Der Präsident. - Meine Damen und Herren! Mit großer Sorge betrachten wir alle die sich stündlich verschärfende Entwicklung in der Ukraine, die sicher verstörend und hochgefährlich ist. Ich möchte hier noch einmal zum Ausdruck bringen, dass das Europaparlament mit breiter Mehrheit zur Einheit, Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine steht.
(Beifall)
Wir haben in mehreren Entschließungen zum Ausdruck gebracht, was sicher auch Gegenstand der Debatte in dieser Woche sein wird: Wir erkennen die illegale Annektierung der Krim nicht an. Wir stellen uns der andauernden Strategie, das Land zu teilen, in den Weg. Wir rufen die Regierung der Russischen Föderation auf, die internationalen Prinzipien zu respektieren und die Truppen von der ukrainischen Grenze zurückzuziehen und von jedweder Aktion abzusehen, die die Ukraine destabilisieren kann. Wir sind uns hier sicherlich alle der Verantwortung bewusst, und wir begrüßen alle Aktivitäten, die die ukrainische Regierung dabei unterstützen, ihre Autorität im Lande durchzusetzen und zugleich den Dialog im Land und die Überwindung der Gräben zu erreichen. Deshalb ist es für uns sicher genauso wichtig, die Ukraine weiter dabei zu unterstützen, ihre Wirtschaft zu stabilisieren, die Korruption zu bekämpfen und die soziale Kluft im Land zu schließen.
Ich begrüße daher – ich hoffe, auch in Ihrem Namen – die heutige Entscheidung des Rates, die erste Milliarde der makroökonomischen Finanzhilfe für die Ukraine bereitzustellen und dem Land darüber hinaus – wie wir das in der letzten Sitzungswoche entschieden haben – unilaterale Handelspräferenzen einzuräumen.
Wie bereits gesagt, wird das Haus am Mittwoch im Plenum beraten und am Donnerstag eine entsprechende Entschließung verabschieden.
Das Europaparlament entsendet eine Wahlbeobachtungsmission zur Präsidentschaftswahl am 25. Mai. Ich vertraue darauf, dass diese Wahl fair und frei verlaufen wird, und hoffe, dass durch diese Wahl ein neues, hoffentlich friedliches Kapitel in der Geschichte der Ukraine als freier, moderner und demokratischer Staat beginnen kann.
(Beifall)
In der Nacht vom 6. auf den 7. April 2014 jährte sich der Genozid in Ruanda zum zwanzigsten Mal. Ich möchte noch einmal in diesem Haus an die Zahlen erinnern: In hundert Tagen wurden damals 800 000 Menschen umgebracht, die überwiegende Mehrheit davon Frauen, Kinder, eine ganze Menge Babys. Ganze Familien sind ausgelöscht worden – von ihren Nachbarn und von denen, die sie als ihre Freunde betrachteten, und das nur aus dem banalen Grund, weil sie einer anderen ethnischen Gruppe angehörten. Die Weltgemeinschaft hat damals weggeschaut. Sie ist sicher ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.
Dieses von Menschenhand geplante und durchgeführte Verbrechen kann sich – darüber müssen wir uns im Klaren sein – jederzeit wiederholen. Gestern war es in Ruanda, es war auch in Srebrenica. Wir wissen nicht, wo es beim nächsten Mal so sein wird.
Wenn es eine Lehre aus dem Völkermord in Ruanda gibt, dann die, dass wir nicht wegsehen dürfen. Gräueltaten an der eigenen Bevölkerung sind keine innere Angelegenheit eines Staates. Die Verantwortlichen für systematische Menschenrechtsverletzungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Das gehört auch für die Diktatur in Syrien gesagt. Sie dürfen der Justiz nicht entkommen. Umso wichtiger ist es, dass das nationale und das internationale Rechtswesen sowie der Internationale Strafgerichtshof weiter gestärkt werden.
Die Ruander haben ihren Weg gefunden. Das Land versucht, der Welt zu zeigen, dass Frieden und Versöhnung möglich sind. Ich möchte im Namen des Europaparlaments den Ruandern sagen, dass wir sie bei diesem Weg unterstützen möchten, für eine friedliche und sichere Zukunft des Landes. Ruanda arbeitet seine Vergangenheit auf. Wir sollten dem Land helfen, dass die Verbrecher und die Kriminellen, die die großen Untaten verübt haben, bestraft werden. Wir sollten dem Land aber auch dabei helfen, dass es durch wirtschaftliche Stabilität seinen inneren Frieden finden kann. Die Solidarität des Europäischen Parlaments gilt den Opfern und Hinterbliebenen.