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Donnerstag, 20. Oktober 2022 - Straßburg Überprüfte Ausgabe

Solidarität mit der Ukraine im Kulturbereich und gemeinsamer Soforthilfemechanismus für die Erholung der Kultur in Europa (Aussprache)
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  Petra Kammerevert, im Namen der S&D-Fraktion. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verschärft die Not des finanziell bereits sehr fragilen Kultursektors. Die Folgen der COVID-Krise sind längst nicht überwunden. Steigende Energiekosten und Inflation sorgen für neue Probleme. Kultur ist aber mehr als der intellektuelle Genuss von Opern, Museen, Theatern und Musiksälen. Kultur bedeutet streiten, diskutieren, alarmieren. Kultur schafft öffentlichen Diskurs.

Aufgabe der Kulturpolitik ist es daher, Kultur in ihrer ganzen Vielfalt zu ermöglichen und sichtbar zu machen. Das Ausleben von Kultur im öffentlichen Raum ist die Gewährleistung des Menschenrechts auf Kultur und ermöglicht zugleich die kritische Auseinandersetzung mit politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Zuständen. Wird Kultur aus dem öffentlichen Raum verdrängt, wird dem Gemeinwesen insgesamt ein wichtiger Teil des öffentlichen Diskurses entzogen.

Diese kritisch-konstruktive Aufgabe werden aber nur Kulturbetriebe gut erfüllen können, die sich gewiss sind, sicher durch die Krisen zu kommen. Politik muss die finanzielle wie strukturelle Sicherheit geben, dass Kunst und Kultur etwas wagen, uns manchmal auch etwas zumuten können. Denn es ist nicht nur die ästhetisch anmutende, sondern eben gerade die engagierte und wertende, manchmal auch polarisierende Kultur, die uns als Gesellschaft weiterbringt. Deshalb brauchen wir schnelle, effektive nationale wie europäische Mechanismen, um diese Sicherheit zu gewährleisten. Wir haben hierzu einige Vorschläge gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit gezielten Akten der Gewalt wie direkten Angriffen auf Stätten des kulturellen Erbes verfolgt die russische Armee das Ziel einer ukrainischen Identitätsdestruktion. Kulturschaffende und Journalisten in der Ukraine leben in ständiger Angst. Ich möchte hier an den vor einigen Tagen mutmaßlich von russischen Besatzern ermordeten Dirigenten der Philharmonie von Cherson, Jurij Kerpatenko, erinnern. Er starb vermutlich, weil er sich mit der russischen Propaganda nicht gemeinmachen wollte.

Unter den herrschenden Bedingungen kann Kultur nicht den Wert entfalten, der von so besonderer Bedeutung ist. Es muss gewährleistet sein, dass eine freischaffende ukrainische Kultur einen festen Platz in der ukrainischen Gesellschaft hat und nicht Putins Aggression zum Opfer fällt. Auch hierzu haben wir einige Vorschläge gemacht, wie wir helfen können.

Ja, Kunst und Kultur sind in der Geschichte schon oft politisch instrumentalisiert worden. Und ja, es gibt Künstlerinnen und Künstler, die den Angriffskrieg Putins verteidigen oder gar gutheißen. Aber wir sollten auch nicht vergessen: Kunst und Kultur sind oft genug auch Ausdruck von Widerstand gegen Unterdrückung. Es häufen sich offenbar auch in der EU Fälle, in denen Werke russischer Künstler aus den Bibliotheken entfernt werden, das Engagement von Dirigenten, Sängern, Balletttänzern beendet wird oder russische Schriftsteller ausgeladen werden.

Wir täten gut daran, keine Bekenntniskultur einzuführen. Solange sich Einzelne nicht aktiv für die menschenrechtsverachtende Politik Putins positionieren oder offen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, darf ihnen weder aus ihrem Pass noch aus mangelnder politischer Haltung ein Nachteil erwachsen. Zur Freiheit gehört eben auch, sich politisch nicht zu positionieren. So wie wir die unbedingte Solidarität mit der Ukraine zeigen, müssen wir uns zugleich gegen eine Ausgrenzung von russischen Kunst- und Kulturschaffenden wehren, die diesen Angriffskrieg nicht befürworten. Mehr noch: Dostojewskij und Tschaikowski aus dem Repertoire zu verbannen ist nicht Ausdruck politischer Korrektheit, es ist schlicht Unsinn. Und wir sollten nicht vergessen: Kultur kann Brücken bauen – vielleicht nicht jetzt, aber hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft.

 
Letzte Aktualisierung: 5. April 2023Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen