch bestehender Hindernisse betreffend Russlands Beitritt zur WTO liefern. Dieser wichtige Schritt wird bessere Möglichkeiten für Unternehmen auf beiden Seiten schaffen und die Bereiche Handel und Wirtschaftsbeziehungen global weiter liberalisieren. In dieser Hinsicht ist die Anwendung protektionistischer Maßnahmen kontraproduktiv, und wir hoffen, dass diese nicht hinter übertriebenen Gesundheitsbedrohungen versteckt werden, was unserer Meinung nach aktuell bei den Importen von Gemüse aus der EU der Fall ist.
Wir hoffen, dass der im Mai angekündigte Fahrplan für ein visumsfreies Reisen die Visaerleichterung weiter beschleunigen wird und wir somit dem Tag näherkommen, an dem die Visumsbestimmungen zwischen der EU und Russland gänzlich liberalisiert sein werden. In dieser Hinsicht erwartet das Parlament, dass die russischen Behörden sich einiger politisch sensibler Themen korrekt annehmen werden, insbesondere durch die Einstellung der Ausstellung russischer Pässe für die Bewohner von Ossetien und Abchasien.
Ich möchte ein konstruktiveres Engagement Russlands bei unseren Bemühungen zur Unterstützung der Demokratisierung, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts sowie der Stabilität in den sechs Ländern der Östlichen Partnerschaft sehen. Die vergangenen beiden Jahre haben eindeutig gezeigt, dass diese EU-Initiative nicht auf Wettbewerb ausgerichtet ist, sondern vielmehr auf eine Zusammenarbeit mit Russland, da eine stabile und selbstbewusste gemeinsame Nachbarschaft sowohl im Interesse der EU als auch im Interesse Russlands liegt. In dieser Hinsicht drängen wir Russland, seine Bemühungen zur Ermöglichung der friedlichen Beilegung der Konflikte in Transnistrien sowie in der Region Bergkarabach, die immer mehr Grund zur Besorgnis bietet, zu intensivieren.
Letztlich möchte ich erwähnen, dass die EU und Russland nach den Ereignissen in Japan bei der Überprüfung und Ausarbeitung höherer Standards für die Sicherheit der Kernenergie umfassend zusammenarbeiten sollten. Wir erwarten, dass nicht nur in den neu gebauten, sondern auch in den bereits in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken höhere Standards eingehalten werden. Ich hoffe, dass dieses Thema Teil der Diskussionen in Nischni Nowgorod sein kann.
Graham Watson (ALDE). – Frau Präsidentin, der kanadische Premierminister, Pierre Trudeau, hat die gemeinsame Grenze mit den USA damit verglichen, ein Bett mit einem Elefanten zu teilen. Unsere Union muss ihr Bett mit einem Bären teilen.
Wir müssen auch weiterhin versuchen, Beziehungen im Rahmen der vier gemeinsamen Räume sowie auf der Grundlage der letztjährigen Partnerschaft für die Modernisierung zu entwickeln. Wie der Herr Kommissar bereits sagte, konnten in den vergangenen beiden Jahren Verbesserungen verzeichnet werden. Hierzu gehören unter anderem das Abkommen über ein Beratungsgremium für das Thema Gas sowie der verbesserte Frühwarnmechanismus. Ein Fortschritt im Hinblick auf die Lösung des Transnistrien-Konflikts in diesem Monat wäre ein weiterer positiver Schritt.
Wie Baroness Ashton jedoch vergangenen Monat nach dem Khodorkovsky/Lebedev-Urteil sagte und wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon viele Male festgestellt hat, erfordert ein echter Fortschritt einen Respekt für Demokratie und Menschenrechte sowie einen stabilen und fairen rechtlichen Rahmen für Unternehmen. Dies ist in Russland zu oft nicht gegeben. Ein strukturierter zivilgesellschaftlicher Dialog wäre hilfreich; gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels würden dabei helfen, Vertrauen aufzubauen. Der russische Bär hat jedoch noch immer Kopfschmerzen, und ich rate der Kommission, nicht nur ein Glas Honig, sondern auch ein großes Netz mit nach Nischni Nowgorod zu nehmen.
Edvard Kožušník (ECR). – (CS) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, wie Sie sicherlich wissen, ist Russland ein selbstbewusster Staat und die Russen sind ein selbstbewusstes Volk. Die Beziehung zwischen der EU und Russland muss die Form einer echten Partnerschaft annehmen, nicht bloß einer vorgetäuschten. Da wir hervorragende Beziehungen zu den Ländern der Östlichen Partnerschaft haben, müssen die Beziehungen zwischen der EU und Russland mindestens auf dem gleichen Niveau liegen. Daher freue ich mich, dass Sie in Ihrer Rede nicht vergessen haben, die Bedeutung der Abschaffung der Visumpflicht für Russland zu erwähnen, da Beziehungen zwischen Partnern auf Vertrauen und Offenheit aufgebaut sein müssen. Wir sollten Russland deutlich und ernsthaft sagen, wie der Zeitplan für die Abschaffung der Visumpflicht ist und welche Bedingungen hierfür erfüllt sein müssen.
Herr Kommissar, ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie bei der Vorbereitung des EU-Russland-Gipfels an alle Themen gedacht haben, die für die Partnerschaft zwischen der EU und Russland wichtig sind.
Bastiaan Belder (EFD). – (NL) Frau Präsidentin, zunächst ist dies ein sehr dringendes Thema. Ich vertraue darauf, dass auf dem EU-Russland-Gipfel entschieden auf das überaus schädliche und absolut unverhältnismäßige Einfuhrverbot für unser europäisches Gemüse eingegangen werden wird. Die Gemüsebranche erwartet die Aufhebung dieses Verbots, und sie verdient auch, dass dieses Verbot aufgehoben wird. Kommissar Füle, können Sie bestätigen, dass sich die Delegation der EU in Nischni Nowgorod im Hinblick auf eine Lösung dieser Situation nach Kräften engagieren wird? Dies ist eine sehr wichtige Frage und eine, die mir derzeit in meinem Land oft gestellt wird, wenn ich über den EU-Russland-Gipfel spreche.
