Der Präsident. – Im Einvernehmen mit den Fraktionen habe ich gemäß Artikel 146 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Geschäftsordnung diese außerordentliche Tagung einberufen, damit das Parlament den Ausgang des Referendums im Vereinigten Königreich debattieren kann.
Es ist das erste Mal, dass eine Plenarsitzung in dieser Form so kurzfristig einberufen wurde. Diese außergewöhnliche Maßnahme ist natürlich auch eine Reaktion auf einen außergewöhnlichen Präzedenzfall, nämlich dass ein Mitgliedstaat entschieden hat, aus der Gemeinschaft auszutreten.
Ich begrüße es deshalb außerordentlich, dass das gesamte Kommissionskollegium inklusive Lord Hill heute bei uns anwesend ist, und heiße Sie, Herr Kommissionspräsident, mit den Mitgliedern der Kommission herzlich im Hause willkommen!
(Beifall)
Es ist wichtig, dass wir im Parlament, am Ort der europäischen Demokratie, heute eine Debatte zu dem Thema, das uns alle zutiefst berührt, führen. Denn, meine Damen und Herren, im Gegensatz zur landläufigen Kommentierung in einigen Organen ist die Entscheidung, die im Vereinigten Königreich getroffen wurde, eine Entscheidung des britischen Volkes, aber eine, die alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union berührt. Deshalb ist es auch sinnvoll, dass die Abgeordneten der Völker Europas hier in diesem Hause heute über diesen Fall diskutieren.
Lassen Sie mich aber zu Beginn unserer Debatte eines sagen: Über vier Jahrzehnte hinweg haben viele Politikerinnen und Politiker und insbesondere sehr viele Beamtinnen und Beamte aus dem Vereinigten Königreich in den EU-Institutionen gearbeitet. Ich persönlich habe – wie viele von Ihnen – über Jahrzehnte hinweg mit Kollegen aus dem Vereinigten Königreich gemeinsam am Bau unseres Hauses Europa gearbeitet. Deshalb ist es mir – und ich glaube, ich spreche in Ihrem Namen – ein großes Bedürfnis, dass wir all denjenigen Kolleginnen und Kollegen aus dem Vereinigten Königreich hier im Hause und vor allen Dingen den vielen Hunderten Männern und Frauen in den Fraktionen und in den Ausschüssen, in der Verwaltung dieses Hauses, die mit uns gemeinsam am europäischen Projekt gearbeitet haben, an diesem Tage sagen: Wir bedauern zutiefst die Entscheidung, dass Großbritannien uns verlassen will. Aber Ihnen – den Kolleginnen und Kollegen, die mit uns über all die Jahre hier gearbeitet haben –, Ihnen sind wir politisch und menschlich zutiefst verbunden!
(Beifall)
Uns allen ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Wert des Vereinigten Königreichs, vor allen Dingen in der Außenpolitik Europas, aber auch in der Verteidigung seiner Freiheiten, ist von größter Bedeutung. Allerdings muss auch der Wille der Mehrheit von Bürgerinnen und Bürgern des Vereinigten Königreiches aktiviert und respektiert werden. Deshalb werden wir heute sicher auch intensiv über die Frage von Artikel 50 und seiner Aktivierung diskutieren.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einem, der hier im Raum ist, danken, der in einer sehr schwierigen Situation – wie ich finde – großartige Arbeit geleistet und einen großen menschlichen Schritt unternommen hat. Lord Hill hat in der Konsequenz seiner eigenen Haltung sein Amt als Kommissar des Vereinigten Königreichs zur Verfügung gestellt. Er ist deshalb heute sicher das letzte Mal bei uns. Ich möchte Ihnen sagen, Lord Hill: Sie haben sich in der Kampagne für den Verbleib des Vereinigten Königreichs eingesetzt. Ich möchte Ihnen im Namen des Parlaments für diesen Einsatz, aber auch für Ihre Arbeit in der Kommission danken.
(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden Lord Hill Beifall)
Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für dieses Signal, das auch zeigt, auf welcher Seite die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten der europäischen Völker steht: auf der Seite derjenigen, die Großbritannien in der Europäischen Union halten wollten. Danke für dieses starke Signal!
Zugleich ist aber der Rücktritt von Lord Hill ganz sicher bereits ein Signal, dass de facto die Austrittsprozedur bereits begonnen hat.