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Fullständigt förhandlingsreferat
Onsdagen den 17 september 2014 - Strasbourg Reviderad upplaga

8. Uttalande av talmannen
Anföranden på video
Protokoll
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  Der Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Am frühen Morgen des 1. September vor 75 Jahren begann der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall Nazideutschlands auf das Nachbarland Polen. Es wurde ein Weltenbrand entfesselt, von einer wahnsinnigen Ideologie angetrieben, die in ihrer Zerstörungswut, in dem Wahn vom Herrenmenschentum, mit der Begründung einer Lebensraumpolitik andere Länder zu vernichten trachtete. Andere Länder sollten ausgebeutet werden, versklavt werden, ganze Völker sollten ausgelöscht werden. Es folgte eine Radikalisierung, die zu dem führte, was der „totale Krieg“ genannt wurde.

Vorausgegangen war ein zynischer Pakt zwischen Hitler und Stalin, der dazu führte, dass zwei Armeen in Polen einmarschierten, dass Deutschland Russland überfiel und ungeheures Leid über das Land brachte, mit dem Ergebnis, dass sechs Jahre später auch Deutschland vollständig zerstört war. 60 Millionen Tote, gefallen auf Schlachtfeldern, verhungert in der Kriegsgefangenschaft, Zivilisten, Männer, Frauen, Alte, Kinder, willkürlich ermordet, systematisch ausgelöscht, aus ihren Häusern vertrieben, auf den Straßen elendig gestorben, gefallen auf den Schlachtfeldern, verheert und verwüstet von Brandbomben, in den Gewehrsalven gefallen, hingerichtet am Galgen oder in die Gaskammern getrieben – der zivilisatorische Tiefstpunkt der Menschheitsgeschichte, der Völkermord an den Juden, der Mord an den Roma und Sinti.

Meine Damen und Herren! Dieser Zivilisationsbruch wirft seine Schatten auch bis heute. Wir erinnern uns Tausende von Jahre zurück an Gräueltaten, die damals stattfanden. Wie können wir glauben, dass knapp 70 Jahre nach diesem Zivilisationsbruch etwas vergessen sein könnte? Wir alle sind auch heute – jeden Tag – unter dem Eindruck dieses verheerenden Krieges und seiner Auswirkungen. Ein Resultat dieses Krieges war der Wille der Generationen, die den Ersten und den Zweiten Weltkrieg erlebt hatten, eine Ordnung in Europa zu schaffen, die es unmöglich machen sollte, dass sich das wiederholte. Die transnationale Kooperation von Völkern über Grenzen hinweg – und nicht nur über physische Grenzen, sondern über wirtschaftliche Grenzen, über kulturelle Grenzen, über religiöse Grenzen hinweg –, der Wille zu dieser Zusammenarbeit hat das Europa geschaffen, das wir heute haben. Und diese multinationale Parlamentarierversammlung ist ein Resultat dieses Willens. Hier sitzen Abgeordnete der europäischen Nationen zusammen in freier Selbstbestimmung. In unserem Parlament sitzen unterschiedliche Religionen, unterschiedliche Rassen, unterschiedliche politische Überzeugungen, Vertreter unterschiedlicher Kulturen und Nationen, aber mit einem Willen geeint: dass sich das nicht wiederholen darf auf unserem Kontinent.

Es ist ein Wunder, dass die Versöhnung auf diesem Kontinent gelungen ist nach allem, was in unserem Europa geschehen ist. Für mich ist es jedes Mal aufs Neue ein faszinierender Moment, der mich in seinen Bann schlägt, wenn ich in diesen Plenarsaal komme und sehe, dass wir in freier Selbstbestimmung ein Europa schaffen, dem es gelungen ist, Krieg und Hunger zu überwinden, Grenzen und Mauern niederzureißen, dem es gelungen ist, seine künstliche Teilung nach der Ordnung von Jalta zu überwinden und heute in einem geeinten Europa zusammenzuleben. Das Wunder der europäischen Einigung kann uns helfen, dass sich eine solche Menschheitskatastrophe nicht wiederholt.

Meine Damen und Herren! Wir haben keine Garantie dafür. Wir haben den Krieg nicht aus der Welt gezaubert. Er existiert. Wir haben Institutionen und Strukturen geschaffen, die es wahrscheinlich machen, dass der Krieg nicht mehr zu unseren Völkern zurückkehrt. Aber das ist, weil wir diese transnationalen Strukturen haben. Wenn wir sie zerschlagen, ist auch die Gefahr wieder da, dass der Ultranationalismus, der Hass, der Rassenhass, der Wahn des Herrenmenschentums nach Europa zurückkehren können. Wir haben ein Immunsystem gegen Krieg geschaffen, aber wir haben den Krieg nicht aus der Welt geschafft. Und es gibt wieder Menschen in Europa, die Angst vor Kriegen haben. Es werden wieder Grenzen auf unserem Kontinent einseitig verschoben. Wir müssen aufmerksam sein.

Der Frieden und die Freiheit sind das große Privileg der Nachkriegsgeneration, der ich angehöre. Ich gehöre als Deutscher zu denen, die keine individuelle Schuld auf sich geladen haben – ich bin nach dem Krieg geboren –, aber die eine individuelle Verantwortung haben, der ich gerecht werden möchte – so wie alle, die wissen, dass Friede, Toleranz, Respekt nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie nicht auf Papier geschrieben sind, sondern in der täglichen Praxis umgesetzt werden.

Die große Stärke dieses Parlaments ist, dass wir genau dies tun. Deshalb hat das Europäische Parlament eine besondere Verantwortung dafür zu erkennen, dass der Friede, die Toleranz, die Solidarität jeden Tag aufs Neue verteidigt werden müssen, weil sie jeden Tag aufs Neue bedroht werden. Deshalb ist die Arbeit dieser multinationalen Parlamentarierversammlung ein gutes Instrument – nicht das alleinige, aber ein gutes Instrument –, um unser Europa des Respekts und des Friedens zu verteidigen. Im Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs sollte es unsere gemeinsame Aufgabe sein, den Frieden in Europa, die Toleranz und den Respekt als unsere oberste Aufgabe zu betrachten.

(Beifall)

(Der Präsident gibt den Abgeordneten technische Hinweise für die anschließend durchgeführte 360-Grad-Fotoaufnahme.)

 
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