Ich wollte insbesondere einige Worte zum problematischen Beitritt Russlands zur WTO sagen. Nur noch eine kurze Frage. Georgien hat hier in der Tat eine Schlüsselrolle gespielt. Georgien hat de facto ein Vetorecht. Präsident Saakaschwili erhöht den Einsatz. Er will transparente Grenzen – im Grunde will er Abchasien und Südossetien zurück – und er hat natürlich auch das Einfuhrverbot für georgische Weine und Mineralwasser auf die Tagesordnung gesetzt. Russland scheint jedoch überhaupt nicht von seiner Position abzurücken. Kurzum, stecken wir hier nicht in einer Sackgasse? Es sieht sehr danach aus. Außerdem braucht die russische Wirtschaft, die hauptsächlich von Öl und Gas angetrieben wird, einen Beitritt zur WTO nicht wirklich.
Laima Liucija Andrikienė (PPE). – (LT) Frau Präsidentin, ich bitte die Präsidenten der EU-Institutionen, das Thema Menschenrechte auf dem morgen beginnenden EU-Russland-Gipfel nicht zu vergessen. Es ist klar, dass der Respekt für die Menschenrechte eine wertvolle Grundlage ist, ohne die eine strategische Partnerschaft sowie die Modernisierung der Beziehungen zwischen der EU und Russland unmöglich wären.
Der spezielle Fall, über den wir sprechen müssen, ist das Urteil des Moskauer Stadtgerichts vom 24. Mai zur Abweisung der Berufung durch Mikhail Khodorkovsky und Platon Lebedev gegen die neue Verurteilung zu sieben Jahren Haft. Im 21. Jahrhundert findet vor unseren Augen ein schändlicher Prozess statt, und die Urteile werden nicht im Gericht gefällt. Dies geschieht in einem Land, das durch eine so genannte strategische Partnerschaft mit der EU verbunden ist. Das Urteil des Moskauer Gerichts zeigt einmal mehr die gravierenden Mängel des russischen Rechtssystems auf und bestärkt die Meinung, dass es diejenigen in Russland bestraft, die politische Ambitionen haben, deren Meinungen aber nicht mit der des Kreml übereinstimmen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 31. Mai sowie die Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention in Russland sind Fakten, über die ebenfalls gesprochen werden muss.
Wir, das Europäische Parlament, sollten klar und deutlich sagen, dass Russlands Präsident Dmitri Medwedew, wenn er zum Europäischen Parlament kommen will, hier mit dem politischen Gefangenen Mikhail Khodorkovsky erscheinen sollte. Dies wäre die effektivste Strategie und Taktik zur Modernisierung Russlands. Präsident Medwedew und der politische Gefangene Mikhail Khodorkovsky gemeinsam im Europäischen Parlament – das wäre nicht nur ein Zeichen, das die Aufmerksamkeit der Medien weltweit wecken würde, sondern auch ein Zeichen der aufrichtigen Unterstützung der demokratischen Gesellschaft.
Justas Vincas Paleckis (S&D). – (LT) Frau Präsidentin, dieser Gipfel ist etwas Besonderes, da er vor dem Hintergrund der bevorstehenden Wahlen in Russland stattfindet. Wir erwarten, dass Brüssel Russland ein starkes Signal dahingehend sendet, dass bei den Wahlen demokratische Standards eingehalten werden. Dies würde eine Meinungsvielfalt in der Duma gewährleisten. Nach den Ereignissen in Fukushima ist die Frage der Kernenergiesicherheit besonders relevant. Ich freue mich darüber, dass das Mitglied der Kommission erwähnt hat, dass man dieses Thema auf dem Gipfel ansprechen und die höchsten internationalen Sicherheitsstandards sowohl für bereits in Betrieb befindliche als auch für geplante Kernkraftwerke in Russland und natürlich auch in der Europäischen Union fordern wird.
Meiner Meinung nach sollten auch die Beziehungen der EU und Russlands mit Weißrussland angesprochen werden. Eine Annäherung der Standpunkte würde helfen, denen die Gefängnistore zu öffnen, die vor kurzem in Weißrussland zur Wahl standen. Darüber hinaus würde dies die eklatanten Menschenrechtsverletzungen beenden. Ich unterstütze die Kolleginnen und Kollegen, die sagten, dass wir den Worten im Bereich der Visumerleichterung Taten folgen lassen müssen vollumfänglich, und zwar nicht nur im Hinblick auf Russland, sondern im Hinblick auf alle östlichen Nachbarn.
Nach seiner Übernahme des EU-Ratsvorsitzes hat Polen bereits Wege hin zu einem fruchtbareren Dialog mit Russland gefunden, sodass wir erwarten können, dass in den kommenden sechs Monaten konkrete Schritte hinsichtlich der Beziehungen zwischen der EU und Russland unternommen werden.
Jacek Olgierd Kurski (ECR). – (PL) Die gravierendsten Mängel der Beziehungen zwischen der EU und Russland sind Unbeständigkeit, Schwäche und ein mangelndes Bewusstsein für unsere eigene Macht. Typisch in dieser Hinsicht ist das Thema Nord Stream. Zuerst erklären wir die Energiesolidarität zu einem der wichtigsten Prinzipien im Vertrag von Lissabon und dann stimmt die EU dem Projekt Nord Stream zu, das Polen und den anderen neuen Mitgliedstaaten in geopolitischer Hinsicht schadet. Daher sollten wir bei der Diskussion all dieser Fragen im Rahmen der bevorstehenden vom Kommissar skizzierten Agenda nicht von unserer Meinung abrücken.
