Karten zu Tschernobyl-Verstrahlungen in Frankreich
7.5.2009
SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3668/09
von Marco Cappato (ALDE)
an die Kommission
Im Jahr 2003/2004 stellte das Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (Institut de radioprotection et de sureté nucléaire — IRSN) im Zusammenhang mit in Frankreich nach dem Tschernobyl-Unfall registrierten radioaktiven Kontaminationen fest, dass keinerlei genaue Karte über die Strahlenbelastung existierte. Die 1986 von der Zentralstelle für den Schutz gegen ionisierende Strahlung (Service central de protection contre les rayonnements ionisants — SCPRI) veröffentlichte Karte wies durchschnittliche regionale Caesium-137-Kontaminationen von 1 000 bis 5 400 Bq/m2 im Osten Frankreichs aus, die jedoch bis zu 40 000 Bq/m2 erreichen konnten. Anhand dieser Messwerte konnte die Kontamination der Nahrungsmittelkette in den Regionen, in denen die Kontamination aufgrund der unberücksichtigt gebliebenen Niederschläge am stärksten war, nicht bewertet werden. Die radioaktiven Dosen, die möglicherweise gewirkt haben, können daher bis zum heutigen Tage lediglich theoretisch abgeschätzt werden. Bei Kindern, die frische Erzeugnisse aus Gebieten wie der östlichen Ebene Korsikas verzehrt hatten oder die eine spezielle Ernähungsweise einhalten mussten, konnten die in der Schilddrüse gemessenen Dosen 50 mSv überschreiten und 150 mSv[1] erreichen. Die 2002 von der Kommission zur Erforschung und unabhängigen Information über Radioaktivität (Commission de recherche et d'information indépendante sur la radioactivité — CRIIRAD)[2] veröffentlichten Messwerte wurden durch diese Daten noch untermauert. Die unklaren Messwerte des Amtes für Strahlenschutz (Office de protection radiologique — SCPRI/OPRI) wurden auch in den von der EWG veröffentlichten Atlas über die Kontamination mit Cs137[3] übernommen und erschweren die epidemiologischen Untersuchungen über die Zunahme von Krebserkrankungen in Frankreich, die auf Tschernobyl zurückzuführen sind.
Wurde die Kommission über diese Schlussfolgerungen des IRSN in Kenntnis gesetzt?
Beabsichtigt die Kommission, die Karte Frankreichs im vom Joint Research Center im Internet veröffentlichten europäischen Atlas auf der Grundlage der Berechnungen des IRSN, in denen auch die Niederschläge berücksichtigt werden, zu ändern?
Wäre die Kommission bereit, Frankreich aufzufordern, mehr als die bereits vorliegenden 35 Messwerte vorzulegen, zumal von Italien und Deutschland 436 bzw. 1 371 Messwerte vorliegen?
- [1] S. 5 und 12-13 in Radioprotection 2003, Bd. 38, Nr. 4, S. 529-542, Ph. Renaud, D. Louvat „Les retombées de l’accident de Tchernobyl en France: analyse critique des mesures effectuées à l’époque sur le territoire national et enseignements pour la gestion de crise“ (Die Auswirkungen des Tschernobyl-Unfalls in Frankreich: eine kritische Untersuchung der damals auf dem französischen Territorium erfolgten Messungen und Lehren für das Krisenmanagement), http://www.radioprotection.org/index.php?option=article&access=standard&Itemid=129&url=/articles/radiopro/pdf/2003/04/Renaud.pdf
- [2] CRIIRAD und André Paris „Contaminations radioactives: atlas France et Europe“ (Atlas radioaktiver Kontaminierungen in Frankreich und Europa), Ed. Yves Michel, 2002, ISBN 2913492150.
- [3] „Atlas of caesium deposition on Europe after the Chernobyl accident“ Eur 16733, Luxembourg, Office for Official Publications of the European Communities 1998, ISBN 92-828-3140-X, http://rem.jrc.ec.europa.eu/Atlas/TEXT/ENGLISH.PDF
ABl. C 189 vom 13/07/2010