Russland muss sich im Hinblick auf die WTO an bestimmte Vorschriften halten. Bevor an eine Mitgliedschaft in der WTO gedacht werden kann, muss es zunächst einmal georgischen Wein wieder auf seinen Märkten zulassen.
Was Visa betrifft, so muss man Russland mitteilen, dass die Visumbestimmungen zunächst für die Länder der Östlichen Partnerschaft und erst danach für Russland liberalisiert werden. Die Oblast Kaliningrad könnte eine Ausnahme zu dieser Regeln sein.
Was den Energiesektor betrifft, so muss Russland mitgeteilt werden, dass wir gegen die wiederholte Erpressung der Ukraine und gegen die von russischen Agenturen ergriffenen Maßnahmen zur Beeinflussung sind, deren Ziel die versuchte Herabwürdigung der Extraktion von Schiefergas in Polen und Europa war. Dies ist eine großartige Möglichkeit, Unabhängigkeit von Russland zu erlangen.
Tunne Kelam (PPE). – Frau Präsidentin, Russland hat ein Modernisierungsprogramm ausgerufen, und einige Beobachter sprechen von einer neuen Perestroika. Leider wurden bisher noch keine echten Fortschritte erzielt. Analysten kommen zu dem Schluss, dass die Priorität der aktuellen russischen Eliten lautet, das aktuelle System aufrechtzuerhalten und zu verhindern, dass Außenbeziehungen eine Auswirkung auf die Situation im Inland haben.
Es liegt daher an der EU, eines deutlich klarzustellen. Der Erfolg der Partnerschaft für die Modernisierung wird von der Bereitschaft und der Fähigkeit der russischen Regierung abhängen, eine wahrhaft unabhängige Justiz zu schaffen und die grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Transparenz und der Gegenseitigkeit umzusetzen. Wenn die EU dieses überaus wichtige Thema nicht auf der Grundlage dieser Werte anspricht, können kaum Fortschritte erwartet werden.
In der heutigen Ausgabe des International Herald Tribune steht: „Russland kann erst dann eine moderne Wirtschaft haben, wenn es eine echte Rechtsstaatlichkeit besitzt.“ Der Gipfel wird in Nischni Nowgorod stattfinden, das zu sowjetischen Zeiten noch Gorki hieß. Dorthin wurde die Schlüsselfigur des sowjetischen Bewusstseins, Andrei Sacharow, verbannt. Ich fordere die Kommission und unsere Vermittler auf, dem Geist von Andrei Sacharow zu folgen und sich an die Botschaft des Gewinners des Sacharow-Preises, Sergei Kovalev, zu erinnern, die er dieser Kammer vor zwei Jahren vermittelte.
Schließlich sollte die EU Russland fördern und bei der Bewältigung seines totalitären Erbes unterstützen. 20 Jahre danach musste selbst Herr Medwedew zugeben, dass man das schreckliche und kriminelle Erbe der russischen Macht nicht ignorieren kann. Ich erinnere mich an die Worte unseres Kollegen, Herrn Swoboda, der gestern eine vollständige Aufklärung der russischen Geschichte, insbesondere der Gräueltaten der Ära Stalin, gefordert hat. Wir können Russland bei der Bewältigung seiner Vergangenheit helfen.
Boris Zala (S&D). – (SK) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Meine Damen und Herren, wir brauchen für Russland noch immer eine Doppelstrategie: auf der einen Seite entschlossene Forderungen nach der Einhaltung der demokratischen Prinzipien, jedoch gleichzeitig auch eine Ablehnung der subtilen antirussischen Bush-Politik.
Russland hat sicherlich kein Recht auf eine Einflusssphäre. Alle ehemaligen Sowjetrepubliken haben das Recht, frei zu entscheiden, wo sie hingehören wollen. Es hat jedoch sicherlich ein Recht auf Schutz und internationale Sicherheit. Ein solches Sicherheitsgefühl würde die interne Situation in Russland sicherlich liberalisieren.
Russland muss an der Seite Europas in die globale Politik eingebunden werden, damit Russland sich als akzeptierter Partner im Hinblick auf die Schaffung einer internationalen und demokratischen Ordnung fühlen kann. Die Partnerschaft für die Modernisierung darf nicht nur die staatsmonopolistischen Ideen der russischen Regierung umsetzen, sondern muss auch einen Raum für ungehinderte industrielle und wissenschaftliche Aktivitäten schaffen, wie Herr Fleckenstein in seiner Analyse bereits erwähnte.
Wenn wir in dieser Hinsicht einen unterschiedlichen Ansatz für Russland verfolgten, könnten wir die versteckte Hoffnung einer ernten, dass der demokratische Prozess in Russland zu einem weitaus größeren Ausmaß stattfinden könnte, nämlich mit einer Sicherheit und einem Selbstvertrauen, die dann auch in die europäische Politik einfließen könnten. Ich drücke die Daumen, dass sich dies aus den bevorstehenden Gesprächen ergeben wird.
Mirosław Piotrowski (ECR). – (PL) Frau Präsidentin, am Vorabend des EU-Russland-Gipfels und im Kontext der Verhandlungen zu einem neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ist es für die nicht nur EU wichtig, mit einer Stimme zu sprechen, sondern Russland auch seine Einheit und Solidarität in der Praxis zu demonstrieren. Die Energiesolidarität ist im Vertrag von Lissabon festgeschrieben. Russland erkennt dieses Prinzip jedoch nicht an. Das Projekt Nord Stream ist ein offensichtliches Beispiel für diese Einstellung. Wir dürfen keine Versuche dulden, einzelne der neuen Mitgliedstaaten der EU mithilfe des Spaltkeils des Energiesektors zu isolieren. Dies sollte im Rahmen des Gipfels auch klar und deutlich betont werden. Außerdem sollten wir die Anerkennung der europäischen Ambitionen Georgiens, der Republik Moldau und der Ukraine erwarten und Russland auffordern, die Ausübung von politischem Druck auf diese Länder einzustellen. Darüber hinaus sollten wir daran denken, dass Russland eine einzigartige Demokratie mit einer hohen Korruptionsquote ist.
Inese Vaidere (PPE). – (LV) Frau Präsidentin, das neue Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland muss für alle Bereiche der Zusammenarbeit konkret und rechtsverbindlich sein. Dies ist eine berechtigte Forderung, da das Abkommen keine Sammlung allgemeiner Phrasen sein darf. Die Europäische Union und Russland sind voneinander abhängig. Der europäische Markt ist für Russland nicht weniger wichtig als es das russische Gas für uns ist, und die russischen Pläne zur Modernisierung der Wirtschaft sind direkt von unserer Technologie und unserem Fachwissen abhängig. Aus diesem Grund sollte unsere Zusammenarbeit eng mit Verbesserungen in den Bereichen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Zusammenhang stehen. Die Europäische Union ist der größte Handelspartner Russlands und darüber hinaus wichtigster Investor; daher muss das neue Abkommen rechtsverbindliche Begriffe im Hinblick auf den Bereich Investitionen enthalten. Es ist wichtig auf der Abschaffung einseitiger und unangemessener Handelsbeschränkungen zu bestehen. es betrifft sowohl die Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Weißrussland als auch das aktuelle Embargo auf Gemüse aus der Europäischen Union. Wir dürfen nicht zulassen, dass Russland die Energiepolitik durch eine Diskriminierung bestimmter Mitgliedstaaten, beispielsweise im Bereich der Gaspreise, weiterhin zur Durchsetzung seiner geopolitischen Interessen nutzt.
Herr Kommissar, im Rahmen der Fortführung unserer Arbeit an der visumfreien Zone mit Russland müssen wir auch an der Schaffung einer visumfreien Zone mit den restlichen Staaten der Östlichen Partnerschaft arbeiten. Auf dem Gipfel müssen wir wiederholen, dass der Sechs-Punkte-Plan für Georgien noch immer nicht umgesetzt wurde. Unter Berücksichtigung der bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen müssen die gegen Oppositionsmitglieder verhängten Beschränkungen hinsichtlich der Anmeldung zu den Wahlen und des Auftretens in Massenmedien aufgehoben werden. Wir haben bereits unsere Bereitschaft bestätigt, in allen Phasen des Wahlprozesses anwesend zu sein. Russland muss jedoch auch die Bereitschaft zeigen, langfristige Beobachter zu akzeptieren und tatsächlich faire Wahlen durchzuführen. Zusammenfassend möchte ich betonen, dass sich diese wichtigen Bemerkungen in keiner Weise gegen Russland oder das russische Volk richten – sie richten sich gegen die aktuelle Regierung, um die Situation in Russland zu verbessern und unsere Zusammenarbeit fruchtbarer zu gestalten.----
George Sabin Cutaş (S&D). – (RO) Frau Präsidentin, die globale Erwärmung, Drogenhandel, die Nichtverbreitung von Waffen sowie die Energiesicherheit sind typische Herausforderungen, die globale Situationen erfordern. Daher müssen wir eine solide, auf gegenseitigem Vertrauen basierende Partnerschaft mit Russland aufbauen.
Ich würde die Wiederaufnahme von Verhandlungen im Hinblick auf ein ehrgeiziges neues Partnerschaftsabkommen als Versuch zur Überwindung vergangener Spannungen begrüßen. Ich denke, dass die Europäische Union Russland bei seinen Bemühungen im Hinblick auf einen Beitritt zur WTO unterstützen muss, da dies die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Partnern fördern und Investitionen anziehen wird.
Gleichzeitig muss die Hohe Vertreterin Russland auf dem morgigen Gipfel drängen, die Energiecharta zu ratifizieren, da zwischen der Europäischen Union und Russland keine ordnungsgemäße Zusammenarbeit im Bereich Energie existieren kann, wenn die Prinzipien der Transparenz, Gegenseitigkeit, Wettbewerbsfähigkeit sowie der Nichtdiskriminierung nicht eingehalten werden.
Paweł Robert Kowal (ECR). – (PL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, ich erwarte, dass die Modernisierung eines der auf dem Gipfel angesprochenen Themen sein wird. Ich möchte Sie lediglich daran erinnern, dass eine Modernisierung Russlands nicht bloß eine Frage wirtschaftlicher oder energiepolitischer Belange, sondern eine Frage einer politischen Modernisierung sowie der Beziehungen zwischen den Behörden und der Gesellschaft ist. Ich möchte Sie bitten, dieses Thema anzusprechen. Hierzu gehören auch die Beziehungen zwischen Russland und seinen Nachbarn sowie die „Einflusssphäre“ Russlands. Da Sie so erfolgreich Beziehungen mit der Ukraine pflegen, möchte ich Sie dringend bitten, deutlich klarzustellen, dass ein Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine auch Vorteile für Russland mit sich bringen wird und dass wir alarmiert sind angesichts der Äußerungen extremen politischen Drucks auf die Ukraine am Vorabend zum Abschluss der Verhandlungen, da diese Verhandlungen sich in der letzten Phase befinden. Bitte machen Sie dies der russischen Vertretung in unserem Namen klar. Dies sind sehr wichtige Faktoren, die zum gegenseitigen Vertrauen zwischen den Institutionen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten auf der einen sowie Russland auf der anderen Seite beitragen.
Bernd Posselt (PPE). - Frau Präsidentin! Zunächst einmal war ich erstaunt, von einem historisch gebildeten Mann wie dem Herrn Mölzer zu hören, dass es historische russische Einflusszonen in Europa gebe und dass dazu Teile der Europäischen Union wie Rumänien gehören. Die Zeiten des Hitler-Stalin-Paktes sind lange vorbei, und wir sollten in einer Welt der Demokratie so etwas wie eine europäische Monroe-Doktrin vertreten, nämlich dass über das Schicksal und die Politik Europas die Europäer entscheiden. Das heißt nicht, dass wir nicht eine Politik der guten Nachbarschaft und des Dialoges wollen. Aber hier sollte uns auch der Tagungsort Nischni Nowgorod eine gewisse Lehre sein, denn er erinnert an die berühmte Geschichte von den Kaufleuten von Nischni Nowgorod, die glaubten, sich ihre Freiheit und ihre Sicherheit erkaufen zu können und die dann erst recht gehängt wurden.
Wir müssen erkennen, dass wir Sicherheit weder mit Geld erkaufen können noch indem wir die Wirklichkeit schönreden, sondern mit einer ehrlichen Partnerschaft. Wir brauchen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Wir brauchen Energieunabhängigkeit und Energiesicherheit und weniger Abhängigkeit von der russischen Energiepolitik, die nach wie vor für Zwecke der Außenpolitik eingesetzt wird. Und wir brauchen eine klare Sprache bei den Menschenrechten. Hier dürfen wir keine Kompromisse machen. Gerade was Herrn Chodorkowski und Herrn Lebedev jetzt betrifft, muss ich sagen, dass diese Personen endlich freizulassen sind, denn ansonsten wird der Staatsbesuch des russischen Präsidenten hier im Europäischen Parlament wirklich massiv belastet werden.
Wir wollen eine Partnerschaft mit einem sich demokratisierenden Russland, aber dazu muss sich Russland demokratisieren, in der Wirklichkeit und nicht nur in unseren Wunschvorstellungen. Deshalb gebe ich dem Kollegen Swoboda Recht, es wird ganz entscheidend auf die kommenden Wahlen ankommen. Dann werden wir sehen, ob sich unsere Partnerschaft mit dem russischen Volk, dem wir tief zugetan sind, zu einer echten Partnerschaft mit dem russischen Staat erweitern lässt.
Mitro Repo (S&D). – (FI) Frau Präsidentin, wie Herr Posselt bereits erwähnte, braucht Europa Russland, und Russland braucht Europa. Eine Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland ist wichtig für die Förderung der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stabilität nicht nur in Europa, sondern weltweit.
Es ist bedauerlich dass das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland nicht den aktuellen Kooperationsbedürfnissen entspricht. Die strategische Partnerschaft sollte enger, tiefer und breiter sein. Die Grundlage für alle künftigen Beziehungen zwischen Europa und Russland muss jedoch die Förderung von Frieden und Sicherheit sowie die Unterstützung demokratischer Werte sowie eines politischen und wirtschaftlichen Friedens sein.-
Die Partnerschaft für die Modernisierung sollte vertieft und fokussiert werden, ein bloßer politischer Dialog zwischen Diplomaten ist jedoch einfach nicht genug. Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um es den Menschen zu erleichtern, in den Bereichen Wissenschaft, Kunst, Kultur, Bildung und Unternehmen zusammenzuarbeiten und diese Zusammenarbeit zu erweitern.
Konrad Szymański (ECR). – (PL) Frau Präsidentin, auf den EU-Russland-Gipfel wird es zweifellos viele wichtige Themen geben, eines der wichtigsten wird voraussichtlich jedoch das Thema Energiesicherheit sein. Russland führt seit einigen Monaten eine sehr intensive Kampagne durch, die auf die Gewährung von Ausnahmegenehmigungen für seine Gasinfrastruktur von den im dritten Energiepaket festgelegten Vorschriften abzielt bzw. in anderen Worten von den Vorschriften unseres Anti-Monopol-Gesetzes, das die gleichzeitige und parallele Kontrolle von Energieressourcen und Übertragungsnetzen verbietet. Herr Shmatko, der russische Energieminister, Herr Kramer, CEO des Projekts South Stream, und Herr Miller, CEO von Gazprom, waren in diesem Zusammenhang bereits in Brüssel. Es handelt sich um eine groß angelegte Kampagne. Der Standpunkt der Europäischen Union zu diesem Thema, nämlich dass wir nicht beabsichtigen, Russland reduzierte Tarife zu gewähren, muss Russland klar und deutlich vermittelt werden; stattdessen ist es uns wichtig, dass der Gasmarkt in Mitteleuropa wettbewerbsfähiger und weniger monopolisiert wird. Herr Kommissar, ich möchte Sie bitten, uns klar zu sagen, ob die Europäische Kommission bereit ist, auf dem Gipfel entsprechende Erklärungen abzugeben.
Tomasz Piotr Poręba (ECR). – (PL) Frau Präsidentin, im Vorfeld des bevorstehenden Gipfels können wir festhalten, dass der Europäischen Union eine einheitliche kohärente Strategie für Russland fehlt und dass die aktuelle Politik der pragmatischen Zusammenarbeit auf der Grundlage einer Strategie der kleinen Schritte sehr leicht im Rahmen einer beliebigen zukünftigen Krise scheitern kann, wie dies im Jahr 2008 während des Krieges mit Georgien oder im Jahr 2009 nach der Unterbrechung der Gasversorgung der Fall war.
Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Ereignis ist es sehr wichtig, die Definition des Begriffs „Diversifizierung“ zu betonen, der in Europa oftmals gleichbedeutend ist mit dem Bau einer großen Zahl verschiedener Gaspipelines aus Russland. Diversifizierung ist beispielsweise als Bau der South und Nord Stream-Gaspipelines zu verstehen. Gleichzeitig sollte sich die Europäische Union auch darauf konzentrieren, Gaslieferungen aus nicht-russischen Quellen sicherzustellen: sie sollte mehr zur Förderung der Nabucco-Pipeline aus Aserbaidschan tun und in Gasterminals sowie in die Forschung im Bereich Extraktion von Schiefergas unternehmen.
Außerdem ist es sehr wichtig, dass weiterhin auf verschiedenen Ebenen Druck auf die russischen Behörden im Hinblick auf die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Russland ausgeübt wird. Zusätzlich zu den Diskussionen im Rahmen der EU-Russland-Gipfel sollten wir sicherstellen, dass die zweimal jährlich mit Vertretern der Europäischen Union sowie Diplomaten des russischen Außenministeriums stattfindenden Anhörungen entscheidend intensiviert werden.
Krzysztof Lisek (PPE). – (PL) Frau Präsidentin, meiner Meinung nach muss man den russischen Behörden sagen, dass wir von ihnen ein verantwortungsbewusstes Verhalten erwarten. Russland ist ein potenziell sehr wichtiger Partner für die Europäische Union, so zum Beispiel, wenn es um eine Lösung für bestimmte festgefahrene und noch immer nicht gelöste Konflikte in Europa geht. Meiner Meinung nach sollte man den russischen Behörden sagen, dass sie trotz der Bedeutung von Gemüse und Gas die Unterstützung der transnistrischen Separatisten einstellen müssen, dass wir erwarten, dass sie die Waffenlieferungen nach Aserbaidschan und Armenien einstellen, da dies eine große Bedrohung für die Zukunft dieser Region darstellet, und dass wir von Russland erwarten, dass es seine im Rahmen des im Jahr 2008 mit Georgien geschlossenen Abkommens festgelegten Verpflichtungen erfüllt. Wir erwarten, dass die russischen Truppen aus Abchasien und Südossetien abgezogen werden, und wir erwarten, dass Russland das Recht Georgiens respektiert, sich selbst Gedanken über seine Zukunft zu machen und selbst darüber zu entscheiden.
Sławomir Witold Nitras (PPE). – (PL) Frau Präsidentin, wenngleich ich mit Herrn Liseks Ausführungen zu Georgien übereinstimme und dabei nicht vergesse, was viele Abgeordnete zur Ukraine gesagt haben, so scheint mir doch, als müsste auf dem morgigen Gipfel auch ein wenig – oder vielleicht sogar auch etwas mehr – über Weißrussland gesprochen werden. Ich möchte alle bitten, daran zu denken, dass wir es dort seit Monaten mit einer sehr weitreichenden politischen Krise zu tun haben und dass wir es schon seit einigen Monaten auch mit einer weitreichenden Wirtschaftskrise zu tun haben. Wir haben es außerdem mit einer Situation zu tun, in der Russland Druck auf Weißrussland ausübt, wahrscheinlich sogar stärker und effektiver als dies derzeit bei der Ukraine der Fall ist. Russland nutzt die dramatische Situation, in der sich die weißrussische Wirtschaft befindet, aus um effektiv zu versuchen, die gesamte Wirtschaft bzw. strategische Sektoren der Wirtschaft zu übernehmen. Ich habe eine Bitte. Wenn Russland beschließt, Hilfe zur Verfügung zu stellen, und wir wissen, dass es beschlossen hat, Weißrussland zu helfen, dann sollte die Europäische Union sicherstellen, dass Russland die Bereitstellung dieser Hilfe von der Einhaltung der Menschenrechte abhängig macht. Dies sind Werte, die wir offensichtlich mit Russland teilen. Diese Tatsache wird von den Russen oftmals betont, daher sollten sie uns auch bei der Einführung dieser Werte in Weißrussland helfen. Andernfalls werden wir durch die Finanzierung des Lukashenko-Regimes dafür verantwortlich sein.
Jaroslav Paška (EFD). – (SK) Frau Präsidentin, bei Verhandlungen mit Russland gibt es immer eine Reihe problematischer Themen, wie zum Beispiel den Standard der Bürgerrechte, das sinnlose Einfuhrverbot für Gemüse aus der EU, den in der EU stationierten Raketenschutzschild oder das problematische Eingreifen Russlands in zahlreichen ehemaligen Sowjetrepubliken.
Ich möchte nicht sagen, dass wir diesen schwierigen Themen aus dem Weg gehen sollen, aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns nicht nur darauf beschränken sollten.
Wir sollten auch neue Ideen für eine Zusammenarbeit vorbringen, von der beide Seiten profitieren. Europäische Produzenten brauchen neue Möglichkeiten, ihre Produkte zu verkaufen. Russland ist ein enormer Handelsraum mit stetig wachsender Kaufkraft. Daher müssen wir intensiver an der Beseitigung der Hindernisse arbeiten, die einer Zusammenarbeit im Bereich Handel im Weg stehen, und außerdem gemeinsam Projekte wie beispielsweise die Erweiterung der Breitspurbahnlinie vom Pazifik bis ins Herz der EU unterstützen.
Projekte wie dieses können der Zusammenarbeit neue Impulse verleihen, und von der Umsetzung dieser Projekte wird nicht nur Europa, sondern auch die Ukraine, Russland und viele asiatische Länder profitieren.
Lena Kolarska-Bobińska (PPE). – (PL) Frau Präsidentin, es finden Gespräche zwischen der Europäischen Union und Russland zur Zukunft des Energiesektors statt, aber soweit mir bekannt ist, wird derzeit eine neue Gruppe zusammengesetzt, die das dritte Energiepaket im Kontext der Gassicherheit diskutieren wird. Ich möchte Kommissar Füle und Kommissar Oettinger bitten, das Europäische Parlament über die Fortschritte dieser Gespräche sowie über das Ergebnis der Verhandlungen der Gruppe zu informieren. Wir hätten auch gerne eine Liste der Mitglieder der Verhandlungsgruppe. Von einem Vertreter eines russischen Energiekonzerns habe ich erfahren, dass das Unternehmen an diesen Verhandlungen beteiligt sei. Ich möchte wissen, ob dem so ist und ob die Vertreter großer Unternehmen auf russischer Seite an den Verhandlungen beteiligt sein werden.
Die Einhaltung des Wettbewerbsrechts im Bereich Energie ohne die Gewährung von Ausnahmen ist ebenfalls ein wichtiges Thema für das Europäische Parlament. Im Rahmen der aktuellen Präsentationen der Investitionspläne des Projekts South Stream in Brüssel war es offensichtlich, dass Russland und Gazprom Privilegien und einen Sonderstatus erhalten wollen. Dem können wir nicht zustimmen.
Vytautas Landsbergis (PPE). – Frau Präsidentin, ich sehe die Entschließung des Parlaments als die Hand, die Europa dem heutigen Russland trotz all seines grundloses Stolzes und seiner vererbten Arroganz ausstreckt, als wahrhaft freundschaftlichen Rat und Aktionsplan. Da Präsident Medwedew im Rahmen der Anhörungen zum Thema Menschenrechte aufgefordert wurde, das Abgeordnetenhaus von Grund auf zu erneuern, steht unser Parlament nicht mit einer leeren Besänftigung, sondern mit einer konstruktiven Zusammenarbeit da.
Die größte Chance bietet sich dann, wenn Russland offen ist und sich bemüht eine offene Gesellschaft aufzubauen statt einer, die sich in einem rückwärts gerichteten Stalinismus verschließt.
Leider zeugt der Druck, den Russland auf den Rest der G8 im Hinblick auf die Anerkennung der besetzten Gebiete in Georgien im WTO-System ausübt, nicht gerade von gutem Willen.
Wenn es wahr ist, dass der Westen dem zugestimmt hat, dann zeigt er leider kurz vor dem Gipfel in Nischni Nowgorod Schwäche.
Angelika Werthmann (NI). - Frau Präsidentin! Russland ist wohl ein wichtiger, aber sehr schwieriger Partner für die Europäische Union. Der WTO-Beitritt ist für Russland sicher sehr wichtig. Doch möchte ich explizit einen demokratischen Prozess auf politischer wie auch zivilgesellschaftlicher Ebene einmahnen. Die Achtung und Einhaltung der Menschenrechte sind dafür eine unabdingbare Voraussetzung.
Elena Băsescu (PPE). – (RO) Frau Präsidentin, der EU-Russland-Gipfel findet vor dem Hintergrund regionaler Entwicklungen statt, die Auswirkungen auf diese Partnerschaft haben. Eine Reform der europäischen Nachbarschaftspolitik könnte bei der Lösung des Konflikts in Transnistrien helfen. Tatsächlich hat Russland Interesse an der Einrichtung eines gemeinsamen politischen Ausschusses gezeigt. Struktur und Frist für die Einrichtung dieses Gremiums müssen jedoch noch diskutiert werden.
Die Lebensmittelkrise, unter der Europa derzeit leidet, hat den Handel mit Russland zum Erliegen gebracht. Neue Verhandlungen zu den aktuellen Gesundheitsvorschriften könnten diese Situation verbessern. Die Mitgliedschaft Russlands in der WTO wird langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen mit der EU haben. Aus diesem Grund müssen alle relevanten Abkommen überprüft werden.
Als Folge des Starts des AGRI-Projekt stellt der Bereich Energie ein weiteres interessantes Thema dar. Dies würde eine Alternative zu der durch das Nabucco-Projekt bereitgestellten Quelle bieten.
Seán Kelly (PPE). – Frau Präsidentin, es ist gut, dass die Europäische Union sich bemüht, die bestmöglichen Beziehungen mit all seinen Nachbarn sowie auch mit allen Ländern auf der ganzen Welt zu pflegen. Manchmal kann das schwierig sein – vermutlich insbesondere, wenn es um Russland geht, da es eine sehr bewegte Geschichte hat. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor 20 Jahren ist sein Verhalten gegenüber einigen Ländern, insbesondere Nachbarländern wie Georgien, sicherlich nicht bewundernswert.
Offensichtlich müssen jegliche Verhandlungen mit Russland auf der Anerkennung der wichtigen Werte des Respekts für die Menschenrechte sowie des Respekts für die Nachbarn basieren. Nichtsdestotrotz bieten sie eine großartige Gelegenheit, globale Fragen wie den Klimawandel anzusprechen und darüber hinaus natürlich auch eine gute großartige Gelegenheit, beide Wirtschaften weiter zu entwickeln. Im Hinblick auf Wohlstand ist Russland ein aufstrebendes Land und ein Entwicklungsland. Sicherlich bieten sich sowohl für die Europäische Union als auch für Russland langfristig großartige Möglichkeiten, wenn das Fundament gut ist.
Štefan Füle, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin, der heutige Meinungsaustausch war in der Tat sehr hilfreich, um unseren Vorbereitungen auf den Gipfel den letzten Schliff zu verleihen, und Sie können sich sicher sein, dass ich der Hohen Vertreterin und Vizepräsidentin Ashton, die sich mit den Präsidenten und Kommissar Karel De Gucht besprechen wird, die wesentlichen Botschaften übermitteln werde.
Ich habe vernommen, dass viele von Ihnen eine Fortführung des Engagements mit Russland sowie eine Weiterentwicklung der Beziehung und Koordinierung mit der Russischen Föderation fordern, ich habe jedoch auch Forderungen nach mehr Demokratie und weniger Korruption vernommen. Ich hab auch vernommen, dass ein Ende der Schikanen, von denen in Nischni Nowgorod berichtet wurde, gefordert wird, wenngleich ich die Rolle der Russischen Föderation im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit für den Gipfel respektiere.
Wir haben festgestellt, dass wir zu vielen Themen konvergierende Ansichten vertreten. Wir sind sowohl im bilateralen als auch im multilateralen Kontext einer Meinung hinsichtlich der Bedeutung unserer Beziehungen mit Russland, ganz gleich, ob auf regionaler oder globaler Ebene. Wir sind uns darüber einig, dass diese Beziehung viele Facetten hat und dass wirtschaftliche, gesellschaftliche und umweltbezogene Fragen, das Thema Menschenrechte und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, Sicherheitsaspekte sowie die politische Zusammenarbeit von zentraler Bedeutung sind.
Wir sollten auf diesem Gipfel keine Lösung aller noch vorhandener Probleme erwarten – und ja, wir werden das Thema Gemüse ansprechen. Unser Ziel sollte jedoch sein, deutliche Fortschritte zu einer Reihe von Themen zu machen.
Lassen Sie mich einige dieser Bereiche kommentieren: Erstens: Wahlen. Die russischen Behörden sind sich der Tatsache sehr wohl bewusst, dass die Europäische Union die Wahlen der Jahre 2011 und 2012 genau beobachten wird. Sollte es bei den bevorstehenden Wahlen Unregelmäßigkeiten geben, so müssten diese Dinge angesprochen werden. Momentan fordern wir Russland auf, seine im Rahmen des Europarates, der Vereinten Nationen und der OSZE im Hinblick auf freie und faire Wahlen sowie im Hinblick auf eine gute Zusammenarbeit mit dem BDIMR zur Gewährleistung einer angemessenen Kontrolle eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Wir werden das Thema der Registrierung neuer Parteien sowie des Zugangs zu den Wahlen besonders betonen.
Zweitens: Ich habe die Sorgen des Parlaments hinsichtlich der Menschenrechtssituation in Russland zur Kenntnis genommen; wir teilen die meisten hiervon, und auch diese Themen werden auf dem Gipfel mit dem russischen Präsidenten angesprochen. Das wichtigste Forum für Fragen zu Menschenrechten und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sind die Konsultationen zum Thema Menschenrechte zwischen der Europäischen Union und Russland. Dies ist ein wichtiges Instrument, dessen Potenzial voll ausgeschöpft werden sollte. Leider ist dies noch nicht der Fall. Daher wird die Europäische Union die Notwendigkeit eines ehrlichen und hilfreichen Dialogs betonen, für den eine Überprüfung der Modalitäten der Konsultationen erforderlich ist.
Drittens: die Partnerschaft für Modernisierung. Ich stimme den ehrenwerten Abgeordneten absolut zu, dass die Partnerschaft für Modernisierung auf einer breiten Basis stehen sollte. Die Koordinatoren werden in Nischni Nowgorod den zweiten Programmbericht über die Umsetzung der Partnerschaft vorstellen. Wie Sie sehen werden, bildet das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit den Kern dieser Initiative, und es gibt bereits konkrete Projekte in diesem Bereich.
Viertens: Russland ist der Nachbar unserer Nachbarn, und ich denke, Nischni Nowgorod wäre eine hervorragende Gelegenheit auf das vor Kurzem angenommene ENP-Überprüfungsdokument zu verweisen und mit dem Hinweis auf dieses Dokument sicherzustellen, dass wir transparent sind in unserer Politik mit den Nachbarn, die gleichzeitig unsere und Russlands Nachbarn sind. Dies ist eine Gelegenheit – die unter anderem auf dieser Transparenz basiert –, klarzustellen, dass die Sorge um unsere gemeinsamen Nachbarn ein Prozess ist, aus dem beide Seiten Nutzen ziehen können. Ich denke, es wird außerdem eine gute Möglichkeit sein, auf der Grundlage einiger neuer Ideen der ENP-Überprüfung über eine stärkere Zusammenarbeit zur Bewältigung der langwierigen Konflikte in unserer Nachbarschaft zu sprechen.
Fünftens: die Frage der Zusammenarbeit im Bereich Energie wird auf dem Gipfel angesprochen. Wir brauchen transparente, faire und wettbewerbsfähige Energie Beziehungen, und wir werden dem russischen Präsidenten unsere Sorgen schildern. Wie ich bereits in meinen einführenden Bemerkungen erwähnte, werden wir die Notwendigkeit weiterer Reformen im russischen Strom- und Gassektor im Hinblick auf die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen hervorheben.
Frau Präsidentin, sehr geehrter Abgeordnete, die Europäische Union und Russland sind Partner. Partner sollten regelmäßig miteinander reden, sie sollten versuchen nach Möglichkeit einen Konsens zu erreichen, aber sie sollten nicht zögern, problematischere Aspekte offen anzusprechen. Über einige dieser problematischen Aspekte haben wir heute gesprochen. Sie sollten auf dem Gipfel angesprochen werden, und wir sollten wo immer möglich nach Lösungen oder zumindest Verbesserungen suchen.
Ich erwähnte bereits die ENP-Überprüfung. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Mehrwert der revidierten Nachbarschaftspolitik darin besteht, dass die in dieser Politik widergespielten allgemeingültigen Werte und Prinzipien nicht nur für kleine und mittlere Nachbarstaaten gelten.
Die Präsidentin. – Mir liegen sechs Entschließungsanträge gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung vor.
Die Aussprache wird geschlossen.
Die Stimmabgabe findet morgen, den 9. Juni 2011, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)
Cristian Dan Preda (PPE), schriftlich. – (RO) Ich freue mich, einer von denen zu sein, die diese Entschließung unterzeichnen, die die Bedeutung des Respekts für Demokratie und Menschenrechte in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland bekräftigt. Vom Dialog zwischen Russland und der EU zum Thema Menschenrechte bis hin zu den Gipfeltreffen ist meiner Meinung nach ein systematischer und ehrlicher Ansatz erforderlich für Fälle, in denen die Standards eines fairen Prozesses nicht eingehalten oder Menschenrechtsaktivisten oder Journalisten verfolgt oder von ihrer Arbeit abgehalten werden.
Außerdem müssen eindeutige Referenzkriterien hinsichtlich der Einhaltung demokratischer Standards durch Russland eingeführt werden, die die der Vertiefung der Beziehungen mit der EU unterstützen sollen. Nicht vergessen dürfen wir schließlich auch die Unterstützung für die Entwicklung der Zivilgesellschaft als Garant für eine Demokratie, die sich nicht nur steif an Verfahren hält, sondern auch wahrhaft integrativ ist.